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AKTUELLE RECHTSPRECHUNG DES BUNDESGERICHTSHOFS ...

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Berlin 2013<br />

21. Deutscher Verwaltertag<br />

<strong>AKTUELLE</strong> <strong>RECHTSPRECHUNG</strong> <strong>DES</strong><br />

BUN<strong>DES</strong>GERICHTSHOFS ZUR<br />

WOHNRAUMMIETE<br />

Richterin am BGH Dr. Karin Milger


Inhaltsübersicht<br />

2<br />

I. Betriebskosten<br />

II.<br />

Saldoklage auf rückständige Miete<br />

III. Tierhaltung in der Mietwohnung<br />

IV. Zulässigkeit teilgewerblicher Nutzung (?)<br />

V. Mietminderung wegen Verkehrslärm<br />

VI. Abwendung der Kündigung durch zusätzliche Bürgsch<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Inhaltsübersicht<br />

3<br />

Betriebskosten<br />

1. Problem Hauswartskosten<br />

2. Grundsteuernachforderung<br />

3. Die Anpassung von Vorauszahlungen<br />

4. Fallstricke bei der Abrechnung<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Betriebskosten<br />

4<br />

1. Problem Hauswartskosten<br />

a) auch „unechte“ Gesamtkosten sind anzugebe<br />

- formelle Frage - BGH NJW 2007, 1059<br />

b) Aufteilung durch Schätzung zulässig<br />

aber im streitigen Prozess näherer Vortrag zu<br />

Schätzgrundlagen erforderlich –<br />

BGH NJW 2008, 1801 (keine formelle Frage)<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Betriebskosten - Hauswart<br />

5<br />

sehr hilfreich: § 1 Abs. 1 Satz 2 Betr.KV:<br />

„Sach- und Arbeitsleistungen des Eigentümers dür<br />

mit dem Betrag angesetzt werden, der für eine<br />

gleichwertige Leistung eines Dritten, insbesondere<br />

eines Unternehmens, angesetzt werden könnte;<br />

die Umsatzsteuer des Dritten darf nicht angesetzt<br />

werden.“<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Betriebskosten- Hauswart<br />

6<br />

Anwendungsfall: BGH NJW 2013, 456<br />

Arbeitsschritte: - echtes Leistungsverzeichnis<br />

- echte Angebote Dritter<br />

- das günstigste Angebot gilt<br />

irrelevant: tatsächliche Kosten<br />

Grund: Ersparung von Verwaltungsaufwand<br />

beim Vermieter<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Betriebskosten<br />

7<br />

2. Nachforderung von Grundsteuer<br />

BGH - VIII ZR 264/12, NJW 2013, 456<br />

Das Finanzamt kündigt (rückwirkende) Neufestsetzung der<br />

Grundsteuer an (und setzt dies in der Folgezeit um).<br />

Wie ist in der Betriebskostenabrechnung zu verfahren?<br />

a) Zurückstellung der gesamten Abrechnung<br />

b) „Teilabrechnung“ unter Vorbehalt der Nachforderung<br />

Einwand: Verjährung nach Teilabrechnung??<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Betriebskosten BGH NJW 2013, 456<br />

8<br />

Keine Verjährung vor Entstehung des<br />

Anspruchs<br />

Kein Verschulden des Vermieters oder seiner<br />

Erfüllungsgehilfen.<br />

Aber: nachträgliche Abrechnung innerhalb von<br />

drei Monaten (ab Finanzamtsbescheid)<br />

erforderlich<br />

(vgl. BGH NJW 2006, 3350 Rn. 19).<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


9<br />

Die Anpassung von<br />

Vorauszahlungen<br />

Seit BGH NJW 2012, 2186: Anpassung nur, soweit dies durch eine<br />

auch materiell richtige Abrechnung gerechtfertigt ist.<br />

Grund: sonst könnte der Vermieter mit fahrlässig falschen<br />

Abrechnungen<br />

(= Vertragsverletzungen) der Kündigungsgrund selbst<br />

schaffen)<br />

BGH NJW 2013, 1595: auch eine Selbstkorrektur und Anpassung<br />

(Herabsetzung) durch den Mieter ist möglich<br />

… aber strenge Voraussetzung an unvermeidbaren Rechtsirrtum<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Fallstricke bei der Abrechnung<br />

10<br />

Es gibt nur den einen: „unechte Gesamtkosten“<br />

- Vorwegabzug für nicht umlagefähige Kostenanteile<br />

außerhalb der<br />

Abrechnung<br />

- Erteilung der Rechnung für eine größere Einheit<br />

als die Abrechnungseinheit im Mietvertrag und<br />

Umrechnung<br />

außerhalb der Abrechnung<br />

Für die Heizkostenabrechnung gilt der Maßstab, dass sie (nur) für<br />

den Fachmann nachvollziehbar sein muss, BGH NZM 2008, 567<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Prozessuale Fragen<br />

