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INHALT.ausgabe 27<br />
IN DIESER AUSGABE<br />
Formel 1<br />
mercedes: Lewis <strong>Hamiltons</strong> <strong>Mission</strong> <strong>Impossible</strong> 22<br />
vergleich: Hamilton vs. Schumacher 26<br />
sergio perez: McLaren‘s new Topstar 30<br />
interview: Christian Horner 34<br />
Stephan Heublein, Chefredakteur<br />
Ein neues<br />
<strong>Motorsport</strong>-Zeitalter<br />
technik: Simulator 38<br />
Ingenieure: Mann im Ohr 40<br />
Track Walk: Bruno Senna 44<br />
romain grosjean: Letzte Chance 46<br />
top-5: Kamikaze Fahrer 50<br />
history: Prof. Sid Watkins 54<br />
Formel 1 im Wandel - Perez zu McLaren, Hamilton zu Mercedes,<br />
Schumacher auf die Couch. Die Pressemitteilungen flatterten im<br />
Minutentakt in unserer Redaktion herein. Die Topwechsel sind allen<br />
bekannt, aber was bedeuten sie wirklich und welchen Einfluss<br />
haben sie auf die nächste Saison? Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> ging<br />
diesen Fragen nach und verrät, warum Lewis Hamilton eine<br />
Neuauflage von Michael Schumacher ist, ob Sergio Perez das Zeug<br />
zum Topstar hat und wieso Romain Grosjean noch ein Cockpit bei<br />
Lotus frei schießen könnte.<br />
MotoGP im Wandel - Respekt vor demjenigen, der auf dem<br />
Höhepunkt seines Schaffens abtritt und den Absprung nicht<br />
verpasst. In der letzten Ausgabe ließen wir Casey Stoner selbst zu<br />
Wort kommen, diesmal spricht sein Honda-Teamboss Livio Suppo<br />
mit Falko Schoklitsch über einen der Größten seiner Zunft, der<br />
auch beim Abgang alles richtig zu machen scheint. Frisches Blut<br />
steht bereits Schlange: Mit Bradley Smith und Andrea Iannone<br />
baten wir gleich zwei MotoGP-Aufsteiger für 2013 zum Gespräch<br />
und förderten unerwartete Träume über Angelina Jolie zu Tage.<br />
Rallye-WM im Wandel - Auch der neunfache Rallye-Weltmeister<br />
Sebastien Loeb geht im Winter in Altersteilzeit und fährt 2013 nur<br />
noch sporadisch zum Spaß mit. Marion Rott hat sich mit seinem<br />
möglichen Nachfolger auseinandergesetzt - passenderweise hört<br />
auch er auf den Namen Super-Seb.<br />
Automobil<br />
dtm: Rookie Septett 60<br />
wrc: Super-Seb reloaded 64<br />
interview: Markus Winkelhock 66<br />
track test: Red Bull Ring 68<br />
technik: Corvette Z06.R GT3 70<br />
splitter: ADAC <strong>Motorsport</strong> 72<br />
Motorrad<br />
interview: Livio Suppo 76<br />
background: Gute Freunde 82<br />
interview: Jonathan Rea 86<br />
yamaha: Eine kraftvolle Vision 90<br />
interview: Bradley Smith . 92<br />
story: Britain‘s got Talent 96<br />
interview: Andrea Iannone 100<br />
interview: Jonas Folger 104<br />
Liberty Racing: Der Preis der Freiheit 106<br />
kawasaki: Aufsteiger des Jahres 108<br />
Service<br />
Boxenstopp 4<br />
Kolumnen 14<br />
ZIELGERADE 112<br />
Foto: adrivo/Sutton Titelfotos: adrivo/Sutton, milagro, mercedes, mclaren, wsbk<br />
2 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Pro VS.<br />
Schumacher Comeback<br />
Hat sich das<br />
Comeback von<br />
Michael Schumacher<br />
gelohnt?<br />
+++ PRO +++<br />
+++ CONTRA +++<br />
Fotos: mercedes-benz<br />
Michael Schumachers Comeback war absolut richtig. Klar, ein voller<br />
Erfolg sieht sportlich deutlich anders aus. Aber obwohl es in der Formel<br />
1 stets nur um eins geht - der Schnellste, Beste und Erste zu sein -,<br />
ging es bei Michael Schumachers Comeback um mehr.<br />
Noch nie zuvor hatte die Formel 1 so einen Hype erlebt wie nach seiner<br />
Rückkehr-Ankündigung Ende 2009. Da kann Sebastian Vettel noch so<br />
viele Titel gewinnen, Lewis Hamilton sich noch so oft von seiner Freundin<br />
trennen und wieder versöhnen und Fernando Alonso noch fünf<br />
Mal mehr aus einem mittelmäßigen Ferrari herausquetschen - wenn<br />
der Rekordchampion zurückkommt, verkommt das in der medialen<br />
Wahrnehmung zu winzigen Randnotizen.<br />
Der Wert des Namens und der Marke Schumacher ist für die Formel<br />
1 rund um den Globus unbeschreiblich. Egal ob es den Egos von Alonso,<br />
Hamilton & Co gefällt, überall auf der Welt kennen die Menschen<br />
»Schumi«, bei allen anderen Fahrern sieht das anders aus...<br />
Natürlich versprach sich Schumacher bessere Ergebnisse, allen voran<br />
Siege, aber das Auto war zu schlecht, um mehr als ein paar Achtungserfolge<br />
wie die Qualifying-Bestzeit in Monaco oder den Podiumsplatz<br />
in Valencia zu ermöglichen. Das darf sich nicht negativ auf die Comeback-Beurteilung<br />
auswirken. Schon gar nicht, da der für ihn wohl<br />
gleich wichtige Comeback-Grund erfüllt wurde: Er hatte verdammt<br />
viel Spaß, wieder Formel-1-Rennen zu bestreiten. Wer kann ihm da<br />
vorschreiben, dass seine Rückkehr falsch gewesen sein soll?<br />
Text: Stephan Heublein<br />
Unbestritten ist Michael Schumacher eine Marke. Doch gerade die<br />
Marke Michael Schumacher ist wie keine andere mit Erfolg verbunden.<br />
Unzählige Rekorde, darunter sieben WM-Titel, haben ihn erst zu einer<br />
Marke gemacht. Als Schumacher wiederkam, war die Euphorie nur<br />
deshalb so groß, weil seine Fans ihn wieder siegen und seine Nicht-<br />
Fans ihn scheitern sehen wollten.<br />
Und letzteres ist eingetroffen - Schumacher ist mit seinem Comeback<br />
gescheitert. Ja, er wollte Spaß haben, aber er wollte mit Mercedes<br />
auch Rennen und Titel gewinnen. Drei Jahre später ist die Bilanz<br />
ernüchternd: ein einziger Podestplatz. Für einen siebenfachen Champion<br />
eine Schmach und für seine Fans nur schwer zu ertragen.<br />
Der Grund liegt nicht nur beim minderkonkurrenzfähigen Mercedes-<br />
Boliden, denn Nico Rosberg gelang es, im gleichen Auto einen Sieg<br />
und vier Podestplätze einzufahren. In den ersten zwei Jahren stellte<br />
er Schumacher konsequent in den Schatten - als erster Teamkollege<br />
des Deutschen überhaupt. Spaß hat das sicher nicht gemacht! Schon<br />
gar keinem Egomanen wie Schumacher, der in seiner ersten F1-Karriere<br />
vor nichts zurückschreckte, um Erfolg zu haben.<br />
Dass sich das nicht geändert hat, beweist das Manöver gegen Barrichello<br />
in Ungarn. Nur den Ehrgeiz, für den Schumacher in der Vergangenheit<br />
berühmt war, ließ er zumeist vermissen. Mag sein, dass seine zweite Karriere<br />
tatsächlich von Spaß und nicht Ehrgeiz getrieben war - was nur schwer zu<br />
glauben ist. Wenn doch, war das Comeback sein größter Fehler.<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
4 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Text: Maria Pohlmann<br />
Ausser<br />
Kontrolle<br />
Die mutigen<br />
MotoGP-Stars<br />
und das<br />
Spaßmobil<br />
Cal Crutchlow gefiel die<br />
Fahrt im Truck ganz und<br />
gar nicht<br />
Gold<br />
für<br />
Deutschland<br />
In Aragon bekamen einige MotoGP-Piloten die<br />
Chance, sich im Truck um die spanische Strecke<br />
chauffieren zu lassen. Cal Crutchlow war von der<br />
Action allerdings wenig begeistert: »Ich bin wohl kein<br />
guter Beifahrer. Das Teil war extrem schnell, aber ich<br />
war nicht wirklich beeindruckt, weil ich es nicht<br />
mag, nicht die Kontrolle zu haben. Als der Typ dann<br />
auf zwei Rädern fuhr, wurde mir echt übel. Es war<br />
nicht gerade die beste Erfahrung meines Lebens.«<br />
Fotos: milagro, KTM<br />
Der 30. September 2012 wird definitiv<br />
in die Annalen des Motocross-<br />
Sports eingehen. Im belgischen Lommel<br />
gewannen Max Nagl, Ken Roczen<br />
und Marcus Schiffer zum ersten Mal<br />
in der 66-jährigen Geschichte des<br />
Motocross of Nations die heißbegehrte<br />
Chamberlain Trophy für<br />
Deutschland. Damit unterbrachen sie<br />
die Siegesserie der US-Boys in der<br />
MX-Mannschaftsweltmeisterschaft.<br />
Roczen selbst war verblüfft: »Es ist<br />
absolut erstaunlich, was uns Dreien<br />
da gelungen ist!«<br />
Der Insektentrend<br />
Neben Valentino Rossi, Dani Pedrosa und Marc<br />
Marquez fuhren die spanischen Fans in Aragon<br />
besonders auf das Maskottchen des Moto2-<br />
Fahrers ab. Da hatte sich der Marquez-Fanclub<br />
wahrlich etwas Besonderes einfallen lassen, kaum<br />
einer lief an der roten Ameise mit der Nummer 93<br />
vorbei, ohne ein Foto zu machen oder sich das<br />
Ganze wenigstens etwas genauer anzusehen. Was<br />
Anthony ‚Ant‘ West wohl zu diesem enteigneten<br />
Glücksbringer zu sagen hatte?<br />
6 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
5 Fragen an<br />
Casey Stoner<br />
Wenn es einen Film über dich gäbe, wie würde der Titel lauten?<br />
Keine Ahnung, darüber habe ich noch nie nachgedacht.<br />
Welcher Superheld wärst du gern?<br />
Sorry, da muss ich wieder passen. Ich weiß es nicht.<br />
Wann hast du das letzte Mal<br />
richtig einen draufgemacht?<br />
Ich gehe zu keiner Party, eigentlich nie groß aus.<br />
Was ist dein Lieblings-Anmachspruch?<br />
Bei mir gibt es keine Anmach-Sprüche.<br />
Ich bekam Adrianas Nummer durch<br />
ihre Schwester, dann habe ich sie<br />
gefragt, ob sie mein Grid Girl sein<br />
möchte, als wir uns zum ersten<br />
Mal in der Stadt trafen und so<br />
ist es dann passiert.<br />
Welchen Star würdest du<br />
gerne einmal treffen?<br />
Leonardo DiCaprio wäre<br />
fantastisch. Mel Gibson<br />
und Meg Ryan wären<br />
auch ziemlich cool.<br />
01<br />
02<br />
03<br />
04<br />
05
Hyundai<br />
kommt<br />
zurück<br />
Mit der Vorstellung des i20 WRC auf der Paris Motor Show läutete<br />
Hyundai das Comeback in der höchsten Rallyeklasse ein.<br />
Der viertgröSSte Automobilkonzern der Welt arbeitete seit dem<br />
Rückzug aus der WRC im Jahr 2003 daran, ein firmeneigenes WRC-<br />
Team in Europa auf die Beine zu stellen sowie einen eigenen Boliden<br />
zu konstruieren. Einen genauen Zeitplan für die Rückkehr<br />
nannte Hyundai nicht. Erwartet wird, dass die Koreaner 2013 an<br />
einzelnen Events teilnehmen, ehe sie 2014 voll einsteigen.<br />
Fotos: hyunai, peugeot, gp2 series<br />
<strong>Motorsport</strong>messe<br />
für <strong>Motorsport</strong>profis<br />
Vom 13. bis 15. November ist Köln das Mekka der<br />
<strong>Motorsport</strong>industrie. Bei der Professional MotorSport World<br />
Expo präsentieren mehr als 230 Aussteller zahlreiche<br />
technische Innovationen und Lösungen aus Bereichen wie<br />
Motordesign und Tuning, Rennwagen-Ausstattung,<br />
Sicherheit, Transport & Logistik sowie <strong>Motorsport</strong>-Business.<br />
»Ich denke, dass dies die beste und auch die<br />
wichtigste Messe für unsere Branche ist«, sagt Vic Locke,<br />
Einkäufer für V8 & KERS-Projekte bei Mercedes AMG High<br />
Performance Powertrains. Im Rahmen eines spektakulären<br />
Galadiners werden die in der <strong>Motorsport</strong>welt weithin<br />
respektierten Professional MotorSport World Expo Awards<br />
verliehen. Eine unabhängige Expertenjury kürt unter<br />
anderem den besten Rennwagen, den besten <strong>Motorsport</strong>-<br />
Ingenieur, die beste Antriebsinnovation und die beste<br />
europäische Rennserie des Jahres.<br />
Ein neues Kapitel<br />
Auf der Paris Motor Show stellte Peugeot mit dem 208 Type R5 den Nachfolger des 207 Super 2000<br />
vor, der mit sechs IRC-Titeln sowie Siegen bei prestigeträchtigen Events wie der Rallye Monte Carlo<br />
große Fußstapfen hinterlässt. Die Testfahrten sollen Ende des Jahres beginnen, ab der zweiten<br />
Hälfte der Saison 2013 sind Wettkampfeinsätze in der Intercontinental Rally Challenge (IRC), der<br />
European Rally Championship (ERC) und in nationalen Meisterschaften geplant.<br />
8 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Text: Frederik Hackbarth, Annika Kläsener<br />
Italienischer<br />
Champion<br />
Obwohl es am Ende noch einmal knapp<br />
wurde, führte 2012 in der GP2 kein Weg<br />
an Davide Valsecchi vorbei. Von den<br />
ersten fünf Saisonrennen gewann der<br />
Italiener drei, anschließend setzte er sich<br />
mit regelmäßigen Podestankünften<br />
schnell von seinen Verfolgern ab. Nach<br />
einer Schwächephase im Sommer eilte<br />
Hauptkonkurrent Luiz Razia zwar noch<br />
einmal heran, in Monza fiel aber die<br />
Vorentscheidung im Titelkampf. Beim<br />
Finallauf im fernen Singapur ließ sich<br />
der DAMS-Pilot die Butter schließlich<br />
nicht mehr vom Brot nehmen.<br />
Aus der GP2<br />
in die Formel 1<br />
N. Rosberg, H. Kovalainen, S. Speed, N.<br />
Piquet, G. Pantano, G. Bruni, L. Hamilton, T.<br />
Glock, V. Petrov, L. di Grassi, G. Bruni, B.<br />
Senna, P. Maldonado, S. Buemi, K. Chandhok,<br />
A. Pizzonia, K. Nakajima, S. Yamamoto, R.<br />
Grosjean, J. D’Ambrosio, K. Kobayashi, N.<br />
Hülkenberg, S. Pérez, C. Pic<br />
Gute Jahrgänge<br />
Talentierte Fahrer gab es über<br />
die Jahre in der GP2 immer<br />
wieder, besonders herausragend<br />
waren aber die GP2-<br />
Jahrgänge 2005 und 2009.<br />
Gleich in der ersten Saison<br />
sorgten der spätere Champion<br />
Nico Rosberg und Heikki Kovalainen<br />
für ein atemberaubendes<br />
Titelduell in einer hart umfochtenen<br />
Meisterschaft. Vier Jahre<br />
später erlebte die Serie dann<br />
ob der Vielfalt der aufstrebenden<br />
Piloten einen Boom:<br />
Sergio Pérez, Pastor Maldonado,<br />
Romain Grosjean und<br />
Nico Hülkenberg waren nur<br />
einige der klangvollen Namen.<br />
Aus der GP2<br />
in die DTM<br />
A. Prémat, A. Carroll, M. Lauda, F. Albuquerque,<br />
C. Bakkerud, E. Mortara, C. Vietoris<br />
Aus der GP2<br />
in die Welt<br />
E. Viso (IndyCar), M. Conway (IndyCar), T.<br />
Gommendy (ChampCar), N. Jani (WEC), N.<br />
Lapierre (Le Mans), S. Hernández (WTCC), J.<br />
Villa (WTCC)<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 9
Kampf um die Plätze<br />
Ein Platz im Formel-1-Rennkalender ist beinahe genauso hart umkämpft wie einer auf dem Podium. Der provisorische<br />
Rennkalender für die Saison 2013 sieht erneut 20 Grand Prix vor - neu ist das zweite US-Rennen in Jersey, dafür fällt<br />
der Europa GP in Valencia heraus. Allerdings steht noch ein Fragezeichen hinter der neuen Strecke in New Jersey. Als<br />
möglicher Ersatz machen sich die Türkei und Frankreich Hoffnungen, wieder in den Kalender aufgenommen zu werden.<br />
Für die Zukunft ist ein Grand Prix in Russland eingeplant, auch Thailand bemüht sich um ein Rennen.<br />
17. März................... Australien GP<br />
24. März.................... Malaysia GP<br />
14. April............................China GP<br />
21. April........................ Bahrain GP<br />
12. Mai....Spanien GP (Barcelona)<br />
25. Mai........................Monaco GP<br />
09. Juni .......................Kanada GP<br />
16. Juni.... Jersey GP (New York)*<br />
30. Juni........... Großbritannien GP<br />
14. Juli ................. Deutschland GP<br />
28. Juli ..........................Ungarn GP<br />
25. August...................Belgien GP<br />
08. September..............Italien GP<br />
22. September........Singapur GP<br />
06. Oktober...................Korea GP<br />
13. Oktober....................Japan GP<br />
27. Oktober................... Indien GP<br />
03. November...... Abu Dhabi GP<br />
17. November...... US GP (Austin)<br />
24. November.......... Brasilien GP<br />
*wird noch bestätigt<br />
Fotos: adrivo/Sutton, red bull racing<br />
10 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Text: Manuel Sperl, Mike Wiedel<br />
Wo könnte die<br />
Formel 1 noch fahren?<br />
MOSKAU<br />
Seit Jahren träumt Bernie Ecclestone von einem Rennen in<br />
Russland. Doch in welcher Stadt soll der F1-Zirkus gastieren?<br />
Olympia-Stadt Sochi galt für 2014 als sicher, doch auch Moskau<br />
besitzt Chancen. Schier unzählige Demo-Runs haben auf dem<br />
Roten Platz ihre Spuren hinterlassen.<br />
Rom<br />
Motorenlärm in der ewigen Stadt? Rom galt als Alternative zu<br />
Monza. »Die Bürokratie stoppt in Rom tausende Projekte, nicht<br />
nur die Formel 1«, ärgerte sich Promoter Maurizio Flammini. Stattdessen<br />
wandte er sich dem F1-Projekt in New York zu. In den USA<br />
mahlen die Mühlen der Bürokratie offenbar schneller.<br />
Seoul<br />
Der Korea GP gehört nicht zu den F1-Favoriten. 2016 läuft der Vertrag<br />
mit der Formel 1 aus, Seoul stünde als Alternative parat. »Kein<br />
Mensch weiß dort, was die Formel 1 ist«, ist Christian Danner nicht<br />
wirklich überzeugt. Nick Heidfeld drehte 2008 als erster F1-Pilot in<br />
Seoul Demorunden im Stadtteil Samsung-dong.<br />
Ukraine<br />
Vor zwei Jahren hieß es, dass eine Milliarde Dollar für den Bau eines<br />
Kurses nahe Kiews bereit stünden. 2013 sollte die F1 bereits auf der<br />
neuen Strecke gastieren. Aus diesem Plan wird wohl nichts, doch<br />
Red Bull und Daniel Ricciardo lieferten im Mai 2012 mit einem Show-<br />
Run in den Straßen von Kiew einen netten Vorgeschmack.<br />
Thailand<br />
Stadtrennen in den Straßen Bangkoks, ein Grand Prix unter<br />
Flutlicht oder der Bau einer komplett neuen Strecke in Chiang<br />
Mai - die Interessenvertreter haben viele Ideen bezüglich eines<br />
F1-Rennens in Thailand. 2014 soll der GP über die Bühne gehen,<br />
Bernie Ecclestone hat Interesse signalisiert.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 11
Boxenspion<br />
BOXENSPION<br />
Blinder Passagier<br />
im Red Bull von<br />
Sebastian Vettel<br />
Life Through a Lens<br />
blinder passagier<br />
Mark Sutton<br />
Das ist Sebastian Vettels Red Bull auf dem Weg zurück an die Boxen - entgegen<br />
der Fahrtrichtung. Überhaupt machen die Italiener, was sie wollen - einer<br />
der Streckenposten sitzt sogar im Cockpit und spielt mit dem Lenkrad. Das<br />
war sicher eine unliebsame Überraschung für die Red-Bull-Mechaniker, als der<br />
Transporter an der Box vorfuhr. Aber es passt gut zum Italien GP: Dort rennen<br />
immer viele Leute ohne Akkreditierung an der Strecke herum - die Mächtigen<br />
scheinen dort besonders gerne ihren Freunden zu einem Besuch zu verhelfen.<br />
kamerakind fernando<br />
Fernando Alonso übt<br />
für die Zeit nach<br />
seiner Karriere<br />
Dieser lustige Moment zeigt, dass Fernando in<br />
Monza genau entgegengesetzt zu Lewis tickte. Er<br />
hatte das gesamte Wochenende über gute Laune<br />
und machte bei einer Ferrari-Fahrzeugübergabe<br />
im Paddock sogar selbst ein Foto mit seinem<br />
Handy - wahrscheinlich hatte er es schneller bei<br />
Twitter hochgeladen als wir die Bilder auf unserer<br />
Webseite hatten. Auf dem Podium nahm er Kameramann<br />
Franco die Kamera ab und die Aufnahmen<br />
wurden sogar live gesendet!<br />
champagner-dusche<br />
Hier feiert Paul Monaghan mit Seb auf<br />
dem Podium. Normalerweise lässt man<br />
die Augen und den Mund bei einer<br />
Champagnerdusche geschlossen - aber<br />
er wollte einfach alles! Vom Fahrer<br />
durchnässt zu werden, ist auf dem Podium<br />
eine Art Auszeichnung. Paul ist ein<br />
wichtiges Teammitglied und arbeitet<br />
mit Adrian Newey an der Aerodynamik.<br />
Er ist auch ein großer Foto-Narr und<br />
fotografiert in der Box die flowviz-<br />
Farbe an den Autos. Während sich<br />
Newey den Farbverlauf ansieht, geht<br />
Paul eben noch etwas mehr ins Detail.<br />
Ausgelassener<br />
Jubel: »Nimm<br />
das!«
+ msm on tour +<br />
1.<br />
2.<br />
Eine groSSe<br />
Familie<br />
Gern<br />
gesehen im<br />
paddock<br />
3.<br />
Obwohl im MotoGP-Fahrerlager oft der Eindruck entsteht,<br />
dass alle Teams sich nur als Rivalen sehen, musste unsere<br />
Redakteurin Maria in Aragon feststellen, dass wirklich<br />
jeder für den anderen da ist - vor allem wenn der Koffer<br />
mit Kleidung und Zahnbürste fürs Rennwochenende die<br />
Reise ins Niemandsland nicht mit antreten möchte. Aber<br />
zum Glück gibt es hilfsbereite Teammitglieder, die sofort mit<br />
Teamjacken und Trikots aushalfen - sogar die Streckenmitarbeiterin<br />
am Eingang zum Media Center steuerte eine<br />
wärmende Strickjacke bei.<br />
1. Vorsicht beim Fragenstellen:<br />
Carlos Checa erklärte, dass er<br />
noch lange nicht zu alt ist und noch<br />
jeden Tag dazu lernt.<br />
2. Leon Camier ging das Interview mit Maria vor beiden Rennen<br />
auf dem Nürburgring relaxt an und platzierte seine Suzuki noch<br />
am gleichen Tag zum ersten Mal auf dem Podest. Guter Einfluss?<br />
3. Beim Liberty Racing Team ging es<br />
2012 drunter und drüber. Sylvain Guintoli<br />
schilderte seine Probleme mit der Crew<br />
(nachzulesen auf Seite 110).<br />
Fotos: adrivo/Sutton, milagro<br />
Zitate:<br />
»Also normalerweise lassen wir hier keine<br />
Leute in LCR-Jacke rein, aber ich mache mal<br />
eine Ausnahme.«<br />
(Milena, Tech 3 Pressesprecherin)<br />
»Keine Sachen? Kein Problem! Wie wäre es mit<br />
einem Grid Girl Dress?«<br />
(Fabio Alberti, LCR Honda)<br />
»Oh mein Gott, es tut mir so leid, dass wir<br />
nichts dabei haben! Flieg beim nächsten Mal<br />
lieber über Zaragossa.«<br />
(Joan Olive, Red Bull KTM)<br />
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DEBATTE: christian menath, philipp schajer & Falko Schoklitsch<br />
Der Elektroschock<br />
Bald wird es eine FIA Rennserie mit elektronischen Formel-Autos geben.<br />
Kann so etwas Rennfans begeistern oder braucht echter Rennsport<br />
Benzin und Lärm? Unsere Redakteure diskutieren.<br />
Falko Schoklitsch: Es dürfte wohl wenige geben, denen nicht klar ist, dass<br />
wir etwas für unsere Umwelt tun und sich die zukünftigen Technologien dahin<br />
entwickeln müssen. Das gilt natürlich auch für den Straßenverkehr und eine<br />
Formelserie mit Elektro-Rennwagen dürfte die Entwicklung durchaus vorantreiben.<br />
Ich sehe nur das Problem, dass die Serie für Fans nicht besonders<br />
interessant ist, weil einfach der nötige Kick mit dem Motorensound fehlt.<br />
Christian Menath: Ich sehe die Geschichte auch zweischneidig. Die<br />
Technik ist freilich faszinierend. Drehmoment bis zum Abwinken und<br />
bei jeder Gelegenheit. Die technische Herausforderung für die Hersteller<br />
ist sicherlich groß. Im <strong>Motorsport</strong> werden alle Komponenten unter<br />
extremsten Bedingungen getestet. Ich sehe somit eine große Chance<br />
und großes Entwicklungspotential für eine neue Technik, die bislang<br />
stiefmütterlich behandelt wurde. Auf der anderen Seite bin ich natürlich<br />
ein Petrolhead. Der Geruch und der unverwechselbare Sound von Rennmotoren<br />
haben mich in ihren Bann gezogen. Ich kenne »E-Racing« bereits<br />
aus der Formula Student. Die Autos sind ähnlich schnell wie die Verbrenner<br />
in dieser Serie, aber mir fehlt dabei einfach die Emotion. <strong>Motorsport</strong><br />
muss begeistern, ob er das in dieser Form noch tut, weiß ich nicht.<br />
Verbrauchsvorteil bringen und stößt bei Fans nicht auf besonders viel<br />
Akzeptanz. Und das, obwohl es eine äußerst populäre Turbo-Ära bereits<br />
gab. Für mich ist eine umweltverträgliche Formel 1 auf jeden Fall eine<br />
Gratwanderung.<br />
Der Fondtech E-11<br />
Elektro-Renner<br />
Philipp Schajer: Die globale Erwärmung ist ein allgegenwärtiges Thema und<br />
macht mittlerweile offenbar auch nicht mehr vor dem <strong>Motorsport</strong> halt. Es ist<br />
durchaus lobenswert, wenn sich die FIA im Kampf gegen den menschengemachten<br />
Klimawandel engagieren möchte, doch stellt sich mir die Frage, ob eine<br />
Formula E nicht nur als ein Feigenblatt dient, sodass sich die Verantwortlichen<br />
ans Revers heften können, dieses populäre Thema aufzugreifen. Wäre es nicht<br />
wesentlich zielführender, in etablierten Rennserien wie der Formel 1 auf nachhaltige<br />
Technologien zu bauen, zumal diese Serien auch in der Zuschauergunst<br />
erheblich höher stehen und damit eine größere Vorbildwirkung gegeben wäre?<br />
Falko: Naja, die Formel 1 wird da in den nächsten Jahren ohnehin zwangsbeglückt<br />
und wird ab 2014 mit zahlreichen Energierückgewinnungs-Systemen<br />
fahren. In der Boxengasse sollen die Autos dann nur mit Elektro-Motor vorankommen.<br />
Alleine die Fan-Reaktion darauf hat gezeigt, dass eine reine Elektro-<br />
Formel wohl aufmerksamkeitstechnisch eine Totgeburt werden dürfte.<br />
Philipp: Deswegen wäre es auch zielführender, nicht eine gänzliche neue Rennserie<br />
aus dem Boden zu stampfen, die bezüglich Akzeptanz und mittel- bis langfristiger<br />
medialer Aufmerksamkeit ein vermutlich ärmliches Dasein fristen wird,<br />
sondern nachhaltige Technologien auf der breiten Bühne der Formel 1 zu präsentieren.<br />
Man erreicht mit keiner anderen Rennserie weltweit ein größeres<br />
Publikum, weswegen ich der Ansicht bin, dass man die Kräfte lieber bündeln<br />
sollte, als Ressourcen in eine weitere Klasse zu investieren, deren Erfolgsaussichten<br />
wohl als äußerst bescheiden tituliert werden können. Das würde nicht<br />
dem Gedanken der Nachhaltigkeit entsprechen.<br />
Toyota stellt regelmäßig<br />
neue Elektrorekorde auf<br />
- in Pikes Peak und auf<br />
der Nordschleife<br />
Christian: Wobei man dabei sehr vorsichtig sein muss, der Formel 1<br />
einen grünen Anstrich zu verleihen. Wie Falko schon sagte, sind die<br />
Fans von diesen Ideen nicht gerade begeistert. Schon die Kastration der<br />
Motoren von 2,4 Liter V8 auf 1,6 Liter V6 Motoren soll einen enormen<br />
14 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FuSSball auf Motorrädern<br />
Motoball. Ob das unser ernst ist? Auch wir trauten unseren verdutzten Augen<br />
zunächst nicht. Aber es ist wahr und auch hier liegt die Wahrheit auf dem<br />
Platz: Das Runde muss ins Eckige - mit extra viel PS!<br />
Text: Stephan Heublein<br />
Fotos: adrivo/Sutton, fondtech, toyota, Motoball EM<br />
Worum geht es?<br />
Ganz einfach: Fußball auf Motorrädern.<br />
Wie kommt man darauf?<br />
Es ranken sich einige Mythen um die Entstehungsgeschichte, die geläufigste<br />
ist, dass Motoball aus Frankreich stammt und in den 30er Jahren<br />
nach Deutschland kam, nach dem Zweiten Weltkrieg aber erst in den<br />
50er Jahren wiederentdeckt wurde. Seitdem hat es sich in ganz Europa<br />
ausgebreitet - von Frankreich und Deutschland über die Niederlande<br />
bis hin nach Russland, Litauen, Weißrussland und in die Ukraine.<br />
Wie funktioniert es?<br />
Eine Mannschaft besteht aus einem nicht motorisierten Torwart, vier<br />
Feldspielern auf 250ccm Spezialmotorrädern, zwei Mechanikern und<br />
einem Trainer. Die Spielzeit beträgt vier Mal 20 Minuten. Gespielt wird<br />
mit einem ca. 800g schweren luftgefüllten Lederball (Durchmesser ca.<br />
40 cm). Aus selbsterhaltungstechnischen Gründen darf der Torhüter<br />
seinen Strafraum nicht verlassen. Foul ist unter anderem, wenn der<br />
Ball mit dem Vorderrad statt mit dem Fuß gespielt wird. Auch eine<br />
Abseits-Regel ist vorhanden.<br />
Was ist mit den Motorrädern?<br />
Sie haben zwei Räder, eine Handbremse, eine beidseitige Fußbremse,<br />
eine speziell angefertigte Ballführung und sind auf das Nötigste abgespeckt.<br />
Die Maschinen erreichen einen Topspeed von 60 km/h, aber<br />
die Phonzahl des Auspuffs ist streng reglementiert. Das freut die<br />
Nachbarn.<br />
Wer spielt alles mit?<br />
In der deutschen Bundesliga spielen so klangvolle Namen wie der MSC<br />
Taifun Mörsch, der MSC Comet Durmersheim, der MSF Tornado<br />
Kierspe und der MSC Kobra Malchin um die Meisterschale oder etwas<br />
ähnlich Wichtiges.<br />
Wer ist gut darin?<br />
Der MSC Taifun Mörsch ist mit 19 Titeln Rekordmeister. Amtierender<br />
deutscher Meister ist der SVB Leverkusen - also gewinn Leverkusen wenigstens<br />
beim Motoball mal einen Titel. In diesem Jahr fand die Motoball Europameisterschaft<br />
in Deutschland statt. Erwartet wurden rund 20.000<br />
Zuschauer in den Arenen in Kuppenheim, Ubstadt-Weiher und Mörsch.<br />
Im Finale standen sich Gastgeber Deutschland und Titelverteidiger Russland<br />
gegenüber. Aber auch dieses Sommermärchen endete in Tränen: Die Russen<br />
gewannen mit 10:4.<br />
Was ist daran so toll?<br />
Haben Sie nicht aufgepasst? Fußball! Auf Motorrädern!! Noch nicht<br />
überzeugt? Okay, aber das sollte jeden zum Fan machen: Der MSC<br />
Kobra Malchin hat eine eigene Hymne: »Aloha he das Team vom MSC,<br />
die Kobra will den Sieg!«<br />
Warum spielt man auf einem Motorrad<br />
FuSSball?<br />
Vielleicht weil die Autotüren im Weg wären. Holen wir uns noch einmal<br />
Motoball-Nachhilfe aus dem Kobra-Song: »Motorengeräusche wir<br />
steh‘n Mann für Mann, Dreck und Staub sind uns egal, Benzingeruch<br />
turnt uns richtig an, Motoball heißt unsere Wahl.« Das sollte jetzt aber<br />
endgültig alle Zweifel beseitigen.<br />
Lohnt es sich, hinzugehen?<br />
Auf der Webseite von Tornado Kierspe prangt ein fett gedruckter Hinweis:<br />
»Pizzastand war ein voller Erfolg!« Was soll man da noch mehr<br />
sagen? Nichts wie hin!<br />
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Text: FALKO SCHOKLITSCH<br />
Das<br />
Erdbeben<br />
MotoGP und Superbike-WM: Lange waren sie sich spinnefeind, plötzlich leben sie unter einem Dach.<br />
Fotos: milagro, citroen, adrivo/sutton<br />
Der 2. Oktober 2012 war ein Tag, der die Zweirad-Welt erzittern ließ. Immerhin<br />
folgte die offizielle Bestätigung, dass Dorna Sports in Zukunft nicht nur die MotoGP,<br />
sondern auch die Superbike-Weltmeisterschaft vermarkten wird. Einige sprachen<br />
von einem Erdbeben, andere von sich überschlagenden Ereignissen und irgendwo<br />
ganz im Hintergrund war wohl leise das Stöhnen von Honda zu hören, das mit<br />
seinen MotoGP-Ausstiegsdrohungen im Falle einer Einheits-Elektronik höchstens<br />
noch einen Lufthauch in einem Schnapsglas erzeugen konnte, da in der geplanten<br />
Ausweich-Serie nun ebenfalls die Dorna als Dachorganisation wartete.<br />
Dorna und Infront<br />
machen ab sofort<br />
gemeinsame Sache: Ein<br />
Grund zum Feiern?<br />
Von den möglichen Magenkrämpfen bei Honda einmal abgesehen, ist vorrangig<br />
aber einmal festzuhalten, dass die breite Öffentlichkeit zwar von dem neuen Arrangement<br />
überrascht war, die wichtigen handelnden Personen wie Dorna-CEO Carmelo<br />
Ezpeleta oder Infront Motor Sports Chef Paolo Flammini wohl schon etwas<br />
länger darüber Bescheid wussten, was Mutter-Unternehmen Bridgepoint so vor<br />
hatte. Dem Finanz-Investor war die Herrschaft über die beiden wichtigsten Motorrad-Rennserien<br />
ohnehin eher zufällig zugefallen. 2006 kaufte Bridgepoint die<br />
Dorna, weil der damalige Besitzer CVC verkaufen musste, um die kartellrechtliche<br />
Freigabe zum Kauf der Anteile an der Formel 1 zu erhalten. 2011 folgte dann Infront<br />
Sports & Media, wobei dabei primär die weltweiten Fußballrechte interessant<br />
waren, die dem Unternehmen gehören. Infront Motor Sports als Veranstalter der<br />
Superbike-WM war da eher ein kleines Zusatzgeschenk, das für die EU-Kartellwächter<br />
kein großes Problem darstellte.<br />
Dennoch ist es nun so, dass die Dorna durchaus in einer kartellähnlichen Situation<br />
ist, immerhin kann sie so ziemlich alles bestimmen, was in den beiden Rennserien<br />
passiert, auch wenn Infront Motor Sports weiter an der Organisation beteiligt ist<br />
und Beraterstatus genießt. Worauf das im Endeffekt hinausläuft, ist im Moment<br />
noch der Fantasie überlassen. So könnte es passieren, dass die Superbike-WM<br />
durch das Reglement stark eingebremst wird, damit in der MotoGP Sparmaßnahmen<br />
kommen können, die die Königsklasse aber nicht gleich alt aussehen lassen.<br />
Vorstellbar wäre auch, dass die beiden Meisterschaften irgendwann doch zusammengelegt<br />
werden, auch wenn bei der Verkündung des neuen Arrangements noch<br />
extra darauf hingewiesen wurde, dass beide Serien eigenständig geführt werden<br />
und die Differenzierung noch weiter herausgehoben werden soll. Wer sagt denn,<br />
dass nicht irgendwann wirtschaftliche »Notwendigkeiten« auftreten könnten, um<br />
die Eigenständigkeit aufzugeben?<br />
Angesichts all dieser Schwarzmalerei darf aber eines nicht vergessen werden:<br />
Im Prinzip ist dieser Zusammenschluss eine große Chance. Dorna Sports hat<br />
mit der MotoGP gezeigt, dass man es versteht, eine Motorrad-Rennserie gut zu<br />
vermarkten. Das bessere Produkt lieferte in den vergangenen Jahren allerdings<br />
die Superbike, zumindest wenn man die Güte der Serie an der Qualität der<br />
Rennen misst. Nun bestünde die Möglichkeit, dass die beiden Seiten sich gegenseitig<br />
befruchten. Die MotoGP kann bei der Superbike etwas über Spannung<br />
lernen - wobei das wohl eher über das Reglement erreichbar ist - und die WSBK<br />
kann von einer verbesserten Vermarktung profitieren. So betrachtet könnte den<br />
Zweiradfans eine rosige Zukunft mit zwei sehr attraktiven Weltmeisterschaften<br />
auf höchstem Niveau bevorstehen. Wird diese Gelegenheit in den Sand gesetzt,<br />
haben es die Fans auch einfach: sie können sich weiter auf Carmelo Ezpeleta<br />
einschießen, dem sowieso immer an allem die Schuld gegeben wird, wenn<br />
irgendwo etwas nicht passt.<br />
16 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
+++ IM Vergleich +++ IM Vergleich +++ IM Vergleich+++<br />
antrieb oder bremse? Zwei Bilder, die Mikko Hirvonens Situation bei Citroen 2012 nicht besser beschreiben<br />
könnten. Dass der Finne der König des Schlamms ist, bewies er in Portugal. Drei Tage Regen und der Modder stand den Piloten bis<br />
