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2|2013 – März/April • € 12,50 CH: sFr 24,80 • A: € 14,20 • B/NL/L: € 14,60<br />
Ein Magazin von<br />
Erinnerungen und Emotionen:<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr in<br />
der geteilten Stadt<br />
Mit vielen Linienplänen<br />
und S-<strong>Bahn</strong>-Raritäten!<br />
<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong><br />
Zwischen Höchstleistung und Krise<br />
Strecken: Stadtbahn,<br />
Ringbahn, Siemensbahn<br />
Geschichte: <strong>Bahn</strong>höfe und<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr einst & jetzt<br />
Fahrzeuge: Unterwegs mit<br />
dem legendären Stadtbahner
Schlachten, Technik,<br />
Feldherren<br />
Das neue Heft ist da.<br />
Jetzt am Kiosk!<br />
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www.clausewitz-magazin.de/abo
Inhalt<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
was macht für Sie Berlin aus? Das<br />
Brandenburger Tor, der Alexanderplatz,<br />
der Reichstag? Und bei der Eisenbahn?<br />
Ganz sicher die Stadtbahn, einer<br />
der großen <strong>Bahn</strong>höfe – und vermutlich<br />
auch die S-<strong>Bahn</strong>, oder? Sie hat<br />
den Nahverkehr und die Verkehrsgeschichte<br />
der Stadt mit geprägt, vollbrachte<br />
Höchstleistungen und sorgte<br />
für Diskussionen, nicht zuletzt in<br />
jüngster Zeit. Ihre Geschichte, ihre Verdienste,<br />
ihre Schwierigkeiten und ihre<br />
Projekte dokumentieren wir in diesem<br />
Heft. Auch verbunden mit der Hoffnung,<br />
dass die S-<strong>Bahn</strong> bald wieder in<br />
so leuchtenden Farben erscheint, wie<br />
sie Künstler im <strong>Bahn</strong>hof Birkenwerder<br />
porträtiert haben – siehe obiges Foto.<br />
Viel Vergnügen mit den Zeichnungen<br />
und mit dem Heft<br />
Ihre Redaktion <strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong><br />
Schwerpunkt: Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Züge für die große Stadt<br />
Impressionen: Berlins Stadt- und 4<br />
Vorortverkehr<br />
Von Dampf- zu Elektrozügen<br />
Zeittafel zum Vorort- und S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr 14<br />
Im Zeichen der Ringe<br />
S-<strong>Bahn</strong> und Olympische Spiele 1936 16<br />
Ende und Neuanfang<br />
Die S-<strong>Bahn</strong> 1944/45 18<br />
„Berlin ist zu!“<br />
Die S-<strong>Bahn</strong>, ein Junge und der Mauerbau 22<br />
Getrennte Welten<br />
Die S-<strong>Bahn</strong> zwischen 1961 und 1989 24<br />
Wieder ein Netz<br />
Neue Wege nach der Wiedervereinigung 32<br />
Später oder gar nicht<br />
Die S-<strong>Bahn</strong>-Krise seit 2009 36<br />
Auf einen Blick<br />
Das S-<strong>Bahn</strong>-Streckennetz 1924–2013 38<br />
Bilderbogen<br />
Mittenmang und jott-wee-dee<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Streckenimpressionen 40<br />
Edmondson und mehr<br />
Fahrkarten im Vorort- und 68<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr<br />
Zeitreise<br />
<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Standorte einst und jetzt 90<br />
Strecken und Stationen<br />
Die große Baustelle<br />
Der Umbau des <strong>Bahn</strong>hofs Ostkreuz 70<br />
Die Konzernstrecke<br />
Die Siemensbahn 76<br />
Stillgelegt auf ewig?<br />
Die „Friedhofsbahn“ von Wannsee 80<br />
nach Stahnsdorf<br />
Seit 1872 ringsherum<br />
Die Ringbahn 84<br />
Züge für Flüge<br />
Die Flughafenstrecken nach 88<br />
Schönefeld und zu BER<br />
Autoren in diesem Heft<br />
Fahrzeuge und Technik<br />
Die vorige Epoche<br />
Dampflokomotiven im <strong>Berliner</strong> 48<br />
Vorortverkehr<br />
Zehnerrunde<br />
Die Fahrzeuge der S-<strong>Bahn</strong> 50<br />
Der Berühmteste von allen<br />
Der „Stadtbahner“ – Baureihe 275 52<br />
Flucht nach vorn?<br />
Der aktuelle Fahrzeugpark 56<br />
Die Versorgungsstellen<br />
Die Werkstätten für die S-<strong>Bahn</strong> 58<br />
Die „Hauptwerkstatt“<br />
Das Werk Schöneweide 60<br />
Lückenlose Überwachung<br />
Das „Zugsicherungssystem 63<br />
<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>“<br />
Die dritte Schiene<br />
Die Fahrstromversorgung bei 66<br />
der <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong><br />
Die S-<strong>Bahn</strong> von damals<br />
Das S-<strong>Bahn</strong>-Museum Griebnitzsee 67<br />
Station Gesundbrunnen im Sommer 1988 –<br />
der Zeitvergleich hierzu und weitere ab S. 90<br />
Erinnerungen<br />
Siedlerkarten und elegante Züge<br />
Ein Leben mit der S-<strong>Bahn</strong> 82<br />
<strong>Vorschau</strong>/Impressum/Leserservice 98<br />
Titelfotos: K. Koschinski (gr. Bild),<br />
Slg. Dr. A. Gottwaldt (Broschüre<br />
o. r.), H. Focken, Slg. Dirk Winkler,<br />
K. Koschinski (kl. Reihe u., v. l.)<br />
Rücktitel: Gr. Bild: B. O. Sydow (476<br />
bei der Museumsinsel in Berlin<br />
Mitte, Juni 1994), Slg. Dr. B. Rampp,<br />
S. Schrader (kl. Bilder u.)<br />
Bilder auf dieser Seite: S. Schrader<br />
(o.), B. O. Sydow (Mitte), privat (Autorenfotos<br />
u.)<br />
Wolf-Dietger<br />
Machel ist als<br />
Spezialist für<br />
den <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Bahn</strong>verkehr,<br />
für Klein- und<br />
Privatbahnen<br />
bekannt. Er<br />
hat mehrere<br />
Bücher dazu verfasst und gibt<br />
die Sammler-Edition „Nebenund<br />
Schmalspurbahnen“ heraus.<br />
Manuel Jacob<br />
beschäftigt<br />
sich seit über<br />
drei Jahrzehnten<br />
mit der<br />
S-<strong>Bahn</strong> in<br />
Berlin. Er hat<br />
mehrere Bücher<br />
dazu<br />
geschrieben, bei denen er auch<br />
Insider-Informationen und interne<br />
Dokumente auswertete.<br />
Bernd Kuhlmann<br />
arbeitete<br />
nach<br />
dem Studium<br />
für die Reichsbahn<br />
bzw. die<br />
DB AG und<br />
auch als<br />
Triebfahrzeugführer<br />
bei der <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>.<br />
Er hat Bücher und Beiträge zur<br />
<strong>Berliner</strong> Eisenbahn verfasst.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
3
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Berlins Stadt- und Vorortverkehr<br />
Züge für die<br />
große Stadt<br />
Es begann mit dampfbespannten Garnituren auf Stadt-, Ringund<br />
Vorortstrecken. Dann läutete die „Große Elektrisierung“<br />
1928 das Zeitalter der Moderne ein. 1930 erhielten die neuen<br />
leistungsfähigen Züge des <strong>Berliner</strong> Stadt- und Nahverkehrs ihren<br />
eigenen Namen: S-<strong>Bahn</strong>. Trotz mancher Krisen ist sie aus der<br />
Metropole nicht mehr wegzudenken<br />
4
Berlins Stadt- und Vorortverkehr<br />
Auf dem Weg von Jannowitzbrücke nach Ostbahnhof passiert ein Zug der Baureihe 481 im Herbst<br />
2000 Verwaltungsgebäude der Deutschen <strong>Bahn</strong>, der Konzernmutter der S-<strong>Bahn</strong> Berlin GmbH. Fahrzeug<br />
wie Betreiber kommen in den Folgejahren oft in die Schlagzeilen; Ersteres wegen häufiger<br />
Schäden, Letztere wegen eines überzogenen Sparkurses, der erst in jüngster Zeit langsam korrigiert<br />
wird. Eine endgültige Klärung der Probleme steht noch aus<br />
Bernd Oliver Sydow<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
5
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Erst wenige Jahre alt und schon etabliert: Im Sommer<br />
1936 hat das S-<strong>Bahn</strong>-Zeichen seinen festen Platz im<br />
Stadtbild. Von jetzt an sieht man es auch auf der Straße<br />
Unter den Linden, wo am 27. Juli der neue unterirdische<br />
S-<strong>Bahn</strong>hof eröffnet wird<br />
Slg. Reinhard Schulz<br />
Nah- und Vorortverkehr der Frühzeit: Am 1. Juni 1896 wird der <strong>Bahn</strong>hof Savignyplatz im Stadtteil<br />
Charlottenburg eröffnet. Um 1900 hält dort ein Zug nach Grunewald, an der Spitze eine<br />
Lok der preußischen Gattung T2<br />
Slg. Dirk Winkler<br />
„Raus ins Jrüne“<br />
und die S-<strong>Bahn</strong> bringt Sie hin; kombinierter<br />
Liniennetz- und Stadtplan der<br />
frühen 30er-Jahre Slg. Stefan Ponzlet<br />
6
„Tausend-Türen-Wagen“ nennt man die Wagen der frühen Vorortzüge wegen ihrer Einzelabteilzustiege.<br />
Szenerie mit Stadtbahnzug im <strong>Bahn</strong>hof Friedrichstraße, um 1900/1905<br />
Der Weg zur S-<strong>Bahn</strong><br />
Ende des 19. Jahrhunderts wird Berlin<br />
zur größten deutschen Metropole, die<br />
Wirtschaft blüht, Verwaltung und gesellschaftliches<br />
Leben pulsieren. Für<br />
all das braucht die Stadt bessere<br />
Verkehrsverbindungen. Sie finden sich<br />
mit Dampflokomotiven und Wagen -<br />
zügen, die rund 50 Jahre lang das<br />
Aufkommen bewältigen. Dann schlägt<br />
die Stunde der Elektrotraktion<br />
Die Stadtbahn (von West nach Ost) und die Ringbahn (rund ums Zentrum)<br />
werden als Erste elektrifiziert. Auf der Ringbahn fährt 1934 ein<br />
Zug bei Wilmersdorf<br />
Slg. Dirk Winkler (o.), Slg. Thomas Wunschel<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
7
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
„Grenzposten der Nationalen Volksarmee im <strong>Bahn</strong>hof Potsdamer Platz. So werden die unter -<br />