11<br />

Zulässigkeit einer Saldoklage – BGH – VIII ZR 94/12, NJW 2013,<br />

1337<br />

Bisher verbreitete Meinung; unzulässig, der Vermieter muss für jeden<br />

einzelnen Monat den geltend gemachten Rückstand angeben. Frage: Warum<br />

?<br />

Sachverhalt:<br />

Ende des Mietverhältnisses 2003; Auszug 3/2010; Mieter zahlten weiter nur<br />

die ursprünglich Miete (1.413/Monat) , Vermieter verlangt höheres<br />

Nutzungsentgelt (1.918/Monat).<br />

Vermieter klagt für 1/2007 bis 3/2010 einen Saldo (Differenz<br />

geschuldete/gezahltes Miete bzw. Nutzungsentgelt) von rund 18.000 € ein.<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Prozessuale Fragen<br />

12<br />

Zulässigkeit einer Saldoklage: BGH – VIII ZR 94/12, NJW 2013,<br />

1337<br />

BGH: Saldoklage zulässig!<br />

Bei Teilklage (aus mehreren selbständigen Streitgegenständen) wäre<br />

zwar<br />

Aufschlüsselung oder hilfsweise Staffelung erforderlich (wegen<br />

Umfang der Rechtskraft).<br />

Saldoklage ist aber keine Teilklage!<br />

Zu welchen Zweck soll die Aufschlüsselung auf jeden<br />

einzelnen Monat auch dienen??<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Hundehaltung in der<br />

13<br />

Mietwohnung<br />

BGH, Urteil vom 20. März 2013 – VIII ZR 168/12<br />

NJW 2013, 1526<br />

Allgemeine Geschäftsbedingung im Mietvertrag:<br />

„Der Mieter ist verpflichtet, keine Hunde oder<br />

Katzen zu halten.“<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Hundehaltung in der<br />

14<br />

Mietwohnung<br />

„Der Mieter ist verpflichtet, keine Hunde oder<br />

Katzen zu halten.“ - zulässig in AGB???<br />

- verboten wäre also auch der Blindenhund oder der<br />

kleine Hundewelpe für das todkranke Kind.<br />

(= geht gar nicht)<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Hundehaltung in der<br />

15<br />

Mietwohnung<br />

Was gilt also?<br />

Dem Mieter ist alles erlaubt?<br />

Der Vermieter darf nichts verbieten?<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Hundehaltung in der<br />

16<br />

Mietwohnung<br />

- Individualabrede (Verbot) immer möglich<br />

- Erlaubnisvorbehalt (pflichtgemäßes Ermess<br />

möglich<br />

Ansonsten: Umstände des Einzelfalls<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Hundehaltung in der<br />

17<br />

Mietwohnung<br />

Leitlinie:<br />

„Individueller sachlicher Grund, der gegen<br />

Tierhaltung spricht“<br />

Selbstverständlich vertragswidrig:<br />

Stundenlanges Bellen, „Geschäft“ im Hausflur, Beißen/Belästig<br />

von Mitmietern<br />

… dagegen kann sich der Vermieter auch wehren<br />

(Abmahnung, Haltungsverbot, ggf. auch Kündigung)<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Musikunterricht in der<br />

18<br />

Mietwohnung<br />

Urteil vom 9. April 2012 – VIII ZR 213/12, NJW 2013, 1806<br />

Problem: Zulässigkeit teilgewerblicher Nutzung<br />

in Mietwohnung<br />

(Vertragszweck „Wohnen“)<br />

Also Grundsatz:<br />

gewerbliche Nutzung ist vertragswidrig<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Musikunterricht in der<br />

19<br />

Mietwohnung<br />

Grundsatz: einiges fällt unter Wohnen<br />

obwohl es dem „Geldverdienen“ dien<br />

z.B. berufliche Tätigkeiten am Schreibtisch (Lehrer, Richter)<br />

seit BGH NJW 2009, 3157 (VIII ZR 165/08):<br />

„Tätigkeiten, die nicht nach außen in Erscheinung treten“<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Musikunterricht in der<br />

20<br />

Mietwohnung<br />

2. Grundsatz: alles Gewerbliche, was nach außen in<br />

Erscheinung tritt, ist erlaubnispflichtig<br />

(„Mieter muss fragen“)<br />

3. Grundsatz: es gibt eine „Bagatellgrenze“, d.h. einen<br />

Bereich, in dem der Vermieter nach<br />

Treu und Glauben zur Erteilung der<br />

Erlaubnis verpflichtet ist.<br />

Beispiel: Rechtsanwalt empfängt 1 Mandanten<br />

pro Woche<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Musikunterricht in der<br />