zum Hals. Hirvonen planschte als Einziger fehlerfrei über die Strecke und gewann. Bei den meisten anderen Rallyes war es nicht sein<br />
Können, das ihn führte, sondern die »unsichtbare« Hand Citroens. Sebastien Loeb sollte den Titel holen und die Nummer zwei des Teams<br />
»den Doppelsieg nicht gefährden«. Wenn sein Citroen ab 2013 einen Schubs bekommt, muss Hirvonen nur sehen, dass er die Kräfte richtig<br />
nutzt und nicht unter dem Druck einknickt.<br />
Fotos: adrivo/Sutton, dtm<br />
17 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 17
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
Im medialen<br />
Schatten<br />
Auf Schumacher folgt Hamilton. Nico Rosberg kennt sich im Schatten aus. Jetzt muss er daraus hervortreten.<br />
Nico und Lewis<br />
kennen sich<br />
schon aus<br />
gemeinsamen<br />
Kartzeiten<br />
Äußerlich ist Nico Rosberg nichts anzumerken. Mit einem<br />
Lächeln marschiert er durch das Fahrerlager in Suzuka, doch<br />
innerlich muss es in ihm brodeln. Erneut steht er medial im<br />
Schatten eines anderen Fahrers. Da werden Erinnerungen an 2010<br />
wach. Wie vor drei Jahren scheint er in den letzten Wochen für die<br />
Medien unsichtbar gewesen zu sein, und das obwohl Mercedes die<br />
Schlagzeilen dominierte. Doch alles drehte sich um das Mercedes-Aus<br />
und damit verbunden das Formel-1-Aus von Michael Schumacher<br />
und den Wechsel von Lewis Hamilton zu den Silberpfeilen. Warum<br />
hat sich Hamilton gegen McLaren und für Mercedes entschieden?<br />
Was waren die Gründe für das Schumacher-Ende bei Mercedes? Die<br />
Fragen schienen den Journalisten nicht auszugehen, doch die Frage<br />
wie sich der Teamleader gegen den Neuen bei Mercedes schlagen<br />
wird, fand sich auf der Liste der Medienvertreter ganz, ganz, ganz<br />
weit unten wieder. Fakt ist, dass Rennfahrer Egomanen sind (und<br />
sein müssen). Keiner will die zweite Geige spielen - im eigenen<br />
Team oder in der Presse. Somit ist es ausgeschlossen, dass die<br />
mediale Präsenz seines ehemaligen und zukünftigen Teamkollegen<br />
Rosberg nicht wurmt. Und Rosberg dürfte es noch mehr<br />
ärgern, dass obwohl er in den letzten drei Jahren Schumacher im<br />
Qualifying als auch im Rennen im Griff hatte und für Mercedes<br />
den bis dato einzigen Sieg holte, viele davon auszugehen scheinen,<br />
dass er seinem Kumpel Lewis die nächsten Jahre tatkräftig im<br />
WM-Kampf zur Seite stehen muss, anstatt selbst anzugreifen.<br />
Eine Art Felipe Massa in Silber. Ob diese Annahme gerechtfertigt<br />
ist oder nicht, sei einmal dahingestellt.<br />
Blättert man in der Rennkarriere des Deutschen zurück, dann finden<br />
sich durchaus Gründe, weshalb andere Fahrer die Schlagzeilen deutlich<br />
mehr beherrschen als Rosberg. Bei Williams konnte er seine<br />
Teamkollegen wie Mark Webber oder Alex Wurz in Schach halten,<br />
doch damals hatte keiner der beiden das Profil eines Siegfahrers und<br />
somit sprangen die gewonnenen, internen Teamduelle den Medien<br />
nicht ins Auge. Auch Kazuki Nakajima in Grund und Boden zu fahren,<br />
brachte Rosberg medientechnisch nichts. Mit Schumacher als Teamkollegen<br />
hatte er endlich die Gelegenheit, ins Rampenlicht zu rücken.<br />
Es gab einige, die erwartet hatten, dass Rosberg vom Rekordmeister<br />
in den Schatten gestellt wird wie bereits medial bei der Bekanntgabe<br />
seines F1-Comebacks, doch Rosberg hatte Schumacher im Griff. Ein<br />
fader Beigeschmack blieb bei all dem Erfolg dennoch, denn die Frage,<br />
ob Schumacher in seiner zweiten F1-Dekade noch als Maßstab angesehen<br />
werden konnte, stand stets im Raum. Bezieht man diese Punkte<br />
mit ein, dann konnte Rosberg nichts Besseres passieren als die Verpflichtung<br />
von Hamilton. Erstmals in seiner Karriere hat er die Chance,<br />
sich gegen einen profilierten Spitzenfahrer und Weltmeister zu beweisen<br />
- und nicht zu vergessen, Rosberg hat bei Mercedes Heimvorteil.<br />
In den nächsten drei Jahren kann er der Medienwelt zeigen, dass er<br />
nicht nur ein guter, sondern ein brillanter Rennfahrer ist. Es liegt nun<br />
in seiner Hand, seine Karten richtig auszuspielen und sich von seinem<br />
aktuellen Status als »Eintagsfliege« (bislang erst ein GP-Sieg in China<br />
2012) zu verabschieden.<br />
Fotos: adrivo/Sutton, citroen, milagro<br />
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Text: Stephan Heublein<br />
Würdiger<br />
Abgang gesucht<br />
Loeb, Rossi, Schumacher: Drei Megastars, drei Erfolgs-Karrieren, drei unterschiedliche Wege, diese zu beenden.<br />
Loeb, Rossi, Schumacher - nimmt es ein dreifach gutes Ende?<br />
Sie sind die Besten ihrer Zunft, wahre Superstars, schon zu aktiven Zeiten<br />
Legenden. Echte Helden eben. Sebastien Loeb, Valentino Rossi und<br />
Michael Schumacher dürften selbst jedem Nicht-<strong>Motorsport</strong>-Fan ein<br />
Begriff sein und gelten nahezu als Synonym für den Rallyesport, die Formel 1<br />
und die MotoGP. »Aber irgendwann kommt die Zeit für den Abschied«, sagte<br />
Schumacher in Japan, übrigens bereits zum zweiten Mal in seiner Karriere mit<br />
fast identischem Wortlaut. Welche Umstände genau zum Rücktritt des Formel-<br />
1-Rekordweltmeisters führten, lassen wir an dieser Stelle einmal dahingestellt.<br />
Dass es selbst für die Größten ihres Fachs schwierig ist, loszulassen, mit dem<br />
aufzuhören, was sie lieben und das sie gar nicht anders kennen, zeigt der Fall<br />
aber allemal. Immerhin wirkte Schumacher allen vorgeschobenen Müdigkeitsund<br />
Motivationsproblemen zum Trotz alles andere als hundertprozentig überzeugt<br />
von seinem Abschied bei Mercedes und aus der Formel 1.<br />
Der Herausforderung, den richtigen Zeitpunkt für das Karriereende zu finden,<br />
steht Schumacher aber nicht allein gegenüber. Auch der Rekord-Rallye-Champion<br />
Loeb plagte sich lange mit dem Gedanken an den perfekten Ausstieg.<br />
Während Schumacher zurücktrat, zurückkam und nach einem wenig erfolgreichen<br />
Comeback wieder abtritt, wählt »Super-Seb« für sich einen anderen<br />
Weg: Statt seine WRC-Karriere auf einen Schlag zu beenden, fährt er 2013 nur<br />
noch ausgewählte Rallyes mit. Damit hat er keine Chance, im Kampf um die<br />
WM ein Wörtchen mitzusprechen, bleibt dem Rallye-Zirkus aber erhalten. Ein<br />
Rückzug auf Raten also, ein Entzug mit gelegentlichen Adrenalinstößen. Klar,<br />
in der Formel 1 wäre das nicht möglich, aber vielversprechender als sporadische<br />
Motorradrennen ist es allemal. »Mir ist Michael Schumacher in einem Formel-<br />
1-Auto hundertmal lieber als auf einem Motorrad«, sagte uns Christian Danner<br />
treffend. Die Geschichte hat ja gezeigt, wohin das führen kann...<br />
Bleibt noch Valentino Rossi. Der »Doktor« schien den gleichen Weg wie Schumacher<br />
eingeschlagen zu haben. Er wechselte als amtierender Champion von<br />
Yamaha zu Ducati, um sich als Italiener auf einem italienischen Bike endgültig<br />
unsterblich zu machen. Das ging mächtig in die Hose. Der rote Traum platzte.<br />
Rossi kam mit der zickigen roten Göttin nie zurecht und sein Ruf als Überfahrer<br />
nahm beträchtlichen Schaden, schließlich gewann sein Vorgänger Casey Stoner<br />
mit der Desmosedici Rennen und den Titel, wenn auch als einziger erfolgreicher<br />
Zähmer des Biests. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Schumacher und Rossi mit<br />
dem Silberpfeil und der Desmosedici also auf dem gleichen Abstellgleis in<br />
Richtung Denkmalschädigung unterwegs. Manche Skeptiker fragten sich vor<br />
Saisonbeginn schon scherzhaft, wann sie endlich ins Licht gehen und ihre<br />
Karriere beenden würden.<br />
Doch im Gegensatz zu Schumacher scheint Rossi noch einmal die Kurve<br />
bekommen zu haben - zumindest auf dem Papier. Er wechselt zurück zu<br />
Yamaha, wo er 2013 ein siegfähiges Motorrad vorfinden dürfte, mit dem er<br />
seine Karriere standesgemäß beenden kann, also als Sieger. Ob es tatsächlich<br />
zu einem würdigen Abschluss seiner Laufbahn reichen wird, muss sich allerdings<br />
erst noch zeigen. Mit Jorge Lorenzo hat er nun nicht mehr einen aufstrebenden<br />
Jungspund zum Teamkollegen, sondern einen gestandenen Weltmeister.<br />
Jede Menge Konfliktpotenzial inbegriffen; Yamaha sollte vielleicht<br />
doch Bestellungen für ausreichend Boxen-Stellwände aufgeben. Eine deftige<br />
Watschen im Teamduell könnte Rossis Denkmal abermals schaden, fragen<br />
Sie mal Schumacher nach einem gewissen Nico Rosberg. Der perfekte Abgang<br />
ist eben genauso eine Kunst wie die Vorzeigekarriere bis dahin. Nicht nur für<br />
ein Top-10-Lebewesen dieser Erde, wie Norbert Haug Schumacher einst<br />
bezeichnete, sondern gleich für drei.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 19
20 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Foto: adrivo/Sutton<br />
Konstanz<br />
statt chaos<br />
Gefahr in Schwarz und<br />
Gold: Romain Grosjean<br />
räumte nicht nur in Spa<br />
am Start ab - dort aber<br />
besonders umfangreich<br />
und gefährlich<br />
Es vergeht kein Rennwochenende, an dem nicht die<br />
häufig kontroversen Regelauslegungen heiß diskutiert<br />
werden. Das gehört im Sport zum Tagesgeschäft, doch<br />
die F1 läuft Gefahr, sich lächerlich zu machen. Ständig<br />
wechselnde Rennstewards mit unterschiedlichen Hintergründen<br />
können nicht die Lösung sein, stattdessen<br />
sollten während der Saison stets gleiche und unabhängige<br />
Regelhüter eingesetzt werden. Auch deren<br />
Entscheidungen würden angezweifelt, doch es gäbe<br />
zumindest eine gewisse Konstanz. Tatsachenentscheidungen<br />
sind ein schwieriges Thema, vor allem beim<br />
komplizierten Regelwerk der F1. Doch wenn politische<br />
Aspekte mitschwingen, verliert der Sport seine Glaubwürdigkeit.<br />
- Robert Seiwert<br />
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Text: Stephan Heublein & Karin Sturm<br />
»Guten Tag, Herr Hamilton. Ihr Auftrag, sollten Sie ihn annehmen, lautet,<br />
Mercedes zu altem Glanz zurück zu führen und Weltmeister zu werden. Das<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> wird sich in fünf Sekunden selbst vernichten. Viel<br />
Glück. Lewis, übernehmen Sie.«<br />
<strong>Mission</strong><br />
<strong>Impossible</strong><br />
Fotos: mercedes, mclaren<br />
22 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Lewis Hamilton erwartet<br />
im ersten Jahr noch<br />
keine großen Erfolge<br />
mit Mercedes<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 23
Neuer Anlauf: Im vierten Jahr<br />
will Mercedes AMG sich<br />
erneut steigern - mehr als<br />
einen Sieg holen<br />
Der Schweiß läuft ihm über<br />
die Stirn. Seine Augen<br />
starren unter der roten<br />
Kappe hervor auf die versammelte<br />
Journalistenmeute.<br />
Plötzlich zieht er<br />
sein Handy aus der Hosentasche, lächelt schüchtern<br />
in die Runde und knipst munter einen Schnappschuss<br />
nach dem anderen. Eben ein typischer Vertreter<br />
der Facebook- und Twitter-Generation.<br />
Jugendlich, unbekümmert, unbeschwert. Lewis<br />
Hamilton wirkt fast wie der Junge von nebenan.<br />
Doch die unmittelbare Zukunft wirft ihre Schatten<br />
voraus. Auf seinen Schultern lasten bald mehr als<br />
111 Jahre <strong>Motorsport</strong>-Geschichte. Er soll zu Ende<br />
bringen, woran der erfolgreichste Rennfahrer der<br />
Formel 1 in drei Jahren scheiterte: Mercedes zum<br />
Weltmeister zu machen. Ganz gewiss kein Spaziergang,<br />
dessen ist er sich bewusst. »Es ist eine aufregende<br />
Vorstellung, zu einem Team zu kommen, das<br />
noch kein großartiges Auto besitzt«, sagt er. Das ist<br />
seine neue Herausforderung, sein Mount Everest,<br />
sein Ferrari. »Michael kam als Weltmeister zu Ferrari,<br />
das seit Jahren nicht gewonnen hatte«, weiß<br />
Hamilton genau, dass seine Leistung bei Mercedes<br />
mit der roten Aufbauarbeit seines direkten Vorgängers<br />
im Silberpfeil-Cockpit verglichen werden wird.<br />
Aber ist er dieser Aufgabe gewachsen?<br />
den Nachweis schuldig seien, ein schnelles Auto<br />
zu bauen. »Lewis hat eine weitaus schwierigere<br />
Aufgabe, wenn er Mercedes zu dem Team machen<br />
möchte, das Michael damals bei Ferrari hatte.«<br />
Hamilton muss seine Herangehensweise ändern.<br />
»Es ist einfach, zu sagen, dass ich ein Team um mich<br />
aufbauen möchte, aber es ist sehr schwierig umzusetzen«,<br />
mahnt Martin Brundle. »Man muss hart<br />
und egoistisch sein. Das waren alle großen Champions,<br />
sie wollen im Mittelpunkt stehen - deswegen<br />
sind sie so gut.« Erschwert wird diese <strong>Mission</strong> durch<br />
das Reglement. »Als Michael das Team bei Ferrari<br />
aufbaute, durfte er testen, testen und noch mehr<br />
testen«, erinnert Johnny Herbert im Gespräch mit<br />
dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. In der modernen Formel<br />
1 sind Testfahrten verboten, die Arbeit findet<br />
im Simulator statt - das macht es schwieriger. »Kann<br />
es Lewis schaffen? Ja, er kann«, glaubt Herbert. »Er<br />
ist einer der besten Fahrer im Feld. Er ist motiviert,<br />
er will Rennen und weitere Titel gewinnen.« Auch<br />
er sieht das Fragezeichen bei Mercedes: »Das Team<br />
hat Potenzial, aber ich bin mir noch immer nicht<br />
ganz sicher, ob sie das komplette Paket besitzen, um<br />
Die Designer müssen<br />
bei Mercedes ein<br />
besseres Auto abliefern<br />
diese Entwicklung zu schaffen. Sie müssen gemeinsam<br />
weiter wachsen und es beweisen.«<br />
Um Michael Schumachers Ferrari-Ära nachzueifern,<br />
muss Hamilton das Team unaufhörlich<br />
motivieren und die Entwicklung vorantreiben.<br />
»Er wird dort hingehen und denken, dass er die<br />
Nummer 1 ist«, sagt Herbert. »Wenn man<br />
jemanden sucht, der ein Team um eine halbe<br />
Sekunde schneller macht, dann gehört Hamilton<br />
zweifelsohne dazu.« Auch Fernando Alonso und<br />
Sebastian Vettel sieht er in dieser Liga der außergewöhnlichen<br />
Rennfahrer. »Aber das reicht noch<br />
nicht, sie müssen die Weiterentwicklung ankurbeln<br />
und dafür braucht man jemanden mit der<br />
Mentalität eines Michael Schumacher. Das muss<br />
Lewis jetzt liefern. Ross verlangt das.« Herbert<br />
kennt Teamchef Ross Brawn aus seiner Zeit bei<br />
Benetton. Er beschreibt Brawn als sehr intensiven<br />
Menschen, der vom Fahrer viel Einsatz verlangt<br />
- diesem dafür aber auch viel zurückgibt. In dieser<br />
Rolle muss Hamilton sein technisches Wissen<br />
und Können einbringen. Er selbst verriet vor<br />
einiger Zeit im <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>, dass er sein<br />
»Es war eine andere Zeit, als Michael zu Ferrari<br />
kam«, erinnert sich David Coulthard, der damals<br />
gegen Schumacher fuhr. Der Deutsche habe bei<br />
der Scuderia mit den gleichen Schlüsselfiguren<br />
wie bei Benetton zusammengearbeitet. »Soweit<br />
ich weiß, nimmt Lewis aber keine Gruppe von<br />
McLaren mit.« Für den Schotten ist entscheidend,<br />
ob Mercedes Hamilton ein gutes Auto zur Verfügung<br />
stellen kann. »Wenn sie es schaffen, dann<br />
wird er gewinnen.« Auch Ex-Formel-1-Pilot Christian<br />
Danner glaubt, dass die beiden Fälle nicht<br />
vergleichbar sind. »Die Struktur, auf die Lewis in<br />
Brackley trifft, ist eine komplett andere«, betont<br />
Danner. Mercedes habe eine große Anzahl an<br />
Ingenieuren versammelt, die allesamt aber noch<br />
»Er wird dort hingehen und denken, dass er die<br />
Nummer 1 ist. Wenn man jemanden sucht, der ein<br />
Team um eine halbe Sekunde schneller macht,<br />
dann gehört Hamilton zweifelsohne dazu.«<br />
24 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Auto in- und auswendig kenne. »Ich persönlich<br />
verlasse mich nicht ausschließlich auf meinen<br />
Renningenieur und sage ihm: Ich habe dieses<br />
Problem, bitte behebe das - und dann macht er<br />
alles im Alleingang«, so Hamilton. »Stattdessen<br />
komme ich in die Box und sage: Wir sollten dies<br />
und das ausprobieren. In 99 Prozent der Fälle<br />
liege ich richtig.«<br />
B<br />
rawn sieht darin eine Schlüsselfunktion<br />
eines modernen<br />
Topfahrers. »Ein Fahrer<br />
kann dir nicht sagen, wie<br />
genau die Aufhängungsgeometrie<br />
geändert werden<br />
muss, das ist nicht sein Fachgebiet«, erklärt Brawn.<br />
»Aber er kann dir dabei helfen, besser zu verstehen,<br />
welche Aspekte des Autos dich davon abhalten, eine<br />
bessere Rundenzeit zu fahren.« Michael Schumacher<br />
sei auf diesem Gebiet großartig gewesen und<br />
habe den Ingenieuren sehr geholfen. »Er war viele<br />
Tage in der Fabrik, hat das Team unterstützt. Diese<br />
Rolle muss ein Topfahrer einnehmen.« Doch genau<br />
an diesen Fähigkeiten zweifeln die Experten bei<br />
Hamilton. »Lewis kann nur seinen Speed einbringen«,<br />
sagt Coulthard dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Er<br />
habe zwar nie direkt mit Hamilton oder Schumacher<br />
zusammengearbeitet, aber bei McLaren habe<br />
er öfter gehört, dass das Team lieber das Setup von<br />
Jenson Button verwendete als jenes von Hamilton.<br />
»Ich weiß es nicht aus eigener Erfahrung, aber was<br />
ich gehört habe, ist Lewis auf diesem Gebiet nicht<br />
so stark wie Michael«, bestätigt Herbert. Möglicherweise<br />
habe Hamilton aber verstanden, dass er sich<br />
technisch verbessern und mehr Einsatz zeigen<br />
müsse, um es zu schaffen. So zeigt er immer mehr<br />
Interesse daran, wie sein Auto funktioniert. Alex<br />
Wurz schreibt Hamilton durchaus technisches Wissen<br />
zu, immerhin komme er von einem Weltklasseteam,<br />
das sehr akribisch arbeite. »Da nimmt er<br />
sicherlich sehr viele Systemabläufe mit«, so Wurz.<br />
»Ich glaube aber, dass es nicht nur um die Qualität<br />
des Feedbacks geht, sondern auch um einen gewissen<br />
Motivationsschub und die nötige Aufbruchsstimmung<br />
im Team.«<br />
Hamilton also als Motivator und Antreiber, der das<br />
Team zu einer eingeschworenen Truppe verschmilzt,<br />
wie es Schumacher bei Ferrari vorzüglich<br />
gelang. Er muss Politiker und Personalmanager<br />
sein, ständig im Kontakt mit den Ingenieuren stehen,<br />
richtig mit den Menschen umgehen. »Lewis<br />
macht manchmal den Eindruck, dass er nicht reif<br />
genug ist, dass er sich noch nicht so entwickelt hat,<br />
wie man es von einem McLaren-Piloten erwarten<br />
würde«, zweifelt Herbert daran, dass Hamilton dieser<br />
entscheidenden Rolle bereits gerecht werden<br />
kann. Vorfälle wie die Twitter-Affäre von Belgien,<br />
als Hamilton sensible Telemetriedaten ins Internet<br />
stellte, zeugen nicht gerade von besagter Reife. »So<br />
etwas macht man im Kartsport, aber nicht, wenn<br />
man schon Formel-1-Weltmeister gewesen ist«,<br />
kritisiert Herbert, der aber auch einen gewissen<br />
silbernen Hoffnungsschimmer ausmacht. Die deutsche<br />
Mentalität bei Mercedes könnte gemäß Herbert<br />
gut für Hamilton sein. »Klar, McLaren ist auch<br />
organisiert, aber es geht um die Atmosphäre, die ist<br />
bei Mercedes anders als bei McLaren. Das könnte<br />
einen besseren Lewis Hamilton hervorbringen.<br />
Aber er muss erwachsen werden.« Alex Wurz<br />
glaubt, dass Hamilton durchaus über sich hinauswachsen<br />
könnte, wenn ihn das Team an der langen<br />
Leine lässt. Bei McLaren hatte Hamilton eine Rundumbetreuung<br />
und Kontrolle - von der Marketingund<br />
der Presseabteilung über Sam Michael bei den<br />
Ingenieuren bis zu Ron Dennis, der ihm im Notfall<br />
deftig die Leviten gelesen hat. »Wenn du einen Fahrer<br />
lässt, wie er ist, bekommst du normalerweise<br />
das Beste aus ihm heraus«, sieht auch Danner einen<br />
Vorteil in der langen Leine. »Wenn du ihn einzwängst,<br />
reicht es ihm irgendwann. Die Frage ist,<br />
wie konzentriert Lewis ist oder wie sehr er zum<br />
Beispiel von seiner Freundin abgelenkt wird.« Um<br />
die bislang unmögliche <strong>Mission</strong> erfolgreich abzuschließen<br />
und aus dem Mythos Mercedes wieder<br />
ein Weltmeisterteam zu formen, darf sich Hamilton<br />
keine Nebenkriegsschauplätze wie Trennungen und<br />
Wiederversöhnungen leisten. Wie ein Weltmeister<br />
ein Team an die Spitze führt, hat Schumacher bei<br />
Ferrari vorgelebt. Wie es daneben gehen kann,<br />
zeigte ein anderer Champion: Jacques Villeneuve<br />
scheiterte beim Aufbau von BAR kläglich. Über den<br />
Umweg Honda und Brawn GP ist aus diesem Team<br />
mittlerweile Mercedes geworden. Jetzt muss Hamilton<br />
die Arbeit beenden. »Lewis hat seinen Zug<br />
gemacht, daran wird er gemessen werden«, sagt<br />
Coulthard. Wenn Mercedes Fortschritte macht, mit<br />
ihm mehr Siege und den Titel feiert, wird er dafür<br />
gelobt werden, wenn nicht, wird es wie bei Schumacher<br />
heißen, dass er sein Ziel verfehlt hat.<br />
»Lewis macht manchmal<br />
den Eindruck, dass er<br />
nicht reif genug ist, dass<br />
er sich noch nicht so<br />
entwickelt hat, wie man<br />
es erwarten würde.«<br />
Lewis Hamilton<br />
muss sich erst<br />
noch als<br />
Teamleader<br />
beweisen<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 25<br />
Fotos: adrivo/Sutton, mercedes, mclaren
VS.<br />
Brüder im Geiste<br />
Hamilton<br />
Schumacher<br />
26 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Fotos: adrivo/Sutton<br />
Text: Kerstin Hasenbichler & Stephan Heublein<br />
Lewis Hamilton und Michael Schumacher scheinen<br />
wie Feuer und Wasser. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
wagt einen genaueren Blick und stellt fest, dass<br />
die beiden weit mehr gemein haben, als der erste<br />
Blick vermuten lässt.<br />
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Jerez 1997: Michael Schumacher<br />
rammt Jacques Villeneuve im<br />
WM-Kampf - und verliert<br />
In der silbernen Ecke, der Herausforderer: Geboren am 7. Januar 1985<br />
in Stevenage, Großbritannien. Mit einer Körpergröße von 1,74 m bei<br />
einem Gewicht von 68 kg. Der Weltmeister von 2008: LEWIS HAMIL-<br />
TON! In der nicht mehr lange silbernen Ecke, der Altmeister: Geboren<br />
am 3. Januar 1969 in Hürth-Hermülheim, Deutschland. Er wiegt 74 kg bei einer<br />
Größe von 1,78 m, der siebenfache Weltmeister nach den Regeln der FIA: Michael<br />
Schu-ma-cher!‘ Auf den ersten Blick könnten die Charaktere der beiden Champions<br />
nicht unterschiedlicher sein. Hamilton und Freundin Nicole Scherzinger<br />
scheinen auf den Hollywood-Spuren der Beckhams zu wandeln, während Schumacher<br />
sein Familienleben mit Corinna und den Kindern heilig ist. Doch wer<br />
einen zweiten Blick wagt, erkennt zwischen Schumacher und Hamilton auch<br />
jede Menge Gemeinsamkeiten. ‚Let‘s get ready to rumble!‘<br />
Runde 1: Ausnahmekönnen<br />
Sieben WM-Titel, 91 GP-Siege, 68 Pole Positions, 77 schnellste Rennrunden,<br />
die meisten Weltmeisterschaftspunkte und Führungskilometer in der Geschichte<br />
der Formel 1 - all das ist Beweis genug, dass Michael Schumacher ein Ausnahmefahrer<br />
ist. Schon in seinem ersten Formel-1-Rennen in Spa-Francorchamps<br />
beeindruckte der damals 22-Jährige die Ingenieure von Jordan sowie die Fachwelt<br />
mit seiner Fahrzeugbeherrschung und Courage. Die gefürchtete Eau Rouge, in<br />
der selbst erfahrene Piloten das Gaspedal lupfen, durchfuhr Schumacher mit<br />
voller Geschwindigkeit. 16 Jahre später, Schumacher war gerade zurückgetreten,<br />
mischte erneut ein Rookie die Formel 1 auf: Lewis Hamilton schlug wie ein<br />
Komet in der Formel-1-Welt ein. Der Brite stand bei jedem seiner ersten neun<br />
Grands Prix auf dem Podium, zwei Rennen davon gewann er. Am Saisonende<br />
trennte Hamilton lediglich ein Zähler vom WM-Gewinn im ersten Jahr. In seiner<br />
zweiten Saison krönte er sich zum bis dahin jüngsten Formel-1-Weltmeister.<br />
Schumacher vs. Hamilton: Deutlicher geht es nicht: Schumacher und Hamilton<br />
gehören beide zu den besten Rennfahrern ihrer Zeit.<br />
Runde 2: Attitude<br />
Große Namen jagen Lewis Hamilton weder Ehrfurcht noch Angst ein. Eine<br />
Haltung, die auch Michael Schumacher in seinen Anfängen kennzeichnete. In<br />
seinem ersten Freien Training zog der Deutsche den Zorn von Alain Prost auf<br />
sich, weil er es nicht für nötig hielt, den ‚Professor‘ auf der Strecke vorbeizulassen.<br />
Hamilton brachte seinerseits das spanische Blut seines Teamkollegen und zweifachen<br />
Champions Fernando Alonso ein ums andere Mal zum Kochen, unter<br />
anderem als er ihn in Indianapolis einfach nicht passieren ließ. Die erhobene<br />
Gemeinsamkeit:<br />
Hamilton und<br />
Schumacher sorgten<br />
schon für so manche<br />
kontroverse Aussage<br />
Schumacher<br />
sammelte mit Ferrari<br />
Siege und Rekorde<br />
- soweit ist Hamilton<br />
noch nicht<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
28 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Faust des Spaniers im Rückspiegel ließ Hamilton kalt. Als Rookie einem Weltmeister<br />
Platz machen? Das kam weder für Schumacher noch für Hamilton je<br />
in Frage. Vom ersten Rennen an legten beide eine Abgebrühtheit an den Tag,<br />
die ihres gleichen suchte. Mit Schumachers Comeback ging für Hamilton ein<br />
Traum in Erfüllung, endlich durfte er sich selbst mit der F1-Legende messen<br />
- und gegen sie gewinnen! Auch heute zeigt er keine Scheu vor dem Rekordchampion:<br />
»Es ist für ihn schwierig, uns Youngster zu schlagen, denn wir spüren<br />
jetzt den Erfolgshunger, den er zu Beginn seiner Karriere verspürte.«<br />
Schumacher vs. Hamilton: Keine Angst vor großen Namen. Die einen nennen es<br />
Arroganz, die anderen Selbstbewusstsein. Meisterlich darin sind beide.<br />
Runde 3: Aggressivität<br />
»Die Formel 1 ist keine Kaffeefahrt«, verteidigte sich Schumacher nach einem<br />
harten Manöver gegen Rubens Barrichello, den er in Ungarn 2011 beinahe in<br />
die Boxenmauer drückte. Ein Verhalten, vor dem einst selbst sein Bruder Ralf<br />
nicht sicher war. »So ist eben der Rennsport«, betont auch Hamilton gern nach<br />
einem missglückten Manöver, von denen im letzten Jahr vor allem Felipe Massa<br />
einige zu beklagen hatte. Beide Weltmeister verfügen unbestritten über riesiges<br />
Talent, doch ihr Mut, der sie gern auch mal über das Ziel hinausschießen lässt,<br />
ist oftmals deplatziert und rücksichtslos. Im Vorjahr war kein Fahrer in mehr<br />
Kollisionen verwickelt als Hamilton, von Rennen zu Rennen schien er noch<br />
eines draufsetzen zu wollen. Statt Reue zu zeigen, sah er sich viel mehr in der<br />
Rolle des Opfers, begründete sein häufiges Antanzen bei den Stewards mit<br />
seiner Hautfarbe - ein missratener Scherz. Schützenhilfe erhielt er von Schumacher,<br />
der selbst nie ein Kind von Traurigkeit war und keineswegs zimperlich<br />
mit seinen Gegnern umging: Seinen ersten Titel holte er, indem er WM-Gegner<br />
Damon Hill von der Strecke kickte; drei Jahre später misslang ihm der Rammstoß<br />
im Finale von Jerez gegen Jacques Villeneuve - Schumacher wurde der<br />
Vize-Titel aberkannt.<br />
Hamilton ist für<br />
seinen aggressiven<br />
Fahrstil bekannt -<br />
ob das den<br />
Mercedes-Reifen<br />
schmeckt?<br />
Schumacher vs. Hamilton: Kollisionen pflastern ihren Weg; echte Bad Boys eben.<br />
Es stimmt also wohl doch: ‚Nice Guys always finish last.‘<br />
Runde 4: Arglist<br />
Verbotene Traktionskontrolle, Tankfilter-Manipulation, abgeschürfte Bodenplatte<br />
oder ein mitten auf der Strecke in Rascasse geparktes Auto: Schumacher<br />
war oft jedes Mittel Recht, um zu gewinnen. »Michael bedient sich schmutziger<br />
Tricks, weil er als Mensch keine Größe hat«, urteilte Villeneuve über seinen<br />
früheren Konkurrenten. Menschliche Größe ließ auch Hamilton 2010 in der<br />
Lügenaffäre vermissen. In Australien ließ er während einer Safety-Car-Phase<br />
Jarno Trulli absichtlich überholen, erzählte den Rennstewards nach dem Rennen<br />
allerdings, dass der Italiener regelwidrig an ihm vorbeigezogen sei. Die<br />
Telemetriedaten deckten die Lüge auf, Teammanager Dave Ryan musste als<br />
Sündenbock gehen. Im Laufe der Jahre ließen sich beide Fahrer einiges zu<br />
Schulden kommen, ihr Strafen-Register reicht von Verwarnungen über Strafversetzungen<br />
bis hin zur Disqualifikation. Hamilton festigte sein Rüpel-Image<br />
mit Skandalen. Kollegen verspotteten ihn als Möchtegern-Superman, die<br />
Medien kritisierten ihn als Rambo-Diva. Spitznamen, die Schumacher nicht<br />
neu sind. Bis heute wurde er den ungeliebten Beinamen Schummel-Schumi<br />
nicht los. Was die einen kritisieren, bezeichnen Hamilton und Schumacher als<br />
leidenschaftlichen Siegeswillen.<br />
Schumacher vs. Hamilton: Verlieren? Existiert im Wortschatz beider Champions<br />
nicht. Im Namen des Erfolgs ist ihnen jedes Mittel Recht.<br />
Runde 5: Anti-Heldenstatus<br />
Nach dem Applaus folgt schnell die Ohrfeige. Ein italienisches <strong>Magazin</strong> bezeichnete<br />
Schumacher einst als »Weltmeister der Arroganz« und die Daily Mail<br />
schrieb in Anlehnung an einen Elton-John-Klassiker: »Sorry scheint immer<br />
noch das schwierigste Wort für Schumacher zu sein.« Fakt ist, dass Schumacher<br />
und Hamilton das Milliarden-Geschäft Formel 1 in den letzten zwei Jahrzehnten<br />
am Laufen hielten. Eben weil sie niemals aufgaben, immer weiter machten<br />
und dabei auch einmal die gute Kinderstube außer Acht ließen. Egal, ob<br />
positive oder negative Schlagzeilen, die beiden sorgen für einen Aufschrei<br />
in der Presse, wie es früher nur Fahrerkalibern à la James Hunt, Ayrton<br />
Senna und Niki Lauda gelang. Hamilton sorgt sogar dafür, dass die bösen<br />
Jungs im Zeitalter des Internets eine Wiederauferstehung feiern. Der Brite<br />
kurvt ungebremst durch die Twitter-Welt, zwitscherte rund einer Million<br />
Followern die Telemetriedaten nach dem Qualifying in Belgien. Der Grund:<br />
Hamilton verkraftete die Niederlage nicht, wollte den Abstand zu seinem<br />
Teamkollegen Jenson Button so begründen. Hätte es das in Schumachers<br />
Generation bereits gegeben, auch ihm wäre das zuzutrauen gewesen. Die<br />
Konkurrenz lachte sich ins Fäustchen, die Medien hatten wieder eine<br />
Schlagzeile. Und es wird nicht die letzte gewesen sein - weder von Hamilton,<br />
noch von Schumacher.<br />
Schumacher vs. Hamilton: Die Welt liebt sie, die Welt hasst sie. Die Anti-Helden<br />
der Formel-1-Welt sind Brüder im Geiste<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 29
30 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Fotos: adrivo/Sutton<br />
McLaren‘s<br />
next<br />
Topstar<br />
Text: Stephan Heublein<br />
Die FuSSstapfen, in die Sergio<br />
Perez tritt, sind groSS. Lewis<br />
Hamilton gewann mit McLaren<br />
immerhin die WM. Gleiches, wenn<br />
nicht mehr, wird vom Mexikaner<br />
erwartet. Das <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> untersucht, ob er<br />
dazu in der Lage ist.<br />
Sauber steht Kopf. Unbewusst dreht Sergio Pérez die weißdunkelgraue<br />
Teamkappe in seiner Hand, spielt mit dem Verschluss,<br />
blickt auf sein Handy. Das rot-weiße Sauber-Logo zeigt<br />
dabei nach oben, genauso wie der Karriereverlauf des 22-jährigen<br />
Mexikaners. Ganz zuhause fühlt sich der Noch-Sauber-Pilot in der<br />
Interviewsituation aber auch in seiner zweiten Saison in der Königsklasse<br />
noch nicht. Die lästige Pflichtaufgabe macht ihm eben weit weniger Spaß,<br />
als schnell Auto zu fahren, am liebsten würde er das Interview mit Top-<br />
Speed hinter sich bringen. Daran wird der Shooting-Star des Jahres im<br />
Winter arbeiten müssen. Sobald Pérez zum ersten Mal einen Fuß als<br />
McLaren-Fahrer in das Technology Centre setzt, eröffnet sich ihm eine<br />
gänzlich neue Welt, inklusive unzähliger und für ihn wohl schier endloser<br />
Sponsoren- und PR-Termine. Bis er damit so routiniert und professionell<br />
umgehen kann wie Jenson Button oder Lewis Hamilton, wird er wohl so<br />
manches McLaren-Logo samt seiner neuen Kappe eifrig in Rotation versetzen.<br />
Der Startschuss für Pérez‘ chromfarbenes Abenteuer fiel am 28.<br />
September um 10:00 Uhr. McLaren verkündete den Mexikaner als Neuzugang<br />
für die Saison 2013. Seit diesem Moment beschäftigt die Fachwelt nur<br />
eine Frage: Hat Pérez das Zeug zum McLaren-Piloten und Superstar? →<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 31
Sergio Perez fiel im<br />
Sauber unter anderem<br />
durch seinen Umgang<br />
mit den Reifen auf<br />
Fotos: adrivo/Sutton, sauber<br />
Die mexikanischen<br />
Fans<br />
lieben ihren<br />
neuen F1-Star<br />
Der Blick schweift<br />
in Richtung 2013<br />
und McLaren<br />
Perez zeigte in<br />
dieser Saison<br />
einige starke<br />
Manöver<br />
32 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
»Ich habe meine Bedenken«, meldet Christian Danner im <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> Zweifel an. »Pérez ist ein außerordentlich talentierter, junger<br />
Mann, mit einer tollen Fahrzeugkontrolle und einem Gespür, das Auto am<br />
Limit zu bewegen, aber ganz ehrlich: Talent allein reicht in der Formel 1<br />
nicht aus. Ob der nötige Rest, sich in so einem Umfeld wie bei McLaren<br />
zurechtzufinden, schon so weit ausgeprägt und entwickelt ist, das wage ich<br />
