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Das Massengrab der Schlacht von Wittstock »Köpenicker Blutwoche ...

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Die historische Quelle<br />

Stadtarchiv Wismar<br />

<strong>Das</strong> Tagebuch des Hermann Gabriel <strong>von</strong> <strong>der</strong> Fehr<br />

Wismar, 16. August 1716: »Nachdem wurden auch<br />

noch wie<strong>der</strong> 2 frauens und 1 Mädchen <strong>von</strong> die<br />

Moscowiters auf <strong>der</strong>selben Landtstraße (angegriffen) und<br />

wurden dieselben gantz nackend ausgezogen und ihre<br />

Klei<strong>der</strong> alles wegkgenommen und die Hände sie auf den<br />

Rücken (gebunden) es kamen aber etliche Oberofficierer<br />

<strong>von</strong> die unsrigen welche außgefahren gewesen sein und<br />

nachricht da<strong>von</strong> gehabt nach sie hingefahren und diese<br />

Leuthe gerettet wurden, die Moscowiter aber, wie sie die<br />

unsrigen gewahr wurden eschappierten sie zusammen.<br />

Dito auch waren sie desselbigen Abends auf <strong>der</strong> Kritzowerburg<br />

gewesen, und haben sie das Mätgen sehr übel<br />

tractiert wie (ich) vorhero schon erwähnet habe und dem<br />

Wirth haben sie den Kopff entzwey gehauen«.<br />

An<strong>der</strong>ntags geht ein Mann durch die <strong>von</strong> Dänen belagerte<br />

Ostseestadt, Gewehre über <strong>der</strong> Schulter tragend. Er<br />

wird angehalten. Was er mit den Waffen wolle, wird er<br />

gefragt. Ohne Antwort zu geben, nimmt <strong>der</strong> Mann ein<br />

Gewehr <strong>von</strong> <strong>der</strong> Schulter, schießt den Fragenden aus<br />

nächster Distanz nie<strong>der</strong> und flieht.<br />

Diese und viele an<strong>der</strong>e Episoden finden sich in einem<br />

bislang unveröffentlichten Tagebuch aus <strong>der</strong> Zeit des<br />

Großen Nordischen Krieges (1700–1721) im Stadtarchiv<br />

Wismar (Mecklenburg-Vorpommern). Es berichtet <strong>von</strong><br />

den Schicksalen <strong>der</strong> Hansestadt in jenem 21-jährigen erbitterten<br />

Ringen um die Vorherrschaft im Ostseeraum.<br />

Schweden unter Führung seines charismatischen Königs<br />

Karl XII. verteidigte die Vorherrschaft an den Gestaden<br />

des baltischen Meeres gegen Russland, Dänemark und<br />

Sachsen. 1715 trat Preußen auch offiziell in den Konflikt<br />

ein, nachdem es bereits zwei Jahre zuvor das schwedische<br />

Stettin unter Verwaltung genommen hatte. Auch das Kur­<br />

Foto: Martin Meier<br />

füstentum Hannover schloss sich dem Bündnis an. 1711<br />

marschierten Truppen <strong>der</strong> Nordischen Alliierten in Pommern<br />

ein. Ein Jahr später operierten sie im mecklenburgischen<br />

Raum. Nachdem Stralsund im Dezember 1715<br />

kapituliert hatte, verblieb Wismar als letzte schwedische<br />

Festung auf deutschem Gebiet. Generalmajor Baron Martin<br />

<strong>von</strong> Schoultz, ein überaus erfahrener schwedischer<br />

Offizier, verteidigte die Festung nahezu ein Jahr erfolgreich,<br />

führte mehrere Ausfälle durch und übergab die<br />

Stadt erst, nachdem <strong>der</strong> Kampf aufgrund mangelnden<br />

Nachschubes gänzlich aussichtslos geworden war. Preußen,<br />

Dänen und Hannoveraner besetzten die Stadt gemeinsam<br />

und bemühten sich, die Kommune ihren eigenen<br />

Interessen zu unterwerfen.<br />

Vor diesem Hintergrund verfasste Hermann Gabriel<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Fehr ein akribisches Tagebuch, das das Schicksal<br />

<strong>der</strong> Kommune nachzeichnet. Es ist kein persönliches Dokument,<br />

wie es ein Diarum erwarten ließe. Nirgends erfährt<br />

<strong>der</strong> Leser Näheres über den Verfasser, <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

kommunalen Verwaltung tätig war. Vielmehr werden<br />

zahlreiche Einzelschicksale zu einem ungewohnt dichten<br />

Panorama verknüpft. Da ist die Zarin Katharina, die Frau<br />

Peters des Großen, die heimlich mit <strong>der</strong> mecklenburgischen<br />

Herzogin die Stadt aufsucht; da finden sich Menschen,<br />

die um ihre in Flammen stehenden Häuser kämpfen,<br />

Offiziere, die sich auf offener Straße duellieren und<br />

dann fliehen müssen. Die Konflikte zwischen den Kriegsparteien<br />

blitzen ebenso auf wie die inneralliierten Spannungen.<br />

Vergewaltigungen, Morde und Raub zeigen die<br />

Brutalität des Krieges auch in jener Phase, die in <strong>der</strong> Forschung<br />

seit einiger Zeit mit dem irreführenden Schlagwort<br />

<strong>der</strong> »gezähmten Bellona« beschrieben wird.<br />

Es sind bislang etwa ein Dutzend<br />

Tagebücher aus <strong>der</strong><br />

Zeit des Großen Nordischen<br />

Krieges bekannt,<br />

<strong>der</strong> Fund im Wismarer<br />

Archiv ist eine wertvolle<br />

Bereicherung. Er wird,<br />

wie <strong>der</strong> Leiter des Stadtarchives,<br />

Nils Jörn, versichert,<br />

nicht lange ungedruckt<br />

bleiben.<br />

Martin Meier<br />

3Faksimile aus dem<br />

Tagebuch <strong>von</strong><br />

Hermann <strong>von</strong> Fehr,<br />

AHW Abt. VI.6 Nr. 18.<br />

28<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2013

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