26.02.2014 Aufrufe

Motorsport Magazin Hamiltons Mission Impossible (Vorschau)

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INHALT.ausgabe 27<br />

IN DIESER AUSGABE<br />

Formel 1<br />

mercedes: Lewis <strong>Hamiltons</strong> <strong>Mission</strong> <strong>Impossible</strong> 22<br />

vergleich: Hamilton vs. Schumacher 26<br />

sergio perez: McLaren‘s new Topstar 30<br />

interview: Christian Horner 34<br />

Stephan Heublein, Chefredakteur<br />

Ein neues<br />

<strong>Motorsport</strong>-Zeitalter<br />

technik: Simulator 38<br />

Ingenieure: Mann im Ohr 40<br />

Track Walk: Bruno Senna 44<br />

romain grosjean: Letzte Chance 46<br />

top-5: Kamikaze Fahrer 50<br />

history: Prof. Sid Watkins 54<br />

Formel 1 im Wandel - Perez zu McLaren, Hamilton zu Mercedes,<br />

Schumacher auf die Couch. Die Pressemitteilungen flatterten im<br />

Minutentakt in unserer Redaktion herein. Die Topwechsel sind allen<br />

bekannt, aber was bedeuten sie wirklich und welchen Einfluss<br />

haben sie auf die nächste Saison? Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> ging<br />

diesen Fragen nach und verrät, warum Lewis Hamilton eine<br />

Neuauflage von Michael Schumacher ist, ob Sergio Perez das Zeug<br />

zum Topstar hat und wieso Romain Grosjean noch ein Cockpit bei<br />

Lotus frei schießen könnte.<br />

MotoGP im Wandel - Respekt vor demjenigen, der auf dem<br />

Höhepunkt seines Schaffens abtritt und den Absprung nicht<br />

verpasst. In der letzten Ausgabe ließen wir Casey Stoner selbst zu<br />

Wort kommen, diesmal spricht sein Honda-Teamboss Livio Suppo<br />

mit Falko Schoklitsch über einen der Größten seiner Zunft, der<br />

auch beim Abgang alles richtig zu machen scheint. Frisches Blut<br />

steht bereits Schlange: Mit Bradley Smith und Andrea Iannone<br />

baten wir gleich zwei MotoGP-Aufsteiger für 2013 zum Gespräch<br />

und förderten unerwartete Träume über Angelina Jolie zu Tage.<br />

Rallye-WM im Wandel - Auch der neunfache Rallye-Weltmeister<br />

Sebastien Loeb geht im Winter in Altersteilzeit und fährt 2013 nur<br />

noch sporadisch zum Spaß mit. Marion Rott hat sich mit seinem<br />

möglichen Nachfolger auseinandergesetzt - passenderweise hört<br />

auch er auf den Namen Super-Seb.<br />

Automobil<br />

dtm: Rookie Septett 60<br />

wrc: Super-Seb reloaded 64<br />

interview: Markus Winkelhock 66<br />

track test: Red Bull Ring 68<br />

technik: Corvette Z06.R GT3 70<br />

splitter: ADAC <strong>Motorsport</strong> 72<br />

Motorrad<br />

interview: Livio Suppo 76<br />

background: Gute Freunde 82<br />

interview: Jonathan Rea 86<br />

yamaha: Eine kraftvolle Vision 90<br />

interview: Bradley Smith . 92<br />

story: Britain‘s got Talent 96<br />

interview: Andrea Iannone 100<br />

interview: Jonas Folger 104<br />

Liberty Racing: Der Preis der Freiheit 106<br />

kawasaki: Aufsteiger des Jahres 108<br />

Service<br />

Boxenstopp 4<br />

Kolumnen 14<br />

ZIELGERADE 112<br />

Foto: adrivo/Sutton Titelfotos: adrivo/Sutton, milagro, mercedes, mclaren, wsbk<br />

2 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Pro VS.<br />

Schumacher Comeback<br />

Hat sich das<br />

Comeback von<br />

Michael Schumacher<br />

gelohnt?<br />

+++ PRO +++<br />

+++ CONTRA +++<br />

Fotos: mercedes-benz<br />

Michael Schumachers Comeback war absolut richtig. Klar, ein voller<br />

Erfolg sieht sportlich deutlich anders aus. Aber obwohl es in der Formel<br />

1 stets nur um eins geht - der Schnellste, Beste und Erste zu sein -,<br />

ging es bei Michael Schumachers Comeback um mehr.<br />

Noch nie zuvor hatte die Formel 1 so einen Hype erlebt wie nach seiner<br />

Rückkehr-Ankündigung Ende 2009. Da kann Sebastian Vettel noch so<br />

viele Titel gewinnen, Lewis Hamilton sich noch so oft von seiner Freundin<br />

trennen und wieder versöhnen und Fernando Alonso noch fünf<br />

Mal mehr aus einem mittelmäßigen Ferrari herausquetschen - wenn<br />

der Rekordchampion zurückkommt, verkommt das in der medialen<br />

Wahrnehmung zu winzigen Randnotizen.<br />

Der Wert des Namens und der Marke Schumacher ist für die Formel<br />

1 rund um den Globus unbeschreiblich. Egal ob es den Egos von Alonso,<br />

Hamilton & Co gefällt, überall auf der Welt kennen die Menschen<br />

»Schumi«, bei allen anderen Fahrern sieht das anders aus...<br />

Natürlich versprach sich Schumacher bessere Ergebnisse, allen voran<br />

Siege, aber das Auto war zu schlecht, um mehr als ein paar Achtungserfolge<br />

wie die Qualifying-Bestzeit in Monaco oder den Podiumsplatz<br />

in Valencia zu ermöglichen. Das darf sich nicht negativ auf die Comeback-Beurteilung<br />

auswirken. Schon gar nicht, da der für ihn wohl<br />

gleich wichtige Comeback-Grund erfüllt wurde: Er hatte verdammt<br />

viel Spaß, wieder Formel-1-Rennen zu bestreiten. Wer kann ihm da<br />

vorschreiben, dass seine Rückkehr falsch gewesen sein soll?<br />

Text: Stephan Heublein<br />

Unbestritten ist Michael Schumacher eine Marke. Doch gerade die<br />

Marke Michael Schumacher ist wie keine andere mit Erfolg verbunden.<br />

Unzählige Rekorde, darunter sieben WM-Titel, haben ihn erst zu einer<br />

Marke gemacht. Als Schumacher wiederkam, war die Euphorie nur<br />

deshalb so groß, weil seine Fans ihn wieder siegen und seine Nicht-<br />

Fans ihn scheitern sehen wollten.<br />

Und letzteres ist eingetroffen - Schumacher ist mit seinem Comeback<br />

gescheitert. Ja, er wollte Spaß haben, aber er wollte mit Mercedes<br />

auch Rennen und Titel gewinnen. Drei Jahre später ist die Bilanz<br />

ernüchternd: ein einziger Podestplatz. Für einen siebenfachen Champion<br />

eine Schmach und für seine Fans nur schwer zu ertragen.<br />

Der Grund liegt nicht nur beim minderkonkurrenzfähigen Mercedes-<br />

Boliden, denn Nico Rosberg gelang es, im gleichen Auto einen Sieg<br />

und vier Podestplätze einzufahren. In den ersten zwei Jahren stellte<br />

er Schumacher konsequent in den Schatten - als erster Teamkollege<br />

des Deutschen überhaupt. Spaß hat das sicher nicht gemacht! Schon<br />

gar keinem Egomanen wie Schumacher, der in seiner ersten F1-Karriere<br />

vor nichts zurückschreckte, um Erfolg zu haben.<br />

Dass sich das nicht geändert hat, beweist das Manöver gegen Barrichello<br />

in Ungarn. Nur den Ehrgeiz, für den Schumacher in der Vergangenheit<br />

berühmt war, ließ er zumeist vermissen. Mag sein, dass seine zweite Karriere<br />

tatsächlich von Spaß und nicht Ehrgeiz getrieben war - was nur schwer zu<br />

glauben ist. Wenn doch, war das Comeback sein größter Fehler.<br />

Text: Kerstin Hasenbichler<br />

4 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Text: Maria Pohlmann<br />

Ausser<br />

Kontrolle<br />

Die mutigen<br />

MotoGP-Stars<br />

und das<br />

Spaßmobil<br />

Cal Crutchlow gefiel die<br />

Fahrt im Truck ganz und<br />

gar nicht<br />

Gold<br />

für<br />

Deutschland<br />

In Aragon bekamen einige MotoGP-Piloten die<br />

Chance, sich im Truck um die spanische Strecke<br />

chauffieren zu lassen. Cal Crutchlow war von der<br />

Action allerdings wenig begeistert: »Ich bin wohl kein<br />

guter Beifahrer. Das Teil war extrem schnell, aber ich<br />

war nicht wirklich beeindruckt, weil ich es nicht<br />

mag, nicht die Kontrolle zu haben. Als der Typ dann<br />

auf zwei Rädern fuhr, wurde mir echt übel. Es war<br />

nicht gerade die beste Erfahrung meines Lebens.«<br />

Fotos: milagro, KTM<br />

Der 30. September 2012 wird definitiv<br />

in die Annalen des Motocross-<br />

Sports eingehen. Im belgischen Lommel<br />

gewannen Max Nagl, Ken Roczen<br />

und Marcus Schiffer zum ersten Mal<br />

in der 66-jährigen Geschichte des<br />

Motocross of Nations die heißbegehrte<br />

Chamberlain Trophy für<br />

Deutschland. Damit unterbrachen sie<br />

die Siegesserie der US-Boys in der<br />

MX-Mannschaftsweltmeisterschaft.<br />

Roczen selbst war verblüfft: »Es ist<br />

absolut erstaunlich, was uns Dreien<br />

da gelungen ist!«<br />

Der Insektentrend<br />

Neben Valentino Rossi, Dani Pedrosa und Marc<br />

Marquez fuhren die spanischen Fans in Aragon<br />

besonders auf das Maskottchen des Moto2-<br />

Fahrers ab. Da hatte sich der Marquez-Fanclub<br />

wahrlich etwas Besonderes einfallen lassen, kaum<br />

einer lief an der roten Ameise mit der Nummer 93<br />

vorbei, ohne ein Foto zu machen oder sich das<br />

Ganze wenigstens etwas genauer anzusehen. Was<br />

Anthony ‚Ant‘ West wohl zu diesem enteigneten<br />

Glücksbringer zu sagen hatte?<br />

6 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


5 Fragen an<br />

Casey Stoner<br />

Wenn es einen Film über dich gäbe, wie würde der Titel lauten?<br />

Keine Ahnung, darüber habe ich noch nie nachgedacht.<br />

Welcher Superheld wärst du gern?<br />

Sorry, da muss ich wieder passen. Ich weiß es nicht.<br />

Wann hast du das letzte Mal<br />

richtig einen draufgemacht?<br />

Ich gehe zu keiner Party, eigentlich nie groß aus.<br />

Was ist dein Lieblings-Anmachspruch?<br />

Bei mir gibt es keine Anmach-Sprüche.<br />

Ich bekam Adrianas Nummer durch<br />

ihre Schwester, dann habe ich sie<br />

gefragt, ob sie mein Grid Girl sein<br />

möchte, als wir uns zum ersten<br />

Mal in der Stadt trafen und so<br />

ist es dann passiert.<br />

Welchen Star würdest du<br />

gerne einmal treffen?<br />

Leonardo DiCaprio wäre<br />

fantastisch. Mel Gibson<br />

und Meg Ryan wären<br />

auch ziemlich cool.<br />

01<br />

02<br />

03<br />

04<br />

05


Hyundai<br />

kommt<br />

zurück<br />

Mit der Vorstellung des i20 WRC auf der Paris Motor Show läutete<br />

Hyundai das Comeback in der höchsten Rallyeklasse ein.<br />

Der viertgröSSte Automobilkonzern der Welt arbeitete seit dem<br />

Rückzug aus der WRC im Jahr 2003 daran, ein firmeneigenes WRC-<br />

Team in Europa auf die Beine zu stellen sowie einen eigenen Boliden<br />

zu konstruieren. Einen genauen Zeitplan für die Rückkehr<br />

nannte Hyundai nicht. Erwartet wird, dass die Koreaner 2013 an<br />

einzelnen Events teilnehmen, ehe sie 2014 voll einsteigen.<br />

Fotos: hyunai, peugeot, gp2 series<br />

<strong>Motorsport</strong>messe<br />

für <strong>Motorsport</strong>profis<br />

Vom 13. bis 15. November ist Köln das Mekka der<br />

<strong>Motorsport</strong>industrie. Bei der Professional MotorSport World<br />

Expo präsentieren mehr als 230 Aussteller zahlreiche<br />

technische Innovationen und Lösungen aus Bereichen wie<br />

Motordesign und Tuning, Rennwagen-Ausstattung,<br />

Sicherheit, Transport & Logistik sowie <strong>Motorsport</strong>-Business.<br />

»Ich denke, dass dies die beste und auch die<br />

wichtigste Messe für unsere Branche ist«, sagt Vic Locke,<br />

Einkäufer für V8 & KERS-Projekte bei Mercedes AMG High<br />

Performance Powertrains. Im Rahmen eines spektakulären<br />

Galadiners werden die in der <strong>Motorsport</strong>welt weithin<br />

respektierten Professional MotorSport World Expo Awards<br />

verliehen. Eine unabhängige Expertenjury kürt unter<br />

anderem den besten Rennwagen, den besten <strong>Motorsport</strong>-<br />

Ingenieur, die beste Antriebsinnovation und die beste<br />

europäische Rennserie des Jahres.<br />

Ein neues Kapitel<br />

Auf der Paris Motor Show stellte Peugeot mit dem 208 Type R5 den Nachfolger des 207 Super 2000<br />

vor, der mit sechs IRC-Titeln sowie Siegen bei prestigeträchtigen Events wie der Rallye Monte Carlo<br />

große Fußstapfen hinterlässt. Die Testfahrten sollen Ende des Jahres beginnen, ab der zweiten<br />

Hälfte der Saison 2013 sind Wettkampfeinsätze in der Intercontinental Rally Challenge (IRC), der<br />

European Rally Championship (ERC) und in nationalen Meisterschaften geplant.<br />

8 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Text: Frederik Hackbarth, Annika Kläsener<br />

Italienischer<br />

Champion<br />

Obwohl es am Ende noch einmal knapp<br />

wurde, führte 2012 in der GP2 kein Weg<br />

an Davide Valsecchi vorbei. Von den<br />

ersten fünf Saisonrennen gewann der<br />

Italiener drei, anschließend setzte er sich<br />

mit regelmäßigen Podestankünften<br />

schnell von seinen Verfolgern ab. Nach<br />

einer Schwächephase im Sommer eilte<br />

Hauptkonkurrent Luiz Razia zwar noch<br />

einmal heran, in Monza fiel aber die<br />

Vorentscheidung im Titelkampf. Beim<br />

Finallauf im fernen Singapur ließ sich<br />

der DAMS-Pilot die Butter schließlich<br />

nicht mehr vom Brot nehmen.<br />

Aus der GP2<br />

in die Formel 1<br />

N. Rosberg, H. Kovalainen, S. Speed, N.<br />

Piquet, G. Pantano, G. Bruni, L. Hamilton, T.<br />

Glock, V. Petrov, L. di Grassi, G. Bruni, B.<br />

Senna, P. Maldonado, S. Buemi, K. Chandhok,<br />

A. Pizzonia, K. Nakajima, S. Yamamoto, R.<br />

Grosjean, J. D’Ambrosio, K. Kobayashi, N.<br />

Hülkenberg, S. Pérez, C. Pic<br />

Gute Jahrgänge<br />

Talentierte Fahrer gab es über<br />

die Jahre in der GP2 immer<br />

wieder, besonders herausragend<br />

waren aber die GP2-<br />

Jahrgänge 2005 und 2009.<br />

Gleich in der ersten Saison<br />

sorgten der spätere Champion<br />

Nico Rosberg und Heikki Kovalainen<br />

für ein atemberaubendes<br />

Titelduell in einer hart umfochtenen<br />

Meisterschaft. Vier Jahre<br />

später erlebte die Serie dann<br />

ob der Vielfalt der aufstrebenden<br />

Piloten einen Boom:<br />

Sergio Pérez, Pastor Maldonado,<br />

Romain Grosjean und<br />

Nico Hülkenberg waren nur<br />

einige der klangvollen Namen.<br />

Aus der GP2<br />

in die DTM<br />

A. Prémat, A. Carroll, M. Lauda, F. Albuquerque,<br />

C. Bakkerud, E. Mortara, C. Vietoris<br />

Aus der GP2<br />

in die Welt<br />

E. Viso (IndyCar), M. Conway (IndyCar), T.<br />

Gommendy (ChampCar), N. Jani (WEC), N.<br />

Lapierre (Le Mans), S. Hernández (WTCC), J.<br />

Villa (WTCC)<br />

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Kampf um die Plätze<br />

Ein Platz im Formel-1-Rennkalender ist beinahe genauso hart umkämpft wie einer auf dem Podium. Der provisorische<br />

Rennkalender für die Saison 2013 sieht erneut 20 Grand Prix vor - neu ist das zweite US-Rennen in Jersey, dafür fällt<br />

der Europa GP in Valencia heraus. Allerdings steht noch ein Fragezeichen hinter der neuen Strecke in New Jersey. Als<br />

möglicher Ersatz machen sich die Türkei und Frankreich Hoffnungen, wieder in den Kalender aufgenommen zu werden.<br />

Für die Zukunft ist ein Grand Prix in Russland eingeplant, auch Thailand bemüht sich um ein Rennen.<br />

17. März................... Australien GP<br />

24. März.................... Malaysia GP<br />

14. April............................China GP<br />

21. April........................ Bahrain GP<br />

12. Mai....Spanien GP (Barcelona)<br />

25. Mai........................Monaco GP<br />

09. Juni .......................Kanada GP<br />

16. Juni.... Jersey GP (New York)*<br />

30. Juni........... Großbritannien GP<br />

14. Juli ................. Deutschland GP<br />

28. Juli ..........................Ungarn GP<br />

25. August...................Belgien GP<br />

08. September..............Italien GP<br />

22. September........Singapur GP<br />

06. Oktober...................Korea GP<br />

13. Oktober....................Japan GP<br />

27. Oktober................... Indien GP<br />

03. November...... Abu Dhabi GP<br />

17. November...... US GP (Austin)<br />

24. November.......... Brasilien GP<br />

*wird noch bestätigt<br />

Fotos: adrivo/Sutton, red bull racing<br />

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Text: Manuel Sperl, Mike Wiedel<br />

Wo könnte die<br />

Formel 1 noch fahren?<br />

MOSKAU<br />

Seit Jahren träumt Bernie Ecclestone von einem Rennen in<br />

Russland. Doch in welcher Stadt soll der F1-Zirkus gastieren?<br />

Olympia-Stadt Sochi galt für 2014 als sicher, doch auch Moskau<br />

besitzt Chancen. Schier unzählige Demo-Runs haben auf dem<br />

Roten Platz ihre Spuren hinterlassen.<br />

Rom<br />

Motorenlärm in der ewigen Stadt? Rom galt als Alternative zu<br />

Monza. »Die Bürokratie stoppt in Rom tausende Projekte, nicht<br />

nur die Formel 1«, ärgerte sich Promoter Maurizio Flammini. Stattdessen<br />

wandte er sich dem F1-Projekt in New York zu. In den USA<br />

mahlen die Mühlen der Bürokratie offenbar schneller.<br />

Seoul<br />

Der Korea GP gehört nicht zu den F1-Favoriten. 2016 läuft der Vertrag<br />

mit der Formel 1 aus, Seoul stünde als Alternative parat. »Kein<br />

Mensch weiß dort, was die Formel 1 ist«, ist Christian Danner nicht<br />

wirklich überzeugt. Nick Heidfeld drehte 2008 als erster F1-Pilot in<br />

Seoul Demorunden im Stadtteil Samsung-dong.<br />

Ukraine<br />

Vor zwei Jahren hieß es, dass eine Milliarde Dollar für den Bau eines<br />

Kurses nahe Kiews bereit stünden. 2013 sollte die F1 bereits auf der<br />

neuen Strecke gastieren. Aus diesem Plan wird wohl nichts, doch<br />

Red Bull und Daniel Ricciardo lieferten im Mai 2012 mit einem Show-<br />

Run in den Straßen von Kiew einen netten Vorgeschmack.<br />

Thailand<br />

Stadtrennen in den Straßen Bangkoks, ein Grand Prix unter<br />

Flutlicht oder der Bau einer komplett neuen Strecke in Chiang<br />

Mai - die Interessenvertreter haben viele Ideen bezüglich eines<br />

F1-Rennens in Thailand. 2014 soll der GP über die Bühne gehen,<br />

Bernie Ecclestone hat Interesse signalisiert.<br />

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Boxenspion<br />

BOXENSPION<br />

Blinder Passagier<br />

im Red Bull von<br />

Sebastian Vettel<br />

Life Through a Lens<br />

blinder passagier<br />

Mark Sutton<br />

Das ist Sebastian Vettels Red Bull auf dem Weg zurück an die Boxen - entgegen<br />

der Fahrtrichtung. Überhaupt machen die Italiener, was sie wollen - einer<br />

der Streckenposten sitzt sogar im Cockpit und spielt mit dem Lenkrad. Das<br />

war sicher eine unliebsame Überraschung für die Red-Bull-Mechaniker, als der<br />

Transporter an der Box vorfuhr. Aber es passt gut zum Italien GP: Dort rennen<br />

immer viele Leute ohne Akkreditierung an der Strecke herum - die Mächtigen<br />

scheinen dort besonders gerne ihren Freunden zu einem Besuch zu verhelfen.<br />

kamerakind fernando<br />

Fernando Alonso übt<br />

für die Zeit nach<br />

seiner Karriere<br />

Dieser lustige Moment zeigt, dass Fernando in<br />

Monza genau entgegengesetzt zu Lewis tickte. Er<br />

hatte das gesamte Wochenende über gute Laune<br />

und machte bei einer Ferrari-Fahrzeugübergabe<br />

im Paddock sogar selbst ein Foto mit seinem<br />

Handy - wahrscheinlich hatte er es schneller bei<br />

Twitter hochgeladen als wir die Bilder auf unserer<br />

Webseite hatten. Auf dem Podium nahm er Kameramann<br />

Franco die Kamera ab und die Aufnahmen<br />

wurden sogar live gesendet!<br />

champagner-dusche<br />

Hier feiert Paul Monaghan mit Seb auf<br />

dem Podium. Normalerweise lässt man<br />

die Augen und den Mund bei einer<br />

Champagnerdusche geschlossen - aber<br />

er wollte einfach alles! Vom Fahrer<br />

durchnässt zu werden, ist auf dem Podium<br />

eine Art Auszeichnung. Paul ist ein<br />

wichtiges Teammitglied und arbeitet<br />

mit Adrian Newey an der Aerodynamik.<br />

Er ist auch ein großer Foto-Narr und<br />

fotografiert in der Box die flowviz-<br />

Farbe an den Autos. Während sich<br />

Newey den Farbverlauf ansieht, geht<br />

Paul eben noch etwas mehr ins Detail.<br />

Ausgelassener<br />

Jubel: »Nimm<br />

das!«


+ msm on tour +<br />

1.<br />

2.<br />

Eine groSSe<br />

Familie<br />

Gern<br />

gesehen im<br />

paddock<br />

3.<br />

Obwohl im MotoGP-Fahrerlager oft der Eindruck entsteht,<br />

dass alle Teams sich nur als Rivalen sehen, musste unsere<br />

Redakteurin Maria in Aragon feststellen, dass wirklich<br />

jeder für den anderen da ist - vor allem wenn der Koffer<br />

mit Kleidung und Zahnbürste fürs Rennwochenende die<br />

Reise ins Niemandsland nicht mit antreten möchte. Aber<br />

zum Glück gibt es hilfsbereite Teammitglieder, die sofort mit<br />

Teamjacken und Trikots aushalfen - sogar die Streckenmitarbeiterin<br />

am Eingang zum Media Center steuerte eine<br />

wärmende Strickjacke bei.<br />

1. Vorsicht beim Fragenstellen:<br />

Carlos Checa erklärte, dass er<br />

noch lange nicht zu alt ist und noch<br />

jeden Tag dazu lernt.<br />

2. Leon Camier ging das Interview mit Maria vor beiden Rennen<br />

auf dem Nürburgring relaxt an und platzierte seine Suzuki noch<br />

am gleichen Tag zum ersten Mal auf dem Podest. Guter Einfluss?<br />

3. Beim Liberty Racing Team ging es<br />

2012 drunter und drüber. Sylvain Guintoli<br />

schilderte seine Probleme mit der Crew<br />

(nachzulesen auf Seite 110).<br />

Fotos: adrivo/Sutton, milagro<br />

Zitate:<br />

»Also normalerweise lassen wir hier keine<br />

Leute in LCR-Jacke rein, aber ich mache mal<br />

eine Ausnahme.«<br />

(Milena, Tech 3 Pressesprecherin)<br />

»Keine Sachen? Kein Problem! Wie wäre es mit<br />

einem Grid Girl Dress?«<br />

(Fabio Alberti, LCR Honda)<br />

»Oh mein Gott, es tut mir so leid, dass wir<br />

nichts dabei haben! Flieg beim nächsten Mal<br />

lieber über Zaragossa.«<br />

(Joan Olive, Red Bull KTM)<br />

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DEBATTE: christian menath, philipp schajer & Falko Schoklitsch<br />

Der Elektroschock<br />

Bald wird es eine FIA Rennserie mit elektronischen Formel-Autos geben.<br />

Kann so etwas Rennfans begeistern oder braucht echter Rennsport<br />

Benzin und Lärm? Unsere Redakteure diskutieren.<br />

Falko Schoklitsch: Es dürfte wohl wenige geben, denen nicht klar ist, dass<br />

wir etwas für unsere Umwelt tun und sich die zukünftigen Technologien dahin<br />

entwickeln müssen. Das gilt natürlich auch für den Straßenverkehr und eine<br />

Formelserie mit Elektro-Rennwagen dürfte die Entwicklung durchaus vorantreiben.<br />

Ich sehe nur das Problem, dass die Serie für Fans nicht besonders<br />

interessant ist, weil einfach der nötige Kick mit dem Motorensound fehlt.<br />

Christian Menath: Ich sehe die Geschichte auch zweischneidig. Die<br />

Technik ist freilich faszinierend. Drehmoment bis zum Abwinken und<br />

bei jeder Gelegenheit. Die technische Herausforderung für die Hersteller<br />

ist sicherlich groß. Im <strong>Motorsport</strong> werden alle Komponenten unter<br />

extremsten Bedingungen getestet. Ich sehe somit eine große Chance<br />

und großes Entwicklungspotential für eine neue Technik, die bislang<br />

stiefmütterlich behandelt wurde. Auf der anderen Seite bin ich natürlich<br />

ein Petrolhead. Der Geruch und der unverwechselbare Sound von Rennmotoren<br />

haben mich in ihren Bann gezogen. Ich kenne »E-Racing« bereits<br />

aus der Formula Student. Die Autos sind ähnlich schnell wie die Verbrenner<br />

in dieser Serie, aber mir fehlt dabei einfach die Emotion. <strong>Motorsport</strong><br />

muss begeistern, ob er das in dieser Form noch tut, weiß ich nicht.<br />

Verbrauchsvorteil bringen und stößt bei Fans nicht auf besonders viel<br />

Akzeptanz. Und das, obwohl es eine äußerst populäre Turbo-Ära bereits<br />

gab. Für mich ist eine umweltverträgliche Formel 1 auf jeden Fall eine<br />

Gratwanderung.<br />

Der Fondtech E-11<br />

Elektro-Renner<br />

Philipp Schajer: Die globale Erwärmung ist ein allgegenwärtiges Thema und<br />

macht mittlerweile offenbar auch nicht mehr vor dem <strong>Motorsport</strong> halt. Es ist<br />

durchaus lobenswert, wenn sich die FIA im Kampf gegen den menschengemachten<br />

Klimawandel engagieren möchte, doch stellt sich mir die Frage, ob eine<br />

Formula E nicht nur als ein Feigenblatt dient, sodass sich die Verantwortlichen<br />

ans Revers heften können, dieses populäre Thema aufzugreifen. Wäre es nicht<br />

wesentlich zielführender, in etablierten Rennserien wie der Formel 1 auf nachhaltige<br />

Technologien zu bauen, zumal diese Serien auch in der Zuschauergunst<br />

erheblich höher stehen und damit eine größere Vorbildwirkung gegeben wäre?<br />

Falko: Naja, die Formel 1 wird da in den nächsten Jahren ohnehin zwangsbeglückt<br />

und wird ab 2014 mit zahlreichen Energierückgewinnungs-Systemen<br />

fahren. In der Boxengasse sollen die Autos dann nur mit Elektro-Motor vorankommen.<br />

Alleine die Fan-Reaktion darauf hat gezeigt, dass eine reine Elektro-<br />

Formel wohl aufmerksamkeitstechnisch eine Totgeburt werden dürfte.<br />

Philipp: Deswegen wäre es auch zielführender, nicht eine gänzliche neue Rennserie<br />

aus dem Boden zu stampfen, die bezüglich Akzeptanz und mittel- bis langfristiger<br />

medialer Aufmerksamkeit ein vermutlich ärmliches Dasein fristen wird,<br />

sondern nachhaltige Technologien auf der breiten Bühne der Formel 1 zu präsentieren.<br />

Man erreicht mit keiner anderen Rennserie weltweit ein größeres<br />

Publikum, weswegen ich der Ansicht bin, dass man die Kräfte lieber bündeln<br />

sollte, als Ressourcen in eine weitere Klasse zu investieren, deren Erfolgsaussichten<br />

wohl als äußerst bescheiden tituliert werden können. Das würde nicht<br />

dem Gedanken der Nachhaltigkeit entsprechen.<br />

Toyota stellt regelmäßig<br />

neue Elektrorekorde auf<br />

- in Pikes Peak und auf<br />

der Nordschleife<br />

Christian: Wobei man dabei sehr vorsichtig sein muss, der Formel 1<br />

einen grünen Anstrich zu verleihen. Wie Falko schon sagte, sind die<br />

Fans von diesen Ideen nicht gerade begeistert. Schon die Kastration der<br />

Motoren von 2,4 Liter V8 auf 1,6 Liter V6 Motoren soll einen enormen<br />

14 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


FuSSball auf Motorrädern<br />

Motoball. Ob das unser ernst ist? Auch wir trauten unseren verdutzten Augen<br />

zunächst nicht. Aber es ist wahr und auch hier liegt die Wahrheit auf dem<br />

Platz: Das Runde muss ins Eckige - mit extra viel PS!<br />

Text: Stephan Heublein<br />

Fotos: adrivo/Sutton, fondtech, toyota, Motoball EM<br />

Worum geht es?<br />

Ganz einfach: Fußball auf Motorrädern.<br />

Wie kommt man darauf?<br />

Es ranken sich einige Mythen um die Entstehungsgeschichte, die geläufigste<br />

ist, dass Motoball aus Frankreich stammt und in den 30er Jahren<br />

nach Deutschland kam, nach dem Zweiten Weltkrieg aber erst in den<br />

50er Jahren wiederentdeckt wurde. Seitdem hat es sich in ganz Europa<br />

ausgebreitet - von Frankreich und Deutschland über die Niederlande<br />

bis hin nach Russland, Litauen, Weißrussland und in die Ukraine.<br />

Wie funktioniert es?<br />

Eine Mannschaft besteht aus einem nicht motorisierten Torwart, vier<br />

Feldspielern auf 250ccm Spezialmotorrädern, zwei Mechanikern und<br />

einem Trainer. Die Spielzeit beträgt vier Mal 20 Minuten. Gespielt wird<br />

mit einem ca. 800g schweren luftgefüllten Lederball (Durchmesser ca.<br />

40 cm). Aus selbsterhaltungstechnischen Gründen darf der Torhüter<br />

seinen Strafraum nicht verlassen. Foul ist unter anderem, wenn der<br />

Ball mit dem Vorderrad statt mit dem Fuß gespielt wird. Auch eine<br />

Abseits-Regel ist vorhanden.<br />

Was ist mit den Motorrädern?<br />

Sie haben zwei Räder, eine Handbremse, eine beidseitige Fußbremse,<br />

eine speziell angefertigte Ballführung und sind auf das Nötigste abgespeckt.<br />

Die Maschinen erreichen einen Topspeed von 60 km/h, aber<br />

die Phonzahl des Auspuffs ist streng reglementiert. Das freut die<br />

Nachbarn.<br />

Wer spielt alles mit?<br />

In der deutschen Bundesliga spielen so klangvolle Namen wie der MSC<br />

Taifun Mörsch, der MSC Comet Durmersheim, der MSF Tornado<br />

Kierspe und der MSC Kobra Malchin um die Meisterschale oder etwas<br />

ähnlich Wichtiges.<br />

Wer ist gut darin?<br />

Der MSC Taifun Mörsch ist mit 19 Titeln Rekordmeister. Amtierender<br />

deutscher Meister ist der SVB Leverkusen - also gewinn Leverkusen wenigstens<br />

beim Motoball mal einen Titel. In diesem Jahr fand die Motoball Europameisterschaft<br />

in Deutschland statt. Erwartet wurden rund 20.000<br />

Zuschauer in den Arenen in Kuppenheim, Ubstadt-Weiher und Mörsch.<br />

Im Finale standen sich Gastgeber Deutschland und Titelverteidiger Russland<br />

gegenüber. Aber auch dieses Sommermärchen endete in Tränen: Die Russen<br />

gewannen mit 10:4.<br />

Was ist daran so toll?<br />

Haben Sie nicht aufgepasst? Fußball! Auf Motorrädern!! Noch nicht<br />

überzeugt? Okay, aber das sollte jeden zum Fan machen: Der MSC<br />

Kobra Malchin hat eine eigene Hymne: »Aloha he das Team vom MSC,<br />

die Kobra will den Sieg!«<br />

Warum spielt man auf einem Motorrad<br />

FuSSball?<br />

Vielleicht weil die Autotüren im Weg wären. Holen wir uns noch einmal<br />

Motoball-Nachhilfe aus dem Kobra-Song: »Motorengeräusche wir<br />

steh‘n Mann für Mann, Dreck und Staub sind uns egal, Benzingeruch<br />

turnt uns richtig an, Motoball heißt unsere Wahl.« Das sollte jetzt aber<br />

endgültig alle Zweifel beseitigen.<br />

Lohnt es sich, hinzugehen?<br />

Auf der Webseite von Tornado Kierspe prangt ein fett gedruckter Hinweis:<br />

»Pizzastand war ein voller Erfolg!« Was soll man da noch mehr<br />

sagen? Nichts wie hin!<br />

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Text: FALKO SCHOKLITSCH<br />

Das<br />

Erdbeben<br />

MotoGP und Superbike-WM: Lange waren sie sich spinnefeind, plötzlich leben sie unter einem Dach.<br />

Fotos: milagro, citroen, adrivo/sutton<br />

Der 2. Oktober 2012 war ein Tag, der die Zweirad-Welt erzittern ließ. Immerhin<br />

folgte die offizielle Bestätigung, dass Dorna Sports in Zukunft nicht nur die MotoGP,<br />

sondern auch die Superbike-Weltmeisterschaft vermarkten wird. Einige sprachen<br />

von einem Erdbeben, andere von sich überschlagenden Ereignissen und irgendwo<br />

ganz im Hintergrund war wohl leise das Stöhnen von Honda zu hören, das mit<br />

seinen MotoGP-Ausstiegsdrohungen im Falle einer Einheits-Elektronik höchstens<br />

noch einen Lufthauch in einem Schnapsglas erzeugen konnte, da in der geplanten<br />

Ausweich-Serie nun ebenfalls die Dorna als Dachorganisation wartete.<br />

Dorna und Infront<br />

machen ab sofort<br />

gemeinsame Sache: Ein<br />

Grund zum Feiern?<br />

Von den möglichen Magenkrämpfen bei Honda einmal abgesehen, ist vorrangig<br />

aber einmal festzuhalten, dass die breite Öffentlichkeit zwar von dem neuen Arrangement<br />

überrascht war, die wichtigen handelnden Personen wie Dorna-CEO Carmelo<br />

Ezpeleta oder Infront Motor Sports Chef Paolo Flammini wohl schon etwas<br />

länger darüber Bescheid wussten, was Mutter-Unternehmen Bridgepoint so vor<br />

hatte. Dem Finanz-Investor war die Herrschaft über die beiden wichtigsten Motorrad-Rennserien<br />

ohnehin eher zufällig zugefallen. 2006 kaufte Bridgepoint die<br />

Dorna, weil der damalige Besitzer CVC verkaufen musste, um die kartellrechtliche<br />

Freigabe zum Kauf der Anteile an der Formel 1 zu erhalten. 2011 folgte dann Infront<br />

Sports & Media, wobei dabei primär die weltweiten Fußballrechte interessant<br />

waren, die dem Unternehmen gehören. Infront Motor Sports als Veranstalter der<br />

Superbike-WM war da eher ein kleines Zusatzgeschenk, das für die EU-Kartellwächter<br />

kein großes Problem darstellte.<br />

Dennoch ist es nun so, dass die Dorna durchaus in einer kartellähnlichen Situation<br />

ist, immerhin kann sie so ziemlich alles bestimmen, was in den beiden Rennserien<br />

passiert, auch wenn Infront Motor Sports weiter an der Organisation beteiligt ist<br />

und Beraterstatus genießt. Worauf das im Endeffekt hinausläuft, ist im Moment<br />

noch der Fantasie überlassen. So könnte es passieren, dass die Superbike-WM<br />

durch das Reglement stark eingebremst wird, damit in der MotoGP Sparmaßnahmen<br />

kommen können, die die Königsklasse aber nicht gleich alt aussehen lassen.<br />

Vorstellbar wäre auch, dass die beiden Meisterschaften irgendwann doch zusammengelegt<br />

werden, auch wenn bei der Verkündung des neuen Arrangements noch<br />

extra darauf hingewiesen wurde, dass beide Serien eigenständig geführt werden<br />

und die Differenzierung noch weiter herausgehoben werden soll. Wer sagt denn,<br />

dass nicht irgendwann wirtschaftliche »Notwendigkeiten« auftreten könnten, um<br />

die Eigenständigkeit aufzugeben?<br />

Angesichts all dieser Schwarzmalerei darf aber eines nicht vergessen werden:<br />

Im Prinzip ist dieser Zusammenschluss eine große Chance. Dorna Sports hat<br />

mit der MotoGP gezeigt, dass man es versteht, eine Motorrad-Rennserie gut zu<br />

vermarkten. Das bessere Produkt lieferte in den vergangenen Jahren allerdings<br />

die Superbike, zumindest wenn man die Güte der Serie an der Qualität der<br />

Rennen misst. Nun bestünde die Möglichkeit, dass die beiden Seiten sich gegenseitig<br />

befruchten. Die MotoGP kann bei der Superbike etwas über Spannung<br />

lernen - wobei das wohl eher über das Reglement erreichbar ist - und die WSBK<br />

kann von einer verbesserten Vermarktung profitieren. So betrachtet könnte den<br />