zu bezweifeln.« Dazu zählt unter anderem die ungeliebte Pressearbeit.<br />
Andererseits hat die Vergangenheit gezeigt, dass McLaren auch mit einem<br />
blutjungen und nicht gerade extrovertierten Kimi Räikkönen Erfolg hatte,<br />
wobei die manchmal einsilbigen und lustlosen Antworten des Mexikaners<br />
den Iceman als echte Plaudertasche erscheinen lassen. Immerhin einen<br />
Erfolg konnte McLaren mit dem Pérez-Deal bereits für sich verbuchen:<br />
Pérez gehört dem Nachwuchsprogramm des Rivalen Ferrari an und wurde<br />
seit Monaten als Nachfolger von Felipe Massa gehandelt, sogar Mercedes<br />
soll ihn als Ersatz für Michael Schumacher im Auge gehabt haben. »Sergio<br />
hat in dieser Saison eine unglaubliche<br />
Killer-Performance gezeigt und bewiesen,<br />
dass er, was den Speed angeht, sich<br />
nicht vor den Top-Piloten verstecken<br />
muss«, begründet Teamchef Martin<br />
Whitmarsh seine Entscheidung. »Wir<br />
haben seine Fortschritte genau beobachtet<br />
und sind davon überzeugt, dass er<br />
nicht nur talentiert und schnell ist, sondern<br />
auch den Willen hat, weiter dazuzulernen.«<br />
Gemeinsam mit Jenson Button<br />
hat McLaren im nächsten Jahr schon<br />
einmal den Titel im Reifenflüstern sicher.<br />
Wie sein neuer Teamkollege gilt Pérez als<br />
besonders sensibel im Umgang mit den<br />
rennentscheidenden Pneus. Bei der Konzeption<br />
des neuen Autos kann es ein<br />
Vorteil sein, wenn beide Fahrer auf diesem<br />
Gebiet ähnliche Fähigkeiten aufweisen.<br />
Mit Niki Lauda hat Pérez auch einen<br />
prominenten Fürsprecher, vielleicht<br />
stand er deshalb hinter Lewis Hamilton<br />
auf der Mercedes-Wunschliste. »Pérez<br />
war in Italien wie der liebe Gott unterwegs«,<br />
lobt der Österreicher. »Emotionslos und ohne Fehler. Kein Fahrer<br />
hat mich in dieser Saison mehr bei einem Grand Prix beeindruckt.« Dabei<br />
überfährt der Mexikaner das Auto allerdings auch oft, was er in Danners<br />
Augen nach fast zwei Formel-1-Jahren eigentlich besser wissen müsste.<br />
Mit McLaren möchte Pérez erreichen, was Räikkönen bei der<br />
Truppe von Ron Dennis nicht gelang; Weltmeister zu werden.<br />
Die Überraschungserfolge mit Sauber in dieser Saison sollen<br />
und müssen nur der Anfang gewesen sein, schließlich verpflichtet<br />
das chromglänzende Cockpit zu Spitzenleistungen. Pérez ist diesen<br />
Druck gewohnt. »Ich stand immer unter Druck, musste Leistung bringen<br />
und mich schnell durchsetzen«, erinnert er an seinen Werdegang. »Aber<br />
ich habe es geschafft, das ist großartig.« Bereits sein Formel-1-Einstieg in<br />
Australien 2011 wurde von zwei Paukenschlägen begleitet - Platz sieben<br />
im ersten Grand Prix und der folgenden Disqualifikation beider Sauber<br />
wegen irregulärer Heckflügel. »Es war eine lange und anstrengende Saison<br />
mit viel Druck, wenn man in die Formel 1 einsteigt«, erinnert sich Pérez.<br />
»Alles war neu und es war schwierig, sich daran zu gewöhnen. In diesem<br />
Jahr bin ich entspannter und ruhiger. Ich genieße es mehr.« Das führte zu<br />
Erfolgserlebnissen wie seinem ersten Podestplatz in Malaysia. »Das war<br />
ein toller Moment für mich. Ich habe mir damit den ersten meiner Träume<br />
erfüllt.« Das erste Podium in der Formel 1. An neuen Träumen mangelt es<br />
dem Mexikaner jedoch nicht. »Die nächsten sind natürlich ein Rennen zu<br />
»Pérez ist ein auSSerordentlich<br />
talentierter, junger Mann, mit<br />
einer tollen Fahrzeugkontrolle<br />
und einem Gespür, das Auto am<br />
Limit zu bewegen, aber ganz ehrlich:<br />
Talent allein reicht in der<br />
Formel 1 nicht aus.«<br />
gewinnen und danach die Weltmeisterschaft zu holen«, sagt Pérez überzeugt,<br />
um kurz und trocken anzufügen: »Nicht nur einmal.«<br />
Trotz seiner jungen Jahre ist die Situation bei McLaren für Pérez nicht ganz<br />
unbekannt. Im Alter von 15 Jahren zog er aus seiner Heimat Mexiko nach<br />
Deutschland, um in der Formel BMW Fuß zu fassen. »Ich war komplett<br />
allein in einem schwierigen, unbekannten Land, das ganz anders ist als<br />
mein Heimatland«, erinnert sich Pérez im Gespräch mit dem <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>. »Ich hatte nichts, nur meine Träume.« Ähnlich muss ihm jetzt<br />
der Wechsel von Sauber zu McLaren vorkommen. Pérez war damals mit<br />
15 der jüngste Starter in der Formel BMW und wohnte in einem kleinen<br />
Zimmer im Restaurant seines Teamchefs Günther Unterreitmeier in Vilsbiburg.<br />
Er vermisste die Sonne, sein vertrautes Umfeld und die Sprache.<br />
»Wenn man aus dem Flugzeug aussteigt, merkt man, dass es eine völlig<br />
andere Welt ist und man ganz allein ist. Es gibt keine Familie und Freunde,<br />
man ist ganz auf sich allein gestellt.«<br />
Wenn ihn das Heimweh überkam und<br />
er fast der Verzweiflung nahe war, griff<br />
er zum Telefon und sprach mit seinem<br />
Förderer Carlos Slim Domit. »Ich<br />
hatte sehr viel Glück, dass ich meine<br />
Telefonrechnung damals nicht bezahlen<br />
musste«, sagt Pérez und streichelt<br />
über sein Handy. Einer der Vorteile,<br />
mit Telmex einen mexikanischen Telekommunikationsriesen<br />
als Partner zu<br />
haben. »Ich blicke sehr stolz auf diese<br />
Zeit zurück«, sagt er. »Ich bin stolz auf<br />
das, was ich bislang erreicht habe.«<br />
Vorbei sind die Zeiten, in denen<br />
Pérez als Paydriver bezeichnet und<br />
belächelt wurde. »Zu Beginn meiner<br />
F1-Karriere war ich etwas enttäuscht,<br />
dass ich als Bezahlfahrer<br />
angesehen wurde«, sagt Pérez deutlich.<br />
»Ich habe so viel gegeben und<br />
so viel gekämpft, um hier zu sein, da<br />
hat es mich geschmerzt, als Paydriver<br />
bezeichnet zu werden. Aber ich brauchte nur ein Rennen, um zu<br />
beweisen, dass ich es nicht war.« Im Gegenteil: Nicht ganz ohne eine<br />
gehörige Portion Ironie ist es jetzt nicht Pérez, dem unterstellt wird,<br />
sich das Cockpit erkauft zu haben, sondern sein neues Team, dem nachgesagt<br />
wird, die Sponsorengelder des Mexikaners wegen eines drohenden<br />
Verlusts des Hautsponsors zu benötigen. Martin Whitmarsh wiegelt dies<br />
allerdings ab: »Wir bezahlen ihn gut und es gibt keine Zusatz-Deals. Ich<br />
sage nicht, dass deswegen keine neuen Partner zu uns stoßen werden,<br />
aber das war nicht die Motivation dahinter.« McLaren hat sich als absolutes<br />
Spitzenteam in den Köpfen verankert. Als solches erwarten Fans<br />
und Medien auch absolute Topfahrer in den beiden Autos. Doch es ist<br />
nicht das erste Mal, dass die Mannschaft aus Woking ein gewisses Risiko<br />
bei der Verpflichtung eines eher unbekannten oder unerfahrenen Piloten<br />
eingeht. Pérez reiht sich in die Liste seiner Vorgänger Heikki Kovalainen,<br />
Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen ein, die allesamt bei ihrem Wechsel<br />
zu McLaren ein Rookie waren (Hamilton) oder erst einige wenige Grand<br />
Prix auf dem Buckel hatten (Kovalainen und Räikkönen jeweils eine<br />
Saison). Nur Jenson Button, der als amtierender Champion zu McLaren<br />
kam, und ein gewisser Fernando Alonso, der ein eigenes Kapitel in der<br />
McLaren-Geschichte einnimmt, hatten vor ihrem ersten Rennen in Silber<br />
schon mehr als Achtungserfolge in der Formel 1 vorzuweisen. Räikkönen<br />
und Hamilton erfüllten die Erwartungen, Kovalainen nicht. Jetzt ist Pérez<br />
an der Reihe.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 33
Geraubte Performance<br />
Text: Karin Sturm<br />
Das erfolgsverwöhnte<br />
Red Bull<br />
Team erlebt<br />
in diesem Jahr<br />
eine schwierige<br />
Saison. Die<br />
Dominanz ist<br />
verflogen, die<br />
Bilanz nicht<br />
mehr so glänzend<br />
wie anno<br />
2011. Teamchef<br />
Christian Horner<br />
verrät dem<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
die Gründe<br />
dafür und warum<br />
er darüber<br />
überhaupt nicht<br />
böse ist.<br />
Fotos: red bull racing
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 35
MSM: Sie sind in einer ganz anderen Position als vor<br />
einem Jahr um diese Jahreszeit - damals war Sebastian<br />
Vettel schon Weltmeister...<br />
CHRISTIAN HORNER: Ja - man kann schon sagen,<br />
dass dieses Jahr bestimmt nicht einfach ist. Die Regeländerungen<br />
über den Winter hatten große Auswirkungen<br />
auf uns. Aber ich glaube, dass wir als Team sehr<br />
gut zusammen gearbeitet haben, und dass wir uns so<br />
Stück für Stück die Performance zurück holen, die uns<br />
über den Winter weggenommen wurde.<br />
Demnach machen Sie eindeutig die Regeländerungen<br />
dafür verantwortlich, dass Red Bull in der Saison 2012<br />
viel mehr zu kämpfen hat?<br />
Ich glaube, unser Designer Adrian Newey hat ziemlich<br />
deutlich gemacht, dass wir in den letzten Jahren immer<br />
besonders gut darin waren, den Effekt des Anblasens,<br />
also des Ableitens der Auspuffgase auf den Diffusor, zu<br />
nutzen. Deshalb hat uns das Verbot dieser Technologie<br />
besonders getroffen. Wir mussten jetzt wieder neue, alte<br />
Technologien lernen, die wir seit 2009 nicht mehr<br />
benutzt hatten. Wir mussten erst einmal zwei Schritte<br />
zurück gehen, um dann drei Schritte nach vorne zu<br />
machen.<br />
Wollen Sie damit sagen, dass die Regeländerungen<br />
gezielt dazu da waren, um Red Bull einzubremsen?<br />
Die Rennsport-Geschichte hat eines immer wieder<br />
gezeigt: Wenn es ein dominantes Team gibt, dann passiert<br />
so etwas immer wieder. Das ist jetzt nichts Außergewöhnliches<br />
im Falle von Red Bull.<br />
Ist es das bisher schwierigste Jahr in Ihrer gesamten<br />
Karriere als Teamchef?<br />
Nein, das schwierigste nicht, das waren eher die Aufbaujahre.<br />
Aber das intensivste. Wir haben jetzt ein sehr<br />
starkes, stabiles Team, das auch mit dem entsprechenden<br />
Selbstvertrauen ausgestattet ist. Das bedeutet<br />
gleichzeitig auch viel Vertrauen untereinander. Vertrauen<br />
in die Fahrer, Vertrauen in die Ingenieure und<br />
die Designer, Vertrauen zwischen den verschiedenen<br />
Abteilungen, das durch die Erfahrungen der letzten<br />
Jahre entstanden ist.<br />
Braucht man das auch allein schon deshalb, weil die<br />
Konkurrenz und die Opposition von verschiedenen<br />
Seiten immer größer wird?<br />
Ganz sicher. Aber auch das ist etwas Normales. Wenn<br />
man so viel Erfolg hatte wie wir, und wir haben in den<br />
letzten dreieinhalb Jahren mehr als 30 Rennen gewonnen,<br />
dann steht man nun mal unter Beschuss. Es ist ein<br />
sehr hartes Geschäft, wir haben Rivalen, die auch extrem<br />
erfolgshungrig sind. Aber wir versuchen, uns dadurch<br />
nicht ablenken zu lassen, sondern uns auf unsere eigene<br />
Arbeit zu konzentrieren. Und trotz aller Konkurrenz<br />
und allem, was so passiert ist, haben wir immer noch<br />
gute Chancen, sowohl den Fahrer- als auch den Konstrukteurstitel<br />
zu gewinnen.<br />
Fühlen sie sich manchmal trotzdem unfair<br />
behandelt?<br />
Natürlich gefällt einigen unserer etablierten Hauptkonkurrenten<br />
unser großer Erfolg in so kurzer Zeit überhaupt<br />
nicht. Sagen wir es einmal so: Einige der Entscheidungen<br />
in diesem Jahr haben wir schon als recht harsch<br />
empfunden. Aber auch da ist es so: Man kann nichts<br />
dagegen tun, man kann sich nur einfach auf das nächste<br />
Rennen konzentrieren und versuchen, da das Beste aus<br />
uns selbst heraus zu holen.<br />
Hat diese veränderte Position, in der sich das Team<br />
befindet, Sie als Person verändert? Hat es Sie härter<br />
gemacht?<br />
Man wird in seiner Zeit im <strong>Motorsport</strong> sowieso »kampfgestählt«,<br />
um das mal etwas martialisch auszudrücken.<br />
Wobei das vor allem heißt, sich ständig zu verbessern<br />
und zu lernen. Dieses Jahr ist noch einmal eine ganz<br />
andere Herausforderung als das letzte. Letztes Jahr musste<br />
Sebastian in Suzuka gerade noch einen Punkt holen,<br />
um sich vorzeitig den WM-Titel zu sichern, wir standen<br />
in allen außer einem Rennen auf der Pole Position. Aber<br />
so etwas ist keine typische Saison, im Gegenteil, sie war<br />
komplett atypisch. Dieses Jahr kämpfen wir gegen einige<br />
sehr starke Rivalen und trotzdem haben wir noch sehr<br />
gute Chancen.<br />
Sie haben das Zusammenwachsen des Teams betont.<br />
Welchen Anteil hatte und hat Sebastian Vettel an diesem<br />
Prozess?<br />
Das Team besteht aus über 500 Leuten, es gibt sehr klare<br />
Strukturen, klare Beziehungen zwischen den einzelnen<br />
Abteilungen. Aber trotzdem schauen am Sonntagnachmittag<br />
alle Abteilungen auf die beiden Fahrer. Seit Sebastian<br />
im Team ist, hat er einen beeindruckenden Job<br />
gemacht, alle seine Siege hat er in von Red Bull designten<br />
Autos erzielt, dazu kommen zwei WM-Titel. Also hat<br />
er natürlich eine sehr wichtige Rolle gespielt, genauso<br />
wie das gesamte restliche Team eine wichtige Rolle bei<br />
diesen Siegen und WM-Titeln gespielt hat. Das macht<br />
ein Team aus; das alle Bereiche in optimaler Harmonie<br />
zusammenwirken.<br />
Sie haben Sebastian jetzt über Jahre wachsen und<br />
reifen sehen. Ist er trotzdem zumindest in einigen<br />
Punkten noch genau der gleiche Sebastian, der er<br />
damals, vor vier Jahren, war?<br />
Auf jeden Fall, sehr sogar. Er hat noch die gleiche<br />
Begeisterung, Entschlossenheit und Persönlichkeit von<br />
damals, im Prinzip sogar noch die gleiche wie zu der<br />
Zeit, als er noch gar nicht in der Formel 1 war. Was er<br />
damals noch nicht hatte, was er dazu gewonnen hat,<br />
ist die Erfahrung. Und die hat er gerade in diesem Jahr<br />
extrem gut genutzt. Ich glaube, er ist 2012 extrem gut<br />
gefahren.<br />
Die Kritik, die es von einigen Seiten gab, er selbst sei<br />
nicht ganz so gut wie letztes Jahr, teilen sie also nicht?<br />
»Man wird in<br />
seiner Zeit im<br />
<strong>Motorsport</strong><br />
sowieso »kampfgestählt«,<br />
um<br />
das mal etwas<br />
martialisch<br />
auszudrücken.<br />
Wobei das vor<br />
allem heiSSt,<br />
sich ständig<br />
zu verbessern<br />
und zu lernen.<br />
Dieses Jahr ist<br />
noch einmal eine<br />
ganz andere Herausforderung<br />
als das letzte.«<br />
36 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Überhaupt nicht. Ich glaube, er fährt sogar noch<br />
besser als 2011. Man muss sich doch nur einige<br />
seiner Rennen anschauen, Spa zum Beispiel oder<br />
auch Singapur. Das sagt doch alles. Er hat nur zwei<br />
völlig unverschuldete technische Ausfälle gehabt,<br />
sonst sähe es in der Weltmeisterschaft ganz anders<br />
aus.<br />
Horner bescheinigt<br />
Vettel 2012 erneut<br />
eine Steigerung<br />
Die Väter des<br />
Erfolgs: Horner und<br />
Adrian Newey<br />
Red Bull hatte in dieser<br />
Saison zunächst<br />
Anlaufschwierigkeiten<br />
Er selbst meinte nach einigen Qualifyings, sie<br />
seien nicht ganz perfekt gewesen...<br />
Das zeigt nur, wie selbstkritisch und ehrlich Sebastian<br />
zu sich selbst ist. Er will immer noch mehr<br />
- und das ist Teil seiner Stärke, diese Fähigkeit,<br />
seine eigene Leistung ganz genau zu analysieren<br />
und eben auch mal zu kritisieren. Das ist etwas,<br />
was nicht allen Fahrern leicht fällt. Aber er hat so<br />
viel Selbstvertrauen, immer nach der Perfektion<br />
zu suchen, egal ob bei sich oder beim Team.<br />
Sie kennen ihn in allen Facetten quasi in- und<br />
auswendig. Kann er Sie trotzdem manchmal noch<br />
überraschen?<br />
Natürlich kenne ich ihn extrem gut. Aber da er<br />
sich immer noch weiterentwickelt, als Fahrer und<br />
als Mensch, kann er trotzdem noch manchmal<br />
Überraschungen liefern. Wie extrem fokussiert er<br />
Sonntagabend in Singapur in das Rennen gegangen<br />
ist, so hatte ich ihn noch nie erlebt. Unter<br />
extremstem Druck hat er eine perfekte Leistung<br />
abgeliefert. Und auch wie er sich in Monza nach<br />
seinem Ausfall verhalten hat, das hat mir imponiert.<br />
Andere Fahrer lassen in so einem Moment<br />
den Helm auf, um mit niemandem reden zu müssen,<br />
um ihre Emotionen zu verstecken. Sebastian<br />
hat sofort den Helm abgenommen, ist mit dieser<br />
Enttäuschung möglicherweise besser umgegangen<br />
als einige andere von uns.<br />
Sebastian hat im Laufe der Zeit sicher sehr viel<br />
vom Team gelernt - hat das Team auch etwas von<br />
ihm gelernt?<br />
Auch als Team lernt man jeden Tag, in jeder Beziehung.<br />
Und ich glaube, das ist eine der Stärken<br />
unseres Teams, ganz genau nach innen zu schauen<br />
und zu sehen, wo wir noch besser werden können.<br />
Sebastian war und ist ein Teil dieses Prozesses.<br />
Man kann aus jedem Rennen lernen, ob man<br />
gewinnt oder verliert.<br />
Fotos: red bull racing, adrivo/Sutton<br />
Was ist das Wichtigste, was sie in diesem Jahr<br />
gelernt haben?<br />
Nie aufzugeben und immer das Maximum aus<br />
seinen Möglichkeiten herauszuholen. Denn das<br />
wird am Ende entscheidend sein. Egal ob man das<br />
schnellste, das zweitschnellste oder das drittschnellste<br />
Auto hat: Man muss immer das mitnehmen,<br />
was eben unter den gegebenen Umständen<br />
möglich ist.<br />
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Fotos: williams<br />
38 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Die fabelhafte Welt der<br />
Simulation<br />
Valtteri Bottas verbringt mehr Zeit im Simulator als auf der Rennstrecke.<br />
Ein hartes Los für den Testfahrer, für das Team ein essentielles Mittel. Im<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> gibt Bottas einen Einblick in seinen Arbeitsalltag.<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
»Ein Simulator ist in der heutigen Formel 1<br />
essentiell. Heutzutage kann man einen Simulator<br />
nicht mal mehr annähernd mit einem Computerspiel<br />
am PC vergleichen. Angesichts der<br />
limitierten Testfahrten ist der Simulator für die<br />
Teams ein perfektes Werkzeug, um während<br />
der Saison zu testen. Und für uns junge Piloten<br />
ist es eine großartige Chance, neue Strecken<br />
kennenzulernen. Zum Bespiel kannte ich dieses<br />
Jahr nicht alle Strecken und nutzte den Simulator,<br />
um mich auf meine Freitagseinsätze vorzubereiten.<br />
Die Strecken im Simulator sind<br />
absolut detailgetreu und somit eine große Hilfe<br />
- auch um Setup-Einstellungen oder die Effektivität<br />
von neuen Teilen zu testen.«<br />
Simulation von<br />
Streckenbedingungen<br />
»Wir versuchen so detailgenau wie möglich, die<br />
Streckenbedingungen zu simulieren - vom<br />
Gripniveau über die Kurvengeschwindigkeiten<br />
bis zum Top-Speed auf den Geraden. Wir versuchen<br />
jedes Mal, so nah wie möglich an die<br />
Bedingungen ranzukommen, dazu werden<br />
nach einem GP-Wochenende sämtliche Details<br />
evaluiert. Wenn wir dann wieder diese Strecke<br />
im Simulator testen, kommen wir dank der<br />
gesammelten Daten sehr nah an die Realität<br />
heran. Dadurch können wir im Simulator Dinge<br />
wie Bremspunkte oder mögliche Ideallinien<br />
austesten. Es ist sogar möglich, nach einem<br />
Freien Training das Setup eines Fahrers im<br />
Simulator mit einem anderen, möglicherweise<br />
besseren Setup zu vergleichen, um so die ideale<br />
Abstimmung für das Wochenende zu<br />
finden.«<br />
»Es ist sogar möglich,<br />
nach einem Freien Training<br />
das Setup eines<br />
Fahrers im Simulator<br />
mit einem anderen,<br />
möglicherweise besseren<br />
Setup zu vergleichen,<br />
um so die ideale<br />
Abstimmung für das<br />
rennWochenende zu<br />
finden.«<br />
Simulator vs. Rennbolide<br />
»Der größte Unterschied ist, dass man im Simulator<br />
keine G-Kräfte simulieren kann. Man<br />
kann ein paar wenige Kräfte kreieren, aber keinesfalls<br />
Kräfte um die 5G oder mögliche<br />
Windgeschwindigkeiten, die auf das Auto<br />
wirken. Um dennoch ein echtes Rennfeeling<br />
zu vermitteln, wird man in eine Art Tunnel<br />
geschoben, in dem sich eine 180-Grad-Leinwand<br />
befindet. Drei Projektoren zeigen die<br />
Rennstrecke aus Fahrersicht. Wenn man von<br />
der Strecke abkommt, wird das ebenfalls auf<br />
die Leinwand projiziert.«<br />
Gemeinsamkeiten<br />
»Ich sitze in einem detailgetreuen Chassis des<br />
Williams-Boliden. Im Cockpit ist alles<br />
genauso wie im echten Rennwagen - die Sitzposition,<br />
das Lenkrad mit all seinen Knöpfen,<br />
die auch dieselben Funktionen haben, sowie<br />
die Pedale. Ich kann während der Runden die<br />
Bremsbalance verstellen und DRS nutzen,<br />
was meine Rundenzeit schneller macht.«<br />
Arbeitsablauf<br />
»Bis zu 60 Tage im Jahr verbringen die Testfahrer<br />
in der Dunkelheit des Simulator-Tunnels.<br />
Ein Tag im Simulator beginnt in den<br />
frühen Morgenstunden. Wenn das Team sich<br />
auf ein Rennwochenende vorbereitet, spule<br />
ich üblicherweise ein paar Runden ab, um<br />
mich auf die Strecke einzuschießen. Danach<br />
sehe ich mir die Daten zusammen mit den<br />
Ingenieuren an, vergleiche diese mit den<br />
Daten von anderen Fahrern im Simulator, um<br />
zu erfahren, in welchen Bereichen wir uns<br />
noch verbessern können. Danach steige ich<br />
wieder ins Cockpit und absolviere weitere<br />
Runs. Das geht den ganzen Tag so weiter. Die<br />
Rundenanzahl hängt davon ab, was wir an<br />
jenem Tag testen. Manchmal spule ich nur<br />
eine Renndistanz ab, aber es kam auch schon<br />
vor, dass ich 200 Runden gefahren bin. Das<br />
war das Maximum im Simulator - zumindest<br />
bis jetzt.«<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 39
Mann<br />
im<br />
Ohr<br />
Text: KERSTIN HASENBICHLER<br />
Mark Slade, Guillaume Rocquelin, Andy Latham und<br />
Andrea Stella sind nicht nur die Stimmen im Ohr der<br />
Fahrer, sie haben entscheidenden Einfluss auf den<br />
Erfolg von Räikkönen, Vettel, Hamilton und Alonso.
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 41<br />
Fotos: adrivo/Sutton
Trennung zum<br />
Saisonende:<br />
Hamilton verlässt<br />
Latham in Richtung<br />
Mercedes<br />
Vettel und<br />
»Rocky« sind ein<br />
eingespieltes<br />
Team im Auto<br />
Für den Bruchteil einer Sekunde hielt er den Atem an, als er in die<br />
Senke hineinraste, sein Fuß blieb auf dem Gaspedal. Links, rechts<br />
und dann die Piste bergauf, die sich vor ihm wie eine Betonmauer<br />
aufbaute, als es plötzlich in der Leitung knackte. »Kimi, du musst<br />
in den letzten Runden noch einmal richtig pushen«, ertönte es von der anderen<br />
Seite des Teamradios. »Dann gib mir mehr Power!«, fand Räikkönen die Aufforderung<br />
seines Renningenieurs gar nicht lustig, musste er doch auf der Ardennenachterbahn<br />
ohne KERS auskommen. Nach 44 Runden überquerte er als<br />
Dritter die Ziellinie. Ein Erfolg, der nicht allein dem Finnen geschuldet ist, sondern<br />
auch seinem Renningenieur Mark Slade. Slade sowie seine Kollegen Guillaume<br />
Rocquelin, Peter Bonnington, Andy Latham und Andrea Stella - sie sind<br />
mehr als nur die Stimmen im Ohr ihrer Fahrer. Gerade in einer so unberechenbaren<br />
Saison wie dieser, in der beinahe jedes Grand-Prix-Wochenende ein anderer<br />
Fahrer gewinnt, kommt dem Renningenieur eine Schlüsselrolle zu.<br />
»Der Renningenieur ist die Stimme, mit der man immer verbunden ist. Klar,<br />
auf der Strecke ist man alleine, aber das Team steht hinter dir. Dein Renningenieur<br />
und dein Dateningenieur sind die Personen, mit denen du am meisten<br />
zu tun hast, was das Fahrzeug angeht, aber auch mit Blick auf die Strategie«,<br />
erklärt Sebastian Vettel gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Der Renningenieur<br />
ist der Projektmanager, der das Programm für die einzelnen Sessions<br />
zusammenstellt, die taktischen Möglichkeiten auslotet und die Marschroute<br />
für das Rennwochenende vorgibt. »Der Renningenieur hat einen großen Anteil<br />
an den Rennwochenenden, speziell an der Setuparbeit«, erklärt Timo Glock<br />
dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. An einem Rennwochenende stellen die verschiedenen<br />
Setup-Möglichkeiten eine Art Puzzle dar, das es so schnell und perfekt<br />
wie möglich zusammenzusetzen gilt.<br />
Für manche Fahrer fungiert der Renningenieur auch als Motivationstrainer.<br />
In Valencia musste Andy Latham Lewis Hamilton jede einzelne Sektorzeit<br />
durchgeben. Der McLaren-Pilot nutzte die Informationen, um sich selbst zu<br />
pushen und noch mehr aus dem Wagen herauszuholen. »Manchmal weißt<br />
du nicht, wie viele Informationen ein Fahrer will«, sagt Phil Prew, der als<br />
Chefingenieur den gesamten Stab von Technikern und Mechanikern bei<br />
McLaren koordiniert. »Wir geben unseren Fahrern lieber mehr Informationen<br />
und wenn sie genug haben, müssen sie einfach sagen, dass wir den<br />
Mund halten sollen.« So geschehen 2011 auf dem Nürburgring, als Hamilton<br />
in seinen Funk schrie: »Hört auf, mit mir zu reden. Ich fahre hier ein Rennen!«<br />
Guillaume Rocquelin vergleicht seinen Job mit dem eines Fußball-Trainers.<br />
»Neben dem Erarbeiten des Setups muss ich dafür sorgen, dass die Mechaniker<br />
mit Sebastian und mir reibungslos zusammenarbeiten«, erklärt Vettels<br />
Renningenieur.<br />
Psychologe, Motivations- und FuSSballtrainer<br />
Wie ein Fußballtrainer muss er ein Gespür für die Gesamtsituation haben<br />
und in einer sich anbahnenden Katastrophe Ruhe bewahren wie zuletzt in<br />
Monza, als die Lichtmaschine an Vettels Boliden streikte. »Wenn so etwas<br />
passiert, dann geht man automatisch in den ‚Rettungs-Modus‘. Man denkt<br />
nicht: ‚Oh nein, wir werden das Rennen verlieren‘. Eher: ‚Okay, wie lösen wir<br />
jetzt dieses Problem?‘ Wenn man in eine Krise schlittert, dann setzt man alles<br />
daran, da wieder rauszukommen«, gibt Rocquelin, der von Vettel ‚crazy frog‘<br />
genannt wird, einen Einblick in seinen Arbeitsalltag. Aufgeben kommt für<br />
ihn erst in Frage, wenn das Auto steht und keine Daten mehr auf den Bildschirmen<br />
aufscheinen. »Dann weiß man, dass es vorbei ist«, sagt Rocquelin.<br />
In solchen Momenten zieht sich der Franzose in sein Büro zurück, um sich<br />
zu sammeln und die nächsten Schritte zu überlegen. »Ich lasse mich von<br />
Rückschlägen nicht verrückt machen. So ist der <strong>Motorsport</strong>«, erklärt Rocquelin<br />
cool.<br />
Ein Renningenieur behält aber nicht nur im Renngeschehen den Überblick.<br />
42 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Mark Slade kennt<br />
Kimi Räikkönen<br />
noch aus der<br />
gemeinsamen<br />
McLaren-Zeit<br />
Täuschen und<br />
tarnen: Alonsos<br />
Boxenfunk ist<br />
gerne mal auf<br />
Italienisch<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
»Ich würde sagen, dass ich eine organisatorische Rolle habe, eher jedenfalls,<br />
als eine rein technische. Natürlich ist die technische Seite sehr ausgeprägt,<br />
aber ich habe viel mehr den Gesamtüberblick über die Entwicklungen am<br />
Rennwochenende und über das gesamte Jahr«, verrät Slade, Renningenieur<br />
von Räikkönen. Der Brite gilt im Fahrerlager als Finnen-Spezialist - arbeitete<br />
er doch in seiner langjährigen Karriere bereits mit Mika Häkkinen, Heikki<br />
Kovalainen und eben Räikkönen zusammen. Letzterer ließ ihn für sein<br />
Formel-1-Comeback extra von McLaren zu Lotus holen - ein Renningenieur<br />
ist eben nicht irgendein Teammitglied. Er gehört zum ‚Circle of Trust‘, ist der<br />
engste Vertraute eines Fahrers. Der eine weiß, was der andere denkt. »Wenn<br />
sich beide in die Augen sehen und verstehen«, beschreibt Glock die perfekte<br />
Beziehung zwischen Renningenieur und Fahrer.<br />
Es muss nicht mehr diskutiert werden, es wird einfach gehandelt. »Das ist<br />
nichts Besonderes, schließlich verbringe ich mit Sebastian mehr Zeit als mit<br />
meiner Frau. Ich erkenne schon am Klang seiner Stimme, ob es ein Problem<br />
gibt«, erklärt Rocquelin den Grund für das blinde Verständnis zwischen Fahrer<br />
und Renningenieur. Ein Renningenieur horcht eben nicht nur in das Auto,<br />
sondern auch in den Piloten hinein. »Ein guter Renningenieur ist immer auch<br />
ein guter Psychologe«, bestätigt Christian Danner gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>. Zwischen vielen entsteht über die Jahre eine Freundschaft. »Er ist für<br />
mich ein guter Freund, mit dem ich über die Familie spreche, wie ich mich<br />
beim letzten Fußballspiel angestellt oder was ich gestern Abend erlebt habe«,<br />
erzählte Andrea Stella 2006 über Michael Schumacher. Heute leitet Stella<br />
Fernando Alonso durch den Dschungel an Informationen und Emotionen.<br />
Dabei spricht ein Renningenieur über Funk nur das Nötigste, denn die Konkurrenz<br />
hört mit. Seit den 30er Jahren kommunizieren die Fahrer mit ihren<br />
Renningenieuren, während sie über die Strecke brettern. Damals noch über<br />
die Boxentafeln, seit den 80er Jahren über den Funk. In früheren Jahren bespitzelten<br />
die Teams einander und schrieben etwaige Strategiegeheimnisse mit.<br />
Heute, wo die Funksprüche im Fernsehen ausgestrahlt werden, verpacken die<br />
Teams die Gespräche geschickt. Alonso und Stella kommunizieren schon seit<br />
längerem nur noch auf Italienisch. McLaren setzt - typisch britisch - auf Codewörter<br />
und verschlüsselte Zahlen-Buchstaben-Kombinationen à la James Bond.<br />
»Es ist schade für die Fans, dass wir auf Codes zurückgreifen müssen, aber das<br />
macht den Sport auch aufregender«, meint Jenson Button.<br />
Eine geheime Welt<br />
So mancher Boxenfunk ging bereits in die Annalen der F1-Geschichte ein.<br />
»Let Michael pass for the Championship« - der Funkspruch an Rubens Barrichello<br />
sorgte 2001 in Spielberg für einen Eklat im Rennsport. Heute geht<br />
Ferrari viel subtiler vor, wenn es darum geht, einen Fahrer am anderen vorbei<br />
zu schleusen. So funkte Rob Smedley 2010 in Hockenheim an Felipe Massa:<br />
»Fernando ist schneller als du.« Nicht der einzige Funkspruch zwischen den<br />
beiden, der für Aufsehen sorgte. In Singapur teilte Smedley seinem Fahrer<br />
mit, den Gegner in Person von Lewis Hamilton auf keinen Fall vorbeizulassen.<br />
»Halte ihn auf, so gut es geht. Zerstöre sein Rennen! Komm schon, Junge.«<br />
Andere Funksprüche sorgen hingegen für Schmunzeln wie in Australien<br />
2012, als Kimi Räikkönen erbost an seinen Renningenieur funkte: »Wieso<br />
zeigen die mir dauernd blaue Flaggen?« Die Antwort: »Die Flaggen sind für<br />
die Piloten, die im Rennen hinter dir liegen und nicht für dich.« David<br />
Coulthard funkte in Montreal 2007 auf die Frage seines Renningenieurs wie<br />
das Auto sich anfühle nicht ganz ernst gemeint: »Das Auto rutscht, ist in den<br />
Kurven instabil und ich habe null Traktion - abgesehen davon habe ich eine<br />
Menge Spaß.« Andere nutzen den Funk, um mittels eines Songs Renningenieur<br />
und Team zu danken wie Button 2009 in Interlagos, als er über das<br />
Teamradio »We are the Champions« sang. Und genau für diese Momente<br />
leben Renningenieure, den Lohn für ihre harte Arbeit erhalten sie nicht mit<br />
ihrer Gehaltsabrechnung, sondern nur mit Siegen auf der Strecke.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 43
Williams-Pilot Bruno<br />
Senna nahm das<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
mit auf eine Runde<br />
in Suzuka<br />
Fotos: adrivo/Sutton
Laufen<br />
statt<br />
fahren<br />
Text: Karin Sturm<br />
Bruno Senna zeichnete dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> die Schlüsselstellen auf<br />
Donnerstag ist Wandertag in der Formel 1. So auch auf einer der<br />
letzten Mutstrecken alter Schule - in Suzuka. Bruno Senna weiht<br />
das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> auf einer Runde um den 5,807 km langen<br />
Kurs in die Geheimnisse des Track walks ein.<br />
Vorbereitung<br />
»Bevor wir auf die Strecke gehen, bekomme ich von meinem Daten-Ingenieur<br />
Jonathan Eddols eine ganze Menge Papier. Projektionen über das Verhalten<br />
des Autos im Qualifying und Rennen, das wahrscheinliche Verhalten von<br />
Reifen und Bremsen, auch ein Vergleich mit den Daten vom letzten Jahr, dazu<br />
die Daten über KERS, DRS, die Einsatzpunkte, Downforce... So kann ich mich<br />
ein bisschen orientieren. Von meinen eigenen Erfahrungen aus dem Vorjahr<br />
brauche ich keinen Ausdruck - das ist alles im Kopf abgespeichert.«<br />
Information<br />
»Wenn es irgendwelche Änderungen gibt, die die FIA den Teams mitgeteilt<br />
hat, auf die ich achten muss, dann sagt mir das mein Ingenieur Tom McCullough<br />
an den entsprechenden Stellen. Oft geht es dabei um Dinge, die die<br />
Boxenein- und -ausfahrt betreffen. Hier in Suzuka zum Beispiel ist es so, dass<br />
man bei der Ausfahrt an unterschiedlichen Stellen über die Linien von fast<br />
und slow lane fahren darf. Da ist es natürlich wichtig, sich das genau einzuprägen,<br />
um nicht eine Strafe zu riskieren. Dass es vor der ersten Kurve<br />
unglaublich eng wird, braucht er mir natürlich nicht zu sagen. Das weiß man<br />
- und trotzdem kann man manchmal nicht verhindern, dass es nach dem<br />
Start kracht - das habe ich ja leider zu spüren bekommen.«<br />
Streckendetails<br />
»Das ist natürlich das Wichtigste, auf das man bei einem Trackwalk achtet.<br />
Was hat sich seit letztem Jahr an der Strecke verändert? Worauf muss man<br />
