PDF-Download - Militärgeschichtliches Forschungsamt der ...
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Minnesota 1862<br />
Public Domain, über Library of Congress: Library of Congress,<br />
Prints & Photographs Division, LC-USZ61-83<br />
5Häuptling Little Crow. Fotografie von<br />
1862.<br />
die Dakota zu Wohlfahrtsempfängern<br />
wurden. In den Reservaten Redwood<br />
und Upper Sioux begannen Regierungsbeamte<br />
und Missionare die heidnischen<br />
Nomaden zu christlichen<br />
Farmern zu erziehen. Der größte Teil<br />
des versprochenen Geldes verschwand<br />
in den Taschen von Händlern und korrupten<br />
Regierungsbeamten. Hungernde<br />
und bettelnde Dakota gehörten<br />
Anfang <strong>der</strong> 1860er Jahre zum alltäglichen<br />
Bild in Süd-Minnesota. Henry<br />
M. Whipple, Missionar und Bischof<br />
<strong>der</strong> Episkopal-kirche von Minnesota,<br />
warnte Lincolns Amtsvorgänger James<br />
Buchanan davor, dass »eine Nation,<br />
die Diebstahl sät, Blut ernten wird«.<br />
Die Deutschen in Brown County<br />
hegten indes wenig Sympathie für die<br />
hungernden Indianer. Wenn jene zum<br />
Betteln auftauchten, verjagten die<br />
Deutschen sie in <strong>der</strong> Regel mit Besen,<br />
Mistgabel und unter Flüchen. Einige<br />
<strong>der</strong> länger ansässigen amerikanischen<br />
und franko-kanadischen Siedler kannten<br />
die Kultur <strong>der</strong> Dakota besser, luden<br />
sie zuweilen in ihre Häuser ein und gaben<br />
ihnen Nahrung. Den Deutschen<br />
hingegen war das Prinzip einer auf Gegenseitigkeit<br />
beruhenden Großzügigkeit<br />
unbekannt. Lediglich <strong>der</strong> Alkoholhandel<br />
mit Zentrum in Neu-Ulm führte<br />
zu einer Begegnung <strong>der</strong> beiden Lebenswelten,<br />
was allerdings weitere Verwerfungen<br />
in <strong>der</strong> Gesellschaft <strong>der</strong> Dakota<br />
nach sich zog, die die Brown-County-<br />
Deutschen als »iya-sica« (»Schlechtsprecher«)<br />
bezeichneten und somit<br />
außerhalb <strong>der</strong> menschlichen Gesellschaft<br />
stellten.<br />
Der Konflikt<br />
Am Nachmittag des 17. August 1862<br />
tötete eine Gruppe junger Dakota fünf<br />
Weiße in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Siedlung Acton,<br />
darunter zwei Frauen. Die Tat war<br />
nicht von langer Hand geplant. Einer<br />
<strong>der</strong> jungen Männer war von einem seiner<br />
Gefährten <strong>der</strong> Feigheit bezichtigt<br />
worden, weil er sich zuvor geweigert<br />
hatte, ein paar Hühnereier von einer<br />
Farm zu stehlen. Alle waren hungrig<br />
und hatten zuvor erfolglos nach Wild<br />
gesucht. Um seine Ehre wie<strong>der</strong>herzustellen,<br />
for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Gescholtene seine<br />
Begleiter auf, in das Farmhaus zu gehen<br />
und die Bewohner zu töten.<br />
Die Tat von Acton wurde zur Initialzündung.<br />
Die Häupter <strong>der</strong> Krieger-<br />
Clans billigten den Mord und die jungen<br />
Männer begannen sich mit Tanzen sowie<br />
Pfeifenzeremonien auf einen Kampf<br />
vorzubereiten. Der Zeitpunkt schien beson<strong>der</strong>s<br />
günstig, die Weißen zu vertreiben,<br />
da sich die Nachrichten von den<br />
Nie<strong>der</strong>lagen <strong>der</strong> Nordstaaten verbreitet<br />