irdischen Anlagen gesichert“ – so heißt es zum DDR-Propagandafoto von 1984. Gesichert<br />
meint die Überwachung der durchfahrenden West-<strong>Berliner</strong> Züge Gesundbrunnen – Anhalter<br />
<strong>Bahn</strong>hof. Für die Öffentlichkeit ist der <strong>Bahn</strong>hof Potsdamer Platz seit 1961 gesperrt<br />
Über Lichtenrade führt bis 1961 die S-<strong>Bahn</strong>-Strecke von Priesterweg nach Blankenfelde, mit<br />
dem Bau der Mauer werden die Gleise gekappt und das Gelände abgeriegelt (Bild von 1962).<br />
Immerhin entsteht die Strecke nach dem Mauerfall neu; das ist nicht bei allen Rückbauten so<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt (o.), Sigurd Hilkenbach/Slg. Manuel Jacob<br />
Ungeachtet<br />
aller Abgrenzungen<br />
sind<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Fahrgäste<br />
als<br />
Touristen in<br />
Ost-Berlin willkommen.<br />
Prospekt<br />
aus den<br />
70er-Jahren<br />
Slg. S. Ponzlet (l.),<br />
ZBDR/Histor. Slg.<br />
der DB (S. 9 u.)<br />
8
Zeiten der Konfrontation<br />
Die friedliche Szenerie täuscht: Der S-<strong>Bahn</strong>-Halt Wollankstraße<br />
liegt im politischen Brennpunkt, nämlich auf Ost-<strong>Berliner</strong> Gebiet<br />
direkt an der Sektorengrenze. Aber nur West-<strong>Berliner</strong> haben<br />
Zugang und können die Züge hier benutzen (Foto<br />
vom Oktober 1962). Das Warnschild vor<br />
dem Eingang weist Unkundige<br />
auf die Grenzlage hin<br />
Friedhelm Ernst<br />
Zeiten der Konfrontation<br />
Mit der Teilung Berlins geht die S-<strong>Bahn</strong><br />
einer schweren Zukunft entgegen.<br />
Politische Kontroversen geben den<br />
Rahmen vor, mit dem Mauerbau 1961<br />
besiegelt die DDR die Aufspaltung in<br />
zwei separate Netze. 28 Jahre lang<br />
gelten Ausnahme regelungen und<br />
Verbote, selbst wenn sich eine<br />
gewisse Normalität einstellt<br />
Die Strecke nach Bernau wird nach dem Mauerbau durch eine Neubaustrecke<br />
Pankow – Schönhauser Allee an den Ostring angeschlossen.<br />
Kurz vor der Eröffnung am 10. Dezember 1961 ist das erste<br />
Gleis befahrbar. Links die abgetrennten Gleise zur Bornholmer Straße<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
9
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Die freundlich-gewissenhafte Aufsicht gehört<br />
zur S-<strong>Bahn</strong>-Station wie die Spree zu<br />
Berlin. Im Dezember 1981 arbeitet die<br />
Dame am <strong>Bahn</strong>hof Savignyplatz gar mit<br />
weihnachtlichem Flair Konrad Koschinski<br />
Der Automat mit aufgesetztem<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Logo empfing über Jahrzehnte<br />
Reisende und Fahrgäste<br />
am <strong>Bahn</strong>hof Zoologischer Garten<br />
Friedhelm Ernst<br />
Eine S-<strong>Bahn</strong> bleibt eine S-<strong>Bahn</strong> bleibt eine<br />
S-<strong>Bahn</strong>. Auch wenn sie keine Drehgestelle<br />
mehr hat und, wie hier am Flughafen<br />
Tegel, als „EsS-<strong>Bahn</strong>“-Würstchenbude zu<br />
einem Imbiss einlädt Sebastian Schrader<br />
10
„Typisch S-<strong>Bahn</strong>“<br />
Von den „Stadtbahn“-Wagen her waren die Fahrgäste noch immer die Holzklasse gewohnt. In<br />
zahlreiche Fahrzeuge baute die Reichsbahn jedoch seit Ende der 50er-Jahre Polster ein; aus<br />
West-Berlin wurden diese Wagen wegen mutwilliger Beschädigungen nach 1961 abgezogen<br />
Heiko Focken<br />
„Typisch S-<strong>Bahn</strong>“<br />
Bei jedem Verkehrsmittel gibt es Typisches und<br />
Besonderheiten, da macht die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong><br />
keine Ausnahme. Backsteinbauten und <strong>Bahn</strong>steigaufsicht,<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Logo, Holzbänke und<br />
Glühlampenlicht haben den Betrieb geprägt.<br />
Mittlerweile ist jedoch manches modernisiert<br />
worden. Und deutlich rationalisiert auch<br />
Was wäre der <strong>Berliner</strong>, wenn er seinen Sachen keine Spitznamen geben könnte? Nichts. Und<br />
was wäre die Baureihe 485, wenn sie nicht ihrer Lackierung wegen „Coladose“ hieße? Wahrscheinlich<br />
unbekannt ... (Aufnahme in Halensee, Oktober 1996)<br />
Bernd Oliver Sydow<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
11
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
12
Eine Stadt und ihr Verkehrsmittel<br />
„Ich bin ein <strong>Berliner</strong>“ – das Zitat stammt ja eigentlich von US-Präsident<br />
John F. Kennedy und sollte die Solidarität mit (West-)Berlin<br />
betonen. Übertragen passt es aber auch auf die Wagen des Typs<br />
„Stadtbahn“. Satte sieben Jahrzehnte kurvten sie ihre Fahrgäste<br />
kreuz und quer durch Berlin. Das soll ihnen erst mal einer nachmachen<br />
... (Aufnahme in Wannsee, Februar 1985) Konrad Koschinski<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
13
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
OBEN Kunstvolle S-<br />
<strong>Bahn</strong>-Architektur am<br />
<strong>Bahn</strong>hof Hohenzollerndamm<br />
Archiv GM<br />
LINKS S-<strong>Bahn</strong>-Betrieb<br />
in West-Berlin: Ein<br />
Bankier- bzw. Olympiazug<br />
verlässt 1971<br />
den <strong>Bahn</strong>hof Zoo<br />
Jürgen Krantz<br />
Zeittafel: <strong>Berliner</strong> Stadt- und Vorortverkehr<br />
Von Dampf- zu<br />
Elektrozügen<br />
Gleichspannung vom Wannseebahnhof in Berlin<br />
bis nach Zehlendorf (bis 1. Juli 1902).<br />
4. Juni 1903<br />
Aufnahme des elektrischen Betriebs zwischen<br />
dem Potsdamer Ringbahnhof und Groß-Lichterfelde<br />
Ost mit 550-V-Gleichspannung mit dafür hergerichteten<br />
Triebzügen der Abteilwagenbauart.<br />
Die Anlage bewährt sich ausgezeichnet und bleibt<br />
bis zum 2. Juli 1929 fast ununterbrochen in Betrieb.<br />
22. September/29. Oktober 1838<br />
Inbetriebnahme der ersten Eisenbahn in Preußen<br />
zwischen Berlin und Potsdam. Damit beginnt auch<br />
der Vorortverkehr; insbesondere zwischen Berlin<br />
und den noch selbstständigen Gemeinden Steglitz<br />
und Zehlendorf fahren „locale Pendelzüge“.<br />
Ab 1841<br />
„Locale Pendelzüge“ fahren auch auf den fortan<br />
eröffneten Fernbahnstrecken.<br />
1. Januar 1872<br />
Einführung des Vorortverkehrs auf der <strong>Berliner</strong><br />
Ringbahn (eröffnet 1871 bis 1877)<br />
1880<br />
Ausgehend von Berlin gibt es umfangreichen Vorortverkehr,<br />
teils auf gesonderten Gleispaaren, auf<br />
folgenden Strecken:<br />
• Berlin Potsdamer <strong>Bahn</strong>hof – Potsdam<br />
• Berlin Anhalter <strong>Bahn</strong>hof – Groß-Lichterfelde<br />
• Berlin Lehrter <strong>Bahn</strong>hof – Spandau über Ruhleben<br />
• Berlin Hamburger <strong>Bahn</strong>hof – Spandau – Finkenkrug<br />
• Berlin Schlesischer <strong>Bahn</strong>hof – Erkner<br />
• Berlin Görlitzer <strong>Bahn</strong>hof – Grünau – Königs Wusterhausen<br />
• Berlin Stettiner <strong>Bahn</strong>hof – Oranienburg<br />
• Berlin Stettiner <strong>Bahn</strong>hof – Bernau und<br />
• der Ringbahn.<br />
15. Mai 1882<br />
Inbetriebnahme der 11,256 Kilometer langen, auf<br />
Viadukten verlaufenden Stadtbahn zwischen Charlottenburg<br />
und dem Schlesischen <strong>Bahn</strong>hof in Berlin<br />
mit je zwei Fernbahn- und Stadtbahngleisen. An<br />
letzteren befinden sich zunächst sieben, später<br />
neun Zwischenstationen.<br />
1. Oktober 1891<br />
Einführung gesonderter Vororttarife unter anderem<br />
bis nach Bernau, Oranienburg, Strausberg, Fürstenwalde<br />
(Spree), Zossen, Lichterfelde, Potsdam,<br />
Werder (Havel) und Nauen.<br />
13. Juli 1900<br />
Aufnahme eines Versuchsbetriebes mit 750-V-<br />
21. März 1913<br />
Der preußische Landtag verabschiedet das „Gesetz<br />
über die Umstellung der Stadt-, Ring- und Vorortbahnen<br />
auf elektrischen Betrieb”. Bewilligt<br />
werden zunächst nur 25 Mio. Mark für die Elektrifizierung<br />
der Stadt- und Ringbahn. Der Erste Weltkrieg<br />
verzögert das Vorhaben.<br />
1922<br />
Die neu gegründete Reichsbahn wählt für die Elektrifizierung<br />
750-V-Gleichspannung und die Übertragung<br />
durch eine seitliche Stromschiene.<br />
8. August 1924<br />
Beginn des elektrischen Betriebs zwischen dem<br />
Stettiner <strong>Bahn</strong>hof in Berlin und Bernau mit neu<br />
konstruierten Triebzügen.<br />
1926<br />
Der Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft<br />
beschließt das Programm der „Großen<br />
Elektrisierung“ der <strong>Berliner</strong> Stadt- und Ringbahn<br />
sowie mehrerer Vorortbahnen. Es wird von 1928<br />
bis 1930 realisiert (Daten siehe S. 38).<br />
LINKS Preußische<br />
Dampflok der Gattung<br />
T 6 für den <strong>Berliner</strong><br />
Stadtbahnbetrieb. Sie<br />
wurde 1902 nur in<br />
kleiner Zahl beschafft<br />
Slg. Willy Reinshagen<br />
RECHTS Ein Probezug<br />
für die Strecke Berlin –<br />
Bernau, 1924<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
14
1. Dezember 1930<br />
Das „weiße S auf grünem Grund“ wird<br />
eingeführt und steht als Markenzeichen<br />
für den nunmehr als „S-<strong>Bahn</strong>“ (Stadtschnellbahn)<br />
bezeichneten elektrischen<br />
Betrieb.<br />
9. Oktober 1939<br />