besonders achten? Das können neue, veränderte Kerbs sein - oder wie in<br />
Suzuka ein neuer Asphalt ab Kurve sieben. Der fiel mir sofort auf, auch die<br />
Tatsache, dass er doch um einiges weniger wellig ist als der alte Belag. Und<br />
auch die Körnung schaut man sich in so einem Fall ganz genau an, um zu<br />
analysieren, wie sich das auf Grip und Abnutzung der Reifen auswirken<br />
könnte. Selbst wenn sich an den Kerbs nicht groß etwas geändert hat - ist es<br />
durchaus etwas wert, da noch mal genau hinzuschauen. Denn gerade die<br />
zwischen Spoon und R130 sind sehr kritisch, ziemlich hoch und uneben.<br />
Wenn man da einmal zu sehr drauf kommt, dann war es das.«<br />
Unterschiede im Auto und zu FuSS<br />
»Es gibt Streckenpassagen, die nimmt man, wenn man zu Fuß unterwegs ist,<br />
ganz anders wahr als im Auto. Unter der Unterführung durch und zur Haarnadel<br />
(Kurve 11) geht es ganz schön bergauf - aber wenn man im Auto sitzt,<br />
kommt einem das gar nicht so vor, da bekommt man das gar nicht mit.«<br />
Lieblingsstelle<br />
»Für mich ist in Suzuka inzwischen die Passage vom Ausgang der »Esses« bis<br />
hinter die zweite Degner-Kurve, also die Kurven 7 bis 9, das schwierigste und<br />
anspruchsvollste Stück. Hier muss man extrem auf die Reifen aufpassen, wenn<br />
man nicht 110-prozentig präzise und sauber unterwegs ist, heizen sich die<br />
Hinterreifen viel zu sehr auf und dann bekommt man richtig Probleme. Generell<br />
ist Suzuka eine fantastische Strecke, die unheimlich viel Spaß macht, mit<br />
den vielen schnellen Kurven, da kann man so richtig in den »Flow« kommen.<br />
Dazu kommt, dass es sehr eng ist, ich glaube, an vielen Stellen maximal ein bis<br />
eineinhalb Meter breiter als Monaco. Und die Leitplanken sind sehr oft sehr<br />
dicht dran. Das heißt: Kein Platz für Fehler - was die Herausforderung noch<br />
größer macht.«<br />
Ablenkung<br />
»Manchmal gibt es unterwegs ein bisschen Ablenkung und zusätzliche<br />
Arbeit. In Japan hat in Kurve 7 eine ganze Gruppe japanischer Fans extra<br />
hinter dem Zaun auf mich gewartet, da bin ich natürlich hingegangen, um<br />
Autogramme zu schreiben. Die japanischen Fans sind sowieso ganz besonders<br />
mit ihrem Enthusiasmus. Deshalb mussten wir hier unseren Track<br />
Walk von vormittags auf nachmittags verschieben. Ursprünglich gehen wir<br />
immer um 10:30 Uhr los. Aber zu dem Zeitpunkt war die Strecke für die<br />
Fans offen - und da wäre gar nichts gegangen, da wären wir keine zehn<br />
Meter weit gekommen. Dafür mussten wir uns am Nachmittag ein bisschen<br />
beeilen, man darf ja erst ab 15:00 Uhr auf die Strecke und ich musste um<br />
16:00 Uhr zur offiziellen Autogrammstunde wieder zurück sein. Bei fast 6<br />
Kilometern Streckenlänge darf man da nicht zu oft stehen bleiben - oder<br />
man muss zwischendurch ziemlich schnell laufen.«<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 45
Der Startunfall in<br />
Belgien brachte Romain<br />
Grosjean eine<br />
Rennsperre ein<br />
Fotos: adrivo/Sutton
Text: Stephan Heublein & Kerstin Hasenbichler<br />
Letzte<br />
Die Formel 1 ist unerbittlich. Zweite Chancen sind rar gesät. Romain Grosjean hat<br />
in diesem Jahr eine erhalten. Die Anfänge waren vielversprechend, doch läuft er<br />
Gefahr, sie mit seinen Fehlern fahrlässig zu verschenken. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
geht dem Fall auf den Grund.<br />
Chance<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 47
Fotos: adrivo/Sutton<br />
»Was ich frustrierend finde, ist, dass dies seine zweite Chance in der<br />
Formel 1 ist - möglicherweise seine letzte. Und trotzdem macht er bei<br />
seiner letzten Chance all diese Fehler und macht sie immer wieder und<br />
immer weiter«, sieht Ex-GP-Pilot Johnny Herbert Grosjeans Entwicklung<br />
mit gemischten Gefühlen. Für Herberts Geschmack sollte der Schweizer<br />
eigentlich vorsichtiger und überlegter vorgehen, müsste sich sagen: »Dies<br />
ist meine letzte Chance, ich bin in einem guten Auto und vielleicht sogar<br />
schneller als Kimi Räikkönen im Qualifying und genauso schnell wie er<br />
im Rennen. Das ist nicht schlecht«, erklärte Herbert im Gespräch mit<br />
dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Tatsächlich schien Grosjean seine zweite<br />
Chance in der Königsklasse des <strong>Motorsport</strong>s mit beiden Händen zu ergreifen<br />
- alles andere als eine alltägliche Gelegenheit<br />
in einem Umfeld, das nicht gerade<br />
für seine Nachsicht und Nächstenliebe<br />
bekannt ist. Grosjean galt zu Saisonbeginn<br />
für viele Beobachter als heißerer Kandidat<br />
auf den ersten Lotus-Sieg. Der 26-Jährige<br />
überzeugte gegen seinen erfahrenen<br />
Teamkollegen Kimi Räikkönen, immerhin<br />
mehrfacher Grand-Prix-Sieger und Weltmeister<br />
des Jahres 2007, mit starken Qualifikationsergebnissen<br />
und wusste auch<br />
im Rennen oftmals zu überzeugen. Aber<br />
Herbert warnt: »Wenn er weiter solche<br />
Fehler begeht, wird bald jemand sagen:<br />
Bye, bye.«<br />
Kimi Räikkönen rechts, Jerome d’Ambrosio links, um<br />
sie herum dutzende Journalisten. In der Mitte des<br />
Lotus-Motorhomes steht in all dem Trubel ein einsamer<br />
Romain Grosjean. Er wirkt gedankenverloren,<br />
scheint sich zu fragen, wie es so weit kommen<br />
konnte? Eben noch als angehender Superstar in der<br />
Formel 1 gefeiert, nun als Crashpilot verschrien.<br />
Lange hatten die Rennkommissare Gnade vor Recht<br />
ergehen lassen, erst der Horror-Crash in Belgien, der Fernando Alonso<br />
im schlimmsten Fall das Leben hätte kosten können, brachte das Fass<br />
zum Überlaufen. Die Rennkommissare statuierten am Franzosen ein<br />
Exempel und sperrten ihn für den Italien GP. Zum Zusehen verdammt,<br />
für einen Rennfahrer die Höchststrafe.<br />
Ohne Unfälle ist<br />
Grosjean ein sehr<br />
schneller Fahrer<br />
Aus und vorbei. Schon einmal hat Grosjean<br />
seine Chance in der Formel 1 verbockt.<br />
2009 ersetzte der damalige GP2-<br />
Pilot ab Valencia den entlassenen<br />
Nelsinho Piquet Junior im Renault-Cockpit.<br />
Doch der unerwartete Formel-1-Einstieg<br />
als neuer Teamkollege von Fernando<br />
Alonso zahlte sich nicht aus: Sieben Rennen,<br />
kein Punkt und ein 13. Platz als<br />
bestes Resultat waren die magere Ausbeute.<br />
Dabei bescheinigen ihm Experten,<br />
dass er die nötigen Anlagen besitzt, um<br />
ein ganz Großer des Sports zu werden.<br />
»Er ist ein extrem schneller Fahrer«,<br />
betont Ex-Formel-1-Fahrer Marc Surer.<br />
»Wenn er sich in den Griff bekommt, ist<br />
er ein ganz schneller Kandidat - ähnlich<br />
wie Lewis Hamilton.« Auch Herbert ist<br />
davon überzeugt, dass Grosjean den nötigen<br />
Speed hat, um an der Spitze mitzufahren.<br />
Das beweise Grosjean vor allem<br />
im Qualifying stets aufs Neue. »Er fühlt das Auto am Limit«, beschreibt<br />
Herbert. »Er holt das Beste aus den Reifen heraus, beim Anbremsen, bei<br />
der Aerodynamik. Er ist sehr schnell.«<br />
Dass Grosjean bislang mehr durch Misserfolge als durch Erfolge auffiel, erklärt<br />
der ehemalige Grand-Prix-Pilot Christian Danner folgendermaßen: »Ein Rennfahrer<br />
ist immer ein Gesamtkunstwerk - dazu gehören Talent, Speed, Biss,<br />
Willenskraft, Verständnis von technischen Zusammenhängen und auch Weitblick.«<br />
Fehle nur ein Puzzleteil, könne ein Fahrer an der Spitze der Königsklasse<br />
nicht überleben. Das größte Manko des Lotus-Piloten sind Rad-an-Rad-Duelle,<br />
speziell am Start. In 15 Rennen kollidierte er acht Mal mit anderen Autos. »Er<br />
muss versuchen, das hinzukriegen. In allen anderen Bereichen ist er besser als<br />
so manch anderer Formel-1-Fahrer«, lobt Danner. Auch Herbert bestätigt: »In<br />
»Was ich frustrierend finde, ist, dass<br />
dies seine zweite Chance in der F1<br />
ist - möglicherweise seine letzte.<br />
Und trotzdem macht er all diese<br />
Fehler und macht sie immer wieder<br />
und immer weiter. Es wäre verrückt,<br />
wenn er sich nicht wenigstens ein<br />
bisschen ändern würde.«<br />
48 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
einer Rennsituation ist er sehr gut und sehr konstant.« Diese Konstanz ist in<br />
der modernen Formel 1 mit unterschiedlich stark abbauenden Reifen, den<br />
heutigen Autos und der hohen Konkurrenzdichte sehr wichtig. Nur durch<br />
konstante Ergebnisse ist eine Topplatzierung in der Weltmeisterschaft möglich<br />
- diese torpediert Grosjean durch seine Aussetzer regelmäßig selbst. »Entscheidend<br />
ist, ob Grosjean weiß, was er tut oder nicht«, meint Danner. Wenn er es<br />
wisse, könne er mit einem Sportpsychologen sprechen und diese Schwäche<br />
konsequent abstellen. »Wenn er jemandem blind hinten drauffährt und sich<br />
dann selbst wundert, warum das passiert ist, dann hat er ein größeres Problem«,<br />
warnt Danner.<br />
Für Surer ist das Problem offensichtlich: »Er hat extremes Talent und ist extrem<br />
schnell, aber wenn er losfährt, hört er auf zu denken. Es gibt Fahrer, die extrem<br />
viel Energie brauchen, um schnell zu fahren. Es ist dann als hätten sie Scheuklappen<br />
auf, um diese Leistung abzurufen. Andere Fahrer sind relaxt und haben<br />
den Weitwinkel.« Erst mit Rennverlauf werde der Lotus-Pilot wieder normal.<br />
Ein Blick in die Statistik bestätigt Surers Aussagen - während des Rennens<br />
passieren dem Franzosen nicht mehr Unfälle als anderen Fahrern. Fehlende<br />
Erfahrung kann für Grosjeans Malheure nicht zwangsläufig als Ursache angeführt<br />
werden, immerhin fiel in dieser Saison auch der siebenfache Weltmeister<br />
Michael Schumacher schon zwei Mal durch Auffahrunfälle auf. »Es ist immer<br />
nur die Startphase, in der ich bei Grosjean das Gefühl habe, dass irgendwie das<br />
Hirn abschaltet. Es gibt Leute, die unter Stress abschalten - genauso kommt es<br />
mir bei ihm vor. Nur beim Start baut er Scheiße«, bilanziert Surer.<br />
Aufgrund der Fahrweise von Rookies wie Grosjean oder Pastor<br />
Maldonado entbrannte in der Formel 1 sogar eine Diskussion über<br />
eine zu hohe Aggressivität der jungen Fahrer. Danner empfindet<br />
die Debatte als »Bullshit«. »Das Problem von Grosjean ist nicht,<br />
dass die GP2 eine wilde Reiter-GMBH ist, sondern es ist ein Problem seiner<br />
Person, das er lösen muss«, betont Danner. »Die Fakten sind klar - er ist einfach<br />
zu oft mit jemandem zusammengekracht. Klar sind das alles Rennfahrer, die<br />
keine Kinderwagen durch die Gegend schieben. In so einem Rennauto passieren<br />
ausgesprochen komplexe Dinge. Aber Grosjean ist ein unglaublich intelligenter<br />
und begnadeter Rennfahrer - ich bin überzeugt, er wird das Problem lösen.«<br />
nicht. »Es wäre verrückt, wenn er sich nicht wenigstens ein bisschen ändern<br />
würde«, stellt Herbert klar. In den noch ausstehenden Rennen wird sich zeigen,<br />
ob Grosjean das eiserne Gesetz der Formel 1 verinnerlicht hat: »To finish first,<br />
first you have to finish«. Wenn ihm das gelingt, steht Grosjean laut Experten<br />
eine große Karriere bevor. Wenn nicht, kann er sich für seinen geplatzten<br />
Formel-1-Traum nur selbst die Schuld geben.<br />
Grosjeans Kollisionen<br />
Australien 2012<br />
Kollision mit Pastor Maldonado<br />
in Runde 1<br />
Folgen: Ausfall<br />
Malaysia 2012<br />
Grosjean dreht Michael Schumacher<br />
in Runde 1 um<br />
Folgen: Beide Fahrer fallen<br />
weit zurück<br />
Spanien 2012<br />
Berührung mit Sergio Perez<br />
Folgen: Boxenstopp für Perez,<br />
beschädigter Frontflügel<br />
für Grosjean<br />
Monaco 2012<br />
Kollision mit Michael Schumacher<br />
am Start<br />
Folgen: Beide scheiden<br />
aus; Auslöser für weitere<br />
Kollisionen am Start, denen<br />
Kobayashi zum Opfer fällt<br />
GroSSbritannien 2012<br />
Kollision mit Paul di Resta in<br />
Runde 1<br />
Folgen: Ausfall für di Resta,<br />
beschädigter Frontflügel für<br />
Grosjean<br />
Deutschland 2012<br />
Berührung mit Bruno Senna<br />
in Runde 1<br />
Folgen: Reifenschäden und<br />
Boxenstopps<br />
Belgien 2012<br />
Start-Kollision mit Hamilton<br />
Folgen: Massencrash in der<br />
ersten Kurve reißt auch Alonso,<br />
Perez und Kobayashi mit;<br />
Rennsperre für Monza<br />
Japan 2012<br />
Auffahrunfall mit Webber<br />
Folgen: 10 Sekunden Stopand-Go-Strafe<br />
Grosjean selbst gab sich nach seiner Rennsperre geläutert und betonte, wie viel<br />
er an seinem unfreiwillig freien Rennwochenende<br />
gelernt habe. Der Franzose nutzte die Zeit, um seinen<br />
Teamkollegen Kimi Räikkönen noch genauer<br />
zu studieren und zu beobachten. »Es war die beste<br />
Vorbereitung, abgesehen von selbst zu fahren«,<br />
meinte er. Worte, die die Lotus-Chefetage nicht<br />
unbedingt ruhiger schlafen lassen werden. Noch<br />
muss Grosjean beweisen, dass er seine Lektion<br />
gelernt hat, das Rennen nicht gleich in der ersten<br />
Kurve gewinnen zu wollen. Surer glaubt fest an<br />
einen Lerneffekt beim Schweizer mit französischer<br />
Rennlizenz. »So eine Strafe kann für einen jungen<br />
Fahrer heilsam sein«, meint der Schweizer.<br />
Den besten Lehrmeister hat Grosjean im eigenen<br />
Team. Räikkönen scheint das Paradebeispiel zu<br />
sein, wie man eine zweite Chance in der Formel 1<br />
perfekt nutzt. »Kimi ist so cool. Grosjean ist oft vor<br />
Kimi gestartet, aber im Rennen war Kimi immer<br />
vor ihm. Das Team sollte ihm als Beispiel mit auf<br />
den Weg geben: Orientiere dich an Kimi«, betonte<br />
Surer. Wie der Schweizer fände es auch Herbert<br />
schade, wenn Grosjean sein Talent ein weiteres Mal<br />
wegschmeißen würde - denn diesmal wäre es endgültig.<br />
Eine dritte Chance gibt es in der Formel 1<br />
Romain Grosjean steht<br />
im Kreuzfeuer der Kritik<br />
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Absolut verrückt!<br />
Kamikaze-Piloten<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
DER FORMEL 1<br />
Nach der Flugshow in Belgien war für die Stewards das MaSS voll. Romain Grosjean<br />
bekam die rote Karte gezeigt. Doch er ist nicht der erste Pilot, der sich als Pisten-<br />
Rambo einen zweifelhaften Namen machte. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> hat die Geschichtsbücher<br />
durchstöbert und die Top-5 der gröSSten Kamikaze-Piloten erstellt.<br />
5. Wolfgang Graf Berghe von Trips<br />
Fassungslosigkeit breitete sich im Fahrerlager und auf den Tribünen aus.<br />
Soeben war der WM-Führende Wolfgang Graf Berghe von Trips bei der Anfahrt<br />
zur Parabolika mit dem Boliden von Jim Clark kollidiert. Von Trips‘ Ferrari<br />
wurde auf den Erdwall seitlich der Geraden vor der Kurve geschleudert und<br />
prallte danach gegen die Drahtabzäunung. Er selbst wurde aus seinem Wagen<br />
geschleudert und brach sich das Genick. Neben dem deutschen Rennfahrer<br />
kamen auch 15 Zuschauer an der Strecke ums Leben. Noch heute wird<br />
dieser Horror-Crash als schwarze Stunde der Formel 1 bezeichnet, dabei<br />
war dieses tragische Ende durchaus vorherzusehen. Nicht umsonst hatte<br />
Berghe von Trips unter seinen Fahrerkollegen den Spitznamen »Count Crash«.<br />
Bereits in seinem ersten Abschlusstraining 1956 baute er mit seinem Lancia-<br />
Ferrari D50 einen schweren Unfall. Zwei Jahre später hatte er ebenfalls in<br />
Italien gleich in der ersten Kurve einen Unfall und auch sein erstes Rennen<br />
für Porsche in der Formel 1 war nach einer Kollision mit Cliff Allison und<br />
Bruce Halford in Runde eins beendet. Durch seinen tragischen Tod blieb an<br />
seinem Ruf als Crashpilot ein bitterer Beigeschmack hängen<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
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4. Juan Pablo Montoya<br />
»Mich erinnert er an Mike Tyson, den brutalen Boxer«, sagte Gerhard<br />
Berger einst über Juan Pablo Montoya. Tatsächlich war die Körpersprache<br />
des früheren McLaren-Piloten stets aggressiv und fordernd<br />
- nur die Kondition und Konzentration eines Boxers fehlte ihm in<br />
diesem Vergleich. Der temperamentvolle Kolumbianer spielte in seiner<br />
Formel-1-Zeit mit seinem Image des rücksichtslosen Draufgängers.<br />
Nach einer Kollision mit Michael Schumacher auf dem Nürburgring<br />
2003 erklärte er schmunzelnd: »Der Feigste bin ich nicht.« Dabei war<br />
Schumacher schon seit dem Vorfall beim Großen Preis von Österreich<br />
in Spielberg 2001 nicht mehr gut auf ihn zu sprechen. Damals zwang<br />
er Schumacher mit einem rüden Manöver ins Gras. »Er hat mich<br />
bewusst abgedrängt. Er wusste, dass er von der Strecke rutscht und<br />
wollte mich mitnehmen«, erklärte der wütende Schumacher. Wieder<br />
hatte Montoya die passende Antwort parat: »Das ist Rennsport, ich<br />
lasse niemanden vorbei. Wenn sie nicht an mir vorbei können, sollen<br />
sie abhauen.« Der Kolumbianer sah keinen Grund, seinen Fahrstil zu<br />
ändern, obwohl viele Experten diesen immer wieder als aggressiv<br />
und kompromisslos kritisierten.<br />
Montoya und<br />
Schumacher<br />
lieferten sich<br />
einige heiße Duelle<br />
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3. Wilhelm »Willy« Mairesse<br />
Ob Wilhelm Mairesse seinen Fahrstil von den Rallye-Piloten abgekupfert hat, ist<br />
nicht überliefert. Feststeht, dass seine Karriere von Unfällen und fatal endenden<br />
Kollisionen gezeichnet war. Nicht umsonst wurde Mairesse auch Wild Willy oder<br />
Kamikaze Willy genannt. Fotograf Rainer Schlegelmilch bezeichnete dessen Rennstarts<br />
einst ‚als Aufbruch in die Hölle‘. »Willy beging Selbstmord auf Raten«, war<br />
er überzeugt. Im Zweikampf war Mairesse ein gefürchteter Gegner, weshalb Kollegen<br />
vor dem Großen Preis von Belgien 1960 den F1-Newcomer Chris Bristow<br />
vor einem Zweikampf mit dem Belgier warnten. Der Engländer schlug die Ratschläge<br />
in den Wind, was ihn das Leben kostete - die folgenschwere Kollision<br />
ereignete sich in Runde 20. Zwei Jahre später kollidierte Wild Willy ausgangs<br />
Blanchimont mit dem Lotus von Trevor Taylor. Wie durch ein Wunder blieben beide<br />
Piloten nahezu unverletzt. 1963 ereignete sich auf dem Nürburgring der fatale<br />
Unfall: Trotz einer Kollision in der Startphase sah Mairesse keinen Grund, weniger<br />
Gas zu geben. Eine Runde später schlug er ausgerechnet in der Nähe des Startunfalls<br />
in die Leitplanken ein. Sein Ferrari kreiselte über die Strecke und traf einen<br />
Sanitäter tödlich. Mit dem Rennen endete auch die F1-Karriere von Mairesse.<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
2. Pastor Maldonado<br />
Neben Romain Grosjean erhielt Pastor Maldonado in dieser<br />
Saison wohl die meisten medialen Ohrfeigen. Die<br />
Leistungen des Williams-Piloten schwanken seit jeher<br />
zwischen Gut und Böse. In der Formel Renault Serie wurde<br />
er für vier Rennen gesperrt, weil er trotz entsprechender<br />
Warnflaggen an einer Unfallstelle vorbeiraste und einen<br />
Streckenposten schwer verletzte. Auch F1-Fahrerkollegen,<br />
die in seiner Nähe starten, geben vorher offen zu, dass sie<br />
froh wären, die erste Runde heil zu überstehen. Bisher<br />
blieb Maldonado von der Höchststrafe, einer Rennsperre,<br />
verschont, doch die Frage ist wie lange noch? Der Venezolaner<br />
gilt als Fahrer mit den meisten Strafen 2012, in<br />
seinem Register findet sich unter anderem eine Rückversetzung<br />
um zehn Startplätze in Monaco, weil er den Sauber<br />
von Sergio Perez rammte. In Valencia brummten ihm<br />
die Rennkommissare eine 20-Sekunden-Strafe auf, weil<br />
er abermals in das Auto eines Gegners - in diesem Fall<br />
Lewis Hamilton - krachte. Weil scheinbar alles nichts half,<br />
musste Maldonado in Silverstone wegen einer vermeidbaren<br />
Kollision mit Perez tief in die Geldbörse greifen und<br />
eine Strafe in der Höhe von 10.000 Euro bezahlen. Zwei<br />
gelbe Karten hat der Brasilianer bereits, bei einer dritten<br />
könnte es für ihn ein böses Erwachen geben.<br />
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1. Takuma Sato<br />
»Wir haben eine gefährliche Person auf der Strecke. Die FIA muss dagegen<br />
etwas tun«, tobte Jarno Trulli nach einer Kollision mit Takuma Sato in Japan<br />
2005. Die Rennstewards sahen es genauso und schlossen Sato nachträglich<br />
vom Rennen aus. »Es wurde festgestellt, dass Takuma Sato den Fahrer des<br />
Autos mit der Startnummer 16 von der Strecke gedrängt hat«, hieß es in einem<br />
FIA-Statement. Nach 90 Rennen beendete der Japaner seine Formel-1-Karriere<br />
und kaum einer war darüber traurig. Auch Felipe Massa war kein Fan von<br />
Sato. »Er ist absolut verrückt«, erklärte der Brasilianer zornig, als ihn Sato im<br />
zweiten Freien Training in Indianapolis von der Strecke schoss. »Normalerweise<br />
steckt jeder im Training zurück. Jeder macht das, nur er nicht«, kritisierte<br />
Massa. Der damalige Sauber-Pilot war nicht das einzige Opfer des Japaners.<br />
Beim Österreich GP 2002 kollidierte Sato mit Nick Heidfeld, 2004 rammte der<br />
Japaner in Bahrain den Boliden von Ralf Schumacher. Auch dessen Bruder<br />
Michael machte in Spa unliebsame Bekanntschaft mit Sato. Sein Kommentar<br />
nach der Kollision: »Das ist nicht der erste Unfall dieser Art. Keine Ahnung,<br />
welche Art von Therapie ihm noch helfen kann.«<br />
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Fotos: adrivo/Sutton
Vater der<br />
Sicherheit<br />
[ 6. September 1928 – † 12. September 2012 ]<br />
Am 12. September 2012 verstarb Dr. Sid Watkins - der Engländer war für mehr als 25 Jahre der offizielle<br />
Rennarzt der Formel 1 und trug maSSgeblich zum heutigen Sicherheitsstandard der Königsklasse bei.<br />
In erster Linie war »Professor Sid« aber enger Vertrauter, Zuhörer und Freund der Fahrer - das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
blickt auf die bewegte Schaffensperiode eines Pioniers zurück.<br />
Text: Frederik Hackbarth<br />
424<br />
Grand Prix - eine<br />
Rekordzahl, auf die im<br />
Fahrerlager kaum einer<br />
kommt. Im schnelllebigen Business der Formel<br />
1 sind solche Marken Seltenheit geworden.<br />
Manch einer der dienstälteren Teamchefs kann<br />
da vielleicht noch mithalten und selbstredend<br />
Bernie Ecclestone, der gefühlt schon immer da<br />
war. Aber woher könnte diese Zahl kommen,<br />
wenn es kein Pilot, Teamchef oder Verantwortlicher<br />
ist? 424 - das ist die Marke eines Mannes,<br />
der uns in Erinnerung ruft, dass es im großen,<br />
weiten Kosmos der Formel 1 Menschen gibt,<br />
die so viel wichtiger sind als alle Stars und Sternchen<br />
zusammen. Menschen, die es erst möglich<br />
machen, dass ein paar Verrückte sich in mit bis<br />
zum Rand voll mit Benzin gefüllten Bodenraketen<br />
jenseits von 320 km/h von der Straße<br />
drängen - Waghalsige von denen nicht wenige,<br />
eben diesem Mann sehr viel zu verdanken<br />
haben, manche sogar ihr Leben. 424 - das ist<br />
die Marke von »Professor Sid«.<br />
Von 1978 bis 2004 war der allseits beliebte Brite<br />
offizieller Rennarzt der Formel 1. Doch das<br />
Leben des 1928 in Liverpool geborenen Eric<br />
Sidney Watkins war auch schon vor dem <strong>Motorsport</strong><br />
ein bewegtes, was es umso beeindruckender<br />
macht, dass er seine kostbare Zeit der<br />
gefährlichen Leidenschaft einiger Rennfahrer<br />
zur Verfügung stellte. Watkins studierte Medizin,<br />
später zog es ihn in die weite Welt hinaus.<br />
In West-Afrika arbeitete er in den Fünfzigerjahren<br />
für das Royal Army Medical Corps, ganz<br />
im Stile der britischen Postkolonialzeit. In<br />
Oxford spezialisierte er sich anschließend auf<br />
den Sektor der Neurochirurgie, parallel kam er<br />
auf dem nahegelegenen Silverstone Circuit erstmals<br />
mit dem Rennsport in Berührung. Doch<br />
die Zeit der Wander- und Lehrjahre des ambitionierten<br />
Arztes schien noch nicht vorbei,<br />
Der Formel-1-Paddock<br />
erinnerte sich an<br />
Professor Sid Watkins<br />
nahm er doch wenig später eine Professur an<br />
der State University of New York an. Wieder<br />
zurück auf der Insel, heuerte er am London<br />
Hospital an und begab sich erneut nach Silverstone,<br />
wo er das Geschehen beim Großbritannien<br />
GP überwachte. Ende der 70er Jahre war<br />
es dann soweit und der ihm bis dahin unbekannte<br />
Bernie Ecclestone, damals noch in seiner<br />
Funktion als Teammanager von Brabham, →<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 55
Fotos: adrivo/Sutton<br />
Was Watkins selbst so einzigartig und<br />
unentbehrlich machte, waren jedoch<br />
nicht nur seine unzähligen Ideen<br />
zum immer weiteren Verbessern der Sicherheit,<br />
sondern die Tatsache, dass er mit seinem positiven<br />
Wesen und seiner warmherzigen Art<br />
schnell zum engen Vertrauten und letztendlich<br />
auch zur Vaterfigur vieler der jungen Piloten<br />
emporstieg. Schnell wurden ihm aber auch die<br />
Schattenseiten seines wenig distanzierten<br />
Umgangs mit den Fahrern vor Augen geführt<br />
- nur wenige Wochen nach Antritt seines Jobs<br />
verunglückte bei einem großen Startunfall in<br />
Monza Ronnie Peterson. Watkins musste als<br />
leitender Arzt jedoch an der Strecke bleiben,<br />
um den verletzten Lotus-Fahrer kümmerten<br />
sich fortan die ansässigen Ärzte. Nach Behandlungsfehlern<br />
starb der Schwede am nächsten<br />
Tag an - wie Watkins fand - eigentlich behandelbaren<br />
Beinverletzungen. Für ihn stand fortan<br />
fest, dass sich schleunigst etwas ändern musste<br />
und in den folgenden Jahren trieb er unermüdlich<br />
und kontinuierlich die Sicherheitsstandards<br />
nach oben. Watkins machte deutlich, dass es<br />
ihm möglich sein müsse, nach einem Zwischenfall<br />
unverzüglich vor Ort zu sein, um rechtzeitig<br />
lebensrettende Maßnahmen einleiten zu können.<br />
Das war die Geburtsstunde des Medical<br />
Cars.<br />
Watkins setzte sich für<br />
neue Sicherheitsstandards<br />
wie das<br />
HANS-System ein<br />
»Als wir an der Unfallstelle in der Tamburello ankamen und ich sah,<br />
dass es Ayrton war, änderte das erst einmal nichts, denn ich war<br />
zu beschäftigt, um über irgendetwas anderes nachzudenken, als zu<br />
funktionieren. Als wir ihn aus dem Auto holten, fühlte er sich unglaublich<br />
leicht an. Ich nahm ihm den Helm ab und sah in seine Augen.«<br />
Doch nicht überall wurden seine Bemühungen<br />
ernst genommen. FIA-Präsident Jean-Marie<br />
Balestre ignorierte den Pioniergeist des Briten<br />
beispielsweise eine Zeit lang, mochte er es doch<br />
nicht, wenn sich Außenstehende in ‚seinen‘<br />
Sport einmischten. Erst als der Franzose in<br />
Montreal beim Abendessen drohte, an seinem<br />
Steak zu ersticken, man ihm bei seiner Rettung<br />
eine Rippe brach und er spät in der Nacht seine<br />
Frau anwies, Dr. Watkins zu konsultieren, um<br />
ihm ein Schmerzmittel zu verabreichen, wuchs<br />
sein Ansehen für den Arzt für alle Fälle - und<br />
siehe da: Ab dem nächsten Rennen bezahlte der<br />
Weltverband Watkins auf einmal das Hotelzimmer.<br />
Nach und nach machte sich die Arbeit<br />
bezahlt, eine eigene Sicherheitskommission<br />
unter seiner Leitung wurde ins Leben gerufen<br />
- Gedanken ans Aufhören hatte Watkins trotz<br />
rief ihn an, um ihm den Posten als F1-Doc und<br />
damit verbunden ein Honorar von stattlichen<br />
35.000 US-Dollar anzubieten. »Ich sagte, dass<br />
ich es machen würde. Erst danach hat er mir<br />
erklärt, dass ich für meine Reise- und Unterkunftskosten<br />
selbst verantwortlich sei. Typisch<br />
Bernie: Sehr clever«, erinnerte sich Dr. Watkins<br />
Jahre später. Die Beziehung zwischen ihm und<br />
dem Zampano reifte dennoch zu einer engen<br />
Freundschaft... so eng sogar, dass seine Frau<br />
Susan viele Jahre später die Biographie des Mr.<br />
E verfassen sollte.<br />
Watkins verstand<br />
sich mit den<br />
Fahrern gut<br />
56 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
der Brutalität einiger Verluste nie. »Ich hatte als<br />
normaler Arzt schon mit Kopfverletzungen,<br />
Motorrad- und Autounfällen zu tun gehabt, die<br />
meistens genauso tragisch ausgingen. Der<br />
Unterschied war nun allerdings, dass es meine<br />
Freunde waren, die es erwischte, wenn ein<br />
Rennfahrer umkam. Glücklicherweise verloren<br />
wir nicht zu viele und über die Jahre wurde es<br />
besser. Es gibt doch nicht Besseres, als wenn ein<br />
junger, netter Bursche heil aus einem völlig verbeulten<br />
Wrack entsteigt...«<br />
Watkins sagte einmal: »Auf ihre jeweils<br />
unterschiedliche Art waren eigentlich<br />
alle Fahrer gute Freunde und<br />
wir kamen immer gut zusammen aus.« Doch<br />
auch der Brite hatte seine Lieblinge, genauso<br />
wie er auf der anderen Seite nie einen Hehl aus<br />
seiner Abneigung gegenüber Didier Pironi<br />
machte, den er oft als undankbar empfunden<br />
hatte oder seiner Wut in Bezug auf Nigel Mansell,<br />
der so manche Verletzung simulierte und<br />
seinen Landsmann damit in den Wahnsinn<br />
trieb. Besonders gut kannte er aber Ayrton<br />
Senna - besser als jeden anderen Fahrer. »Wir<br />
standen uns sehr nahe. Einmal besuchte er mich<br />
in meinem Ferienhaus in Schottland, ein paar<br />
Jahre später verbrachte ich einige Zeit mit ihm<br />
auf seiner Farm in Brasilien.« Als ein Sturm<br />
über den Ländereien tobte und für einen Stromausfall<br />
sorgte, fuhr der dreifache Weltmeister<br />
mit Watkins stundenlang durch die Gegend, um<br />
ein Telefon zu suchen, da dieser versprochen<br />
hatte, seine Frau in der weit entfernten Heimat<br />
anzurufen. »Irgendwann fanden wir eine<br />
Garage, in der Licht brannte. Ayrton überredete<br />
den Anwohner schließlich, dass ich telefonieren<br />
durfte. Während ich das tat, bemerkte ich, dass<br />
sich unsere Anwesenheit im Dorf herumgesprochen<br />
hatte und Ayrton draußen im Regen unter<br />
einer Straßenlaterne stand und umlagert von<br />
Kindern Autogramme schrieb.«<br />
nichts, denn ich war zu beschäftigt, um über<br />
irgendetwas anderes nachzudenken, als zu funktionieren.<br />
Als wir ihn aus dem Auto holten,<br />
fühlte er sich unglaublich leicht an. Ich nahm<br />
ihm den Helm ab und sah in seine Augen... da<br />
wusste ich, dass er es nicht überleben würde. Er<br />
hatte furchtbare Kopfverletzungen.«<br />
Obwohl er noch zehn lange Jahre als Rennarzt<br />
weitermachte, musste Watkins nie wieder einen<br />
derartigen Verlust beklagen. 1995 rettete er beispielsweise<br />
Mika Häkkinen das Leben, als er<br />
beim Finnen direkt nach seinem schlimmen<br />
Abflug im australischen Adelaide noch an der<br />
Strecke einen Luftröhrenschnitt durchführte,<br />
ohne den der McLaren-Pilot wohl erstickt wäre.<br />
Dass es ein langer Kampf war, um die Königsklasse<br />
in Sachen Sicherheitstechnologie dorthin<br />
zu bringen, wo sie heute steht, quittierte Watkins<br />
immer nur mit einem Lächeln. »Das ist<br />
eben die Formel 1. Wenn man etwas nicht vehement<br />
verlangt, kommt man hier gar nirgendwohin.<br />
Niemand akzeptiert Veränderung, nur<br />
weil man denkt, dass sie gut sei. Man muss es<br />
beweisen.« Diese Beweise lieferte ‚Professor Sid‘<br />
immer und immer wieder. Dafür wird ihm der<br />
F1-Tross auf ewig zu größter Dankbarkeit verpflichtet<br />
sein - oder wie Michael Schumacher,<br />
dem Watkins nach seinem Beinbruch in Silverstone<br />
1999 selbst beistand, es formulierte: »Er<br />
war immer für uns Fahrer da. Sid verband Kompetenz<br />
mit Herz.«<br />
Auch Schumacher<br />
gehörte zu den<br />
Vertrauten<br />
Immer im Einsatz für<br />
die Sicherheit<br />
Bei Sennas tödlichem Unfall am 1. Mai 1994 in<br />
Imola war Watkins als Erster am Wrack des<br />
Williams-Piloten und erkannte bald das gesamte<br />
Ausmaß der Katastrophe. Noch am Vorabend<br />
hatte ihn der Brasilianer im Medical Centre<br />
aufgesucht, um sich über den Gesundheitszustand<br />
des im Qualifying verunglückten Roland<br />
Ratzenberger zu informieren. »Als ich ihm die<br />
traurige Nachricht mittteilen musste, brach er<br />
in Tränen aus. Ich schlug ihm daraufhin vor,<br />
mit dem Rennfahren aufzuhören und sagte ihm,<br />
dass er niemandem mehr etwas beweisen müsse.<br />
‚Hör auf! Und dann gehen wir gemeinsam<br />
fischen.‘« Senna entgegnete, dass es gewisse<br />
Dinge gäbe, die nicht kontrollierbar seien, er<br />
das kurzum nicht könne... und raste nur wenige<br />
Stunden später in den Tod. »Als wir an der<br />
Unfallstelle in der Tamburello ankamen und ich<br />
sah, dass es Ayrton war, änderte das erst einmal<br />
Mit Ayrton Senna<br />
verband Watkins eine<br />
ganz besondere<br />
Beziehung<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 57
58 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Foto: racepress<br />
blechschaden<br />
Timo Scheider scheint<br />
das Pech an der<br />
Motorhaube zu kleben<br />
- aber selbst mit aller<br />
Mühe wurde er es nicht<br />
wirklich los<br />
Ein Unglück kommt selten allein - das bekam Timo<br />
Scheider 2012 nachhaltig zu spüren. Der Audi-Pilot<br />
hat viel versucht, um die Saison erfolgreich zu gestalten.<br />
Nur: Erfolgreich war er dabei nicht. Gründe für<br />
das Katastrophen-Jahr gab es viele: fehlenden Speed,<br />