Zweiradfans eine rosige Zukunft mit zwei sehr attraktiven Weltmeisterschaften<br />

auf höchstem Niveau bevorstehen. Wird diese Gelegenheit in den Sand gesetzt,<br />

haben es die Fans auch einfach: sie können sich weiter auf Carmelo Ezpeleta<br />

einschießen, dem sowieso immer an allem die Schuld gegeben wird, wenn<br />

irgendwo etwas nicht passt.<br />

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+++ IM Vergleich +++ IM Vergleich +++ IM Vergleich+++<br />

antrieb oder bremse? Zwei Bilder, die Mikko Hirvonens Situation bei Citroen 2012 nicht besser beschreiben<br />

könnten. Dass der Finne der König des Schlamms ist, bewies er in Portugal. Drei Tage Regen und der Modder stand den Piloten bis<br />

zum Hals. Hirvonen planschte als Einziger fehlerfrei über die Strecke und gewann. Bei den meisten anderen Rallyes war es nicht sein<br />

Können, das ihn führte, sondern die »unsichtbare« Hand Citroens. Sebastien Loeb sollte den Titel holen und die Nummer zwei des Teams<br />

»den Doppelsieg nicht gefährden«. Wenn sein Citroen ab 2013 einen Schubs bekommt, muss Hirvonen nur sehen, dass er die Kräfte richtig<br />

nutzt und nicht unter dem Druck einknickt.<br />

Fotos: adrivo/Sutton, dtm<br />

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Text: Kerstin Hasenbichler<br />

Im medialen<br />

Schatten<br />

Auf Schumacher folgt Hamilton. Nico Rosberg kennt sich im Schatten aus. Jetzt muss er daraus hervortreten.<br />

Nico und Lewis<br />

kennen sich<br />

schon aus<br />

gemeinsamen<br />

Kartzeiten<br />

Äußerlich ist Nico Rosberg nichts anzumerken. Mit einem<br />

Lächeln marschiert er durch das Fahrerlager in Suzuka, doch<br />

innerlich muss es in ihm brodeln. Erneut steht er medial im<br />

Schatten eines anderen Fahrers. Da werden Erinnerungen an 2010<br />

wach. Wie vor drei Jahren scheint er in den letzten Wochen für die<br />

Medien unsichtbar gewesen zu sein, und das obwohl Mercedes die<br />

Schlagzeilen dominierte. Doch alles drehte sich um das Mercedes-Aus<br />

und damit verbunden das Formel-1-Aus von Michael Schumacher<br />

und den Wechsel von Lewis Hamilton zu den Silberpfeilen. Warum<br />

hat sich Hamilton gegen McLaren und für Mercedes entschieden?<br />

Was waren die Gründe für das Schumacher-Ende bei Mercedes? Die<br />

Fragen schienen den Journalisten nicht auszugehen, doch die Frage<br />

wie sich der Teamleader gegen den Neuen bei Mercedes schlagen<br />

wird, fand sich auf der Liste der Medienvertreter ganz, ganz, ganz<br />

weit unten wieder. Fakt ist, dass Rennfahrer Egomanen sind (und<br />

sein müssen). Keiner will die zweite Geige spielen - im eigenen<br />

Team oder in der Presse. Somit ist es ausgeschlossen, dass die<br />

mediale Präsenz seines ehemaligen und zukünftigen Teamkollegen<br />

Rosberg nicht wurmt. Und Rosberg dürfte es noch mehr<br />

ärgern, dass obwohl er in den letzten drei Jahren Schumacher im<br />

Qualifying als auch im Rennen im Griff hatte und für Mercedes<br />

den bis dato einzigen Sieg holte, viele davon auszugehen scheinen,<br />

dass er seinem Kumpel Lewis die nächsten Jahre tatkräftig im<br />

WM-Kampf zur Seite stehen muss, anstatt selbst anzugreifen.<br />

Eine Art Felipe Massa in Silber. Ob diese Annahme gerechtfertigt<br />

ist oder nicht, sei einmal dahingestellt.<br />

Blättert man in der Rennkarriere des Deutschen zurück, dann finden<br />

sich durchaus Gründe, weshalb andere Fahrer die Schlagzeilen deutlich<br />

mehr beherrschen als Rosberg. Bei Williams konnte er seine<br />

Teamkollegen wie Mark Webber oder Alex Wurz in Schach halten,<br />

doch damals hatte keiner der beiden das Profil eines Siegfahrers und<br />

somit sprangen die gewonnenen, internen Teamduelle den Medien<br />

nicht ins Auge. Auch Kazuki Nakajima in Grund und Boden zu fahren,<br />

brachte Rosberg medientechnisch nichts. Mit Schumacher als Teamkollegen<br />

hatte er endlich die Gelegenheit, ins Rampenlicht zu rücken.<br />

Es gab einige, die erwartet hatten, dass Rosberg vom Rekordmeister<br />

in den Schatten gestellt wird wie bereits medial bei der Bekanntgabe<br />

seines F1-Comebacks, doch Rosberg hatte Schumacher im Griff. Ein<br />

fader Beigeschmack blieb bei all dem Erfolg dennoch, denn die Frage,<br />

ob Schumacher in seiner zweiten F1-Dekade noch als Maßstab angesehen<br />

werden konnte, stand stets im Raum. Bezieht man diese Punkte<br />

mit ein, dann konnte Rosberg nichts Besseres passieren als die Verpflichtung<br />

von Hamilton. Erstmals in seiner Karriere hat er die Chance,<br />

sich gegen einen profilierten Spitzenfahrer und Weltmeister zu beweisen<br />

- und nicht zu vergessen, Rosberg hat bei Mercedes Heimvorteil.<br />

In den nächsten drei Jahren kann er der Medienwelt zeigen, dass er<br />

nicht nur ein guter, sondern ein brillanter Rennfahrer ist. Es liegt nun<br />

in seiner Hand, seine Karten richtig auszuspielen und sich von seinem<br />

aktuellen Status als »Eintagsfliege« (bislang erst ein GP-Sieg in China<br />

2012) zu verabschieden.<br />

Fotos: adrivo/Sutton, citroen, milagro<br />

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Text: Stephan Heublein<br />

Würdiger<br />

Abgang gesucht<br />

Loeb, Rossi, Schumacher: Drei Megastars, drei Erfolgs-Karrieren, drei unterschiedliche Wege, diese zu beenden.<br />

Loeb, Rossi, Schumacher - nimmt es ein dreifach gutes Ende?<br />

Sie sind die Besten ihrer Zunft, wahre Superstars, schon zu aktiven Zeiten<br />

Legenden. Echte Helden eben. Sebastien Loeb, Valentino Rossi und<br />

Michael Schumacher dürften selbst jedem Nicht-<strong>Motorsport</strong>-Fan ein<br />

Begriff sein und gelten nahezu als Synonym für den Rallyesport, die Formel 1<br />

und die MotoGP. »Aber irgendwann kommt die Zeit für den Abschied«, sagte<br />

Schumacher in Japan, übrigens bereits zum zweiten Mal in seiner Karriere mit<br />

fast identischem Wortlaut. Welche Umstände genau zum Rücktritt des Formel-<br />

1-Rekordweltmeisters führten, lassen wir an dieser Stelle einmal dahingestellt.<br />

Dass es selbst für die Größten ihres Fachs schwierig ist, loszulassen, mit dem<br />

aufzuhören, was sie lieben und das sie gar nicht anders kennen, zeigt der Fall<br />

aber allemal. Immerhin wirkte Schumacher allen vorgeschobenen Müdigkeitsund<br />

Motivationsproblemen zum Trotz alles andere als hundertprozentig überzeugt<br />

von seinem Abschied bei Mercedes und aus der Formel 1.<br />

Der Herausforderung, den richtigen Zeitpunkt für das Karriereende zu finden,<br />

steht Schumacher aber nicht allein gegenüber. Auch der Rekord-Rallye-Champion<br />

Loeb plagte sich lange mit dem Gedanken an den perfekten Ausstieg.<br />

Während Schumacher zurücktrat, zurückkam und nach einem wenig erfolgreichen<br />

Comeback wieder abtritt, wählt »Super-Seb« für sich einen anderen<br />

Weg: Statt seine WRC-Karriere auf einen Schlag zu beenden, fährt er 2013 nur<br />

noch ausgewählte Rallyes mit. Damit hat er keine Chance, im Kampf um die<br />

WM ein Wörtchen mitzusprechen, bleibt dem Rallye-Zirkus aber erhalten. Ein<br />

Rückzug auf Raten also, ein Entzug mit gelegentlichen Adrenalinstößen. Klar,<br />

in der Formel 1 wäre das nicht möglich, aber vielversprechender als sporadische<br />

Motorradrennen ist es allemal. »Mir ist Michael Schumacher in einem Formel-<br />

1-Auto hundertmal lieber als auf einem Motorrad«, sagte uns Christian Danner<br />

treffend. Die Geschichte hat ja gezeigt, wohin das führen kann...<br />

Bleibt noch Valentino Rossi. Der »Doktor« schien den gleichen Weg wie Schumacher<br />

eingeschlagen zu haben. Er wechselte als amtierender Champion von<br />

Yamaha zu Ducati, um sich als Italiener auf einem italienischen Bike endgültig<br />

unsterblich zu machen. Das ging mächtig in die Hose. Der rote Traum platzte.<br />

Rossi kam mit der zickigen roten Göttin nie zurecht und sein Ruf als Überfahrer<br />

nahm beträchtlichen Schaden, schließlich gewann sein Vorgänger Casey Stoner<br />

mit der Desmosedici Rennen und den Titel, wenn auch als einziger erfolgreicher<br />

Zähmer des Biests. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Schumacher und Rossi mit<br />

dem Silberpfeil und der Desmosedici also auf dem gleichen Abstellgleis in<br />

Richtung Denkmalschädigung unterwegs. Manche Skeptiker fragten sich vor<br />

Saisonbeginn schon scherzhaft, wann sie endlich ins Licht gehen und ihre<br />

Karriere beenden würden.<br />

Doch im Gegensatz zu Schumacher scheint Rossi noch einmal die Kurve<br />

bekommen zu haben - zumindest auf dem Papier. Er wechselt zurück zu<br />

Yamaha, wo er 2013 ein siegfähiges Motorrad vorfinden dürfte, mit dem er<br />

seine Karriere standesgemäß beenden kann, also als Sieger. Ob es tatsächlich<br />

zu einem würdigen Abschluss seiner Laufbahn reichen wird, muss sich allerdings<br />

erst noch zeigen. Mit Jorge Lorenzo hat er nun nicht mehr einen aufstrebenden<br />

Jungspund zum Teamkollegen, sondern einen gestandenen Weltmeister.<br />

Jede Menge Konfliktpotenzial inbegriffen; Yamaha sollte vielleicht<br />

doch Bestellungen für ausreichend Boxen-Stellwände aufgeben. Eine deftige<br />

Watschen im Teamduell könnte Rossis Denkmal abermals schaden, fragen<br />

Sie mal Schumacher nach einem gewissen Nico Rosberg. Der perfekte Abgang<br />

ist eben genauso eine Kunst wie die Vorzeigekarriere bis dahin. Nicht nur für<br />

ein Top-10-Lebewesen dieser Erde, wie Norbert Haug Schumacher einst<br />

bezeichnete, sondern gleich für drei.<br />

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Foto: adrivo/Sutton<br />

Konstanz<br />

statt chaos<br />

Gefahr in Schwarz und<br />

Gold: Romain Grosjean<br />

räumte nicht nur in Spa<br />

am Start ab - dort aber<br />

besonders umfangreich<br />

und gefährlich<br />

Es vergeht kein Rennwochenende, an dem nicht die<br />

häufig kontroversen Regelauslegungen heiß diskutiert<br />

werden. Das gehört im Sport zum Tagesgeschäft, doch<br />

die F1 läuft Gefahr, sich lächerlich zu machen. Ständig<br />

wechselnde Rennstewards mit unterschiedlichen Hintergründen<br />

können nicht die Lösung sein, stattdessen<br />

sollten während der Saison stets gleiche und unabhängige<br />

Regelhüter eingesetzt werden. Auch deren<br />

Entscheidungen würden angezweifelt, doch es gäbe<br />

zumindest eine gewisse Konstanz. Tatsachenentscheidungen<br />

sind ein schwieriges Thema, vor allem beim<br />

komplizierten Regelwerk der F1. Doch wenn politische<br />

Aspekte mitschwingen, verliert der Sport seine Glaubwürdigkeit.<br />

- Robert Seiwert<br />

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Text: Stephan Heublein & Karin Sturm<br />

»Guten Tag, Herr Hamilton. Ihr Auftrag, sollten Sie ihn annehmen, lautet,<br />

Mercedes zu altem Glanz zurück zu führen und Weltmeister zu werden. Das<br />

<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> wird sich in fünf Sekunden selbst vernichten. Viel<br />

Glück. Lewis, übernehmen Sie.«<br />

<strong>Mission</strong><br />

<strong>Impossible</strong><br />

Fotos: mercedes, mclaren<br />

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Lewis Hamilton erwartet<br />

im ersten Jahr noch<br />

keine großen Erfolge<br />

mit Mercedes<br />

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Neuer Anlauf: Im vierten Jahr<br />

will Mercedes AMG sich<br />

erneut steigern - mehr als<br />

einen Sieg holen<br />

Der Schweiß läuft ihm über<br />

die Stirn. Seine Augen<br />

starren unter der roten<br />

Kappe hervor auf die versammelte<br />

Journalistenmeute.<br />

Plötzlich zieht er<br />

sein Handy aus der Hosentasche, lächelt schüchtern<br />

in die Runde und knipst munter einen Schnappschuss<br />

nach dem anderen. Eben ein typischer Vertreter<br />

der Facebook- und Twitter-Generation.<br />

Jugendlich, unbekümmert, unbeschwert. Lewis<br />

Hamilton wirkt fast wie der Junge von nebenan.<br />

Doch die unmittelbare Zukunft wirft ihre Schatten<br />

voraus. Auf seinen Schultern lasten bald mehr als<br />

111 Jahre <strong>Motorsport</strong>-Geschichte. Er soll zu Ende<br />

bringen, woran der erfolgreichste Rennfahrer der<br />

Formel 1 in drei Jahren scheiterte: Mercedes zum<br />

Weltmeister zu machen. Ganz gewiss kein Spaziergang,<br />

dessen ist er sich bewusst. »Es ist eine aufregende<br />

Vorstellung, zu einem Team zu kommen, das<br />

noch kein großartiges Auto besitzt«, sagt er. Das ist<br />

seine neue Herausforderung, sein Mount Everest,<br />

sein Ferrari. »Michael kam als Weltmeister zu Ferrari,<br />

das seit Jahren nicht gewonnen hatte«, weiß<br />

Hamilton genau, dass seine Leistung bei Mercedes<br />

mit der roten Aufbauarbeit seines direkten Vorgängers<br />

im Silberpfeil-Cockpit verglichen werden wird.<br />

Aber ist er dieser Aufgabe gewachsen?<br />

den Nachweis schuldig seien, ein schnelles Auto<br />

zu bauen. »Lewis hat eine weitaus schwierigere<br />

Aufgabe, wenn er Mercedes zu dem Team machen<br />

möchte, das Michael damals bei Ferrari hatte.«<br />

Hamilton muss seine Herangehensweise ändern.<br />

»Es ist einfach, zu sagen, dass ich ein Team um mich<br />

aufbauen möchte, aber es ist sehr schwierig umzusetzen«,<br />

mahnt Martin Brundle. »Man muss hart<br />

und egoistisch sein. Das waren alle großen Champions,<br />

sie wollen im Mittelpunkt stehen - deswegen<br />

sind sie so gut.« Erschwert wird diese <strong>Mission</strong> durch<br />

das Reglement. »Als Michael das Team bei Ferrari<br />

aufbaute, durfte er testen, testen und noch mehr<br />

testen«, erinnert Johnny Herbert im Gespräch mit<br />

dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. In der modernen Formel<br />

1 sind Testfahrten verboten, die Arbeit findet<br />

im Simulator statt - das macht es schwieriger. »Kann<br />

es Lewis schaffen? Ja, er kann«, glaubt Herbert. »Er<br />

ist einer der besten Fahrer im Feld. Er ist motiviert,<br />

er will Rennen und weitere Titel gewinnen.« Auch<br />

er sieht das Fragezeichen bei Mercedes: »Das Team<br />

hat Potenzial, aber ich bin mir noch immer nicht<br />

ganz sicher, ob sie das komplette Paket besitzen, um<br />

Die Designer müssen<br />

bei Mercedes ein<br />

besseres Auto abliefern<br />

diese Entwicklung zu schaffen. Sie müssen gemeinsam<br />

weiter wachsen und es beweisen.«<br />

Um Michael Schumachers Ferrari-Ära nachzueifern,<br />

muss Hamilton das Team unaufhörlich<br />

motivieren und die Entwicklung vorantreiben.<br />

»Er wird dort hingehen und denken, dass er die<br />

Nummer 1 ist«, sagt Herbert. »Wenn man<br />

jemanden sucht, der ein Team um eine halbe<br />

Sekunde schneller macht, dann gehört Hamilton<br />

zweifelsohne dazu.« Auch Fernando Alonso und<br />

Sebastian Vettel sieht er in dieser Liga der außergewöhnlichen<br />

Rennfahrer. »Aber das reicht noch<br />

nicht, sie müssen die Weiterentwicklung ankurbeln<br />

und dafür braucht man jemanden mit der<br />

Mentalität eines Michael Schumacher. Das muss<br />

Lewis jetzt liefern. Ross verlangt das.« Herbert<br />

kennt Teamchef Ross Brawn aus seiner Zeit bei<br />

Benetton. Er beschreibt Brawn als sehr intensiven<br />

Menschen, der vom Fahrer viel Einsatz verlangt<br />

- diesem dafür aber auch viel zurückgibt. In dieser<br />

Rolle muss Hamilton sein technisches Wissen<br />

und Können einbringen. Er selbst verriet vor<br />

einiger Zeit im <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>, dass er sein<br />

»Es war eine andere Zeit, als Michael zu Ferrari<br />

kam«, erinnert sich David Coulthard, der damals<br />

gegen Schumacher fuhr. Der Deutsche habe bei<br />

der Scuderia mit den gleichen Schlüsselfiguren<br />

wie bei Benetton zusammengearbeitet. »Soweit<br />

ich weiß, nimmt Lewis aber keine Gruppe von<br />

McLaren mit.« Für den Schotten ist entscheidend,<br />

ob Mercedes Hamilton ein gutes Auto zur Verfügung<br />

stellen kann. »Wenn sie es schaffen, dann<br />

wird er gewinnen.« Auch Ex-Formel-1-Pilot Christian<br />

Danner glaubt, dass die beiden Fälle nicht<br />

vergleichbar sind. »Die Struktur, auf die Lewis in<br />

Brackley trifft, ist eine komplett andere«, betont<br />

Danner. Mercedes habe eine große Anzahl an<br />

Ingenieuren versammelt, die allesamt aber noch<br />

»Er wird dort hingehen und denken, dass er die<br />

Nummer 1 ist. Wenn man jemanden sucht, der ein<br />

Team um eine halbe Sekunde schneller macht,<br />

dann gehört Hamilton zweifelsohne dazu.«<br />

24 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Auto in- und auswendig kenne. »Ich persönlich<br />

verlasse mich nicht ausschließlich auf meinen<br />

Renningenieur und sage ihm: Ich habe dieses<br />

Problem, bitte behebe das - und dann macht er<br />

alles im Alleingang«, so Hamilton. »Stattdessen<br />

komme ich in die Box und sage: Wir sollten dies<br />

und das ausprobieren. In 99 Prozent der Fälle<br />

liege ich richtig.«<br />

B<br />

rawn sieht darin eine Schlüsselfunktion<br />

eines modernen<br />

Topfahrers. »Ein Fahrer<br />

kann dir nicht sagen, wie<br />

genau die Aufhängungsgeometrie<br />

geändert werden<br />

muss, das ist nicht sein Fachgebiet«, erklärt Brawn.<br />

»Aber er kann dir dabei helfen, besser zu verstehen,<br />

welche Aspekte des Autos dich davon abhalten, eine<br />

bessere Rundenzeit zu fahren.« Michael Schumacher<br />

sei auf diesem Gebiet großartig gewesen und<br />

habe den Ingenieuren sehr geholfen. »Er war viele<br />

Tage in der Fabrik, hat das Team unterstützt. Diese<br />

Rolle muss ein Topfahrer einnehmen.« Doch genau<br />

an diesen Fähigkeiten zweifeln die Experten bei<br />

Hamilton. »Lewis kann nur seinen Speed einbringen«,<br />

sagt Coulthard dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Er<br />

habe zwar nie direkt mit Hamilton oder Schumacher<br />

zusammengearbeitet, aber bei McLaren habe<br />

er öfter gehört, dass das Team lieber das Setup von<br />

Jenson Button verwendete als jenes von Hamilton.<br />

»Ich weiß es nicht aus eigener Erfahrung, aber was<br />

ich gehört habe, ist Lewis auf diesem Gebiet nicht<br />

so stark wie Michael«, bestätigt Herbert. Möglicherweise<br />

habe Hamilton aber verstanden, dass er sich<br />

technisch verbessern und mehr Einsatz zeigen<br />

müsse, um es zu schaffen. So zeigt er immer mehr<br />

Interesse daran, wie sein Auto funktioniert. Alex<br />

Wurz schreibt Hamilton durchaus technisches Wissen<br />

zu, immerhin komme er von einem Weltklasseteam,<br />

das sehr akribisch arbeite. »Da nimmt er<br />

sicherlich sehr viele Systemabläufe mit«, so Wurz.<br />

»Ich glaube aber, dass es nicht nur um die Qualität<br />

des Feedbacks geht, sondern auch um einen gewissen<br />

Motivationsschub und die nötige Aufbruchsstimmung<br />

im Team.«<br />

Hamilton also als Motivator und Antreiber, der das<br />

Team zu einer eingeschworenen Truppe verschmilzt,<br />

wie es Schumacher bei Ferrari vorzüglich<br />

gelang. Er muss Politiker und Personalmanager<br />

sein, ständig im Kontakt mit den Ingenieuren stehen,<br />

richtig mit den Menschen umgehen. »Lewis<br />

macht manchmal den Eindruck, dass er nicht reif<br />

genug ist, dass er sich noch nicht so entwickelt hat,<br />

wie man es von einem McLaren-Piloten erwarten<br />

würde«, zweifelt Herbert daran, dass Hamilton dieser<br />

entscheidenden Rolle bereits gerecht werden<br />

kann. Vorfälle wie die Twitter-Affäre von Belgien,<br />

als Hamilton sensible Telemetriedaten ins Internet<br />

stellte, zeugen nicht gerade von besagter Reife. »So<br />

etwas macht man im Kartsport, aber nicht, wenn<br />

man schon Formel-1-Weltmeister gewesen ist«,<br />

kritisiert Herbert, der aber auch einen gewissen<br />

silbernen Hoffnungsschimmer ausmacht. Die deutsche<br />

Mentalität bei Mercedes könnte gemäß Herbert<br />

gut für Hamilton sein. »Klar, McLaren ist auch<br />

organisiert, aber es geht um die Atmosphäre, die ist<br />

bei Mercedes anders als bei McLaren. Das könnte<br />

einen besseren Lewis Hamilton hervorbringen.<br />

Aber er muss erwachsen werden.« Alex Wurz<br />

glaubt, dass Hamilton durchaus über sich hinauswachsen<br />

könnte, wenn ihn das Team an der langen<br />

Leine lässt. Bei McLaren hatte Hamilton eine Rundumbetreuung<br />

und Kontrolle - von der Marketingund<br />

der Presseabteilung über Sam Michael bei den<br />

Ingenieuren bis zu Ron Dennis, der ihm im Notfall<br />

deftig die Leviten gelesen hat. »Wenn du einen Fahrer<br />

lässt, wie er ist, bekommst du normalerweise<br />

das Beste aus ihm heraus«, sieht auch Danner einen<br />

Vorteil in der langen Leine. »Wenn du ihn einzwängst,<br />

reicht es ihm irgendwann. Die Frage ist,<br />

wie konzentriert Lewis ist oder wie sehr er zum<br />

Beispiel von seiner Freundin abgelenkt wird.« Um<br />

die bislang unmögliche <strong>Mission</strong> erfolgreich abzuschließen<br />

und aus dem Mythos Mercedes wieder<br />

ein Weltmeisterteam zu formen, darf sich Hamilton<br />

keine Nebenkriegsschauplätze wie Trennungen und<br />

Wiederversöhnungen leisten. Wie ein Weltmeister<br />

ein Team an die Spitze führt, hat Schumacher bei<br />

Ferrari vorgelebt. Wie es daneben gehen kann,<br />

zeigte ein anderer Champion: Jacques Villeneuve<br />

scheiterte beim Aufbau von BAR kläglich. Über den<br />

Umweg Honda und Brawn GP ist aus diesem Team<br />

mittlerweile Mercedes geworden. Jetzt muss Hamilton<br />

die Arbeit beenden. »Lewis hat seinen Zug<br />

gemacht, daran wird er gemessen werden«, sagt<br />

Coulthard. Wenn Mercedes Fortschritte macht, mit<br />

ihm mehr Siege und den Titel feiert, wird er dafür<br />

gelobt werden, wenn nicht, wird es wie bei Schumacher<br />

heißen, dass er sein Ziel verfehlt hat.<br />

»Lewis macht manchmal<br />

den Eindruck, dass er<br />

nicht reif genug ist, dass<br />

er sich noch nicht so<br />

entwickelt hat, wie man<br />

es erwarten würde.«<br />

Lewis Hamilton<br />

muss sich erst<br />

noch als<br />

Teamleader<br />

beweisen<br />

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Fotos: adrivo/Sutton, mercedes, mclaren


VS.<br />

Brüder im Geiste<br />

Hamilton<br />

Schumacher<br />

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Fotos: adrivo/Sutton<br />

Text: Kerstin Hasenbichler & Stephan Heublein<br />

Lewis Hamilton und Michael Schumacher scheinen<br />

wie Feuer und Wasser. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

wagt einen genaueren Blick und stellt fest, dass<br />

die beiden weit mehr gemein haben, als der erste<br />

Blick vermuten lässt.<br />

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Jerez 1997: Michael Schumacher<br />

rammt Jacques Villeneuve im<br />

WM-Kampf - und verliert<br />

In der silbernen Ecke, der Herausforderer: Geboren am 7. Januar 1985<br />

in Stevenage, Großbritannien. Mit einer Körpergröße von 1,74 m bei<br />

einem Gewicht von 68 kg. Der Weltmeister von 2008: LEWIS HAMIL-<br />

TON! In der nicht mehr lange silbernen Ecke, der Altmeister: Geboren<br />

am 3. Januar 1969 in Hürth-Hermülheim, Deutschland. Er wiegt 74 kg bei einer<br />

Größe von 1,78 m, der siebenfache Weltmeister nach den Regeln der FIA: Michael<br />

Schu-ma-cher!‘ Auf den ersten Blick könnten die Charaktere der beiden Champions<br />

nicht unterschiedlicher sein. Hamilton und Freundin Nicole Scherzinger<br />

scheinen auf den Hollywood-Spuren der Beckhams zu wandeln, während Schumacher<br />

sein Familienleben mit Corinna und den Kindern heilig ist. Doch wer<br />

einen zweiten Blick wagt, erkennt zwischen Schumacher und Hamilton auch<br />

jede Menge Gemeinsamkeiten. ‚Let‘s get ready to rumble!‘<br />

Runde 1: Ausnahmekönnen<br />

Sieben WM-Titel, 91 GP-Siege, 68 Pole Positions, 77 schnellste Rennrunden,<br />

die meisten Weltmeisterschaftspunkte und Führungskilometer in der Geschichte<br />

der Formel 1 - all das ist Beweis genug, dass Michael Schumacher ein Ausnahmefahrer<br />

ist. Schon in seinem ersten Formel-1-Rennen in Spa-Francorchamps<br />

beeindruckte der damals 22-Jährige die Ingenieure von Jordan sowie die Fachwelt<br />

mit seiner Fahrzeugbeherrschung und Courage. Die gefürchtete Eau Rouge, in<br />

der selbst erfahrene Piloten das Gaspedal lupfen, durchfuhr Schumacher mit<br />

voller Geschwindigkeit. 16 Jahre später, Schumacher war gerade zurückgetreten,<br />

mischte erneut ein Rookie die Formel 1 auf: Lewis Hamilton schlug wie ein<br />

Komet in der Formel-1-Welt ein. Der Brite stand bei jedem seiner ersten neun<br />

Grands Prix auf dem Podium, zwei Rennen davon gewann er. Am Saisonende<br />

trennte Hamilton lediglich ein Zähler vom WM-Gewinn im ersten Jahr. In seiner<br />

zweiten Saison krönte er sich zum bis dahin jüngsten Formel-1-Weltmeister.<br />

Schumacher vs. Hamilton: Deutlicher geht es nicht: Schumacher und Hamilton<br />

gehören beide zu den besten Rennfahrern ihrer Zeit.<br />

Runde 2: Attitude<br />

Große Namen jagen Lewis Hamilton weder Ehrfurcht noch Angst ein. Eine<br />

Haltung, die auch Michael Schumacher in seinen Anfängen kennzeichnete. In<br />

seinem ersten Freien Training zog der Deutsche den Zorn von Alain Prost auf<br />

sich, weil er es nicht für nötig hielt, den ‚Professor‘ auf der Strecke vorbeizulassen.<br />

Hamilton brachte seinerseits das spanische Blut seines Teamkollegen und zweifachen<br />

Champions Fernando Alonso ein ums andere Mal zum Kochen, unter<br />

anderem als er ihn in Indianapolis einfach nicht passieren ließ. Die erhobene<br />

Gemeinsamkeit:<br />

Hamilton und<br />

Schumacher sorgten<br />

schon für so manche<br />

kontroverse Aussage<br />

Schumacher<br />

sammelte mit Ferrari<br />

Siege und Rekorde<br />

- soweit ist Hamilton<br />

noch nicht<br />

Fotos: adrivo/Sutton<br />

28 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Faust des Spaniers im Rückspiegel ließ Hamilton kalt. Als Rookie einem Weltmeister<br />

Platz machen? Das kam weder für Schumacher noch für Hamilton je<br />

in Frage. Vom ersten Rennen an legten beide eine Abgebrühtheit an den Tag,<br />

die ihres gleichen suchte. Mit Schumachers Comeback ging für Hamilton ein<br />

Traum in Erfüllung, endlich durfte er sich selbst mit der F1-Legende messen<br />

- und gegen sie gewinnen! Auch heute zeigt er keine Scheu vor dem Rekordchampion:<br />

»Es ist für ihn schwierig, uns Youngster zu schlagen, denn wir spüren<br />

jetzt den Erfolgshunger, den er zu Beginn seiner Karriere verspürte.«<br />

Schumacher vs. Hamilton: Keine Angst vor großen Namen. Die einen nennen es<br />

Arroganz, die anderen Selbstbewusstsein. Meisterlich darin sind beide.<br />

Runde 3: Aggressivität<br />

»Die Formel 1 ist keine Kaffeefahrt«, verteidigte sich Schumacher nach einem<br />

harten Manöver gegen Rubens Barrichello, den er in Ungarn 2011 beinahe in<br />

die Boxenmauer drückte. Ein Verhalten, vor dem einst selbst sein Bruder Ralf<br />

nicht sicher war. »So ist eben der Rennsport«, betont auch Hamilton gern nach<br />

einem missglückten Manöver, von denen im letzten Jahr vor allem Felipe Massa<br />

einige zu beklagen hatte. Beide Weltmeister verfügen unbestritten über riesiges<br />

Talent, doch ihr Mut, der sie gern auch mal über das Ziel hinausschießen lässt,<br />

ist oftmals deplatziert und rücksichtslos. Im Vorjahr war kein Fahrer in mehr<br />

Kollisionen verwickelt als Hamilton, von Rennen zu Rennen schien er noch<br />

eines draufsetzen zu wollen. Statt Reue zu zeigen, sah er sich viel mehr in der<br />

Rolle des Opfers, begründete sein häufiges Antanzen bei den Stewards mit<br />

seiner Hautfarbe - ein missratener Scherz. Schützenhilfe erhielt er von Schumacher,<br />

der selbst nie ein Kind von Traurigkeit war und keineswegs zimperlich<br />

mit seinen Gegnern umging: Seinen ersten Titel holte er, indem er WM-Gegner<br />

Damon Hill von der Strecke kickte; drei Jahre später misslang ihm der Rammstoß<br />

im Finale von Jerez gegen Jacques Villeneuve - Schumacher wurde der<br />

Vize-Titel aberkannt.<br />

Hamilton ist für<br />

seinen aggressiven<br />

Fahrstil bekannt -<br />

ob das den<br />

Mercedes-Reifen<br />

schmeckt?<br />

Schumacher vs. Hamilton: Kollisionen pflastern ihren Weg; echte Bad Boys eben.<br />

Es stimmt also wohl doch: ‚Nice Guys always finish last.‘<br />

Runde 4: Arglist<br />

Verbotene Traktionskontrolle, Tankfilter-Manipulation, abgeschürfte Bodenplatte<br />

oder ein mitten auf der Strecke in Rascasse geparktes Auto: Schumacher<br />

war oft jedes Mittel Recht, um zu gewinnen. »Michael bedient sich schmutziger<br />

Tricks, weil er als Mensch keine Größe hat«, urteilte Villeneuve über seinen<br />

früheren Konkurrenten. Menschliche Größe ließ auch Hamilton 2010 in der<br />

Lügenaffäre vermissen. In Australien ließ er während einer Safety-Car-Phase<br />

Jarno Trulli absichtlich überholen, erzählte den Rennstewards nach dem Rennen<br />

allerdings, dass der Italiener regelwidrig an ihm vorbeigezogen sei. Die<br />

Telemetriedaten deckten die Lüge auf, Teammanager Dave Ryan musste als<br />

Sündenbock gehen. Im Laufe der Jahre ließen sich beide Fahrer einiges zu<br />

Schulden kommen, ihr Strafen-Register reicht von Verwarnungen über Strafversetzungen<br />

bis hin zur Disqualifikation. Hamilton festigte sein Rüpel-Image<br />

mit Skandalen. Kollegen verspotteten ihn als Möchtegern-Superman, die<br />

Medien kritisierten ihn als Rambo-Diva. Spitznamen, die Schumacher nicht<br />

neu sind. Bis heute wurde er den ungeliebten Beinamen Schummel-Schumi<br />

nicht los. Was die einen kritisieren, bezeichnen Hamilton und Schumacher als<br />

leidenschaftlichen Siegeswillen.<br />

Schumacher vs. Hamilton: Verlieren? Existiert im Wortschatz beider Champions<br />

nicht. Im Namen des Erfolgs ist ihnen jedes Mittel Recht.<br />

Runde 5: Anti-Heldenstatus<br />

Nach dem Applaus folgt schnell die Ohrfeige. Ein italienisches <strong>Magazin</strong> bezeichnete<br />

Schumacher einst als »Weltmeister der Arroganz« und die Daily Mail<br />

schrieb in Anlehnung an einen Elton-John-Klassiker: »Sorry scheint immer<br />

noch das schwierigste Wort für Schumacher zu sein.« Fakt ist, dass Schumacher<br />

und Hamilton das Milliarden-Geschäft Formel 1 in den letzten zwei Jahrzehnten<br />

am Laufen hielten. Eben weil sie niemals aufgaben, immer weiter machten<br />

und dabei auch einmal die gute Kinderstube außer Acht ließen. Egal, ob<br />

positive oder negative Schlagzeilen, die beiden sorgen für einen Aufschrei<br />

in der Presse, wie es früher nur Fahrerkalibern à la James Hunt, Ayrton<br />

Senna und Niki Lauda gelang. Hamilton sorgt sogar dafür, dass die bösen<br />

Jungs im Zeitalter des Internets eine Wiederauferstehung feiern. Der Brite<br />

kurvt ungebremst durch die Twitter-Welt, zwitscherte rund einer Million<br />

Followern die Telemetriedaten nach dem Qualifying in Belgien. Der Grund:<br />

Hamilton verkraftete die Niederlage nicht, wollte den Abstand zu seinem<br />

Teamkollegen Jenson Button so begründen. Hätte es das in Schumachers<br />

Generation bereits gegeben, auch ihm wäre das zuzutrauen gewesen. Die<br />

Konkurrenz lachte sich ins Fäustchen, die Medien hatten wieder eine<br />

Schlagzeile. Und es wird nicht die letzte gewesen sein - weder von Hamilton,<br />

noch von Schumacher.<br />

Schumacher vs. Hamilton: Die Welt liebt sie, die Welt hasst sie. Die Anti-Helden<br />

der Formel-1-Welt sind Brüder im Geiste<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 29


30 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Fotos: adrivo/Sutton<br />

McLaren‘s<br />

next<br />

Topstar<br />

Text: Stephan Heublein<br />

Die FuSSstapfen, in die Sergio<br />

Perez tritt, sind groSS. Lewis<br />

Hamilton gewann mit McLaren<br />

immerhin die WM. Gleiches, wenn<br />

nicht mehr, wird vom Mexikaner<br />

erwartet. Das <strong>Motorsport</strong>-<br />

<strong>Magazin</strong> untersucht, ob er<br />

dazu in der Lage ist.<br />

Sauber steht Kopf. Unbewusst dreht Sergio Pérez die weißdunkelgraue<br />

Teamkappe in seiner Hand, spielt mit dem Verschluss,<br />

blickt auf sein Handy. Das rot-weiße Sauber-Logo zeigt<br />

dabei nach oben, genauso wie der Karriereverlauf des 22-jährigen<br />

Mexikaners. Ganz zuhause fühlt sich der Noch-Sauber-Pilot in der<br />

Interviewsituation aber auch in seiner zweiten Saison in der Königsklasse<br />

noch nicht. Die lästige Pflichtaufgabe macht ihm eben weit weniger Spaß,<br />

als schnell Auto zu fahren, am liebsten würde er das Interview mit Top-<br />

Speed hinter sich bringen. Daran wird der Shooting-Star des Jahres im<br />

Winter arbeiten müssen. Sobald Pérez zum ersten Mal einen Fuß als<br />

McLaren-Fahrer in das Technology Centre setzt, eröffnet sich ihm eine<br />

gänzlich neue Welt, inklusive unzähliger und für ihn wohl schier endloser<br />

Sponsoren- und PR-Termine. Bis er damit so routiniert und professionell<br />

umgehen kann wie Jenson Button oder Lewis Hamilton, wird er wohl so<br />

manches McLaren-Logo samt seiner neuen Kappe eifrig in Rotation versetzen.<br />

Der Startschuss für Pérez‘ chromfarbenes Abenteuer fiel am 28.<br />

September um 10:00 Uhr. McLaren verkündete den Mexikaner als Neuzugang<br />

für die Saison 2013. Seit diesem Moment beschäftigt die Fachwelt nur<br />

eine Frage: Hat Pérez das Zeug zum McLaren-Piloten und Superstar? →<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 31


Sergio Perez fiel im<br />

Sauber unter anderem<br />

durch seinen Umgang<br />

mit den Reifen auf<br />

Fotos: adrivo/Sutton, sauber<br />

Die mexikanischen<br />

Fans<br />

lieben ihren<br />

neuen F1-Star<br />

Der Blick schweift<br />

in Richtung 2013<br />

und McLaren<br />

Perez zeigte in<br />

dieser Saison<br />

einige starke<br />

Manöver<br />

32 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


»Ich habe meine Bedenken«, meldet Christian Danner im <strong>Motorsport</strong>-<br />