Durchgehende Inbetriebnahme der<br />
Nord-Süd-S-<strong>Bahn</strong> zwischen Stettiner<br />
und Anhalter <strong>Bahn</strong>hof.<br />
9. August 1943<br />
Vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs<br />
wird der Abschnitt Lichterfelde Ost – Lichterfelde<br />
Süd als letzter von Dampf- auf elektrischen Betrieb<br />
umgestellt. Das S-<strong>Bahn</strong>-Netz hat damit eine Länge<br />
von 295 Kilometern.<br />
25. April 1945<br />
Endgültiger Zusammenbruch des S-<strong>Bahn</strong>-Verkehrs<br />
durch Stromausfall und Kampfhandlungen.<br />
6. Juni 1945<br />
Wiederaufnahme des S-<strong>Bahn</strong>-Verkehrs mit Inbetriebnahme<br />
der Strecke Wannsee – Schöneberg.<br />
Bis 1948<br />
Die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Strecken<br />
sowie die als Reparation für die Sowjetunion demontierte<br />
Verbindung Ostkreuz – Erkner werden<br />
wieder aufgebaut. Dagegen werden die Verbindungsstrecken<br />
von der Ringbahn zum Potsdamer<br />
Ringbahnhof bis 1947 abgebaut. Infolge der sowjetischen<br />
Demontagen sind alle Vorortstrecken<br />
Berlins nur noch eingleisig.<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
17. September 1980<br />
In Zusammenhang mit einem<br />
Streik der Eisenbahner in<br />
West-Berlin stellt die DR dort<br />
die öffentliche Personenbeförderung<br />
bis auf drei den<br />
<strong>Bahn</strong>hof Friedrichstraße berührende<br />
Linien ein.<br />
9. Januar 1984<br />
Übernahme der Betriebsführung<br />
der S-<strong>Bahn</strong> in West-Berlin<br />
durch die <strong>Berliner</strong> Verkehrsbetriebe<br />
(BVG) auf zunächst zwei<br />
Strecken. Bis zum 1. Februar 1985 reaktiviert die<br />
BVG insgesamt 71 Kilometer Strecken.<br />
Ab 10. November 1989<br />
Nach dem Mauerfall bringt die S-<strong>Bahn</strong> Massen von<br />
DDR-Bürgern bzw. Ost-<strong>Berliner</strong>n zu Besuchen nach<br />
West-Berlin. In beiden Netzen gibt es umfangreichen<br />
Zusatz- und Sonderverkehr. DR und BVG kooperieren<br />
umgehend.<br />
2. Juli 1990<br />
Es verkehren wieder durchgehende Züge zwischen<br />
Ost- und West-Berlin über den <strong>Bahn</strong>hof Friedrichstraße.<br />
3. Oktober 1990<br />
Die Wiedervereinigung schafft neue Perspektiven<br />
für die Zusammenführung der beiden <strong>Berliner</strong><br />
S-<strong>Bahn</strong>-Netze.<br />
Moderne Züge der Baureihen 480 und 481<br />
am Ostbahnhof, August 2005 Heiko Focken<br />
1. April 1992<br />
Wiedereröffnung des Abschnitts Wannsee – Potsdam<br />
Stadt. Weitere Verbindungen folgen bis 2003.<br />
1. Januar 1995<br />
Gründung der S-<strong>Bahn</strong> Berlin GmbH als S-<strong>Bahn</strong>-Betreiberin;<br />
sie ist eine Tochter der 1994 gegründeten<br />
Deutschen <strong>Bahn</strong> AG.<br />
1. Januar 1996<br />
Die Bestellung des S-<strong>Bahn</strong>-Verkehrs wird Sache<br />
der Länder Berlin und Brandenburg.<br />
Ab 2009<br />
Ein drastischer Sparkurs der S-<strong>Bahn</strong> Berlin GmbH,<br />
häufige Fahrzeugausfälle und schwere Betriebsstörungen<br />
bringen die S-<strong>Bahn</strong> in Misskredit. Eine durchgreifende<br />
Änderung ist auch Anfang 2013 noch<br />
nicht in Sicht. WOLF-DIETGER MACHEL/MHZ<br />
1947 – 1956<br />
Elektrifizierung mehrerer Vorortstrecken für den<br />
eingleisigen Betrieb. Überwiegend erhalten bestehende<br />
Strecken Stromschienen.<br />
13. August 1961<br />
Infolge des Mauerbaus Unterbrechung aller Verbindungen<br />
zwischen Ost- und West-Berlin sowie zwischen<br />
West-Berlin und der DDR. Damit betreibt die<br />
Deutsche Reichsbahn der DDR (DR) zwei getrennte<br />
Streckennetze in West-Berlin und Ost-Berlin bzw. der<br />
DDR. Diese sind nur über den <strong>Bahn</strong>hof Friedrichstraße<br />
und nur für Dienstfahrten verbunden. Zugleich<br />
beginnt der Niedergang der S-<strong>Bahn</strong> in<br />
West-Berlin, da viele Bürger das Verkehrsmittel nun<br />
boykottieren („kein Geld für Ulbrichts Stacheldraht“).<br />
Auf den außerhalb der Stadt verbliebenen Teilstrecken<br />
endet der Betrieb in den folgenden Wochen, sofern<br />
nicht neu gebaute oder mit Stromschienen ausgerüstete<br />
Verbindungen den Anschluss an das Ost-<strong>Berliner</strong><br />
S-<strong>Bahn</strong>-Netz herstellen. Eine Ausnahme bleibt bis<br />
1983 die „Inselstrecke“ Hennigsdorf – Velten.<br />
Im März 1990 passiert ein Zug der Baureihe 275 den jetzt funktionslosen Grenzstreifen auf<br />
der Stadtbahn zwischen Lehrter Stadtbahnhof und <strong>Bahn</strong>hof Friedrichstraße Bernd Oliver Sydow<br />
26. Februar 1962<br />
Inbetriebnahme der Neubaustrecke Grünau –<br />
Schönefeld.<br />
30. Dezember 1976<br />
Inbetriebnahme der Strecke Friedrichsfelde Ost –<br />
Marzahn.<br />
1980-85<br />
Mit dem Bau der Satellitenstädte Marzahn und<br />
Hohenschönhausen Erweiterung des Ost-<strong>Berliner</strong><br />
S-<strong>Bahn</strong>-Netzes.<br />
Großes Aufkommen im <strong>Bahn</strong>hof Zentralflughafen<br />
Berlin-Schönefeld 1964. Offiziell passen<br />
in einen Vollzug 1.200 Menschen<br />
ZBDR/Historische Slg. der DB AG<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
15
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Der S-<strong>Bahn</strong>hof am Reichssportfeld, dem Ort mit den meisten Wettkampfstätten, wurde für Olympia 1936 komplett umgebaut. Während der<br />
Sportveranstaltungen fuhren S-<strong>Bahn</strong>en die Station im Zwei-Minuten-Takt an<br />
Slg. Dirk Winkler<br />
S-<strong>Bahn</strong> und Olympische Sommerspiele 1936<br />
Im Zeichen der Ringe<br />
Immer wieder stand die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> in ihrer Geschichte als Rückgrat für den Verkehr zu<br />
Großveranstaltungen zur Verfügung. Eine erste Bewährungsprobe für den jungen elektrischen<br />
Betrieb waren die Olympischen Sommerspiele 1936<br />
Das Internationale<br />
Olympische Komitee<br />
(IOC) hatte 1931 die Olympischen<br />
Sommerspiele für 1936 nach<br />
Berlin vergeben. Diese Entscheidung bedeutete<br />
für die damalige Weimarer Republik einen<br />
Erfolg und gleichzeitig einen Vertrauensbeweis,<br />
so kurz nach dem Ersten Weltkrieg<br />
und den damaligen, hasserfüllten Kämpfen.<br />
Dass mit den Wahlen von 1932/33 dieser Vertrauensbeweis<br />
einen tiefen Riss bekommen<br />
sollte und die neuen nationalsozialistischen<br />
Herrscher das Ereignis nur zu gut für ihre eigenen<br />
Zwecke instrumentalisierten, war zum<br />
Zeitpunkt der Vergabe noch nicht absehbar.<br />
Vorbereitungen der Reichsbahn<br />
Die Reichsbahndirektion (RBD) Berlin begann<br />
1933/34 mit dem Ausbau etlicher <strong>Bahn</strong>anlagen<br />
in der Nähe der olympischen Wettkampfstätten.<br />
Die anfänglichen Planungen für<br />
den Bau und Umbau der Wettkampfstätten<br />
und die damit verbundenen Maßnahmen zur<br />
Anbindung des öffentlichen Nahverkehrs am<br />
Reichssportfeld nahmen auf Drängen Hitlers<br />
rasch monumentale Züge an. Dem musste die<br />
Direktion mit einer Aufstockung des ursprünglichen<br />
Etats von knapp einer Viertel<br />
Million Reichsmark auf rund 1,3 Millionen<br />
Reichsmark Rechnung tragen.<br />
Der S-<strong>Bahn</strong>hof am Reichssportfeld wurde<br />
komplett umgebaut. Am Westende des <strong>Bahn</strong>hofs<br />
entstand ein neuer Zugangsbereich mit<br />
Fahrkartenausgaben und Überdachung. Am<br />
Ostende wurde ein neuer Zu- und Abgang zu<br />
den <strong>Bahn</strong>steigen über eine Fußgängerbrücke<br />
geschaffen. Gleichzeitig wurden die Signalanlagen<br />
erneuert und ergänzt, ein neues Stellwerk<br />
(Rsa) erbaut sowie an allen Gleisen<br />
selbsttätige Gleisfreimeldeanlagen installiert.<br />
Ein neu angeschlossenes fahrbares Unterwerk<br />
mit zwei Gleichrichtern von je 1.200 kW Leistung<br />
sollte für die notwendige Netzstabilität<br />
sorgen.<br />
Die S-<strong>Bahn</strong>höfe Pichelsberg und Eichkamp<br />
erhielten neue Zu- und Abgänge, der <strong>Bahn</strong>hof<br />
Charlottenburg eine neue Kehranlage. Der<br />
<strong>Bahn</strong>hof in Staaken bekam einen besonderen<br />
<strong>Bahn</strong>steig für die Besucher der Segelflugveranstaltungen.<br />
Zudem wurden eine zusätzliche<br />
Abfertigungsmöglichkeit für den Fernverkehr<br />
am <strong>Bahn</strong>hof Grunewald für die Sonderzüge an<br />
den alten Stadtbahngleisen geschaffen.<br />
Größere Besuchergruppen drängten auch<br />
durch Sonderfahrten der nationalsozialisti-<br />
16
Olympische Spiele 1936<br />
Das S-<strong>Bahn</strong>-Netz im Olympiajahr. Während der Wettkämpfe wurde der <strong>Bahn</strong>hof Reichssportfeld im Westen durch eine Stammzuggruppe Charlottenburg<br />
– Spandau bedient, ergänzt durch Züge zwischen Reichssportfeld und Charlottenburg bzw. Schlesischer <strong>Bahn</strong>hof. Ein weiteres Ziel<br />
lag in Grünau im Südosten der Stadt<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
Von und zum <strong>Bahn</strong>hof Reichssportfeld, an<br />
dem die Hauptaustragungsorte lagen, wurde in<br />
einem annähernden Zwei-Minuten-Takt gefahren.<br />