technische Probleme oder übermotivierte Konkurrenten.<br />
Doch die langwierige Pechsträhne ist noch<br />
lange kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken.<br />
Ein Bespiel könnte sich der zweimalige Champion an<br />
Gary Paffett nehmen. Nach einer Saison voller Pleiten,<br />
Pech und Pannen kehrte der Brite stärker denn je<br />
zurück. Das muss 2013 auch das Ziel von Scheider<br />
sein. - Olaf Mehlhose<br />
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Sieben<br />
auf<br />
einen<br />
Streich<br />
Text: Olaf Mehlhose<br />
01<br />
Augusto Farfus<br />
hatte Grund zum<br />
Lachen: Er siegte<br />
gleich in seinem<br />
Debütjahr<br />
Rekordjahr in der DTM: In der Saison<br />
2012 gingen gleich sieben Rookies an<br />
den Start. Spannung versprachen<br />
vor allem die unterschiedlichen<br />
Viten der Neueinsteiger. Eines hatten<br />
die Rookies aber gemeinsam: Alle<br />
Neulinge bekamen zu spüren, dass<br />
Lehrjahre in der DTM keine Herrenjahre<br />
sind.<br />
Augusto Farfus<br />
Für den Höhepunkt aus Rookie-Sicht sorgte Augusto Farfus mit seinem Sieg in<br />
Valencia. Zusammen mit seinem ersten DTM-Erfolg sicherte er sich den inoffiziellen<br />
Titel des besten Neulings 2012. Überraschend kam die starke Saison<br />
nicht. Bereits im zweiten Rennen glückte dem Brasilianer der Sprung aufs Podium.<br />
»Der Lausitzring war eine ganz spezielle Erfahrung. Keiner hat mich vorne erwartet<br />
und ich bin gleich auf Platz drei gefahren«, erinnert sich der 29-Jährige. Doch<br />
die Saison des Super-Rookies aus Curitiba hatte Höhen und Tiefen. In Hockenheim<br />
fuhr er zu früh an die Box und wurde vom Team unverrichteter Dinge wieder auf<br />
die Strecke geschickt. Nach einem Startunfall am Norisring bezeichnete ihn<br />
Mattias Ekström als Amateur. Dass er noch nicht perfekt ist, weiß Farfus selbst<br />
am besten, die aktuelle Saison sei für ihn ohnehin ein reines Lehrjahr, erläutert<br />
er. »Die DTM ist eine Serie, in der man Talent und sehr viel Erfahrung braucht.<br />
Deshalb versuche ich, in jeder Runde zu lernen.«<br />
Fazit: »Dass Augusto einen guten Speed hat, konnte man von Anfang<br />
an sehen. Leider wurde er in den Rennen mehrmals unverschuldet in<br />
komplizierte Situationen verwickelt, aber langsam trägt die harte<br />
Arbeit Früchte.« (Jens Marquardt)<br />
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Fotos: racepress, bmw<br />
02 überzeugen<br />
Dirk Werner<br />
wusste in seiner<br />
Debütsaison auf<br />
Anhieb zu<br />
03<br />
Luft nach oben:<br />
Andy Priaulx<br />
ist in der DTM<br />
noch nicht ganz<br />
angekommen<br />
Dirk Werner<br />
Beim Auftakt in Hockenheim lernte Dirk Werner direkt die Freuden- und Schattenseiten<br />
der DTM kennen. »Er hat das Auto gleich ins Q4 gebracht«, erinnert<br />
sich BMW-<strong>Motorsport</strong>direktor Jens Marquardt. »Im Rennen hat er dann aber<br />
auch die Down-Seite miterlebt, als er ziemlich unsanft abgeräumt wurde.«<br />
Aus dem Konzept bringen ließ sich Werner davon nicht. Vor allem im zweiten<br />
Teil der Saison wartete er mit konstant guten Ergebnissen auf. Einfach ist ihm<br />
die Umstellung von Langstreckenrennen auf die DTM jedoch nicht gefallen.<br />
»Die Autos haben sehr viel Abtrieb, ich musste meinen Fahrstil erst anpassen.<br />
Auch die Karbonbremsen und die Reifen kannte ich nicht«, erzählt der Schnitzer-Pilot.<br />
»Hinzu kamen die stehenden Starts und die Pitstops - überall kommt<br />
es darauf an, das letzte Zehntel herauszuholen.« Auch das Qualifying sei problematisch<br />
gewesen, berichtete der Neueinsteiger. »Die Rennpace war am<br />
Anfang schon ganz okay. Das Maximum aus dem leichteren Qualifying-Auto<br />
herauszuholen, war ein bisschen schwieriger«, erklärt der 31-Jährige. »Aber<br />
ich glaube, ich habe jetzt verstanden, worauf es ankommt.«<br />
Fazit: »Ich bin vor allem mit der zweiten Saisonhälfte sehr zufrieden.<br />
Im Vergleich mit den anderen Rookies bin ich auf einem guten Level.«<br />
(Dirk Werner)<br />
Andy Priaulx<br />
Wie wenig frühere Meriten in der DTM Wert sind, bekam der zweimalige WTCC-<br />
Champion Andy Priaulx zu spüren. »Es war ein hartes erstes Jahr, aber BMW<br />
hat immer gesagt, dass es länger dauert als ein Jahr, um eine gute Performance<br />
zu zeigen«, resümiert der Brite. Schwierig gestaltete sich vor allem die erste<br />
Qualifikationsrunde. »Es ist mir sehr schwer gefallen, mich für Q2 zu qualifizieren.<br />
Wenn ich das geschafft habe, konnte ich meistens einen Sprung<br />
machen«, sagt er. Ein anderes Problem war die erste Kurve. „In fünf Rennen<br />
war mein Auto nach dem Start beschädigt, das ist inakzeptabel und sehr<br />
enttäuschend.« Neben dem fehlenden Glück hatte er mit Umstellungsschwierigkeiten<br />
zu kämpfen. »Mit dem linken Fuß zu bremsen, war neu für mich«,<br />
erklärt Priaulx. »Bisher habe ich immer den rechten Fuß benutzt.«<br />
Fazit: »Es gab einige gute Ergebnisse. Dass ich beim Auftakt in Hockenheim<br />
bester BMW-Pilot war, hat mich stolz gemacht. Auch die Leistung<br />
im Qualifying war solide.« (Andy Priaulx)<br />
→<br />
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Joey Hand<br />
05<br />
bringt Farbe<br />
in die DTM -<br />
ein echter<br />
04Amerikaner eben<br />
Adrien Tambay<br />
ist 2012 der<br />
einzige Neuling<br />
im Fahrerkader<br />
von Audi<br />
Joey Hand<br />
Der Wechsel vom Langstreckensport in die DTM gestaltete sich für Joey Hand<br />
schwieriger als erwartet. Er kam zwar konstant ins Ziel, die ersten Punkte gab<br />
es aber erst in Spielberg. Auch im Qualifying besteht noch Verbesserungsbedarf.<br />
»Ich wollte Krach machen und Amerika gut vertreten. Das ist mir nicht in dem<br />
Maße gelungen, wie ich es mir vorgestellt habe«, gesteht Hand. Als Hauptproblem<br />
kristallisierte sich die fehlende Streckenkenntnis heraus. »Joey musste<br />
parallel die Strecke kennenlernen und das Setup entwickeln, das war eine<br />
große Herausforderung«, erklärt Marquardt. Auch die hohe Intensität in der<br />
DTM machte Hand zu schaffen. »Man muss immer pushen, nicht nur im Rennen,<br />
sondern am gesamten Rennwochenende«, sagt der 33-Jährige. Seine Lektion<br />
für 2013 hat er offenbar gelernt. »Mit dem Wissen von dieser Saison an den<br />
Start zu gehen, wird einen großen Unterschied machen«, kündigt Hand an.<br />
Fazit: »Ich musste mich daran gewöhnen, so weit hinten in der Zeitenliste<br />
zu stehen. Ich habe manchmal unheimlich viel investiert und war<br />
trotzdem nur auf Platz 16 oder 17. Das hat wirklich an mir genagt.«<br />
(Joey Hand)<br />
Adrien Tambay<br />
Adrien Tambay zahlte vor allem in der ersten Saisonhälfte Lehrgeld. Der Audi-<br />
Pilot blieb in den ersten fünf Rennen ohne Punkt, zwei Mal schied er aus. »Ich<br />
habe ein paar Rookie-Fehler gemacht. Manchmal hat mir ein bisschen die<br />
Geduld gefehlt, weil ich unbedingt ein gutes Resultat einfahren wollte«, zeigt<br />
sich der 21-Jährige selbstkritisch. Zu Beginn habe ihm vor allem die hohe<br />
Leistungsdichte Schwierigkeiten bereitet. »Es ist die mit Abstand schwierigste<br />
Serie, in der ich je gefahren bin«, erklärt der Franzose. Entmutigt habe ihn die<br />
Konkurrenzsituation jedoch nicht - im Gegenteil: »Für mich ist das die große<br />
Herausforderung, eine Serie mit geringerem Profil würde für mich wenig Sinn<br />
machen. Ich will mich mit den Besten messen, das ist für mich der Antrieb«,<br />
stellte Tambay klar. Und: Im zweiten Teil des Jahres war eine deutliche Weiterentwicklung<br />
zu erkennen.<br />
Fazit: »Beeindruckt hat mich Adriens Speed, er hat keine Probleme<br />
ans Limit zu kommen. Sein Niveau im ersten Jahr ist mit dem von<br />
Mattias Ekström vergleichbar, der bei uns auch als Rookie angefangen<br />
hat.« (Hans-Jürgen Abt)<br />
62 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Fotos: racepress<br />
06 phase<br />
Robert Wickens<br />
07<br />
Roberto Merhi<br />
kam nach einer<br />
war Meister der<br />
gewissen<br />
F3 Euro Serie, in<br />
Eingewöhnungs-<br />
der DTM backt er<br />
in Fahrt kleinere Brötchen<br />
Robert Wickens<br />
Aller Anfang ist schwer, das bekam Robert Wickens zu spüren. In den ersten<br />
vier Rennen blieb der Mercedes-Rookie ohne Punkte. Danach ging es für den<br />
Kanadier mit drei Punkteresultaten aber steil bergauf. »Im ersten Teil der Saison<br />
hatte ich ein bisschen Pech, darum hat es mit Punkten nicht geklappt. Am<br />
Norisring ist dann alles zusammengekommen, danach ging es aufwärts«,<br />
erzählt der Fahrer von Mücke <strong>Motorsport</strong>. Mit seinem Einstand ist der Neuling,<br />
der 2012 seine erste Tourenwagen-Saison absolviert, durchaus zufrieden.<br />
»Natürlich habe ich ein paar Möglichkeiten ausgelassen, aber als Rookie drei<br />
Mal in die Top-10 zu fahren, ist ein gutes Ergebnis«, meinte der 23-Jährige.<br />
»Die Leistungsdichte in der DTM ist sehr hoch.« Lobend äußerte sich Wickens<br />
über sein Team, das ihm den Einstieg in die neue Serie sehr erleichtert hat.<br />
»Sie haben mich toll unterstützt und mir kein bestimmtes Resultat als Vorgabe<br />
gegeben, sondern mir Zeit gelassen, mich an die DTM zu gewöhnen.«<br />
Fazit: »Robert Wickens ist der konstanteste Junior-Fahrer. Im Moment<br />
hat er die etwas besseren Voraussetzungen, da klappt das Zusammenspiel<br />
mit den Ingenieuren schon besser.« (Norbert Haug)<br />
Roberto Merhi<br />
Elf Siege in 27 Rennen - mit dieser Bilanz empfahl sich Formel-3-Champion<br />
Roberto Merhi für die DTM. Bestätigen konnte er die Vorschusslorbeeren bislang<br />
nicht. Auf einer schnellen Runde im Qualifying fehlt dem jüngsten Fahrer im<br />
Starterfeld noch einiges - so scheiterte er meistens schon in Q1. Doch Norbert<br />
Haug nimmt den Spanier in Schutz. »Der Junge ist gut, sonst hätten wir ihn<br />
nicht ausgesucht«, sagt er. »Ich würde die Klasse nicht nur von den Ergebnissen<br />
abhängig machen.« Merhi selbst macht allerdings genau das. »Ich bin meistens<br />
in Q1 ausgeschieden, deshalb bin ich mir nicht sicher, ob es ein lehrreiches<br />
Jahr für mich war«, meint er. Im Gegenteil: Viel Positives könne er aus seiner<br />
ersten DTM-Saison nicht mitnehmen, so Merhi. »In meiner Karriere habe ich<br />
immer um Rennsiege gekämpft, in diesem Jahr ging es darum, Q2 zu erreichen.<br />
Ich weiß nicht, wie mir die Erfahrung helfen soll.«<br />
Fazit: »Ich bin bisher einmal für ein Top-Team gefahren, da habe ich<br />
die Meisterschaft mit großem Vorsprung gewonnen. Deshalb ist die<br />
aktuelle Saison sehr enttäuschend. Ziel ist es, im nächsten Jahr einen<br />
Sprung zu machen.« (Roberto Merhi)<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 63
Super-Seb<br />
Text: Marion Rott<br />
reloaded?<br />
Sébastien Loeb wird der WRC ab 2013 nur noch sporadische<br />
Besuche abstatten. Nun braucht die Rallye-WM einen Nachfolger<br />
für den Star. Können Sébastien Ogier und der Neueinsteiger<br />
Volkswagen diese Lücke füllen?<br />
E<br />
in Citroen DS3 WRC fährt in den Service Park der Rallye Deutschland<br />
und zahlreiche Journalisten und Teammitglieder warten bereits auf<br />
den siegreichen Boliden. Am Steuer natürlich Sébastien Loeb, der<br />
soeben zum neunten Mal den deutschen Lauf der Rallye WM gewinnen konnte.<br />
Die Freude aller Beteiligten ist groß und die Glückwünsche nehmen nicht ab.<br />
Nach einigen Minuten kommt ein Skoda Fabia S2000 mit Sébastien Ogier am<br />
Steuer hinzu. Mit einem strahlenden Lächeln steigt<br />
er aus und geht zielstrebig auf Daniel Elena, Loebs<br />
Co-Piloten, zu, um ihm zu gratulieren. Danach<br />
wandert der Blick in Richtung des Siegers. Das<br />
Lächeln ebbt ab - die Gesichtszüge werden härter.<br />
Einen kurzen Moment ist Zögern zu erkennen,<br />
bevor der 28-Jährige kehrtmacht und in seinen<br />
Wagen einsteigt - ohne Loeb auch nur eines weiteren<br />
Blickes gewürdigt zu haben.<br />
Diese Antipathie fand ihren Anfang im Jahr 2011, als<br />
die beiden Piloten gemeinsam für Citroen an den<br />
Start gingen. Ein starkes Auto und zwei herausragende<br />
französische Fahrer - das vollendet veredelte<br />
Nationalteam. Vielleicht zu perfekt? Der erfahrene<br />
Loeb und sein junger, talentierter Namensvetter in<br />
Sebastien Ogier<br />
will mit<br />
Volkswagen<br />
durchstarten<br />
einem Team - der Star und sein heranwachsendes Pendant. Eines Tages sollte der<br />
‚neue Super-Seb‘, wie er von den Medien getauft wurde, den erfolgreichsten Rallye-<br />
Fahrer aller Zeiten beerben und Citroens neuer Weltmeister werden. Schnell<br />
wurde allerdings klar, dass Wunsch und Realität oftmals sehr weit auseinanderliegen.<br />
»Mein Plan ist nicht, ihn zu kopieren, sondern meinen eigenen Weg zu<br />
gehen und eines Tages Weltmeister zu werden«, zeigte sich Ogier selbstsicher.<br />
Das fahrerische Potenzial ist in jedem Fall vorhanden, was spätestens der 21.<br />
August 2011 deutlich machte. Die Sonne strahlte über Trier - nur Sébastien Ogier<br />
strahlte noch mehr. Er war der erste Pilot der Geschichte, der Loeb bei der Rallye<br />
Deutschland schlagen konnte. Eine Zehntelsekunde schneller, zwei Hundertstel<br />
langsamer - über die gesamte Rallye lieferten sich die beiden Franzosen ein Duell<br />
auf Augenhöhe, das einen Sieger am grünen Tisch fand. Citroen legte fest, dass<br />
ein Doppelsieg nicht gefährdet werden durfte und Ogier zurückstecken musste.<br />
Ein Reifenschaden an Loebs Citroen machte diesen Plan aber zunichte und<br />
schenkte Ogier den Sieg in Deutschland. Eine Nachricht, die er trocken kommentierte:<br />
»Es gibt eben doch noch Gerechtigkeit.«<br />
Im Nachhinein betrachtet waren diese sechs Worte an einem schwierigen<br />
Wochenende für Citroen wahrscheinlich die ausschlaggebenden. Drei Monate<br />
und zwei Tage nach jenem sonnigen Tag im August gab Ogier die Trennung<br />
von Citroen bekannt: Er wechselte zu Volkswagen, das ab 2013 als Werksteam<br />
in der WRC an den Start geht. Um ab diesem Jahr die Lorbeeren zu ernten,<br />
muss der 28-Jährige allerdings eine Saison auf Ruhm und Siege verzichten<br />
und 2012 mit einem Skoda Fabia S2000 bestreiten. Die Erfahrung, die Pilot<br />
und Team in diesem Jahr sammeln können, kommt<br />
ihnen als späteres Werksteam zugute und der Einstieg<br />
wird damit deutlich einfacher. Das muss auch<br />
der Fall sein, denn nur mitfahren will der Wolfsburger<br />
Konzern nicht. Die WRC ist das neue<br />
Prestige-Objekt und soll dementsprechend schnell<br />
Erfolg bringen. Das war auch einer der Gründe,<br />
weshalb sich Ogier für die Marke entschied. »Ich<br />
rechne damit, dass wir von Anfang an konkurrenzfähig<br />
sind«, macht der Franzose keine Umschweife.<br />
Alle bisherigen Testfahrten ließen einen positiven<br />
Eindruck zurück und der Polo R WRC scheint auf<br />
allen Untergründen den Erwartungen der Ingenieure<br />
und Techniker zu entsprechen. Wann Ogier<br />
den ersten Sieg für den deutschen Hersteller holt,<br />
darauf wollte er sich noch nicht festlegen, das sei<br />
zu schwer einzuschätzen.<br />
2013 steht der WRC ein Dreikampf zwischen Ford, Citroen und Volkswagen<br />
bevor, ein erhofftes Kräftemessen auf gleichem Niveau zwischen den beiden<br />
Sébastiens wird es allerdings nicht mehr geben, denn Loeb hängt den Schlüssel<br />
für seinen DS3 WRC an den Nagel. Als Grund gibt der Franzose fehlende<br />
Motivation an, da es für ihn nichts mehr zu erreichen gibt. Vielleicht spielt<br />
aber auch der Respekt vor seinem jungen Landsmann eine Rolle, denn nie<br />
konnte ihm ein anderer Pilot auf derartig hohem Niveau begegnen und ihn<br />
sogar besiegen. Mit einem konkurrenzfähigen Auto hätte Ogier also eine<br />
wirkliche Gefahr darstellen können.<br />
Erst die kommenden Jahre werden zeigen, ob die vielversprechenden Testfahrten<br />
und das große Budget Volkswagen in der WRC zum wirklichen<br />
Anwärter auf den Titel machen. Ogier lässt aber keinen Zweifel daran, dass<br />
er bereit sein wird, die Fahrer-WM in französischer Hand zu halten. Das<br />
einzige, was ihm wohl verwehrt bleiben wird, ist das direkte Duell mit Loeb<br />
- und ein Sieg über seinen ehemaligen Teamkollegen, wäre wahrscheinlich<br />
die zuckersüße Sahnehaube gewesen.<br />
64 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 65<br />
Fotos: vw motorsport
66 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Text: Robert Seiwert<br />
Der letzte König<br />
Markus Winkelhock gewann in dieser Saison die letzte GT1-Weltmeisterschaft.<br />
Im <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> spricht der ehemalige Formel-1-Pilot über seinen Ausflug in den<br />
GT-Sport, den heiklen Zwischenfall beim Finale und seine Zukunftsaussichten.<br />
MSM: Markus, wie fühlt es sich an, wenn man sich Weltmeister nennen darf?<br />
MARKUS WINKELHOCK: Das ist etwas Besonderes, was ich bestimmt einmal<br />
meinen Enkeln erzählen werde. ‚Opa war mal Weltmeister‘ - das klingt doch nicht<br />
schlecht. Diesen Titel behält man ein Leben lang und da bin ich schon stolz drauf.<br />
Auch, weil es die Serie in dieser Form nächstes Jahr nicht mehr geben wird.<br />
Wie ordnest du den WM-Sieg in der GT1 als ehemaliger Formel-1- und DTM-<br />
Pilot ein?<br />
Die GT1-Weltmeisterschaft ist der erste Titel, den ich in meiner Karriere gewonnen<br />
habe - das ist schon ein Highlight. Natürlich werde ich auch niemals meine<br />
Führungskilometer in der Formel 1 am Nürburgring vergessen. Während meiner<br />
DTM-Zeit hatte ich, den Umständen entsprechend, auch ein paar Highlights. Ich<br />
denke, dass wir uns den GT1-Titel verdient haben: Die Mannschaft hat während<br />
der gesamten Saison konstant gepunktet und gemeinsam mit meinem Teamkollegen<br />
Marc Basseng standen wir häufig auf dem Podium - obwohl wir lediglich<br />
ein Saisonrennen gewannen. Der Renngott stand diesmal auf unserer Seite und<br />
wir hatten das nötige Quäntchen Glück, das du für einen Titelgewinn benötigst.<br />
Beim Finale in Donington kam es zu einer heiklen Situation: Du hattest eine<br />
Kollision mit deinem Titelrivalen Yelmer Buurman, in Folge dessen ihr beide<br />
ausfielt und du auf diesem Weg die Weltmeisterschaft gewannst. Wie bewertest<br />
du den Zwischenfall?<br />
Das Finale lief leider nicht so, wie wir uns das gewünscht hätten. Dass sich Yelmer<br />
Buurman bei dem Unfall auch noch verletzt hat, macht die Sache noch unglücklicher.<br />
Ich habe am Tag nach dem Rennen mit ihm telefoniert und zum Glück war<br />
er wieder auf dem Weg der Besserung. Ich möchte betonen, dass hinter dem<br />
Crash keinerlei Absicht meinerseits steckte. Bevor ich jemanden von der Strecke<br />
schieße, um einen Titel zu holen, werde ich lieber nur Zweiter. Ich weiß, dass mir<br />
der eine oder andere im Fahrerlager Absicht unterstellt, aber damit muss ich<br />
leben.<br />
Manche sagen, dass dein Engagement im GT-Sport ein Rückschritt war. Wie<br />
siehst du das?<br />
Wenn man einmal in der Formel 1 war, ist jede andere Serie ein Rückschritt. Ich<br />
würde meinen Weg aber nicht als einen solchen betrachten, denn der GT-Sport<br />
war eine tolle Erfahrung und ich hatte zwei spannende Jahre in der GT1.<br />
Wie geht es bei dir weiter, wäre die DTM eine Option?<br />
Die DTM ist eine tolle Serie - quasi die Formel 1 des Tourenwagensports. Zwischen<br />
2004 und 2010 ging ich bei 49 Rennen für Mercedes und Audi an den Start, das<br />
war eine tolle Zeit. Wenn sich in dieser Richtung eine Gelegenheit bietet, würde<br />
ich mit Sicherheit nicht ablehnen.<br />
Du hast in diesem Jahr auch die 24 Stunden vom Nürburgring gewonnen.<br />
Sehen wir dich nächstes Jahr wieder beim Klassiker auf der Nordschleife?<br />
Mein Ziel lautet, wieder mit einem konkurrenzfähigen Auto an den Start zu gehen.<br />
Als ich das erste Mal mit einem GT-Auto auf der Nordschleife fuhr, habe ich Blut<br />
geleckt: Es gibt im <strong>Motorsport</strong> eigentlich nichts Geileres, als im GT-Boliden durch<br />
die Grüne Hölle zu jagen. Vom reinen Spaßfaktor her würde ich dieses Erlebnis<br />
sogar noch über die Formel 1 stellen.<br />
Du hast in deiner <strong>Motorsport</strong>karriere einiges erlebt - gibt es noch eine Rennserie,<br />
in der du gern einmal fahren würdest?<br />
Es reizt mich unheimlich, einmal in den USA zu fahren. Egal, ob NASCAR, Indycar<br />
oder Grand Am - das muss ein tolles Erlebnis sein. Dort läuft es anders: Du musst<br />
professionell sein, aber es geht im Vergleich zu vielen anderen Serien lockerer<br />
zu. Außerdem sollen die Strecken dort der Hammer sein. Ich denke, dass ich vom<br />
Typ her gut in diese Umgebung passen würde.<br />
Fotos: gt1 wm<br />
Buurmans Teamkollege Michael Bartels war nach der Kollision nicht allzu<br />
gut auf dich zu sprechen...<br />
Michael war richtig sauer und in gewisser Weise habe ich auch Verständnis dafür.<br />
Am Ende des Wochenendes hatte er zwei kaputte Autos und die Weltmeisterschaft<br />
verloren, das ist natürlich bitter. Ich werde ihn mit Sicherheit kontaktieren und<br />
mich in Ruhe mit ihm aussprechen. Ich mag Michael und habe großen Respekt<br />
davor, was er mit seinem Team auf die Beine gestellt hat.<br />
Ein Manko der GT1 WM waren die leeren Tribünen, vor denen ihr häufig<br />
gefahren seid. Warum kamen nicht so viele Zuschauer zu den Rennen?<br />
Das stimmt leider. Wir waren auf einigen Strecken unterwegs, wo generell nicht<br />
so viele Fans hin kommen. Außerdem wurden die Rennen nicht immer so stark<br />
beworben, wie es vielleicht nötig gewesen wäre. Das gleiche Problem gibt es<br />
jedoch auch in der DTM: Wenn die Serie im Ausland gastiert, reisen auch keine<br />
60.000 Zuschauer an die Strecke.<br />
Der erste Titel für Markus<br />
Winkelhock ist gleich ein<br />
WM-Titel<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 67
Die Saison 2011 war<br />
der Tiefpunkt eines<br />
jahrelangen Leistungsabfalls<br />
beim Team von<br />
Text: Yannick Bitzer<br />
Alp-Traum<br />
Wer sich wie ein<br />
echter Rennfahrer<br />
fühlen<br />
möchte, den verschlägt<br />
es ins<br />
Go-Kart oder vor<br />
die Spielekonsole.<br />
Eine einzigartige<br />
Gelegenheit<br />
Rennfeeling zu<br />
spüren, erhielt<br />
das <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> auf dem<br />
Red Bull Ring.<br />
»Wer‘s gleich zu schnell angeht, tut sich keinen<br />
Gefallen«, mahnt der Mann im blauen<br />
Polohemd. »Das bringt euch nur falsche Eindrücke<br />
- tastet euch langsam heran, versucht,<br />
Vertrauen zu finden.« Gehört, genickt und<br />
mit einem kräftigen Schluck Mineralwasser<br />
verinnerlicht. Der Mann im blauen Polohemd,<br />
der niemand Geringerer als der<br />
frühere Formel-1-Pilot Karl Wendlinger ist,<br />
fährt fort: »Es ist unwahrscheinlich, dass ihr<br />
die Reifen auf die passende Temperatur bringen<br />
werdet. Ihr müsst also besonders vorsichtig<br />
sein. Keine Hitze in den Slicks, keine<br />
Haftung und zack, ihr dreht euch.« Konzentration<br />
und die Nervosität steigen, ebenso<br />
die Spannung und Vorfreude auf das, was<br />
nunmehr kurz bevor steht: der Höhepunkt<br />
des zweitägigen Luxusevents »Go with the<br />
Pro«, der darin besteht, einen Formel-Wagen<br />
über die nicht ganz viereinhalb Kilometer<br />
lange Strecke in Spielberg zu bewegen.<br />
In der Box angekommen, warten bereits<br />
Wendlingers Kollegen, zu denen Patrick<br />
Friesacher zählt - ein weiterer Polohemd-<br />
Mann mit F1-Erfahrung. Es folgen erneut warnende<br />
Worte und eine ausführliche Einweisung<br />
in die Funktionsweise der kleinen Formel-<br />
Flitzer, die die Anspannung auf einen neuen<br />
Höhepunkt klettern lassen. Apropos Formel<br />
Flitzer: Gegenstand des Geschehens ist ein Formel<br />
Renault 2.0 aus dem gleichnamigen Eurocup,<br />
gewissermaßen die zweite Vorstufe eines<br />
Formel-1-Bolidens. Der zirka 600 kg leichte<br />
Monoposto verfügt über 210 PS, wodurch er<br />
locker einem Porsche GT3 (450 PS) recht<br />
unchristlich die Leviten lesen kann. Übertragen<br />
wird jene Kraft durch ein sequenzielles Sechs-<br />
Gang-Schaltgetriebe, dessen Verwendung einen<br />
robusten Umgang verlangt. Gestoppt wird aus<br />
Gründen der Materialabnutzung per<br />
Stahlbremse.<br />
Nach weiteren Tipps zum Thema Bremse sowie<br />
Ideallinie und Randsteine geht‘s los. Einsteigen<br />
ist angesagt - reingequetscht, unterlegt mit Sitzschale<br />
und Schaumstoff sowie gefesselt durch<br />
Sechspunktgurt und Cockpitumrandung, fühlt<br />
man sich gleich pudelwohl. Ungefähr so, wie in<br />
einem überdimensionierten Schraubstock. Für<br />
68 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
ausreichende Bewegungs- beziehungsweise<br />
Blickfreiheit sorgen Stilo-Helm sowie das allseits<br />
bekannte HANS-System. Alles, was nach dem<br />
Anfahren geschieht, wurde tags zuvor im Driving<br />
Center der Anlange in einigen KTM X-Bow<br />
ausführlich geprobt. Die brettharte Kupplung<br />
des kleinen Renaults verlangt jede Menge<br />
Gefühl, vor allem bei einem Pulsschlag weit<br />
jenseits von Gut und Böse.<br />
Kaum rollt der Wagen, liegt das Ende der<br />
Boxengasse auch schon direkt vor Augen.<br />
Gleich kräftig drauftreten, ist nicht erlaubt.<br />
»Immer schön langsam. Denkt an die Reifen<br />
und die Leitplanken«, tönt es plötzlich über<br />
den Boxenfunk. Nach einer Runde mit gedrosseltem<br />
Tempo, gepaart mit einem ersten Warmwerden<br />
mit dem Material, folgt der große<br />
Moment. »Auf geht‘s, ab jetzt gehört die Bahn<br />
euch!« Doch halt! Wer glaubt, er könne gleich<br />
die Fetzen fliegen lassen, wird schnell auf den<br />
Boden der Tatsachen zurückgeholt. Kaum<br />
erfolgt das erste optimistische Herausbeschleunigen<br />
aus einer Kurve, versprüht der Formel<br />
Renault Gift.<br />
Das Ausbrechen des Hecks erfordert eine derart<br />
reaktionsschnelle Korrektur am Lenkrad,<br />
wie sie kaum mit etwas zu vergleichen ist -<br />
weder mit KTM X-Bow noch mit Porsche 911.<br />
Ruckzuck schwirren die Worte Wendlingers<br />
im Kopf: »Keine Hitze in den Slicks, keine Haftung.«<br />
Und tatsächlich: Erst wenn man es<br />
schafft, die Reifen auf Temperatur zu bringen,<br />
kann man Runde um Runde eins drauflegen.<br />
Im Rausch des fantastisch funktionierenden<br />
Systems von aerodynamischem und mechanischem<br />
Grip ist Konzentration das oberste<br />
Gebot.<br />
So schnell ein Formel-Fahrzeug bewegt werden<br />
kann, so schmal ist dessen Grenzbereich. Das<br />
wird gerade in schnellen Passagen deutlich.<br />
Kleine Rutscher und Bewegungen des Wagens<br />
verlangen nach unverhältnismäßig genaueren<br />
und primär zügigeren Reaktionen als in jedem<br />
anderen Fahrzeugtyp. Vollgas, Fliehkräfte und<br />
mit voller Kraft in die Eisen - unvermeidbar ist<br />
in diesen Geschwindigkeits-Sphären vor allem<br />
eines, und zwar das Grinsen im Gesicht. Während<br />
der Fahrt und lange, lange danach.<br />
Fotos: red bull content pool<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 69
Corvette Z06.R GT3<br />
Sound<br />
gewinnt<br />
keine<br />
Rennen<br />
Text: Robert Seiwert<br />
Motor<br />
»Hubraum und Drehmoment ohne Ende - wenn du<br />
aufs Gas steigst, geht sofort die Post ab. In der Corvette<br />
ist die amerikanische Philosophie fest verankert:<br />
Bei den Benzinpreisen in den USA ist es egal,<br />
wie viel Sprit der Motor schluckt; Hauptsache, es<br />
geht voran. Seit 2012 verfügt die GT3-Corvette über<br />
einen neuen, kleineren 6,2 Liter V8-Motor. Mit 1.200<br />
Kilo Leergewicht schafft das Auto den Sprint von 0<br />
auf 100 km/h in 3,9 Sekunden, in rund zehn Sekunden<br />
knackst du die 200 km/h-Marke.«<br />
Auspuff<br />
»Das ADAC GT Masters ist in Sachen Sound<br />
generell ein Paradies für <strong>Motorsport</strong>-Fans. Zwar<br />
kann der Corvette-Klang nicht ganz mit dem<br />
Mercedes-Benz AMG SLS GT3 und den Camaros<br />
mithalten, dafür summt das Auto beim Fahren.<br />
Heinz-Harald Frentzen sitzt<br />
im ADAC GT Masters am Steuer<br />
einer Corvette Z06.R GT3. Der<br />
ehemalige Formel-1- und DTM-<br />
Star erklärt im <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> die Geheimnisse des<br />
amerikanischen Rennsport-<br />
Klassikers.<br />
70 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Das hört sich interessant an, aber es gibt ein<br />
paar Boliden im Feld, die besser klingen. Aber<br />
was soll‘s? Sound gewinnt keine Rennen und<br />
bringt keine Punkte.«<br />
Aerodynamik<br />
»Die Corvette hat sich seit dem Jahr 2005 äußerlich<br />
nur bedingt verändert. Das Auto besitzt eine<br />
langjährige Tradition im GT3-Sport, das hat Vorund<br />
Nachteile. Von der Basis her ist die Corvette<br />
auf reine Performance ausgelegt, die Gewichtsverteilung<br />
ist erstklassig. Deshalb sind aerodynamische<br />
Anbauten gar nicht so entscheidend. Wir<br />
haben zwar einen großen Heckflügel am Auto, den<br />
können wir aber nur bedingt nutzen, weil wir das<br />
Auto ja ausbalancieren müssen. Auf der Geraden<br />
ist die Corvette generell schnell, aber in den Kurven<br />
fehlt ein bisschen Abtrieb.«<br />
Vergleich<br />
»Ein GT3-Auto kann man einfach nicht mit einem<br />
Formel-1-Boliden vergleichen. Allein das Verhältnis<br />
zwischen Eigengewicht und Downforce beim F1-Auto<br />
ist unbeschreiblich und mit nichts zu vergleichen. Mit<br />
einem DTM-Auto kann man schon eher einen Vergleich<br />
anstellen, allerdings sind die Tourenwagen<br />
deutlich leichter und verfügen über wesentlich mehr<br />
aerodynamischen Einfluss. Es gibt keine immensen<br />
Unterschiede zwischen GT3- und DTM-Boliden,<br />
wenngleich Abtrieb und Gewicht eine große Rolle<br />
spielen. GT3s sind eher auf den Breitensport ausgelegt,<br />
die Gewöhnung ans Auto fällt leichter.«<br />
Cockpit<br />
»Mit der Corvette sind wir noch konventionell<br />
unterwegs: Wir haben zwar ein sequentielles<br />
Getriebe, schalten aber noch per Schaltknüppel<br />
die Gänge durch. Der Unterschied zu Shift Paddles,<br />
die ich noch aus der Formel 1 kenne, ist groß. Es<br />
ist von Vorteil, wenn du beide Hände am Lenkrad<br />
lassen kannst. Das Auto lässt sich wesentlich<br />
angenehmer fahren und es benötigt weniger<br />
Kraftaufwand.«<br />
Bremsen<br />
»Mit der Corvette komme ich zum ersten Mal in<br />
meiner langen <strong>Motorsport</strong>karriere in den Genuss<br />
einer ABS-Bremsanlage. Das war für mich der<br />
Hammer und hat mich von Anfang an komplett<br />
umgehauen! Es ist unglaublich, was man damit<br />
heutzutage machen kann. Die elektronischen Fahrassistenten,<br />
die in der Formel 1 und DTM größtenteils<br />
verboten sind, helfen auch Breitensportlern,<br />
auf Anhieb gut mit dem Auto zurecht zu<br />
kommen.«<br />
Fotos: adac gt masters<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 71
Fotos: adAC<br />
Gustav Malja musste<br />
sich Marvin Kirchhöfer<br />
geschlagen geben<br />
TALENT<br />
Der Reise-Meister<br />
Text: Robert Seiwert<br />
Die meisten Piloten fliegen zu den Rennen - nicht so Gustav Malja. Der schwedische Youngster reist mit dem<br />
Auto und der Familie durch die Weltgeschichte. Seinem Erfolg im ADAC Formel Masters schadete das nicht.<br />
Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> nimmt den talentierten Schweden unter die Lupe.<br />
Die Anfänge<br />
»Meine Karriere begann im Alter von fünf Jahren<br />
unter dem Tannenbaum: Mein Vater schenkte mir<br />
zu Weihnachten ein 60ccm-Kart und von da an<br />
ging es los. Meine ersten Rennen fuhr ich als Zehnjähriger<br />
und nach etlichen Siegen in der schwedischen<br />
Nachwuchsmeisterschaft begann ich 2009<br />
mit meiner internationalen Karriere. Ich erhielt<br />
schnell die Möglichkeit, ein Formelauto zu testen.<br />
Ich habe es von Anfang an geliebt und fuhr 2011<br />
als jüngster Pilot des Feldes im ADAC Formel<br />
Masters. Meine zweite Saison in der Nachwuchsserie<br />
schloss ich als Gesamtzweiter ab.«<br />
Die Erfolge<br />
»2009 gewann ich die schwedische Kartmeisterschaft<br />
und wurde beim prestigeträchtigen Einladungsrennen<br />
in Monaco Fünfter. Mein bislang<br />
größter Erfolg ist die Vize-Meisterschaft im ADAC<br />
Formel Masters 2012. Vor dem letzten Rennwochenende<br />
der Saison führte ich die Tabelle an, doch<br />
am Ende reichte es leider nicht ganz zum Titel.<br />
Immerhin fuhr ich am letzten Rennwochenende<br />
in Hockenheim dreimal auf das Podium und hatte<br />
einen versöhnlichen Abschluss in der Nachwuchsserie<br />
des ADAC.«<br />
Das Ziel<br />
»Das Ziel ist klar: Ich würde gerne in der Formel<br />
1 fahren. Es gibt verschiedene Wege bis ganz nach<br />
oben und ich möchte herausfinden, welcher für<br />
mich der beste ist. Nach zwei Jahren im ADAC<br />
Formel Masters peile ich zur neuen Saison den<br />
Aufstieg in die Formel 3 an. Ich durfte bereits zweimal<br />
einen F3-Boliden testen und bin zuversichtlich,<br />
dass der Einstieg klappt. Sollte ich das Gefühl<br />
haben, kein guter Formelpilot zu sein, könnte ich<br />
mich auch mit GT- oder Sportwagen anfreunden<br />
- Hauptsache, ich kann den Rennsport zum Beruf<br />
machen und damit Geld verdienen.«<br />
Die Ausbildung<br />