21<br />

Mietwohnung<br />

Anwendung der Grundsätze auf Musikunterricht:<br />

Hier: insgesamt 12 Gitarrenschüler/Woche<br />

(an drei Tagen)<br />

Wohnen? Nein, da es nach außen in Erscheinung<br />

tritt (Geräusche/Publikumsverkehr)<br />

Erlaubnis erteilt? ( - )<br />

Verpflichtung zur Erlaubniserteilung (Bagatellgrenze)<br />

- eindeutig nein.<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


Gewerbliche Nutzung<br />

22<br />

Beschluss vom 31. Juli 2013 – VIII ZR<br />

149/13<br />

Mieter gibt sein Einfamilienhaus als<br />

Geschäftsadresse für<br />

„Hausmeisterservice, Montage von<br />

Aufzugsanlagen, Schwertransporte<br />

innerhalb von Gebäuden pp“ an.<br />

Anspruch auf Genehmigung bei Art und<br />

Zuschnitt ausgeschlossen.<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


23<br />

(Verkehrs)lärm als<br />

Minderungsgrund<br />

Übermäßiger Lärm anerkannter Minderungsgrund<br />

Einfach: der Vermieter selbst verursacht den Lärm<br />

(Bauarbeiten am Mietobjekt)<br />

Schwierig: die neben dem Mietobjekt liegende<br />

Baulücke<br />

wird geschlossen<br />

der Nachbar reißt ein Siedlungshäuschen ab<br />

und baut einen Wohnblock<br />

die bisher ruhige Mietwohnung wird durch<br />

veränderte Verkehrsführung belastet<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


24<br />

(Verkehrs)lärm als<br />

Minderungsgrund<br />

Komplexes Problem, das der Senat „behutsam“<br />

angeht<br />

Möglicherweise sind verschiedene Fallgruppen<br />

unterschiedlich zu behandeln<br />

Problem aus Vermietersicht: er kann Lärm, der von<br />

außen<br />

auf das Mietobjekt einwirkt, in der Regel nicht<br />

beeinflussen<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


25<br />

(Verkehrs)lärm als<br />

Minderungsgrund<br />

Stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung?<br />

„Inkorporierung“ vorhersehbarer künftiger<br />

Immissionen<br />

durch stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung?<br />

(typischer Fall: Baulücke wird nach 10 Jahren<br />

geschlossen)<br />

oder umgekehrt status quo als<br />

Beschaffenheitsvereinbarung (Wohnung am Waldrand)<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


26<br />

(Verkehrs)lärm als<br />

Minderungsgrund<br />

Kann man annehmen, dass die Parteien<br />

stillschweigend<br />

den Fortbestand der „Umgebungsbedingungen“<br />

vereinbaren??<br />

es ist doch offensichtlich, dass Vermieter das nicht<br />

sicherstellen kann – deshalb kann Mieter keine<br />

Haftungsübernahme erwarten<br />

Deshalb in der Regel keine<br />

Beschaffenheitsvereinbarung<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


27<br />

(Verkehrs)lärm als<br />

Minderungsgrund<br />

Im konkreten Fall (BGH, NJW 2013, 680:<br />

vorübergehende Lärmmehrbelastung durch Umleitung<br />

(wenn auch über 1 ½ Jahre),<br />

LG Berlin: nach Berliner Mietspiegel keine „hohe<br />

Belastung“<br />

Bei Einhaltung der einschlägigen DIN-Normen<br />

(auch bei Bautätigkeit in der Nachbarschaft)<br />

kein Mangel (BGH, NZM 2012, 456 - Beschluss)<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


28<br />

(Verkehrs)lärm als<br />

Minderungsgrund<br />

Vorläufiges Fazit:<br />

Das Problem Lärm und Mietminderung ist noch<br />

weitgehend ungelöst.<br />

Bisher ist nur klar, dass die „Strapazierung“<br />

konkludenter Beschaffenheitsvereinbarungen nicht die<br />

Lösung sein kann. Den Fortbestand der<br />

Umgebungsbedingungen kann der Mieter nicht ohne<br />

weiteres erwarten.<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger


29<br />

Die Abwendung einer Kündigung durch<br />

zusätzliche Bürgschaft<br />

Urteil vom 10. April 2013 - VIII ZR 379/12, NJW 2013, 1876<br />

Notleidendes Mietverhältnis. Vermieter akzeptiert<br />

Abwendung der Kündigung an.<br />

Bürgschaft zur<br />

Später laufen noch höhere Rückstände auf und Vermieter zieht<br />

die Bürgschaft.<br />

Bürgin wendet Verstoß gegen § 551 Abs. 2 BGB ein.<br />

Zu Recht?<br />

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger

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