In den Regelbetrieb, den man beibehielt, legte<br />
die RBD Berlin Sonderzüge ein, so dass auf der<br />
Stadtbahn stündlich sechs Züge mehr verkehrten.<br />
Damit erreichte man eine hohe Flexibilität<br />
und konnte Unregelmäßigkeiten im Betrieb<br />
leichter ausgleichen. Zum <strong>Bahn</strong>hof Reichssportfeld<br />
fuhren stündlich 24 Züge in jeder Richtung,<br />
davon endeten zwölf in Reichssportfeld, sechs in<br />
Pichelsberg und sechs in Spandau. Die Zugschen<br />
Organisation „Kraft durch Freude“<br />
(KdF) in die Stadt, die man in einer provisorischen<br />
„KdF-Stadt“ am <strong>Bahn</strong>hof Heerstraße<br />
unterbrachte. Über ein Provisorium an den<br />
Gleisen des Messegeländes entstand nahe dieses<br />
„KdF-<strong>Bahn</strong>hofs“ Anschluss an den <strong>Berliner</strong><br />
Nahverkehr.<br />
Den ersten Umbauabschnitt am <strong>Bahn</strong>hof<br />
Zoologischer Garten beschleunigte die RBD<br />
Berlin so weit, dass vor Beginn der Olympischen<br />
Sommerspiele der neue S-<strong>Bahn</strong>steig fertig<br />
gestellt war. Und auch der Umbau des<br />
<strong>Bahn</strong>hofs Tiergarten wurde vor den Sommerspielen<br />
beendet. Gleichzeitig nahm die RBD<br />
Berlin den lang geplanten Bau der Nord-Süd-<br />
S-<strong>Bahn</strong> in Angriff, die zwischen Anhalter und<br />
Untersuchungen zu den Sportveranstaltungen<br />
zusätzlich verfügbar.<br />
Höchstleistungen der S-<strong>Bahn</strong><br />
Die Tage der Olympischen Sommerspiele stellten<br />
für den Betrieb der S-<strong>Bahn</strong> eine besondere<br />
Herausforderung dar. Rund 4,1 Millionen<br />
Besucher reisten vom 28. Juli bis 18. August<br />
1936 mit der <strong>Bahn</strong> von und nach Berlin, wo<br />
sie mit der S-<strong>Bahn</strong> und mit den Bussen, Straßenbahnen<br />
und U-<strong>Bahn</strong>en der <strong>Berliner</strong> Verkehrs-Gesellschaft<br />
(BVG) in die Stadt bzw. die<br />
umliegenden Städte und Gemeinden befördert<br />
wurden. Daneben stand der Sonderverkehr zu<br />
den olympischen Sportveranstaltungen im<br />
Mittelpunkt der Aktivitäten der S-<strong>Bahn</strong>.<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Züge brachten die Besucher zum Olympiastadion<br />
und zur Regattastrecke in Grünau<br />
Stettiner <strong>Bahn</strong>hof das Stadtzentrum unterqueren<br />
sollte. Bis zum Olympiabeginn war<br />
immerhin der Streckenabschnitt Stettiner<br />
<strong>Bahn</strong>hof – Unter den Linden fertig gestellt.<br />
Neben diesen Baumaßnahmen leitete die<br />
Reichsbahn die Beschaffung neuer Fahrzeuge<br />
bei der Industrie ein, die in Form der<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Züge der Bauart 1935 („Olympiazüge“,<br />
später ET 166) mit elf Vollzügen<br />
1936 zur Verfügung standen. Weitere<br />
21 Vollzüge der bisher verkehrenden Bauarten<br />
waren durch Vorverlegung regelmäßiger<br />
gruppen wurden so gelegt, dass neben der<br />
Stammzuggruppe Grünau – Spandau, die im<br />
Zehn-Minuten-Takt fuhr, weitere Züge von und<br />
nach Schlesischer <strong>Bahn</strong>hof sowie Charlottenburg<br />
geführt wurden. Weitere sechs dampflokbespannte<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Züge liefen stündlich zwischen<br />
Reichssportfeld und Charlottenburg unter Nutzung<br />
der Fernbahngleise der Stadtbahn. Damit<br />
konnten stündlich 48.000 Besucher zu den<br />
Olympiasportstätten gebracht werden.<br />
Gleichzeitig waren die Besucher nach Grünau<br />
zu befördern, wo auf der Regattastrecke die olympischen<br />
Bootswettkämpfe stattfanden. Bis zu<br />
350 S-<strong>Bahn</strong>-Sonderzüge wurden täglich zwischen<br />
Schlesischer <strong>Bahn</strong>hof und Reichssportfeld bzw.<br />
Pichelberg sowie auf der Ringbahn gefahren. An<br />
den Spitzenverkehrstagen kamen bis zu 760 Sonderzüge<br />
zum Einsatz. Zusätzliche Verkehrsspitzen<br />
ergaben sich durch den Ausflugsverkehr der Besucher,<br />
die in besonderem Maße Potsdam und<br />
den historischen Stätten dort galten.<br />
Im Wesentlichen lief der Verkehr pünktlich ab,<br />
nur am Sonntag, dem 9. August, war der Andrang<br />
auf die Züge so groß, dass die Abfertigungszeit auf<br />
den <strong>Bahn</strong>höfen über der vorgesehenen halben<br />
Minute lag. Die Stadtbahn war oft mehrere Stunden<br />
mit 36 bis 40 Zügen an der Grenze ihrer damaligen<br />
Leistungsfähigkeit angelangt.<br />
Unterm Strich aber leistete die S-<strong>Bahn</strong> im Zeichen<br />
der Olympischen Ringe Bravouröses; selbst<br />
bei großem Aufkommen bewährte sie sich, gerade<br />
auch mit den elektrischen Zügen, als zuverlässig<br />
funktionierendes Verkehrsmittel.<br />
Dirk Winkler<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
17
Gespräch zwischen S-<strong>Bahn</strong>-Personal und Reisendem, aufgenommen 1943. In diesem<br />
Jahr erreichte die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> mit 789 Millionen Fahrgästen das Allzeithoch ihrer<br />
Geschichte<br />
Slg. Reinhard Schulz<br />
Die S-<strong>Bahn</strong> 1944/45<br />
Fahrten vom<br />
Stadtzentrum bis<br />
Bernau waren bis<br />
Kriegsende keine<br />
Seltenheit<br />
Slg. M. Jacob (2)<br />
Ende und Neuanfang<br />
Bis in die letzten Kriegstage hinein wurde die S-<strong>Bahn</strong> als Verkehrsmittel aufs Höchste beansprucht.<br />
Trotz Zerstörungen vor der Niederlage und Demontage danach lief der Betrieb Ende 1945 schon<br />
wieder. Die Transportmöglichkeit wurde dringend gebraucht<br />
Ab 1943 waren viele deutsche Städte von<br />
Bombenangriffen betroffen, die verheerende<br />
Schäden anrichteten und zahlreiche<br />
Tote und Verletzte forderten. Dennoch<br />
blieb das Verkehrsaufkommen groß. Das spürte<br />
auch die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>. Deren Beförderungszahlen<br />
gingen gegenüber den Vorkriegszeiten<br />
nicht zurück – im Gegenteil. Während<br />
die Zahl der Fahrgäste 1930 bei 429 Millionen<br />
und 1937 bei 512 Millionen lag, stieg sie Anfang<br />
der 40er-Jahre auf über 700 Millionen an.<br />
Wachsende Bedeutung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Bereits zu Anfang des Krieges hatte sich die<br />
wachsende Belastung der S-<strong>Bahn</strong> abgezeichnet.<br />
Deshalb erging noch 1941 eine weitere Bestellung<br />
über 80 Viertelzüge der Bauart 1938<br />
(letzte Baureihenbezeichnung 477). Die Auslieferung<br />
geschah ab 1943, zog sich bis zum<br />
Frühjahr 1944 hin und gelang kriegsbedingt<br />
nicht mehr vollzählig. Neben 72 Triebwagen<br />
wurden nur noch 50 Beiwagen ausgeliefert.<br />
Um all diese Fahrzeuge einsetzen zu können,<br />
baute man aus elf Triebwagen die elektrischen<br />
Einrichtungen aus und stellte sie mit anderen<br />
Triebwagen zu Viertelzügen zusammen. So waren<br />
diese Pärchen teilweise bis 1958 im Einsatz,<br />
als das Reichsbahnausbesserungswerk Schöneweide<br />
neue Beiwagen baute, um den Wagenpark<br />
sinnvoll zu komplettieren.<br />
Der „Verkehrsansturm“ auf die S-<strong>Bahn</strong><br />
lässt sich durch mehrere Faktoren erklären:<br />
Fahrten mit privaten Pkw und Autobussen<br />
waren immer weiter zurückgegangen. Selbst<br />
die Nutzung von Fahrrädern wurde mangels<br />
Ersatzteilen immer schwieriger. Damit die<br />
Wirtschaft die steigenden Kriegsanforderungen<br />
erfüllen konnte, wurden immer weitere<br />
Die S-<strong>Bahn</strong> ersetzte Pkw und Busse, brachte die<br />
Arbeiter zu den Fabriken und Flüchtlinge aus Berlin<br />
Bevölkerungsgruppen in den Produktionsprozess<br />
einbezogen. Nicht zuletzt: Wer konnte,<br />
der floh aus der zerbombten Metropole in<br />
die Vororte. 1944 bezifferte die <strong>Bahn</strong> die<br />
18
Die S-<strong>Bahn</strong> 1944/45<br />
HINTERGRUND: FAHRPLANKONZEPT AB 3. JULI 1944<br />
Zuggruppe Zuglauf (werktags)<br />
A<br />
Vollring<br />
A I<br />
Vollring (Berufsverkehr)<br />
B<br />
Jungfernheide – Gartenfeld<br />
C I<br />
Ostkreuz – Gartenfeld (Berufsverkehr)<br />
G<br />
Mahlsdorf – Halensee<br />
G I Mahlsdorf – Westkreuz (Berufsverkehr)<br />
H<br />
Grünau – Spandau West<br />
H I Schöneweide – Pichelsberg (Berufsverkehr)<br />
H II Grünau – Hermannstraße (Berufsverkehr)<br />
L<br />
Erkner – Potsdam<br />
J<br />
Schöneweide – Spindlersfeld<br />
L I<br />
Erkner/Friedrichshagen – Grunewald (Berufsverkehr)<br />
M<br />
Wannsee – Stahnsdorf<br />
1 Wannsee – Birkenwerder/Oranienburg<br />
1a<br />
Hermsdorf – Zehlendorf (Berufsverkehr)<br />
1d<br />
Wannsee – Potsdamer <strong>Bahn</strong>hof („Bankierzüge“)<br />
2 Lichterfelde Süd – Velten<br />
2a<br />
Lichterfelde West – Tegel (– Hennigsdorf ) (Berufsverkehr)<br />
3 Rangsdorf – Bernau<br />
3 a Mahlow – Bernau (Berufsverkehr)<br />
M. Jacob<br />
Die Stadtbahn vor der Zerstörung: Um 1943 ist ein ET 167 auf der Fahrt<br />
Richtung Westen und passiert beim Bode-Museum die Blockstelle<br />
Busch. Die Blockstelle nahe der Station Börse (später Marx-Engels-<br />
Platz, heute Hackescher Markt) hatte ihren Namen von dem früher in<br />