»Meinen Schulabschluss habe ich voraussichtlich<br />
2014 in der Tasche - ich muss also noch eine ganze<br />
Weile die Schulbank drücken. Der <strong>Motorsport</strong><br />
nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, aber ich schaffe<br />
es recht gut, beides unter einen Hut zu bekommen.<br />
Meine Lieblingsfächer haben in gewisser Weise<br />
etwas mit Racing zu tun: Sport und Mathe. Ein<br />
Schulabschluss ist wichtig; so verfüge ich über eine<br />
gute Alternative, falls es mit der Rennsportkarriere<br />
nicht klappen sollte.«<br />
Die Hobbys<br />
»Schule und <strong>Motorsport</strong> sind ein hartes Programm,<br />
für Hobbys bleibt da leider nicht so viel<br />
Zeit. Aber ich liebe Musik und könnte von morgens<br />
bis abends britischen Rock und Rapmusik<br />
hören. Zeit dafür habe ich vor allem, wenn ich mit<br />
meiner Familie im Auto zu den Rennwochenenden<br />
reise. Von Schweden aus liegen die meisten Strecken<br />
mehr als zehn Stunden Autofahrt entfernt.<br />
Das ist zwar recht anstrengend, aber ich bin mir<br />
sicher, dass es sich lohnt. Wenn ich mal alleine<br />
reise, setze ich mich aber doch lieber ins<br />
Flugzeug.«<br />
72 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Die Champions<br />
im ADAC MX<br />
Masters 2012<br />
stehen fest<br />
Sieger auf Suzuki<br />
Beim ADAC MX Masters Finale in Holzgerlingen musste Marcus Schiffer<br />
mit eingeklemmtem Nerv aussetzen, doch kein Problem für den Frechener<br />
- schließlich hatte er sich bereits am vorletzten Rennwochenende<br />
im niederländischen Emmen frühzeitig den Titel in der stärksten Motocross-Serie<br />
Deutschlands gesichert. Großen Jubel gab es jedoch nicht<br />
nur bei Schiffer, sondern auch beim Markenkollegen Jeremy Seewer,<br />
der sich 2012 die Youngster Krone aufsetzen konnte.<br />
Last-Minute-Titel<br />
In einem spannungsgeladenen Finale auf dem Hockenheimring<br />
krönten sich Maximilian Götz und Sebastian Asch zu den neuen<br />
Meistern des ADAC GT Masters. Mit ihrem ersten Saisonsieg im<br />
letzten Rennen setzte sich das Mercedes-Duo gegen fünf weitere<br />
Titelaspiranten durch. »Die letzten 15 Minuten im Auto waren<br />
die schwierigsten meiner gesamten Rennfahrerkarriere«, sagte<br />
Asch nach dem Triumph. Das Corvette-Duo Daniel Keilwitz / Diego<br />
Alessi sicherte sich die Vize-Meisterschaft.<br />
Die Men in Black sind die neuen<br />
Meister des ADAC GT Masters<br />
Nachwuchs<br />
von morgen<br />
Beim dritten Experience Day des ADAC Formel Masters auf<br />
dem Lausitzring erhielten 25 Kart-Talente aus Deutschland,<br />
Österreich, Dänemark und Bulgarien die Gelegenheit, zum<br />
ersten Mal Formel-Luft zu schnuppern. Auf dem Programm<br />
standen Anfahr- sowie Schaltübungen und erste Runden auf<br />
der Strecke. »Jeder Kartfahrer träumt davon, in einem Formel-<br />
Auto zu fahren«, sagte Mücke-Pilot Jason Kremer. »Deshalb<br />
ist der Experience Day eine tolle Veranstaltung für<br />
Nachwuchstalente.«<br />
Der ADAC Experience<br />
Day am Lausitzring<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 73
74 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Foto: milagro<br />
krise im<br />
paddock<br />
Jorge Lorenzo muss<br />
sich in dieser Saison<br />
nicht im Wald<br />
verstecken. Nur die<br />
Yamaha bräuchte etwas<br />
mehr Power<br />
Wenige Rennen vor Saisonende setzten viele Teams<br />
sämtlicher MotoGP-Klassen ihre starken Fahrer vor<br />
die Tür und tauschten sie mit anderen Piloten aus, die<br />
wohl den einen oder anderen Euro mehr mitbringen.<br />
Klar regiert Geld die Welt, aber war es nicht ursprünglich<br />
einmal Aufgabe eines Teams, die nötigen finanziellen<br />
Mittel für eine Saison aufzutreiben? Ein Motorradfahrer<br />
sollte den Kopf frei haben, einfach aufs Bike<br />
steigen und um den Sieg kämpfen können, doch das<br />
reicht heute schon lange nicht mehr. Talent hat längst<br />
ausgedient, Plätze werden nur noch erkauft und Überrundungen<br />
sind an der Tagesordnung. Arme kapitalistische<br />
Moped-Welt! - Maria Pohlmann<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 75
Text: Falko Schoklitsch<br />
Livio Suppo ist eine der einflussreichsten Personen im Fahrerlager der MotoGP und<br />
ein wichtiger Entscheider bei Honda. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> hat sich mit ihm über<br />
seinen Fahrerkader und die Zukunft der Weltmeisterschaft unterhalten.<br />
Fotos: milagro<br />
76 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Fotos: milagro<br />
MSM: Ihre Karriere und jene von Casey Stoner<br />
waren in den vergangenen Jahren eng verbunden.<br />
Wie traurig sind Sie, dass er zurücktritt?<br />
LIVIO SUPPO: Ich habe viel Respekt vor einem<br />
Spitzenfahrer, der den Mut hat, an der Spitze<br />
seiner Laufbahn zu sagen, er hört auf. Leider ist<br />
es meistens so, dass die Spitzenleute es schwer<br />
haben, den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören<br />
zu finden. Ich glaube, es ist bei ihnen meist so,<br />
dass sie glauben, dass sie nicht schlechter werden,<br />
sondern einfach nur eine schlechte Saison<br />
haben. Dann warten sie und warten sie und<br />
warten sie und am Ende ist es dann eher traurig.<br />
Das gilt nicht nur für die MotoGP, sondern für<br />
jeden Sport. Hier hat ein Fahrer drei verschiedene<br />
Möglichkeiten, um abzutreten: er hört an<br />
der Spitze auf, er fährt zu lange, wodurch es<br />
traurig oder auch lächerlich wird, oder er verletzt<br />
sich. Die Topfahrer in diesem Sport ereilt<br />
meist eine dieser zwei Optionen: sie verletzen<br />
sich oder es wird lächerlich. Nur wenige hören<br />
auf, wenn sie an der Spitze stehen. Ich kann mich<br />
hier nur an Casey erinnern, in der Superbike<br />
vielleicht noch Troy Bayliss, denn er gewann die<br />
letzten Rennen, gewann die Weltmeisterschaft<br />
und hörte auf. Aber auch generell im Sport gab<br />
es nicht viele. Ich erinnere mich etwa an Pirmin<br />
Zurbriggen, den ich kennenlernen durfte, als ich<br />
noch bei Nordica arbeitete. Er hörte im Alter<br />
von 27 auf, nachdem er vier Mal Ski-Weltcup-<br />
Sieger geworden war. Sicher ist das für jeden<br />
Athleten eine schwierige Entscheidung und ich<br />
habe viel Respekt vor jenen, die sie treffen können,<br />
wenn sie ganz oben sind.<br />
Wie intensiv haben Sie versucht, Casey zum<br />
78 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Bleiben zu überreden?<br />
Weil das hier ein sehr gefährlicher Sport ist, ist<br />
es sehr schwierig, jemanden zu überzeugen, dass<br />
er seine Meinung ändert. Wenn es Tennis wäre,<br />
dann gibt es kein großes Risiko, da müsste man<br />
nur jemand überzeugen, dass er weiter den Einsatz<br />
bringen muss. Wenn man hier jemanden<br />
dazu überredet, dass er weiterfährt und dann<br />
passiert etwas Schlimmes, ist es etwas ganz<br />
anderes. Natürlich haben wir alles uns Mögliche<br />
getan. Wir haben ein ökonomisch sehr gutes<br />
Angebot zusammengestellt. Wir wussten aber,<br />
dass Casey nicht der Typ ist, den man kaufen<br />
kann. Auf der anderen Seite ist Geld immer noch<br />
Geld; wie erwartet, sprang er aber nicht darauf<br />
an.<br />
Jetzt beginnt ein neues Kapitel, Marc Marquez<br />
kommt in die MotoGP. Wie spannend finden<br />
Sie es, dass er nun in die Königsklasse kommt?<br />
Wenn man sich Marcs bisherige Karriere ansieht,<br />
so hat er in der 125er und der Moto2 einen<br />
unglaublichen Job gemacht. Voriges Jahr holte<br />
er beinahe als Rookie den Titel in der Moto2.<br />
Diese Saison dominiert er die Weltmeisterschaft.<br />
Theoretisch hat er also alles Talent, um auch in<br />
der MotoGP stark zu sein. Auf der anderen Seite<br />
wissen wir alle, dass es eine Sache ist, in der kleinen<br />
Klasse schnell zu sein und es etwas anderes,<br />
in der MotoGP schnell zu sein. Das ist nicht nur<br />
eine Frage des Talents, es ist eine Frage vieler<br />
Dinge; von Entschlossenheit und manchmal<br />
auch Glück. Es ist daher zu früh, etwas vorherzusagen.<br />
Theoretisch hat er alles, was er braucht,<br />
um ein starker Fahrer in der MotoGP zu sein.<br />
Solange er das nicht zeigt, wissen wir es aber<br />
nicht. Im kommenden Jahr haben wir aber gar<br />
keine Erwartungen, wir müssen ihm nur helfen,<br />
damit er sich so gut wie möglich entwickelt. Er<br />
hat einen sehr starken Teamkollegen, der nächstes<br />
Jahr die Verantwortung tragen muss. Daran<br />
ist er aber gewöhnt, denn von den zwei Saisons<br />
mit Casey einmal abgesehen war Dani immer<br />
der stärkste Fahrer bei Honda, daher weiß er,<br />
wie es ist, diese Verantwortung zu tragen. Wir<br />
werden sehen.<br />
Sie möchten eine möglichst druckfreie Umgebung<br />
für Marc schaffen, aber in der Presse sind<br />
die Erwartungen teilweise jetzt schon sehr hoch.<br />
Glauben Sie, das könnte ihm gegenüber etwas<br />
unfair sein oder ihm zu viel Druck machen?<br />
Ich denke, auch wenn Marc noch sehr jung ist,<br />
so ist er es bereits gewohnt, solchen Erwartungen<br />
ausgesetzt zu sein. Seit seinem starken<br />
Debüt in der 125er Klasse war er von starken<br />
Sponsoren umgeben, was gute Maschinen und<br />
so weiter bedeutet. Daher kennt er trotz seines<br />
jungen Alters diesen Druck. Ich denke, er ist<br />
intelligent genug, um zu verstehen, dass die<br />
Meinungen in der Presse das eine und die Tatsachen<br />
in der Garage das andere sind.<br />
Und Dani ist ja auch noch da. Er hatte ein gutes<br />
Jahr und wenn er kein Pech hatte, konnte er<br />
zeigen, was er drauf hat. Freuen Sie sich für<br />
ihn?<br />
Ehrlich gesagt, verdient er es, bis zum letzten<br />
Rennen um die Weltmeisterschaft zu kämpfen.<br />
2008 führte er die WM an, als er sich verletzte.<br />
Seit seinem Debüt in der WM 2006 war es dieses<br />
Jahr das erste Mal, dass er die Vorbereitung und<br />
die Saison ohne körperliche Probleme bestreiten<br />
konnte. Ich denke, er hat dieses Jahr bewiesen,<br />
dass er das Potential hat, um die Weltmeisterschaft<br />
zu kämpfen.<br />
Wie zufrieden sind Sie mit Stefan Bradls Leistung<br />
in seinem Rookie-Jahr?<br />
Sehr, sehr zufrieden. Stefan war jemand, den ich<br />
schon mochte, als ich bei Ducati war. Ich versuchte<br />
vor vielen Jahren, ihn zu einem Vorvertrag<br />
mit Ducati zu überreden. Dann begann die<br />
große Krise und die Gelegenheit verstrich. Ich<br />
habe Stefan aber von Anfang an im Auge gehabt<br />
und für Nakamoto-san galt das Gleiche. Wir<br />
mögen ihn, seine Einstellung und seine Arbeitsweise.<br />
Voriges Jahr war er in der Moto2-Weltmeisterschaft<br />
sehr beeindruckend. Wir haben<br />
deswegen gerne versucht, ihn bei Lucio [Cecchinello]<br />
unterzubringen, wobei das für ihn<br />
nicht einfach war. Lucio hat ein Privatteam, er<br />
muss seine Sponsoren überzeugen, dass er einen<br />
guten Fahrer geholt hat. Voriges Jahr lief das mit<br />
Toni [Elias] leider sehr schlecht. In der Vorbereitung<br />
auf die Saison 2011 hatte er seinen Sponsoren<br />
gesagt: ‚Wow, wir haben den Moto2-Weltmeister‘,<br />
und dann war es mit Toni ein →
»ein Fahrer hat drei verschiedene Möglichkeiten, um abzutreten: er<br />
hört an der Spitze auf, er fährt zu lange, wodurch es traurig oder<br />
auch lächerlich wird, oder er verletzt sich.«<br />
Der Honda-<br />
Fahrerkader ist<br />
auch Livio<br />
Suppos Baby<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 79
»Früher waren die Kosten für die Maschinen sehr hoch, aber es gab<br />
Tabaksponsoren, es gab spanische Unternehmen und italienische<br />
Unternehmen, da war ein Satelliten-Team ein gutes Geschäft.«<br />
Casey Stoner<br />
arbeitete eng<br />
mit Livio Suppo<br />
zusammen<br />
Fotos: milagro<br />
80 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Desaster. Deswegen sagte er uns auch: ‚Wie kann<br />
ich wieder zu meinen Sponsoren gehen und<br />
sagen, hey, ich habe wieder den Moto2-Weltmeister?‘<br />
Er hatte Angst, dass die Sponsoren<br />
nicht so glücklich sein würden. Es gibt da immer<br />
wieder Gerüchte, dass die Moto2 nicht gut ist,<br />
um zu lernen, was ich aber für dumm halte.<br />
Denn letztendlich kann ein guter Fahrer alles<br />
lernen. Honda hat an das Potential von Stefan<br />
geglaubt, wir haben das Projekt zusammengestellt<br />
und haben Lucio etwas unter die Arme<br />
gegriffen, weil wir wussten, dass es für ihn ein<br />
großes Risiko war. Jetzt sind wir aber sehr<br />
erfreut, dass Lucio auch glücklich ist und seine<br />
Sponsoren ebenfalls. Stefan macht einen sehr<br />
guten Job. Natürlich ist es nicht einfach und<br />
nächstes Jahr wird er einen weiteren Schritt<br />
machen müssen. Dieses Jahr ist ein Lehrjahr, er<br />
ist ein Rookie, wir erwarten nichts. Nächstes Jahr<br />
muss er einen weiteren kleinen Schritt machen.<br />
Wenn man sich aber die erste und zweite Saison<br />
von Cal Crutchlow ansieht, dann ist es normal,<br />
dass ein Rookie nur schwer sofort superstark<br />
sein kann. Es gibt nur wenige im Fahrerlager,<br />
die so etwas können: einer ist Valentino, einer<br />
ist Dani, einer ist Jorge und einer ist Casey, sonst<br />
kann ich mich an niemanden erinnern. Wenn<br />
man es mit den normaleren Fahrern vergleicht,<br />
dann war Stefan besser als viele von den anderen<br />
Topfahrern da draußen - etwa besser als Spies<br />
in seiner ersten Saison. Er hat also jedes Potential,<br />
um ein ganz starker Fahrer zu werden.<br />
Sollte er mit den Fortschritten weitermachen,<br />
ist er dann auch ein Kandidat für eine Werks-<br />
Maschine oder einen Platz im Werks-Team?<br />
In den nächsten beiden Jahren ist das Werks-<br />
Team zu. Aber glauben Sie mir, der Unterschied<br />
zwischen dem Werks-Motorrad und dem Satelliten-Motorrad<br />
ist beinahe null. Seit dem Vorjahr<br />
vertreten wir zudem eine Politik, die von<br />
den Ergebnissen abhängt, um neue Teile zu<br />
erhalten. Sollte Stefan also nächstes Jahr nach<br />
vier Rennen die Weltmeisterschaft anführen -<br />
was nicht unmöglich ist, weil die Maschinen zu<br />
Jahresanfang gleich sind -, dann würde die Konzentration<br />
von HRC ganz auf ihn übergehen.<br />
Nur weil er kein Repsol-Fahrer ist, hieße das<br />
nicht, dass er nichts Neues bekommen würde.<br />
Sie haben die Finanzkrise bereits kurz angesprochen.<br />
Es wurden schon einige Sparmaßnahmen<br />
getroffen, die aber noch immer nicht<br />
ausreichend zu sein scheinen. Was könnte noch<br />
gemacht werden? Ist etwa der billigere Werks-<br />
Prototyp von Honda ein Weg, um die Kosten<br />
zu senken und mehr Teams in die WM zu<br />
holen?<br />
Nach meiner Meinung ist es nicht nur eine Frage<br />
des Geldes oder des technischen Reglements.<br />
Das ist eine sehr komplizierte Situation, nicht<br />
nur für die MotoGP, sondern generell betrachtet.<br />
Ob man es mag oder nicht, die Weltmeisterschaften<br />
sind normalerweise in Europa zuhause,<br />
die Formel 1, die MotoGP, die Superbike. Der<br />
Kern liegt traditionell in Europa und heutzutage<br />
ist Europa in einer sehr schwierigen Situation.<br />
Vor rund zehn Jahren, waren die Kosten für die<br />
Maschinen sehr hoch, aber es gab Tabaksponsoren,<br />
es gab spanische Unternehmen und italienische<br />
Unternehmen, da war ein Satelliten-<br />
Team noch ein gutes Geschäft. Heutzutage ist<br />
die Situation dramatisch anders - nicht was die<br />
Kosten betrifft, sondern was die Einnahmen<br />
betrifft. Daher sollte sich die Arbeit der Dorna,<br />
der Teams und der Hersteller mehr und mehr<br />
darauf konzentrieren, die Einnahmen zu steigern.<br />
Das schließt viele Dinge ein, die gemacht<br />
werden können, aber erst langfristig funktionieren.<br />
Ein Fahrer wie Stefan ist beispielsweise ein<br />
großes Plus für diese Weltmeisterschaft, weil<br />
eines unserer Probleme ist, dass die starken Fahrer<br />
normalerweise aus Spanien oder Italien kommen.<br />
Nur manchmal sind sie Australier oder<br />
Amerikaner. Spanien und Italien sind zwei Länder,<br />
in denen die Situation aktuell sehr schlimm<br />
ist. Australien ist ein kleiner Kontinent auf der<br />
anderen Seite der Welt, daher ist er für Sponsoren<br />
nicht besonders attraktiv. Amerika ist<br />
traditionell so ausgerichtet, dass die amerikanischen<br />
Unternehmen mehr an amerikanischen<br />
Sportarten interessiert sind. Man muss sich nur<br />
daran erinnern, dass Mario Andretti in der Formel<br />
1 war, die Formel 1 in den USA aber weiterhin<br />
unbedeutend ist. Um die Popularität des<br />
Sports zu steigern, brauchen wir daher Leute aus<br />
vielen verschiedenen Ländern, die vorne mitfahren.<br />
Das zu erreichen, ist aber ein langwieriger<br />
Prozess. Die Moto2 ist eine gute Änderung.<br />
Man muss nur daran denken, dass Stefan ohne<br />
die Moto2 sein Talent nicht hätte zeigen können,<br />
denn für eine konkurrenzfähige Zweitakt-250er<br />
musste man viel Geld bezahlen. Voriges Jahr hat<br />
sein Team mit einem vernünftigen Budget einen<br />
tollen Job gemacht. Früher hätte er ohne das<br />
Geld für eine konkurrenzfähige Maschine nie<br />
sein Talent zeigen können. Daher brauchen wir<br />
kleine Klassen, in die man einfach einsteigen<br />
kann, um Fahrern verschiedener Nationalität<br />
dabei zu helfen, sich zu entwickeln. Das ist aber<br />
nur eine Sache: dann müssen wir in verschiedenen<br />
Ländern fahren, wir müssen die Sicherheit<br />
verbessern und so weiter.<br />
Sind die CRTs auch ein Weg, um neue Fahrer<br />
in die Königsklasse zu bringen? Was denken Sie<br />
allgemein über CRT?<br />
Ob man sie nun mag oder nicht, aber die CRTs<br />
sind primär ein Weg, um mehr Maschinen auf<br />
der Strecke zu haben. Sie geben Teams und kleinen<br />
Herstellern wie Suter die Chance, eine<br />
Maschine für die MotoGP zu bauen. Es ist etwas<br />
anderes. Vor den CRTs konnte man nur eine<br />
Maschine von einem Hersteller leasen - von<br />
Honda, Yamaha oder Ducati. Yamaha least seit<br />
vielen Jahren nicht mehr als zwei Maschinen,<br />
das ist mit Tech 3 abgedeckt. Ducati hatte Probleme,<br />
mehr als vier zu liefern und Honda kann<br />
vielleicht sechs bringen, aber letztendlich löst<br />
man die Situation damit nicht. Daher musste die<br />
Dorna eine Regel finden, damit es etwas mehr<br />
Freiheit gibt und Fahrer auf die Strecke kommen,<br />
auch wenn die Hersteller da nicht mitziehen.<br />
Vielleicht ist das nicht die Ideallösung und<br />
man muss das noch tunen, letztendlich ist es aus<br />
technischer Sicht aber schwer, die CRTs zu beurteilen.<br />
Momentan sieht man keinen Spitzenfahrer<br />
auf einer CRT. Ich würde gerne Casey, Jorge<br />
oder Dani auf einer CRT sehen, vielleicht wäre<br />
die Lücke dann nicht so groß. Setzt man sie auf<br />
eine Aprilia, die im Moment das beste CRT-<br />
Livio Suppo<br />
kennt den<br />
richten Umgang<br />
im Fahrerlager<br />
Bike ist, dann glaube ich nicht, dass Casey, Dani<br />
oder Jorge drei Sekunden langsamer wären als<br />
mit ihren Prototypen. Voriges Jahr war Toni auf<br />
einer Honda drei Sekunden langsamer als Casey.<br />
In diesem Sport glaubt man immer, dass man<br />
mit technischen Regeln etwas ändern kann, aber<br />
die Realität ist so, dass die Fahrer durchaus einen<br />
großen Unterschied machen. Man kann nicht<br />
alles mit technischen Regeln lösen.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 81
Glücksbringer<br />
und andere<br />
Persönlichkeiten<br />
Text: Maria Pohlmann<br />
Sie sind schnell, haben ein starkes Bike, eine fleiSSige Crew, Talent<br />
und einen ausgeprägten Siegeswillen. Doch selbst den schnellsten<br />
Piloten auf diesem Planeten würde mit all diesen Eigenschaften<br />
noch etwas Entscheidendes fehlen. Ein guter Freund.<br />
Fotos: milagro
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 83
Schon Johann Wolfgang<br />
von Goethe wusste: »Mit<br />
einem kritischen Freund<br />
an der Seite kommt man<br />
immer schneller vom<br />
Fleck.« Dabei ist es nicht<br />
nur Kritik, sondern<br />
besonders Hilfe und Vertrautheit<br />
auf den Rennstrecken dieser Welt, die<br />
viele Fahrer antreiben. Ob Freunde, Assistenten,<br />
Pressesprecher, Partner oder Familienmitglieder:<br />
Fast jeder Fahrer im GP-Zirkus sorgt dafür, dass<br />
er an einem Rennwochenende nicht allein mit<br />
seiner Crew dasteht und bringt persönliche<br />
Unterstützung mit. Andrea Dovizioso erklärt:<br />
»Es ist unheimlich wichtig! Die Leute um dich<br />
herum sind unglaublich bedeutend, weil es hinter<br />
den Kulissen eines Rennens so viele verschiedene<br />
Dinge zu tun gibt. Manchmal stürzt du, bist nicht<br />
so schnell und dann brauchst du die maßgebliche<br />
Unterstützung, um zu verstehen, ob du dich noch<br />
verbessern kannst, ob du schon alles gegeben hast<br />
oder noch mehr geben kannst. Wir sind alle nur<br />
Menschen. Wenn man auf das Bike steigt, will<br />
man immer unbedingt ein gutes Ergebnis. Die<br />
Leute um einen herum bringen dabei einen sehr<br />
positiven Einfluss mit.«<br />
Nick Sannen ist an jedem Rennwochenende für<br />
Nicky Hayden da und war auch nach seinem<br />
Sturz in Aragon der Erste an der Unfallstelle, um<br />
seinen besten Freund mit dem Scooter sicher zur<br />
Ducati-Box zurückzubringen. »Da konnte ich<br />
gleich nachsehen, ob es ihm gut geht«, sagt Sannen<br />
beruhigt. Doch auch Hayden sei generell<br />
froh - besonders nach einem negativen Erlebnis<br />
- einen Vertrauten zu sehen, der ihm wieder auf<br />
die Beine hilft. Dabei ist das noch lange nicht das<br />
Einzige, wofür der Belgier bei jedem MotoGP-<br />
Rennen zuständig ist. »Zunächst einmal fahre<br />
ich Nickys Motorhome, ich komme am Dienstag<br />
an, parke ein, mache alles sauber, damit für ihn<br />
alles bereit ist. Während des Wochenendes assistiere<br />
oder helfe ich ihm eigentlich bei allem:<br />
84 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Kombi, Stiefel, Helme...« Sobald Hayden an der<br />
Rennstrecke ankommt, begeben sich beide auf<br />
ausgiebige Fahrradtouren und auch bei den<br />
Überseerennen lässt Sannen seinen Freund nicht<br />
im Stich. »Ich reise mit ihm, am Wochenende<br />
mache ich die gleichen kleinen Dinge. Ich bin<br />
ein Freund und einfach für ihn da.«<br />
Einfach da zu sein, stellt sich aber nicht in jeder<br />
Situation leicht dar. Besonders während der Trainings,<br />
Qualifikationen und Rennen ist der<br />
27-Jähige enorm angespannt. »Ich bin manchmal<br />
ziemlich nervös, aber ich denke, das ist ganz normal,<br />
wenn man sich gut kennt und zusammen<br />
durch die Welt reist. Ich bin ganz schön aufgeregt,<br />
aber ich kann damit umgehen«, gibt er lächelnd<br />
zu. Selbst bei den Testfahrten im Winter versucht<br />
Sannen dabei zu sein, obwohl er hauptberuflich<br />
eigentlich einer ganz anderen Tätigkeit nachgeht.<br />
»Ich lebe in Belgien und arbeite bei meinem Vater<br />
in unserer Motorhome-Firma. Wir verleihen<br />
amerikanische Motorhomes, ich habe also auch<br />
andere Dinge zu tun.« Hayden an den Rennwochenenden<br />
zu begleiten und im Laufe einer Saison<br />
vier Kontinente zu bereisen, sei dennoch ein<br />
verdammt gutes Gefühl. »Ich bin jung und finde<br />
es super, viel herumzukommen und die Welt zu<br />
sehen. Es ist sehr schön. Ab und an ist es aber<br />
auch gut, mal für ein oder zwei Wochen nach<br />
Hause zu kommen. Das passiert momentan aber<br />
selten, die Saison ist sehr lang. Trotzdem macht<br />
es extrem viel Spaß.«<br />
Auch Carlos Gil ist gern einmal zu Hause, wenn<br />
er gerade nicht im Dienste des Weltmeisters von<br />
2010 umherwandelt. »Ich bin Jorges Schatten.<br />
Ich bereite alles in der Box vor, ich plane alles für<br />
ihn, von Interviews bis zu den Rennen«,<br />
beschreibt er seine Aufgabe. Sogar abseits der<br />
Rennstrecken umsorgt der Spanier seinen<br />
Schützling. »Ich arbeite das ganze Jahr lang mit<br />
ihm zusammen. Wenn wir kein Rennen haben,<br />
dann trainieren wir, gehen zum Arzt... alles was<br />
er so braucht.« Der 46-Jährige ist als Kommunikations-<br />
und Medien-Manager, sowie Assistent<br />
bei Jorge Lorenzo angestellt. »Eigentlich war ich<br />
aber Elektriker«, gibt er zu. Früher hatte Gil einen<br />
Job in der Yamaha Hospitality, seit vier Jahren<br />
arbeitet er nun in Vollzeit für den GP-Piloten<br />
und leidet in der Box, während er den 25-Jährigen<br />
auf der Strecke beobachtet. »Ich bin in jeder<br />
Session sehr nervös, aber ich denke, das ist normal.<br />
Ich verstehe mich sehr gut mit Jorge, obwohl<br />
ich viel älter bin als er und deshalb bin ich so<br />
aufgeregt. Wenn die Sessions oder das Rennen<br />
zu Ende sind, bin ich immer extrem erleichtert«,<br />
gesteht er.<br />
Wenn sich die Aufregung gelegt hat und sich die<br />
Saison dem Ende neigt, sollte eigentlich auch bei<br />
Gil und Lorenzo etwas Ruhe einkehren. Doch zu<br />
tun gibt es immer. »Im Winter haben wir lauter<br />
Events in Jakarta, Thailand, Indien, die Testfahrten<br />
und verschiedene Pressetermine.« Selbst<br />
ihre Freizeit verbringen beide ab und an miteinander,<br />
gehen ins Kino oder verabreden sich zum<br />
Essen. Seine knapp bemessene Zeit allein versucht<br />
Gil so oft wie möglich mit seinen drei Söhnen<br />
zu verbringen. »Ich lebe momentan in Scheidung.<br />
In der ganzen Welt unterwegs zu sein, ist<br />
für mich also perfekt. Ich mag das Abenteuer.<br />
Für mich ist diese Arbeit eine große Freude, auch<br />
familiär klappt es ganz gut.« Zeitweise sei der<br />
Tagesablauf des Familienvaters sogar recht<br />
gewöhnlich. »Manchmal führe ich mit meinen<br />
Freunden, aber auch mit Jorge ein ganz normales<br />
Leben«, lacht er. Aber was ist schon normal als<br />
rechte Hand eines MotoGP-Weltmeisters?<br />
Dabei hat Gil erst zu Beginn des Jahres einige der<br />
Arbeiten von Hector Martin übernommen, der<br />
seinerseits auf der Suche nach einer neuen<br />
Herausforderung zu Monlau Competicion wechselte<br />
und dort nun für Marc Marquez, Alex Rins,<br />
Miguel Oliveira und Alex Marquez zuständig ist.<br />
»Ich koordiniere das Moto3 und Moto2 Team,<br />
während der Rennen bin ich aber meistens in<br />
der Moto2 bei Marc Marquez. Ich bin sein Pres-<br />
Konzentration:<br />
Den Fahrern<br />
wird fast alles<br />
abgenommen<br />
»Ich bin Jorges Schatten.<br />
Ich bereite alles in der<br />
Box vor, ich plane alles<br />
für ihn, von Interviews<br />
bis zu den Rennen. Ich arbeite<br />
das ganze Jahr lang<br />
mit ihm zusammen. Wenn<br />
wir kein Rennen haben,<br />
dann trainieren wir, gehen<br />
zum Arzt...«
sesprecher und daher immer bei den Interviews<br />
dabei, aber auch bei den Events mit den Sponsoren«,<br />
erklärt er. Obwohl die Pressetermine der<br />
Moto3-Piloten von den beiden Titelsponsoren<br />
Repsol und CatalunyaCaixa kontrolliert werden,<br />
bleibt für den Katalanen auch unter der Woche<br />
im Büro des Teams noch genügend Arbeit liegen.<br />
»Ich bereite die nächsten Rennen und die Reisepläne<br />
für das Team vor, bin mit Marc bei einigen<br />
Events und kümmere mich um seine ganze Kommunikation.<br />
Ich kontrolliere die Sponsorenveranstaltungen<br />
zusammen mit Emilio Alzamora<br />
und kümmere mich dabei um Events von Helmoder<br />
Kombi-Herstellern.«<br />
Fotos: milagro<br />
Jeder Fahrer<br />
braucht einen<br />
Mann im<br />
Hintergrund<br />
Auch Marc<br />
Marquez hat<br />
eine große<br />
Crew um sich<br />
geschart<br />
Nebenher zeichnet der 32-Jährige auch noch<br />
für sämtliche Aktivitäten in den sozialen Netzwerken<br />
verantwortlich und das erfolgreich,<br />
schließlich tauchte der echte marcmarquez93<br />
erst vor kurzem bei Twitter auf. »Wir haben<br />
viele Monate gebraucht, um den Account marcmarquez93<br />
zu eröffnen, weil es den schon gab,<br />
wir das aber nicht waren. Wir mussten Twitter<br />
Bescheid geben, dass das falsch ist und wir diesen<br />
Namen brauchen und nach vielen Monaten<br />
konnten wir den Namen für uns beanspruchen<br />
und entschieden, den Account zu eröffnen«,<br />
schildert Martin die Tortur. Wichtig war dem<br />
Vermarktungsmeister dabei, dass der Account<br />
noch vor Saisonende eröffnet werden konnte,<br />
solange Marquez noch um den Moto2-Titel<br />
kämpft und bevor er in die Königsklasse aufsteigt.<br />
Während dieser Kämpfe leidet der Pressesprecher<br />
wie kaum ein anderer. »In der Moto2<br />
sind die Maschinen fast gleich und deshalb ist<br />
es der Fahrer, der den Unterschied macht.<br />
Daher bin ich wohl so aufgeregt, wenn ich ein<br />
Moto2-Rennen sehe. Dieses Jahr war wirklich<br />
hart für mich, schon im ersten Rennen habe ich<br />
zu meiner Crew gesagt: ‚Wenn ich in jedem Rennen<br />
so leide, kriege ich bald einen Herzinfarkt.‘<br />
Es ist aber einfach wunderbar, Marc ist unglaublich,<br />
niemand ist so wie er.«<br />
Während Martin an der Rennstrecke mitfiebert,<br />
muss ihn seine Familie zu Hause entbehren. Er<br />
räumt ein: »Natürlich ist es nicht leicht für sie.<br />
Aber wenn sie merken, dass du es genießt und sie<br />
dir vertrauen und du ihnen vertraust, dann kann<br />
man diese Arbeit auch für viele Jahre machen. Ich<br />
denke, es ist das Beste, was ich tun kann. Warum<br />
sollte ich also etwas anderes machen?« Obwohl<br />
Sannen und Gil ganz anderen Aufgaben nachgehen,<br />
gibt es auch für sie kaum etwas Besseres, als<br />
Renntag für Renntag an der Seite ihrer Piloten zu<br />
stehen, Daumen zu drücken und in jeder Situation<br />
für sie da zu sein. Schließlich ist es genau das,<br />
was jeden Menschen antreibt und Hayden,<br />
Lorenzo, Marquez und Co. immer schneller werden<br />
lässt: Einen wahren Freund zu haben, der<br />
kommt, wenn der Rest der Welt geht.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 85
*<br />
Fotos: milagro<br />
86 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Text: Maria Pohlmann und Falko Schoklitsch<br />
Gefangen zwischen<br />
zwei Welten<br />
Jonathan Rea durfte im Herbst 2012<br />
munter zwischen MotoGP und World<br />
Superbike hin und her springen.<br />
Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> hat mit ihm<br />
über das lustige Wechselspiel<br />
gesprochen.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 87
Jonathan Rea durfte<br />
auf eine der besten<br />
Maschinen der Welt<br />
steigen. Das war vor<br />
allem viel Arbeit<br />
Und wie schwierig ist es, sich an die MotoGP-<br />
Maschine zu gewöhnen?<br />
Das Superbike ist recht einfach, weil alles etwas<br />
intensiver ist. Es gibt mehr Feedback von den Reifen<br />
und das Chassis bewegt sich etwas besser. Dort<br />
habe ich direkt ein Gefühl auf der Maschine. In<br />
der GP ist das Motorrad etwas steifer und härter.<br />
Die Reifen-Konstruktion ist etwas steifer, also ist<br />
es viel schwieriger, das Limit zu erreichen. Man<br />
kann bis an einen gewissen Punkt gehen, aber<br />
dann muss man der Maschine vertrauen, um<br />
schnell zu sein. Das ist der Punkt, an dem ich Probleme<br />
habe; wenn ich mein volles Vertrauen in<br />
die Maschine stecken muss.<br />
MSM: Wie fühlt es sich an, aktiver Fahrer im<br />
MotoGP-Paddock zu sein?<br />
JONATHAN REA: Ehrlich gesagt, macht es im<br />
Kopf keinen großen Unterschied. Sicher ist die<br />
Infrastruktur anders, die Leute arbeiten anders<br />
und es gibt mehr Fans. Aber in meinem Kopf<br />
denke ich nur daran, das Beste aus der Maschine<br />
zu holen und ein gutes Gefühl zu bekommen.<br />
Wie schwierig ist es, immer wieder zwischen<br />
MotoGP und Superbike hin und her zu<br />
wechseln?<br />
Ich kann nicht lügen, das ist schwierig. Aber was<br />
soll ich machen? Das ist mein Job. Meine Hauptaufgabe<br />
mag in der SBK sein, aber als ich die<br />
Chance bekam, in die MotoGP zu kommen, war<br />
das schon schön. Es wäre aber gut, eine Saison hier<br />
zu starten, mit Tests und so weiter. So waren die<br />
Umstände aber nicht, also konnte ich nur versuchen,<br />
in beiden Serien mein Bestes zu geben. Physisch<br />
ist es nicht so ein Problem, mental auch<br />
nicht, aber auf der Strecke ist es schwierig, sich<br />
anzupassen. Wenn man ein volles Rennwochenende<br />
in der Superbike hat und dann in die MotoGP<br />
kommt, ist es schwierig, am ersten Morgen aufzuwachen<br />
und das Gefühl wiederzubekommen,<br />
das man vorher hatte.<br />
Wie schwer ist es allgemein, an jedem Wochenende<br />
Rennen zu fahren?<br />
Körperlich ist es gut, aber mental ist es sehr<br />
anstrengend. Am Freitag in Aragon war ich zum<br />
ersten Mal etwas erschöpft. Ich wollte mich etwas<br />
ausruhen, aber meine Frau erinnerte mich daran,<br />
dass ich das Media-Debriefing um 16:00 Uhr hatte.<br />
Ich fühlte mich zum ersten Mal etwas müde.<br />
Früher sind einige Fahrer die ganze Saison in<br />
mehreren Serien gestartet. Könntest du dir das<br />
dauerhaft vorstellen?<br />
Ich denke, dass die Fahrer früher, wie zum Beispiel<br />
Freddy Spencer, immer auf der gleichen Strecke<br />
waren und an einem Tag einfach verschiedene<br />
Maschinen gefahren sind. Was ich tue, ist verrückt,<br />
es sind komplett verschiedene Serien, in verschiedenen<br />
Gebieten, zu verschiedenen Zeiten, dazu<br />
kam noch das 8-Stunden-Rennen in Suzuka. Es<br />
