27.02.2014 Aufrufe

PDF-Download - Militärgeschichtliches Forschungsamt der ...

PDF-Download - Militärgeschichtliches Forschungsamt der ...

PDF-Download - Militärgeschichtliches Forschungsamt der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Aufbauleistungen entgegenbrachten.<br />

Zumindest verbal hielten sie an ihrer<br />

Absicht fest, Israel zu vernichten – und<br />

damit auch die baldige Rückkehr aller<br />

geflohenen Palästinenser zu ermöglichen.<br />

Viele Palästinenser indes versuchten,<br />

schon jetzt zu ihrem Grund und Boden<br />

zurückzukehren. Keiner <strong>der</strong> Exilanten<br />

war bereit, Flucht und Vertreibung als<br />

irreversible Kriegsfolge zu akzeptieren.<br />

Im Schutz <strong>der</strong> Dunkelheit überschritten<br />

sie die Grüne Linie zu Israel,<br />

also die faktische Außengrenze des jüdischen<br />

Staates, die 1949 im entsprechenden<br />

Farbton in den Waffenstillstandsabkommen<br />

eingezeichnet worden<br />

war.<br />

Längst gelang es nicht nur jenen Palästinensern,<br />

die zu ihren verlassenen<br />

Fel<strong>der</strong>n und Verwandten zurückkehren<br />

wollten, israelisches Territorium zu<br />

betreten. Immer mehr kriminelle Banden<br />

drangen ins Grenzgebiet ein,<br />

raubten und mordeten und versetzten<br />

die jüdischen Dörfer in Angst und<br />

Schrecken.<br />

Vergebens versuchte Israel, <strong>der</strong><br />

Grenzübergriffe Herr zu werden, obwohl<br />

seine Truppen Sprengsätze legten<br />

und »auf alles feuerten, was sich bewegte«,<br />

wie <strong>der</strong> israelische Historiker<br />

Benny Morris erklärt. 1000 Infiltranten<br />

wurden allein im Jahr 1949 getötet, darunter<br />

viele Unbewaffnete, Frauen und<br />

Kin<strong>der</strong>. Das führte nicht etwa zum<br />

Rückgang <strong>der</strong> Infiltration, son<strong>der</strong>n zur<br />

Ausweitung <strong>der</strong> Gewalt.<br />

Auch die Vergeltungsschläge, die<br />

kleine Einheiten <strong>der</strong> israelischen Infanterie<br />

im Westjordanland und im Gazastreifen<br />

durchführten, zeitigten nicht<br />

den gewünschten Erfolg. Selbst die<br />

Vororte Tel Avivs waren vor arabischen<br />

Attentätern nicht mehr sicher – auch<br />

nicht das Städtchen Yehud. In <strong>der</strong><br />

Nacht zum 13. Oktober 1953 warf eine<br />

Gruppe arabischer Freischärler eine<br />

Handgranate in ein willkürlich gewähltes<br />

Haus und tötete eine Israelin<br />

und zwei ihrer Kin<strong>der</strong> im Schlaf. Ein<br />

halbes Dutzend Attentate ähnlichen<br />

Musters hatte es in den Vormonaten<br />

gegeben, die Zahl <strong>der</strong> Opfer, die Israel<br />

seit 1949 zu beklagen hatte, ging in die<br />

Hun<strong>der</strong>te.<br />

Um den Arabern »eine Lektion zu erteilen«,<br />

sprachen sich Ministerpräsident<br />

David Ben Gurion, <strong>der</strong> amtierende<br />

Verteidigungsminister Pinchas<br />

Lavon, Generalstabschef Mordechai<br />

Makleff sowie sein leiten<strong>der</strong> Operationsoffizier,<br />

Moshe Dayan, für einen<br />

Vergeltungsschlag im jordanischen<br />

Qibya aus. Israels Nachrichtendienst<br />

hatte diesen Ort wie<strong>der</strong>holt als »Terrorbasis«<br />

palästinensischer Araber ausgemacht.<br />

Mit <strong>der</strong> Mission beauftragt wurde<br />

die »Yechida 101«, eine Eliteeinheit <strong>der</strong><br />

israelischen Armee, die im Sommer<br />

1953 eigens für <strong>der</strong>artige Kommandounternehmen<br />

aufgestellt worden war.<br />

Ihr Befehlshaber, <strong>der</strong> spätere israelische<br />

Ministerpräsident Ariel Sharon,<br />

damals 25 Jahre alt und im Range eines<br />

Majors, hatte die 50 Mann starke<br />

Truppe zusammengestellt, einem harten<br />

Training unterworfen und für den<br />

Kampf hinter den feindlichen Linien<br />

ausgebildet.<br />

Der Auftrag <strong>der</strong> Einheit 101 war klar<br />

definiert: Begrenzte militärische Bestrafungen<br />

sollten die Freischärler sowie<br />

jene arabischen Staaten, <strong>der</strong>en<br />

Staatsgebiet ihnen als Stützpunkt<br />

diente, abschrecken, den Terror gegen<br />

Israel aktiv auszuführen bzw. passiv<br />