der Nähe gelegenen Bau des Zirkus Busch<br />
Slg. Reinhard Schulz<br />
Der Fahrplangrundtakt betrug zehn bzw. 20 Minuten<br />
je Zuggruppe. Im Herbst/Winter 1944<br />
wurde die Verkehrszeit der Einsetzzuggruppen<br />
immer weiter eingeschränkt. Bei auftretendem<br />
Bedarf gab es jedoch auch jetzt noch Angebotsausweitungen.<br />
Die legendären Bankierzüge, die<br />
zwischen dem Potsdamer <strong>Bahn</strong>hof und Zehlendorf<br />
mit 120 km/h über die Ferngleise sausten,<br />
fuhren, wenn auch nur noch mit drei Fahrten pro<br />
Tag, noch im Februar 1945.<br />
durchschnittliche Reiseweite mit 14 Kilometern<br />
(heute sind es rund 9,5 Kilometer).<br />
Bei Inkrafttreten des Buchfahrplans vom<br />
3. Juli 1944 waren praktisch alle S-<strong>Bahn</strong>-Strecken<br />
noch in Betrieb. Lediglich die so genannte<br />
Südring-Spitzkehre über Kolonnenstraße zum<br />
Potsdamer Ringbahnhof sowie bestimmte Verbindungskurven<br />
zwischen Stadt- und Ringbahn<br />
wurden seit dem Winter 1943/44 nicht<br />
mehr im Fahrgastverkehr betrieben. Der<br />
Hauptgrund waren weniger die Kriegsschäden<br />
Immer wieder kam es kriegsbedingt zu<br />
Änderungen im S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr. Im Oktober/November<br />
1944 verursachten Stromeinsparungen<br />
Einschränkungen im Berufsverkehr<br />
(links); wegen starken Andrangs wurde<br />
noch im November 1944 zusätzlich der Bedarfs-Umlauf<br />
26 auf der Ringbahn eingesetzt<br />
(oben) Slg. Manuel Jacob (2)<br />
an den Anlagen, denn zum Abstellen von Zügen<br />
war die Strecke weiter in Betrieb. Vielmehr<br />
ging es um die Auflösung betrieblicher Abhängigkeiten.<br />
Bisher waren mehrere Zugläufe<br />
von Stadt- und Ringbahn miteinander verknüpft,<br />
was sich bei den zunehmenden kriegsbedingten<br />
Störungen als nachteilig herausstellte.<br />
Traten auf dem einen System<br />
Schwierigkeiten auf, so übertrugen diese sich<br />
auf das andere System und verdoppelten das<br />
Problem.<br />
„Fantasievoller Betrieb“<br />
Um angesichts der vielen Kriegszerstörungen<br />
den Zugbetrieb so stabil wie möglich zu gestalten,<br />
zeigten sich die S-<strong>Bahn</strong>-Verantwortlichen<br />
fantasievoll. War etwa eine Strecke durch Bombentreffer<br />
unpassierbar, dann wurden die Züge<br />
bis zum nächsten Kehrbahnhof geführt. Lagen<br />
zwischen diesem und der Schadensstelle weitere<br />
<strong>Bahn</strong>höfe, dann bestand die Möglichkeit, einen<br />
Pendelverkehr einzurichten. Dabei befuhr ein<br />
Zug diesen Streckenabschnitt immer auf einem<br />
Gleis, wurde fahrdienstlich aber so aufwendig behandelt<br />
wie regulärer Zugverkehr (z.B. Ab- und<br />
Rückmelden jeder einzelnen Zugfahrt). Mit Verfügung<br />
vom 27. November 1943 wurde der<br />
„Vereinfachte eingleisige Pendelverkehr“ eingeführt.<br />
Das hieß: Wenn sichergestellt war, dass<br />
sich nur ein Zug in dem betreffenden Streckenabschnitt<br />
befand, eventuell vorhandene Weichen<br />
durch Schlösser sowie Hebelsperren im Stellwerk<br />
gesichert und die Pendelendstellen gegen Zugfahrten<br />
des Regelbetriebes geschützt waren, dann<br />
konnte ein Pendelzug jetzt unter vereinfachten<br />
Bedingungen verkehren. Dies entlastete die örtlichen<br />
Eisenbahner und beschleunigte die Abläufe.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
19
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Großer Wert wurde<br />
auf die Verständigung<br />
der Reisenden<br />
über die aktuelle Verkehrslage<br />
gelegt. Hilfe<br />
leisteten dabei die<br />
„Zugverkehrskarten“,<br />
bildliche Darstellungen<br />
des Netzes<br />
der S-<strong>Bahn</strong>, in<br />
denen die aktuelle<br />
Situation farblich<br />
eingezeichnet und<br />
auf den <strong>Bahn</strong>höfen<br />
ausgehängt werden<br />
konnte. Bei Betriebseinschränkungen<br />
wurden<br />
die Meldungen<br />
notfalls mehrmals täglich aktualisiert. Von Störungen<br />
nicht betroffene <strong>Bahn</strong>höfe sollten spätestens<br />
sechs Stunden nach einem Ereignis<br />
nachfragen, ob die Störung noch bestehe.<br />
Slg. Reinhard Schulz<br />
„Fahren auf Sicht“<br />
Durch den fortschreitenden Verschleiß der<br />
Anlagen, schlechte Isolierstoffe und Schwankungen<br />
in der Stromspannung kam es immer häufiger<br />
zu Störungen der selbsttätigen Signalanlagen.<br />
So wurden im August 1944 immerhin 18.000<br />
Fälle festgestellt. Zum Vergleich: Im Juli 1942<br />
hatte man erst 3.000 Signalstörungen registriert.<br />
In solchen Fällen war es vor Selbstblocksignalen<br />
der freien Strecke gestattet, nach dem Halt vor<br />
dem gestörten Signal auf Sicht vorzurücken, Weil<br />
es mittlerweile vorkam, dass mehrere Signale hintereinander<br />
nicht richtig arbeiteten, führte dieses<br />
Verfahren zu untragbaren Verzögerungen. Für<br />
die Ringbahn mit einer Umlaufzeit von 70 Minuten<br />
hat man bei einem Probezug 50 Minuten<br />
Verspätung ermittelt. Darüber hinaus führte das<br />
Halten und erneute Anfahren zu erhöhtem<br />
Stromverbrauch, der unter den herrschenden Bedingungen<br />
unbedingt vermieden werden musste.<br />
So wurde im November 1944 zugelassen,<br />
dass das Triebwagenpersonal diese Signale passieren<br />
und „auf Sicht“ weiterfahren durfte,<br />
ohne zuvor stoppen zu müssen. Bedingung<br />
war, dass gestörte Signale an den vorgelegenen<br />
<strong>Bahn</strong>höfen gekündigt werden mussten.<br />
1943, im vierten Kriegsjahr, wurde sogar der<br />
Allzeit-Fahrgastrekord erreicht: 789 Millionen<br />
Fahrgäste fuhren mit der <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>. Auch<br />
1944 stiegen noch 700 Millionen Menschen ein.<br />
Selbst im Januar/Februar 1945 beförderte die<br />
S-<strong>Bahn</strong> auf ähnlich hohem Niveau rund zwei<br />
Millionen Fahrgäste werktäglich. Neben den<br />
verheerenden Bombenangriffen vom Februar/März<br />
1945 verschärfte sich nun auch die Zuteilung<br />
an elektrischer Energie, so dass die Verkehrsdichte<br />
jetzt immer weiter abnahm. Im<br />
April kam ein geordneter Zugverkehr nicht<br />
mehr recht zustande. Mit der Schlacht um Berlin<br />
musste ab 20. April 1945 der Verkehr auf den<br />
ersten Strecken eingestellt werden, bis er ab dem<br />
25. April vollständig ruhte. Dennoch beförderte<br />
die S-<strong>Bahn</strong> in den ersten vier Monaten des<br />
Jahres 1945 noch 160 Millionen Fahrgäste.<br />
Einen Hinweis auf die materiellen Schwierigkeiten,<br />
unter denen diese Leistungen zustande<br />
kamen, gibt der Stromverbrauch. Er<br />
ging seit 1941 zurück, während die Fahrgastzahlen<br />
bis 1943 noch anstiegen:<br />
• 1941: 508,14 kWh<br />
• 1942: 501,60 kWh<br />
• 1943: 460,61 kWh<br />
• 1944: 429,20 kWh<br />
• 1945: bis Mai: 99,57 kWh,<br />
ab Juni: 29,20 kWh<br />
Mühevoller Neubeginn<br />
So rasant der Niedergang der S-<strong>Bahn</strong> gegen<br />
Kriegsende war, so mühsam kam sie Mitte<br />
1945 wieder in Gang. Der erste Zug fuhr am<br />
6. Juni 1945 zwischen Schöneberg und Wannsee.<br />
Vier Fahrten in jede Richtung, das war das<br />
Angebot der ersten Wochen. Auch die nächsten<br />
Strecken wurden zunächst mit wenigen<br />
Zugfahrten eröffnet. Die Schwierigkeiten, denen<br />
die S-<strong>Bahn</strong> jetzt gegenüber stand, hatte<br />
HINTERGRUND<br />
KRIEGSTARIF<br />
Im fortschreitenden Krieg war die gesamte Wirtschaft zu strengster Sparsamkeit<br />
angehalten. Hinter dem Wort „Entfeinerung“ steckte das Ziel, Produkte<br />
oder Leistungen so zu vereinfachen, dass das Kernziel noch erreicht, aber zusätzliche<br />
„Luxus“- Merkmale weggelassen wurden.<br />
Am 1. Oktober 1944 traf es den Tarif der <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>. Dessen räumliche<br />
Ausdehnung umfasste weit mehr als die elektrifizierten Strecken. Fahrten von<br />
einem Endbahnhof zu einem anderen waren bis zu 100 Kilometer lang. Deshalb<br />
sah der zuletzt am 1. Mai 1939 geänderte Tarif 28 Preisstufen vor. Hinzu<br />
kamen elf Ermäßigungen (darunter Fahrkarten für Kurzstrecken und Kinder,<br />
Schülermonatskarten sowie verschiedene Wochenkarten). Ziel der Tarifvereinfachung<br />
war, dass weniger Fahrkartensorten gebraucht wurden und durch<br />
schnelleren Verkauf und Abrechnung Personal eingespart werden konnten.<br />
Xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Man wollte das Leistungsprinzip soweit wie möglich Xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx beibehalten und bei Wegfall<br />
von Vergünstigungen Alternativen anbieten. Deshalb strich man die 28<br />
–<br />
Xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx<br />
Preisstufen des alten Tarifs auf nunmehr acht zusammen. Kern des unveränderten<br />
Tarifgebietes war eine Kreisfläche, die die Stadt-, Ring- und Nordsüd-<br />
<strong>Bahn</strong> umfasste und eine Preiszone bildete. Ringförmig um diesen Kern legten<br />
sich fünf Zonen im Abstand von jeweils etwa zehn Kilometern. Fahrten innerhalb<br />
von zwei benachbarten Zonen bildeten die Preisstufe 1. Jede weitere<br />