gibt ziemlich viel zu tun. Wenn jemand einen<br />
Doppel-Vertrag für Superbike und MotoGP unterschreiben<br />
würde, kann ich mir kaum vorstellen,<br />
wie hart sein Leben sein wäre, denn meins war<br />
schon nach fünf Wochen schwer.<br />
Fotos: milagro, honda<br />
Früher waren die Ergebnisse eher durchwachsen,<br />
wenn Superbike-Fahrer in die MotoGP gewechselt<br />
sind. Jetzt haben Ben Spies und Cal Crutchlow<br />
aber durchaus respektable Resultate eingefahren.<br />
Gibt dir das Selbstvertrauen, dass du es in der<br />
MotoGP auch schaffen könntest?<br />
Ja, sicher. Ich habe jetzt keine Angst vor dem Ort<br />
hier. Ich werde in der MotoGP nicht von den Stars<br />
beeindruckt. Der wichtigste Punkt ist aber, in der<br />
Superbike gibt es viele gute Fahrer, das Problem<br />
ist aber, wenn einer aus der SBK in die GP wechselt,<br />
ist das normalerweise mit einem Privatteam,<br />
beziehungsweise nicht auf der besten Maschine.<br />
Wie kann man von ihm also erwarten, dass er<br />
vorne mitfährt? Du weißt ja, wie es in der GP läuft<br />
und je schlechter das Team ist, mit dem man einsteigt,<br />
desto schwerer wird der Job. Wenn die Fahrer<br />
von der MotoGP in die Superbike gehen,<br />
bekommen sie normalerweise gleich die besten<br />
Plätze. Wenn man also Fahrervergleiche von der<br />
einen Richtung in die andere macht, dann ist das<br />
nicht relevant, weil der Level der Maschinen völlig<br />
unterschiedlich ist.<br />
Es heißt immer, die Bremsen und die Reifen sind<br />
in der MotoGP am schwierigsten zu lernen.<br />
Kannst du für den normalen Beobachter erklären,<br />
was an Karbonbremsen und den Bridgestones<br />
so schwierig ist?<br />
Erstens einmal bringen die Karbonbremsen in der<br />
MotoGP viel mehr Stoppkraft. Außerdem sind sie<br />
viel konstanter. Man kann den Hebel viel härter<br />
und länger in die Kurve hinein ziehen und Bremsdruck<br />
sowie Kraft bleiben gleich. In der Superbike<br />
»Wenn man Casey Stoner ersetzen<br />
muss, ist das eine groSSe Aufgabe. Er<br />
ist einer der besten Fahrer der Welt,<br />
wenn nicht sogar der Beste. Es gibt<br />
keine besonders lange Liste an Fahrern,<br />
die ihn ersetzen können.«<br />
88 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
scheint die Bremse bei Maximaldruck etwas Leistung<br />
zu verlieren, in der MotoGP bleiben die<br />
Stärke und die Schärfe der Bremse aber den<br />
ganzen Bremsweg über da. Was die Reifen betrifft,<br />
so hat der Superbike-Reifen eine viel weichere<br />
Konstruktion, daher bewegt sich der Reifen ständig.<br />
Der Reifen bei den GPs hat eine viel steifere<br />
Konstruktion, was bedeutet, man muss den Reifen<br />
viel härter pushen, damit die Chemikalien im<br />
Reifen zu arbeiten beginnen und Grip liefern.<br />
Wenn man den Reifen nicht so hart pushen kann,<br />
funktioniert das nicht. Daher sieht man, dass die<br />
Fahrer an der Spitze, die so hart pushen und voll<br />
am Limit sind, mehr Grip haben, weil sie den Reifen<br />
mehr zum Arbeiten bekommen. In der Superbike<br />
kann man den Reifen nicht so hart pushen,<br />
sonst stürzt man.<br />
Du bist durch und durch ein Honda-Fahrer. Fühltest<br />
du dich geehrt, als du gebeten wurdest, für<br />
den amtierenden Weltmeister einzuspringen?<br />
Ehrlich gesagt, als ich den Anruf bekam, war es<br />
etwas eigenartig, weil ich nicht wusste, was ich tun<br />
sollte. Der eine Teil von mir wollte nein sagen, weil<br />
ich mich auf die Superbike konzentrieren soll - das<br />
ist auch eine Weltmeisterschaft, die mir und<br />
meinem Team sehr wichtig ist. Der andere Teil<br />
von mir war nicht so überrascht und wollte das<br />
liebend gerne machen. Es war ein Traum von mir,<br />
in dieses Fahrerlager zu kommen, seit ich ein kleiner<br />
Bub war. Jetzt bin ich vielleicht als Ersatzfahrer<br />
hergekommen, aber es ist trotzdem eine gute<br />
Erfahrung. Ich wusste nicht genau, was passieren<br />
würde. Wenn man Casey Stoner ersetzen muss,<br />
ist das eine große Aufgabe. Er ist einer der besten<br />
Fahrer der Welt, wenn nicht sogar der Beste. Es<br />
gibt keine besonders lange Liste an Fahrern, die<br />
so jemanden ersetzen können. Daher haben sie<br />
auf die nächste Weltmeisterschaft geschaut und<br />
das ist die World Superbike. Ich bin dort der beste<br />
Honda-Fahrer, daher machte es für mich Sinn,<br />
herzukommen und für Casey einzuspringen.<br />
Hat es auch dein Selbstvertrauen aufgebaut,<br />
dass Honda das Vertrauen in dich gezeigt hat,<br />
dass du diesen Job machen kannst?<br />
Ich will ihnen ja zeigen, dass ich es kann. Es hat<br />
wohl ein wenig geholfen. Ich habe meine Fähigkeiten<br />
immer gekannt und daran geglaubt und<br />
Honda hat das auch. Ich bin meine ganze Karriere<br />
ein Honda-Fahrer gewesen, fuhr die 8 Stunden<br />
von Suzuka für die HRC und der Sieg dort<br />
dieses Jahr war schön. Ich bin ein Honda-Mann.<br />
Sie glauben sicher nicht, dass ich etwas Besonderes<br />
bin und ich sollte mir wohl auch nichts<br />
darauf einbilden, aber wenn man Casey ersetzen<br />
soll, gibt es eben nicht viele Fahrer, die das<br />
können.<br />
Du hattest sicher die Chance, die Daten der<br />
anderen Honda-Fahrer anzusehen. Was konntest<br />
du daraus lernen und waren da Dinge, die<br />
sie mit der Maschine anstellen, die dich wirklich<br />
beeindruckt haben?<br />
Für mich ist bei den Daten der größte Unterschied<br />
der Punkt, an dem sie die Bremse auslassen.<br />
Ich halte die Bremse etwas zu lange und<br />
baue etwas zu viel Speed ab. Ich muss mehr<br />
Vertrauen haben, die Bremse früher in der<br />
Kurve loszulassen und mit mehr Seitenlage reinzugehen.<br />
Das sieht man am einfachsten an den<br />
Daten. Bei Bremsleistung und Bremskraft bin<br />
ich gleich oder sogar stärker und später als die<br />
anderen. Das Problem ist, sie können früher<br />
loslassen als ich.<br />
Viele Menschen werden nie ein MotoGP-Bike<br />
fahren, daher ist es immer interessant, zu erfahren:<br />
wie war es für dich, als du zum ersten Mal<br />
mit einer MotoGP-Maschine gefahren bist?<br />
Das Erste, das ich mir dachte, war: dieses Ding<br />
beschleunigt schnell und es stoppt schnell. Es ist<br />
aber immer noch ein Motorrad. Wenn man eine<br />
CBR Fireblade fährt, ist das Gefühl nicht so<br />
anders - es ist immer noch ein Motorrad mit zwei<br />
Rädern. Der normale Mensch kann wohl keinen<br />
Unterschied erkennen, bis es an das Maximum<br />
geht. Erst im letzten Bereich merkt man dann,<br />
dass die MotoGP-Maschine verdammt schnell<br />
stoppt und sie unglaublich viel Kraft hat. Beim<br />
ersten Mal dachte ich mir aber nur: ‚Verdammt,<br />
das Ding beschleunigt schnell.‘ Wenn man bei<br />
10.000 Umdrehungen pro Minute ankommt, geht<br />
es einfach weiter, es gibt so viel Kraft.<br />
Der nächste Besuch in<br />
der MotoGP könnte<br />
länger dauern<br />
Der Schritt zurück in<br />
die Superbike war<br />
relativ einfach
Jorge Lorenzo würde auf der Honda allen um die Ohren fahren, ist sich Cal Crutchlow<br />
sicher. Mit der Yamaha kann er das nicht, weil dort anscheinend die eigenen<br />
Pläne nicht umgesetzt werden.<br />
Manche Dinge gehören einfach verboten, das hat sich<br />
wohl schon jeder einmal gedacht. Wer braucht etwa<br />
britisches Essen, Hundemist auf dem Gehsteig, Nachbarn,<br />
die bis 4:00 Uhr früh feiern oder MotoGP-Rennen,<br />
die nach einer halben Runde entschieden sind?<br />
Okay, manches davon ist bereits verboten, aber es ist<br />
sich wohl fast jeder Zweiradfan darüber einig, dass es keinen besonderen<br />
Spaß macht, wenn schon nach den ersten Kilometern klar ist, wer ein<br />
MotoGP-Rennen gewinnen wird. Laut Cal Crutchlow wäre das durchaus<br />
möglich, denn er hat sich dieses Jahr nach dem Rennen in Aragon eine<br />
ganz und gar unschöne Zukunft vorgestellt.<br />
»Niemand konnte die Honda an diesem Wochenende schlagen. Keine<br />
Chance. Ich bleibe dabei: wenn man Jorge auf dieses Bike setzen würde,<br />
dann würde er mit 20 Sekunden Vorsprung gewinnen«, meinte der<br />
Yamaha-Satellitenfahrer. Man stelle sich also vor, Lorenzo wechselt zu<br />
Honda und ist von da weg an keinem Rennwochenende mehr aufzuhalten.<br />
Er holt sich jede Pole Position der Saison, zieht beim Start gleich<br />
um 40 Meter davon und fährt danach in seiner üblichen Manier zahlreiche<br />
Traumrunden am Stück, womit er keinem eine Chance lässt. Im<br />
Prinzip eine schauderhafte Vorstellung, die Lorenzo zwar Legenden-<br />
Status einräumen, aber seine Sieg zu relativ unbeobachteten Angelegenheiten<br />
machen würde.<br />
Da mit diesem Szenario vertragsbedingt aber die kommenden beiden<br />
Jahre nicht zu rechnen ist, lohnt es sich, auf den anderen Aspekt von<br />
Crutchlows Vision zu blicken: Yamaha hat wieder einmal einen Motor<br />
gebaut, der dem von Honda anscheinend nicht ebenbürtig ist. Lorenzo<br />
beklagte sich bereits über weite Teile der Saison 2012 über fehlenden<br />
Top-Speed, laut Crutchlow ist das Problem gegen Jahresende aber wirklich<br />
beträchtlich geworden. »Wir haben im Vergleich zu den Hondas<br />
null Beschleunigung, null Top-Speed. Selbst Bradl auf dem Satellitenbike<br />
kommt locker auf der Geraden vorbei. Ich meine, er hat ein echt gutes<br />
Bike. Wenn er hinter Jorge gefahren wäre, wäre er auch mit Leichtigkeit<br />
an ihm vorbeigefahren. Ich denke, wir müssen uns zusammensetzen<br />
und die Situation mit Yamaha analysieren und sehen, was wir tun kön-<br />
90 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Eine<br />
kraftvolle<br />
Text: Maria Pohlmann & Falko Schoklitsch<br />
Vision<br />
Fotos: milagro<br />
»Wir haben im Vergleich zu den Hondas<br />
null Beschleunigung, null Top-Speed.<br />
Selbst Bradl auf dem Satellitenbike<br />
kommt locker auf der Geraden vorbei.<br />
Ich meine, er hat ein echt gutes Bike.«<br />
nen. Sicher hilft das dieses Jahr nicht mehr viel, aber für nächstes Jahr<br />
wird das wichtig«, sagte der Brite.<br />
Menschen mit einem guten Gedächtnis werden vielleicht noch die Saison<br />
2011 im Hinterkopf haben und erinnern sich noch an Lorenzos<br />
Rückblick auf die letzte 800er-Saison, bei der er unter anderem meinte:<br />
»Die Honda RC212V war ein besseres Motorrad als die Yamaha. Sie<br />
war besser in der Beschleunigung und in der Traktion, zwei Charakteristiken,<br />
die es erlaubt haben, in jedem Kurvenausgang wertvollen Boden<br />
gut zu machen. Die M1 war zwar in den Kurveneingängen besser, aber<br />
es war nicht genug, um unter gleichen Voraussetzungen zu kämpfen.<br />
Mit der 1000er scheint der Leistungsunterschied geringer zu sein, denn<br />
sie dreht mehr nach hinten raus.«<br />
Um wieder ein paar Euro ins Phrasenschwein werfen zu können, das<br />
war dann wohl ein Satz mit X. Trotz des Wissens, dass es in den vergangenen<br />
Jahren gerade bei der Motorkraft immer fehlte, hat Yamaha<br />
gerade in diesem Bereich wieder ordentlich Rückstand aufgerissen.<br />
Von der Fahrbarkeit ist die Maschine nach wie vor das Beste, was es<br />
in der MotoGP gibt, nur genügt das eben nicht. 2013 wird Yamaha<br />
mit Lorenzo und Valentino Rossi versuchen, gegen die kraftvolle<br />
Honda-Macht zu bestehen, die mit Dani Pedrosa und Marc Marquez<br />
dann noch dazu zwei Leichtgewichte auf ihre Werksmaschinen setzt.<br />
Sollte die Schere sich dann weiter öffnen, könnte Crutchlows Vision<br />
von einem Lorenzo, der dem Feld auf der kraftvollen Honda um 20<br />
Sekunden enteilt, ja vielleicht doch noch irgendwann wahr werden.<br />
Dann könnte es durchaus einige geben, die meinen, so etwas gehört<br />
verboten.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 91
Text: Falko Schoklitsch<br />
KEIN<br />
TRÄUMER<br />
Bradley Smith<br />
macht 2013<br />
den Sprung in<br />
die MotoGP. Im<br />
Gespräch mit<br />
dem <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> erklärt<br />
er, warum sich<br />
damit für ihn kein<br />
Traum erfüllt.<br />
92 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 93<br />
Fotos: milagro
Bradley Smith hat sich<br />
2012 mit der Mistral<br />
610 von Tech 3<br />
respektabel durch die<br />
Saison gekämpft<br />
Fotos: milagro<br />
Haben Sie schon einmal davon geträumt, nicht zu träumen? Das klingt natürlich<br />
irrsinnig paradox und das wäre es wohl auch. Aber es gibt durchaus Menschen,<br />
die keine Träume haben, sondern einfach tun und machen und dann<br />
sehen, wo das hinführt. So jemand ist Bradley Smith, der sich dadurch im<br />
kommenden Jahr auch nicht den Traum von der MotoGP erfüllt, sondern<br />
einfach dort einsteigt, um zu sehen, wo es hinführt. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
hat mit dem Briten über die bevorstehende Aufgabe gesprochen.<br />
MSM: Es ist alles unter Dach und Fach. Ich kann mich erinnern, als wir in<br />
Mugello geplaudert haben und du meintest, eigentlich sei für die MotoGP<br />
alles sicher. Dennoch gab es einige Spekulationen danach. Wie erleichtert<br />
warst du, als es endlich offiziell war?<br />
BRADLEY SMITH: Es ist jetzt schön, dass es keine Fragezeichen mehr gibt.<br />
Für mich gab es ohnehin nie ein Fragezeichen, aber ja, die offizielle Bestätigung<br />
in Brünn zu bekommen, war wirklich gut. Ich glaube, es fühlte sich dann auch<br />
echter an. Die MotoGP fühlte sich immer sehr weit weg an, aber jetzt ist es<br />
realer, wir können Pläne für die Tests, für mein Trainingsprogramm und die<br />
Vorbereitung nächstes Jahr machen. Jetzt kann man das alles planen, weil man<br />
es sicher weiß. Daher waren es nach Brünn ein paar schöne Wochen, um für<br />
nächstes Jahr zu planen.<br />
Du wolltest dich sicher weiter voll auf den Rest der Moto2-Saison konzentrieren,<br />
aber war es schwierig, manchmal mit den Gedanken nicht doch nach<br />
vorne zu springen?<br />
Ich weiß nicht. Es war dieses Jahr harte Arbeit. Ich weiß, die MotoGP kommt<br />
und ich denke, das Schönste für mich ist, dass mich das angetrieben hat. Ich<br />
kann mich auf den Dienstag nach Valencia freuen, dass ich dort die Möglichkeit<br />
habe, die MotoGP-Maschine zu fahren und ich nehme an, das ist für mich das<br />
Licht am Ende des Tunnels. Die Saison war hart, es war viel Arbeit und brauchte<br />
viel Entschlossenheit, weiterzumachen und Ergebnisse zu holen. Das Wissen,<br />
dass ich das MotoGP-Bike im November fahre, ist mein Fokus, ich zähle jetzt<br />
die Tage herunter.<br />
Britische Rennfans können recht kritisch sein. Es gibt da durchaus ein paar,<br />
die meinen, du hättest noch ein Jahr in der Moto2 bleiben sollen, du hättest<br />
nicht genug gezeigt und so weiter. Was hast du ihnen zu sagen?<br />
Britische Fans und Journalisten sind so. Jeder hat das Recht zu seiner eigenen<br />
Meinung. Ich stimme einigen Kommentaren sogar zu, aber widerspreche<br />
anderen. Ich würde gerne ein paar Leute vom Gegenteil überzeugen und jenen,<br />
die an mich glauben und mir vertrauen, beweisen, dass sie das Richtige tun.<br />
Es wird immer Leute geben, die eine andere Meinung haben. Es wird immer<br />
Fans und Journalisten geben, die manchmal Blödsinn erzählen. So ist das<br />
Leben, egal ob in diesem Fahrerlager oder bei der Arbeit im Büro. Es wird<br />
immer jemanden geben, der meint, er kann einen besseren Job machen oder<br />
es gibt jemand, der alles besser zu wissen glaubt. Solange ich weiter meinen<br />
Schon die Moto2<br />
war hart, die<br />
MotoGP wird<br />
garantiert nicht<br />
einfacher sein<br />
94 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Job gut erledige und ich die Leistung bringe, die ich meiner Meinung nach<br />
bringen kann, wird jeder zufrieden mit dem Ergebnis sein.<br />
Als wie schwierig erwartest du den Umstieg? Jeder sagt, es ist ein großer<br />
Sprung von der Moto2 in die MotoGP, wie groß wird er deiner Meinung<br />
nach?<br />
Ich erwarte nicht, dass es einfach wird. Ich werde es wohl nicht wissen, bis<br />
ich die Maschine fahre. Valencia wird schön, das ist eine Strecke, die ich gut<br />
kenne. Hoffentlich ist es trocken, kann ich ein paar gute Runden zurücklegen<br />
und die Maschine kennenlernen. Es gibt so viel zu lernen, bei der Elektronik,<br />
den Reifen, den Bremsen. Es wird völlig anders, aber die Yamaha ist eine echt<br />
gute Maschine. Das haben wir mit Lorenzo, Cal, Dovizioso und Spies gesehen.<br />
Sie sind konstant unter den Top-6. Daher ist das eine gute Maschine für die<br />
Rookie-Saison. Ben und Cal kamen als Rookie auf die Yamaha und machten<br />
einen guten Job. Es wird sicher nicht einfach, aber ich denke, mit der Yamaha<br />
wird es noch am einfachsten, wenn das Sinn macht.<br />
Wie angenehm wird es für dich, Cal Crutchlow als Teamkollegen zu haben<br />
und mit ihm arbeiten zu können? Wird das den Umstieg etwas einfacher<br />
machen?<br />
Ich kann viele Fragen stellen, was immer gut ist. Ob ich die Antworten<br />
bekomme, das weiß ich nicht. Ich werde aber zumindest fragen. Es ist aber<br />
schön, dass er gute Ergebnisse holt, damit kann ich als Rookie kommen und<br />
in den ersten drei, vier Rennen mein Ding machen. Danach sehen wir, wie<br />
es weiterläuft.<br />
Es ist zwar noch viel zu früh, um über Erwartungen zu sprechen, aber du<br />
hast sicher ein paar Ziele für dein Rookie-Jahr, außer nur zu lernen...<br />
Das Wichtigste für mich ist der »Rookie of the<br />
Year«-Titel. Ich hätte wirklich, wirklich gerne eine<br />
Chance, darum mitzukämpfen, wenn ich gegen<br />
Marquez und Iannone als Rookie fahre. Ich hoffe,<br />
ich kann gegen sie kämpfen. Meine Maschine ist<br />
sicher gut genug, es wird also an mir liegen, gegen<br />
sie zu bestehen. Was den Platz in der Gesamtwertung<br />
betrifft, so möchte ich wohl in etwa so<br />
abschneiden wie Stefan Bradl dieses Jahr, also so<br />
sechster, siebter, achter Platz. An manchen<br />
Wochenenden können wir vielleicht näher an den<br />
Top-5 sein und an anderen nicht. Ich glaube, die<br />
Position in den Top-8 ist erreichbar. Die Yamaha<br />
M1 ist gut genug dafür, es wird an mir liegen, das<br />
zu erreichen.<br />
Jorge und Valentino werden nächstes Jahr im<br />
Yamaha-Werksteam fahren. Erwartest du, von<br />
ihnen auch etwas zu lernen?<br />
Einer der schönen Aspekte bei Yamaha ist, dass die<br />
Daten für jeden frei zugänglich zu sein scheinen.<br />
Wenn man die Daten von einem neunfachen<br />
Weltmeister nach der Session zur Verfügung<br />
hat und dann noch die Daten vom wohl<br />
amtierenden Weltmeister, so etwas wird sehr nützlich<br />
für mich im Rookie-Jahr sein. Ich glaube nicht,<br />
dass man es noch besser erwischen könnte.<br />
»Es gibt so viel zu<br />
lernen, bei der Elektronik,<br />
den Reifen,<br />
den Bremsen. Es<br />
wird völlig anders,<br />
aber die Yamaha ist<br />
eine gute Maschine.«<br />
dachte nie, dass ich Straßenrennen fahren würde. Als ich noch Motocross<br />
fuhr, glaubte ich nicht, dass ich jemals Straßen-Rennfahrer sein würde. Als<br />
ich mit Straßenrennen begann, dachte ich nicht, dass ich es in die Weltmeisterschaft<br />
schaffen würde. Als ich in die Weltmeisterschaft kam, dachte ich<br />
nie, dass ich ein Rennen gewinnen würde. Ich beweise mir konstant das<br />
Gegenteil. Ich werde in die MotoGP kommen und schauen, was ich schaffen<br />
kann. Es ist ziemlich surreal, ich bin da in einer eigenartigen Situation, dass<br />
ich in die MotoGP komme und ein Bike erhalte, das es auf das Podest schaffen<br />
kann. Ich dachte nie, dass ich das tun würde, also ist das eine weitere Überraschung,<br />
so wie jedes Wochenende.<br />
Wie sehr freust du dich auf deinen ersten britischen Grand Prix als<br />
MotoGP-Fahrer?<br />
Das wird sehr, sehr aufregend. Obwohl ich dieses Jahr nur die erste Runde<br />
geführt habe, so war das erst der Anfang. Das war nur ein klein wenig davon,<br />
wie es beim britischen Grand Prix sein kann. Silverstone ist eine tolle Strecke,<br />
auf der ich gerne fahre. Ich kann es nicht erwarten, dort mit einem MotoGP-<br />
Bike zu fahren. Das wird so schnell sein, meine Augen werden weit aufgerissen<br />
sein. Ich freue mich wirklich darauf.<br />
Ich weiß ja nicht, ob du abergläubisch bist, aber nach dem, was James<br />
Toseland und Cal Crutchlow beim britischen Grand Prix so passiert<br />
ist, hast du da Angst, dass auch dir was Schlimmes passieren könnte?<br />
Das war natürlich Pech für sie. Aber ich habe jetzt sieben Mal am Großbritannien<br />
GP teilgenommen und scheine da immer ganz gute Ergebnisse<br />
zu holen. Ich habe gezeigt, dass ich dem gewachsen bin. Ich habe<br />
eine gute Gruppe an Leuten um mich, die einen guten Zeitplan rund<br />
um den Grand Prix für mich aufstellt. Das macht einen großen<br />
Unterschied.<br />
Smith hat keine<br />
Angst vor dem<br />
britischen Fluch<br />
beim Heimrennen<br />
Ich nehme an, die MotoGP war seit Kindheitstagen<br />
ein Traum für dich. Hattest du dir gedacht, du<br />
könntest den Sprung in die MotoGP schaffen und<br />
dann gleich auf einer Maschine sitzen, die fähig ist,<br />
auf das Podest zu fahren?<br />
Es klingt eigenartig, aber ich träume nicht. Ich<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 95
Fotos: milagro<br />
Bradley Smith<br />
wird 2013<br />
zusammen mit Cal<br />
Crutchlow die<br />
MotoGP unsicher<br />
machen<br />
Danny Kent und<br />
Scott Redding<br />
zählen zu den<br />
stärksten<br />
britischen<br />
Jungtalenten<br />
96 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Von einer Ein-Mann-Vertretung ist das britische Kontingent<br />
in der GP-Weltmeisterschaft in den vergangenen Jahren auf<br />
respektable GröSSe angewachsen. Ein kopierfähiges<br />
Erfolgsmodell?<br />
Text: Falko Schoklitsch<br />
Die Formel für Erfolg würde jeder gerne kennen, immerhin<br />
wäre es doch praktisch, wenn sich einfach nach einem<br />
bestimmten Muster wieder und wieder Positives erreichen<br />
ließe. Gerade etwas knapp bei Kasse? Kein Problem,<br />
die Formel richtig angewandt und das Konto ist wieder gut gefüllt.<br />
Der Erfolg fehlt? Einfach die Formel umsetzen und alles läuft super.<br />
International irrelevant? Die Formel genutzt und die Welt blickt auf<br />
einen. Ein schönes Szenario, das so natürlich nie funktionieren kann,<br />
da wohl jeder gleichzeitig die Formel anwenden wollen würde und<br />
nicht jeder Erster, Reichster oder Bekanntester sein kann. Oder aber<br />
es gewinnen alle und dass es nicht besonders viel bringt, wenn<br />
1.000.000 Menschen einen Sechser im Lotto haben, ist auch mathematisch<br />
Unbegabten klar.<br />
Trotzdem wird weiter nach der Formel für Erfolg gesucht, auch in<br />
Bereichen, in denen andere bereits erfolgreich waren. Das ist eben<br />
ein weiteres Problem, die Anzahl der Variablen ist enorm und macht<br />
eine erfolgreiche Auflösung kompliziert. Wäre es einfach, hätte Großbritannien<br />
seit Jahren eine starke Abordnung in der GP-Weltmeisterschaft<br />
und Bradley Smith hätte dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> nicht sagen<br />
müssen: »Als ich 2006 hierherkam, war das für mich ein ziemlich<br />
einsamer Ort.« Seitdem hat sich viel getan, die Zahl der Briten in der<br />
Weltmeisterschaft ist kontinuierlich gewachsen und es deutet sich an,<br />
dass es in Zukunft durchaus noch mehr werden könnten. Zeichnet<br />
sich da eine Erfolgsgeschichte ab? Könnte sich daraus eine Formel<br />
ableiten lassen, mit der auch andere Länder ihre Präsenz in der Weltmeisterschaft<br />
vergrößern können? Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> hat sich<br />
auf Spurensuche begeben.<br />
Fest steht, in Moto3, Moto2 und MotoGP gibt es Briten, die starke<br />
Ergebnisse holen können und in der Superbike-WM muss sich das<br />
Volk von der Insel nicht unbedingt als Minderheit fühlen. »Das ist<br />
echt gut, dass wir viele Briten im MotoGP-Paddock haben. Bradley<br />
war der Erste und er war sicher einsam, weil er nicht viele Leute hatte,<br />
mit denen er reden konnte. Ich hatte ziemliches Glück, denn ich<br />
kannte ihn schon, bevor ich herkam. Daher wusste ich, an wen ich<br />
mich wenden kann«, meinte Moto3-Pilot Danny Kent im Gespräch<br />
mit dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Er ist seit 2011 als Stammfahrer in der<br />
Weltmeisterschaft dabei, wird 2013 in die Moto2 wechseln und hatte<br />
sich über den Red Bull Rookies Cup in die Weltmeisterschaft gearbeitet.<br />
Aus seiner Sicht ist dies der beste Weg, um nach oben zu kommen<br />
und er ging davon aus, dass weitere seiner Landsleute dadurch<br />
den Weg nach oben schaffen. »Es gibt mehr und mehr Talente in<br />
England. Sie lernen dazu. Der Red Bull Rookies Cup hilft auch, da<br />
sind ein paar Briten dabei. Ich bin mir sicher, in Zukunft kommen<br />
noch ein paar britische Fahrer in die GPs.«<br />
→<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 97
Um aber überhaupt Fahrer im Rookies Cup zu haben, muss es an der<br />
Basis stimmen. Davon geht Smith aus, der den Aufschwung der<br />
britischen Meisterschaft als Ursache dafür sieht, dass mehr und mehr<br />
Fahrer von der Insel in die Zweirad-Weltmeisterschaften strömen.<br />
»Ich denke, die britische Meisterschaft ist als Rennserie wohl die<br />
drittbeste der Welt. Wir haben die MotoGP, wir haben die WSBK,<br />
aber die britische Meisterschaft ist als Event dicht dahinter. Vor allem<br />
als Viertakt-Serie mit den Superbikes. Da kommen einige Talente<br />
raus. Ich freue mich, dass sich die Meisterschaft seit 2005/2006 stark<br />
verändert hat. Ich denke sogar, wir haben die spanische Meisterschaft<br />
in punkto Geld, Fahrer und Unterstützung überholt. Das ist schön<br />
zu sehen. Wie man sehen kann, hat sich dies nun auf die World<br />
Superbike und die GPs ausgewirkt. Großbritannien als Land und<br />
die Organisatoren der britischen Meisterschaft haben einen guten<br />
Job gemacht. Sie haben viel Geld und Zeit investiert und die Meisterschaft<br />
nach vorne gebracht. Ihnen ist viel zu verdanken«, meinte<br />
Smith.<br />
Womit er aber auch schon zwei Variablen angesprochen<br />
hatte, die anderswo zum Stolperstein werden<br />
können: Geld und Zeit. Meistens braucht es einmal<br />
die besondere Anstrengung weniger oder sogar<br />
nur eines Einzelnen, um etwas in Gang zu setzen,<br />
wenn dann andere aufspringen, ist der erste Keim gesät. In der britischen<br />
Meisterschaft gab es früher aber auch ein anderes Problem,<br />
das dazu führte, dass kaum frische Talente international ihren Weg<br />
machten. »Früher war keiner stark genug. Wir hatten viele alte Fahrer,<br />
die in der britischen Meisterschaft die Plätze besetzten. Es gab<br />
nicht wirklich einen Weg für britische Fahrer, um<br />
sich durchzuboxen. Die Strecken in der Meisterschaft<br />
waren nicht so toll, die Meisterschaft war<br />
auch nachlässig, weil sie nicht mit Pirellis fuhr. Jetzt<br />
fährt die World Superbike mit Pirellis und die britische<br />
Meisterschaft ebenfalls, da kann man besser<br />
vergleichen. Wenn man diese Rundenzeiten direkt<br />
vergleicht und das zusammenlegt, gibt das den<br />
Fahrern die Chance, nach oben zu kommen. Als<br />
sie mit Dunlops fuhren, dachte jeder, vielleicht ist<br />
der Dunlop besser oder schlechter und das bedeutet<br />
vielleicht dies und jenes. Jetzt ist das besser. Außerdem<br />
gibt es viel Werksunterstützung in der britischen<br />
Meisterschaft. Viele Werke haben entschlossen,<br />
dass sie dort mitmischen wollen. Jetzt gibt es<br />
genug Geld, viele Talente, der Level ist sehr hoch.<br />
Statt vier guter Fahrer in jeder Klasse haben wir acht und das macht<br />
alle anderen besser. An der Spitze der Pyramide sind jetzt eben drei<br />
Leute und nicht einer«, erklärte Smith.<br />
Dadurch rücken auch immer wieder neue Talente nach. John McPhee<br />
durfte Ende 2012 bereits mehrere Einsätze fahren, aber auch sonst<br />
gibt es einige, die es schaffen könnten. Kyle Ryde gilt als starkes<br />
Talent, Bradley Ray ebenfalls. »Es sind da jetzt nicht 20 Leute, die<br />
nach einem Platz suchen, aber wir haben zwei, drei gute Fahrer, die<br />
es hierher schaffen und damit den Zuwachs an britischen Fahrern<br />
fortsetzen könnten«, war Smith überzeugt. Auch für einen direkten<br />
Einstieg in die MotoGP gibt es Kandidaten. So machen sich die<br />
Zwillinge Alex und Sam Lowes in der Supersport-Weltmeisterschaft<br />
einen Namen und könnten über den Umweg Superbike-WM in die<br />
Königsklasse kommen. Und Jonathan Rea wäre für Honda ohnehin<br />
ein Wunschkandidat für die MotoGP, für 2013 scheiterte es eher daran,<br />
dass Gresini Honda seinen Sponsoren Fahrer anderer Nationalität<br />
liefern musste. Dennoch ist Rea ebenfalls Teil des großen britischen<br />
Aufschwungs und wie Smith sah er die Basis dafür in der britischen<br />
Meisterschaft. »Da waren nicht nur ich und Cal [Cruchlow], sondern<br />
viele starke Fahrer in der BSB. Sie kamen alle von dort, die Serie hat<br />
ein hohes Niveau, die Strecken sind gut und die Teams stark. Dort<br />
lässt sich gut lernen. Wenn man sich jetzt umschaut, sind da nicht<br />
nur Spanier und Italiener, die Briten bekommen etwas mehr Respekt.<br />
Das ist recht gut«, betonte Rea im Gespräch mit dem <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>. Der Respekt ist 2012 auch weiter gewachsen, weil Tom Sykes<br />
in der Superbike-WM den Titel nur um 0,5 Punkte verpasst hat und<br />
weil Cal Crutchlow das erste britische MotoGP-Podest seit Jeremy<br />
McWilliams im Jahr 2000 herausfahren konnte. Der letzte britische<br />
Sieg in der höchsten Klasse ist derweil über 30 Jahre her, 1981 fuhr<br />
Barry Sheene in Anderstorp als bislang letzter Brite in einem Rennen<br />
der 500cc/MotoGP als Erster über die Linie.<br />
Trotz der steigenden Zahl an Briten in der Weltmeisterschaft wollte<br />
Crutchlow deswegen auch noch nicht von einem Erfolg sprechen.<br />
Denn dafür ist die Erfolgsquote aus seiner Sicht noch zu gering. »Sie<br />
haben sich noch nicht wirklich bewiesen, was mich betrifft«, meinte<br />
er gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> über den jungen Nachwuchs.<br />
»Wie viele Siege hatten sie?« Für Crutchlow ist die wirkliche Erfolgsformel<br />
erst dann gefunden, wenn die Briten in der MotoGP wieder<br />
gewinnen. Zwar übersah er nicht, dass der Nachwuchs kommt und<br />
in den kleinen Klassen gut mithält, doch das zählt aus seiner Sicht<br />
vorerst nicht.<br />
»Der Test ist, wenn man<br />
hierher in die MotoGP<br />
kommt. Man kann in der<br />
Superbike oder der Supersport<br />
von mir aus<br />
die ganze Zeit vorne mitfahren,<br />
aber wenn man<br />
in diese Meisterschaft<br />
kommt, sieht man den Un-<br />
»Der Test ist, wenn man<br />
hierher in die MotoGP<br />
kommt. Man kann in der<br />
Superbike oder der Supersport<br />
von mir aus die ganze<br />
Zeit vorne mitfahren, aber<br />
wenn man in diese Meisterschaft<br />
kommt, sieht man den<br />
Unterschied. Das betrifft<br />
nicht nur die Maschinen,<br />
sondern auch die Fahrer. Da<br />
sieht man den echten Vergleich,<br />
wie gut die Fahrer<br />
terschied.«<br />
sind. Es braucht Zeit. Hier in<br />
dieser Weltmeisterschaft gibt es sehr starke Leute«, erklärte er. Und<br />
auch in der Moto2 oder Moto3 wollte er die Quantität noch nicht mit<br />
Qualität gleichsetzen. So fahren Smith und sein Landsmann Scott<br />
Redding in der Moto2 durchaus gut mit, Crutchlow sagte dazu: »Sie<br />
sind aber nicht Marquez, Iannone oder Pol Espargaro im Moment.«<br />
Für ihn stand fest, aktuell gibt es überall noch stärkere Fahrer als ihn<br />
und seine Landsleute. Daher war es für ihn das Beste, mit einem finalen<br />
Urteil zum Erfolg der britischen Formel noch abzuwarten. »Die Wahrheit<br />
zeigt sich dann, wenn alle in die MotoGP kommen. Ich glaube,<br />
dass sie es bei den GPs nach vorne schaffen können, ich weiß nur nicht,<br />
wann. Es braucht Zeit, aber Moto3 und Moto2 sind auf einem gewissen<br />
Level und MotoGP ist dann zehn Mal härter als sie es erwarten würden.<br />
Da muss man im Kopf sehr stark sein, das kann ich dir sagen.«<br />
98 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Fotos: milagro<br />
Cal Crutchlow<br />
holte 2012 das<br />
erste britische<br />
MotoGP-Podest<br />
seit zwölf<br />
Jahren<br />
Im Alter von nur<br />
15 Jahren holte<br />
Scott Redding<br />
den 125cc-<br />
Heimsieg in<br />
Donington<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 99
Für Mugello schulte<br />
Iannone kurzzeitig zum<br />
Feuerwehrmann um<br />
Seinen ersten<br />
GP-Sieg<br />
feierte er<br />
2008<br />
Im Kampf um den<br />
Sieg kennt er<br />
nichts<br />
2013 startet<br />
Iannone in der<br />
MotoGP<br />
Iannone hält alle<br />
Moto2-Fahrer für<br />
harte Rivalen<br />
Eine<br />
Lieblingsstrecke<br />
gibt<br />
es für ‚Crazy<br />
Joe‘ nicht
Ein<br />
Vogel<br />
Woran denkt ein Motorradfahrer, der kurz davor ist, in die MotoGP aufzusteigen:<br />
An erreichte Ziele, den WM-Titel und damit die Erfüllung aller Wünsche?<br />
Nicht nur. Andrea Iannone hat noch einen ganz besonderen Traum.<br />
Er ist eben anders.<br />
Text: Maria Pohlmann<br />
Viele kritisieren ihn, andere lieben<br />
ihn: Andrea Iannone ist eine<br />
umstrittene Persönlichkeit im GP-<br />
