PDF-Download - Militärgeschichtliches Forschungsamt der ...
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Die historische Quelle<br />
Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv<br />
Das »Bonner Friedensforum« und die Friedensbewegung<br />
Am Anfang <strong>der</strong> kleinen Recherche stand ein Anruf aus<br />
<strong>der</strong> Robert-Schuman-Kaserne in Müllheim. Dort waren<br />
beim Aufräumen in einem Lagerraum alte Plakate<br />
»<strong>der</strong> Friedensbewegung« gefunden worden. Herausgeber<br />
<strong>der</strong> Plakate sei ein »Bonner Friedensforum e.V.« Die<br />
Deutsch-Französische Brigade fragte Anfang 2013 beim<br />
Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv, an, ob daran Interesse<br />
bestünde. Alte Plakate <strong>der</strong> Friedensbewegung in einer<br />
Kaserne? Das weckte natürlich Interesse. Der Blick<br />
auf den Müllheimer Fund zeigte schnell, dass es sich keineswegs<br />
um Plakate <strong>der</strong> Friedensbewegung handelte. Im<br />
Gegenteil: Unter einem wenig sympathischen Foto <strong>der</strong><br />
sowjetischen Partei- und Armeeführung (zu sehen sind<br />
u.a. Außenminister Andrei Gromyko, Staats- und Parteichef<br />
Leonid Breschnew und Verteidigungsminister<br />
Marschall Dmitri Ustinow sowie <strong>der</strong> polnische Staatsund<br />
Armeechef General Wojciech Jaruzelski) findet sich<br />
die Auffor<strong>der</strong>ung, bei <strong>der</strong> westdeutschen Friedensbewegung<br />
mitzumachen, denn: »Die Sowjetunion braucht<br />
Dich!« Ein an<strong>der</strong>es Plakat zeigte ein sowjetisches Manöver<br />
und einen Sowjetstern mit Krallen: » Unser Preis: Ihre<br />
Freiheit. Unsere Devise: Es gibt viel zu erobern. Packen<br />
wir´s an.«<br />
Plakatsammlung Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv<br />
Derlei Plakate passten kaum zur Friedensbewegung. In<br />
den 1980er Jahren erlebte die Bundesrepublik wie auch<br />
an<strong>der</strong>e westeuropäische Staaten starke Proteste gegen die<br />
Politik <strong>der</strong> Auf- bzw. Nachrüstung. Die Demonstrationen<br />
richteten sich ganz allgemein gegen die Stationierung<br />
neuer Atomwaffen in Europa, in Ost und West. Konkreter<br />
Anlass und damit auch Hauptauslöser <strong>der</strong> Proteste war<br />
aber die mit dem NATO-Doppelbeschluss verbundene<br />
Stationierung neuer amerikanischer atomar bestückter<br />
Marschflugkörper (Cruise Missiles) und Mittelstreckenraketen<br />
des Typs Pershing II in <strong>der</strong> Bundesrepublik und<br />
in an<strong>der</strong>en NATO-Staaten. Im Oktober 1981 demonstrierten<br />
300 000 Menschen im Bonner Hofgarten. Den »Krefel<strong>der</strong><br />
Appell« gegen diese neuen Waffen unterzeichneten<br />
zwischen 1980 und 1983 über vier Millionen Menschen.<br />
Allein am 22. Oktober 1983 schlossen sich in <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik 1,3 Mio. Menschen den Demonstrationen<br />
an, davon 500 000 wie<strong>der</strong>um im Bonner Hofgarten.<br />
Friedensaktivisten bildeten eine geschlossene Menschenkette<br />
zwischen Stuttgart und Neu-Ulm, einem <strong>der</strong> Raketenstandorte.<br />
Um ein Gegengewicht zur wachsenden Protestbewegung<br />
zu schaffen, entstanden Gruppen und<br />
Kreise wie das »Bonner Friedensforum«. Unter diesem irreführenden<br />
Namen starteten einige Bonner eine Art Gegenpropaganda<br />
und nutzten dabei – wie das Müllheimer<br />
Plakat zeigt – die Schwachstelle <strong>der</strong> Friedensbewegung:<br />
Deren oftmals einseitige Kritik an NATO und USA trugen<br />
ihr Vorwürfe ein, sich nicht ausreichend von <strong>der</strong> Sowjetunion<br />
und dem »Osten« abzugrenzen, ja sogar <strong>der</strong> Ostpropaganda<br />
in die Hände zu spielen. Ein »Friedensforum«-Aufkleber<br />
formulierte: »Lieber ´ne Pershing im<br />
Garten als ´ne SS-20 auf´s Dach«. Eine Sammlung <strong>der</strong><br />
vom »Bonner Friedensforum« herausgegebenen Plakate<br />
ist unter <strong>der</strong> Inventarnummer Do2 2003/1082 im Deutschen<br />
Historischen Museum Berlin archiviert. Hinweise<br />
auf die politische Ausrichtung des »Bonner Friedensforums«<br />
geben auch Recherchen zu dessen Mitglie<strong>der</strong>n:<br />
Geschäftsführer war Dietrich Kantel, bis 2002 für die<br />
CDU Mitglied des Stadtrates Bonn. Der <strong>der</strong>zeitige Berliner<br />
Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) war während<br />
seines Studiums in Bonn in den frühen 1980er Jahren im<br />
dortigen »Friedensforum« aktiv, u.a. als Autor und Herausgeber<br />
von Publikationen. Aber auch für den Bundestagsabgeordneten<br />
Harald Weinberg (Die Linke) gibt dessen<br />
offizielle Biografie an, er habe 1980 im »Bonner Friedensforum«<br />
mitgearbeitet.<br />
Klaus Storkmann<br />
3Lagerraumfund in <strong>der</strong> Müllheimer Kaserne: Plakat des<br />
»Bonner Friedensforums«.<br />
28<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2013