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Das Massengrab der Schlacht von Wittstock »Köpenicker Blutwoche ...

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Herkunftsgebiete <strong>der</strong> Individuen aus dem <strong>Wittstock</strong>er Grab<br />

Heutige Landesgrenzen<br />

Historisch überlieferte<br />

Herkunftsgebiete<br />

Herkunftsgebiete<br />

laut Isotopenbestimmung<br />

5<br />

11<br />

33<br />

Quelle: Brandenburgisches<br />

Landesamt für Denkmalpflege.<br />

Söldner aus<br />

sicher bestimmten<br />

Herkunftsgebieten<br />

Söldner aus<br />

möglichen<br />

Herkunftsgebieten<br />

0 100 200 300 400 km<br />

gehende Rillen, nur im Röntgenbild<br />

sichtbar. Die Schienbeinknochen mehr<br />

als <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> Männer wiesen solche<br />

als Harris-Linien bezeichneten<br />

Zellverdichtungen auf. Dies wie<strong>der</strong>um<br />

erlaubt Rückschlüsse auf die schlechte<br />

Versorgungslage <strong>der</strong> Bevölkerung im<br />

frühen 17. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

Die Nachbildung des Gesichts eines<br />

Menschen, <strong>der</strong> vor Jahrhun<strong>der</strong>ten gelebt<br />

hat, ist nicht einfach. In <strong>der</strong> forensischen<br />

Gesichtsrekonstruktion wurden<br />

auf Grundlage <strong>der</strong> Schädelknochen die<br />

verschiedenen Gewebe, wie Haut, Fett,<br />

Muskeln und Knorpel, einzeln rekonstruiert.<br />

Fehlende und defekte Schädelknochen<br />

wurden ersetzt, die vollständige<br />

Gesichtsform mit Daten ergänzt,<br />

die sich aus den einzelnen anthropologischen<br />

Untersuchungen ergeben haben.<br />

Anschließend stellte eine Kostümbildnerin<br />

einen hautgleichen Silikonabdruck<br />

her. Bei <strong>der</strong> Hauttextur sowie<br />

<strong>der</strong> Augen- und Haarfarbe folgte sie<br />

den anthropologischen Analyseergebnissen;<br />

Haartracht und Kleidung orientierten<br />

sich an <strong>der</strong> Mode <strong>der</strong> Zeit. So<br />

war es 375 Jahre nach seinem Tod in<br />

<strong>der</strong> <strong>Schlacht</strong> <strong>von</strong> <strong>Wittstock</strong> möglich,<br />

einem etwa 20-jährigen Schotten ins<br />

Gesicht zu blicken.<br />

<strong>Wittstock</strong><br />

27<br />

27<br />

2<br />

1<br />

3 1<br />

Archäologische Disziplinen<br />

Neben den im weitesten Sinne anthropologischen<br />

und medizinischen<br />

Disziplinen umfasste die Auswertung<br />

selbstverständlich auch archäologischhistorische<br />

Forschungen. In <strong>Wittstock</strong><br />

rekonstruierten Archäologen die Geschehnisse<br />

nach <strong>der</strong> <strong>Schlacht</strong> (»Post<br />

Battle Processes«) und die Bestattungsabfolge.<br />

Die Beisetzung ist vermutlich am Tag<br />

nach <strong>der</strong> <strong>Schlacht</strong> durchgeführt worden.<br />

Die Leichenstarre war mit Ausnahme<br />

<strong>von</strong> zwei Männern, die ihren<br />

schweren Verletzungen erst nach Stunden<br />

erlegen waren, bei allen Verstorbenen<br />

bereits wie<strong>der</strong> gelöst. Aus den<br />

vor Ort dokumentierten Skeletten und<br />

Skelettteilen lässt sich eine rechteckige<br />

Grabgrube <strong>von</strong> ursprünglich 6 x 3,50<br />

Metern rekonstruieren. Mit einer geschätzten<br />

Tiefe <strong>von</strong> 1,6 bis 1,7 Metern<br />

bot sie ausreichend Platz, um die etwa<br />

125 Leichname aufzunehmen. Die Toten<br />

wurden nicht, wie bei dieser unangenehmen<br />

Aufgabe zu erwarten,<br />

schnell in die Grube geworfen, wo sie<br />

in unregelmäßiger Anordnung liegen<br />

geblieben wären. Um möglichst viele<br />

Körper unterzubringen, erfolgte die<br />

6<br />

© ZMSBw<br />

06934-03<br />

Foto: D. Sommer, BLDAM<br />

Bestattung vielmehr in einer festen Reihenfolge.<br />

Zunächst wurden die Toten<br />

in drei Lagen übereinan<strong>der</strong> in engen<br />

Reihen mit den Köpfen entlang <strong>der</strong><br />

Längsseiten und den Füßen zueinan<strong>der</strong><br />

dicht an dicht in das Grab geschichtet.<br />

Über den Beinen fanden weitere<br />

Leichen in Reihen zu dritt o<strong>der</strong> viert<br />

rechtwinklig zu den vorherigen Lagen<br />

Platz. Zuletzt legte man einzelne Körper<br />

an die Rän<strong>der</strong> des <strong>Massengrab</strong>es.<br />

Die Regelmäßigkeit <strong>der</strong> Grabgrube<br />

und die strikte Bestattungsordnung<br />

lassen darauf schließen, dass es das<br />

Werk <strong>von</strong> Soldaten war. Wie<strong>der</strong>holt<br />

wurde die örtliche Bevölkerung für das<br />

Zusammentragen <strong>der</strong> Leichen auf<br />

einem <strong>Schlacht</strong>feld herangezogen, was<br />

in <strong>Wittstock</strong> jedoch nicht <strong>der</strong> Fall war.<br />

Ausrichtung und Körperhaltung <strong>der</strong><br />

Männer entsprechen nicht dem christlichen<br />

Ritus. Vielmehr ging es darum,<br />

möglichst viele tote Körper auf möglichst<br />

wenig Raum beizusetzen.<br />

Im Grab fanden sich nur kleinste Bestandteile<br />

<strong>der</strong> Kleidung und keinerlei<br />

Reste <strong>der</strong> Bewaffnung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> persönlichen<br />

Ausstattung <strong>der</strong> Verstorbenen.<br />

Alle diese Dinge waren den Toten <strong>von</strong><br />

den Überlebenden genommen worden.<br />

Bei solchen Plün<strong>der</strong>ungen gingen jedoch<br />

oftmals kleine Gegenstände wie<br />

Knöpfe, Münzen o<strong>der</strong> Gürtelschnallen<br />

verloren. Um diese zu finden, wurde<br />

eine ausgedehnte Untersuchung des<br />

<strong>Schlacht</strong>feldes durchgeführt – nicht<br />

nur in <strong>der</strong> unmittelbaren Umgebung<br />

des Grabes, son<strong>der</strong>n auch in größerer<br />

Entfernung. Dabei kamen Metallsuch­<br />

5Rekonstruktion des Gesichts eines etwa<br />

20 Jahre alten schottischen Soldaten.<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2013

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