<strong>Magazin</strong> Zweifel an. »Pérez ist ein außerordentlich talentierter, junger<br />

Mann, mit einer tollen Fahrzeugkontrolle und einem Gespür, das Auto am<br />

Limit zu bewegen, aber ganz ehrlich: Talent allein reicht in der Formel 1<br />

nicht aus. Ob der nötige Rest, sich in so einem Umfeld wie bei McLaren<br />

zurechtzufinden, schon so weit ausgeprägt und entwickelt ist, das wage ich<br />

zu bezweifeln.« Dazu zählt unter anderem die ungeliebte Pressearbeit.<br />

Andererseits hat die Vergangenheit gezeigt, dass McLaren auch mit einem<br />

blutjungen und nicht gerade extrovertierten Kimi Räikkönen Erfolg hatte,<br />

wobei die manchmal einsilbigen und lustlosen Antworten des Mexikaners<br />

den Iceman als echte Plaudertasche erscheinen lassen. Immerhin einen<br />

Erfolg konnte McLaren mit dem Pérez-Deal bereits für sich verbuchen:<br />

Pérez gehört dem Nachwuchsprogramm des Rivalen Ferrari an und wurde<br />

seit Monaten als Nachfolger von Felipe Massa gehandelt, sogar Mercedes<br />

soll ihn als Ersatz für Michael Schumacher im Auge gehabt haben. »Sergio<br />

hat in dieser Saison eine unglaubliche<br />

Killer-Performance gezeigt und bewiesen,<br />

dass er, was den Speed angeht, sich<br />

nicht vor den Top-Piloten verstecken<br />

muss«, begründet Teamchef Martin<br />

Whitmarsh seine Entscheidung. »Wir<br />

haben seine Fortschritte genau beobachtet<br />

und sind davon überzeugt, dass er<br />

nicht nur talentiert und schnell ist, sondern<br />

auch den Willen hat, weiter dazuzulernen.«<br />

Gemeinsam mit Jenson Button<br />

hat McLaren im nächsten Jahr schon<br />

einmal den Titel im Reifenflüstern sicher.<br />

Wie sein neuer Teamkollege gilt Pérez als<br />

besonders sensibel im Umgang mit den<br />

rennentscheidenden Pneus. Bei der Konzeption<br />

des neuen Autos kann es ein<br />

Vorteil sein, wenn beide Fahrer auf diesem<br />

Gebiet ähnliche Fähigkeiten aufweisen.<br />

Mit Niki Lauda hat Pérez auch einen<br />

prominenten Fürsprecher, vielleicht<br />

stand er deshalb hinter Lewis Hamilton<br />

auf der Mercedes-Wunschliste. »Pérez<br />

war in Italien wie der liebe Gott unterwegs«,<br />

lobt der Österreicher. »Emotionslos und ohne Fehler. Kein Fahrer<br />

hat mich in dieser Saison mehr bei einem Grand Prix beeindruckt.« Dabei<br />

überfährt der Mexikaner das Auto allerdings auch oft, was er in Danners<br />

Augen nach fast zwei Formel-1-Jahren eigentlich besser wissen müsste.<br />

Mit McLaren möchte Pérez erreichen, was Räikkönen bei der<br />

Truppe von Ron Dennis nicht gelang; Weltmeister zu werden.<br />

Die Überraschungserfolge mit Sauber in dieser Saison sollen<br />

und müssen nur der Anfang gewesen sein, schließlich verpflichtet<br />

das chromglänzende Cockpit zu Spitzenleistungen. Pérez ist diesen<br />

Druck gewohnt. »Ich stand immer unter Druck, musste Leistung bringen<br />

und mich schnell durchsetzen«, erinnert er an seinen Werdegang. »Aber<br />

ich habe es geschafft, das ist großartig.« Bereits sein Formel-1-Einstieg in<br />

Australien 2011 wurde von zwei Paukenschlägen begleitet - Platz sieben<br />

im ersten Grand Prix und der folgenden Disqualifikation beider Sauber<br />

wegen irregulärer Heckflügel. »Es war eine lange und anstrengende Saison<br />

mit viel Druck, wenn man in die Formel 1 einsteigt«, erinnert sich Pérez.<br />

»Alles war neu und es war schwierig, sich daran zu gewöhnen. In diesem<br />

Jahr bin ich entspannter und ruhiger. Ich genieße es mehr.« Das führte zu<br />

Erfolgserlebnissen wie seinem ersten Podestplatz in Malaysia. »Das war<br />

ein toller Moment für mich. Ich habe mir damit den ersten meiner Träume<br />

erfüllt.« Das erste Podium in der Formel 1. An neuen Träumen mangelt es<br />

dem Mexikaner jedoch nicht. »Die nächsten sind natürlich ein Rennen zu<br />

»Pérez ist ein auSSerordentlich<br />

talentierter, junger Mann, mit<br />

einer tollen Fahrzeugkontrolle<br />

und einem Gespür, das Auto am<br />

Limit zu bewegen, aber ganz ehrlich:<br />

Talent allein reicht in der<br />

Formel 1 nicht aus.«<br />

gewinnen und danach die Weltmeisterschaft zu holen«, sagt Pérez überzeugt,<br />

um kurz und trocken anzufügen: »Nicht nur einmal.«<br />

Trotz seiner jungen Jahre ist die Situation bei McLaren für Pérez nicht ganz<br />

unbekannt. Im Alter von 15 Jahren zog er aus seiner Heimat Mexiko nach<br />

Deutschland, um in der Formel BMW Fuß zu fassen. »Ich war komplett<br />

allein in einem schwierigen, unbekannten Land, das ganz anders ist als<br />

mein Heimatland«, erinnert sich Pérez im Gespräch mit dem <strong>Motorsport</strong>-<br />

<strong>Magazin</strong>. »Ich hatte nichts, nur meine Träume.« Ähnlich muss ihm jetzt<br />

der Wechsel von Sauber zu McLaren vorkommen. Pérez war damals mit<br />

15 der jüngste Starter in der Formel BMW und wohnte in einem kleinen<br />

Zimmer im Restaurant seines Teamchefs Günther Unterreitmeier in Vilsbiburg.<br />

Er vermisste die Sonne, sein vertrautes Umfeld und die Sprache.<br />

»Wenn man aus dem Flugzeug aussteigt, merkt man, dass es eine völlig<br />

andere Welt ist und man ganz allein ist. Es gibt keine Familie und Freunde,<br />

man ist ganz auf sich allein gestellt.«<br />

Wenn ihn das Heimweh überkam und<br />

er fast der Verzweiflung nahe war, griff<br />

er zum Telefon und sprach mit seinem<br />

Förderer Carlos Slim Domit. »Ich<br />

hatte sehr viel Glück, dass ich meine<br />

Telefonrechnung damals nicht bezahlen<br />

musste«, sagt Pérez und streichelt<br />

über sein Handy. Einer der Vorteile,<br />

mit Telmex einen mexikanischen Telekommunikationsriesen<br />

als Partner zu<br />

haben. »Ich blicke sehr stolz auf diese<br />

Zeit zurück«, sagt er. »Ich bin stolz auf<br />

das, was ich bislang erreicht habe.«<br />

Vorbei sind die Zeiten, in denen<br />

Pérez als Paydriver bezeichnet und<br />

belächelt wurde. »Zu Beginn meiner<br />

F1-Karriere war ich etwas enttäuscht,<br />

dass ich als Bezahlfahrer<br />

angesehen wurde«, sagt Pérez deutlich.<br />

»Ich habe so viel gegeben und<br />

so viel gekämpft, um hier zu sein, da<br />

hat es mich geschmerzt, als Paydriver<br />

bezeichnet zu werden. Aber ich brauchte nur ein Rennen, um zu<br />

beweisen, dass ich es nicht war.« Im Gegenteil: Nicht ganz ohne eine<br />

gehörige Portion Ironie ist es jetzt nicht Pérez, dem unterstellt wird,<br />

sich das Cockpit erkauft zu haben, sondern sein neues Team, dem nachgesagt<br />

wird, die Sponsorengelder des Mexikaners wegen eines drohenden<br />

Verlusts des Hautsponsors zu benötigen. Martin Whitmarsh wiegelt dies<br />

allerdings ab: »Wir bezahlen ihn gut und es gibt keine Zusatz-Deals. Ich<br />

sage nicht, dass deswegen keine neuen Partner zu uns stoßen werden,<br />

aber das war nicht die Motivation dahinter.« McLaren hat sich als absolutes<br />

Spitzenteam in den Köpfen verankert. Als solches erwarten Fans<br />

und Medien auch absolute Topfahrer in den beiden Autos. Doch es ist<br />

nicht das erste Mal, dass die Mannschaft aus Woking ein gewisses Risiko<br />

bei der Verpflichtung eines eher unbekannten oder unerfahrenen Piloten<br />

eingeht. Pérez reiht sich in die Liste seiner Vorgänger Heikki Kovalainen,<br />

Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen ein, die allesamt bei ihrem Wechsel<br />

zu McLaren ein Rookie waren (Hamilton) oder erst einige wenige Grand<br />

Prix auf dem Buckel hatten (Kovalainen und Räikkönen jeweils eine<br />

Saison). Nur Jenson Button, der als amtierender Champion zu McLaren<br />

kam, und ein gewisser Fernando Alonso, der ein eigenes Kapitel in der<br />

McLaren-Geschichte einnimmt, hatten vor ihrem ersten Rennen in Silber<br />

schon mehr als Achtungserfolge in der Formel 1 vorzuweisen. Räikkönen<br />

und Hamilton erfüllten die Erwartungen, Kovalainen nicht. Jetzt ist Pérez<br />

an der Reihe.<br />

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Geraubte Performance<br />

Text: Karin Sturm<br />

Das erfolgsverwöhnte<br />

Red Bull<br />

Team erlebt<br />

in diesem Jahr<br />

eine schwierige<br />

Saison. Die<br />

Dominanz ist<br />

verflogen, die<br />

Bilanz nicht<br />

mehr so glänzend<br />

wie anno<br />

2011. Teamchef<br />

Christian Horner<br />

verrät dem<br />

<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

die Gründe<br />

dafür und warum<br />

er darüber<br />

überhaupt nicht<br />

böse ist.<br />

Fotos: red bull racing


www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 35


MSM: Sie sind in einer ganz anderen Position als vor<br />

einem Jahr um diese Jahreszeit - damals war Sebastian<br />

Vettel schon Weltmeister...<br />

CHRISTIAN HORNER: Ja - man kann schon sagen,<br />

dass dieses Jahr bestimmt nicht einfach ist. Die Regeländerungen<br />

über den Winter hatten große Auswirkungen<br />

auf uns. Aber ich glaube, dass wir als Team sehr<br />

gut zusammen gearbeitet haben, und dass wir uns so<br />

Stück für Stück die Performance zurück holen, die uns<br />

über den Winter weggenommen wurde.<br />

Demnach machen Sie eindeutig die Regeländerungen<br />

dafür verantwortlich, dass Red Bull in der Saison 2012<br />

viel mehr zu kämpfen hat?<br />

Ich glaube, unser Designer Adrian Newey hat ziemlich<br />

deutlich gemacht, dass wir in den letzten Jahren immer<br />

besonders gut darin waren, den Effekt des Anblasens,<br />

also des Ableitens der Auspuffgase auf den Diffusor, zu<br />

nutzen. Deshalb hat uns das Verbot dieser Technologie<br />

besonders getroffen. Wir mussten jetzt wieder neue, alte<br />

Technologien lernen, die wir seit 2009 nicht mehr<br />

benutzt hatten. Wir mussten erst einmal zwei Schritte<br />

zurück gehen, um dann drei Schritte nach vorne zu<br />

machen.<br />

Wollen Sie damit sagen, dass die Regeländerungen<br />

gezielt dazu da waren, um Red Bull einzubremsen?<br />

Die Rennsport-Geschichte hat eines immer wieder<br />

gezeigt: Wenn es ein dominantes Team gibt, dann passiert<br />

so etwas immer wieder. Das ist jetzt nichts Außergewöhnliches<br />

im Falle von Red Bull.<br />

Ist es das bisher schwierigste Jahr in Ihrer gesamten<br />

Karriere als Teamchef?<br />

Nein, das schwierigste nicht, das waren eher die Aufbaujahre.<br />

Aber das intensivste. Wir haben jetzt ein sehr<br />

starkes, stabiles Team, das auch mit dem entsprechenden<br />

Selbstvertrauen ausgestattet ist. Das bedeutet<br />

gleichzeitig auch viel Vertrauen untereinander. Vertrauen<br />

in die Fahrer, Vertrauen in die Ingenieure und<br />

die Designer, Vertrauen zwischen den verschiedenen<br />

Abteilungen, das durch die Erfahrungen der letzten<br />

Jahre entstanden ist.<br />

Braucht man das auch allein schon deshalb, weil die<br />

Konkurrenz und die Opposition von verschiedenen<br />

Seiten immer größer wird?<br />

Ganz sicher. Aber auch das ist etwas Normales. Wenn<br />

man so viel Erfolg hatte wie wir, und wir haben in den<br />

letzten dreieinhalb Jahren mehr als 30 Rennen gewonnen,<br />

dann steht man nun mal unter Beschuss. Es ist ein<br />

sehr hartes Geschäft, wir haben Rivalen, die auch extrem<br />

erfolgshungrig sind. Aber wir versuchen, uns dadurch<br />

nicht ablenken zu lassen, sondern uns auf unsere eigene<br />

Arbeit zu konzentrieren. Und trotz aller Konkurrenz<br />

und allem, was so passiert ist, haben wir immer noch<br />

gute Chancen, sowohl den Fahrer- als auch den Konstrukteurstitel<br />

zu gewinnen.<br />

Fühlen sie sich manchmal trotzdem unfair<br />

behandelt?<br />

Natürlich gefällt einigen unserer etablierten Hauptkonkurrenten<br />

unser großer Erfolg in so kurzer Zeit überhaupt<br />

nicht. Sagen wir es einmal so: Einige der Entscheidungen<br />

in diesem Jahr haben wir schon als recht harsch<br />

empfunden. Aber auch da ist es so: Man kann nichts<br />

dagegen tun, man kann sich nur einfach auf das nächste<br />

Rennen konzentrieren und versuchen, da das Beste aus<br />

uns selbst heraus zu holen.<br />

Hat diese veränderte Position, in der sich das Team<br />

befindet, Sie als Person verändert? Hat es Sie härter<br />

gemacht?<br />

Man wird in seiner Zeit im <strong>Motorsport</strong> sowieso »kampfgestählt«,<br />

um das mal etwas martialisch auszudrücken.<br />

Wobei das vor allem heißt, sich ständig zu verbessern<br />

und zu lernen. Dieses Jahr ist noch einmal eine ganz<br />

andere Herausforderung als das letzte. Letztes Jahr musste<br />

Sebastian in Suzuka gerade noch einen Punkt holen,<br />

um sich vorzeitig den WM-Titel zu sichern, wir standen<br />

in allen außer einem Rennen auf der Pole Position. Aber<br />

so etwas ist keine typische Saison, im Gegenteil, sie war<br />

komplett atypisch. Dieses Jahr kämpfen wir gegen einige<br />

sehr starke Rivalen und trotzdem haben wir noch sehr<br />

gute Chancen.<br />

Sie haben das Zusammenwachsen des Teams betont.<br />

Welchen Anteil hatte und hat Sebastian Vettel an diesem<br />

Prozess?<br />

Das Team besteht aus über 500 Leuten, es gibt sehr klare<br />

Strukturen, klare Beziehungen zwischen den einzelnen<br />

Abteilungen. Aber trotzdem schauen am Sonntagnachmittag<br />

alle Abteilungen auf die beiden Fahrer. Seit Sebastian<br />

im Team ist, hat er einen beeindruckenden Job<br />

gemacht, alle seine Siege hat er in von Red Bull designten<br />

Autos erzielt, dazu kommen zwei WM-Titel. Also hat<br />

er natürlich eine sehr wichtige Rolle gespielt, genauso<br />

wie das gesamte restliche Team eine wichtige Rolle bei<br />

diesen Siegen und WM-Titeln gespielt hat. Das macht<br />

ein Team aus; das alle Bereiche in optimaler Harmonie<br />

zusammenwirken.<br />

Sie haben Sebastian jetzt über Jahre wachsen und<br />

reifen sehen. Ist er trotzdem zumindest in einigen<br />

Punkten noch genau der gleiche Sebastian, der er<br />

damals, vor vier Jahren, war?<br />

Auf jeden Fall, sehr sogar. Er hat noch die gleiche<br />

Begeisterung, Entschlossenheit und Persönlichkeit von<br />

damals, im Prinzip sogar noch die gleiche wie zu der<br />

Zeit, als er noch gar nicht in der Formel 1 war. Was er<br />

damals noch nicht hatte, was er dazu gewonnen hat,<br />

ist die Erfahrung. Und die hat er gerade in diesem Jahr<br />

extrem gut genutzt. Ich glaube, er ist 2012 extrem gut<br />

gefahren.<br />

Die Kritik, die es von einigen Seiten gab, er selbst sei<br />

nicht ganz so gut wie letztes Jahr, teilen sie also nicht?<br />

»Man wird in<br />

seiner Zeit im<br />

<strong>Motorsport</strong><br />

sowieso »kampfgestählt«,<br />

um<br />

das mal etwas<br />

martialisch<br />

auszudrücken.<br />

Wobei das vor<br />

allem heiSSt,<br />

sich ständig<br />

zu verbessern<br />

und zu lernen.<br />

Dieses Jahr ist<br />

noch einmal eine<br />

ganz andere Herausforderung<br />

als das letzte.«<br />

36 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Überhaupt nicht. Ich glaube, er fährt sogar noch<br />

besser als 2011. Man muss sich doch nur einige<br />

seiner Rennen anschauen, Spa zum Beispiel oder<br />

auch Singapur. Das sagt doch alles. Er hat nur zwei<br />

völlig unverschuldete technische Ausfälle gehabt,<br />

sonst sähe es in der Weltmeisterschaft ganz anders<br />

aus.<br />

Horner bescheinigt<br />

Vettel 2012 erneut<br />

eine Steigerung<br />

Die Väter des<br />

Erfolgs: Horner und<br />

Adrian Newey<br />

Red Bull hatte in dieser<br />

Saison zunächst<br />

Anlaufschwierigkeiten<br />

Er selbst meinte nach einigen Qualifyings, sie<br />

seien nicht ganz perfekt gewesen...<br />

Das zeigt nur, wie selbstkritisch und ehrlich Sebastian<br />

zu sich selbst ist. Er will immer noch mehr<br />

- und das ist Teil seiner Stärke, diese Fähigkeit,<br />

seine eigene Leistung ganz genau zu analysieren<br />

und eben auch mal zu kritisieren. Das ist etwas,<br />

was nicht allen Fahrern leicht fällt. Aber er hat so<br />

viel Selbstvertrauen, immer nach der Perfektion<br />

zu suchen, egal ob bei sich oder beim Team.<br />

Sie kennen ihn in allen Facetten quasi in- und<br />

auswendig. Kann er Sie trotzdem manchmal noch<br />

überraschen?<br />

Natürlich kenne ich ihn extrem gut. Aber da er<br />

sich immer noch weiterentwickelt, als Fahrer und<br />

als Mensch, kann er trotzdem noch manchmal<br />

Überraschungen liefern. Wie extrem fokussiert er<br />

Sonntagabend in Singapur in das Rennen gegangen<br />

ist, so hatte ich ihn noch nie erlebt. Unter<br />

extremstem Druck hat er eine perfekte Leistung<br />

abgeliefert. Und auch wie er sich in Monza nach<br />

seinem Ausfall verhalten hat, das hat mir imponiert.<br />

Andere Fahrer lassen in so einem Moment<br />

den Helm auf, um mit niemandem reden zu müssen,<br />

um ihre Emotionen zu verstecken. Sebastian<br />

hat sofort den Helm abgenommen, ist mit dieser<br />

Enttäuschung möglicherweise besser umgegangen<br />

als einige andere von uns.<br />

Sebastian hat im Laufe der Zeit sicher sehr viel<br />

vom Team gelernt - hat das Team auch etwas von<br />

ihm gelernt?<br />

Auch als Team lernt man jeden Tag, in jeder Beziehung.<br />

Und ich glaube, das ist eine der Stärken<br />

unseres Teams, ganz genau nach innen zu schauen<br />

und zu sehen, wo wir noch besser werden können.<br />

Sebastian war und ist ein Teil dieses Prozesses.<br />

Man kann aus jedem Rennen lernen, ob man<br />

gewinnt oder verliert.<br />

Fotos: red bull racing, adrivo/Sutton<br />

Was ist das Wichtigste, was sie in diesem Jahr<br />

gelernt haben?<br />

Nie aufzugeben und immer das Maximum aus<br />

seinen Möglichkeiten herauszuholen. Denn das<br />

wird am Ende entscheidend sein. Egal ob man das<br />

schnellste, das zweitschnellste oder das drittschnellste<br />

Auto hat: Man muss immer das mitnehmen,<br />

was eben unter den gegebenen Umständen<br />

möglich ist.<br />

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Fotos: williams<br />

38 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Die fabelhafte Welt der<br />

Simulation<br />

Valtteri Bottas verbringt mehr Zeit im Simulator als auf der Rennstrecke.<br />

Ein hartes Los für den Testfahrer, für das Team ein essentielles Mittel. Im<br />

<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> gibt Bottas einen Einblick in seinen Arbeitsalltag.<br />

Text: Kerstin Hasenbichler<br />

»Ein Simulator ist in der heutigen Formel 1<br />

essentiell. Heutzutage kann man einen Simulator<br />

nicht mal mehr annähernd mit einem Computerspiel<br />

am PC vergleichen. Angesichts der<br />

limitierten Testfahrten ist der Simulator für die<br />

Teams ein perfektes Werkzeug, um während<br />

der Saison zu testen. Und für uns junge Piloten<br />

ist es eine großartige Chance, neue Strecken<br />

kennenzulernen. Zum Bespiel kannte ich dieses<br />

Jahr nicht alle Strecken und nutzte den Simulator,<br />

um mich auf meine Freitagseinsätze vorzubereiten.<br />

Die Strecken im Simulator sind<br />

absolut detailgetreu und somit eine große Hilfe<br />

- auch um Setup-Einstellungen oder die Effektivität<br />

von neuen Teilen zu testen.«<br />

Simulation von<br />

Streckenbedingungen<br />

»Wir versuchen so detailgenau wie möglich, die<br />

Streckenbedingungen zu simulieren - vom<br />

Gripniveau über die Kurvengeschwindigkeiten<br />

bis zum Top-Speed auf den Geraden. Wir versuchen<br />

jedes Mal, so nah wie möglich an die<br />

Bedingungen ranzukommen, dazu werden<br />

nach einem GP-Wochenende sämtliche Details<br />

evaluiert. Wenn wir dann wieder diese Strecke<br />

im Simulator testen, kommen wir dank der<br />

gesammelten Daten sehr nah an die Realität<br />

heran. Dadurch können wir im Simulator Dinge<br />

wie Bremspunkte oder mögliche Ideallinien<br />

austesten. Es ist sogar möglich, nach einem<br />

Freien Training das Setup eines Fahrers im<br />

Simulator mit einem anderen, möglicherweise<br />

besseren Setup zu vergleichen, um so die ideale<br />

Abstimmung für das Wochenende zu<br />

finden.«<br />

»Es ist sogar möglich,<br />

nach einem Freien Training<br />

das Setup eines<br />

Fahrers im Simulator<br />

mit einem anderen,<br />

möglicherweise besseren<br />

Setup zu vergleichen,<br />

um so die ideale<br />

Abstimmung für das<br />

rennWochenende zu<br />

finden.«<br />

Simulator vs. Rennbolide<br />

»Der größte Unterschied ist, dass man im Simulator<br />

keine G-Kräfte simulieren kann. Man<br />

kann ein paar wenige Kräfte kreieren, aber keinesfalls<br />

Kräfte um die 5G oder mögliche<br />

Windgeschwindigkeiten, die auf das Auto<br />

wirken. Um dennoch ein echtes Rennfeeling<br />

zu vermitteln, wird man in eine Art Tunnel<br />

geschoben, in dem sich eine 180-Grad-Leinwand<br />

befindet. Drei Projektoren zeigen die<br />

Rennstrecke aus Fahrersicht. Wenn man von<br />

der Strecke abkommt, wird das ebenfalls auf<br />

die Leinwand projiziert.«<br />

Gemeinsamkeiten<br />

»Ich sitze in einem detailgetreuen Chassis des<br />

Williams-Boliden. Im Cockpit ist alles<br />

genauso wie im echten Rennwagen - die Sitzposition,<br />

das Lenkrad mit all seinen Knöpfen,<br />

die auch dieselben Funktionen haben, sowie<br />

die Pedale. Ich kann während der Runden die<br />

Bremsbalance verstellen und DRS nutzen,<br />

was meine Rundenzeit schneller macht.«<br />

Arbeitsablauf<br />

»Bis zu 60 Tage im Jahr verbringen die Testfahrer<br />

in der Dunkelheit des Simulator-Tunnels.<br />

Ein Tag im Simulator beginnt in den<br />

frühen Morgenstunden. Wenn das Team sich<br />

auf ein Rennwochenende vorbereitet, spule<br />

ich üblicherweise ein paar Runden ab, um<br />

mich auf die Strecke einzuschießen. Danach<br />

sehe ich mir die Daten zusammen mit den<br />

Ingenieuren an, vergleiche diese mit den<br />

Daten von anderen Fahrern im Simulator, um<br />

zu erfahren, in welchen Bereichen wir uns<br />

noch verbessern können. Danach steige ich<br />

wieder ins Cockpit und absolviere weitere<br />

Runs. Das geht den ganzen Tag so weiter. Die<br />

Rundenanzahl hängt davon ab, was wir an<br />

jenem Tag testen. Manchmal spule ich nur<br />

eine Renndistanz ab, aber es kam auch schon<br />

vor, dass ich 200 Runden gefahren bin. Das<br />

war das Maximum im Simulator - zumindest<br />

bis jetzt.«<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 39


Mann<br />

im<br />

Ohr<br />

Text: KERSTIN HASENBICHLER<br />

Mark Slade, Guillaume Rocquelin, Andy Latham und<br />

Andrea Stella sind nicht nur die Stimmen im Ohr der<br />

Fahrer, sie haben entscheidenden Einfluss auf den<br />

Erfolg von Räikkönen, Vettel, Hamilton und Alonso.


www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 41<br />

Fotos: adrivo/Sutton


Trennung zum<br />

Saisonende:<br />

Hamilton verlässt<br />

Latham in Richtung<br />

Mercedes<br />

Vettel und<br />

»Rocky« sind ein<br />

eingespieltes<br />

Team im Auto<br />

Für den Bruchteil einer Sekunde hielt er den Atem an, als er in die<br />

Senke hineinraste, sein Fuß blieb auf dem Gaspedal. Links, rechts<br />

und dann die Piste bergauf, die sich vor ihm wie eine Betonmauer<br />

aufbaute, als es plötzlich in der Leitung knackte. »Kimi, du musst<br />

in den letzten Runden noch einmal richtig pushen«, ertönte es von der anderen<br />

Seite des Teamradios. »Dann gib mir mehr Power!«, fand Räikkönen die Aufforderung<br />

seines Renningenieurs gar nicht lustig, musste er doch auf der Ardennenachterbahn<br />

ohne KERS auskommen. Nach 44 Runden überquerte er als<br />

Dritter die Ziellinie. Ein Erfolg, der nicht allein dem Finnen geschuldet ist, sondern<br />

auch seinem Renningenieur Mark Slade. Slade sowie seine Kollegen Guillaume<br />

Rocquelin, Peter Bonnington, Andy Latham und Andrea Stella - sie sind<br />

mehr als nur die Stimmen im Ohr ihrer Fahrer. Gerade in einer so unberechenbaren<br />

Saison wie dieser, in der beinahe jedes Grand-Prix-Wochenende ein anderer<br />

Fahrer gewinnt, kommt dem Renningenieur eine Schlüsselrolle zu.<br />

»Der Renningenieur ist die Stimme, mit der man immer verbunden ist. Klar,<br />

auf der Strecke ist man alleine, aber das Team steht hinter dir. Dein Renningenieur<br />

und dein Dateningenieur sind die Personen, mit denen du am meisten<br />

zu tun hast, was das Fahrzeug angeht, aber auch mit Blick auf die Strategie«,<br />

erklärt Sebastian Vettel gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Der Renningenieur<br />

ist der Projektmanager, der das Programm für die einzelnen Sessions<br />

zusammenstellt, die taktischen Möglichkeiten auslotet und die Marschroute<br />

für das Rennwochenende vorgibt. »Der Renningenieur hat einen großen Anteil<br />

an den Rennwochenenden, speziell an der Setuparbeit«, erklärt Timo Glock<br />

dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. An einem Rennwochenende stellen die verschiedenen<br />

Setup-Möglichkeiten eine Art Puzzle dar, das es so schnell und perfekt<br />

wie möglich zusammenzusetzen gilt.<br />

Für manche Fahrer fungiert der Renningenieur auch als Motivationstrainer.<br />

In Valencia musste Andy Latham Lewis Hamilton jede einzelne Sektorzeit<br />

durchgeben. Der McLaren-Pilot nutzte die Informationen, um sich selbst zu<br />

pushen und noch mehr aus dem Wagen herauszuholen. »Manchmal weißt<br />

du nicht, wie viele Informationen ein Fahrer will«, sagt Phil Prew, der als<br />

Chefingenieur den gesamten Stab von Technikern und Mechanikern bei<br />

McLaren koordiniert. »Wir geben unseren Fahrern lieber mehr Informationen<br />

und wenn sie genug haben, müssen sie einfach sagen, dass wir den<br />

Mund halten sollen.« So geschehen 2011 auf dem Nürburgring, als Hamilton<br />

in seinen Funk schrie: »Hört auf, mit mir zu reden. Ich fahre hier ein Rennen!«<br />

Guillaume Rocquelin vergleicht seinen Job mit dem eines Fußball-Trainers.<br />

»Neben dem Erarbeiten des Setups muss ich dafür sorgen, dass die Mechaniker<br />

mit Sebastian und mir reibungslos zusammenarbeiten«, erklärt Vettels<br />

Renningenieur.<br />

Psychologe, Motivations- und FuSSballtrainer<br />

Wie ein Fußballtrainer muss er ein Gespür für die Gesamtsituation haben<br />

und in einer sich anbahnenden Katastrophe Ruhe bewahren wie zuletzt in<br />

Monza, als die Lichtmaschine an Vettels Boliden streikte. »Wenn so etwas<br />

passiert, dann geht man automatisch in den ‚Rettungs-Modus‘. Man denkt<br />

nicht: ‚Oh nein, wir werden das Rennen verlieren‘. Eher: ‚Okay, wie lösen wir<br />

jetzt dieses Problem?‘ Wenn man in eine Krise schlittert, dann setzt man alles<br />

daran, da wieder rauszukommen«, gibt Rocquelin, der von Vettel ‚crazy frog‘<br />

genannt wird, einen Einblick in seinen Arbeitsalltag. Aufgeben kommt für<br />

ihn erst in Frage, wenn das Auto steht und keine Daten mehr auf den Bildschirmen<br />

aufscheinen. »Dann weiß man, dass es vorbei ist«, sagt Rocquelin.<br />

In solchen Momenten zieht sich der Franzose in sein Büro zurück, um sich<br />

zu sammeln und die nächsten Schritte zu überlegen. »Ich lasse mich von<br />

Rückschlägen nicht verrückt machen. So ist der <strong>Motorsport</strong>«, erklärt Rocquelin<br />

cool.<br />

Ein Renningenieur behält aber nicht nur im Renngeschehen den Überblick.<br />

42 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Mark Slade kennt<br />

Kimi Räikkönen<br />

noch aus der<br />

gemeinsamen<br />

McLaren-Zeit<br />

Täuschen und<br />

tarnen: Alonsos<br />

Boxenfunk ist<br />

gerne mal auf<br />

Italienisch<br />

Fotos: adrivo/Sutton<br />

»Ich würde sagen, dass ich eine organisatorische Rolle habe, eher jedenfalls,<br />

als eine rein technische. Natürlich ist die technische Seite sehr ausgeprägt,<br />

aber ich habe viel mehr den Gesamtüberblick über die Entwicklungen am<br />

Rennwochenende und über das gesamte Jahr«, verrät Slade, Renningenieur<br />

von Räikkönen. Der Brite gilt im Fahrerlager als Finnen-Spezialist - arbeitete<br />

er doch in seiner langjährigen Karriere bereits mit Mika Häkkinen, Heikki<br />

Kovalainen und eben Räikkönen zusammen. Letzterer ließ ihn für sein<br />

Formel-1-Comeback extra von McLaren zu Lotus holen - ein Renningenieur<br />

ist eben nicht irgendein Teammitglied. Er gehört zum ‚Circle of Trust‘, ist der<br />

engste Vertraute eines Fahrers. Der eine weiß, was der andere denkt. »Wenn<br />

sich beide in die Augen sehen und verstehen«, beschreibt Glock die perfekte<br />

Beziehung zwischen Renningenieur und Fahrer.<br />

Es muss nicht mehr diskutiert werden, es wird einfach gehandelt. »Das ist<br />

nichts Besonderes, schließlich verbringe ich mit Sebastian mehr Zeit als mit<br />

meiner Frau. Ich erkenne schon am Klang seiner Stimme, ob es ein Problem<br />

gibt«, erklärt Rocquelin den Grund für das blinde Verständnis zwischen Fahrer<br />

und Renningenieur. Ein Renningenieur horcht eben nicht nur in das Auto,<br />

sondern auch in den Piloten hinein. »Ein guter Renningenieur ist immer auch<br />

ein guter Psychologe«, bestätigt Christian Danner gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<br />

<strong>Magazin</strong>. Zwischen vielen entsteht über die Jahre eine Freundschaft. »Er ist für<br />

mich ein guter Freund, mit dem ich über die Familie spreche, wie ich mich<br />

beim letzten Fußballspiel angestellt oder was ich gestern Abend erlebt habe«,<br />

erzählte Andrea Stella 2006 über Michael Schumacher. Heute leitet Stella<br />

Fernando Alonso durch den Dschungel an Informationen und Emotionen.<br />

Dabei spricht ein Renningenieur über Funk nur das Nötigste, denn die Konkurrenz<br />

hört mit. Seit den 30er Jahren kommunizieren die Fahrer mit ihren<br />

Renningenieuren, während sie über die Strecke brettern. Damals noch über<br />

die Boxentafeln, seit den 80er Jahren über den Funk. In früheren Jahren bespitzelten<br />

die Teams einander und schrieben etwaige Strategiegeheimnisse mit.<br />

Heute, wo die Funksprüche im Fernsehen ausgestrahlt werden, verpacken die<br />

Teams die Gespräche geschickt. Alonso und Stella kommunizieren schon seit<br />

längerem nur noch auf Italienisch. McLaren setzt - typisch britisch - auf Codewörter<br />

und verschlüsselte Zahlen-Buchstaben-Kombinationen à la James Bond.<br />

»Es ist schade für die Fans, dass wir auf Codes zurückgreifen müssen, aber das<br />

macht den Sport auch aufregender«, meint Jenson Button.<br />

Eine geheime Welt<br />

So mancher Boxenfunk ging bereits in die Annalen der F1-Geschichte ein.<br />

»Let Michael pass for the Championship« - der Funkspruch an Rubens Barrichello<br />

sorgte 2001 in Spielberg für einen Eklat im Rennsport. Heute geht<br />

Ferrari viel subtiler vor, wenn es darum geht, einen Fahrer am anderen vorbei<br />

zu schleusen. So funkte Rob Smedley 2010 in Hockenheim an Felipe Massa:<br />

»Fernando ist schneller als du.« Nicht der einzige Funkspruch zwischen den<br />

beiden, der für Aufsehen sorgte. In Singapur teilte Smedley seinem Fahrer<br />

mit, den Gegner in Person von Lewis Hamilton auf keinen Fall vorbeizulassen.<br />

»Halte ihn auf, so gut es geht. Zerstöre sein Rennen! Komm schon, Junge.«<br />

Andere Funksprüche sorgen hingegen für Schmunzeln wie in Australien<br />

2012, als Kimi Räikkönen erbost an seinen Renningenieur funkte: »Wieso<br />

zeigen die mir dauernd blaue Flaggen?« Die Antwort: »Die Flaggen sind für<br />

die Piloten, die im Rennen hinter dir liegen und nicht für dich.« David<br />

Coulthard funkte in Montreal 2007 auf die Frage seines Renningenieurs wie<br />

das Auto sich anfühle nicht ganz ernst gemeint: »Das Auto rutscht, ist in den<br />

Kurven instabil und ich habe null Traktion - abgesehen davon habe ich eine<br />

Menge Spaß.« Andere nutzen den Funk, um mittels eines Songs Renningenieur<br />

und Team zu danken wie Button 2009 in Interlagos, als er über das<br />

Teamradio »We are the Champions« sang. Und genau für diese Momente<br />

leben Renningenieure, den Lohn für ihre harte Arbeit erhalten sie nicht mit<br />

ihrer Gehaltsabrechnung, sondern nur mit Siegen auf der Strecke.<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 43


Williams-Pilot Bruno<br />

Senna nahm das<br />

<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

mit auf eine Runde<br />

in Suzuka<br />

Fotos: adrivo/Sutton


Laufen<br />

statt<br />

fahren<br />

Text: Karin Sturm<br />

Bruno Senna zeichnete dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> die Schlüsselstellen auf<br />

Donnerstag ist Wandertag in der Formel 1. So auch auf einer der<br />

letzten Mutstrecken alter Schule - in Suzuka. Bruno Senna weiht<br />

das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> auf einer Runde um den 5,807 km langen<br />

Kurs in die Geheimnisse des Track walks ein.<br />

Vorbereitung<br />

»Bevor wir auf die Strecke gehen, bekomme ich von meinem Daten-Ingenieur<br />

Jonathan Eddols eine ganze Menge Papier. Projektionen über das Verhalten<br />

des Autos im Qualifying und Rennen, das wahrscheinliche Verhalten von<br />

Reifen und Bremsen, auch ein Vergleich mit den Daten vom letzten Jahr, dazu<br />

die Daten über KERS, DRS, die Einsatzpunkte, Downforce... So kann ich mich<br />

ein bisschen orientieren. Von meinen eigenen Erfahrungen aus dem Vorjahr<br />

brauche ich keinen Ausdruck - das ist alles im Kopf abgespeichert.«<br />

Information<br />

»Wenn es irgendwelche Änderungen gibt, die die FIA den Teams mitgeteilt<br />

hat, auf die ich achten muss, dann sagt mir das mein Ingenieur Tom McCullough<br />

an den entsprechenden Stellen. Oft geht es dabei um Dinge, die die<br />

Boxenein- und -ausfahrt betreffen. Hier in Suzuka zum Beispiel ist es so, dass<br />

man bei der Ausfahrt an unterschiedlichen Stellen über die Linien von fast<br />

und slow lane fahren darf. Da ist es natürlich wichtig, sich das genau einzuprägen,<br />

um nicht eine Strafe zu riskieren. Dass es vor der ersten Kurve<br />

unglaublich eng wird, braucht er mir natürlich nicht zu sagen. Das weiß man<br />