Paddock und nicht nur mit seinen<br />
Bike-Designs ein wahrlich bunter<br />
Vogel. Seine starken Ergebnisse, auf der teilweise<br />
unterlegenen Speed-Up-Maschine, lassen viele<br />
Zweifler verstummen und zumindest leistungstechnisch<br />
kaum Raum für Kritik. Im kommenden<br />
Jahr wird der 23-Jährige dafür von Ducati<br />
mit einer Werks-Maschine im Pramac Team<br />
belohnt und kommt dem Traum eines jeden<br />
Motorradfahrers einen großen Schritt näher. Mit<br />
1,78 Meter sollte der Italiener zumindest was die<br />
Körpergröße anbelangt, perfekt in die Königsklasse<br />
passen. Mit dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
unterhielt sich Iannone über die Nachteile im<br />
Speed-Master Team 2012 und seine Erwartungen<br />
für die MotoGP. Außerdem verriet ‚Crazy Joe‘,<br />
wovon er abseits der Rennstrecke träumt.<br />
erster Sieg, als ich noch in der 125ccm-Klasse<br />
gefahren bin und es in China auf den obersten<br />
Platz auf dem Treppchen geschafft habe. Das<br />
Schlimmste war, als ich 2006 mein Bike verloren<br />
habe und mich mein damaliger Chef-Mechaniker<br />
einfach stehen ließ.<br />
Du hast die Ducati schon testen dürfen. Was<br />
waren deine ersten Gedanken dabei?<br />
Der Test war großartig. Es war eine unglaubliche<br />
Erfahrung und natürlich war alles neu für mich.<br />
Am Ende des Tages hat sich alles als sehr gut<br />
herausgestellt. Der Eindruck, den ich mitnahm,<br />
war definitiv positiv.<br />
Was war für dich der größte Unterschied zwischen<br />
Moto2 und MotoGP?<br />
Die Kraft der MotoGP-Maschine ist beeindruckend<br />
und ich würde sagen, dass das auch der<br />
größte Unterschied war.<br />
Fotos: milagro<br />
MSM: Wie schwierig ist es, in diesem Jahr ein<br />
Rennen zu gewinnen?<br />
ANDREA IANNONE: Es ist immer schwer, ein<br />
Rennen zu gewinnen, nicht nur in diesem Jahr.<br />
Das Niveau in der Moto2-Klasse ist extrem hoch.<br />
Wer sind deine härtesten Rivalen?<br />
Da fallen mir einige ein, wie Marquez, Espargaro<br />
und Redding, aber um ehrlich zu sein, denke ich,<br />
dass alle Fahrer hier harte Rivalen sind. Man<br />
muss in jedem Rennen gegen unheimlich viele<br />
schnelle Jungs kämpfen.<br />
Wie würdest du deine Saison bisher<br />
beschreiben?<br />
Ich kann auf jeden Fall sagen, dass es in dieser<br />
Saison besser läuft als im letzten Jahr.<br />
Was ist deine beste Rennerinnerung? Welche ist<br />
die schlechteste?<br />
Meine beste Rennerinnerung ist definitiv mein<br />
»Ich mache mir<br />
keine Sorgen<br />
um das nächste<br />
Jahr. Ich steige in<br />
die MotoGP auf<br />
und muss damit<br />
anfangen, viel zu<br />
lernen.«<br />
Machst du dir über das Potential der Ducati im<br />
nächsten Jahr Sorgen?<br />
Ich mache mir allgemein keine Sorgen um das<br />
nächste Jahr. Ich steige in die MotoGP auf und<br />
muss anfangen, viel zu lernen. 2013 ist das Jahr,<br />
in dem ich so viel wie möglich lernen muss, so<br />
viel Erfahrungen wie möglich sammeln muss,<br />
was unheimlich wichtig wird, um im Laufe der<br />
Zeit besser zu werden. Ich erwarte nicht, auf das<br />
Bike zu steigen und direkt zu gewinnen. Das ist<br />
ein Weg, den man Schritt für Schritt gehen muss<br />
und ich werde ihn sorgfältig gehen und idealerweise<br />
auf dem Weg immer stärker werden, während<br />
ich mehr Erfahrungen sammle.<br />
Stört es dich, dass du nicht mit dem Moto2-Titel<br />
in der Tasche in die Königsklasse aufsteigen<br />
kannst?<br />
Mir ist klar, dass ich in den drei Jahren in der<br />
Moto2 die Chance hatte, den Titel zu holen und<br />
es tut mir leid, dass ich es nicht geschafft habe. →<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 101
Den Titel zu gewinnen, liegt nicht immer komplett<br />
in der Hand des Fahrers, also würde ich<br />
nicht wirklich sagen, dass es mein Fehler ist,<br />
wenn ich nicht die richtigen Ergebnisse<br />
bekomme. Alles muss perfekt laufen und es spielen<br />
sehr viele Faktoren mit hinein, die ineinander<br />
verschmelzen müssen. Ich hatte vielleicht einige<br />
Möglichkeiten, die am Ende nicht richtig ausgingen,<br />
aber wenn ich solche Dinge entschieden<br />
habe, erschienen sie mir als die besten Optionen.<br />
Ehrlich gesagt, konnte ich die Zukunft und das<br />
Ergebnis einiger Geschehnisse nicht voraussehen,<br />
aber ich bereue in diesen drei Jahren nichts.<br />
Ich war seit 2010 unter den Top-Piloten in der<br />
Moto2 und das ist nicht leicht. Ich habe Rennen<br />
gewonnen und fuhr großartige Kämpfe um die<br />
Meisterschaft.<br />
Hast du ein Vorbild?<br />
Valentino Rossi! Jetzt, da ich weiß, dass ich ab<br />
der nächsten Saison in einer Klasse mit ihm<br />
fahren werde, fühlt es sich wunderbar an. Er ist<br />
ein unglaublicher Fahrer. Ich erinnere mich<br />
daran, dass ich seine Rennen schon im TV verfolgt<br />
habe, als er noch in der 125er-Klasse fuhr,<br />
also etwas vor zehn Jahren. Jetzt sind wir Freunde<br />
und ich halte sehr viel von ihm. Ich glaube und<br />
hoffe, dass unsere Freundschaft andauern wird,<br />
auch wenn wir in der gleichen Klasse gegeneinander<br />
fahren und dann Rivalen sein müssen.<br />
Valentino und Uccio haben mich immer unterstützt<br />
und mir viele wichtige Ratschläge gegeben,<br />
was ich wirklich schätze.<br />
Welche Vorteile werden du und Ben Spies im<br />
nächsten Jahr mit der direkten Unterstützung<br />
von Ducati haben?<br />
Ich weiß nicht genau, was im Vertrag von Ben<br />
Spies steht, aber ich persönlich habe die Bestätigung,<br />
das gleiche Bike wie Dovizioso und<br />
Hayden zu bekommen.<br />
Durch die Wirtschaftskrise scheinen einige Spanier<br />
ihre Saison nicht beenden zu können.<br />
Denkst du, es ist ein Vorteil, Italiener zu sein?<br />
Um ehrlich zu sein, denke ich eher, dass es in<br />
dieser Meisterschaft ein Vorteil ist, Spanier<br />
anstatt Italiener zu sein.<br />
Hast du während der Saison Updates für dein<br />
Speed Master Bike bekommen? Hättest du dir<br />
mehr gewünscht?<br />
Was die Updates angeht: Nicht wirklich. Ich hatte<br />
auf mehr gehofft. Wenn wir uns die Hersteller<br />
wie Kalex ansehen, dann bemerkt man, dass sie<br />
schon seit Jahren im Geschäft sind und sie sich<br />
seit Saisonbeginn stetig verbessern konnten,<br />
angetrieben vom Siegeswunsch und von den<br />
Arbeitsmitteln, die sie zur Entwicklung ihrer<br />
Bikes zur Verfügung haben. Wir haben den<br />
Wunsch und den Antrieb zu gewinnen und uns<br />
zu verbessern, aber die Mittel, das Bike zu verbessern<br />
und weiterzuentwickeln, sind nicht die<br />
gleichen wie bei den anderen Herstellern. Mit<br />
Iannone liebt<br />
nicht nur die<br />
Kameras<br />
»AuSSerdem<br />
würde ich gerne<br />
Angelina Jolie ins<br />
Bett kriegen, obwohl<br />
ich natürlich<br />
weiSS, dass<br />
ich nicht wie Brad<br />
Pitt aussehe.«<br />
reiner Leidenschaft kann man leider keine Rennen<br />
gewinnen.<br />
Wie würdest du das Niveau deines Bikes im<br />
Vergleich zu denen der Rivalen beschreiben?<br />
Es ist auf jeden Fall nicht auf dem gleichen<br />
Niveau wie die Maschinen, auf denen die Leute<br />
am Renntag aufs Podest fahren.<br />
Was machst du, wenn du nicht auf der Rennstrecke<br />
unterwegs bist?<br />
Ich trainiere regelmäßig, verbringe wie alle viel<br />
Zeit mit meinen Freunden und habe Sex.<br />
Wirst du dein Fitnessprogramm diesen Winter<br />
in Hinblick auf die größere Maschine im nächsten<br />
Jahr ändern?<br />
Darüber muss ich noch mit meinem Trainer<br />
sprechen. Das Programm liegt in seinen Händen,<br />
denn er hat viel Erfahrung und weiß genau, was<br />
für das neue Abenteuer für mich das Beste ist.<br />
Er wird sicherstellen, dass ich ein ordentliches<br />
Training durchziehen werde, um fit zu sein,<br />
sobald die nächste Saison losgeht.<br />
Was ist dein größter Traum?<br />
Der Traum, den jeder Fahrer hat: Die Weltmeisterschaft<br />
gewinnen! Außerdem würde ich gern<br />
Angelina Jolie ins Bett kriegen, obwohl ich natürlich<br />
weiß, dass ich nicht Brad Pitt bin.<br />
Wie kannst du das erreichen?<br />
Den ersten Traum kann ich nur erreichen, wenn<br />
ich so schnell wie nur möglich bin, nie aufgebe<br />
und immer mein Bestes gebe, jeden Tag und zu<br />
jeder Zeit. Den zweiten... da bin ich mir nicht<br />
allzu sicher. Vielleicht würde ich sie einfach fragen,<br />
wenn ich sie kennenlerne.<br />
Welche ist deine Lieblingsstrecke?<br />
Ich mag alle Strecken, solange man darauf fahren<br />
kann. Ich habe keine wirklichen Favoriten.<br />
Mit welcher Person würdest du gern einmal<br />
für einen Tag tauschen?<br />
Mit niemandem. Nein, warte, vielleicht mit<br />
Brad Pitt, dann würde ich so gut aussehen<br />
wie er und einen Tag lang seine Frau haben.<br />
Welche Dinge hast du immer bei dir?<br />
Ich habe ein paar Ringe und Armbänder, die<br />
ich immer dabei habe. Sie haben eine besondere<br />
Bedeutung für mich und ich achte<br />
eigentlich immer darauf, dass ich sie an<br />
meinem Handgelenk oder an meinen Fingern<br />
habe oder zumindest an einem sicheren<br />
Ort, wenn ich sie einmal nicht tragen kann.<br />
Einige Leute sagen, dass du ziemlich aggressiv<br />
fährst...<br />
Da haben sie wohl recht.<br />
Was wirst du in fünf Jahren machen?<br />
Ehrlich gesagt habe ich nicht einmal eine<br />
Ahnung, was ich Morgen tun werde, also<br />
kann ich mir wirklich nicht vorstellen, wie<br />
es in fünf Jahren aussieht. Das ist eine lange<br />
Zeit. Ich hoffe einfach, dass ich in den nächsten<br />
fünf Jahren ein paar coole Sachen<br />
machen, großartige Erfahrungen sammeln<br />
und weiter um gute Ergebnisse kämpfen<br />
kann. Und für einen Tag dann vielleicht Brad<br />
Pitt bin.<br />
Fotos: milagro<br />
102 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
2012 konnte Iannone sogar<br />
die schnellen Spanier ab und<br />
zu schlagen<br />
Iannone fährt<br />
oft aggressiv<br />
Obwohl Iannone<br />
Englisch spricht, gibt<br />
er Interviews lieber<br />
auf Italienisch<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 103
Vom AuSSenseiter<br />
zum Spitzenreiter<br />
Text: Maria pohlmann<br />
Das Jahr 2012 begann für Jonas Folger mit einem Tiefpunkt, wendete<br />
sich aber zum Guten. Zusammen mit dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> blickt der<br />
aufstrebende deutsche Moto3-Star zurück und voraus.<br />
MSM: Seit Indianapolis fährst du für das Aspar<br />
Team. Wie kam der Deal zustande?<br />
JONAS FOLGER: Ich habe zu Beginn der Saison<br />
nicht viel mitbekommen, weil sich mein Manager<br />
um alles gekümmert und mir auch nicht allzu<br />
viel verraten hat, nach dem Motto ‚Solange nichts<br />
sicher ist, muss ich auch nichts wissen‘, weil ich<br />
mir sonst nur darüber Gedanken machen würde<br />
und es am Ende dann vielleicht nicht funktioniert.<br />
Nach Mugello stand fest, dass ich dank<br />
meines Managers und der Unterstützung von<br />
Kalex bei Aspar fahren werde.<br />
Was hättest du gemacht, wenn das Angebot von<br />
Aspar nicht vorgelegen hätte? Gab es einen Plan<br />
B, vielleicht auch außerhalb des GP-Zirkus?<br />
Eigentlich gab es keinen Plan B, ich wäre dann<br />
wohl einfach mit Ioda weitergefahren und hätte<br />
mein Bestes gegeben. Wir hatten eben das Glück,<br />
dass Jorge Martinez gesehen hat, dass ich fahren<br />
kann und dass er an mich geglaubt hat, obwohl<br />
ich auf der Ioda saß und die Resultate wirklich<br />
nicht gut waren. Es war also mein Glück, dass er<br />
mich gesehen hat. Außerhalb der MotoGP zu<br />
sein, kommt für mich nicht in Frage, entweder<br />
ich fahre GP oder ich hätte ganz aufgehört und<br />
mir einen normalen Job gesucht. Zum Glück hat<br />
alles funktioniert.<br />
Nachdem du für Alberto Moncayo ins spanische<br />
Team gekommen bist, hat nun Luca Amato auch<br />
noch Hector Faubel ersetzt. Denkst du, das liegt<br />
an der Wirtschaftskrise in Spanien?<br />
Ich glaube nicht, dass es finanzielle Gründe hatte,<br />
denn soweit ich mitbekommen habe, hatte Faubel<br />
einen großen Sponsor mitgebracht, der viel Geld<br />
gezahlt hat. Ich glaube schon, dass das von den<br />
Resultaten abhängig war.<br />
Was hat sich - abgesehen von der Haltbarkeit<br />
der Ioda-Maschine - beim Fahrgefühl für dich<br />
verändert?<br />
Es ist ein komplett anderes Motorrad, ein anderes<br />
Fahrwerk, der Motor von KTM läuft einwandfrei,<br />
da gibt es nichts zu meckern, es ist ein Top-<br />
Mit dem Wechsel zum Aspar-Team ging<br />
es für Jonas Folger nach der Sommerpause<br />
wieder steil bergauf<br />
Motor. Das Fahrwerk funktioniert auch super.<br />
Die Unterstützung von Kalex ist riesig und wir<br />
versuchen auch ständig, noch etwas zu<br />
verbessern.<br />
Hast du spezielle Rituale, die du vor jedem Rennen<br />
durchführst?<br />
Rituale nicht wirklich, es gibt Fahrer, die haben<br />
richtige Rituale. Ich persönlich höre gerne vorm<br />
Fahren Musik, viel Eminem und andere Musik,<br />
bei der ich mich entspannen kann, die aber auch<br />
motiviert und antreibt. Also keine ruhige Musik.<br />
Dazu mache ich natürlich mein Aufwärmtraining,<br />
aber ich glaube, das macht jeder.<br />
2012 ist die erste Saison auf den Viertaktern.<br />
Fühlst du dich auf den neuen Bikes wohl oder<br />
vermisst du die 125ccm-Maschinen?<br />
Man kann das vom Sound her wirklich nicht<br />
vergleichen. Ich finde aber, dass sich die Moto3-<br />
Maschinen wirklich gut fahren. Ich hätte echt<br />
nicht geglaubt, dass sie mit ihrer Leistung an die<br />
125er herankommen und das Fahrgefühl der<br />
Moto3 ist wirklich super. Ehrlich gesagt, vermisse<br />
ich die 125er nicht, höchstens den Sound. Fahrerisch<br />
macht es aber wirklich Spaß auf der<br />
Moto3.<br />
Zu welchem Fahrer blickst du auf?<br />
Vorbilder sind alle MotoGP-Fahrer. Ich persönlich<br />
finde, dass Lorenzo eine Art Vorbild ist und schaue<br />
zu ihm auf, weil er es zum einen fahrerisch wirklich<br />
geschafft hat und er sich auch persönlich um<br />
180 Grad gedreht hat. Das muss man erst einmal<br />
packen, er war von seiner Art her am Anfang etwas<br />
komisch und jetzt ist er wirklich zu einem sympathischen<br />
Fahrer geworden. Ich finde es erstaunlich,<br />
dass man sich nicht nur fahrerisch, sondern<br />
auch menschlich so ändern kann.<br />
Du fährst in deiner Freizeit Motocross. Denkst<br />
du über die Risiken nach?<br />
Nein, alle Sportarten sind gefährlich, ob man nun<br />
Fahrrad oder Motocross fährt oder einfach läuft,<br />
selbst dabei kann man sich am Fuß verletzten.<br />
Bei Motocross ist das Risiko natürlich höher, aber<br />
das beste Training für einen Motorradfahrer ist<br />
einfach, Motorrad zu fahren und deshalb trainieren<br />
wir viel Supermoto und MX. Man kann<br />
nie vermeiden, dass irgendetwas passiert. Wenn<br />
es so sein soll, dann passiert‘s und wenn nicht,<br />
dann ist alles gut. Man kann es so oder so nicht<br />
verhindern.<br />
Wie lautet dein größter Wunsch für die Zukunft?<br />
Mein größter Wunsch ist, dass es so weitergeht wie<br />
momentan und dass ich solche Momente wie im<br />
Winter und Frühjahr 2012 nicht mehr erleben<br />
muss. Ich war wirklich kurz davor aufzuhören. Zum<br />
Glück habe ich das nicht gemacht und es wieder<br />
auf einen guten Weg geschafft. Ich hoffe, dass es so<br />
weitergeht und ich für das nächste Jahr eine sichere<br />
Option bekomme, auf die ich mich ohne Sorgen<br />
über den Winter vorbereiten kann.<br />
Fotos: milagro<br />
104 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Fotos: adrivo/Sutton
Sylvain Guintolis<br />
Abschied war<br />
sehr mysteriös<br />
Fotos: wsbk<br />
Die Pläne klangen<br />
von Anfang an<br />
überambitioniert<br />
Dunkle Wolken zogen<br />
relativ bald über dem<br />
Team herauf<br />
Jakub Smrz wurde<br />
still und leise<br />
entsorgt<br />
106 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Der Preis der<br />
Text: Maria pohlmann<br />
Freiheit<br />
»Sie haben viele Probleme« und »Es ging einfach zu weit« - Sätze, die besonders<br />
im Zusammenhang mit dem Liberty Racing Team in dieser Saison häufiger<br />
fielen. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> betrachtet das Katastrophenjahr des<br />
tschechischen Teams genauer und sucht nach Ursachen.<br />
D<br />
as Wort ‚Liberty‘ bedeutet grob ins Deutsche übersetzt so<br />
viel wie Freiheit. Das scheint sich das Effenbert Liberty<br />
Racing Team für 2012 ganz dick auf die Fahnen geschrieben<br />
zu haben, denn nicht nur Teammitglieder, sondern besonders auch Fahrer<br />
des tschechischen Teams wurden in dieser Saison aus nicht nachvollziehbaren<br />
Gründen in die Freiheit entlassen. Vor dem Start der Superbike-<br />
WM in diesem Jahr stieß der Italiener Fabio Alberti als neuer Teammanager<br />
zur Liberty-Crew, die er aber schon nach wenigen Wochen wieder<br />
verließ. »Wir haben entschieden, das Ganze zu beenden, denn wir hatten<br />
nicht die gleiche Herangehensweise«, hieß es nicht lange nach dem ersten<br />
Rennwochenende auf Phillip Island.<br />
Nur wenige Wochen später wurden Brett McCormick und Federico Sandi<br />
aus dem Superstock1000 Cup abgezogen. »Aufgrund von Geschehnissen,<br />
die außerhalb der Kontrolle des Managements lagen, ist das Team gezwungen,<br />
das Rennprojekt in dieser Richtung komplett aufzugeben«, lautete<br />
die Pressemitteilung. Sandi saß auf der Straße, McCormick hatte immerhin<br />
das Glück, an der Seite von Sylvain Guintoli, Jakub Smrz und Maxime<br />
Berger in der Superbike anzutreten.<br />
Pünktlich zum Heimrennen in Brünn folgte der nächste Streich: Guintoli<br />
wurde »wegen zu schlechter Ergebnisse« aus dem Team geworfen. Dass<br />
der Franzose zu diesem Zeitpunkt auf Platz acht der Gesamtwertung lag<br />
und damit bester Pilot aus dem Hause Liberty Racing war, bedachten<br />
Teambesitzer Mario Bertuccio und seine Crew beim Ausdenken ihrer<br />
Begründung wohl nicht. »Ich kenne das Problem nicht, es gibt nicht nur<br />
eines, sie haben sehr viele. Für mich war es nicht möglich, weiter so<br />
Rennen zu fahren«, erklärt Guintoli dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. »Sie haben<br />
unseren Vertrag nicht eingehalten. Es ging einfach zu weit. Ich wollte<br />
nicht weitermachen und sie haben meinen Vertrag in vielen Aspekten<br />
gebrochen. Es hat einfach nicht funktioniert und man konnte nicht darüber<br />
reden. Für mich war es also besser zu gehen und eine neue Herausforderung<br />
zu suchen.«<br />
Klingt doch fast wie beim anfänglichen Teammanager. »Ja, Fabio kam<br />
am Anfang. Es gibt viele Leute, die das Team mittlerweile verlassen<br />
haben«, bestätigt ‚Guinters‘. Auf die Frage, ob er denn wenigstens bezahlt<br />
wurde, lacht Guintoli erst einmal laut los. »Das ist eine ganz andere<br />
Geschichte. Wie gesagt, wurde der Vertrag in vielen Richtungen nicht<br />
eingehalten. Ich will da nicht ins Detail gehen. Ich bin glücklich, dass ich<br />
jetzt bei einem anderen Team arbeiten kann. Sie haben viele Schwierigkeiten.«<br />
Der 30-Jährige hatte viel Glück und konnte schon für das Silverstone-Wochenende<br />
einen Platz im PATA Racing Team finden, für die<br />
Crew direkt gewinnen und dem Liberty Racing Team damit eine lehrreiche<br />
Lektion erteilen. »Für mich war es glücklich, dass ich zurückschlagen<br />
konnte. Das war sehr wichtig. Ich war auch ziemlich kritisch, weil<br />
mitten in der Saison woanders anzufangen, ist nicht leicht. Ich hatte einen<br />
guten Saisonstart, habe ein paar Podestplätze nach Hause gebracht. Trotzdem<br />
ist es in der Mitte einer Saison echt schwer, besonders mental, wenn<br />
man plötzlich ohne Team dasteht. Man arbeitet zusammen, baut zusammen<br />
etwas auf und wenn solche Dinge passieren, ist das wirklich nicht<br />
schön«, sagt er.<br />
Das Liberty Racing Team reagierte mit einer Komplett-Absage für Russland<br />
und teilte mit, dass man zur Zeit des neuen Rennens auf dem<br />
Moscow Raceway dabei gewesen sei, sich für die Zukunft neu aufzustellen,<br />
um für das kommende Jahr perfekt gerüstet zu sein. Dafür sollte die Crew<br />
am Nürburgring - laut Ankündigungspressemitteilung auch in kompletter<br />
Besatzung - wieder am Start sein. Erst am Freitagmorgen beim ersten<br />
Training fiel dem aufmerksamen Beobachter auf, dass nicht Smrz, sondern<br />
Lorenzo Lanzi auf der dritten Maschine des Teams saß. Auf Nachfrage<br />
des <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>s begründete das Team Smrzs Abwesenheit mit<br />
der Reorganisation des Teams. Genauere Details gab es nicht, lediglich<br />
den Hinweis, dass intern viel Redebedarf bestehe und dass man bereits<br />
über die Zukunft diskutiere. »Ich bin ein Fahrer in der Weltmeisterschaft<br />
und an einen Profivertrag gebunden, den ich bis zum letzten Moment<br />
einhielt. Fakt ist, dass mich heute eine schriftliche Botschaft von Herrn<br />
Bertuccio erreichte, die mich von meinen Aufgaben für das Liberty Racing<br />
Team entbindet«, zeigte sich ‚Kuba‘ selbst überrascht.<br />
Nachdem Liberty Racing auch Berger vor Saisonende vor die Tür setzte,<br />
am vorletzten Rennwochenenden in Portimao nur mit zwei Fahrern<br />
startete und auf das Finale in Magny-Cours ganz verzichtete, darf die<br />
Superbike-Welt gespannt sein, wie die umfassend geplante Zukunft der<br />
Crew aussieht oder ob sich das Team nicht doch schon bald selbst die<br />
Freiheit schenkt.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 107
Das Kawasaki Racing Team wurde 2012 schwer getroffen, schaffte aber trotzdem<br />
einen riesigen Sprung nach vorne. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> blickt gemeinsam mit<br />
Tom Sykes und Loris Baz auf eine aufregende Saison zurück<br />
Text: Maria Pohlmann<br />
Würden in der Superbike-WM Preise für die Aufsteiger des Jahres<br />
vergeben, hätte Kawasaki Racing 2012 die Nase wohl ganz weit<br />
vorne und das trotz schwerer Rückschläge. Tom Sykes wurde in<br />
der Weltmeisterschaft nur knapp geschlagen, mit Gesamtplatz zwei<br />
aber zum Aushängeschild der Crew. Er beschreibt sein drittes<br />
Kawasaki-Jahr so: »Ich glaube, es ist leicht zu sagen: Die Saison lief<br />
sehr gut. Ich denke sogar ein bisschen besser als erwartet, aber<br />
ehrlich gesagt, ist es einfach großartig. Kawasaki hat eine Menge<br />
gemacht, auch das Team und die Sponsoren. Schließlich waren wir<br />
in der Lage, unser Potential zu zeigen.« Denn im zweiten Jahr auf<br />
der ZX-10R hat sich viel an der Maschine getan. »Wir haben eine<br />
viel bessere Balance gefunden, damit konnten wir noch konstanter<br />
als im letzten Jahr sein. Alle arbeiten super.<br />
Wir beginnen, ein sehr gutes Verständnis<br />
der ZX-10R aufzubauen«, erklärt der<br />
27-Jährige. Hauptsächlich hat der Brite mit<br />
seinem Team mehrere kleine Dinge verändert,<br />
nichts Spezielles. »Es waren einfach<br />
nur viele kleine Verbesserungen, die den<br />
großen Unterschied machen. Dazu haben<br />
wir auch die Elektronik verbessert und viele,<br />
viele Dinge mehr. Die Liste ist sehr lang, das<br />
kannst du mir glauben«, schildert er.<br />
Der Kawasaki-Crew wurde der Weg 2012<br />
jedoch alles andere als einfach gemacht.<br />
Der schwere Unfall von Joan Lascorz<br />
Anfang April beim Test in Imola traf das<br />
Team schwer. »Für mich war das ein herber Rückschlag. Alle<br />
Leute gehen mit solchen Sachen anders um. Er war mein Teamkollege<br />
und nach dem Sturz war es auch für mich sehr schwer,<br />
wieder aufs Bike zu steigen. Ich muss dem Team unheimlich<br />
danken, sie sind sehr, sehr gut damit umgegangen und haben<br />
versucht, mir zu helfen, den Kopf frei zu bekommen«, gesteht<br />
Sykes, dem der Unfall seines Teamkollegen naheging. »Ich<br />
denke noch immer darüber nach. So etwas passiert auf diesem<br />
Niveau nicht sehr oft. Viele Leute haben die Bedingungen der<br />
Rennstrecke dafür verantwortlich gemacht und das ist wirklich<br />
sehr schade. Wir haben normalerweis eine gute Sicherheitsausstattung<br />
und wenn die Auslaufzone größer gewesen wäre,<br />
dann wären wir am darauf folgenden Wochenende wieder<br />
zusammen gefahren. Es war schwierig für mich, damit umzugehen,<br />
aber das Team und die Leute um mich herum halfen<br />
mir sehr dabei.«<br />
»Es waren viele kleine<br />
Verbesserungen,<br />
die den groSSen Unterschied<br />
machen.<br />
Dazu haben wir<br />
auch die Elektronik<br />
verbessert.«<br />
Für den Piloten aus Yorkshire war es glücklicherweise kein Problem,<br />
nach dem Ausfall von Lascorz mit wechselnden Gästen in der Box<br />
zu arbeiten. »Ich habe auch mit Joan als Teamkollegen immer mein<br />
Ding gemacht und genauso mit den anderen Fahrern. Ich habe mich<br />
auf mein eigenes Bike, meine eigenen Einstellungen und meine eigenen<br />
Probleme konzentriert, so wird es auch in Zukunft weitergehen.<br />
Ich mache mein eigenes Ding und versuche, es zum Laufen zu<br />
bekommen«, erklärt er. Seit dem Donington-Wochenende im Mai<br />
hat sich Loris Baz im Kawasaki Team einen Namen gemacht. »Ich<br />
kannte das Superbike zwar schon, aber das war schon etwas Besonderes.<br />
Es war die große Chance. Mir wurde zwar gesagt, dass es nur<br />
ein Test sei und dass ich das Bike nicht für den Rest der Saison fahren<br />
würde, aber man weiß ja immer, dass man<br />
eine Chance haben kann, wenn man gut ist.<br />
Aber wenn man am Anfang etwas falsch<br />
macht und stürzt, dann wird man die Möglichkeit<br />
wohl nie wieder erhalten. Also hat<br />
man großen Druck, aber es war trotzdem cool.<br />
Die Leute im Team waren wirklich toll zu mir<br />
und sie haben extrem gut gearbeitet, damit<br />
ich mich auf dem Bike wohlfühle. Es lief also<br />
vom ersten Tag an alles super«, freut sich der<br />
junge Franzose, der aus der Superstock 1000<br />
Klasse aufstieg und extrem gute Anpassungsfähigkeiten<br />
bewies.<br />
»Ich denke, der größte Unterschied ist das<br />
Bremsen. Das Bike bremst wirklich gut und<br />
dort können wir die ganze Zeit gutmachen. Es ist also wichtig, zu<br />
lernen, wie man bremst. Tom zum Beispiel bremst extrem hart. Alles<br />
ist einfach viel besser, die Elektronik, der Motor, das ganze Bike ist<br />
einfach eine Nummer besser«, schildert Baz die Besonderheiten der<br />
ZX-10R. Wie es der 19-Jährige geschafft hat, gleich vom ersten<br />
Moment an schnell zu sein, weiß er selbst nicht genau. Allerdings<br />
wusste ‚Bazooka‘ schon immer, dass ihm die größere Maschine besser<br />
liegen würde. »Ich fühle mich einfach richtig wohl auf dem Motorrad,<br />
ich kann damit tun, was ich will. Ich konnte auch meinen Fahrstil<br />
relativ schnell anpassen. Selbst mein Crewchief ist davon überrascht,<br />
dass ich immer so schnell bin, wenn ich etwas ändern muss. Wir<br />
arbeiten alle gut zusammen. Ich fühlte mich einfach von Anfang an<br />
wirklich gut auf dem Bike, es ist perfekt.«<br />
Dabei hatte Baz selbst nicht einmal damit gerechnet, direkt so stark<br />
einzusteigen. »Ich hatte das nicht erwartet. Ich hätte nie geglaubt, →<br />
Fotos: wsbk<br />
108 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
»Ich denke, der größte Unterschied ist das Bremsen. Das Bike bremst wirklich gut und dort können wir die ganze Zeit gutmachen. Es ist also wichtig, zu lernen, wie man<br />
bremst. Tom zum Beispiel bremst extrem hart. Alles ist einfach viel besser, die Elektronik, der Motor, das ganze Bike ist einfach eine Nummer besser« - Loris Baz<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 109
dass ich es aufs Podest schaffe und ein Rennen gewinnen kann. Aber es lief<br />
halt so. Ich hatte im ersten Rennen in Brünn und in beiden Läufen in Silverstone<br />
richtig gute Ergebnisse. Ich bin unter den nassen Bedingungen<br />
immer sehr schnell oder auch wenn wir im Nassen<br />
auf dem Slick losfahren. Wir werden sehen, wie es<br />
weitergeht. Jetzt müssen wir an unserer Pace im Trockenen<br />
arbeiten, um da näher an die Spitze heranzukommen.<br />
Es ist aber wirklich gut, hier zu sein«, sagt<br />
er strahlend. Auch Sykes ist nicht entgangen, dass der<br />
Youngster recht stark unterwegs ist. Er lobt den Kollegen,<br />
der erst in der Mitte der Saison zum Team stieß:<br />
»Loris zeigt offensichtlich wirklich gute Arbeit. Die<br />
Superbike ist unheimlich schnell und er hatte schon<br />
echt gute Ergebnisse, als die Bedingungen schwierig<br />
waren. Ich und auch alle anderen Jungs an der Spitze<br />
wollten das Risiko zu diesem Zeitpunkt in der Meisterschaft<br />
natürlich nicht eingehen und Loris konnte<br />
dadurch gute Ergebnisse mitnehmen, was gut für ihn<br />
und Kawasaki ist.« Baz hält den erfahrenen Briten an<br />
seiner Seite für einen »wirklich coolen Typ« und<br />
bewundert nicht nur seine Schnelligkeit. »Er ist ein bisschen wie ich, er fühlt<br />
sich wohl im Team und hat immer gute Laune. Er macht seinen Job und ich<br />
meinen, aber manchmal können wir in den Daten ein paar Dinge sehen,<br />
von denen ich lernen kann, obwohl wir zwei total unterschiedliche Fahrstile<br />
haben. Ich bin ihm wirklich dankbar, er hat das Bike den ganzen Winter<br />
lang entwickelt, ich musste nichts tun, nur noch meinen Stil anpassen. Es<br />
ist wirklich gut, einen echt schnellen Teamkollegen wie ihn zu haben.«<br />
Zumal dieser schnelle Teamkollege das Motorrad stark verbessern konnte,<br />
nachdem er noch zu Saisonbeginn zur Rennhälfte regelmäßig zurückfiel.<br />
»Es ist großartig. Viele Leute haben mich für das Rennende kritisiert und<br />
das ist ziemlich lustig, denn alle zeigen gleich mit dem Finger auf den Fahrer<br />
und nichts anderes. Die Leute finden schnell ein schwarzes Schaf. Schließlich<br />
konnten wir die Balance des Bikes aber verbessern und waren damit in der<br />
Lage, am Rennende besser zu sein. Für mich ist es jetzt einfacher, schnell<br />
zu sein. Ich hatte in der Vergangenheit Probleme, mehr als ein paar Runden<br />
wirklich schnell zu sein. Ich bin glücklich, dass wir den Speed gefunden<br />
haben«, erklärt Sykes, der sich gleichzeitig auch über seine Konstanz freut.<br />
Gibt es bei so viel Positivem überhaupt eine Schwachstelle? »Das Bike funktioniert<br />
normalerweise sehr, sehr gut. Die Schwächen sind... ich kann das nicht<br />
sagen, nicht dass ich der Konkurrenz eine zu große Angriffsfläche liefere«,<br />
lacht Sykes. »Sicherlich fehlt uns in einigen Bereichen noch etwas. Wir wissen<br />
aber, wo wir uns verbessern müssen und dass wir uns verbessern können, das<br />
ist die Hauptsache.« Baz hingegen findet auch nach langem Überlegen einfach<br />
keinen Haken. »Für mich ist das Beste am Bike, dass eigentlich nichts schlecht<br />
ist. Wir haben keine großen Probleme, wie andere Teams mit Chattering, dem<br />
Vorderrad oder dem Motor haben. Unser Bike ist wirklich gut mit einem sehr<br />
starken Motor, ich mag das Gefühl zum Vorderrad. Für mich ist das Bike<br />
extrem gut und ich kann keine negativen Punkte nennen. Man kann einfach<br />
immer fahren, ohne sich über irgendetwas Sorgen machen zu müssen.«<br />
Beschweren kann sich der Rookie also absolut nicht.<br />
Beide Fahrer werden dem Kawasaki Team auch im kommenden Jahr erhalten<br />
bleiben. Sykes hatte den Deal schon recht früh in der Tasche. »Ich bin in der<br />
World Superbike, also gab es für mich keinen Grund, irgendetwas daran zu<br />
ändern. Wir werden sehen. Ich habe eine sehr gute Beziehung zu Kawasaki,<br />
dem ganzen Team und allen Leuten, die dafür arbeiten. Das ist für mich<br />
unbezahlbar.« Mit so viel positiver Energie reicht es für das Aufsteiger-Team<br />
2012 im nächsten Jahr garantiert zu noch mehr Erfolgen und vielleicht kann<br />
Kawasaki Racing dann sogar den Weltmeisterteam-Award abgreifen.<br />
»Für mich ist das<br />
Bike extrem gut - es<br />
gibt nichts negatives.<br />
Man kann einfach<br />
immer fahren,<br />
ohne sich über irgendetwas<br />
Sorgen<br />
machen zu müssen.«<br />
Fotos: wsbk<br />
110 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Loris Baz konnte<br />
Kawasaki auch<br />
für 2013 von sich<br />
überzeugen<br />
Kawasaki-Grün<br />
ist in der<br />
Superbike<br />
wieder eine<br />
Farbe, die für<br />
Respekt sorgt<br />
Tom Sykes und Loris<br />
Baz werden auch 2013<br />
die Konkurrenz rauchen<br />
lassen. Das Potential<br />
dafür ist vorhanden.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 111
Todeskrallen: Diesem Schumi-Fan dürfte das<br />
Karriere-Ende des Champions nicht gefallen<br />
Pferdeköpfe: Die japanischen Tifosi lassen sich einiges einfallen -<br />
nur die Samurai-Schwerter können wir uns nicht erklären<br />
vettel<br />
finger<br />
Sebastian Vettels bevorzugte<br />
Jubelgeste hat sich auch in<br />
Japan durchgesetzt<br />
Fotos: adrivo/sutton<br />
112 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
iceman<br />
fan<br />
Lotus-Pilot Kimi Räikkönen hat<br />
überall viele Fans - in Japan<br />
auch unter den Kleinsten<br />
Kopfbedeckung<br />
Die japanischen Fans haben nur<br />
Autos auf dem Kopf<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 113
die champions<br />
stehen fest:<br />
motorsport-magazin<br />
ausgabe 28 erscheint<br />
am 13.12.2012<br />
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