Zone kostete eine Preisstufe mehr. Zum Beispiel: Friedrichstraße – Grunewald<br />
= Preisstufe 1, Friedrichstraße – Wannsee = Preisstufe 2, Friedrichstraße<br />
– Potsdam = Preisstufe 3.<br />
Drei statt elf Ermäßigungen<br />
Von den zuvor elf Preisermäßigungen blieben nur noch drei übrig,<br />
nämlich Sammelkarten für zehn Fahrten, Schülermonatskarten<br />
und Geschwisterkarten 3. Klasse.<br />
Die Abkehr von der starken Differenzierung in Form vieler<br />
Preisstufen und der Verzicht auf viele Preisermäßigungen<br />
führten zwangsläufig zu Verteuerungen und Benachteiligungen.<br />
Deshalb war die Reichsbahn um gewisse Ausgleiche<br />
bemüht. So sank der Preisansatz der Monatskarten<br />
im Verhältnis zu den Einzelkartenpreisen. Ebenfalls Preis<br />
dämpfend wirkten sich die Sammelkarten aus, die Rabatte<br />
bis zu 33 % boten. Insgesamt rechnete die Reichsbahn mit<br />
Nach dem alten Tarif (l.) gab es unzählige Varianten,<br />
die neuen Fahrkarten (r.) waren freizügig gültig<br />
Die Preisstufen nach der Einführung des Kriegstarifs 1944 Slg. M. Jacob (3)<br />
Einnahmeverlusten von etwa 10 bis 15 % durch die Auswirkungen des Kriegstarifs.Dieser<br />
sollte nur eine Übergangslösung darstellen und baldmöglichst abgelöst<br />
werden. Doch dazu kam es nicht. Das Provisorium blieb bei der <strong>Berliner</strong><br />
S-<strong>Bahn</strong> bis 1991 in Kraft.<br />
MANUEL JACOB<br />
20
Zeitgeschichte.<br />
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einer Zugverkehrskarte.Zur<br />
Information<br />
der Reisenden bei<br />
Betriebsstörungen<br />
wurde auf ihr die jeweilige<br />
Verkehrslage<br />
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Slg. Manuel Jacob<br />
LINKS Beseitigung der<br />
Kriegsschäden: Im<br />
März 1947 läuft der<br />
Wiederaufbau der<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Strecke Ostkreuz<br />
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nicht nur der Kampf um Berlin verursacht, sie<br />
resultierten auch aus umfassenden Demontagen<br />
der Sowjetarmee. Kilometerweise zweite<br />
Gleise und die Ausrüstungen aus 26 Gleichrichterwerken,<br />
davon zwölf komplett, mussten<br />
gen Osten abgeliefert werden. Die Folge<br />
waren Pendelverkehre ohne Ende.<br />
Dennoch: Auf den ersten Blick betrachtet,<br />
funktionierte das System „<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>“ Ende<br />
1945 schon wieder. Rund 73 % des Netzes, darunter<br />
fast alle wichtigen Strecken, wurden im Berufsverkehr<br />
sogar im 20- oder 30-Minuten-Takt<br />
befahren. Knapp 250 Viertelzüge galten zur Jahreswende<br />
als betriebsfähig, von denen fast alle täglich<br />
von etwa 5 bis 22 Uhr in 56 Wagenzügen eingesetzt<br />
wurden. Seit Oktober wurden werktags<br />
bereits rund eine Million Fahrgäste befördert, im<br />
gesamten Dezember 1945 waren es 17,6 Millionen.<br />
Die Not der Nachkriegsmonate macht folgender<br />
Vergleich deutlich: Ende 1945 wurden auf<br />
85 % des Streckennetzes mit 20 % der Fahrzeuge<br />
und 20 % des Stromverbrauchs rund 50 % der<br />
Fahrgäste vom Anfang des Jahres befördert. Man<br />
kann sich heute kaum vorstellen, wie eng es in den<br />
Zügen gewesen sein muss. Manuel Jacob<br />
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Die deutsch-deutschen Grenzbahnhöfe<br />
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Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Der Mauerbau, die S-<strong>Bahn</strong> und ein<br />
Achtjähriger in Potsdam<br />
„Berlin ist zu!“<br />
Wolf-Dietger Machel kennt die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong><br />
von klein auf. Seine Eltern wohnen in Potsdam-<br />
Babelsberg nahe der Strecke nach Erkner, das<br />
Heulen der Züge ist so geläufig wie das Vogel -<br />
zwitschern. Dann kommen der 13. August 1961<br />
und der Mauerbau. Alles wird anders<br />
LINKS Endstation bei<br />
Griebnitzsee; die<br />
Strecke ist gekappt<br />
Sigurd Hilkenbach/<br />
Slg. Manuel Jacob<br />
RECHTS Von oberster<br />
Stelle erhielten die<br />
Diensthabenden der<br />
„grenznahen“ <strong>Bahn</strong>höfe<br />
Anweisungen<br />
für den Betrieb nach<br />
dem Mauerbau<br />
Slg. Manuel Jacob<br />
Geboren wurde ich im Potsdamer Stadtteil<br />
Babelsberg, nahe der S-<strong>Bahn</strong>-Strecke<br />
nach Erkner. Unweit des <strong>Bahn</strong>damms<br />
bin ich auch groß geworden, und die<br />
S-<strong>Bahn</strong> gehörte, soweit ich zurückdenken kann,<br />
zum festen Bestandteil meiner Umwelt. Von<br />
morgens bis abends waren die heulenden<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Motoren für mich so selbstverständlich<br />
wie die zwitschernden Vögel in der Kleingartenanlage<br />
hinter dem Haus. Mehr noch: Die<br />
S-<strong>Bahn</strong> war das Verkehrsmittel, mit dem ich die<br />
Heimatstadt verlassen konnte. Sie brachte mich<br />
beispielsweise zu den Großeltern, die im West-<br />
<strong>Berliner</strong> Ortsteil Wilmersdorf wohnten.<br />
Wir schrieben den August 1961, und der lag<br />
mitten in meinen ersten Sommerferien. In den<br />
Nebenstraßen am <strong>Bahn</strong>hof Babelsberg standen<br />
Autos über Autos mit unterschiedlichen DDR-<br />
Kennzeichen, die wenigsten aus dem Bezirk Potsdam.<br />
Ihre Besitzer hatten eine Fahrkarte für 0,20<br />
DM (Ost) gelöst, um mit der S-<strong>Bahn</strong> nach West-<br />
Berlin zu fahren und nicht wieder zurückzukehren.<br />
In jenen Wochen und Tagen sprachen die Erwachsenen<br />
viel hinter vorgehaltener Hand und<br />
raunten davon, dass irgendetwas passieren würde.<br />
Mein Vater verkündete schließlich, dass<br />
am 12. August 1961 endlich wieder ein Onkelbesuch<br />
fällig sei. Der wohnte in der Nähe<br />
des Ost-<strong>Berliner</strong> <strong>Bahn</strong>hofs Leninallee (heute<br />
wieder Landsberger Allee). Also ging es<br />
am Vormittag des 12. August, einem Samstag,<br />
los: ab Babelsberg mit der S-<strong>Bahn</strong> über<br />
den Potsdamer <strong>Bahn</strong>hof Griebnitzsee. Hier<br />
passierten wir die obligatorische und meist<br />
ausgiebige Kontrolle durch die „Organe“, die bei<br />
uns nur „Krümelsucher“ hießen. Die S-<strong>Bahn</strong><br />
brachte uns bis Ostkreuz; von dort fuhren wir<br />
auf dem Nordring bis Leninallee. Der Onkelbesuch<br />
war ohne Besonderheiten – wenigstens<br />
in meiner Erinnerung. Anders die Rückkehr<br />
vom Onkelbesuch und der folgende Tag.<br />
Nur ein knapper Satz ging meiner Mutter über die<br />
Lippen: „Die S-<strong>Bahn</strong> fährt nicht mehr.“<br />
Gegen 22:45 Uhr hieß es Abschied nehmen,<br />
und die Fahrt, für mich längst eine<br />
Nachtfahrt, begann. Von Müdigkeit war bei<br />
mir, wenn‘s ums <strong>Bahn</strong>fahren ging, auch zu<br />
später Stunde nie etwas zu spüren. Noch<br />
deutlich erinnere ich mich daran, wie mein<br />
Vater am <strong>Bahn</strong>hof Zoologischer Garten auf<br />
die leuchtende Uhr an der Turmruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche<br />
aufmerksam<br />
machte. Ahnte er, dass wir den Kirchturm –<br />
und nicht nur ihn – viele Jahre nicht wieder<br />
sehen würden?<br />
Schlechte Nachricht am Sonntag<br />
Am Sonntagmorgen, an jenem 13. August 1961,<br />
schlief ich nach dem Onkelbesuch lange. Als ich<br />
dann am Vormittag in der Badewanne saß, kam<br />
meine Mutter mit Küchenkräutern aus dem<br />
Hausgarten und stand mit Tränen in den Augen<br />
vor meinem Vater. Nur ein knapper Satz ging ihr<br />
über die Lippen: „Die S-<strong>Bahn</strong> fährt nicht mehr.“<br />
Eine Nachbarin hatte ihr im Garten mitgeteilt:<br />
„Berlin ist zu!“ Meine spontane, kindliche<br />
Reaktion blieb nicht aus: „Aber Mutti,<br />
hör‘ doch! Die S-<strong>Bahn</strong> fährt!“ Und tatsächlich<br />
heulten draußen in diesem Moment die Motoren<br />
eines S-<strong>Bahn</strong>-Zuges. Doch der Schein<br />
trog! Wir erfuhren wenig später, dass wir am<br />
Vorabend mit einem der letzten Züge von<br />
Erk ner nach Potsdam Stadt nach Hause ge-<br />
22
Mauerbau<br />
Das <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Netz 1961, vor dem Mauerbau: Noch kommt man ungehindert von Potsdam nach und durch West-Berlin.<br />
Rechts eine bis Babelsberg gültige Fahrkarte, Preisstufe 4<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt (o.), Slg. Manuel Jacob (r.)<br />
kommen waren. Jetzt pendelte die S-<strong>Bahn</strong><br />
nur noch im Potsdamer Stadtgebiet, nämlich<br />
zwischen Potsdam Stadt und Griebnitzsee.<br />
Am 9. Oktober 1961 war es auch mit diesem<br />
Restbetrieb vorbei. Als Ersatz verkehrte eine der<br />
legendären <strong>Berliner</strong> Stadtbahndampfloks der<br />
Baureihe 74 mit einem D-Zug-Wagen zwischen<br />
Potsdam Hbf (heute Potsdam Pirschheide), Potsdam<br />
Stadt (heute Potsdam Hbf) und Griebnitzsee.<br />
Später wurde diese seltsame Zugkomposition<br />
durch in Babelsberg endende Triebwageneinheiten<br />
der Baureihen VT 137 und VS 145 ersetzt.<br />
Als ich 1970 meine Ausbildung auf dem für<br />