zu dulden. Am 14. Oktober 1953 habe<br />

das konkret bedeutet, so die Recherchen<br />

von Morris, »das Dorf anzugreifen<br />

und zeitweilig zu besetzen, Häuser<br />

zu demolieren und <strong>der</strong>en Bewohnern<br />

Schaden zuzufügen«, wobei <strong>der</strong> ursprüngliche<br />

Befehl des Generalstabes<br />

dahingehend verän<strong>der</strong>t wurde, dass er<br />

nunmehr »maximale Tötung« verlangte.<br />

»Die Jordanier müssen begreifen«,<br />

notierte Sharon, »dass jüdisches Blut<br />

nicht länger ungestraft vergossen werden<br />

könne«. Bewaffnet mit über einer<br />

halben Tonne Sprengstoff und unterstützt<br />

von einer Kompanie Fallschirmjäger,<br />

machten sich Sharon und seine<br />

Soldaten auf den Weg. Sie schalteten<br />

die jordanischen Sicherheitskräfte aus<br />

und vertrieben die Einwohner Qibyas<br />

aus ihrem Dorf. Bis zum Morgengrauen<br />

des 15. Oktober legten die Truppen<br />

45 Häuser, eine Schule sowie eine<br />

Moschee in Schutt und Asche.<br />

Als die Bewohner zurückkehrten, bot<br />

sich ihnen ein Bild des Grauens. Mehr<br />

als 40 Zivilisten waren von den israelischen<br />

Truppen regelrecht massakriert<br />

worden. Alte, Frauen und Kin<strong>der</strong> hatten<br />

sich in den Speichern und Kellern<br />

versteckt und wurden dann in den<br />

Trümmern ihrer Häuser lebendig begraben,<br />

von Gewehrsalven getötet o<strong>der</strong><br />

offenbar gewaltsam daran gehin<strong>der</strong>t,<br />

die Häuser rechtzeitig zu verlassen.<br />

Die ganze arabische Welt trug Trauer.<br />

Die Muslimbru<strong>der</strong>schaft sann auf blutige<br />

Rache, die internationale Öffentlichkeit<br />

reagierte schockiert. Auch den<br />

USA platzte <strong>der</strong> Kragen: Washington<br />

hielt die zugesagten Hilfszahlungen<br />

zurück. Am 24. November wurde <strong>der</strong><br />

israelische Vergeltungsschlag schließlich<br />

vom UN-Sicherheitsrat verurteilt.<br />

Dennoch zeigte sich Ben Gurion zuversichtlich.<br />

Im Gespräch mit Sharon<br />

meinte er, nicht die internationale Reaktion<br />

sei entscheidend. Vielmehr<br />

komme es darauf an, wie <strong>der</strong> Vergeltungsschlag<br />

in <strong>der</strong> Region, im Nahen<br />

Osten, interpretiert werden würde.<br />

Tatsächlich verstärkte Jordanien seine<br />

Kräfte entlang <strong>der</strong> Grenze, was zumindest<br />

zeitweilig zu einem Rückgang <strong>der</strong><br />

Palästinenserinfiltration führte; die Angriffe<br />

vom Gazastreifen aus hielten dagegen<br />

an.<br />

So reagierte Israel auch fortgesetzt<br />

mit harter Hand, wobei sich die Vergeltungsschläge<br />

nach <strong>der</strong> Tragödie von<br />

Qibya fast ausschließlich gegen feindliche<br />

militärische Einrichtungen und<br />

Truppen richteten. Solche Angriffe erfor<strong>der</strong>ten<br />

allerdings deutlich größere<br />

israelische Truppenstärken und mehr<br />

Waffen als bisher, stellten eine erneute<br />

Demütigung <strong>der</strong> arabischen Staaten<br />

dar und kosteten auf beiden Seiten eine<br />

steigende Zahl von Soldaten das Leben.<br />

Die arabischen Staaten forcierten<br />

daraufhin die Aufrüstung ihrer Streitkräfte,<br />

und insbeson<strong>der</strong>e Ägypten betrieb<br />

eine gezielte Politik <strong>der</strong> Nadelstiche<br />

gegen Israel: Mehr und mehr<br />

palästinensische Kämpfer wurden bewaffnet<br />

und zu Anschlägen über die<br />

Grenze geschickt. Dies und die Tatsache,<br />

dass die Araber dem jüdischen<br />

Staat weiterhin das Existenzrecht verwehrten,<br />

nährten in Israel die Angst<br />

vor einer bevorstehenden »zweiten<br />

Runde«.<br />

Während <strong>der</strong> Nahe Osten auf einen<br />

neuen Waffengang zusteuerte, pochten<br />

die palästinensischen Flüchtlinge<br />

weiterhin auf ein »Recht auf Rückkehr«<br />

ins israelische Kernland. Noch heute<br />

leben viele Palästinenser in jenen Lagern,<br />

die einst als kurzfristiges Provisorium<br />

errichtet worden waren.<br />

Pedi D. Lehmann<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2013<br />

23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!