- und trotzdem kann man manchmal nicht verhindern, dass es nach dem<br />

Start kracht - das habe ich ja leider zu spüren bekommen.«<br />

Streckendetails<br />

»Das ist natürlich das Wichtigste, auf das man bei einem Trackwalk achtet.<br />

Was hat sich seit letztem Jahr an der Strecke verändert? Worauf muss man<br />

besonders achten? Das können neue, veränderte Kerbs sein - oder wie in<br />

Suzuka ein neuer Asphalt ab Kurve sieben. Der fiel mir sofort auf, auch die<br />

Tatsache, dass er doch um einiges weniger wellig ist als der alte Belag. Und<br />

auch die Körnung schaut man sich in so einem Fall ganz genau an, um zu<br />

analysieren, wie sich das auf Grip und Abnutzung der Reifen auswirken<br />

könnte. Selbst wenn sich an den Kerbs nicht groß etwas geändert hat - ist es<br />

durchaus etwas wert, da noch mal genau hinzuschauen. Denn gerade die<br />

zwischen Spoon und R130 sind sehr kritisch, ziemlich hoch und uneben.<br />

Wenn man da einmal zu sehr drauf kommt, dann war es das.«<br />

Unterschiede im Auto und zu FuSS<br />

»Es gibt Streckenpassagen, die nimmt man, wenn man zu Fuß unterwegs ist,<br />

ganz anders wahr als im Auto. Unter der Unterführung durch und zur Haarnadel<br />

(Kurve 11) geht es ganz schön bergauf - aber wenn man im Auto sitzt,<br />

kommt einem das gar nicht so vor, da bekommt man das gar nicht mit.«<br />

Lieblingsstelle<br />

»Für mich ist in Suzuka inzwischen die Passage vom Ausgang der »Esses« bis<br />

hinter die zweite Degner-Kurve, also die Kurven 7 bis 9, das schwierigste und<br />

anspruchsvollste Stück. Hier muss man extrem auf die Reifen aufpassen, wenn<br />

man nicht 110-prozentig präzise und sauber unterwegs ist, heizen sich die<br />

Hinterreifen viel zu sehr auf und dann bekommt man richtig Probleme. Generell<br />

ist Suzuka eine fantastische Strecke, die unheimlich viel Spaß macht, mit<br />

den vielen schnellen Kurven, da kann man so richtig in den »Flow« kommen.<br />

Dazu kommt, dass es sehr eng ist, ich glaube, an vielen Stellen maximal ein bis<br />

eineinhalb Meter breiter als Monaco. Und die Leitplanken sind sehr oft sehr<br />

dicht dran. Das heißt: Kein Platz für Fehler - was die Herausforderung noch<br />

größer macht.«<br />

Ablenkung<br />

»Manchmal gibt es unterwegs ein bisschen Ablenkung und zusätzliche<br />

Arbeit. In Japan hat in Kurve 7 eine ganze Gruppe japanischer Fans extra<br />

hinter dem Zaun auf mich gewartet, da bin ich natürlich hingegangen, um<br />

Autogramme zu schreiben. Die japanischen Fans sind sowieso ganz besonders<br />

mit ihrem Enthusiasmus. Deshalb mussten wir hier unseren Track<br />

Walk von vormittags auf nachmittags verschieben. Ursprünglich gehen wir<br />

immer um 10:30 Uhr los. Aber zu dem Zeitpunkt war die Strecke für die<br />

Fans offen - und da wäre gar nichts gegangen, da wären wir keine zehn<br />

Meter weit gekommen. Dafür mussten wir uns am Nachmittag ein bisschen<br />

beeilen, man darf ja erst ab 15:00 Uhr auf die Strecke und ich musste um<br />

16:00 Uhr zur offiziellen Autogrammstunde wieder zurück sein. Bei fast 6<br />

Kilometern Streckenlänge darf man da nicht zu oft stehen bleiben - oder<br />

man muss zwischendurch ziemlich schnell laufen.«<br />

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Der Startunfall in<br />

Belgien brachte Romain<br />

Grosjean eine<br />

Rennsperre ein<br />

Fotos: adrivo/Sutton


Text: Stephan Heublein & Kerstin Hasenbichler<br />

Letzte<br />

Die Formel 1 ist unerbittlich. Zweite Chancen sind rar gesät. Romain Grosjean hat<br />

in diesem Jahr eine erhalten. Die Anfänge waren vielversprechend, doch läuft er<br />

Gefahr, sie mit seinen Fehlern fahrlässig zu verschenken. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

geht dem Fall auf den Grund.<br />

Chance<br />

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Fotos: adrivo/Sutton<br />

»Was ich frustrierend finde, ist, dass dies seine zweite Chance in der<br />

Formel 1 ist - möglicherweise seine letzte. Und trotzdem macht er bei<br />

seiner letzten Chance all diese Fehler und macht sie immer wieder und<br />

immer weiter«, sieht Ex-GP-Pilot Johnny Herbert Grosjeans Entwicklung<br />

mit gemischten Gefühlen. Für Herberts Geschmack sollte der Schweizer<br />

eigentlich vorsichtiger und überlegter vorgehen, müsste sich sagen: »Dies<br />

ist meine letzte Chance, ich bin in einem guten Auto und vielleicht sogar<br />

schneller als Kimi Räikkönen im Qualifying und genauso schnell wie er<br />

im Rennen. Das ist nicht schlecht«, erklärte Herbert im Gespräch mit<br />

dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Tatsächlich schien Grosjean seine zweite<br />

Chance in der Königsklasse des <strong>Motorsport</strong>s mit beiden Händen zu ergreifen<br />

- alles andere als eine alltägliche Gelegenheit<br />

in einem Umfeld, das nicht gerade<br />

für seine Nachsicht und Nächstenliebe<br />

bekannt ist. Grosjean galt zu Saisonbeginn<br />

für viele Beobachter als heißerer Kandidat<br />

auf den ersten Lotus-Sieg. Der 26-Jährige<br />

überzeugte gegen seinen erfahrenen<br />

Teamkollegen Kimi Räikkönen, immerhin<br />

mehrfacher Grand-Prix-Sieger und Weltmeister<br />

des Jahres 2007, mit starken Qualifikationsergebnissen<br />

und wusste auch<br />

im Rennen oftmals zu überzeugen. Aber<br />

Herbert warnt: »Wenn er weiter solche<br />

Fehler begeht, wird bald jemand sagen:<br />

Bye, bye.«<br />

Kimi Räikkönen rechts, Jerome d’Ambrosio links, um<br />

sie herum dutzende Journalisten. In der Mitte des<br />

Lotus-Motorhomes steht in all dem Trubel ein einsamer<br />

Romain Grosjean. Er wirkt gedankenverloren,<br />

scheint sich zu fragen, wie es so weit kommen<br />

konnte? Eben noch als angehender Superstar in der<br />

Formel 1 gefeiert, nun als Crashpilot verschrien.<br />

Lange hatten die Rennkommissare Gnade vor Recht<br />

ergehen lassen, erst der Horror-Crash in Belgien, der Fernando Alonso<br />

im schlimmsten Fall das Leben hätte kosten können, brachte das Fass<br />

zum Überlaufen. Die Rennkommissare statuierten am Franzosen ein<br />

Exempel und sperrten ihn für den Italien GP. Zum Zusehen verdammt,<br />

für einen Rennfahrer die Höchststrafe.<br />

Ohne Unfälle ist<br />

Grosjean ein sehr<br />

schneller Fahrer<br />

Aus und vorbei. Schon einmal hat Grosjean<br />

seine Chance in der Formel 1 verbockt.<br />

2009 ersetzte der damalige GP2-<br />

Pilot ab Valencia den entlassenen<br />

Nelsinho Piquet Junior im Renault-Cockpit.<br />

Doch der unerwartete Formel-1-Einstieg<br />

als neuer Teamkollege von Fernando<br />

Alonso zahlte sich nicht aus: Sieben Rennen,<br />

kein Punkt und ein 13. Platz als<br />

bestes Resultat waren die magere Ausbeute.<br />

Dabei bescheinigen ihm Experten,<br />

dass er die nötigen Anlagen besitzt, um<br />

ein ganz Großer des Sports zu werden.<br />

»Er ist ein extrem schneller Fahrer«,<br />

betont Ex-Formel-1-Fahrer Marc Surer.<br />

»Wenn er sich in den Griff bekommt, ist<br />

er ein ganz schneller Kandidat - ähnlich<br />

wie Lewis Hamilton.« Auch Herbert ist<br />

davon überzeugt, dass Grosjean den nötigen<br />

Speed hat, um an der Spitze mitzufahren.<br />

Das beweise Grosjean vor allem<br />

im Qualifying stets aufs Neue. »Er fühlt das Auto am Limit«, beschreibt<br />

Herbert. »Er holt das Beste aus den Reifen heraus, beim Anbremsen, bei<br />

der Aerodynamik. Er ist sehr schnell.«<br />

Dass Grosjean bislang mehr durch Misserfolge als durch Erfolge auffiel, erklärt<br />

der ehemalige Grand-Prix-Pilot Christian Danner folgendermaßen: »Ein Rennfahrer<br />

ist immer ein Gesamtkunstwerk - dazu gehören Talent, Speed, Biss,<br />

Willenskraft, Verständnis von technischen Zusammenhängen und auch Weitblick.«<br />

Fehle nur ein Puzzleteil, könne ein Fahrer an der Spitze der Königsklasse<br />

nicht überleben. Das größte Manko des Lotus-Piloten sind Rad-an-Rad-Duelle,<br />

speziell am Start. In 15 Rennen kollidierte er acht Mal mit anderen Autos. »Er<br />

muss versuchen, das hinzukriegen. In allen anderen Bereichen ist er besser als<br />

so manch anderer Formel-1-Fahrer«, lobt Danner. Auch Herbert bestätigt: »In<br />

»Was ich frustrierend finde, ist, dass<br />

dies seine zweite Chance in der F1<br />

ist - möglicherweise seine letzte.<br />

Und trotzdem macht er all diese<br />

Fehler und macht sie immer wieder<br />

und immer weiter. Es wäre verrückt,<br />

wenn er sich nicht wenigstens ein<br />

bisschen ändern würde.«<br />

48 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


einer Rennsituation ist er sehr gut und sehr konstant.« Diese Konstanz ist in<br />

der modernen Formel 1 mit unterschiedlich stark abbauenden Reifen, den<br />

heutigen Autos und der hohen Konkurrenzdichte sehr wichtig. Nur durch<br />

konstante Ergebnisse ist eine Topplatzierung in der Weltmeisterschaft möglich<br />

- diese torpediert Grosjean durch seine Aussetzer regelmäßig selbst. »Entscheidend<br />

ist, ob Grosjean weiß, was er tut oder nicht«, meint Danner. Wenn er es<br />

wisse, könne er mit einem Sportpsychologen sprechen und diese Schwäche<br />

konsequent abstellen. »Wenn er jemandem blind hinten drauffährt und sich<br />

dann selbst wundert, warum das passiert ist, dann hat er ein größeres Problem«,<br />

warnt Danner.<br />

Für Surer ist das Problem offensichtlich: »Er hat extremes Talent und ist extrem<br />

schnell, aber wenn er losfährt, hört er auf zu denken. Es gibt Fahrer, die extrem<br />

viel Energie brauchen, um schnell zu fahren. Es ist dann als hätten sie Scheuklappen<br />

auf, um diese Leistung abzurufen. Andere Fahrer sind relaxt und haben<br />

den Weitwinkel.« Erst mit Rennverlauf werde der Lotus-Pilot wieder normal.<br />

Ein Blick in die Statistik bestätigt Surers Aussagen - während des Rennens<br />

passieren dem Franzosen nicht mehr Unfälle als anderen Fahrern. Fehlende<br />

Erfahrung kann für Grosjeans Malheure nicht zwangsläufig als Ursache angeführt<br />

werden, immerhin fiel in dieser Saison auch der siebenfache Weltmeister<br />

Michael Schumacher schon zwei Mal durch Auffahrunfälle auf. »Es ist immer<br />

nur die Startphase, in der ich bei Grosjean das Gefühl habe, dass irgendwie das<br />

Hirn abschaltet. Es gibt Leute, die unter Stress abschalten - genauso kommt es<br />

mir bei ihm vor. Nur beim Start baut er Scheiße«, bilanziert Surer.<br />

Aufgrund der Fahrweise von Rookies wie Grosjean oder Pastor<br />

Maldonado entbrannte in der Formel 1 sogar eine Diskussion über<br />

eine zu hohe Aggressivität der jungen Fahrer. Danner empfindet<br />

die Debatte als »Bullshit«. »Das Problem von Grosjean ist nicht,<br />

dass die GP2 eine wilde Reiter-GMBH ist, sondern es ist ein Problem seiner<br />

Person, das er lösen muss«, betont Danner. »Die Fakten sind klar - er ist einfach<br />

zu oft mit jemandem zusammengekracht. Klar sind das alles Rennfahrer, die<br />

keine Kinderwagen durch die Gegend schieben. In so einem Rennauto passieren<br />

ausgesprochen komplexe Dinge. Aber Grosjean ist ein unglaublich intelligenter<br />

und begnadeter Rennfahrer - ich bin überzeugt, er wird das Problem lösen.«<br />

nicht. »Es wäre verrückt, wenn er sich nicht wenigstens ein bisschen ändern<br />

würde«, stellt Herbert klar. In den noch ausstehenden Rennen wird sich zeigen,<br />

ob Grosjean das eiserne Gesetz der Formel 1 verinnerlicht hat: »To finish first,<br />

first you have to finish«. Wenn ihm das gelingt, steht Grosjean laut Experten<br />

eine große Karriere bevor. Wenn nicht, kann er sich für seinen geplatzten<br />

Formel-1-Traum nur selbst die Schuld geben.<br />

Grosjeans Kollisionen<br />

Australien 2012<br />

Kollision mit Pastor Maldonado<br />

in Runde 1<br />

Folgen: Ausfall<br />

Malaysia 2012<br />

Grosjean dreht Michael Schumacher<br />

in Runde 1 um<br />

Folgen: Beide Fahrer fallen<br />

weit zurück<br />

Spanien 2012<br />

Berührung mit Sergio Perez<br />

Folgen: Boxenstopp für Perez,<br />

beschädigter Frontflügel<br />

für Grosjean<br />

Monaco 2012<br />

Kollision mit Michael Schumacher<br />

am Start<br />

Folgen: Beide scheiden<br />

aus; Auslöser für weitere<br />

Kollisionen am Start, denen<br />

Kobayashi zum Opfer fällt<br />

GroSSbritannien 2012<br />

Kollision mit Paul di Resta in<br />

Runde 1<br />

Folgen: Ausfall für di Resta,<br />

beschädigter Frontflügel für<br />

Grosjean<br />

Deutschland 2012<br />

Berührung mit Bruno Senna<br />

in Runde 1<br />

Folgen: Reifenschäden und<br />

Boxenstopps<br />

Belgien 2012<br />

Start-Kollision mit Hamilton<br />

Folgen: Massencrash in der<br />

ersten Kurve reißt auch Alonso,<br />

Perez und Kobayashi mit;<br />

Rennsperre für Monza<br />

Japan 2012<br />

Auffahrunfall mit Webber<br />

Folgen: 10 Sekunden Stopand-Go-Strafe<br />

Grosjean selbst gab sich nach seiner Rennsperre geläutert und betonte, wie viel<br />

er an seinem unfreiwillig freien Rennwochenende<br />

gelernt habe. Der Franzose nutzte die Zeit, um seinen<br />

Teamkollegen Kimi Räikkönen noch genauer<br />

zu studieren und zu beobachten. »Es war die beste<br />

Vorbereitung, abgesehen von selbst zu fahren«,<br />

meinte er. Worte, die die Lotus-Chefetage nicht<br />

unbedingt ruhiger schlafen lassen werden. Noch<br />

muss Grosjean beweisen, dass er seine Lektion<br />

gelernt hat, das Rennen nicht gleich in der ersten<br />

Kurve gewinnen zu wollen. Surer glaubt fest an<br />

einen Lerneffekt beim Schweizer mit französischer<br />

Rennlizenz. »So eine Strafe kann für einen jungen<br />

Fahrer heilsam sein«, meint der Schweizer.<br />

Den besten Lehrmeister hat Grosjean im eigenen<br />

Team. Räikkönen scheint das Paradebeispiel zu<br />

sein, wie man eine zweite Chance in der Formel 1<br />

perfekt nutzt. »Kimi ist so cool. Grosjean ist oft vor<br />

Kimi gestartet, aber im Rennen war Kimi immer<br />

vor ihm. Das Team sollte ihm als Beispiel mit auf<br />

den Weg geben: Orientiere dich an Kimi«, betonte<br />

Surer. Wie der Schweizer fände es auch Herbert<br />

schade, wenn Grosjean sein Talent ein weiteres Mal<br />

wegschmeißen würde - denn diesmal wäre es endgültig.<br />

Eine dritte Chance gibt es in der Formel 1<br />

Romain Grosjean steht<br />

im Kreuzfeuer der Kritik<br />

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Absolut verrückt!<br />

Kamikaze-Piloten<br />

Text: Kerstin Hasenbichler<br />

DER FORMEL 1<br />

Nach der Flugshow in Belgien war für die Stewards das MaSS voll. Romain Grosjean<br />

bekam die rote Karte gezeigt. Doch er ist nicht der erste Pilot, der sich als Pisten-<br />

Rambo einen zweifelhaften Namen machte. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> hat die Geschichtsbücher<br />

durchstöbert und die Top-5 der gröSSten Kamikaze-Piloten erstellt.<br />

5. Wolfgang Graf Berghe von Trips<br />

Fassungslosigkeit breitete sich im Fahrerlager und auf den Tribünen aus.<br />

Soeben war der WM-Führende Wolfgang Graf Berghe von Trips bei der Anfahrt<br />

zur Parabolika mit dem Boliden von Jim Clark kollidiert. Von Trips‘ Ferrari<br />

wurde auf den Erdwall seitlich der Geraden vor der Kurve geschleudert und<br />

prallte danach gegen die Drahtabzäunung. Er selbst wurde aus seinem Wagen<br />

geschleudert und brach sich das Genick. Neben dem deutschen Rennfahrer<br />

kamen auch 15 Zuschauer an der Strecke ums Leben. Noch heute wird<br />

dieser Horror-Crash als schwarze Stunde der Formel 1 bezeichnet, dabei<br />

war dieses tragische Ende durchaus vorherzusehen. Nicht umsonst hatte<br />

Berghe von Trips unter seinen Fahrerkollegen den Spitznamen »Count Crash«.<br />

Bereits in seinem ersten Abschlusstraining 1956 baute er mit seinem Lancia-<br />

Ferrari D50 einen schweren Unfall. Zwei Jahre später hatte er ebenfalls in<br />

Italien gleich in der ersten Kurve einen Unfall und auch sein erstes Rennen<br />

für Porsche in der Formel 1 war nach einer Kollision mit Cliff Allison und<br />

Bruce Halford in Runde eins beendet. Durch seinen tragischen Tod blieb an<br />

seinem Ruf als Crashpilot ein bitterer Beigeschmack hängen<br />

Fotos: adrivo/Sutton<br />

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4. Juan Pablo Montoya<br />

»Mich erinnert er an Mike Tyson, den brutalen Boxer«, sagte Gerhard<br />

Berger einst über Juan Pablo Montoya. Tatsächlich war die Körpersprache<br />

des früheren McLaren-Piloten stets aggressiv und fordernd<br />

- nur die Kondition und Konzentration eines Boxers fehlte ihm in<br />

diesem Vergleich. Der temperamentvolle Kolumbianer spielte in seiner<br />

Formel-1-Zeit mit seinem Image des rücksichtslosen Draufgängers.<br />

Nach einer Kollision mit Michael Schumacher auf dem Nürburgring<br />

2003 erklärte er schmunzelnd: »Der Feigste bin ich nicht.« Dabei war<br />

Schumacher schon seit dem Vorfall beim Großen Preis von Österreich<br />

in Spielberg 2001 nicht mehr gut auf ihn zu sprechen. Damals zwang<br />

er Schumacher mit einem rüden Manöver ins Gras. »Er hat mich<br />

bewusst abgedrängt. Er wusste, dass er von der Strecke rutscht und<br />

wollte mich mitnehmen«, erklärte der wütende Schumacher. Wieder<br />

hatte Montoya die passende Antwort parat: »Das ist Rennsport, ich<br />

lasse niemanden vorbei. Wenn sie nicht an mir vorbei können, sollen<br />

sie abhauen.« Der Kolumbianer sah keinen Grund, seinen Fahrstil zu<br />

ändern, obwohl viele Experten diesen immer wieder als aggressiv<br />

und kompromisslos kritisierten.<br />

Montoya und<br />

Schumacher<br />

lieferten sich<br />

einige heiße Duelle<br />

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3. Wilhelm »Willy« Mairesse<br />

Ob Wilhelm Mairesse seinen Fahrstil von den Rallye-Piloten abgekupfert hat, ist<br />

nicht überliefert. Feststeht, dass seine Karriere von Unfällen und fatal endenden<br />

Kollisionen gezeichnet war. Nicht umsonst wurde Mairesse auch Wild Willy oder<br />

Kamikaze Willy genannt. Fotograf Rainer Schlegelmilch bezeichnete dessen Rennstarts<br />

einst ‚als Aufbruch in die Hölle‘. »Willy beging Selbstmord auf Raten«, war<br />

er überzeugt. Im Zweikampf war Mairesse ein gefürchteter Gegner, weshalb Kollegen<br />

vor dem Großen Preis von Belgien 1960 den F1-Newcomer Chris Bristow<br />

vor einem Zweikampf mit dem Belgier warnten. Der Engländer schlug die Ratschläge<br />

in den Wind, was ihn das Leben kostete - die folgenschwere Kollision<br />

ereignete sich in Runde 20. Zwei Jahre später kollidierte Wild Willy ausgangs<br />

Blanchimont mit dem Lotus von Trevor Taylor. Wie durch ein Wunder blieben beide<br />

Piloten nahezu unverletzt. 1963 ereignete sich auf dem Nürburgring der fatale<br />

Unfall: Trotz einer Kollision in der Startphase sah Mairesse keinen Grund, weniger<br />

Gas zu geben. Eine Runde später schlug er ausgerechnet in der Nähe des Startunfalls<br />

in die Leitplanken ein. Sein Ferrari kreiselte über die Strecke und traf einen<br />

Sanitäter tödlich. Mit dem Rennen endete auch die F1-Karriere von Mairesse.<br />

Fotos: adrivo/Sutton<br />

2. Pastor Maldonado<br />

Neben Romain Grosjean erhielt Pastor Maldonado in dieser<br />

Saison wohl die meisten medialen Ohrfeigen. Die<br />

Leistungen des Williams-Piloten schwanken seit jeher<br />

zwischen Gut und Böse. In der Formel Renault Serie wurde<br />

er für vier Rennen gesperrt, weil er trotz entsprechender<br />

Warnflaggen an einer Unfallstelle vorbeiraste und einen<br />

Streckenposten schwer verletzte. Auch F1-Fahrerkollegen,<br />

die in seiner Nähe starten, geben vorher offen zu, dass sie<br />

froh wären, die erste Runde heil zu überstehen. Bisher<br />

blieb Maldonado von der Höchststrafe, einer Rennsperre,<br />

verschont, doch die Frage ist wie lange noch? Der Venezolaner<br />

gilt als Fahrer mit den meisten Strafen 2012, in<br />

seinem Register findet sich unter anderem eine Rückversetzung<br />

um zehn Startplätze in Monaco, weil er den Sauber<br />

von Sergio Perez rammte. In Valencia brummten ihm<br />

die Rennkommissare eine 20-Sekunden-Strafe auf, weil<br />

er abermals in das Auto eines Gegners - in diesem Fall<br />

Lewis Hamilton - krachte. Weil scheinbar alles nichts half,<br />

musste Maldonado in Silverstone wegen einer vermeidbaren<br />

Kollision mit Perez tief in die Geldbörse greifen und<br />

eine Strafe in der Höhe von 10.000 Euro bezahlen. Zwei<br />

gelbe Karten hat der Brasilianer bereits, bei einer dritten<br />

könnte es für ihn ein böses Erwachen geben.<br />

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1. Takuma Sato<br />

»Wir haben eine gefährliche Person auf der Strecke. Die FIA muss dagegen<br />

etwas tun«, tobte Jarno Trulli nach einer Kollision mit Takuma Sato in Japan<br />

2005. Die Rennstewards sahen es genauso und schlossen Sato nachträglich<br />

vom Rennen aus. »Es wurde festgestellt, dass Takuma Sato den Fahrer des<br />

Autos mit der Startnummer 16 von der Strecke gedrängt hat«, hieß es in einem<br />

FIA-Statement. Nach 90 Rennen beendete der Japaner seine Formel-1-Karriere<br />

und kaum einer war darüber traurig. Auch Felipe Massa war kein Fan von<br />

Sato. »Er ist absolut verrückt«, erklärte der Brasilianer zornig, als ihn Sato im<br />

zweiten Freien Training in Indianapolis von der Strecke schoss. »Normalerweise<br />

steckt jeder im Training zurück. Jeder macht das, nur er nicht«, kritisierte<br />

Massa. Der damalige Sauber-Pilot war nicht das einzige Opfer des Japaners.<br />

Beim Österreich GP 2002 kollidierte Sato mit Nick Heidfeld, 2004 rammte der<br />

Japaner in Bahrain den Boliden von Ralf Schumacher. Auch dessen Bruder<br />

Michael machte in Spa unliebsame Bekanntschaft mit Sato. Sein Kommentar<br />

nach der Kollision: »Das ist nicht der erste Unfall dieser Art. Keine Ahnung,<br />

welche Art von Therapie ihm noch helfen kann.«<br />

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Fotos: adrivo/Sutton


Vater der<br />

Sicherheit<br />

[ 6. September 1928 – † 12. September 2012 ]<br />

Am 12. September 2012 verstarb Dr. Sid Watkins - der Engländer war für mehr als 25 Jahre der offizielle<br />

Rennarzt der Formel 1 und trug maSSgeblich zum heutigen Sicherheitsstandard der Königsklasse bei.<br />

In erster Linie war »Professor Sid« aber enger Vertrauter, Zuhörer und Freund der Fahrer - das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

blickt auf die bewegte Schaffensperiode eines Pioniers zurück.<br />

Text: Frederik Hackbarth<br />

424<br />

Grand Prix - eine<br />

Rekordzahl, auf die im<br />

Fahrerlager kaum einer<br />

kommt. Im schnelllebigen Business der Formel<br />

1 sind solche Marken Seltenheit geworden.<br />

Manch einer der dienstälteren Teamchefs kann<br />

da vielleicht noch mithalten und selbstredend<br />

Bernie Ecclestone, der gefühlt schon immer da<br />

war. Aber woher könnte diese Zahl kommen,<br />

wenn es kein Pilot, Teamchef oder Verantwortlicher<br />

ist? 424 - das ist die Marke eines Mannes,<br />

der uns in Erinnerung ruft, dass es im großen,<br />

weiten Kosmos der Formel 1 Menschen gibt,<br />

die so viel wichtiger sind als alle Stars und Sternchen<br />

zusammen. Menschen, die es erst möglich<br />

machen, dass ein paar Verrückte sich in mit bis<br />

zum Rand voll mit Benzin gefüllten Bodenraketen<br />

jenseits von 320 km/h von der Straße<br />

drängen - Waghalsige von denen nicht wenige,<br />

eben diesem Mann sehr viel zu verdanken<br />

haben, manche sogar ihr Leben. 424 - das ist<br />

die Marke von »Professor Sid«.<br />

Von 1978 bis 2004 war der allseits beliebte Brite<br />

offizieller Rennarzt der Formel 1. Doch das<br />

Leben des 1928 in Liverpool geborenen Eric<br />

Sidney Watkins war auch schon vor dem <strong>Motorsport</strong><br />

ein bewegtes, was es umso beeindruckender<br />

macht, dass er seine kostbare Zeit der<br />

gefährlichen Leidenschaft einiger Rennfahrer<br />

zur Verfügung stellte. Watkins studierte Medizin,<br />

später zog es ihn in die weite Welt hinaus.<br />

In West-Afrika arbeitete er in den Fünfzigerjahren<br />

für das Royal Army Medical Corps, ganz<br />

im Stile der britischen Postkolonialzeit. In<br />

Oxford spezialisierte er sich anschließend auf<br />

den Sektor der Neurochirurgie, parallel kam er<br />

auf dem nahegelegenen Silverstone Circuit erstmals<br />

mit dem Rennsport in Berührung. Doch<br />

die Zeit der Wander- und Lehrjahre des ambitionierten<br />

Arztes schien noch nicht vorbei,<br />

Der Formel-1-Paddock<br />

erinnerte sich an<br />

Professor Sid Watkins<br />

nahm er doch wenig später eine Professur an<br />

der State University of New York an. Wieder<br />

zurück auf der Insel, heuerte er am London<br />

Hospital an und begab sich erneut nach Silverstone,<br />

wo er das Geschehen beim Großbritannien<br />

GP überwachte. Ende der 70er Jahre war<br />

es dann soweit und der ihm bis dahin unbekannte<br />

Bernie Ecclestone, damals noch in seiner<br />

Funktion als Teammanager von Brabham, →<br />

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Fotos: adrivo/Sutton<br />

Was Watkins selbst so einzigartig und<br />

unentbehrlich machte, waren jedoch<br />

nicht nur seine unzähligen Ideen<br />

zum immer weiteren Verbessern der Sicherheit,<br />

sondern die Tatsache, dass er mit seinem positiven<br />

Wesen und seiner warmherzigen Art<br />

schnell zum engen Vertrauten und letztendlich<br />

auch zur Vaterfigur vieler der jungen Piloten<br />

emporstieg. Schnell wurden ihm aber auch die<br />

Schattenseiten seines wenig distanzierten<br />

Umgangs mit den Fahrern vor Augen geführt<br />

- nur wenige Wochen nach Antritt seines Jobs<br />

verunglückte bei einem großen Startunfall in<br />

Monza Ronnie Peterson. Watkins musste als<br />

leitender Arzt jedoch an der Strecke bleiben,<br />

um den verletzten Lotus-Fahrer kümmerten<br />

sich fortan die ansässigen Ärzte. Nach Behandlungsfehlern<br />

starb der Schwede am nächsten<br />

Tag an - wie Watkins fand - eigentlich behandelbaren<br />

Beinverletzungen. Für ihn stand fortan<br />

fest, dass sich schleunigst etwas ändern musste<br />

und in den folgenden Jahren trieb er unermüdlich<br />

und kontinuierlich die Sicherheitsstandards<br />

nach oben. Watkins machte deutlich, dass es<br />

ihm möglich sein müsse, nach einem Zwischenfall<br />

unverzüglich vor Ort zu sein, um rechtzeitig<br />

lebensrettende Maßnahmen einleiten zu können.<br />

Das war die Geburtsstunde des Medical<br />

Cars.<br />

Watkins setzte sich für<br />

neue Sicherheitsstandards<br />

wie das<br />

HANS-System ein<br />

»Als wir an der Unfallstelle in der Tamburello ankamen und ich sah,<br />

dass es Ayrton war, änderte das erst einmal nichts, denn ich war<br />

zu beschäftigt, um über irgendetwas anderes nachzudenken, als zu<br />

funktionieren. Als wir ihn aus dem Auto holten, fühlte er sich unglaublich<br />

leicht an. Ich nahm ihm den Helm ab und sah in seine Augen.«<br />

Doch nicht überall wurden seine Bemühungen<br />

ernst genommen. FIA-Präsident Jean-Marie<br />

Balestre ignorierte den Pioniergeist des Briten<br />

beispielsweise eine Zeit lang, mochte er es doch<br />

nicht, wenn sich Außenstehende in ‚seinen‘<br />

Sport einmischten. Erst als der Franzose in<br />

Montreal beim Abendessen drohte, an seinem<br />

Steak zu ersticken, man ihm bei seiner Rettung<br />

eine Rippe brach und er spät in der Nacht seine<br />

Frau anwies, Dr. Watkins zu konsultieren, um<br />

ihm ein Schmerzmittel zu verabreichen, wuchs<br />

sein Ansehen für den Arzt für alle Fälle - und<br />

siehe da: Ab dem nächsten Rennen bezahlte der<br />

Weltverband Watkins auf einmal das Hotelzimmer.<br />

Nach und nach machte sich die Arbeit<br />

bezahlt, eine eigene Sicherheitskommission<br />

unter seiner Leitung wurde ins Leben gerufen<br />

- Gedanken ans Aufhören hatte Watkins trotz<br />

rief ihn an, um ihm den Posten als F1-Doc und<br />

damit verbunden ein Honorar von stattlichen<br />

35.000 US-Dollar anzubieten. »Ich sagte, dass<br />

ich es machen würde. Erst danach hat er mir<br />

erklärt, dass ich für meine Reise- und Unterkunftskosten<br />

selbst verantwortlich sei. Typisch<br />

Bernie: Sehr clever«, erinnerte sich Dr. Watkins<br />

Jahre später. Die Beziehung zwischen ihm und<br />

dem Zampano reifte dennoch zu einer engen<br />

Freundschaft... so eng sogar, dass seine Frau<br />

Susan viele Jahre später die Biographie des Mr.<br />

E verfassen sollte.<br />

Watkins verstand<br />

sich mit den<br />

Fahrern gut<br />

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der Brutalität einiger Verluste nie. »Ich hatte als<br />

normaler Arzt schon mit Kopfverletzungen,<br />

Motorrad- und Autounfällen zu tun gehabt, die<br />

meistens genauso tragisch ausgingen. Der<br />

Unterschied war nun allerdings, dass es meine<br />

Freunde waren, die es erwischte, wenn ein<br />

Rennfahrer umkam. Glücklicherweise verloren<br />

wir nicht zu viele und über die Jahre wurde es<br />

besser. Es gibt doch nicht Besseres, als wenn ein<br />

junger, netter Bursche heil aus einem völlig verbeulten<br />

Wrack entsteigt...«<br />

Watkins sagte einmal: »Auf ihre jeweils<br />

unterschiedliche Art waren eigentlich<br />

alle Fahrer gute Freunde und<br />

wir kamen immer gut zusammen aus.« Doch<br />

auch der Brite hatte seine Lieblinge, genauso<br />

wie er auf der anderen Seite nie einen Hehl aus<br />

seiner Abneigung gegenüber Didier Pironi<br />

machte, den er oft als undankbar empfunden<br />

hatte oder seiner Wut in Bezug auf Nigel Mansell,<br />

der so manche Verletzung simulierte und<br />

seinen Landsmann damit in den Wahnsinn<br />

trieb. Besonders gut kannte er aber Ayrton<br />

Senna - besser als jeden anderen Fahrer. »Wir<br />

standen uns sehr nahe. Einmal besuchte er mich<br />

in meinem Ferienhaus in Schottland, ein paar<br />

Jahre später verbrachte ich einige Zeit mit ihm<br />

auf seiner Farm in Brasilien.« Als ein Sturm<br />

über den Ländereien tobte und für einen Stromausfall<br />

sorgte, fuhr der dreifache Weltmeister<br />

mit Watkins stundenlang durch die Gegend, um<br />

ein Telefon zu suchen, da dieser versprochen<br />

hatte, seine Frau in der weit entfernten Heimat<br />

anzurufen. »Irgendwann fanden wir eine<br />

Garage, in der Licht brannte. Ayrton überredete<br />

den Anwohner schließlich, dass ich telefonieren<br />

durfte. Während ich das tat, bemerkte ich, dass<br />

sich unsere Anwesenheit im Dorf herumgesprochen<br />

hatte und Ayrton draußen im Regen unter<br />

einer Straßenlaterne stand und umlagert von<br />

Kindern Autogramme schrieb.«<br />

nichts, denn ich war zu beschäftigt, um über<br />

irgendetwas anderes nachzudenken, als zu funktionieren.<br />

Als wir ihn aus dem Auto holten,<br />

fühlte er sich unglaublich leicht an. Ich nahm<br />

ihm den Helm ab und sah in seine Augen... da<br />

wusste ich, dass er es nicht überleben würde. Er<br />

hatte furchtbare Kopfverletzungen.«<br />

Obwohl er noch zehn lange Jahre als Rennarzt<br />

weitermachte, musste Watkins nie wieder einen<br />

derartigen Verlust beklagen. 1995 rettete er beispielsweise<br />

Mika Häkkinen das Leben, als er<br />

beim Finnen direkt nach seinem schlimmen<br />

Abflug im australischen Adelaide noch an der<br />

Strecke einen Luftröhrenschnitt durchführte,<br />

ohne den der McLaren-Pilot wohl erstickt wäre.<br />

Dass es ein langer Kampf war, um die Königsklasse<br />

in Sachen Sicherheitstechnologie dorthin<br />

zu bringen, wo sie heute steht, quittierte Watkins<br />

immer nur mit einem Lächeln. »Das ist<br />

eben die Formel 1. Wenn man etwas nicht vehement<br />

verlangt, kommt man hier gar nirgendwohin.<br />

Niemand akzeptiert Veränderung, nur<br />

weil man denkt, dass sie gut sei. Man muss es<br />

beweisen.« Diese Beweise lieferte ‚Professor Sid‘<br />

immer und immer wieder. Dafür wird ihm der<br />

F1-Tross auf ewig zu größter Dankbarkeit verpflichtet<br />

sein - oder wie Michael Schumacher,<br />

dem Watkins nach seinem Beinbruch in Silverstone<br />

1999 selbst beistand, es formulierte: »Er<br />

war immer für uns Fahrer da. Sid verband Kompetenz<br />

mit Herz.«<br />

Auch Schumacher<br />

gehörte zu den<br />

Vertrauten<br />

Immer im Einsatz für<br />

die Sicherheit<br />

Bei Sennas tödlichem Unfall am 1. Mai 1994 in<br />

Imola war Watkins als Erster am Wrack des<br />

Williams-Piloten und erkannte bald das gesamte<br />

Ausmaß der Katastrophe. Noch am Vorabend<br />

hatte ihn der Brasilianer im Medical Centre<br />

aufgesucht, um sich über den Gesundheitszustand<br />

des im Qualifying verunglückten Roland<br />

Ratzenberger zu informieren. »Als ich ihm die<br />

traurige Nachricht mittteilen musste, brach er<br />

in Tränen aus. Ich schlug ihm daraufhin vor,<br />

mit dem Rennfahren aufzuhören und sagte ihm,<br />

dass er niemandem mehr etwas beweisen müsse.<br />

‚Hör auf! Und dann gehen wir gemeinsam<br />

fischen.‘« Senna entgegnete, dass es gewisse<br />

Dinge gäbe, die nicht kontrollierbar seien, er<br />

das kurzum nicht könne... und raste nur wenige<br />

Stunden später in den Tod. »Als wir an der<br />

Unfallstelle in der Tamburello ankamen und ich<br />

sah, dass es Ayrton war, änderte das erst einmal<br />

Mit Ayrton Senna<br />

verband Watkins eine<br />

ganz besondere<br />

Beziehung<br />

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Foto: racepress<br />

blechschaden<br />

Timo Scheider scheint<br />

das Pech an der<br />

Motorhaube zu kleben<br />

- aber selbst mit aller<br />

Mühe wurde er es nicht<br />

wirklich los<br />

Ein Unglück kommt selten allein - das bekam Timo<br />

Scheider 2012 nachhaltig zu spüren. Der Audi-Pilot<br />

hat viel versucht, um die Saison erfolgreich zu gestalten.<br />

Nur: Erfolgreich war er dabei nicht. Gründe für<br />

das Katastrophen-Jahr gab es viele: fehlenden Speed,<br />

technische Probleme oder übermotivierte Konkurrenten.<br />

Doch die langwierige Pechsträhne ist noch<br />

lange kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken.<br />

Ein Bespiel könnte sich der zweimalige Champion an<br />

Gary Paffett nehmen. Nach einer Saison voller Pleiten,<br />

Pech und Pannen kehrte der Brite stärker denn je<br />

zurück. Das muss 2013 auch das Ziel von Scheider<br />

sein. - Olaf Mehlhose<br />

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Sieben<br />

auf<br />

einen<br />

Streich<br />

Text: Olaf Mehlhose<br />

01<br />

Augusto Farfus<br />

hatte Grund zum<br />

Lachen: Er siegte<br />

gleich in seinem<br />

Debütjahr<br />

Rekordjahr in der DTM: In der Saison<br />

2012 gingen gleich sieben Rookies an<br />

den Start. Spannung versprachen<br />

vor allem die unterschiedlichen<br />

Viten der Neueinsteiger. Eines hatten<br />

die Rookies aber gemeinsam: Alle<br />

Neulinge bekamen zu spüren, dass<br />

Lehrjahre in der DTM keine Herrenjahre<br />

sind.<br />

Augusto Farfus<br />

Für den Höhepunkt aus Rookie-Sicht sorgte Augusto Farfus mit seinem Sieg in<br />