den Reiseverkehr nahezu bedeutungslosen<br />
<strong>Bahn</strong>hof Potsdam Stadt aufnahm, erzählten<br />
mir Eisenbahner, dass noch Tage nach dem 13.<br />
August 1961 Leute aus der „Provinz“ die<br />
Schließung der Grenze nicht wahrhaben wollten.<br />
Sie fuhren mit der S-<strong>Bahn</strong> bis Griebnitzsee<br />
und kamen traurig gestimmt mit demselben<br />
Zug zurück! Um weite Teile des Stadtkreises<br />
Potsdam wuchs fortan die Mauer – von Jahr zu<br />
Jahr höher und massiver. Das Unnormale wurde<br />
zur Normalität.<br />
Zeitsprung: Als ich am 2. Juli<br />
1990 auf dem bis dahin nur für<br />
den Ost-<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr<br />
genutzten <strong>Bahn</strong>steig in Berlin<br />
Friedrichstraße die Durchsage<br />
„Wannsee zurückbleiben“<br />
hörte, kamen mir die Tränen.<br />
Das war ein Vorgeschmack auf „Potsdam Stadt zurückbleiben“,<br />
auf den durchgehenden S-<strong>Bahn</strong>-Betrieb<br />
zwischen Berlin und Potsdam, wie es ihn bis<br />
zu jenem Augusttag 1961 gegeben hatte. Am<br />
1. April 1992 wurde auch das wieder Wirklichkeit.<br />
LINKS Ein Halbzug der<br />
Bauart „Stadtbahn“<br />
1938 auf der Fahrt zwischen<br />
dem Haltepunkt<br />
Babelsberg und dem<br />
<strong>Bahn</strong>hof Potsdam.<br />
Ähnlich lief der Betrieb<br />
noch bis Frühherbst<br />
1961 Slg. W.-D. Machel (2)<br />
RECHTS Der junge<br />
Wolf-Dietger Machel,<br />
hier in fröhlicheren<br />
Stunden als an jenem<br />
13. August 1961<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
23
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> 1961-1989<br />
Getrennte Welten<br />
Nach dem Kriegsende war der Mauerbau am 13. August 1961 das einschneidendste Ereignis<br />
in der Geschichte der <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>. Über Nacht gab es zwei Netze fast ohne Verbindung. Die<br />
politische Kontroverse belastete den S-<strong>Bahn</strong>-Betrieb in West-Berlin, immer wieder kam es zu<br />
Konflikten. Erst in den 80er-Jahren änderte sich die Lage<br />
24
S-<strong>Bahn</strong> in Ost- und West-Berlin 1961-89<br />
Seitdem am 13. August 1961 West-Berlin<br />
vom Ostteil der Stadt und vom Umland<br />
abgeriegelt worden war, war auch<br />
das Massenverkehrsmittel der Spreestadt geteilt.<br />
Zwar blieb die S-<strong>Bahn</strong> unter einer Leitung,<br />
der Reichsbahndirektion Berlin, aber sie<br />
entwickelte sich in den beiden Stadthälften<br />
höchst unterschiedlich.<br />
Für die West-<strong>Berliner</strong> wurde sie nach einem<br />
Aufruf des Gewerkschaftsvorsitzenden<br />
Walter Sickert („Keine Mark für Ulbrichts<br />
Stacheldraht“) zum Symbol des verhassten<br />
SED-Staates. Die S-<strong>Bahn</strong> wurde boykottiert,<br />
nur noch von einem Fünftel der bisherigen<br />
Fahrgäste benutzt. Als Ersatz richteten<br />
die <strong>Berliner</strong> Verkehrsbetriebe BVG<br />
Buslinien ein, und es wurden U-<strong>Bahn</strong>-Linien<br />
gebaut.<br />
Neubaustrecken im Ost-<strong>Berliner</strong> Netz<br />
Im Osten, in der Hauptstadt der DDR sowie<br />
in den Bezirken Potsdam und Frankfurt<br />
(Oder), musste die Reichsbahn währenddessen<br />
rasch Ersatz schaffen, um nach dem Mauerbau<br />
zumindest den Berufsverkehr wieder zu<br />
ermöglichen. Zwischen Berlin-Blankenburg<br />
und Hohen Neuendorf wurde am 19. November<br />
1961 die neue Verbindung auf dem<br />
Außenring zum größten Teil im Gemeinschaftsbetrieb<br />
mit der Fernbahn eingerichtet;<br />
das stellte den Anschluss von Berlin nach Oranienburg<br />
wieder her (wobei der Gemeinschaftsbetrieb<br />
am 2. September 1984 nach<br />
Bau eines separaten S-<strong>Bahn</strong>-Gleises endete).<br />
Für den durchgehenden Verkehr vom Zentralflughafen<br />
Berlin-Schönefeld nach Oranienburg<br />
ging am selben Tag das zweite Gleis<br />
Pankow – Blankenburg in Betrieb. Zwischen<br />
Schönhauser Allee und Berlin-Pankow wurde<br />
eine Verbindung benutzt, die bislang nur<br />
Dienstzüge befuhren. Am 26. Februar 1962<br />
ging auch die neue Strecke Berlin-Adlershof<br />
– Flughafen Schönefeld in Betrieb.<br />
Danach dauerte es 14 Jahre bis zur nächsten<br />
Erweiterung des S-<strong>Bahn</strong>-Netzes. Die Beschlüsse<br />
des VIII. SED-Parteitages zur weiteren<br />
Entwicklung der Hauptstadt leiteten<br />
insbesondere ein Wohnungsbauprogramm<br />
Nach dem Mauerbau kommen S-<strong>Bahn</strong>en nur noch über die Stadtbahn<br />
von West- nach Ost-Berlin und umgekehrt. Im Juli 1984 ist ein Zug<br />
der Baureihe 275 von Friedrichstraße westwärts unterwegs; auf der<br />
Brücke über den Humboldthafen rollt er dem Lehrter Stadtbahnhof<br />
entgegen. Hinten Ost-Berlin und die Grenzanlagen Konrad Koschinski<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013 25
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Nicht nur Personen, auch Gepäckstücke werden mit der S-<strong>Bahn</strong> transportiert.<br />
Im West-<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Netz ist Anfang der 70er-Jahre ein<br />
solcher Gepäckzug unterwegs<br />
Jürgen Krantz, Sigurd Hilkenbach (r.)<br />
Der Tunnelbahnhof Potsdamer Platz lag unter dem Grenzgebiet zwischen<br />
Ost- und West-Berlin und wurde mit dem Mauerbau aufgelassen.<br />
Das Bild von 1962 zeigt zwei Eingänge an der Mauer (Westseite)<br />
ein, durch das die S-<strong>Bahn</strong> die Aufgabe erhielt,<br />
die neuen Wohngebiete in Marzahn und Hohenschönhausen<br />
zu erschließen. Dazu wurden<br />
die Abschnitte Abzweig Biesdorfer Kreuz bzw.<br />
Friedrichsfelde Ost – Berlin-Marzahn am<br />
30. Dezember 1975, Berlin-Marzahn – Otto-<br />
Winzer-Straße (nach 1990 umbenannt in<br />
Mehrower Allee) am 15. Dezember 1980 und<br />
Otto-Winzer-Straße –Ahrensfelde am 31. Dezember<br />
1982 eröffnet.<br />
Am 21. Dezember 1984 ging der eingleisige<br />
Streckenabschnitt Springpfuhl – Berlin-<br />
Hohenschönhausen in Betrieb, am 20. Dezember<br />
1985 wurde der zweigleisige Ausbau<br />
dieses Abschnittes, verlängert bis Wartenberg,<br />
dem Verkehr übergeben. Die Strecke war eigentlich<br />
bis zum Karower Kreuz geplant, wurde<br />
aber nur mit dem Planum fortgesetzt und<br />
Bis 1989 kam die S-<strong>Bahn</strong> in Ost-Berlin pro Tag auf<br />
1.800 Fahrten und rund 700.000 Fahrgäste<br />
blieb ein Fragment, so dass das Wohngebiet<br />
Buchholz Nord keinen S-<strong>Bahn</strong>-Anschluss bekam.<br />
Nicht gebaut wurden auch die S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Verbindung zwischen dem Grünauer und dem<br />
Biesdorfer Kreuz, eine Tangente für die Oranienburger<br />
Züge sowie die Verlängerung über<br />
Karow hinaus nach Basdorf und bis Wandlitzsee.<br />
Stark beanspruchte Linien<br />
Das Streckennetz in Ost-Berlin sowie in den<br />
angrenzenden Bezirken Frankfurt (Oder) und<br />
Potsdam hatte 1986 eine Länge von 173 Kilometern,<br />
dabei waren 36 Prozent der Strecken<br />
eingleisig. Das Netz war engmaschig geknüpft<br />
und mindestens ebenso stark beansprucht. Bis<br />
1989 benutzten rund 700.000 Fahrgäste täglich<br />
die S-<strong>Bahn</strong> im Ostteil. Bei etwa 1.800<br />
Zugfahrten kam sie auf 45.000 Zugkilometer<br />
am Tag. Im Fahrplan waren vorgesehen:<br />
• 6 Zuggruppen bis Friedrichstraße,<br />
• 9 Zuggruppen bis Alexanderplatz,<br />
• 13 Zuggruppen von Strausberg, Ahrensfelde,<br />
Erkner, Königs Wusterhausen und Berlin-<br />
ZUR PERSON<br />
FRIEDRICH KITTLAUS<br />
Eine der wichtigsten Personen – und Persönlichkeiten<br />
– bei der <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> der<br />
Nachkriegszeit wurde Friedrich Kittlaus. Im Jahr<br />
1901 geboren, hatte er zunächst eine Lokführerlaufbahn<br />
begonnen und kam Ende der 30er-<br />
Jahre zur S-<strong>Bahn</strong>. Als Betriebskontrolleur<br />
erwarb er sich während des Zweiten Weltkriegs<br />
besondere Meriten, weil es ihm gelang, trotz<br />
zunehmender Bombardements den Zugverkehr<br />
weitgehend am Laufen zu halten. Im August<br />
1945 musste Kittlaus den Dienst bei der S-<br />
<strong>Bahn</strong> quittieren. Im April 1949, während der<br />
Berlin-Blockade, holte man ihn aber zurück. Auf<br />
Weisung des Reichsbahn-Generaldirektors Willi<br />
Kreikemeier wurde er nun als S-<strong>Bahn</strong>-Leiter<br />
eingesetzt, was er bis zum 31. Dezember<br />
1972 (!) blieb. In dieser Zeit erreichte er es,<br />
dass die S-<strong>Bahn</strong> auch unter schwierigen Bedin-<br />
gungen beachtliche Transportleistungen erbrachte.<br />
Mit seinen Mitarbeitern erstellte er<br />
unter anderem ein Konzept, das die betrieblichen<br />
Einschränkungen durch den Mauerbau<br />
auffing und den Betrieb in getrennten Netzteilen<br />
regelte. Bei all dem stand Kittlaus selbst<br />
für die S-<strong>Bahn</strong> Berlin als Einheit, nicht zuletzt<br />
durch seine Person. Trotz führender Position<br />
bei der DDR-Reichsbahn in Ost-Berlin war er<br />
kein Mitglied der Staatspartei SED und behielt<br />
seinen Wohnsitz in West-Berlin. Diplomatisch<br />