hatten. Wi<strong>der</strong> bessere Einsicht fügte<br />
sich Häuptling Little Crow in den Entschluss<br />
zum Krieg. Er lebte in einem<br />
Holzhaus und war Farmer geworden.<br />
Noch am Vormittag hatte er den Gottesdienst<br />
in <strong>der</strong> Episkopalkirche besucht.<br />
Bereits in <strong>der</strong> Nacht brach ein Teil <strong>der</strong><br />
Dakota unter Little Crow nach Norden<br />
auf, um Fort Ridgeley anzugreifen, die<br />
einzige Garnison im Minnesota-Tal.<br />
Wenn es gelänge, die Soldaten zu besiegen,<br />
würden die Siedler fliehen, so das<br />
Kalkül. Vielen erschien ein Kampf mit<br />
dem gutbewaffneten Militär als zu gefährlich.<br />
Während Little Crow gegen<br />
Fort Ridgeley zog, durchkämmten einige<br />
hun<strong>der</strong>t Krieger in kleinen Trupps<br />
das übrige Tal. Alkoholismus, Hunger<br />
und jahrelange Demütigungen entluden<br />
sich in einem Massaker. Die<br />
vereinzelt liegenden Gehöfte und Ansiedlungen<br />
waren leichte Beute für die<br />
Dakota. Siedler, die sich den Indianern<br />
zuvor als gastfreundlich gezeigt hatten,<br />
wurden zum Teil verschont, wie die in<br />
einer deutschen Siedlung lebende Helen<br />
Carrothers. Sie sprach Dakota und<br />
flehte so um ihr sowie ihrer Kin<strong>der</strong> Leben.<br />
Einige retteten sich durch Flucht zu<br />
befreundeten Dakotas. Den verhassten<br />
»iya-sica« gegenüber wurde aber nur<br />
selten Pardon gegeben. »Ich werde den<br />
Deutschen ihre Köpfe abschneiden,<br />
wenn sie noch atmen«, hatte <strong>der</strong> Dakota-Krieger<br />
Shakopee gedroht. Insgesamt<br />
töteten sie zwischen 450 und 800<br />
Siedler: Männer, Frauen und Kin<strong>der</strong>.<br />
Little Crows Angriff auf Fort Ridgeley<br />
hingegen blieb erfolglos. Da die<br />
meisten Ansiedlungen entlang des<br />
Flusses nie<strong>der</strong>gebrannt und geplün<strong>der</strong>t<br />
worden waren, bot Neu-Ulm das<br />
einzig lohnende Ziel: Läden, Warenlager<br />
und Schnapsdestillen. Der Pfälzer<br />
Jakob Nix verfügte als ehemaliger Badener<br />
Freikorpskämpfer über militärische<br />
Erfahrung, wurde daher »Platzkommandant«<br />
und organisierte mit<br />
Sheriff Karl Roos die Verteidigung. Sie<br />
ließen die Häuser am Stadtrand räumen<br />
und beschränkten sich auf den<br />
Schutz <strong>der</strong> Ortsmitte, die mit Barrikaden<br />
befestigt wurde. Ein erster Angriff<br />
konnte am 18. August abgewehrt werden,<br />
wobei fünf Männer <strong>der</strong> Bürgerwehr<br />
und ein 13-jähriges Mädchen<br />
getötet wurden.<br />
Am Morgen des 25. August sammelten<br />
sich 1000 bis 1200 Dakota-Krieger<br />
auf den Anhöhen vor Neu-Ulm, besetzten<br />
die preisgegebenen Gebäude<br />
und drangen in erbittertem Häuser- sowie<br />
Straßenkampf vor. Benachbarte<br />
Bürgerwehren hatten die Verteidiger<br />
verstärkt, unter denen später ein grotesker<br />
Streit entbrannte, wer denn nun<br />
Neu-Ulm gerettet habe. Als sich die<br />
Dakota am Abend zurückzogen, waren<br />
5Das Hermannsdenkmal in Neu-Ulm,<br />
Minnesota.<br />
Public Domain, über Library of Congress:Library of Congress,<br />
Prints & Photographs Division, HABS MINN,8-NEWUL,3--2<br />
16 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 3/2013