Valencia. Zusammen mit seinem ersten DTM-Erfolg sicherte er sich den inoffiziellen<br />

Titel des besten Neulings 2012. Überraschend kam die starke Saison<br />

nicht. Bereits im zweiten Rennen glückte dem Brasilianer der Sprung aufs Podium.<br />

»Der Lausitzring war eine ganz spezielle Erfahrung. Keiner hat mich vorne erwartet<br />

und ich bin gleich auf Platz drei gefahren«, erinnert sich der 29-Jährige. Doch<br />

die Saison des Super-Rookies aus Curitiba hatte Höhen und Tiefen. In Hockenheim<br />

fuhr er zu früh an die Box und wurde vom Team unverrichteter Dinge wieder auf<br />

die Strecke geschickt. Nach einem Startunfall am Norisring bezeichnete ihn<br />

Mattias Ekström als Amateur. Dass er noch nicht perfekt ist, weiß Farfus selbst<br />

am besten, die aktuelle Saison sei für ihn ohnehin ein reines Lehrjahr, erläutert<br />

er. »Die DTM ist eine Serie, in der man Talent und sehr viel Erfahrung braucht.<br />

Deshalb versuche ich, in jeder Runde zu lernen.«<br />

Fazit: »Dass Augusto einen guten Speed hat, konnte man von Anfang<br />

an sehen. Leider wurde er in den Rennen mehrmals unverschuldet in<br />

komplizierte Situationen verwickelt, aber langsam trägt die harte<br />

Arbeit Früchte.« (Jens Marquardt)<br />

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Fotos: racepress, bmw<br />

02 überzeugen<br />

Dirk Werner<br />

wusste in seiner<br />

Debütsaison auf<br />

Anhieb zu<br />

03<br />

Luft nach oben:<br />

Andy Priaulx<br />

ist in der DTM<br />

noch nicht ganz<br />

angekommen<br />

Dirk Werner<br />

Beim Auftakt in Hockenheim lernte Dirk Werner direkt die Freuden- und Schattenseiten<br />

der DTM kennen. »Er hat das Auto gleich ins Q4 gebracht«, erinnert<br />

sich BMW-<strong>Motorsport</strong>direktor Jens Marquardt. »Im Rennen hat er dann aber<br />

auch die Down-Seite miterlebt, als er ziemlich unsanft abgeräumt wurde.«<br />

Aus dem Konzept bringen ließ sich Werner davon nicht. Vor allem im zweiten<br />

Teil der Saison wartete er mit konstant guten Ergebnissen auf. Einfach ist ihm<br />

die Umstellung von Langstreckenrennen auf die DTM jedoch nicht gefallen.<br />

»Die Autos haben sehr viel Abtrieb, ich musste meinen Fahrstil erst anpassen.<br />

Auch die Karbonbremsen und die Reifen kannte ich nicht«, erzählt der Schnitzer-Pilot.<br />

»Hinzu kamen die stehenden Starts und die Pitstops - überall kommt<br />

es darauf an, das letzte Zehntel herauszuholen.« Auch das Qualifying sei problematisch<br />

gewesen, berichtete der Neueinsteiger. »Die Rennpace war am<br />

Anfang schon ganz okay. Das Maximum aus dem leichteren Qualifying-Auto<br />

herauszuholen, war ein bisschen schwieriger«, erklärt der 31-Jährige. »Aber<br />

ich glaube, ich habe jetzt verstanden, worauf es ankommt.«<br />

Fazit: »Ich bin vor allem mit der zweiten Saisonhälfte sehr zufrieden.<br />

Im Vergleich mit den anderen Rookies bin ich auf einem guten Level.«<br />

(Dirk Werner)<br />

Andy Priaulx<br />

Wie wenig frühere Meriten in der DTM Wert sind, bekam der zweimalige WTCC-<br />

Champion Andy Priaulx zu spüren. »Es war ein hartes erstes Jahr, aber BMW<br />

hat immer gesagt, dass es länger dauert als ein Jahr, um eine gute Performance<br />

zu zeigen«, resümiert der Brite. Schwierig gestaltete sich vor allem die erste<br />

Qualifikationsrunde. »Es ist mir sehr schwer gefallen, mich für Q2 zu qualifizieren.<br />

Wenn ich das geschafft habe, konnte ich meistens einen Sprung<br />

machen«, sagt er. Ein anderes Problem war die erste Kurve. „In fünf Rennen<br />

war mein Auto nach dem Start beschädigt, das ist inakzeptabel und sehr<br />

enttäuschend.« Neben dem fehlenden Glück hatte er mit Umstellungsschwierigkeiten<br />

zu kämpfen. »Mit dem linken Fuß zu bremsen, war neu für mich«,<br />

erklärt Priaulx. »Bisher habe ich immer den rechten Fuß benutzt.«<br />

Fazit: »Es gab einige gute Ergebnisse. Dass ich beim Auftakt in Hockenheim<br />

bester BMW-Pilot war, hat mich stolz gemacht. Auch die Leistung<br />

im Qualifying war solide.« (Andy Priaulx)<br />

→<br />

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Joey Hand<br />

05<br />

bringt Farbe<br />

in die DTM -<br />

ein echter<br />

04Amerikaner eben<br />

Adrien Tambay<br />

ist 2012 der<br />

einzige Neuling<br />

im Fahrerkader<br />

von Audi<br />

Joey Hand<br />

Der Wechsel vom Langstreckensport in die DTM gestaltete sich für Joey Hand<br />

schwieriger als erwartet. Er kam zwar konstant ins Ziel, die ersten Punkte gab<br />

es aber erst in Spielberg. Auch im Qualifying besteht noch Verbesserungsbedarf.<br />

»Ich wollte Krach machen und Amerika gut vertreten. Das ist mir nicht in dem<br />

Maße gelungen, wie ich es mir vorgestellt habe«, gesteht Hand. Als Hauptproblem<br />

kristallisierte sich die fehlende Streckenkenntnis heraus. »Joey musste<br />

parallel die Strecke kennenlernen und das Setup entwickeln, das war eine<br />

große Herausforderung«, erklärt Marquardt. Auch die hohe Intensität in der<br />

DTM machte Hand zu schaffen. »Man muss immer pushen, nicht nur im Rennen,<br />

sondern am gesamten Rennwochenende«, sagt der 33-Jährige. Seine Lektion<br />

für 2013 hat er offenbar gelernt. »Mit dem Wissen von dieser Saison an den<br />

Start zu gehen, wird einen großen Unterschied machen«, kündigt Hand an.<br />

Fazit: »Ich musste mich daran gewöhnen, so weit hinten in der Zeitenliste<br />

zu stehen. Ich habe manchmal unheimlich viel investiert und war<br />

trotzdem nur auf Platz 16 oder 17. Das hat wirklich an mir genagt.«<br />

(Joey Hand)<br />

Adrien Tambay<br />

Adrien Tambay zahlte vor allem in der ersten Saisonhälfte Lehrgeld. Der Audi-<br />

Pilot blieb in den ersten fünf Rennen ohne Punkt, zwei Mal schied er aus. »Ich<br />

habe ein paar Rookie-Fehler gemacht. Manchmal hat mir ein bisschen die<br />

Geduld gefehlt, weil ich unbedingt ein gutes Resultat einfahren wollte«, zeigt<br />

sich der 21-Jährige selbstkritisch. Zu Beginn habe ihm vor allem die hohe<br />

Leistungsdichte Schwierigkeiten bereitet. »Es ist die mit Abstand schwierigste<br />

Serie, in der ich je gefahren bin«, erklärt der Franzose. Entmutigt habe ihn die<br />

Konkurrenzsituation jedoch nicht - im Gegenteil: »Für mich ist das die große<br />

Herausforderung, eine Serie mit geringerem Profil würde für mich wenig Sinn<br />

machen. Ich will mich mit den Besten messen, das ist für mich der Antrieb«,<br />

stellte Tambay klar. Und: Im zweiten Teil des Jahres war eine deutliche Weiterentwicklung<br />

zu erkennen.<br />

Fazit: »Beeindruckt hat mich Adriens Speed, er hat keine Probleme<br />

ans Limit zu kommen. Sein Niveau im ersten Jahr ist mit dem von<br />

Mattias Ekström vergleichbar, der bei uns auch als Rookie angefangen<br />

hat.« (Hans-Jürgen Abt)<br />

62 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Fotos: racepress<br />

06 phase<br />

Robert Wickens<br />

07<br />

Roberto Merhi<br />

kam nach einer<br />

war Meister der<br />

gewissen<br />

F3 Euro Serie, in<br />

Eingewöhnungs-<br />

der DTM backt er<br />

in Fahrt kleinere Brötchen<br />

Robert Wickens<br />

Aller Anfang ist schwer, das bekam Robert Wickens zu spüren. In den ersten<br />

vier Rennen blieb der Mercedes-Rookie ohne Punkte. Danach ging es für den<br />

Kanadier mit drei Punkteresultaten aber steil bergauf. »Im ersten Teil der Saison<br />

hatte ich ein bisschen Pech, darum hat es mit Punkten nicht geklappt. Am<br />

Norisring ist dann alles zusammengekommen, danach ging es aufwärts«,<br />

erzählt der Fahrer von Mücke <strong>Motorsport</strong>. Mit seinem Einstand ist der Neuling,<br />

der 2012 seine erste Tourenwagen-Saison absolviert, durchaus zufrieden.<br />

»Natürlich habe ich ein paar Möglichkeiten ausgelassen, aber als Rookie drei<br />

Mal in die Top-10 zu fahren, ist ein gutes Ergebnis«, meinte der 23-Jährige.<br />

»Die Leistungsdichte in der DTM ist sehr hoch.« Lobend äußerte sich Wickens<br />

über sein Team, das ihm den Einstieg in die neue Serie sehr erleichtert hat.<br />

»Sie haben mich toll unterstützt und mir kein bestimmtes Resultat als Vorgabe<br />

gegeben, sondern mir Zeit gelassen, mich an die DTM zu gewöhnen.«<br />

Fazit: »Robert Wickens ist der konstanteste Junior-Fahrer. Im Moment<br />

hat er die etwas besseren Voraussetzungen, da klappt das Zusammenspiel<br />

mit den Ingenieuren schon besser.« (Norbert Haug)<br />

Roberto Merhi<br />

Elf Siege in 27 Rennen - mit dieser Bilanz empfahl sich Formel-3-Champion<br />

Roberto Merhi für die DTM. Bestätigen konnte er die Vorschusslorbeeren bislang<br />

nicht. Auf einer schnellen Runde im Qualifying fehlt dem jüngsten Fahrer im<br />

Starterfeld noch einiges - so scheiterte er meistens schon in Q1. Doch Norbert<br />

Haug nimmt den Spanier in Schutz. »Der Junge ist gut, sonst hätten wir ihn<br />

nicht ausgesucht«, sagt er. »Ich würde die Klasse nicht nur von den Ergebnissen<br />

abhängig machen.« Merhi selbst macht allerdings genau das. »Ich bin meistens<br />

in Q1 ausgeschieden, deshalb bin ich mir nicht sicher, ob es ein lehrreiches<br />

Jahr für mich war«, meint er. Im Gegenteil: Viel Positives könne er aus seiner<br />

ersten DTM-Saison nicht mitnehmen, so Merhi. »In meiner Karriere habe ich<br />

immer um Rennsiege gekämpft, in diesem Jahr ging es darum, Q2 zu erreichen.<br />

Ich weiß nicht, wie mir die Erfahrung helfen soll.«<br />

Fazit: »Ich bin bisher einmal für ein Top-Team gefahren, da habe ich<br />

die Meisterschaft mit großem Vorsprung gewonnen. Deshalb ist die<br />

aktuelle Saison sehr enttäuschend. Ziel ist es, im nächsten Jahr einen<br />

Sprung zu machen.« (Roberto Merhi)<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 63


Super-Seb<br />

Text: Marion Rott<br />

reloaded?<br />

Sébastien Loeb wird der WRC ab 2013 nur noch sporadische<br />

Besuche abstatten. Nun braucht die Rallye-WM einen Nachfolger<br />

für den Star. Können Sébastien Ogier und der Neueinsteiger<br />

Volkswagen diese Lücke füllen?<br />

E<br />

in Citroen DS3 WRC fährt in den Service Park der Rallye Deutschland<br />

und zahlreiche Journalisten und Teammitglieder warten bereits auf<br />

den siegreichen Boliden. Am Steuer natürlich Sébastien Loeb, der<br />

soeben zum neunten Mal den deutschen Lauf der Rallye WM gewinnen konnte.<br />

Die Freude aller Beteiligten ist groß und die Glückwünsche nehmen nicht ab.<br />

Nach einigen Minuten kommt ein Skoda Fabia S2000 mit Sébastien Ogier am<br />

Steuer hinzu. Mit einem strahlenden Lächeln steigt<br />

er aus und geht zielstrebig auf Daniel Elena, Loebs<br />

Co-Piloten, zu, um ihm zu gratulieren. Danach<br />

wandert der Blick in Richtung des Siegers. Das<br />

Lächeln ebbt ab - die Gesichtszüge werden härter.<br />

Einen kurzen Moment ist Zögern zu erkennen,<br />

bevor der 28-Jährige kehrtmacht und in seinen<br />

Wagen einsteigt - ohne Loeb auch nur eines weiteren<br />

Blickes gewürdigt zu haben.<br />

Diese Antipathie fand ihren Anfang im Jahr 2011, als<br />

die beiden Piloten gemeinsam für Citroen an den<br />

Start gingen. Ein starkes Auto und zwei herausragende<br />

französische Fahrer - das vollendet veredelte<br />

Nationalteam. Vielleicht zu perfekt? Der erfahrene<br />

Loeb und sein junger, talentierter Namensvetter in<br />

Sebastien Ogier<br />

will mit<br />

Volkswagen<br />

durchstarten<br />

einem Team - der Star und sein heranwachsendes Pendant. Eines Tages sollte der<br />

‚neue Super-Seb‘, wie er von den Medien getauft wurde, den erfolgreichsten Rallye-<br />

Fahrer aller Zeiten beerben und Citroens neuer Weltmeister werden. Schnell<br />

wurde allerdings klar, dass Wunsch und Realität oftmals sehr weit auseinanderliegen.<br />

»Mein Plan ist nicht, ihn zu kopieren, sondern meinen eigenen Weg zu<br />

gehen und eines Tages Weltmeister zu werden«, zeigte sich Ogier selbstsicher.<br />

Das fahrerische Potenzial ist in jedem Fall vorhanden, was spätestens der 21.<br />

August 2011 deutlich machte. Die Sonne strahlte über Trier - nur Sébastien Ogier<br />

strahlte noch mehr. Er war der erste Pilot der Geschichte, der Loeb bei der Rallye<br />

Deutschland schlagen konnte. Eine Zehntelsekunde schneller, zwei Hundertstel<br />

langsamer - über die gesamte Rallye lieferten sich die beiden Franzosen ein Duell<br />

auf Augenhöhe, das einen Sieger am grünen Tisch fand. Citroen legte fest, dass<br />

ein Doppelsieg nicht gefährdet werden durfte und Ogier zurückstecken musste.<br />

Ein Reifenschaden an Loebs Citroen machte diesen Plan aber zunichte und<br />

schenkte Ogier den Sieg in Deutschland. Eine Nachricht, die er trocken kommentierte:<br />

»Es gibt eben doch noch Gerechtigkeit.«<br />

Im Nachhinein betrachtet waren diese sechs Worte an einem schwierigen<br />

Wochenende für Citroen wahrscheinlich die ausschlaggebenden. Drei Monate<br />

und zwei Tage nach jenem sonnigen Tag im August gab Ogier die Trennung<br />

von Citroen bekannt: Er wechselte zu Volkswagen, das ab 2013 als Werksteam<br />

in der WRC an den Start geht. Um ab diesem Jahr die Lorbeeren zu ernten,<br />

muss der 28-Jährige allerdings eine Saison auf Ruhm und Siege verzichten<br />

und 2012 mit einem Skoda Fabia S2000 bestreiten. Die Erfahrung, die Pilot<br />

und Team in diesem Jahr sammeln können, kommt<br />

ihnen als späteres Werksteam zugute und der Einstieg<br />

wird damit deutlich einfacher. Das muss auch<br />

der Fall sein, denn nur mitfahren will der Wolfsburger<br />

Konzern nicht. Die WRC ist das neue<br />

Prestige-Objekt und soll dementsprechend schnell<br />

Erfolg bringen. Das war auch einer der Gründe,<br />

weshalb sich Ogier für die Marke entschied. »Ich<br />

rechne damit, dass wir von Anfang an konkurrenzfähig<br />

sind«, macht der Franzose keine Umschweife.<br />

Alle bisherigen Testfahrten ließen einen positiven<br />

Eindruck zurück und der Polo R WRC scheint auf<br />

allen Untergründen den Erwartungen der Ingenieure<br />

und Techniker zu entsprechen. Wann Ogier<br />

den ersten Sieg für den deutschen Hersteller holt,<br />

darauf wollte er sich noch nicht festlegen, das sei<br />

zu schwer einzuschätzen.<br />

2013 steht der WRC ein Dreikampf zwischen Ford, Citroen und Volkswagen<br />

bevor, ein erhofftes Kräftemessen auf gleichem Niveau zwischen den beiden<br />

Sébastiens wird es allerdings nicht mehr geben, denn Loeb hängt den Schlüssel<br />

für seinen DS3 WRC an den Nagel. Als Grund gibt der Franzose fehlende<br />

Motivation an, da es für ihn nichts mehr zu erreichen gibt. Vielleicht spielt<br />

aber auch der Respekt vor seinem jungen Landsmann eine Rolle, denn nie<br />

konnte ihm ein anderer Pilot auf derartig hohem Niveau begegnen und ihn<br />

sogar besiegen. Mit einem konkurrenzfähigen Auto hätte Ogier also eine<br />

wirkliche Gefahr darstellen können.<br />

Erst die kommenden Jahre werden zeigen, ob die vielversprechenden Testfahrten<br />

und das große Budget Volkswagen in der WRC zum wirklichen<br />

Anwärter auf den Titel machen. Ogier lässt aber keinen Zweifel daran, dass<br />

er bereit sein wird, die Fahrer-WM in französischer Hand zu halten. Das<br />

einzige, was ihm wohl verwehrt bleiben wird, ist das direkte Duell mit Loeb<br />

- und ein Sieg über seinen ehemaligen Teamkollegen, wäre wahrscheinlich<br />

die zuckersüße Sahnehaube gewesen.<br />

64 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 65<br />

Fotos: vw motorsport


66 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Text: Robert Seiwert<br />

Der letzte König<br />

Markus Winkelhock gewann in dieser Saison die letzte GT1-Weltmeisterschaft.<br />

Im <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> spricht der ehemalige Formel-1-Pilot über seinen Ausflug in den<br />

GT-Sport, den heiklen Zwischenfall beim Finale und seine Zukunftsaussichten.<br />

MSM: Markus, wie fühlt es sich an, wenn man sich Weltmeister nennen darf?<br />

MARKUS WINKELHOCK: Das ist etwas Besonderes, was ich bestimmt einmal<br />

meinen Enkeln erzählen werde. ‚Opa war mal Weltmeister‘ - das klingt doch nicht<br />

schlecht. Diesen Titel behält man ein Leben lang und da bin ich schon stolz drauf.<br />

Auch, weil es die Serie in dieser Form nächstes Jahr nicht mehr geben wird.<br />

Wie ordnest du den WM-Sieg in der GT1 als ehemaliger Formel-1- und DTM-<br />

Pilot ein?<br />

Die GT1-Weltmeisterschaft ist der erste Titel, den ich in meiner Karriere gewonnen<br />

habe - das ist schon ein Highlight. Natürlich werde ich auch niemals meine<br />

Führungskilometer in der Formel 1 am Nürburgring vergessen. Während meiner<br />

DTM-Zeit hatte ich, den Umständen entsprechend, auch ein paar Highlights. Ich<br />

denke, dass wir uns den GT1-Titel verdient haben: Die Mannschaft hat während<br />

der gesamten Saison konstant gepunktet und gemeinsam mit meinem Teamkollegen<br />

Marc Basseng standen wir häufig auf dem Podium - obwohl wir lediglich<br />

ein Saisonrennen gewannen. Der Renngott stand diesmal auf unserer Seite und<br />

wir hatten das nötige Quäntchen Glück, das du für einen Titelgewinn benötigst.<br />

Beim Finale in Donington kam es zu einer heiklen Situation: Du hattest eine<br />

Kollision mit deinem Titelrivalen Yelmer Buurman, in Folge dessen ihr beide<br />

ausfielt und du auf diesem Weg die Weltmeisterschaft gewannst. Wie bewertest<br />

du den Zwischenfall?<br />

Das Finale lief leider nicht so, wie wir uns das gewünscht hätten. Dass sich Yelmer<br />

Buurman bei dem Unfall auch noch verletzt hat, macht die Sache noch unglücklicher.<br />

Ich habe am Tag nach dem Rennen mit ihm telefoniert und zum Glück war<br />

er wieder auf dem Weg der Besserung. Ich möchte betonen, dass hinter dem<br />

Crash keinerlei Absicht meinerseits steckte. Bevor ich jemanden von der Strecke<br />

schieße, um einen Titel zu holen, werde ich lieber nur Zweiter. Ich weiß, dass mir<br />

der eine oder andere im Fahrerlager Absicht unterstellt, aber damit muss ich<br />

leben.<br />

Manche sagen, dass dein Engagement im GT-Sport ein Rückschritt war. Wie<br />

siehst du das?<br />

Wenn man einmal in der Formel 1 war, ist jede andere Serie ein Rückschritt. Ich<br />

würde meinen Weg aber nicht als einen solchen betrachten, denn der GT-Sport<br />

war eine tolle Erfahrung und ich hatte zwei spannende Jahre in der GT1.<br />

Wie geht es bei dir weiter, wäre die DTM eine Option?<br />

Die DTM ist eine tolle Serie - quasi die Formel 1 des Tourenwagensports. Zwischen<br />

2004 und 2010 ging ich bei 49 Rennen für Mercedes und Audi an den Start, das<br />

war eine tolle Zeit. Wenn sich in dieser Richtung eine Gelegenheit bietet, würde<br />

ich mit Sicherheit nicht ablehnen.<br />

Du hast in diesem Jahr auch die 24 Stunden vom Nürburgring gewonnen.<br />

Sehen wir dich nächstes Jahr wieder beim Klassiker auf der Nordschleife?<br />

Mein Ziel lautet, wieder mit einem konkurrenzfähigen Auto an den Start zu gehen.<br />

Als ich das erste Mal mit einem GT-Auto auf der Nordschleife fuhr, habe ich Blut<br />

geleckt: Es gibt im <strong>Motorsport</strong> eigentlich nichts Geileres, als im GT-Boliden durch<br />

die Grüne Hölle zu jagen. Vom reinen Spaßfaktor her würde ich dieses Erlebnis<br />

sogar noch über die Formel 1 stellen.<br />

Du hast in deiner <strong>Motorsport</strong>karriere einiges erlebt - gibt es noch eine Rennserie,<br />

in der du gern einmal fahren würdest?<br />

Es reizt mich unheimlich, einmal in den USA zu fahren. Egal, ob NASCAR, Indycar<br />

oder Grand Am - das muss ein tolles Erlebnis sein. Dort läuft es anders: Du musst<br />

professionell sein, aber es geht im Vergleich zu vielen anderen Serien lockerer<br />

zu. Außerdem sollen die Strecken dort der Hammer sein. Ich denke, dass ich vom<br />

Typ her gut in diese Umgebung passen würde.<br />

Fotos: gt1 wm<br />

Buurmans Teamkollege Michael Bartels war nach der Kollision nicht allzu<br />

gut auf dich zu sprechen...<br />

Michael war richtig sauer und in gewisser Weise habe ich auch Verständnis dafür.<br />

Am Ende des Wochenendes hatte er zwei kaputte Autos und die Weltmeisterschaft<br />

verloren, das ist natürlich bitter. Ich werde ihn mit Sicherheit kontaktieren und<br />

mich in Ruhe mit ihm aussprechen. Ich mag Michael und habe großen Respekt<br />

davor, was er mit seinem Team auf die Beine gestellt hat.<br />

Ein Manko der GT1 WM waren die leeren Tribünen, vor denen ihr häufig<br />

gefahren seid. Warum kamen nicht so viele Zuschauer zu den Rennen?<br />

Das stimmt leider. Wir waren auf einigen Strecken unterwegs, wo generell nicht<br />

so viele Fans hin kommen. Außerdem wurden die Rennen nicht immer so stark<br />

beworben, wie es vielleicht nötig gewesen wäre. Das gleiche Problem gibt es<br />

jedoch auch in der DTM: Wenn die Serie im Ausland gastiert, reisen auch keine<br />

60.000 Zuschauer an die Strecke.<br />

Der erste Titel für Markus<br />

Winkelhock ist gleich ein<br />

WM-Titel<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 67


Die Saison 2011 war<br />

der Tiefpunkt eines<br />

jahrelangen Leistungsabfalls<br />

beim Team von<br />

Text: Yannick Bitzer<br />

Alp-Traum<br />

Wer sich wie ein<br />

echter Rennfahrer<br />

fühlen<br />

möchte, den verschlägt<br />

es ins<br />

Go-Kart oder vor<br />

die Spielekonsole.<br />

Eine einzigartige<br />

Gelegenheit<br />

Rennfeeling zu<br />

spüren, erhielt<br />

das <strong>Motorsport</strong>-<br />

<strong>Magazin</strong> auf dem<br />

Red Bull Ring.<br />

»Wer‘s gleich zu schnell angeht, tut sich keinen<br />

Gefallen«, mahnt der Mann im blauen<br />

Polohemd. »Das bringt euch nur falsche Eindrücke<br />

- tastet euch langsam heran, versucht,<br />

Vertrauen zu finden.« Gehört, genickt und<br />

mit einem kräftigen Schluck Mineralwasser<br />

verinnerlicht. Der Mann im blauen Polohemd,<br />

der niemand Geringerer als der<br />

frühere Formel-1-Pilot Karl Wendlinger ist,<br />

fährt fort: »Es ist unwahrscheinlich, dass ihr<br />

die Reifen auf die passende Temperatur bringen<br />

werdet. Ihr müsst also besonders vorsichtig<br />

sein. Keine Hitze in den Slicks, keine<br />

Haftung und zack, ihr dreht euch.« Konzentration<br />

und die Nervosität steigen, ebenso<br />

die Spannung und Vorfreude auf das, was<br />

nunmehr kurz bevor steht: der Höhepunkt<br />

des zweitägigen Luxusevents »Go with the<br />

Pro«, der darin besteht, einen Formel-Wagen<br />

über die nicht ganz viereinhalb Kilometer<br />

lange Strecke in Spielberg zu bewegen.<br />

In der Box angekommen, warten bereits<br />

Wendlingers Kollegen, zu denen Patrick<br />

Friesacher zählt - ein weiterer Polohemd-<br />

Mann mit F1-Erfahrung. Es folgen erneut warnende<br />

Worte und eine ausführliche Einweisung<br />

in die Funktionsweise der kleinen Formel-<br />

Flitzer, die die Anspannung auf einen neuen<br />

Höhepunkt klettern lassen. Apropos Formel<br />

Flitzer: Gegenstand des Geschehens ist ein Formel<br />

Renault 2.0 aus dem gleichnamigen Eurocup,<br />

gewissermaßen die zweite Vorstufe eines<br />

Formel-1-Bolidens. Der zirka 600 kg leichte<br />

Monoposto verfügt über 210 PS, wodurch er<br />

locker einem Porsche GT3 (450 PS) recht<br />

unchristlich die Leviten lesen kann. Übertragen<br />

wird jene Kraft durch ein sequenzielles Sechs-<br />

Gang-Schaltgetriebe, dessen Verwendung einen<br />

robusten Umgang verlangt. Gestoppt wird aus<br />

Gründen der Materialabnutzung per<br />

Stahlbremse.<br />

Nach weiteren Tipps zum Thema Bremse sowie<br />

Ideallinie und Randsteine geht‘s los. Einsteigen<br />

ist angesagt - reingequetscht, unterlegt mit Sitzschale<br />

und Schaumstoff sowie gefesselt durch<br />

Sechspunktgurt und Cockpitumrandung, fühlt<br />

man sich gleich pudelwohl. Ungefähr so, wie in<br />

einem überdimensionierten Schraubstock. Für<br />

68 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


ausreichende Bewegungs- beziehungsweise<br />

Blickfreiheit sorgen Stilo-Helm sowie das allseits<br />

bekannte HANS-System. Alles, was nach dem<br />

Anfahren geschieht, wurde tags zuvor im Driving<br />

Center der Anlange in einigen KTM X-Bow<br />

ausführlich geprobt. Die brettharte Kupplung<br />

des kleinen Renaults verlangt jede Menge<br />

Gefühl, vor allem bei einem Pulsschlag weit<br />

jenseits von Gut und Böse.<br />

Kaum rollt der Wagen, liegt das Ende der<br />

Boxengasse auch schon direkt vor Augen.<br />

Gleich kräftig drauftreten, ist nicht erlaubt.<br />

»Immer schön langsam. Denkt an die Reifen<br />

und die Leitplanken«, tönt es plötzlich über<br />

den Boxenfunk. Nach einer Runde mit gedrosseltem<br />

Tempo, gepaart mit einem ersten Warmwerden<br />

mit dem Material, folgt der große<br />

Moment. »Auf geht‘s, ab jetzt gehört die Bahn<br />

euch!« Doch halt! Wer glaubt, er könne gleich<br />

die Fetzen fliegen lassen, wird schnell auf den<br />

Boden der Tatsachen zurückgeholt. Kaum<br />

erfolgt das erste optimistische Herausbeschleunigen<br />

aus einer Kurve, versprüht der Formel<br />

Renault Gift.<br />

Das Ausbrechen des Hecks erfordert eine derart<br />

reaktionsschnelle Korrektur am Lenkrad,<br />

wie sie kaum mit etwas zu vergleichen ist -<br />

weder mit KTM X-Bow noch mit Porsche 911.<br />

Ruckzuck schwirren die Worte Wendlingers<br />

im Kopf: »Keine Hitze in den Slicks, keine Haftung.«<br />

Und tatsächlich: Erst wenn man es<br />

schafft, die Reifen auf Temperatur zu bringen,<br />

kann man Runde um Runde eins drauflegen.<br />

Im Rausch des fantastisch funktionierenden<br />

Systems von aerodynamischem und mechanischem<br />

Grip ist Konzentration das oberste<br />

Gebot.<br />

So schnell ein Formel-Fahrzeug bewegt werden<br />

kann, so schmal ist dessen Grenzbereich. Das<br />

wird gerade in schnellen Passagen deutlich.<br />

Kleine Rutscher und Bewegungen des Wagens<br />

verlangen nach unverhältnismäßig genaueren<br />

und primär zügigeren Reaktionen als in jedem<br />

anderen Fahrzeugtyp. Vollgas, Fliehkräfte und<br />

mit voller Kraft in die Eisen - unvermeidbar ist<br />

in diesen Geschwindigkeits-Sphären vor allem<br />

eines, und zwar das Grinsen im Gesicht. Während<br />

der Fahrt und lange, lange danach.<br />

Fotos: red bull content pool<br />

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Corvette Z06.R GT3<br />

Sound<br />

gewinnt<br />

keine<br />

Rennen<br />

Text: Robert Seiwert<br />

Motor<br />

»Hubraum und Drehmoment ohne Ende - wenn du<br />

aufs Gas steigst, geht sofort die Post ab. In der Corvette<br />

ist die amerikanische Philosophie fest verankert:<br />

Bei den Benzinpreisen in den USA ist es egal,<br />

wie viel Sprit der Motor schluckt; Hauptsache, es<br />

geht voran. Seit 2012 verfügt die GT3-Corvette über<br />

einen neuen, kleineren 6,2 Liter V8-Motor. Mit 1.200<br />

Kilo Leergewicht schafft das Auto den Sprint von 0<br />

auf 100 km/h in 3,9 Sekunden, in rund zehn Sekunden<br />

knackst du die 200 km/h-Marke.«<br />

Auspuff<br />

»Das ADAC GT Masters ist in Sachen Sound<br />

generell ein Paradies für <strong>Motorsport</strong>-Fans. Zwar<br />

kann der Corvette-Klang nicht ganz mit dem<br />

Mercedes-Benz AMG SLS GT3 und den Camaros<br />

mithalten, dafür summt das Auto beim Fahren.<br />

Heinz-Harald Frentzen sitzt<br />

im ADAC GT Masters am Steuer<br />

einer Corvette Z06.R GT3. Der<br />

ehemalige Formel-1- und DTM-<br />

Star erklärt im <strong>Motorsport</strong>-<br />

<strong>Magazin</strong> die Geheimnisse des<br />

amerikanischen Rennsport-<br />

Klassikers.<br />

70 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Das hört sich interessant an, aber es gibt ein<br />

paar Boliden im Feld, die besser klingen. Aber<br />

was soll‘s? Sound gewinnt keine Rennen und<br />

bringt keine Punkte.«<br />

Aerodynamik<br />

»Die Corvette hat sich seit dem Jahr 2005 äußerlich<br />

nur bedingt verändert. Das Auto besitzt eine<br />

langjährige Tradition im GT3-Sport, das hat Vorund<br />

Nachteile. Von der Basis her ist die Corvette<br />

auf reine Performance ausgelegt, die Gewichtsverteilung<br />

ist erstklassig. Deshalb sind aerodynamische<br />

Anbauten gar nicht so entscheidend. Wir<br />

haben zwar einen großen Heckflügel am Auto, den<br />

können wir aber nur bedingt nutzen, weil wir das<br />

Auto ja ausbalancieren müssen. Auf der Geraden<br />

ist die Corvette generell schnell, aber in den Kurven<br />

fehlt ein bisschen Abtrieb.«<br />

Vergleich<br />

»Ein GT3-Auto kann man einfach nicht mit einem<br />

Formel-1-Boliden vergleichen. Allein das Verhältnis<br />

zwischen Eigengewicht und Downforce beim F1-Auto<br />

ist unbeschreiblich und mit nichts zu vergleichen. Mit<br />

einem DTM-Auto kann man schon eher einen Vergleich<br />

anstellen, allerdings sind die Tourenwagen<br />

deutlich leichter und verfügen über wesentlich mehr<br />

aerodynamischen Einfluss. Es gibt keine immensen<br />

Unterschiede zwischen GT3- und DTM-Boliden,<br />

wenngleich Abtrieb und Gewicht eine große Rolle<br />

spielen. GT3s sind eher auf den Breitensport ausgelegt,<br />

die Gewöhnung ans Auto fällt leichter.«<br />

Cockpit<br />

»Mit der Corvette sind wir noch konventionell<br />

unterwegs: Wir haben zwar ein sequentielles<br />

Getriebe, schalten aber noch per Schaltknüppel<br />

die Gänge durch. Der Unterschied zu Shift Paddles,<br />

die ich noch aus der Formel 1 kenne, ist groß. Es<br />

ist von Vorteil, wenn du beide Hände am Lenkrad<br />

lassen kannst. Das Auto lässt sich wesentlich<br />

angenehmer fahren und es benötigt weniger<br />

Kraftaufwand.«<br />

Bremsen<br />

»Mit der Corvette komme ich zum ersten Mal in<br />

meiner langen <strong>Motorsport</strong>karriere in den Genuss<br />

einer ABS-Bremsanlage. Das war für mich der<br />

Hammer und hat mich von Anfang an komplett<br />

umgehauen! Es ist unglaublich, was man damit<br />

heutzutage machen kann. Die elektronischen Fahrassistenten,<br />

die in der Formel 1 und DTM größtenteils<br />

verboten sind, helfen auch Breitensportlern,<br />

auf Anhieb gut mit dem Auto zurecht zu<br />

kommen.«<br />

Fotos: adac gt masters<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 71


Fotos: adAC<br />

Gustav Malja musste<br />

sich Marvin Kirchhöfer<br />

geschlagen geben<br />

TALENT<br />

Der Reise-Meister<br />

Text: Robert Seiwert<br />

Die meisten Piloten fliegen zu den Rennen - nicht so Gustav Malja. Der schwedische Youngster reist mit dem<br />

Auto und der Familie durch die Weltgeschichte. Seinem Erfolg im ADAC Formel Masters schadete das nicht.<br />

Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> nimmt den talentierten Schweden unter die Lupe.<br />

Die Anfänge<br />

»Meine Karriere begann im Alter von fünf Jahren<br />

unter dem Tannenbaum: Mein Vater schenkte mir<br />

zu Weihnachten ein 60ccm-Kart und von da an<br />

ging es los. Meine ersten Rennen fuhr ich als Zehnjähriger<br />

und nach etlichen Siegen in der schwedischen<br />

Nachwuchsmeisterschaft begann ich 2009<br />

mit meiner internationalen Karriere. Ich erhielt<br />

schnell die Möglichkeit, ein Formelauto zu testen.<br />

Ich habe es von Anfang an geliebt und fuhr 2011<br />

als jüngster Pilot des Feldes im ADAC Formel<br />

Masters. Meine zweite Saison in der Nachwuchsserie<br />

schloss ich als Gesamtzweiter ab.«<br />

Die Erfolge<br />

»2009 gewann ich die schwedische Kartmeisterschaft<br />

und wurde beim prestigeträchtigen Einladungsrennen<br />

in Monaco Fünfter. Mein bislang<br />

größter Erfolg ist die Vize-Meisterschaft im ADAC<br />

Formel Masters 2012. Vor dem letzten Rennwochenende<br />

der Saison führte ich die Tabelle an, doch<br />

am Ende reichte es leider nicht ganz zum Titel.<br />

Immerhin fuhr ich am letzten Rennwochenende<br />

in Hockenheim dreimal auf das Podium und hatte<br />

einen versöhnlichen Abschluss in der Nachwuchsserie<br />

des ADAC.«<br />

Das Ziel<br />

»Das Ziel ist klar: Ich würde gerne in der Formel<br />

1 fahren. Es gibt verschiedene Wege bis ganz nach<br />

oben und ich möchte herausfinden, welcher für<br />

mich der beste ist. Nach zwei Jahren im ADAC<br />

Formel Masters peile ich zur neuen Saison den<br />

Aufstieg in die Formel 3 an. Ich durfte bereits zweimal<br />

einen F3-Boliden testen und bin zuversichtlich,<br />

dass der Einstieg klappt. Sollte ich das Gefühl<br />

haben, kein guter Formelpilot zu sein, könnte ich<br />

mich auch mit GT- oder Sportwagen anfreunden<br />

- Hauptsache, ich kann den Rennsport zum Beruf<br />

machen und damit Geld verdienen.«<br />

Die Ausbildung<br />

»Meinen Schulabschluss habe ich voraussichtlich<br />

2014 in der Tasche - ich muss also noch eine ganze<br />

Weile die Schulbank drücken. Der <strong>Motorsport</strong><br />

nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, aber ich schaffe<br />

es recht gut, beides unter einen Hut zu bekommen.<br />

Meine Lieblingsfächer haben in gewisser Weise<br />

etwas mit Racing zu tun: Sport und Mathe. Ein<br />

Schulabschluss ist wichtig; so verfüge ich über eine<br />

gute Alternative, falls es mit der Rennsportkarriere<br />

nicht klappen sollte.«<br />

Die Hobbys<br />

»Schule und <strong>Motorsport</strong> sind ein hartes Programm,<br />

für Hobbys bleibt da leider nicht so viel<br />

Zeit. Aber ich liebe Musik und könnte von morgens<br />

bis abends britischen Rock und Rapmusik<br />

hören. Zeit dafür habe ich vor allem, wenn ich mit<br />

meiner Familie im Auto zu den Rennwochenenden<br />

reise. Von Schweden aus liegen die meisten Strecken<br />

mehr als zehn Stunden Autofahrt entfernt.<br />

Das ist zwar recht anstrengend, aber ich bin mir<br />

sicher, dass es sich lohnt. Wenn ich mal alleine<br />

reise, setze ich mich aber doch lieber ins<br />

Flugzeug.«<br />

72 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Die Champions<br />

im ADAC MX<br />

Masters 2012<br />

stehen fest<br />

Sieger auf Suzuki<br />

Beim ADAC MX Masters Finale in Holzgerlingen musste Marcus Schiffer<br />

mit eingeklemmtem Nerv aussetzen, doch kein Problem für den Frechener<br />

- schließlich hatte er sich bereits am vorletzten Rennwochenende<br />

im niederländischen Emmen frühzeitig den Titel in der stärksten Motocross-Serie<br />

Deutschlands gesichert. Großen Jubel gab es jedoch nicht<br />

nur bei Schiffer, sondern auch beim Markenkollegen Jeremy Seewer,<br />

der sich 2012 die Youngster Krone aufsetzen konnte.<br />

Last-Minute-Titel<br />

In einem spannungsgeladenen Finale auf dem Hockenheimring<br />

krönten sich Maximilian Götz und Sebastian Asch zu den neuen<br />

Meistern des ADAC GT Masters. Mit ihrem ersten Saisonsieg im<br />

letzten Rennen setzte sich das Mercedes-Duo gegen fünf weitere<br />

Titelaspiranten durch. »Die letzten 15 Minuten im Auto waren<br />

die schwierigsten meiner gesamten Rennfahrerkarriere«, sagte<br />

Asch nach dem Triumph. Das Corvette-Duo Daniel Keilwitz / Diego<br />

Alessi sicherte sich die Vize-Meisterschaft.<br />

Die Men in Black sind die neuen<br />

Meister des ADAC GT Masters<br />

Nachwuchs<br />

von morgen<br />

Beim dritten Experience Day des ADAC Formel Masters auf<br />

dem Lausitzring erhielten 25 Kart-Talente aus Deutschland,<br />

Österreich, Dänemark und Bulgarien die Gelegenheit, zum<br />

ersten Mal Formel-Luft zu schnuppern. Auf dem Programm<br />

standen Anfahr- sowie Schaltübungen und erste Runden auf<br />

der Strecke. »Jeder Kartfahrer träumt davon, in einem Formel-<br />

Auto zu fahren«, sagte Mücke-Pilot Jason Kremer. »Deshalb<br />

ist der Experience Day eine tolle Veranstaltung für<br />

Nachwuchstalente.«<br />

Der ADAC Experience<br />

Day am Lausitzring<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 73


74 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Foto: milagro<br />

krise im<br />

paddock<br />

Jorge Lorenzo muss<br />

sich in dieser Saison<br />

nicht im Wald<br />

verstecken. Nur die<br />

Yamaha bräuchte etwas<br />

mehr Power<br />

Wenige Rennen vor Saisonende setzten viele Teams<br />

sämtlicher MotoGP-Klassen ihre starken Fahrer vor<br />

die Tür und tauschten sie mit anderen Piloten aus, die<br />

wohl den einen oder anderen Euro mehr mitbringen.<br />

Klar regiert Geld die Welt, aber war es nicht ursprünglich<br />

einmal Aufgabe eines Teams, die nötigen finanziellen<br />

Mittel für eine Saison aufzutreiben? Ein Motorradfahrer<br />

sollte den Kopf frei haben, einfach aufs Bike<br />

steigen und um den Sieg kämpfen können, doch das<br />

reicht heute schon lange nicht mehr. Talent hat längst<br />

ausgedient, Plätze werden nur noch erkauft und Überrundungen<br />

sind an der Tagesordnung. Arme kapitalistische<br />

Moped-Welt! - Maria Pohlmann<br />

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Text: Falko Schoklitsch<br />

Livio Suppo ist eine der einflussreichsten Personen im Fahrerlager der MotoGP und<br />

ein wichtiger Entscheider bei Honda. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> hat sich mit ihm über<br />

seinen Fahrerkader und die Zukunft der Weltmeisterschaft unterhalten.<br />

Fotos: milagro<br />

76 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Fotos: milagro<br />

MSM: Ihre Karriere und jene von Casey Stoner<br />

waren in den vergangenen Jahren eng verbunden.<br />

Wie traurig sind Sie, dass er zurücktritt?<br />

LIVIO SUPPO: Ich habe viel Respekt vor einem<br />

Spitzenfahrer, der den Mut hat, an der Spitze<br />

seiner Laufbahn zu sagen, er hört auf. Leider ist<br />

es meistens so, dass die Spitzenleute es schwer<br />

haben, den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören<br />

zu finden. Ich glaube, es ist bei ihnen meist so,<br />

dass sie glauben, dass sie nicht schlechter werden,<br />

sondern einfach nur eine schlechte Saison<br />

haben. Dann warten sie und warten sie und<br />

warten sie und am Ende ist es dann eher traurig.<br />

Das gilt nicht nur für die MotoGP, sondern für<br />

jeden Sport. Hier hat ein Fahrer drei verschiedene<br />

Möglichkeiten, um abzutreten: er hört an<br />

der Spitze auf, er fährt zu lange, wodurch es<br />

traurig oder auch lächerlich wird, oder er verletzt<br />

sich. Die Topfahrer in diesem Sport ereilt<br />

meist eine dieser zwei Optionen: sie verletzen<br />

sich oder es wird lächerlich. Nur wenige hören<br />

auf, wenn sie an der Spitze stehen. Ich kann mich<br />

hier nur an Casey erinnern, in der Superbike<br />

vielleicht noch Troy Bayliss, denn er gewann die<br />

letzten Rennen, gewann die Weltmeisterschaft<br />

und hörte auf. Aber auch generell im Sport gab<br />

es nicht viele. Ich erinnere mich etwa an Pirmin<br />

Zurbriggen, den ich kennenlernen durfte, als ich<br />

noch bei Nordica arbeitete. Er hörte im Alter<br />

von 27 auf, nachdem er vier Mal Ski-Weltcup-<br />

Sieger geworden war. Sicher ist das für jeden<br />

Athleten eine schwierige Entscheidung und ich<br />

habe viel Respekt vor jenen, die sie treffen können,<br />

wenn sie ganz oben sind.<br />

Wie intensiv haben Sie versucht, Casey zum<br />

78 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />

Bleiben zu überreden?<br />

Weil das hier ein sehr gefährlicher Sport ist, ist<br />

es sehr schwierig, jemanden zu überzeugen, dass<br />

er seine Meinung ändert. Wenn es Tennis wäre,<br />

dann gibt es kein großes Risiko, da müsste man<br />

nur jemand überzeugen, dass er weiter den Einsatz<br />

bringen muss. Wenn man hier jemanden<br />

dazu überredet, dass er weiterfährt und dann<br />

passiert etwas Schlimmes, ist es etwas ganz<br />

anderes. Natürlich haben wir alles uns Mögliche<br />

getan. Wir haben ein ökonomisch sehr gutes<br />

Angebot zusammengestellt. Wir wussten aber,<br />

dass Casey nicht der Typ ist, den man kaufen<br />

kann. Auf der anderen Seite ist Geld immer noch<br />

Geld; wie erwartet, sprang er aber nicht darauf<br />

an.<br />

Jetzt beginnt ein neues Kapitel, Marc Marquez<br />

kommt in die MotoGP. Wie spannend finden<br />

Sie es, dass er nun in die Königsklasse kommt?<br />

Wenn man sich Marcs bisherige Karriere ansieht,<br />

so hat er in der 125er und der Moto2 einen<br />

unglaublichen Job gemacht. Voriges Jahr holte<br />

er beinahe als Rookie den Titel in der Moto2.<br />

Diese Saison dominiert er die Weltmeisterschaft.<br />

Theoretisch hat er also alles Talent, um auch in<br />

der MotoGP stark zu sein. Auf der anderen Seite<br />

wissen wir alle, dass es eine Sache ist, in der kleinen<br />

Klasse schnell zu sein und es etwas anderes,<br />

in der MotoGP schnell zu sein. Das ist nicht nur<br />

eine Frage des Talents, es ist eine Frage vieler<br />

Dinge; von Entschlossenheit und manchmal<br />

auch Glück. Es ist daher zu früh, etwas vorherzusagen.<br />

Theoretisch hat er alles, was er braucht,<br />

um ein starker Fahrer in der MotoGP zu sein.<br />

Solange er das nicht zeigt, wissen wir es aber<br />

nicht. Im kommenden Jahr haben wir aber gar<br />

keine Erwartungen, wir müssen ihm nur helfen,<br />

damit er sich so gut wie möglich entwickelt. Er<br />

hat einen sehr starken Teamkollegen, der nächstes<br />

Jahr die Verantwortung tragen muss. Daran<br />

ist er aber gewöhnt, denn von den zwei Saisons<br />

mit Casey einmal abgesehen war Dani immer<br />

der stärkste Fahrer bei Honda, daher weiß er,<br />

wie es ist, diese Verantwortung zu tragen. Wir<br />

werden sehen.<br />

Sie möchten eine möglichst druckfreie Umgebung<br />

für Marc schaffen, aber in der Presse sind<br />

die Erwartungen teilweise jetzt schon sehr hoch.<br />

Glauben Sie, das könnte ihm gegenüber etwas<br />

unfair sein oder ihm zu viel Druck machen?<br />

Ich denke, auch wenn Marc noch sehr jung ist,<br />

so ist er es bereits gewohnt, solchen Erwartungen<br />

ausgesetzt zu sein. Seit seinem starken<br />

Debüt in der 125er Klasse war er von starken<br />

Sponsoren umgeben, was gute Maschinen und<br />

so weiter bedeutet. Daher kennt er trotz seines<br />

jungen Alters diesen Druck. Ich denke, er ist<br />

intelligent genug, um zu verstehen, dass die<br />

Meinungen in der Presse das eine und die Tatsachen<br />

in der Garage das andere sind.<br />

Und Dani ist ja auch noch da. Er hatte ein gutes<br />

Jahr und wenn er kein Pech hatte, konnte er<br />

zeigen, was er drauf hat. Freuen Sie sich für<br />

ihn?<br />

Ehrlich gesagt, verdient er es, bis zum letzten<br />

Rennen um die Weltmeisterschaft zu kämpfen.<br />

2008 führte er die WM an, als er sich verletzte.<br />

Seit seinem Debüt in der WM 2006 war es dieses<br />

Jahr das erste Mal, dass er die Vorbereitung und<br />

die Saison ohne körperliche Probleme bestreiten<br />

konnte. Ich denke, er hat dieses Jahr bewiesen,<br />

dass er das Potential hat, um die Weltmeisterschaft<br />

zu kämpfen.<br />

Wie zufrieden sind Sie mit Stefan Bradls Leistung<br />

in seinem Rookie-Jahr?<br />

Sehr, sehr zufrieden. Stefan war jemand, den ich<br />

schon mochte, als ich bei Ducati war. Ich versuchte<br />

vor vielen Jahren, ihn zu einem Vorvertrag<br />

mit Ducati zu überreden. Dann begann die<br />

große Krise und die Gelegenheit verstrich. Ich<br />

habe Stefan aber von Anfang an im Auge gehabt<br />

und für Nakamoto-san galt das Gleiche. Wir<br />

mögen ihn, seine Einstellung und seine Arbeitsweise.<br />

Voriges Jahr war er in der Moto2-Weltmeisterschaft<br />

sehr beeindruckend. Wir haben<br />

deswegen gerne versucht, ihn bei Lucio [Cecchinello]<br />

unterzubringen, wobei das für ihn<br />

nicht einfach war. Lucio hat ein Privatteam, er<br />

muss seine Sponsoren überzeugen, dass er einen<br />

guten Fahrer geholt hat. Voriges Jahr lief das mit<br />

Toni [Elias] leider sehr schlecht. In der Vorbereitung<br />

auf die Saison 2011 hatte er seinen Sponsoren<br />

gesagt: ‚Wow, wir haben den Moto2-Weltmeister‘,<br />

und dann war es mit Toni ein →


»ein Fahrer hat drei verschiedene Möglichkeiten, um abzutreten: er<br />

hört an der Spitze auf, er fährt zu lange, wodurch es traurig oder<br />

auch lächerlich wird, oder er verletzt sich.«<br />

Der Honda-<br />

Fahrerkader ist<br />

auch Livio<br />

Suppos Baby<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 79


»Früher waren die Kosten für die Maschinen sehr hoch, aber es gab<br />

Tabaksponsoren, es gab spanische Unternehmen und italienische<br />

Unternehmen, da war ein Satelliten-Team ein gutes Geschäft.«<br />

Casey Stoner<br />

arbeitete eng<br />

mit Livio Suppo<br />

zusammen<br />

Fotos: milagro<br />

80 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Desaster. Deswegen sagte er uns auch: ‚Wie kann<br />

ich wieder zu meinen Sponsoren gehen und<br />

sagen, hey, ich habe wieder den Moto2-Weltmeister?‘<br />

Er hatte Angst, dass die Sponsoren<br />

nicht so glücklich sein würden. Es gibt da immer<br />

wieder Gerüchte, dass die Moto2 nicht gut ist,<br />

um zu lernen, was ich aber für dumm halte.<br />

Denn letztendlich kann ein guter Fahrer alles<br />

lernen. Honda hat an das Potential von Stefan<br />

geglaubt, wir haben das Projekt zusammengestellt<br />

und haben Lucio etwas unter die Arme<br />

gegriffen, weil wir wussten, dass es für ihn ein<br />

großes Risiko war. Jetzt sind wir aber sehr<br />

erfreut, dass Lucio auch glücklich ist und seine<br />

Sponsoren ebenfalls. Stefan macht einen sehr<br />

guten Job. Natürlich ist es nicht einfach und<br />

nächstes Jahr wird er einen weiteren Schritt<br />

machen müssen. Dieses Jahr ist ein Lehrjahr, er<br />

ist ein Rookie, wir erwarten nichts. Nächstes Jahr<br />

muss er einen weiteren kleinen Schritt machen.<br />

Wenn man sich aber die erste und zweite Saison<br />

von Cal Crutchlow ansieht, dann ist es normal,<br />

dass ein Rookie nur schwer sofort superstark<br />

sein kann. Es gibt nur wenige im Fahrerlager,<br />

die so etwas können: einer ist Valentino, einer<br />

ist Dani, einer ist Jorge und einer ist Casey, sonst<br />

kann ich mich an niemanden erinnern. Wenn<br />

man es mit den normaleren Fahrern vergleicht,<br />

dann war Stefan besser als viele von den anderen<br />

Topfahrern da draußen - etwa besser als Spies<br />

in seiner ersten Saison. Er hat also jedes Potential,<br />

um ein ganz starker Fahrer zu werden.<br />

Sollte er mit den Fortschritten weitermachen,<br />

ist er dann auch ein Kandidat für eine Werks-<br />

Maschine oder einen Platz im Werks-Team?<br />

In den nächsten beiden Jahren ist das Werks-<br />

Team zu. Aber glauben Sie mir, der Unterschied<br />

zwischen dem Werks-Motorrad und dem Satelliten-Motorrad<br />

ist beinahe null. Seit dem Vorjahr<br />

vertreten wir zudem eine Politik, die von<br />

den Ergebnissen abhängt, um neue Teile zu<br />

erhalten. Sollte Stefan also nächstes Jahr nach<br />

vier Rennen die Weltmeisterschaft anführen -<br />

was nicht unmöglich ist, weil die Maschinen zu<br />

Jahresanfang gleich sind -, dann würde die Konzentration<br />

von HRC ganz auf ihn übergehen.<br />

Nur weil er kein Repsol-Fahrer ist, hieße das<br />

nicht, dass er nichts Neues bekommen würde.<br />

Sie haben die Finanzkrise bereits kurz angesprochen.<br />

Es wurden schon einige Sparmaßnahmen<br />

getroffen, die aber noch immer nicht<br />

ausreichend zu sein scheinen. Was könnte noch<br />

gemacht werden? Ist etwa der billigere Werks-<br />

Prototyp von Honda ein Weg, um die Kosten<br />

zu senken und mehr Teams in die WM zu<br />

holen?<br />

Nach meiner Meinung ist es nicht nur eine Frage<br />

des Geldes oder des technischen Reglements.<br />

Das ist eine sehr komplizierte Situation, nicht<br />

nur für die MotoGP, sondern generell betrachtet.<br />

Ob man es mag oder nicht, die Weltmeisterschaften<br />

sind normalerweise in Europa zuhause,<br />

die Formel 1, die MotoGP, die Superbike. Der<br />

Kern liegt traditionell in Europa und heutzutage<br />

ist Europa in einer sehr schwierigen Situation.<br />

Vor rund zehn Jahren, waren die Kosten für die<br />

Maschinen sehr hoch, aber es gab Tabaksponsoren,<br />

es gab spanische Unternehmen und italienische<br />

Unternehmen, da war ein Satelliten-<br />

Team noch ein gutes Geschäft. Heutzutage ist<br />

die Situation dramatisch anders - nicht was die<br />

Kosten betrifft, sondern was die Einnahmen<br />

betrifft. Daher sollte sich die Arbeit der Dorna,<br />

der Teams und der Hersteller mehr und mehr<br />

darauf konzentrieren, die Einnahmen zu steigern.<br />

Das schließt viele Dinge ein, die gemacht<br />

werden können, aber erst langfristig funktionieren.<br />

Ein Fahrer wie Stefan ist beispielsweise ein<br />

großes Plus für diese Weltmeisterschaft, weil<br />

eines unserer Probleme ist, dass die starken Fahrer<br />

normalerweise aus Spanien oder Italien kommen.<br />

Nur manchmal sind sie Australier oder<br />

Amerikaner. Spanien und Italien sind zwei Länder,<br />

in denen die Situation aktuell sehr schlimm<br />

ist. Australien ist ein kleiner Kontinent auf der<br />

anderen Seite der Welt, daher ist er für Sponsoren<br />

nicht besonders attraktiv. Amerika ist<br />

traditionell so ausgerichtet, dass die amerikanischen<br />

Unternehmen mehr an amerikanischen<br />

Sportarten interessiert sind. Man muss sich nur<br />

daran erinnern, dass Mario Andretti in der Formel<br />

1 war, die Formel 1 in den USA aber weiterhin<br />

unbedeutend ist. Um die Popularität des<br />

Sports zu steigern, brauchen wir daher Leute aus<br />

vielen verschiedenen Ländern, die vorne mitfahren.<br />

Das zu erreichen, ist aber ein langwieriger<br />

Prozess. Die Moto2 ist eine gute Änderung.<br />

Man muss nur daran denken, dass Stefan ohne<br />

die Moto2 sein Talent nicht hätte zeigen können,<br />

denn für eine konkurrenzfähige Zweitakt-250er<br />

musste man viel Geld bezahlen. Voriges Jahr hat<br />

sein Team mit einem vernünftigen Budget einen<br />

tollen Job gemacht. Früher hätte er ohne das<br />

Geld für eine konkurrenzfähige Maschine nie<br />

sein Talent zeigen können. Daher brauchen wir<br />

kleine Klassen, in die man einfach einsteigen<br />

kann, um Fahrern verschiedener Nationalität<br />

dabei zu helfen, sich zu entwickeln. Das ist aber<br />

nur eine Sache: dann müssen wir in verschiedenen<br />

Ländern fahren, wir müssen die Sicherheit<br />

verbessern und so weiter.<br />

Sind die CRTs auch ein Weg, um neue Fahrer<br />

in die Königsklasse zu bringen? Was denken Sie<br />

allgemein über CRT?<br />

Ob man sie nun mag oder nicht, aber die CRTs<br />

sind primär ein Weg, um mehr Maschinen auf<br />

der Strecke zu haben. Sie geben Teams und kleinen<br />

Herstellern wie Suter die Chance, eine<br />

Maschine für die MotoGP zu bauen. Es ist etwas<br />

anderes. Vor den CRTs konnte man nur eine<br />

Maschine von einem Hersteller leasen - von<br />

Honda, Yamaha oder Ducati. Yamaha least seit<br />

vielen Jahren nicht mehr als zwei Maschinen,<br />

das ist mit Tech 3 abgedeckt. Ducati hatte Probleme,<br />

mehr als vier zu liefern und Honda kann<br />

vielleicht sechs bringen, aber letztendlich löst<br />

man die Situation damit nicht. Daher musste die<br />

Dorna eine Regel finden, damit es etwas mehr<br />

Freiheit gibt und Fahrer auf die Strecke kommen,<br />

auch wenn die Hersteller da nicht mitziehen.<br />

Vielleicht ist das nicht die Ideallösung und<br />

man muss das noch tunen, letztendlich ist es aus<br />

technischer Sicht aber schwer, die CRTs zu beurteilen.<br />

Momentan sieht man keinen Spitzenfahrer<br />

auf einer CRT. Ich würde gerne Casey, Jorge<br />

oder Dani auf einer CRT sehen, vielleicht wäre<br />

die Lücke dann nicht so groß. Setzt man sie auf<br />

eine Aprilia, die im Moment das beste CRT-<br />

Livio Suppo<br />

kennt den<br />

richten Umgang<br />

im Fahrerlager<br />

Bike ist, dann glaube ich nicht, dass Casey, Dani<br />

oder Jorge drei Sekunden langsamer wären als<br />

mit ihren Prototypen. Voriges Jahr war Toni auf<br />

einer Honda drei Sekunden langsamer als Casey.<br />

In diesem Sport glaubt man immer, dass man<br />

mit technischen Regeln etwas ändern kann, aber<br />

die Realität ist so, dass die Fahrer durchaus einen<br />

großen Unterschied machen. Man kann nicht<br />

alles mit technischen Regeln lösen.<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 81


Glücksbringer<br />

und andere<br />

Persönlichkeiten<br />

Text: Maria Pohlmann<br />

Sie sind schnell, haben ein starkes Bike, eine fleiSSige Crew, Talent<br />

und einen ausgeprägten Siegeswillen. Doch selbst den schnellsten<br />

Piloten auf diesem Planeten würde mit all diesen Eigenschaften<br />

noch etwas Entscheidendes fehlen. Ein guter Freund.<br />

Fotos: milagro


www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 83


Schon Johann Wolfgang<br />

von Goethe wusste: »Mit<br />

einem kritischen Freund<br />

an der Seite kommt man<br />

immer schneller vom<br />

Fleck.« Dabei ist es nicht<br />

nur Kritik, sondern<br />

besonders Hilfe und Vertrautheit<br />

auf den Rennstrecken dieser Welt, die<br />

viele Fahrer antreiben. Ob Freunde, Assistenten,<br />

Pressesprecher, Partner oder Familienmitglieder:<br />

Fast jeder Fahrer im GP-Zirkus sorgt dafür, dass<br />

er an einem Rennwochenende nicht allein mit<br />

seiner Crew dasteht und bringt persönliche<br />

Unterstützung mit. Andrea Dovizioso erklärt:<br />

»Es ist unheimlich wichtig! Die Leute um dich<br />

herum sind unglaublich bedeutend, weil es hinter<br />

den Kulissen eines Rennens so viele verschiedene<br />

Dinge zu tun gibt. Manchmal stürzt du, bist nicht<br />

so schnell und dann brauchst du die maßgebliche<br />

Unterstützung, um zu verstehen, ob du dich noch<br />

verbessern kannst, ob du schon alles gegeben hast<br />

oder noch mehr geben kannst. Wir sind alle nur<br />

Menschen. Wenn man auf das Bike steigt, will<br />

man immer unbedingt ein gutes Ergebnis. Die<br />

Leute um einen herum bringen dabei einen sehr<br />

positiven Einfluss mit.«<br />

Nick Sannen ist an jedem Rennwochenende für<br />

Nicky Hayden da und war auch nach seinem<br />

Sturz in Aragon der Erste an der Unfallstelle, um<br />

seinen besten Freund mit dem Scooter sicher zur<br />

Ducati-Box zurückzubringen. »Da konnte ich<br />

gleich nachsehen, ob es ihm gut geht«, sagt Sannen<br />

beruhigt. Doch auch Hayden sei generell<br />

froh - besonders nach einem negativen Erlebnis<br />

- einen Vertrauten zu sehen, der ihm wieder auf<br />

die Beine hilft. Dabei ist das noch lange nicht das<br />

Einzige, wofür der Belgier bei jedem MotoGP-<br />

Rennen zuständig ist. »Zunächst einmal fahre<br />

ich Nickys Motorhome, ich komme am Dienstag<br />

an, parke ein, mache alles sauber, damit für ihn<br />

alles bereit ist. Während des Wochenendes assistiere<br />

oder helfe ich ihm eigentlich bei allem:<br />

84 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />

Kombi, Stiefel, Helme...« Sobald Hayden an der<br />

Rennstrecke ankommt, begeben sich beide auf<br />

ausgiebige Fahrradtouren und auch bei den<br />

Überseerennen lässt Sannen seinen Freund nicht<br />

im Stich. »Ich reise mit ihm, am Wochenende<br />

mache ich die gleichen kleinen Dinge. Ich bin<br />

ein Freund und einfach für ihn da.«<br />

Einfach da zu sein, stellt sich aber nicht in jeder<br />

Situation leicht dar. Besonders während der Trainings,<br />

Qualifikationen und Rennen ist der<br />

27-Jähige enorm angespannt. »Ich bin manchmal<br />

ziemlich nervös, aber ich denke, das ist ganz normal,<br />

wenn man sich gut kennt und zusammen<br />

durch die Welt reist. Ich bin ganz schön aufgeregt,<br />

aber ich kann damit umgehen«, gibt er lächelnd<br />

zu. Selbst bei den Testfahrten im Winter versucht<br />

Sannen dabei zu sein, obwohl er hauptberuflich<br />

eigentlich einer ganz anderen Tätigkeit nachgeht.<br />

»Ich lebe in Belgien und arbeite bei meinem Vater<br />

in unserer Motorhome-Firma. Wir verleihen<br />

amerikanische Motorhomes, ich habe also auch<br />

andere Dinge zu tun.« Hayden an den Rennwochenenden<br />

zu begleiten und im Laufe einer Saison<br />

vier Kontinente zu bereisen, sei dennoch ein<br />

verdammt gutes Gefühl. »Ich bin jung und finde<br />

es super, viel herumzukommen und die Welt zu<br />

sehen. Es ist sehr schön. Ab und an ist es aber<br />

auch gut, mal für ein oder zwei Wochen nach<br />

Hause zu kommen. Das passiert momentan aber<br />

selten, die Saison ist sehr lang. Trotzdem macht<br />

es extrem viel Spaß.«<br />

Auch Carlos Gil ist gern einmal zu Hause, wenn<br />

er gerade nicht im Dienste des Weltmeisters von<br />

2010 umherwandelt. »Ich bin Jorges Schatten.<br />

Ich bereite alles in der Box vor, ich plane alles für<br />

ihn, von Interviews bis zu den Rennen«,<br />

beschreibt er seine Aufgabe. Sogar abseits der<br />

Rennstrecken umsorgt der Spanier seinen<br />

Schützling. »Ich arbeite das ganze Jahr lang mit<br />

ihm zusammen. Wenn wir kein Rennen haben,<br />

dann trainieren wir, gehen zum Arzt... alles was<br />

er so braucht.« Der 46-Jährige ist als Kommunikations-<br />

und Medien-Manager, sowie Assistent<br />

bei Jorge Lorenzo angestellt. »Eigentlich war ich<br />

aber Elektriker«, gibt er zu. Früher hatte Gil einen<br />

Job in der Yamaha Hospitality, seit vier Jahren<br />

arbeitet er nun in Vollzeit für den GP-Piloten<br />

und leidet in der Box, während er den 25-Jährigen<br />

auf der Strecke beobachtet. »Ich bin in jeder<br />

Session sehr nervös, aber ich denke, das ist normal.<br />

Ich verstehe mich sehr gut mit Jorge, obwohl<br />

ich viel älter bin als er und deshalb bin ich so<br />

aufgeregt. Wenn die Sessions oder das Rennen<br />

zu Ende sind, bin ich immer extrem erleichtert«,<br />

gesteht er.<br />

Wenn sich die Aufregung gelegt hat und sich die<br />

Saison dem Ende neigt, sollte eigentlich auch bei<br />

Gil und Lorenzo etwas Ruhe einkehren. Doch zu<br />

tun gibt es immer. »Im Winter haben wir lauter<br />

Events in Jakarta, Thailand, Indien, die Testfahrten<br />

und verschiedene Pressetermine.« Selbst<br />

ihre Freizeit verbringen beide ab und an miteinander,<br />

gehen ins Kino oder verabreden sich zum<br />

Essen. Seine knapp bemessene Zeit allein versucht<br />

Gil so oft wie möglich mit seinen drei Söhnen<br />

zu verbringen. »Ich lebe momentan in Scheidung.<br />

In der ganzen Welt unterwegs zu sein, ist<br />

für mich also perfekt. Ich mag das Abenteuer.<br />

Für mich ist diese Arbeit eine große Freude, auch<br />

familiär klappt es ganz gut.« Zeitweise sei der<br />

Tagesablauf des Familienvaters sogar recht<br />

gewöhnlich. »Manchmal führe ich mit meinen<br />

Freunden, aber auch mit Jorge ein ganz normales<br />

Leben«, lacht er. Aber was ist schon normal als<br />

rechte Hand eines MotoGP-Weltmeisters?<br />

Dabei hat Gil erst zu Beginn des Jahres einige der<br />

Arbeiten von Hector Martin übernommen, der<br />

seinerseits auf der Suche nach einer neuen<br />

Herausforderung zu Monlau Competicion wechselte<br />

und dort nun für Marc Marquez, Alex Rins,<br />

Miguel Oliveira und Alex Marquez zuständig ist.<br />

»Ich koordiniere das Moto3 und Moto2 Team,<br />

während der Rennen bin ich aber meistens in<br />

der Moto2 bei Marc Marquez. Ich bin sein Pres-<br />

Konzentration:<br />

Den Fahrern<br />

wird fast alles<br />

abgenommen<br />

»Ich bin Jorges Schatten.<br />

Ich bereite alles in der<br />

Box vor, ich plane alles<br />

für ihn, von Interviews<br />

bis zu den Rennen. Ich arbeite<br />

das ganze Jahr lang<br />

mit ihm zusammen. Wenn<br />

wir kein Rennen haben,<br />

dann trainieren wir, gehen<br />

zum Arzt...«


sesprecher und daher immer bei den Interviews<br />

dabei, aber auch bei den Events mit den Sponsoren«,<br />

erklärt er. Obwohl die Pressetermine der<br />

Moto3-Piloten von den beiden Titelsponsoren<br />

Repsol und CatalunyaCaixa kontrolliert werden,<br />

bleibt für den Katalanen auch unter der Woche<br />

im Büro des Teams noch genügend Arbeit liegen.<br />

»Ich bereite die nächsten Rennen und die Reisepläne<br />

für das Team vor, bin mit Marc bei einigen<br />

Events und kümmere mich um seine ganze Kommunikation.<br />

Ich kontrolliere die Sponsorenveranstaltungen<br />

zusammen mit Emilio Alzamora<br />

und kümmere mich dabei um Events von Helmoder<br />

Kombi-Herstellern.«<br />

Fotos: milagro<br />

Jeder Fahrer<br />

braucht einen<br />

Mann im<br />

Hintergrund<br />

Auch Marc<br />

Marquez hat<br />

eine große<br />

Crew um sich<br />

geschart<br />

Nebenher zeichnet der 32-Jährige auch noch<br />

für sämtliche Aktivitäten in den sozialen Netzwerken<br />

verantwortlich und das erfolgreich,<br />

schließlich tauchte der echte marcmarquez93<br />

erst vor kurzem bei Twitter auf. »Wir haben<br />

viele Monate gebraucht, um den Account marcmarquez93<br />

zu eröffnen, weil es den schon gab,<br />

wir das aber nicht waren. Wir mussten Twitter<br />

Bescheid geben, dass das falsch ist und wir diesen<br />

Namen brauchen und nach vielen Monaten<br />

konnten wir den Namen für uns beanspruchen<br />

und entschieden, den Account zu eröffnen«,<br />

schildert Martin die Tortur. Wichtig war dem<br />

Vermarktungsmeister dabei, dass der Account<br />

noch vor Saisonende eröffnet werden konnte,<br />

solange Marquez noch um den Moto2-Titel<br />

kämpft und bevor er in die Königsklasse aufsteigt.<br />

Während dieser Kämpfe leidet der Pressesprecher<br />

wie kaum ein anderer. »In der Moto2<br />

sind die Maschinen fast gleich und deshalb ist<br />

es der Fahrer, der den Unterschied macht.<br />

Daher bin ich wohl so aufgeregt, wenn ich ein<br />

Moto2-Rennen sehe. Dieses Jahr war wirklich<br />

hart für mich, schon im ersten Rennen habe ich<br />

zu meiner Crew gesagt: ‚Wenn ich in jedem Rennen<br />

so leide, kriege ich bald einen Herzinfarkt.‘<br />

Es ist aber einfach wunderbar, Marc ist unglaublich,<br />

niemand ist so wie er.«<br />

Während Martin an der Rennstrecke mitfiebert,<br />

muss ihn seine Familie zu Hause entbehren. Er<br />

räumt ein: »Natürlich ist es nicht leicht für sie.<br />

Aber wenn sie merken, dass du es genießt und sie<br />

dir vertrauen und du ihnen vertraust, dann kann<br />

man diese Arbeit auch für viele Jahre machen. Ich<br />

denke, es ist das Beste, was ich tun kann. Warum<br />

sollte ich also etwas anderes machen?« Obwohl<br />

Sannen und Gil ganz anderen Aufgaben nachgehen,<br />

gibt es auch für sie kaum etwas Besseres, als<br />

Renntag für Renntag an der Seite ihrer Piloten zu<br />

stehen, Daumen zu drücken und in jeder Situation<br />

für sie da zu sein. Schließlich ist es genau das,<br />

was jeden Menschen antreibt und Hayden,<br />

Lorenzo, Marquez und Co. immer schneller werden<br />

lässt: Einen wahren Freund zu haben, der<br />

kommt, wenn der Rest der Welt geht.<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 85


*<br />

Fotos: milagro<br />

86 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Text: Maria Pohlmann und Falko Schoklitsch<br />

Gefangen zwischen<br />

zwei Welten<br />

Jonathan Rea durfte im Herbst 2012<br />

munter zwischen MotoGP und World<br />

Superbike hin und her springen.<br />

Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> hat mit ihm<br />

über das lustige Wechselspiel<br />

gesprochen.<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 87


Jonathan Rea durfte<br />

auf eine der besten<br />

Maschinen der Welt<br />

steigen. Das war vor<br />

allem viel Arbeit<br />

Und wie schwierig ist es, sich an die MotoGP-<br />

Maschine zu gewöhnen?<br />

Das Superbike ist recht einfach, weil alles etwas<br />

intensiver ist. Es gibt mehr Feedback von den Reifen<br />

und das Chassis bewegt sich etwas besser. Dort<br />

habe ich direkt ein Gefühl auf der Maschine. In<br />

der GP ist das Motorrad etwas steifer und härter.<br />

Die Reifen-Konstruktion ist etwas steifer, also ist<br />

es viel schwieriger, das Limit zu erreichen. Man<br />

kann bis an einen gewissen Punkt gehen, aber<br />

dann muss man der Maschine vertrauen, um<br />

schnell zu sein. Das ist der Punkt, an dem ich Probleme<br />

habe; wenn ich mein volles Vertrauen in<br />

die Maschine stecken muss.<br />

MSM: Wie fühlt es sich an, aktiver Fahrer im<br />

MotoGP-Paddock zu sein?<br />

JONATHAN REA: Ehrlich gesagt, macht es im<br />

Kopf keinen großen Unterschied. Sicher ist die<br />

Infrastruktur anders, die Leute arbeiten anders<br />

und es gibt mehr Fans. Aber in meinem Kopf<br />

denke ich nur daran, das Beste aus der Maschine<br />

zu holen und ein gutes Gefühl zu bekommen.<br />

Wie schwierig ist es, immer wieder zwischen<br />

MotoGP und Superbike hin und her zu<br />

wechseln?<br />

Ich kann nicht lügen, das ist schwierig. Aber was<br />

soll ich machen? Das ist mein Job. Meine Hauptaufgabe<br />

mag in der SBK sein, aber als ich die<br />

Chance bekam, in die MotoGP zu kommen, war<br />

das schon schön. Es wäre aber gut, eine Saison hier<br />

zu starten, mit Tests und so weiter. So waren die<br />

Umstände aber nicht, also konnte ich nur versuchen,<br />

in beiden Serien mein Bestes zu geben. Physisch<br />

ist es nicht so ein Problem, mental auch<br />

nicht, aber auf der Strecke ist es schwierig, sich<br />

anzupassen. Wenn man ein volles Rennwochenende<br />

in der Superbike hat und dann in die MotoGP<br />

kommt, ist es schwierig, am ersten Morgen aufzuwachen<br />

und das Gefühl wiederzubekommen,<br />

das man vorher hatte.<br />

Wie schwer ist es allgemein, an jedem Wochenende<br />

Rennen zu fahren?<br />

Körperlich ist es gut, aber mental ist es sehr<br />

anstrengend. Am Freitag in Aragon war ich zum<br />

ersten Mal etwas erschöpft. Ich wollte mich etwas<br />

ausruhen, aber meine Frau erinnerte mich daran,<br />

dass ich das Media-Debriefing um 16:00 Uhr hatte.<br />

Ich fühlte mich zum ersten Mal etwas müde.<br />

Früher sind einige Fahrer die ganze Saison in<br />

mehreren Serien gestartet. Könntest du dir das<br />

dauerhaft vorstellen?<br />

Ich denke, dass die Fahrer früher, wie zum Beispiel<br />

Freddy Spencer, immer auf der gleichen Strecke<br />

waren und an einem Tag einfach verschiedene<br />

Maschinen gefahren sind. Was ich tue, ist verrückt,<br />

es sind komplett verschiedene Serien, in verschiedenen<br />

Gebieten, zu verschiedenen Zeiten, dazu<br />

kam noch das 8-Stunden-Rennen in Suzuka. Es<br />

gibt ziemlich viel zu tun. Wenn jemand einen<br />

Doppel-Vertrag für Superbike und MotoGP unterschreiben<br />

würde, kann ich mir kaum vorstellen,<br />

wie hart sein Leben sein wäre, denn meins war<br />

schon nach fünf Wochen schwer.<br />

Fotos: milagro, honda<br />

Früher waren die Ergebnisse eher durchwachsen,<br />

wenn Superbike-Fahrer in die MotoGP gewechselt<br />

sind. Jetzt haben Ben Spies und Cal Crutchlow<br />

aber durchaus respektable Resultate eingefahren.<br />

Gibt dir das Selbstvertrauen, dass du es in der<br />

MotoGP auch schaffen könntest?<br />

Ja, sicher. Ich habe jetzt keine Angst vor dem Ort<br />

hier. Ich werde in der MotoGP nicht von den Stars<br />

beeindruckt. Der wichtigste Punkt ist aber, in der<br />

Superbike gibt es viele gute Fahrer, das Problem<br />

ist aber, wenn einer aus der SBK in die GP wechselt,<br />

ist das normalerweise mit einem Privatteam,<br />

beziehungsweise nicht auf der besten Maschine.<br />

Wie kann man von ihm also erwarten, dass er<br />

vorne mitfährt? Du weißt ja, wie es in der GP läuft<br />

und je schlechter das Team ist, mit dem man einsteigt,<br />

desto schwerer wird der Job. Wenn die Fahrer<br />

von der MotoGP in die Superbike gehen,<br />

bekommen sie normalerweise gleich die besten<br />

Plätze. Wenn man also Fahrervergleiche von der<br />

einen Richtung in die andere macht, dann ist das<br />

nicht relevant, weil der Level der Maschinen völlig<br />

unterschiedlich ist.<br />

Es heißt immer, die Bremsen und die Reifen sind<br />

in der MotoGP am schwierigsten zu lernen.<br />

Kannst du für den normalen Beobachter erklären,<br />

was an Karbonbremsen und den Bridgestones<br />

so schwierig ist?<br />

Erstens einmal bringen die Karbonbremsen in der<br />

MotoGP viel mehr Stoppkraft. Außerdem sind sie<br />

viel konstanter. Man kann den Hebel viel härter<br />

und länger in die Kurve hinein ziehen und Bremsdruck<br />

sowie Kraft bleiben gleich. In der Superbike<br />

»Wenn man Casey Stoner ersetzen<br />

muss, ist das eine groSSe Aufgabe. Er<br />

ist einer der besten Fahrer der Welt,<br />

wenn nicht sogar der Beste. Es gibt<br />

keine besonders lange Liste an Fahrern,<br />

die ihn ersetzen können.«<br />

88 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


scheint die Bremse bei Maximaldruck etwas Leistung<br />

zu verlieren, in der MotoGP bleiben die<br />

Stärke und die Schärfe der Bremse aber den<br />

ganzen Bremsweg über da. Was die Reifen betrifft,<br />

so hat der Superbike-Reifen eine viel weichere<br />

Konstruktion, daher bewegt sich der Reifen ständig.<br />

Der Reifen bei den GPs hat eine viel steifere<br />

Konstruktion, was bedeutet, man muss den Reifen<br />

viel härter pushen, damit die Chemikalien im<br />

Reifen zu arbeiten beginnen und Grip liefern.<br />

Wenn man den Reifen nicht so hart pushen kann,<br />

funktioniert das nicht. Daher sieht man, dass die<br />

Fahrer an der Spitze, die so hart pushen und voll<br />

am Limit sind, mehr Grip haben, weil sie den Reifen<br />

mehr zum Arbeiten bekommen. In der Superbike<br />

kann man den Reifen nicht so hart pushen,<br />

sonst stürzt man.<br />

Du bist durch und durch ein Honda-Fahrer. Fühltest<br />

du dich geehrt, als du gebeten wurdest, für<br />

den amtierenden Weltmeister einzuspringen?<br />

Ehrlich gesagt, als ich den Anruf bekam, war es<br />

etwas eigenartig, weil ich nicht wusste, was ich tun<br />

sollte. Der eine Teil von mir wollte nein sagen, weil<br />

ich mich auf die Superbike konzentrieren soll - das<br />

ist auch eine Weltmeisterschaft, die mir und<br />

meinem Team sehr wichtig ist. Der andere Teil<br />

von mir war nicht so überrascht und wollte das<br />

liebend gerne machen. Es war ein Traum von mir,<br />

in dieses Fahrerlager zu kommen, seit ich ein kleiner<br />

Bub war. Jetzt bin ich vielleicht als Ersatzfahrer<br />

hergekommen, aber es ist trotzdem eine gute<br />

Erfahrung. Ich wusste nicht genau, was passieren<br />

würde. Wenn man Casey Stoner ersetzen muss,<br />

ist das eine große Aufgabe. Er ist einer der besten<br />

Fahrer der Welt, wenn nicht sogar der Beste. Es<br />

gibt keine besonders lange Liste an Fahrern, die<br />

so jemanden ersetzen können. Daher haben sie<br />

auf die nächste Weltmeisterschaft geschaut und<br />

das ist die World Superbike. Ich bin dort der beste<br />

Honda-Fahrer, daher machte es für mich Sinn,<br />

herzukommen und für Casey einzuspringen.<br />

Hat es auch dein Selbstvertrauen aufgebaut,<br />

dass Honda das Vertrauen in dich gezeigt hat,<br />

dass du diesen Job machen kannst?<br />

Ich will ihnen ja zeigen, dass ich es kann. Es hat<br />

wohl ein wenig geholfen. Ich habe meine Fähigkeiten<br />

immer gekannt und daran geglaubt und<br />

Honda hat das auch. Ich bin meine ganze Karriere<br />

ein Honda-Fahrer gewesen, fuhr die 8 Stunden<br />

von Suzuka für die HRC und der Sieg dort<br />

dieses Jahr war schön. Ich bin ein Honda-Mann.<br />

Sie glauben sicher nicht, dass ich etwas Besonderes<br />

bin und ich sollte mir wohl auch nichts<br />

darauf einbilden, aber wenn man Casey ersetzen<br />

soll, gibt es eben nicht viele Fahrer, die das<br />

können.<br />

Du hattest sicher die Chance, die Daten der<br />

anderen Honda-Fahrer anzusehen. Was konntest<br />

du daraus lernen und waren da Dinge, die<br />

sie mit der Maschine anstellen, die dich wirklich<br />

beeindruckt haben?<br />

Für mich ist bei den Daten der größte Unterschied<br />

der Punkt, an dem sie die Bremse auslassen.<br />

Ich halte die Bremse etwas zu lange und<br />

baue etwas zu viel Speed ab. Ich muss mehr<br />

Vertrauen haben, die Bremse früher in der<br />

Kurve loszulassen und mit mehr Seitenlage reinzugehen.<br />

Das sieht man am einfachsten an den<br />

Daten. Bei Bremsleistung und Bremskraft bin<br />

ich gleich oder sogar stärker und später als die<br />

anderen. Das Problem ist, sie können früher<br />

loslassen als ich.<br />

Viele Menschen werden nie ein MotoGP-Bike<br />

fahren, daher ist es immer interessant, zu erfahren:<br />

wie war es für dich, als du zum ersten Mal<br />

mit einer MotoGP-Maschine gefahren bist?<br />

Das Erste, das ich mir dachte, war: dieses Ding<br />

beschleunigt schnell und es stoppt schnell. Es ist<br />

aber immer noch ein Motorrad. Wenn man eine<br />

CBR Fireblade fährt, ist das Gefühl nicht so<br />

anders - es ist immer noch ein Motorrad mit zwei<br />

Rädern. Der normale Mensch kann wohl keinen<br />

Unterschied erkennen, bis es an das Maximum<br />

geht. Erst im letzten Bereich merkt man dann,<br />

dass die MotoGP-Maschine verdammt schnell<br />

stoppt und sie unglaublich viel Kraft hat. Beim<br />

ersten Mal dachte ich mir aber nur: ‚Verdammt,<br />

das Ding beschleunigt schnell.‘ Wenn man bei<br />

10.000 Umdrehungen pro Minute ankommt, geht<br />

es einfach weiter, es gibt so viel Kraft.<br />

Der nächste Besuch in<br />

der MotoGP könnte<br />

länger dauern<br />

Der Schritt zurück in<br />

die Superbike war<br />

relativ einfach


Jorge Lorenzo würde auf der Honda allen um die Ohren fahren, ist sich Cal Crutchlow<br />

sicher. Mit der Yamaha kann er das nicht, weil dort anscheinend die eigenen<br />

Pläne nicht umgesetzt werden.<br />

Manche Dinge gehören einfach verboten, das hat sich<br />

wohl schon jeder einmal gedacht. Wer braucht etwa<br />

britisches Essen, Hundemist auf dem Gehsteig, Nachbarn,<br />

die bis 4:00 Uhr früh feiern oder MotoGP-Rennen,<br />

die nach einer halben Runde entschieden sind?<br />

Okay, manches davon ist bereits verboten, aber es ist<br />

sich wohl fast jeder Zweiradfan darüber einig, dass es keinen besonderen<br />

Spaß macht, wenn schon nach den ersten Kilometern klar ist, wer ein<br />

MotoGP-Rennen gewinnen wird. Laut Cal Crutchlow wäre das durchaus<br />

möglich, denn er hat sich dieses Jahr nach dem Rennen in Aragon eine<br />

ganz und gar unschöne Zukunft vorgestellt.<br />

»Niemand konnte die Honda an diesem Wochenende schlagen. Keine<br />

Chance. Ich bleibe dabei: wenn man Jorge auf dieses Bike setzen würde,<br />

dann würde er mit 20 Sekunden Vorsprung gewinnen«, meinte der<br />

Yamaha-Satellitenfahrer. Man stelle sich also vor, Lorenzo wechselt zu<br />

Honda und ist von da weg an keinem Rennwochenende mehr aufzuhalten.<br />

Er holt sich jede Pole Position der Saison, zieht beim Start gleich<br />

um 40 Meter davon und fährt danach in seiner üblichen Manier zahlreiche<br />

Traumrunden am Stück, womit er keinem eine Chance lässt. Im<br />

Prinzip eine schauderhafte Vorstellung, die Lorenzo zwar Legenden-<br />

Status einräumen, aber seine Sieg zu relativ unbeobachteten Angelegenheiten<br />

machen würde.<br />

Da mit diesem Szenario vertragsbedingt aber die kommenden beiden<br />

Jahre nicht zu rechnen ist, lohnt es sich, auf den anderen Aspekt von<br />

Crutchlows Vision zu blicken: Yamaha hat wieder einmal einen Motor<br />

gebaut, der dem von Honda anscheinend nicht ebenbürtig ist. Lorenzo<br />

beklagte sich bereits über weite Teile der Saison 2012 über fehlenden<br />

Top-Speed, laut Crutchlow ist das Problem gegen Jahresende aber wirklich<br />

beträchtlich geworden. »Wir haben im Vergleich zu den Hondas<br />

null Beschleunigung, null Top-Speed. Selbst Bradl auf dem Satellitenbike<br />

kommt locker auf der Geraden vorbei. Ich meine, er hat ein echt gutes<br />

Bike. Wenn er hinter Jorge gefahren wäre, wäre er auch mit Leichtigkeit<br />

an ihm vorbeigefahren. Ich denke, wir müssen uns zusammensetzen<br />

und die Situation mit Yamaha analysieren und sehen, was wir tun kön-<br />

90 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Eine<br />

kraftvolle<br />

Text: Maria Pohlmann & Falko Schoklitsch<br />

Vision<br />

Fotos: milagro<br />

»Wir haben im Vergleich zu den Hondas<br />

null Beschleunigung, null Top-Speed.<br />

Selbst Bradl auf dem Satellitenbike<br />

kommt locker auf der Geraden vorbei.<br />

Ich meine, er hat ein echt gutes Bike.«<br />

nen. Sicher hilft das dieses Jahr nicht mehr viel, aber für nächstes Jahr<br />

wird das wichtig«, sagte der Brite.<br />

Menschen mit einem guten Gedächtnis werden vielleicht noch die Saison<br />

2011 im Hinterkopf haben und erinnern sich noch an Lorenzos<br />

Rückblick auf die letzte 800er-Saison, bei der er unter anderem meinte:<br />

»Die Honda RC212V war ein besseres Motorrad als die Yamaha. Sie<br />

war besser in der Beschleunigung und in der Traktion, zwei Charakteristiken,<br />

die es erlaubt haben, in jedem Kurvenausgang wertvollen Boden<br />

gut zu machen. Die M1 war zwar in den Kurveneingängen besser, aber<br />

es war nicht genug, um unter gleichen Voraussetzungen zu kämpfen.<br />

Mit der 1000er scheint der Leistungsunterschied geringer zu sein, denn<br />

sie dreht mehr nach hinten raus.«<br />

Um wieder ein paar Euro ins Phrasenschwein werfen zu können, das<br />

war dann wohl ein Satz mit X. Trotz des Wissens, dass es in den vergangenen<br />

Jahren gerade bei der Motorkraft immer fehlte, hat Yamaha<br />

gerade in diesem Bereich wieder ordentlich Rückstand aufgerissen.<br />

Von der Fahrbarkeit ist die Maschine nach wie vor das Beste, was es<br />

in der MotoGP gibt, nur genügt das eben nicht. 2013 wird Yamaha<br />

mit Lorenzo und Valentino Rossi versuchen, gegen die kraftvolle<br />

Honda-Macht zu bestehen, die mit Dani Pedrosa und Marc Marquez<br />

dann noch dazu zwei Leichtgewichte auf ihre Werksmaschinen setzt.<br />

Sollte die Schere sich dann weiter öffnen, könnte Crutchlows Vision<br />

von einem Lorenzo, der dem Feld auf der kraftvollen Honda um 20<br />

Sekunden enteilt, ja vielleicht doch noch irgendwann wahr werden.<br />

Dann könnte es durchaus einige geben, die meinen, so etwas gehört<br />

verboten.<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 91


Text: Falko Schoklitsch<br />

KEIN<br />

TRÄUMER<br />

Bradley Smith<br />

macht 2013<br />

den Sprung in<br />

die MotoGP. Im<br />

Gespräch mit<br />

dem <strong>Motorsport</strong>-<br />

<strong>Magazin</strong> erklärt<br />

er, warum sich<br />

damit für ihn kein<br />

Traum erfüllt.<br />

92 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 93<br />

Fotos: milagro


Bradley Smith hat sich<br />

2012 mit der Mistral<br />

610 von Tech 3<br />

respektabel durch die<br />

Saison gekämpft<br />

Fotos: milagro<br />

Haben Sie schon einmal davon geträumt, nicht zu träumen? Das klingt natürlich<br />

irrsinnig paradox und das wäre es wohl auch. Aber es gibt durchaus Menschen,<br />

die keine Träume haben, sondern einfach tun und machen und dann<br />

sehen, wo das hinführt. So jemand ist Bradley Smith, der sich dadurch im<br />

kommenden Jahr auch nicht den Traum von der MotoGP erfüllt, sondern<br />

einfach dort einsteigt, um zu sehen, wo es hinführt. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

hat mit dem Briten über die bevorstehende Aufgabe gesprochen.<br />

MSM: Es ist alles unter Dach und Fach. Ich kann mich erinnern, als wir in<br />

Mugello geplaudert haben und du meintest, eigentlich sei für die MotoGP<br />

alles sicher. Dennoch gab es einige Spekulationen danach. Wie erleichtert<br />

warst du, als es endlich offiziell war?<br />

BRADLEY SMITH: Es ist jetzt schön, dass es keine Fragezeichen mehr gibt.<br />

Für mich gab es ohnehin nie ein Fragezeichen, aber ja, die offizielle Bestätigung<br />

in Brünn zu bekommen, war wirklich gut. Ich glaube, es fühlte sich dann auch<br />

echter an. Die MotoGP fühlte sich immer sehr weit weg an, aber jetzt ist es<br />

realer, wir können Pläne für die Tests, für mein Trainingsprogramm und die<br />

Vorbereitung nächstes Jahr machen. Jetzt kann man das alles planen, weil man<br />

es sicher weiß. Daher waren es nach Brünn ein paar schöne Wochen, um für<br />

nächstes Jahr zu planen.<br />

Du wolltest dich sicher weiter voll auf den Rest der Moto2-Saison konzentrieren,<br />

aber war es schwierig, manchmal mit den Gedanken nicht doch nach<br />

vorne zu springen?<br />

Ich weiß nicht. Es war dieses Jahr harte Arbeit. Ich weiß, die MotoGP kommt<br />

und ich denke, das Schönste für mich ist, dass mich das angetrieben hat. Ich<br />

kann mich auf den Dienstag nach Valencia freuen, dass ich dort die Möglichkeit<br />

habe, die MotoGP-Maschine zu fahren und ich nehme an, das ist für mich das<br />

Licht am Ende des Tunnels. Die Saison war hart, es war viel Arbeit und brauchte<br />

viel Entschlossenheit, weiterzumachen und Ergebnisse zu holen. Das Wissen,<br />

dass ich das MotoGP-Bike im November fahre, ist mein Fokus, ich zähle jetzt<br />

die Tage herunter.<br />

Britische Rennfans können recht kritisch sein. Es gibt da durchaus ein paar,<br />

die meinen, du hättest noch ein Jahr in der Moto2 bleiben sollen, du hättest<br />

nicht genug gezeigt und so weiter. Was hast du ihnen zu sagen?<br />

Britische Fans und Journalisten sind so. Jeder hat das Recht zu seiner eigenen<br />

Meinung. Ich stimme einigen Kommentaren sogar zu, aber widerspreche<br />

anderen. Ich würde gerne ein paar Leute vom Gegenteil überzeugen und jenen,<br />

die an mich glauben und mir vertrauen, beweisen, dass sie das Richtige tun.<br />

Es wird immer Leute geben, die eine andere Meinung haben. Es wird immer<br />

Fans und Journalisten geben, die manchmal Blödsinn erzählen. So ist das<br />

Leben, egal ob in diesem Fahrerlager oder bei der Arbeit im Büro. Es wird<br />

immer jemanden geben, der meint, er kann einen besseren Job machen oder<br />

es gibt jemand, der alles besser zu wissen glaubt. Solange ich weiter meinen<br />

Schon die Moto2<br />

war hart, die<br />

MotoGP wird<br />

garantiert nicht<br />

einfacher sein<br />

94 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Job gut erledige und ich die Leistung bringe, die ich meiner Meinung nach<br />

bringen kann, wird jeder zufrieden mit dem Ergebnis sein.<br />

Als wie schwierig erwartest du den Umstieg? Jeder sagt, es ist ein großer<br />

Sprung von der Moto2 in die MotoGP, wie groß wird er deiner Meinung<br />

nach?<br />

Ich erwarte nicht, dass es einfach wird. Ich werde es wohl nicht wissen, bis<br />

ich die Maschine fahre. Valencia wird schön, das ist eine Strecke, die ich gut<br />

kenne. Hoffentlich ist es trocken, kann ich ein paar gute Runden zurücklegen<br />

und die Maschine kennenlernen. Es gibt so viel zu lernen, bei der Elektronik,<br />

den Reifen, den Bremsen. Es wird völlig anders, aber die Yamaha ist eine echt<br />

gute Maschine. Das haben wir mit Lorenzo, Cal, Dovizioso und Spies gesehen.<br />

Sie sind konstant unter den Top-6. Daher ist das eine gute Maschine für die<br />

Rookie-Saison. Ben und Cal kamen als Rookie auf die Yamaha und machten<br />

einen guten Job. Es wird sicher nicht einfach, aber ich denke, mit der Yamaha<br />

wird es noch am einfachsten, wenn das Sinn macht.<br />

Wie angenehm wird es für dich, Cal Crutchlow als Teamkollegen zu haben<br />

und mit ihm arbeiten zu können? Wird das den Umstieg etwas einfacher<br />

machen?<br />

Ich kann viele Fragen stellen, was immer gut ist. Ob ich die Antworten<br />

bekomme, das weiß ich nicht. Ich werde aber zumindest fragen. Es ist aber<br />

schön, dass er gute Ergebnisse holt, damit kann ich als Rookie kommen und<br />

in den ersten drei, vier Rennen mein Ding machen. Danach sehen wir, wie<br />

es weiterläuft.<br />

Es ist zwar noch viel zu früh, um über Erwartungen zu sprechen, aber du<br />

hast sicher ein paar Ziele für dein Rookie-Jahr, außer nur zu lernen...<br />

Das Wichtigste für mich ist der »Rookie of the<br />

Year«-Titel. Ich hätte wirklich, wirklich gerne eine<br />

Chance, darum mitzukämpfen, wenn ich gegen<br />

Marquez und Iannone als Rookie fahre. Ich hoffe,<br />

ich kann gegen sie kämpfen. Meine Maschine ist<br />

sicher gut genug, es wird also an mir liegen, gegen<br />

sie zu bestehen. Was den Platz in der Gesamtwertung<br />

betrifft, so möchte ich wohl in etwa so<br />

abschneiden wie Stefan Bradl dieses Jahr, also so<br />

sechster, siebter, achter Platz. An manchen<br />

Wochenenden können wir vielleicht näher an den<br />

Top-5 sein und an anderen nicht. Ich glaube, die<br />

Position in den Top-8 ist erreichbar. Die Yamaha<br />

M1 ist gut genug dafür, es wird an mir liegen, das<br />

zu erreichen.<br />

Jorge und Valentino werden nächstes Jahr im<br />

Yamaha-Werksteam fahren. Erwartest du, von<br />

ihnen auch etwas zu lernen?<br />

Einer der schönen Aspekte bei Yamaha ist, dass die<br />

Daten für jeden frei zugänglich zu sein scheinen.<br />

Wenn man die Daten von einem neunfachen<br />

Weltmeister nach der Session zur Verfügung<br />

hat und dann noch die Daten vom wohl<br />

amtierenden Weltmeister, so etwas wird sehr nützlich<br />

für mich im Rookie-Jahr sein. Ich glaube nicht,<br />

dass man es noch besser erwischen könnte.<br />

»Es gibt so viel zu<br />

lernen, bei der Elektronik,<br />

den Reifen,<br />

den Bremsen. Es<br />

wird völlig anders,<br />

aber die Yamaha ist<br />

eine gute Maschine.«<br />

dachte nie, dass ich Straßenrennen fahren würde. Als ich noch Motocross<br />

fuhr, glaubte ich nicht, dass ich jemals Straßen-Rennfahrer sein würde. Als<br />

ich mit Straßenrennen begann, dachte ich nicht, dass ich es in die Weltmeisterschaft<br />

schaffen würde. Als ich in die Weltmeisterschaft kam, dachte ich<br />

nie, dass ich ein Rennen gewinnen würde. Ich beweise mir konstant das<br />

Gegenteil. Ich werde in die MotoGP kommen und schauen, was ich schaffen<br />

kann. Es ist ziemlich surreal, ich bin da in einer eigenartigen Situation, dass<br />

ich in die MotoGP komme und ein Bike erhalte, das es auf das Podest schaffen<br />

kann. Ich dachte nie, dass ich das tun würde, also ist das eine weitere Überraschung,<br />

so wie jedes Wochenende.<br />

Wie sehr freust du dich auf deinen ersten britischen Grand Prix als<br />

MotoGP-Fahrer?<br />

Das wird sehr, sehr aufregend. Obwohl ich dieses Jahr nur die erste Runde<br />

geführt habe, so war das erst der Anfang. Das war nur ein klein wenig davon,<br />

wie es beim britischen Grand Prix sein kann. Silverstone ist eine tolle Strecke,<br />

auf der ich gerne fahre. Ich kann es nicht erwarten, dort mit einem MotoGP-<br />

Bike zu fahren. Das wird so schnell sein, meine Augen werden weit aufgerissen<br />

sein. Ich freue mich wirklich darauf.<br />

Ich weiß ja nicht, ob du abergläubisch bist, aber nach dem, was James<br />

Toseland und Cal Crutchlow beim britischen Grand Prix so passiert<br />

ist, hast du da Angst, dass auch dir was Schlimmes passieren könnte?<br />

Das war natürlich Pech für sie. Aber ich habe jetzt sieben Mal am Großbritannien<br />

GP teilgenommen und scheine da immer ganz gute Ergebnisse<br />

zu holen. Ich habe gezeigt, dass ich dem gewachsen bin. Ich habe<br />

eine gute Gruppe an Leuten um mich, die einen guten Zeitplan rund<br />

um den Grand Prix für mich aufstellt. Das macht einen großen<br />

Unterschied.<br />

Smith hat keine<br />

Angst vor dem<br />

britischen Fluch<br />

beim Heimrennen<br />

Ich nehme an, die MotoGP war seit Kindheitstagen<br />

ein Traum für dich. Hattest du dir gedacht, du<br />

könntest den Sprung in die MotoGP schaffen und<br />

dann gleich auf einer Maschine sitzen, die fähig ist,<br />

auf das Podest zu fahren?<br />

Es klingt eigenartig, aber ich träume nicht. Ich<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 95


Fotos: milagro<br />

Bradley Smith<br />

wird 2013<br />

zusammen mit Cal<br />

Crutchlow die<br />

MotoGP unsicher<br />

machen<br />

Danny Kent und<br />

Scott Redding<br />

zählen zu den<br />

stärksten<br />

britischen<br />

Jungtalenten<br />

96 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Von einer Ein-Mann-Vertretung ist das britische Kontingent<br />

in der GP-Weltmeisterschaft in den vergangenen Jahren auf<br />

respektable GröSSe angewachsen. Ein kopierfähiges<br />

Erfolgsmodell?<br />

Text: Falko Schoklitsch<br />

Die Formel für Erfolg würde jeder gerne kennen, immerhin<br />

wäre es doch praktisch, wenn sich einfach nach einem<br />

bestimmten Muster wieder und wieder Positives erreichen<br />

ließe. Gerade etwas knapp bei Kasse? Kein Problem,<br />

die Formel richtig angewandt und das Konto ist wieder gut gefüllt.<br />

Der Erfolg fehlt? Einfach die Formel umsetzen und alles läuft super.<br />

International irrelevant? Die Formel genutzt und die Welt blickt auf<br />

einen. Ein schönes Szenario, das so natürlich nie funktionieren kann,<br />

da wohl jeder gleichzeitig die Formel anwenden wollen würde und<br />

nicht jeder Erster, Reichster oder Bekanntester sein kann. Oder aber<br />

es gewinnen alle und dass es nicht besonders viel bringt, wenn<br />

1.000.000 Menschen einen Sechser im Lotto haben, ist auch mathematisch<br />

Unbegabten klar.<br />

Trotzdem wird weiter nach der Formel für Erfolg gesucht, auch in<br />

Bereichen, in denen andere bereits erfolgreich waren. Das ist eben<br />

ein weiteres Problem, die Anzahl der Variablen ist enorm und macht<br />

eine erfolgreiche Auflösung kompliziert. Wäre es einfach, hätte Großbritannien<br />

seit Jahren eine starke Abordnung in der GP-Weltmeisterschaft<br />

und Bradley Smith hätte dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> nicht sagen<br />

müssen: »Als ich 2006 hierherkam, war das für mich ein ziemlich<br />

einsamer Ort.« Seitdem hat sich viel getan, die Zahl der Briten in der<br />

Weltmeisterschaft ist kontinuierlich gewachsen und es deutet sich an,<br />

dass es in Zukunft durchaus noch mehr werden könnten. Zeichnet<br />

sich da eine Erfolgsgeschichte ab? Könnte sich daraus eine Formel<br />

ableiten lassen, mit der auch andere Länder ihre Präsenz in der Weltmeisterschaft<br />

vergrößern können? Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> hat sich<br />

auf Spurensuche begeben.<br />

Fest steht, in Moto3, Moto2 und MotoGP gibt es Briten, die starke<br />

Ergebnisse holen können und in der Superbike-WM muss sich das<br />

Volk von der Insel nicht unbedingt als Minderheit fühlen. »Das ist<br />

echt gut, dass wir viele Briten im MotoGP-Paddock haben. Bradley<br />

war der Erste und er war sicher einsam, weil er nicht viele Leute hatte,<br />

mit denen er reden konnte. Ich hatte ziemliches Glück, denn ich<br />

kannte ihn schon, bevor ich herkam. Daher wusste ich, an wen ich<br />

mich wenden kann«, meinte Moto3-Pilot Danny Kent im Gespräch<br />

mit dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Er ist seit 2011 als Stammfahrer in der<br />

Weltmeisterschaft dabei, wird 2013 in die Moto2 wechseln und hatte<br />

sich über den Red Bull Rookies Cup in die Weltmeisterschaft gearbeitet.<br />

Aus seiner Sicht ist dies der beste Weg, um nach oben zu kommen<br />

und er ging davon aus, dass weitere seiner Landsleute dadurch<br />

den Weg nach oben schaffen. »Es gibt mehr und mehr Talente in<br />

England. Sie lernen dazu. Der Red Bull Rookies Cup hilft auch, da<br />

sind ein paar Briten dabei. Ich bin mir sicher, in Zukunft kommen<br />

noch ein paar britische Fahrer in die GPs.«<br />

→<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 97


Um aber überhaupt Fahrer im Rookies Cup zu haben, muss es an der<br />

Basis stimmen. Davon geht Smith aus, der den Aufschwung der<br />

britischen Meisterschaft als Ursache dafür sieht, dass mehr und mehr<br />

Fahrer von der Insel in die Zweirad-Weltmeisterschaften strömen.<br />

»Ich denke, die britische Meisterschaft ist als Rennserie wohl die<br />

drittbeste der Welt. Wir haben die MotoGP, wir haben die WSBK,<br />

aber die britische Meisterschaft ist als Event dicht dahinter. Vor allem<br />

als Viertakt-Serie mit den Superbikes. Da kommen einige Talente<br />

raus. Ich freue mich, dass sich die Meisterschaft seit 2005/2006 stark<br />

verändert hat. Ich denke sogar, wir haben die spanische Meisterschaft<br />

in punkto Geld, Fahrer und Unterstützung überholt. Das ist schön<br />

zu sehen. Wie man sehen kann, hat sich dies nun auf die World<br />

Superbike und die GPs ausgewirkt. Großbritannien als Land und<br />

die Organisatoren der britischen Meisterschaft haben einen guten<br />

Job gemacht. Sie haben viel Geld und Zeit investiert und die Meisterschaft<br />

nach vorne gebracht. Ihnen ist viel zu verdanken«, meinte<br />

Smith.<br />

Womit er aber auch schon zwei Variablen angesprochen<br />

hatte, die anderswo zum Stolperstein werden<br />

können: Geld und Zeit. Meistens braucht es einmal<br />

die besondere Anstrengung weniger oder sogar<br />

nur eines Einzelnen, um etwas in Gang zu setzen,<br />

wenn dann andere aufspringen, ist der erste Keim gesät. In der britischen<br />

Meisterschaft gab es früher aber auch ein anderes Problem,<br />

das dazu führte, dass kaum frische Talente international ihren Weg<br />

machten. »Früher war keiner stark genug. Wir hatten viele alte Fahrer,<br />

die in der britischen Meisterschaft die Plätze besetzten. Es gab<br />

nicht wirklich einen Weg für britische Fahrer, um<br />

sich durchzuboxen. Die Strecken in der Meisterschaft<br />

waren nicht so toll, die Meisterschaft war<br />

auch nachlässig, weil sie nicht mit Pirellis fuhr. Jetzt<br />

fährt die World Superbike mit Pirellis und die britische<br />

Meisterschaft ebenfalls, da kann man besser<br />

vergleichen. Wenn man diese Rundenzeiten direkt<br />

vergleicht und das zusammenlegt, gibt das den<br />

Fahrern die Chance, nach oben zu kommen. Als<br />

sie mit Dunlops fuhren, dachte jeder, vielleicht ist<br />

der Dunlop besser oder schlechter und das bedeutet<br />

vielleicht dies und jenes. Jetzt ist das besser. Außerdem<br />

gibt es viel Werksunterstützung in der britischen<br />

Meisterschaft. Viele Werke haben entschlossen,<br />

dass sie dort mitmischen wollen. Jetzt gibt es<br />

genug Geld, viele Talente, der Level ist sehr hoch.<br />

Statt vier guter Fahrer in jeder Klasse haben wir acht und das macht<br />

alle anderen besser. An der Spitze der Pyramide sind jetzt eben drei<br />

Leute und nicht einer«, erklärte Smith.<br />

Dadurch rücken auch immer wieder neue Talente nach. John McPhee<br />

durfte Ende 2012 bereits mehrere Einsätze fahren, aber auch sonst<br />

gibt es einige, die es schaffen könnten. Kyle Ryde gilt als starkes<br />

Talent, Bradley Ray ebenfalls. »Es sind da jetzt nicht 20 Leute, die<br />

nach einem Platz suchen, aber wir haben zwei, drei gute Fahrer, die<br />

es hierher schaffen und damit den Zuwachs an britischen Fahrern<br />

fortsetzen könnten«, war Smith überzeugt. Auch für einen direkten<br />

Einstieg in die MotoGP gibt es Kandidaten. So machen sich die<br />

Zwillinge Alex und Sam Lowes in der Supersport-Weltmeisterschaft<br />

einen Namen und könnten über den Umweg Superbike-WM in die<br />

Königsklasse kommen. Und Jonathan Rea wäre für Honda ohnehin<br />

ein Wunschkandidat für die MotoGP, für 2013 scheiterte es eher daran,<br />

dass Gresini Honda seinen Sponsoren Fahrer anderer Nationalität<br />

liefern musste. Dennoch ist Rea ebenfalls Teil des großen britischen<br />

Aufschwungs und wie Smith sah er die Basis dafür in der britischen<br />

Meisterschaft. »Da waren nicht nur ich und Cal [Cruchlow], sondern<br />

viele starke Fahrer in der BSB. Sie kamen alle von dort, die Serie hat<br />

ein hohes Niveau, die Strecken sind gut und die Teams stark. Dort<br />

lässt sich gut lernen. Wenn man sich jetzt umschaut, sind da nicht<br />

nur Spanier und Italiener, die Briten bekommen etwas mehr Respekt.<br />

Das ist recht gut«, betonte Rea im Gespräch mit dem <strong>Motorsport</strong>-<br />

<strong>Magazin</strong>. Der Respekt ist 2012 auch weiter gewachsen, weil Tom Sykes<br />

in der Superbike-WM den Titel nur um 0,5 Punkte verpasst hat und<br />

weil Cal Crutchlow das erste britische MotoGP-Podest seit Jeremy<br />

McWilliams im Jahr 2000 herausfahren konnte. Der letzte britische<br />

Sieg in der höchsten Klasse ist derweil über 30 Jahre her, 1981 fuhr<br />

Barry Sheene in Anderstorp als bislang letzter Brite in einem Rennen<br />

der 500cc/MotoGP als Erster über die Linie.<br />

Trotz der steigenden Zahl an Briten in der Weltmeisterschaft wollte<br />

Crutchlow deswegen auch noch nicht von einem Erfolg sprechen.<br />

Denn dafür ist die Erfolgsquote aus seiner Sicht noch zu gering. »Sie<br />

haben sich noch nicht wirklich bewiesen, was mich betrifft«, meinte<br />

er gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> über den jungen Nachwuchs.<br />

»Wie viele Siege hatten sie?« Für Crutchlow ist die wirkliche Erfolgsformel<br />

erst dann gefunden, wenn die Briten in der MotoGP wieder<br />

gewinnen. Zwar übersah er nicht, dass der Nachwuchs kommt und<br />

in den kleinen Klassen gut mithält, doch das zählt aus seiner Sicht<br />

vorerst nicht.<br />

»Der Test ist, wenn man<br />

hierher in die MotoGP<br />

kommt. Man kann in der<br />

Superbike oder der Supersport<br />

von mir aus<br />

die ganze Zeit vorne mitfahren,<br />

aber wenn man<br />

in diese Meisterschaft<br />

kommt, sieht man den Un-<br />

»Der Test ist, wenn man<br />

hierher in die MotoGP<br />

kommt. Man kann in der<br />

Superbike oder der Supersport<br />

von mir aus die ganze<br />

Zeit vorne mitfahren, aber<br />

wenn man in diese Meisterschaft<br />

kommt, sieht man den<br />

Unterschied. Das betrifft<br />

nicht nur die Maschinen,<br />

sondern auch die Fahrer. Da<br />

sieht man den echten Vergleich,<br />

wie gut die Fahrer<br />

terschied.«<br />

sind. Es braucht Zeit. Hier in<br />

dieser Weltmeisterschaft gibt es sehr starke Leute«, erklärte er. Und<br />

auch in der Moto2 oder Moto3 wollte er die Quantität noch nicht mit<br />

Qualität gleichsetzen. So fahren Smith und sein Landsmann Scott<br />

Redding in der Moto2 durchaus gut mit, Crutchlow sagte dazu: »Sie<br />

sind aber nicht Marquez, Iannone oder Pol Espargaro im Moment.«<br />

Für ihn stand fest, aktuell gibt es überall noch stärkere Fahrer als ihn<br />

und seine Landsleute. Daher war es für ihn das Beste, mit einem finalen<br />

Urteil zum Erfolg der britischen Formel noch abzuwarten. »Die Wahrheit<br />

zeigt sich dann, wenn alle in die MotoGP kommen. Ich glaube,<br />

dass sie es bei den GPs nach vorne schaffen können, ich weiß nur nicht,<br />

wann. Es braucht Zeit, aber Moto3 und Moto2 sind auf einem gewissen<br />

Level und MotoGP ist dann zehn Mal härter als sie es erwarten würden.<br />

Da muss man im Kopf sehr stark sein, das kann ich dir sagen.«<br />

98 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Fotos: milagro<br />

Cal Crutchlow<br />

holte 2012 das<br />

erste britische<br />

MotoGP-Podest<br />

seit zwölf<br />

Jahren<br />

Im Alter von nur<br />

15 Jahren holte<br />

Scott Redding<br />

den 125cc-<br />

Heimsieg in<br />

Donington<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 99


Für Mugello schulte<br />

Iannone kurzzeitig zum<br />

Feuerwehrmann um<br />

Seinen ersten<br />

GP-Sieg<br />

feierte er<br />

2008<br />

Im Kampf um den<br />

Sieg kennt er<br />

nichts<br />

2013 startet<br />

Iannone in der<br />

MotoGP<br />

Iannone hält alle<br />

Moto2-Fahrer für<br />

harte Rivalen<br />

Eine<br />

Lieblingsstrecke<br />

gibt<br />

es für ‚Crazy<br />

Joe‘ nicht


Ein<br />

Vogel<br />

Woran denkt ein Motorradfahrer, der kurz davor ist, in die MotoGP aufzusteigen:<br />

An erreichte Ziele, den WM-Titel und damit die Erfüllung aller Wünsche?<br />

Nicht nur. Andrea Iannone hat noch einen ganz besonderen Traum.<br />

Er ist eben anders.<br />

Text: Maria Pohlmann<br />

Viele kritisieren ihn, andere lieben<br />

ihn: Andrea Iannone ist eine<br />

umstrittene Persönlichkeit im GP-<br />

Paddock und nicht nur mit seinen<br />

Bike-Designs ein wahrlich bunter<br />

Vogel. Seine starken Ergebnisse, auf der teilweise<br />

unterlegenen Speed-Up-Maschine, lassen viele<br />

Zweifler verstummen und zumindest leistungstechnisch<br />

kaum Raum für Kritik. Im kommenden<br />

Jahr wird der 23-Jährige dafür von Ducati<br />

mit einer Werks-Maschine im Pramac Team<br />

belohnt und kommt dem Traum eines jeden<br />

Motorradfahrers einen großen Schritt näher. Mit<br />

1,78 Meter sollte der Italiener zumindest was die<br />

Körpergröße anbelangt, perfekt in die Königsklasse<br />

passen. Mit dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />

unterhielt sich Iannone über die Nachteile im<br />

Speed-Master Team 2012 und seine Erwartungen<br />

für die MotoGP. Außerdem verriet ‚Crazy Joe‘,<br />

wovon er abseits der Rennstrecke träumt.<br />

erster Sieg, als ich noch in der 125ccm-Klasse<br />

gefahren bin und es in China auf den obersten<br />

Platz auf dem Treppchen geschafft habe. Das<br />

Schlimmste war, als ich 2006 mein Bike verloren<br />

habe und mich mein damaliger Chef-Mechaniker<br />

einfach stehen ließ.<br />

Du hast die Ducati schon testen dürfen. Was<br />

waren deine ersten Gedanken dabei?<br />

Der Test war großartig. Es war eine unglaubliche<br />

Erfahrung und natürlich war alles neu für mich.<br />

Am Ende des Tages hat sich alles als sehr gut<br />

herausgestellt. Der Eindruck, den ich mitnahm,<br />

war definitiv positiv.<br />

Was war für dich der größte Unterschied zwischen<br />

Moto2 und MotoGP?<br />

Die Kraft der MotoGP-Maschine ist beeindruckend<br />

und ich würde sagen, dass das auch der<br />

größte Unterschied war.<br />

Fotos: milagro<br />

MSM: Wie schwierig ist es, in diesem Jahr ein<br />

Rennen zu gewinnen?<br />

ANDREA IANNONE: Es ist immer schwer, ein<br />

Rennen zu gewinnen, nicht nur in diesem Jahr.<br />

Das Niveau in der Moto2-Klasse ist extrem hoch.<br />

Wer sind deine härtesten Rivalen?<br />

Da fallen mir einige ein, wie Marquez, Espargaro<br />

und Redding, aber um ehrlich zu sein, denke ich,<br />

dass alle Fahrer hier harte Rivalen sind. Man<br />

muss in jedem Rennen gegen unheimlich viele<br />

schnelle Jungs kämpfen.<br />

Wie würdest du deine Saison bisher<br />

beschreiben?<br />

Ich kann auf jeden Fall sagen, dass es in dieser<br />

Saison besser läuft als im letzten Jahr.<br />

Was ist deine beste Rennerinnerung? Welche ist<br />

die schlechteste?<br />

Meine beste Rennerinnerung ist definitiv mein<br />

»Ich mache mir<br />

keine Sorgen<br />

um das nächste<br />

Jahr. Ich steige in<br />

die MotoGP auf<br />

und muss damit<br />

anfangen, viel zu<br />

lernen.«<br />

Machst du dir über das Potential der Ducati im<br />

nächsten Jahr Sorgen?<br />

Ich mache mir allgemein keine Sorgen um das<br />

nächste Jahr. Ich steige in die MotoGP auf und<br />

muss anfangen, viel zu lernen. 2013 ist das Jahr,<br />

in dem ich so viel wie möglich lernen muss, so<br />

viel Erfahrungen wie möglich sammeln muss,<br />

was unheimlich wichtig wird, um im Laufe der<br />

Zeit besser zu werden. Ich erwarte nicht, auf das<br />

Bike zu steigen und direkt zu gewinnen. Das ist<br />

ein Weg, den man Schritt für Schritt gehen muss<br />

und ich werde ihn sorgfältig gehen und idealerweise<br />

auf dem Weg immer stärker werden, während<br />

ich mehr Erfahrungen sammle.<br />

Stört es dich, dass du nicht mit dem Moto2-Titel<br />

in der Tasche in die Königsklasse aufsteigen<br />

kannst?<br />

Mir ist klar, dass ich in den drei Jahren in der<br />

Moto2 die Chance hatte, den Titel zu holen und<br />

es tut mir leid, dass ich es nicht geschafft habe. →<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 101


Den Titel zu gewinnen, liegt nicht immer komplett<br />

in der Hand des Fahrers, also würde ich<br />

nicht wirklich sagen, dass es mein Fehler ist,<br />

wenn ich nicht die richtigen Ergebnisse<br />

bekomme. Alles muss perfekt laufen und es spielen<br />

sehr viele Faktoren mit hinein, die ineinander<br />

verschmelzen müssen. Ich hatte vielleicht einige<br />

Möglichkeiten, die am Ende nicht richtig ausgingen,<br />

aber wenn ich solche Dinge entschieden<br />

habe, erschienen sie mir als die besten Optionen.<br />

Ehrlich gesagt, konnte ich die Zukunft und das<br />

Ergebnis einiger Geschehnisse nicht voraussehen,<br />

aber ich bereue in diesen drei Jahren nichts.<br />

Ich war seit 2010 unter den Top-Piloten in der<br />

Moto2 und das ist nicht leicht. Ich habe Rennen<br />

gewonnen und fuhr großartige Kämpfe um die<br />

Meisterschaft.<br />

Hast du ein Vorbild?<br />

Valentino Rossi! Jetzt, da ich weiß, dass ich ab<br />

der nächsten Saison in einer Klasse mit ihm<br />

fahren werde, fühlt es sich wunderbar an. Er ist<br />

ein unglaublicher Fahrer. Ich erinnere mich<br />

daran, dass ich seine Rennen schon im TV verfolgt<br />

habe, als er noch in der 125er-Klasse fuhr,<br />

also etwas vor zehn Jahren. Jetzt sind wir Freunde<br />

und ich halte sehr viel von ihm. Ich glaube und<br />

hoffe, dass unsere Freundschaft andauern wird,<br />

auch wenn wir in der gleichen Klasse gegeneinander<br />

fahren und dann Rivalen sein müssen.<br />

Valentino und Uccio haben mich immer unterstützt<br />

und mir viele wichtige Ratschläge gegeben,<br />

was ich wirklich schätze.<br />

Welche Vorteile werden du und Ben Spies im<br />

nächsten Jahr mit der direkten Unterstützung<br />

von Ducati haben?<br />

Ich weiß nicht genau, was im Vertrag von Ben<br />

Spies steht, aber ich persönlich habe die Bestätigung,<br />

das gleiche Bike wie Dovizioso und<br />

Hayden zu bekommen.<br />

Durch die Wirtschaftskrise scheinen einige Spanier<br />

ihre Saison nicht beenden zu können.<br />

Denkst du, es ist ein Vorteil, Italiener zu sein?<br />

Um ehrlich zu sein, denke ich eher, dass es in<br />

dieser Meisterschaft ein Vorteil ist, Spanier<br />

anstatt Italiener zu sein.<br />

Hast du während der Saison Updates für dein<br />

Speed Master Bike bekommen? Hättest du dir<br />

mehr gewünscht?<br />

Was die Updates angeht: Nicht wirklich. Ich hatte<br />

auf mehr gehofft. Wenn wir uns die Hersteller<br />

wie Kalex ansehen, dann bemerkt man, dass sie<br />

schon seit Jahren im Geschäft sind und sie sich<br />

seit Saisonbeginn stetig verbessern konnten,<br />

angetrieben vom Siegeswunsch und von den<br />

Arbeitsmitteln, die sie zur Entwicklung ihrer<br />

Bikes zur Verfügung haben. Wir haben den<br />

Wunsch und den Antrieb zu gewinnen und uns<br />

zu verbessern, aber die Mittel, das Bike zu verbessern<br />

und weiterzuentwickeln, sind nicht die<br />

gleichen wie bei den anderen Herstellern. Mit<br />

Iannone liebt<br />

nicht nur die<br />

Kameras<br />

»AuSSerdem<br />

würde ich gerne<br />

Angelina Jolie ins<br />

Bett kriegen, obwohl<br />

ich natürlich<br />

weiSS, dass<br />

ich nicht wie Brad<br />

Pitt aussehe.«<br />

reiner Leidenschaft kann man leider keine Rennen<br />

gewinnen.<br />

Wie würdest du das Niveau deines Bikes im<br />

Vergleich zu denen der Rivalen beschreiben?<br />

Es ist auf jeden Fall nicht auf dem gleichen<br />

Niveau wie die Maschinen, auf denen die Leute<br />

am Renntag aufs Podest fahren.<br />

Was machst du, wenn du nicht auf der Rennstrecke<br />

unterwegs bist?<br />

Ich trainiere regelmäßig, verbringe wie alle viel<br />

Zeit mit meinen Freunden und habe Sex.<br />

Wirst du dein Fitnessprogramm diesen Winter<br />

in Hinblick auf die größere Maschine im nächsten<br />

Jahr ändern?<br />

Darüber muss ich noch mit meinem Trainer<br />

sprechen. Das Programm liegt in seinen Händen,<br />

denn er hat viel Erfahrung und weiß genau, was<br />

für das neue Abenteuer für mich das Beste ist.<br />

Er wird sicherstellen, dass ich ein ordentliches<br />

Training durchziehen werde, um fit zu sein,<br />

sobald die nächste Saison losgeht.<br />

Was ist dein größter Traum?<br />

Der Traum, den jeder Fahrer hat: Die Weltmeisterschaft<br />

gewinnen! Außerdem würde ich gern<br />

Angelina Jolie ins Bett kriegen, obwohl ich natürlich<br />

weiß, dass ich nicht Brad Pitt bin.<br />

Wie kannst du das erreichen?<br />

Den ersten Traum kann ich nur erreichen, wenn<br />

ich so schnell wie nur möglich bin, nie aufgebe<br />

und immer mein Bestes gebe, jeden Tag und zu<br />

jeder Zeit. Den zweiten... da bin ich mir nicht<br />

allzu sicher. Vielleicht würde ich sie einfach fragen,<br />

wenn ich sie kennenlerne.<br />

Welche ist deine Lieblingsstrecke?<br />

Ich mag alle Strecken, solange man darauf fahren<br />

kann. Ich habe keine wirklichen Favoriten.<br />

Mit welcher Person würdest du gern einmal<br />

für einen Tag tauschen?<br />

Mit niemandem. Nein, warte, vielleicht mit<br />

Brad Pitt, dann würde ich so gut aussehen<br />

wie er und einen Tag lang seine Frau haben.<br />

Welche Dinge hast du immer bei dir?<br />

Ich habe ein paar Ringe und Armbänder, die<br />

ich immer dabei habe. Sie haben eine besondere<br />

Bedeutung für mich und ich achte<br />

eigentlich immer darauf, dass ich sie an<br />

meinem Handgelenk oder an meinen Fingern<br />

habe oder zumindest an einem sicheren<br />

Ort, wenn ich sie einmal nicht tragen kann.<br />

Einige Leute sagen, dass du ziemlich aggressiv<br />

fährst...<br />

Da haben sie wohl recht.<br />

Was wirst du in fünf Jahren machen?<br />

Ehrlich gesagt habe ich nicht einmal eine<br />

Ahnung, was ich Morgen tun werde, also<br />

kann ich mir wirklich nicht vorstellen, wie<br />

es in fünf Jahren aussieht. Das ist eine lange<br />

Zeit. Ich hoffe einfach, dass ich in den nächsten<br />

fünf Jahren ein paar coole Sachen<br />

machen, großartige Erfahrungen sammeln<br />

und weiter um gute Ergebnisse kämpfen<br />

kann. Und für einen Tag dann vielleicht Brad<br />

Pitt bin.<br />

Fotos: milagro<br />

102 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


2012 konnte Iannone sogar<br />

die schnellen Spanier ab und<br />

zu schlagen<br />

Iannone fährt<br />

oft aggressiv<br />

Obwohl Iannone<br />

Englisch spricht, gibt<br />

er Interviews lieber<br />

auf Italienisch<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 103


Vom AuSSenseiter<br />

zum Spitzenreiter<br />

Text: Maria pohlmann<br />

Das Jahr 2012 begann für Jonas Folger mit einem Tiefpunkt, wendete<br />

sich aber zum Guten. Zusammen mit dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> blickt der<br />

aufstrebende deutsche Moto3-Star zurück und voraus.<br />

MSM: Seit Indianapolis fährst du für das Aspar<br />

Team. Wie kam der Deal zustande?<br />

JONAS FOLGER: Ich habe zu Beginn der Saison<br />

nicht viel mitbekommen, weil sich mein Manager<br />

um alles gekümmert und mir auch nicht allzu<br />

viel verraten hat, nach dem Motto ‚Solange nichts<br />

sicher ist, muss ich auch nichts wissen‘, weil ich<br />

mir sonst nur darüber Gedanken machen würde<br />

und es am Ende dann vielleicht nicht funktioniert.<br />

Nach Mugello stand fest, dass ich dank<br />

meines Managers und der Unterstützung von<br />

Kalex bei Aspar fahren werde.<br />

Was hättest du gemacht, wenn das Angebot von<br />

Aspar nicht vorgelegen hätte? Gab es einen Plan<br />

B, vielleicht auch außerhalb des GP-Zirkus?<br />

Eigentlich gab es keinen Plan B, ich wäre dann<br />

wohl einfach mit Ioda weitergefahren und hätte<br />

mein Bestes gegeben. Wir hatten eben das Glück,<br />

dass Jorge Martinez gesehen hat, dass ich fahren<br />

kann und dass er an mich geglaubt hat, obwohl<br />

ich auf der Ioda saß und die Resultate wirklich<br />

nicht gut waren. Es war also mein Glück, dass er<br />

mich gesehen hat. Außerhalb der MotoGP zu<br />

sein, kommt für mich nicht in Frage, entweder<br />

ich fahre GP oder ich hätte ganz aufgehört und<br />

mir einen normalen Job gesucht. Zum Glück hat<br />

alles funktioniert.<br />

Nachdem du für Alberto Moncayo ins spanische<br />

Team gekommen bist, hat nun Luca Amato auch<br />

noch Hector Faubel ersetzt. Denkst du, das liegt<br />

an der Wirtschaftskrise in Spanien?<br />

Ich glaube nicht, dass es finanzielle Gründe hatte,<br />

denn soweit ich mitbekommen habe, hatte Faubel<br />

einen großen Sponsor mitgebracht, der viel Geld<br />

gezahlt hat. Ich glaube schon, dass das von den<br />

Resultaten abhängig war.<br />

Was hat sich - abgesehen von der Haltbarkeit<br />

der Ioda-Maschine - beim Fahrgefühl für dich<br />

verändert?<br />

Es ist ein komplett anderes Motorrad, ein anderes<br />

Fahrwerk, der Motor von KTM läuft einwandfrei,<br />

da gibt es nichts zu meckern, es ist ein Top-<br />

Mit dem Wechsel zum Aspar-Team ging<br />

es für Jonas Folger nach der Sommerpause<br />

wieder steil bergauf<br />

Motor. Das Fahrwerk funktioniert auch super.<br />

Die Unterstützung von Kalex ist riesig und wir<br />

versuchen auch ständig, noch etwas zu<br />

verbessern.<br />

Hast du spezielle Rituale, die du vor jedem Rennen<br />

durchführst?<br />

Rituale nicht wirklich, es gibt Fahrer, die haben<br />

richtige Rituale. Ich persönlich höre gerne vorm<br />

Fahren Musik, viel Eminem und andere Musik,<br />

bei der ich mich entspannen kann, die aber auch<br />

motiviert und antreibt. Also keine ruhige Musik.<br />

Dazu mache ich natürlich mein Aufwärmtraining,<br />

aber ich glaube, das macht jeder.<br />

2012 ist die erste Saison auf den Viertaktern.<br />

Fühlst du dich auf den neuen Bikes wohl oder<br />

vermisst du die 125ccm-Maschinen?<br />

Man kann das vom Sound her wirklich nicht<br />

vergleichen. Ich finde aber, dass sich die Moto3-<br />

Maschinen wirklich gut fahren. Ich hätte echt<br />

nicht geglaubt, dass sie mit ihrer Leistung an die<br />

125er herankommen und das Fahrgefühl der<br />

Moto3 ist wirklich super. Ehrlich gesagt, vermisse<br />

ich die 125er nicht, höchstens den Sound. Fahrerisch<br />

macht es aber wirklich Spaß auf der<br />

Moto3.<br />

Zu welchem Fahrer blickst du auf?<br />

Vorbilder sind alle MotoGP-Fahrer. Ich persönlich<br />

finde, dass Lorenzo eine Art Vorbild ist und schaue<br />

zu ihm auf, weil er es zum einen fahrerisch wirklich<br />

geschafft hat und er sich auch persönlich um<br />

180 Grad gedreht hat. Das muss man erst einmal<br />

packen, er war von seiner Art her am Anfang etwas<br />

komisch und jetzt ist er wirklich zu einem sympathischen<br />

Fahrer geworden. Ich finde es erstaunlich,<br />

dass man sich nicht nur fahrerisch, sondern<br />

auch menschlich so ändern kann.<br />

Du fährst in deiner Freizeit Motocross. Denkst<br />

du über die Risiken nach?<br />

Nein, alle Sportarten sind gefährlich, ob man nun<br />

Fahrrad oder Motocross fährt oder einfach läuft,<br />

selbst dabei kann man sich am Fuß verletzten.<br />

Bei Motocross ist das Risiko natürlich höher, aber<br />

das beste Training für einen Motorradfahrer ist<br />

einfach, Motorrad zu fahren und deshalb trainieren<br />

wir viel Supermoto und MX. Man kann<br />

nie vermeiden, dass irgendetwas passiert. Wenn<br />

es so sein soll, dann passiert‘s und wenn nicht,<br />

dann ist alles gut. Man kann es so oder so nicht<br />

verhindern.<br />

Wie lautet dein größter Wunsch für die Zukunft?<br />

Mein größter Wunsch ist, dass es so weitergeht wie<br />

momentan und dass ich solche Momente wie im<br />

Winter und Frühjahr 2012 nicht mehr erleben<br />

muss. Ich war wirklich kurz davor aufzuhören. Zum<br />

Glück habe ich das nicht gemacht und es wieder<br />

auf einen guten Weg geschafft. Ich hoffe, dass es so<br />

weitergeht und ich für das nächste Jahr eine sichere<br />

Option bekomme, auf die ich mich ohne Sorgen<br />

über den Winter vorbereiten kann.<br />

Fotos: milagro<br />

104 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Fotos: adrivo/Sutton


Sylvain Guintolis<br />

Abschied war<br />

sehr mysteriös<br />

Fotos: wsbk<br />

Die Pläne klangen<br />

von Anfang an<br />

überambitioniert<br />

Dunkle Wolken zogen<br />

relativ bald über dem<br />

Team herauf<br />

Jakub Smrz wurde<br />

still und leise<br />

entsorgt<br />

106 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Der Preis der<br />

Text: Maria pohlmann<br />

Freiheit<br />

»Sie haben viele Probleme« und »Es ging einfach zu weit« - Sätze, die besonders<br />

im Zusammenhang mit dem Liberty Racing Team in dieser Saison häufiger<br />

fielen. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> betrachtet das Katastrophenjahr des<br />

tschechischen Teams genauer und sucht nach Ursachen.<br />

D<br />

as Wort ‚Liberty‘ bedeutet grob ins Deutsche übersetzt so<br />

viel wie Freiheit. Das scheint sich das Effenbert Liberty<br />

Racing Team für 2012 ganz dick auf die Fahnen geschrieben<br />

zu haben, denn nicht nur Teammitglieder, sondern besonders auch Fahrer<br />

des tschechischen Teams wurden in dieser Saison aus nicht nachvollziehbaren<br />

Gründen in die Freiheit entlassen. Vor dem Start der Superbike-<br />

WM in diesem Jahr stieß der Italiener Fabio Alberti als neuer Teammanager<br />

zur Liberty-Crew, die er aber schon nach wenigen Wochen wieder<br />

verließ. »Wir haben entschieden, das Ganze zu beenden, denn wir hatten<br />

nicht die gleiche Herangehensweise«, hieß es nicht lange nach dem ersten<br />

Rennwochenende auf Phillip Island.<br />

Nur wenige Wochen später wurden Brett McCormick und Federico Sandi<br />

aus dem Superstock1000 Cup abgezogen. »Aufgrund von Geschehnissen,<br />

die außerhalb der Kontrolle des Managements lagen, ist das Team gezwungen,<br />

das Rennprojekt in dieser Richtung komplett aufzugeben«, lautete<br />

die Pressemitteilung. Sandi saß auf der Straße, McCormick hatte immerhin<br />

das Glück, an der Seite von Sylvain Guintoli, Jakub Smrz und Maxime<br />

Berger in der Superbike anzutreten.<br />

Pünktlich zum Heimrennen in Brünn folgte der nächste Streich: Guintoli<br />

wurde »wegen zu schlechter Ergebnisse« aus dem Team geworfen. Dass<br />

der Franzose zu diesem Zeitpunkt auf Platz acht der Gesamtwertung lag<br />

und damit bester Pilot aus dem Hause Liberty Racing war, bedachten<br />

Teambesitzer Mario Bertuccio und seine Crew beim Ausdenken ihrer<br />

Begründung wohl nicht. »Ich kenne das Problem nicht, es gibt nicht nur<br />

eines, sie haben sehr viele. Für mich war es nicht möglich, weiter so<br />

Rennen zu fahren«, erklärt Guintoli dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. »Sie haben<br />

unseren Vertrag nicht eingehalten. Es ging einfach zu weit. Ich wollte<br />

nicht weitermachen und sie haben meinen Vertrag in vielen Aspekten<br />

gebrochen. Es hat einfach nicht funktioniert und man konnte nicht darüber<br />

reden. Für mich war es also besser zu gehen und eine neue Herausforderung<br />

zu suchen.«<br />

Klingt doch fast wie beim anfänglichen Teammanager. »Ja, Fabio kam<br />

am Anfang. Es gibt viele Leute, die das Team mittlerweile verlassen<br />

haben«, bestätigt ‚Guinters‘. Auf die Frage, ob er denn wenigstens bezahlt<br />

wurde, lacht Guintoli erst einmal laut los. »Das ist eine ganz andere<br />

Geschichte. Wie gesagt, wurde der Vertrag in vielen Richtungen nicht<br />

eingehalten. Ich will da nicht ins Detail gehen. Ich bin glücklich, dass ich<br />

jetzt bei einem anderen Team arbeiten kann. Sie haben viele Schwierigkeiten.«<br />

Der 30-Jährige hatte viel Glück und konnte schon für das Silverstone-Wochenende<br />

einen Platz im PATA Racing Team finden, für die<br />

Crew direkt gewinnen und dem Liberty Racing Team damit eine lehrreiche<br />

Lektion erteilen. »Für mich war es glücklich, dass ich zurückschlagen<br />

konnte. Das war sehr wichtig. Ich war auch ziemlich kritisch, weil<br />

mitten in der Saison woanders anzufangen, ist nicht leicht. Ich hatte einen<br />

guten Saisonstart, habe ein paar Podestplätze nach Hause gebracht. Trotzdem<br />

ist es in der Mitte einer Saison echt schwer, besonders mental, wenn<br />

man plötzlich ohne Team dasteht. Man arbeitet zusammen, baut zusammen<br />

etwas auf und wenn solche Dinge passieren, ist das wirklich nicht<br />

schön«, sagt er.<br />

Das Liberty Racing Team reagierte mit einer Komplett-Absage für Russland<br />

und teilte mit, dass man zur Zeit des neuen Rennens auf dem<br />

Moscow Raceway dabei gewesen sei, sich für die Zukunft neu aufzustellen,<br />

um für das kommende Jahr perfekt gerüstet zu sein. Dafür sollte die Crew<br />

am Nürburgring - laut Ankündigungspressemitteilung auch in kompletter<br />

Besatzung - wieder am Start sein. Erst am Freitagmorgen beim ersten<br />

Training fiel dem aufmerksamen Beobachter auf, dass nicht Smrz, sondern<br />

Lorenzo Lanzi auf der dritten Maschine des Teams saß. Auf Nachfrage<br />

des <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>s begründete das Team Smrzs Abwesenheit mit<br />

der Reorganisation des Teams. Genauere Details gab es nicht, lediglich<br />

den Hinweis, dass intern viel Redebedarf bestehe und dass man bereits<br />

über die Zukunft diskutiere. »Ich bin ein Fahrer in der Weltmeisterschaft<br />

und an einen Profivertrag gebunden, den ich bis zum letzten Moment<br />

einhielt. Fakt ist, dass mich heute eine schriftliche Botschaft von Herrn<br />

Bertuccio erreichte, die mich von meinen Aufgaben für das Liberty Racing<br />

Team entbindet«, zeigte sich ‚Kuba‘ selbst überrascht.<br />

Nachdem Liberty Racing auch Berger vor Saisonende vor die Tür setzte,<br />

am vorletzten Rennwochenenden in Portimao nur mit zwei Fahrern<br />

startete und auf das Finale in Magny-Cours ganz verzichtete, darf die<br />

Superbike-Welt gespannt sein, wie die umfassend geplante Zukunft der<br />

Crew aussieht oder ob sich das Team nicht doch schon bald selbst die<br />

Freiheit schenkt.<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 107


Das Kawasaki Racing Team wurde 2012 schwer getroffen, schaffte aber trotzdem<br />

einen riesigen Sprung nach vorne. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> blickt gemeinsam mit<br />

Tom Sykes und Loris Baz auf eine aufregende Saison zurück<br />

Text: Maria Pohlmann<br />

Würden in der Superbike-WM Preise für die Aufsteiger des Jahres<br />

vergeben, hätte Kawasaki Racing 2012 die Nase wohl ganz weit<br />

vorne und das trotz schwerer Rückschläge. Tom Sykes wurde in<br />

der Weltmeisterschaft nur knapp geschlagen, mit Gesamtplatz zwei<br />

aber zum Aushängeschild der Crew. Er beschreibt sein drittes<br />

Kawasaki-Jahr so: »Ich glaube, es ist leicht zu sagen: Die Saison lief<br />

sehr gut. Ich denke sogar ein bisschen besser als erwartet, aber<br />

ehrlich gesagt, ist es einfach großartig. Kawasaki hat eine Menge<br />

gemacht, auch das Team und die Sponsoren. Schließlich waren wir<br />

in der Lage, unser Potential zu zeigen.« Denn im zweiten Jahr auf<br />

der ZX-10R hat sich viel an der Maschine getan. »Wir haben eine<br />

viel bessere Balance gefunden, damit konnten wir noch konstanter<br />

als im letzten Jahr sein. Alle arbeiten super.<br />

Wir beginnen, ein sehr gutes Verständnis<br />

der ZX-10R aufzubauen«, erklärt der<br />

27-Jährige. Hauptsächlich hat der Brite mit<br />

seinem Team mehrere kleine Dinge verändert,<br />

nichts Spezielles. »Es waren einfach<br />

nur viele kleine Verbesserungen, die den<br />

großen Unterschied machen. Dazu haben<br />

wir auch die Elektronik verbessert und viele,<br />

viele Dinge mehr. Die Liste ist sehr lang, das<br />

kannst du mir glauben«, schildert er.<br />

Der Kawasaki-Crew wurde der Weg 2012<br />

jedoch alles andere als einfach gemacht.<br />

Der schwere Unfall von Joan Lascorz<br />

Anfang April beim Test in Imola traf das<br />

Team schwer. »Für mich war das ein herber Rückschlag. Alle<br />

Leute gehen mit solchen Sachen anders um. Er war mein Teamkollege<br />

und nach dem Sturz war es auch für mich sehr schwer,<br />

wieder aufs Bike zu steigen. Ich muss dem Team unheimlich<br />

danken, sie sind sehr, sehr gut damit umgegangen und haben<br />

versucht, mir zu helfen, den Kopf frei zu bekommen«, gesteht<br />

Sykes, dem der Unfall seines Teamkollegen naheging. »Ich<br />

denke noch immer darüber nach. So etwas passiert auf diesem<br />

Niveau nicht sehr oft. Viele Leute haben die Bedingungen der<br />

Rennstrecke dafür verantwortlich gemacht und das ist wirklich<br />

sehr schade. Wir haben normalerweis eine gute Sicherheitsausstattung<br />

und wenn die Auslaufzone größer gewesen wäre,<br />

dann wären wir am darauf folgenden Wochenende wieder<br />

zusammen gefahren. Es war schwierig für mich, damit umzugehen,<br />

aber das Team und die Leute um mich herum halfen<br />

mir sehr dabei.«<br />

»Es waren viele kleine<br />

Verbesserungen,<br />

die den groSSen Unterschied<br />

machen.<br />

Dazu haben wir<br />

auch die Elektronik<br />

verbessert.«<br />

Für den Piloten aus Yorkshire war es glücklicherweise kein Problem,<br />

nach dem Ausfall von Lascorz mit wechselnden Gästen in der Box<br />

zu arbeiten. »Ich habe auch mit Joan als Teamkollegen immer mein<br />

Ding gemacht und genauso mit den anderen Fahrern. Ich habe mich<br />

auf mein eigenes Bike, meine eigenen Einstellungen und meine eigenen<br />

Probleme konzentriert, so wird es auch in Zukunft weitergehen.<br />

Ich mache mein eigenes Ding und versuche, es zum Laufen zu<br />

bekommen«, erklärt er. Seit dem Donington-Wochenende im Mai<br />

hat sich Loris Baz im Kawasaki Team einen Namen gemacht. »Ich<br />

kannte das Superbike zwar schon, aber das war schon etwas Besonderes.<br />

Es war die große Chance. Mir wurde zwar gesagt, dass es nur<br />

ein Test sei und dass ich das Bike nicht für den Rest der Saison fahren<br />

würde, aber man weiß ja immer, dass man<br />

eine Chance haben kann, wenn man gut ist.<br />

Aber wenn man am Anfang etwas falsch<br />

macht und stürzt, dann wird man die Möglichkeit<br />

wohl nie wieder erhalten. Also hat<br />

man großen Druck, aber es war trotzdem cool.<br />

Die Leute im Team waren wirklich toll zu mir<br />

und sie haben extrem gut gearbeitet, damit<br />

ich mich auf dem Bike wohlfühle. Es lief also<br />

vom ersten Tag an alles super«, freut sich der<br />

junge Franzose, der aus der Superstock 1000<br />

Klasse aufstieg und extrem gute Anpassungsfähigkeiten<br />

bewies.<br />

»Ich denke, der größte Unterschied ist das<br />

Bremsen. Das Bike bremst wirklich gut und<br />

dort können wir die ganze Zeit gutmachen. Es ist also wichtig, zu<br />

lernen, wie man bremst. Tom zum Beispiel bremst extrem hart. Alles<br />

ist einfach viel besser, die Elektronik, der Motor, das ganze Bike ist<br />

einfach eine Nummer besser«, schildert Baz die Besonderheiten der<br />

ZX-10R. Wie es der 19-Jährige geschafft hat, gleich vom ersten<br />

Moment an schnell zu sein, weiß er selbst nicht genau. Allerdings<br />

wusste ‚Bazooka‘ schon immer, dass ihm die größere Maschine besser<br />

liegen würde. »Ich fühle mich einfach richtig wohl auf dem Motorrad,<br />

ich kann damit tun, was ich will. Ich konnte auch meinen Fahrstil<br />

relativ schnell anpassen. Selbst mein Crewchief ist davon überrascht,<br />

dass ich immer so schnell bin, wenn ich etwas ändern muss. Wir<br />

arbeiten alle gut zusammen. Ich fühlte mich einfach von Anfang an<br />

wirklich gut auf dem Bike, es ist perfekt.«<br />

Dabei hatte Baz selbst nicht einmal damit gerechnet, direkt so stark<br />

einzusteigen. »Ich hatte das nicht erwartet. Ich hätte nie geglaubt, →<br />

Fotos: wsbk<br />

108 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


»Ich denke, der größte Unterschied ist das Bremsen. Das Bike bremst wirklich gut und dort können wir die ganze Zeit gutmachen. Es ist also wichtig, zu lernen, wie man<br />

bremst. Tom zum Beispiel bremst extrem hart. Alles ist einfach viel besser, die Elektronik, der Motor, das ganze Bike ist einfach eine Nummer besser« - Loris Baz<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 109


dass ich es aufs Podest schaffe und ein Rennen gewinnen kann. Aber es lief<br />

halt so. Ich hatte im ersten Rennen in Brünn und in beiden Läufen in Silverstone<br />

richtig gute Ergebnisse. Ich bin unter den nassen Bedingungen<br />

immer sehr schnell oder auch wenn wir im Nassen<br />

auf dem Slick losfahren. Wir werden sehen, wie es<br />

weitergeht. Jetzt müssen wir an unserer Pace im Trockenen<br />

arbeiten, um da näher an die Spitze heranzukommen.<br />

Es ist aber wirklich gut, hier zu sein«, sagt<br />

er strahlend. Auch Sykes ist nicht entgangen, dass der<br />

Youngster recht stark unterwegs ist. Er lobt den Kollegen,<br />

der erst in der Mitte der Saison zum Team stieß:<br />

»Loris zeigt offensichtlich wirklich gute Arbeit. Die<br />

Superbike ist unheimlich schnell und er hatte schon<br />

echt gute Ergebnisse, als die Bedingungen schwierig<br />

waren. Ich und auch alle anderen Jungs an der Spitze<br />

wollten das Risiko zu diesem Zeitpunkt in der Meisterschaft<br />

natürlich nicht eingehen und Loris konnte<br />

dadurch gute Ergebnisse mitnehmen, was gut für ihn<br />

und Kawasaki ist.« Baz hält den erfahrenen Briten an<br />

seiner Seite für einen »wirklich coolen Typ« und<br />

bewundert nicht nur seine Schnelligkeit. »Er ist ein bisschen wie ich, er fühlt<br />

sich wohl im Team und hat immer gute Laune. Er macht seinen Job und ich<br />

meinen, aber manchmal können wir in den Daten ein paar Dinge sehen,<br />

von denen ich lernen kann, obwohl wir zwei total unterschiedliche Fahrstile<br />

haben. Ich bin ihm wirklich dankbar, er hat das Bike den ganzen Winter<br />

lang entwickelt, ich musste nichts tun, nur noch meinen Stil anpassen. Es<br />

ist wirklich gut, einen echt schnellen Teamkollegen wie ihn zu haben.«<br />

Zumal dieser schnelle Teamkollege das Motorrad stark verbessern konnte,<br />

nachdem er noch zu Saisonbeginn zur Rennhälfte regelmäßig zurückfiel.<br />

»Es ist großartig. Viele Leute haben mich für das Rennende kritisiert und<br />

das ist ziemlich lustig, denn alle zeigen gleich mit dem Finger auf den Fahrer<br />

und nichts anderes. Die Leute finden schnell ein schwarzes Schaf. Schließlich<br />

konnten wir die Balance des Bikes aber verbessern und waren damit in der<br />

Lage, am Rennende besser zu sein. Für mich ist es jetzt einfacher, schnell<br />

zu sein. Ich hatte in der Vergangenheit Probleme, mehr als ein paar Runden<br />

wirklich schnell zu sein. Ich bin glücklich, dass wir den Speed gefunden<br />

haben«, erklärt Sykes, der sich gleichzeitig auch über seine Konstanz freut.<br />

Gibt es bei so viel Positivem überhaupt eine Schwachstelle? »Das Bike funktioniert<br />

normalerweise sehr, sehr gut. Die Schwächen sind... ich kann das nicht<br />

sagen, nicht dass ich der Konkurrenz eine zu große Angriffsfläche liefere«,<br />

lacht Sykes. »Sicherlich fehlt uns in einigen Bereichen noch etwas. Wir wissen<br />

aber, wo wir uns verbessern müssen und dass wir uns verbessern können, das<br />

ist die Hauptsache.« Baz hingegen findet auch nach langem Überlegen einfach<br />

keinen Haken. »Für mich ist das Beste am Bike, dass eigentlich nichts schlecht<br />

ist. Wir haben keine großen Probleme, wie andere Teams mit Chattering, dem<br />

Vorderrad oder dem Motor haben. Unser Bike ist wirklich gut mit einem sehr<br />

starken Motor, ich mag das Gefühl zum Vorderrad. Für mich ist das Bike<br />

extrem gut und ich kann keine negativen Punkte nennen. Man kann einfach<br />

immer fahren, ohne sich über irgendetwas Sorgen machen zu müssen.«<br />

Beschweren kann sich der Rookie also absolut nicht.<br />

Beide Fahrer werden dem Kawasaki Team auch im kommenden Jahr erhalten<br />

bleiben. Sykes hatte den Deal schon recht früh in der Tasche. »Ich bin in der<br />

World Superbike, also gab es für mich keinen Grund, irgendetwas daran zu<br />

ändern. Wir werden sehen. Ich habe eine sehr gute Beziehung zu Kawasaki,<br />

dem ganzen Team und allen Leuten, die dafür arbeiten. Das ist für mich<br />

unbezahlbar.« Mit so viel positiver Energie reicht es für das Aufsteiger-Team<br />

2012 im nächsten Jahr garantiert zu noch mehr Erfolgen und vielleicht kann<br />

Kawasaki Racing dann sogar den Weltmeisterteam-Award abgreifen.<br />

»Für mich ist das<br />

Bike extrem gut - es<br />

gibt nichts negatives.<br />

Man kann einfach<br />

immer fahren,<br />

ohne sich über irgendetwas<br />

Sorgen<br />

machen zu müssen.«<br />

Fotos: wsbk<br />

110 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


Loris Baz konnte<br />

Kawasaki auch<br />

für 2013 von sich<br />

überzeugen<br />

Kawasaki-Grün<br />

ist in der<br />

Superbike<br />

wieder eine<br />

Farbe, die für<br />

Respekt sorgt<br />

Tom Sykes und Loris<br />

Baz werden auch 2013<br />

die Konkurrenz rauchen<br />

lassen. Das Potential<br />

dafür ist vorhanden.<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 111


Todeskrallen: Diesem Schumi-Fan dürfte das<br />

Karriere-Ende des Champions nicht gefallen<br />

Pferdeköpfe: Die japanischen Tifosi lassen sich einiges einfallen -<br />

nur die Samurai-Schwerter können wir uns nicht erklären<br />

vettel<br />

finger<br />

Sebastian Vettels bevorzugte<br />

Jubelgeste hat sich auch in<br />

Japan durchgesetzt<br />

Fotos: adrivo/sutton<br />

112 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com


iceman<br />

fan<br />

Lotus-Pilot Kimi Räikkönen hat<br />

überall viele Fans - in Japan<br />

auch unter den Kleinsten<br />

Kopfbedeckung<br />

Die japanischen Fans haben nur<br />

Autos auf dem Kopf<br />

www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 113


die champions<br />

stehen fest:<br />

motorsport-magazin<br />

ausgabe 28 erscheint<br />

am 13.12.2012<br />

foto: milagro<br />

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