regelte er auf dem kleinen Dienstweg manche<br />
politisch motivierten Unstimmigkeiten zwischen<br />
West und Ost. Im Jahr 1989/90 erlebte<br />
er noch, wie die Konfrontation beendet wurde<br />
und die beiden S-<strong>Bahn</strong>-Netze langsam wieder<br />
zusammenwuchsen. Kittlaus starb im September<br />
1991.<br />
MANUEL JACOB<br />
Friedrich Kittlaus (M.) bei der Eröffnung der S-<strong>Bahn</strong>-Verbindung Adlershof – Zentralflughafen<br />
Schönefeld, 26. Februar 1962<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
26
Das <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Netz 1975 mit den geteilten, jeweils von der Reichsbahn betriebenen Netzen (o.). Nur in Ost-Berlin gab es die Touristen-<br />
Fahrkarte (u.), mit der auch West-Bürger das Netz befahren konnten<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
Slg. Martin Weltner<br />
Buch bis Berlin-Ostbahnhof<br />
bzw. Warschauer<br />
Straße.<br />
Allein der <strong>Bahn</strong>hof<br />
Warschauer Straße<br />
wurde von 15 Zuggruppen<br />
berührt.<br />
Damit fuhr die<br />
S-<strong>Bahn</strong> in Ost-Berlin<br />
im Regelverkehr bis<br />
zur Leistungsgrenze.<br />
Im Grundtakt von<br />
20 Minuten verkehrten<br />
17 Zuggruppen, so<br />
dass sich auf stark befahrenen<br />
Strecken eine<br />
Verdichtung der Zugfolge<br />
bis zu zwei Minuten ergab. Die hohe<br />
Zugfrequenz, insbesondere auf den Abschnitten<br />
Biesdorfer Kreuz – Berlin Friedrichstraße,<br />
Berlin-Schöneweide – Berlin-Blankenburg,<br />
auf den Abzweigstellen Grünauer Kreuz,<br />
Biesdorfer Kreuz, Karower Kreuz West und<br />
Ostkreuz, führte zu einem erhöhten Verschleiß<br />
der Anlagen und erforderte eine vorbeugende<br />
und planmäßige Instandhaltung der<br />
Gleisanlagen.<br />
Modernisierungen in Ost-Berlin<br />
Mit technischen Neuerungen versuchte die<br />
Reichsbahn, die Betriebsabläufe zu vereinfachen<br />
und dem hohen Verkehrsaufkommen in<br />
<strong>Bahn</strong>betrieb auf dem Innenring: Ein 275er macht 1979 im <strong>Bahn</strong>hof Schönhauser Allee Station,<br />
auf den Fernbahngleisen nebenan ist eine 52er-Dampflok unterwegs<br />
Thomas Wunschel<br />
und um Ost-Berlin anzupassen. Nach der –<br />
verzögerten – Einführung des Abfertigungsfunks<br />
auf den <strong>Bahn</strong>höfen und in den Triebfahrzeugen<br />
von 1965 bis 1969 wurde im Einmannbetrieb<br />
gefahren, das heißt, der<br />
Triebwagenschaffner (Beimann) eingespart.<br />
16 <strong>Bahn</strong>steige wurden mit Hilfe von Fernbeobachtungsanlagen<br />
überwacht, auf 18 <strong>Bahn</strong>steigen<br />
galt das Abfahrsignal Zp 8/9a, so dass<br />
auf diesen <strong>Bahn</strong>höfen die Aufsicht entfallen<br />
konnte.<br />
Seit den 70er-Jahren wurden die Formsignale<br />
gegen Lichtsignale ausgetauscht, meist<br />
solche des Hl-Signalsystems und nicht die für<br />
die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> typischen Sv-Signale. Allerdings<br />
schränkten die Signalabstände die<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
27
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Der Ostbahnhof (später Hauptbahnhof) ist einer der wichtigen Knotenpunkte im Ost-<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Netz. In den 80er-Jahren begegnen sich<br />
dort Triebfahrzeuge der Bauarten „Stadtbahn“ und „Olympia“<br />
Slg. Wolf-Dietger Machel<br />
Weil die Einnahmen in West-Berlin nicht den Unterhalt trugen, verzichtete die Reichsbahn bei den Stationen auf Instandhaltungsmaßnahmen.<br />
Im Frühjahr 1982 wirken viele Halte recht verwahrlost, wie Zehlendorf Süd (l.) und Lichterfelde Ost (r.) Archiv GM (2)<br />
Leistungsfähigkeit des Netzes ein. Daher beschloss<br />
die Reichsbahn, mit dem automatischen<br />
Streckenblock (AB 70 S) ein leistungsfähiges<br />
neues Signalsystem zu installieren, um<br />
kürzere Zugfolgezeiten zu ermöglichen. Nach<br />
der Erprobung 1976 folgte 1984 die serienmäßige<br />
Einführung. Der automatische Streckenblock<br />
(AB 70 S) wurde in Betrieb genommen<br />
auf den Strecken<br />
• Berlin-Karlshorst – Berlin Ostbahnhof,<br />
• Ahrensfelde – Berlin Ostbahnhof – Alexanderplatz<br />
und<br />
• Berlin-Schöneweide – Greifswalder Straße.<br />
Außerdem verlegte man auf verschiedenen<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Strecken ein zweites Gleis: von 1979<br />
bis 1980 zwischen Grünau und Zeuthen,<br />
1987 zwischen Grünauer Kreuz und Altglienicke,<br />
1989 zwischen Lehnitz und Oranienburg,<br />
zwischen Altglienicke und Flughafen<br />
Berlin-Schönefeld sowie zwischen Karow und<br />
Buch. Auf einigen Streckenabschnitten wurde<br />
der Linksfahrbetrieb eingeführt, damit bei<br />
planmäßigen Bauarbeiten an den Gleisanlagen<br />
oder <strong>Bahn</strong>hofsanlagen Züge pendeln konnten<br />
und Reisende nicht so oft umsteigen mussten.<br />
Unabhängig davon gab es weiterhin Probleme,<br />
die Verkehrsspitzen zu bewältigen.<br />
28
Renovierung und neue Fahrzeuge<br />
Die schwierige Situation wirkte sich auch<br />
auf den Fahrzeugpark der Ost-<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong><br />
aus. Dabei half es wenig, dass aus West-Berlin<br />
mehrere Züge der Baureihen 168 und 169<br />
zur Verfügung standen. Sie wurden im Reichsbahnausbesserungswerk<br />
Berlin-Schöneweide<br />
zu U-<strong>Bahn</strong>-Wagen für die Großprofillinie Alexanderplatz<br />
– Tierpark umgebaut, da dort<br />
ebenfalls Mangel herrschte.<br />
Modernisierte und neue Fahrzeuge<br />
Weil die S-<strong>Bahn</strong> nicht die vorgesehenen Neubaufahrzeuge<br />
der Baureihe 126 erhielt, mussten<br />
von 1973 an die Fahrzeuge der Vorkriegs-<br />
Baureihen 276.0 und 277 modernisiert<br />
werden. Bis 1982 umfasste die Maßnahme<br />
206 Triebfahrzeuge. Die Fahrzeuge erhielten<br />
dabei neue Drehgestelle, ein 110-Volt-Bordnetz,<br />
eine veränderte Vorderansicht der Triebwagen<br />
und eine modernisierte Fahrgastraumgestaltung<br />
mit Großraumabteilen für die<br />
Beförderung von Kinderwagen und großem<br />
Reisegepäck.<br />
Außerdem wurden von 1979 bis 1987 die<br />
195 Triebwagen der Baureihe 275 modernisiert.<br />
Sie erhielten die Ordnungsnummer 276.1, ihre<br />
Innengestaltung entsprach der modernisierten<br />
Baureihe 277. Eine über der Scharfenbergkupplung<br />
angeordnete halbautomatische Steuerstromkupplung<br />
ermöglichte die Verbindung<br />
des Steuerstroms mit den 277er-Triebzügen, so<br />
dass diese gemeinsam verkehren konnten. Der<br />
veraltete 4-m-Funk wurde gegen 2-m-Funk<br />
ausgetauscht. Die Triebfahrzeuge erhielten für<br />
die energiesparende Fahrweise Bordmikrorechner<br />
(BMR) und 1986 erst einmal versuchsweise<br />
in einem Triebfahrzeug eine Lautsprecheranlage<br />
zur Fahrgastinformation.<br />
Irgendwer hatte die Idee, alle Nahverkehrsmittel<br />
von der S-<strong>Bahn</strong> bis zum Taxi müssten in<br />
der Hauptstadt der DDR farblich aneinander<br />
angepasst werden und dürften sich nur in Nuancen<br />
unterscheiden. Dementsprechend wurden<br />
dem Minister für Verkehrswesen, Otto Arndt,<br />
verschiedene Varianten in Bordeauxrot-Elfenbeinbeige<br />
vorgestellt, darunter eine Version mit<br />
Türen in Elfenbeinbeige und dem restlichen<br />
Fahrzeug in Bordeauxrot. Schließlich wurde Anfang<br />
1984 Bordeauxrot für den unteren Wagenkasten<br />
und Elfenbeinbeige für den Bereich<br />
oberhalb der Fahrzeugmitte ausgewählt. Bei Eisenbahnern<br />
und auch den <strong>Berliner</strong>n stieß das allerdings<br />
nicht auf Gegenliebe. Sie bemängelten,<br />
dass man die traditionelle S-<strong>Bahn</strong>-Lackierung<br />
Rot-Ocker aufgegeben hatte.<br />
Auf Dauer reichten die modernisierten Altbau-Fahrzeuge<br />
nicht aus; Neubauten waren<br />
notwendig. Vom 3. August 1980 bis 15. Mai<br />
1981 erprobte die S-<strong>Bahn</strong> einen achtteiligen<br />
Vollzug (Musterzug) vom VEB Kombinat Lokomotivbau-Elektrotechnische<br />
Werke „Hans<br />
Beimler“ Hennigsdorf. Das als Baureihe 270<br />
bezeichnete Fahrzeug absolvierte 70.000 Kilometer<br />
Strecke. In einer Nacherprobung musste<br />
der Musterzug von 1983 nochmals 100.000<br />
Kilometer mit Fahrgästen fahren. Am 1. Februar<br />
1985 schließlich übernahm die Deutsche<br />
Reichsbahn diesen Zug (der 1991 ausgemustert<br />
STICHWORT WIEDERERÖFFNUNGEN DURCH DIE BVG<br />
Mit der Übernahme der West-<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> betrieb die BVG ab 9. Januar 1984 ein „Rumpfnetz“,<br />
bestehend aus den Linien S 2 Anhalter Bf – Lichtenrade (13,8 Kilometer Länge) und<br />
S 3 Friedrichstraße – Charlottenburg (7,3 Kilometer). Darüber hinaus war zunächst nur die Inbetriebnahme<br />
der Wannseebahn geplant, nach erheblichen Protesten der Öffentlichkeit beschloss der<br />
West-<strong>Berliner</strong> Senat als Entscheidungsgremium der städtischen BVG eine größere Erweiterung. In<br />
Betrieb gingen:<br />
1. Mai 1984 S 3, Charlottenburg – Wannsee<br />
1. Mai 1984 S 2, Anhalter <strong>Bahn</strong>hof – Gesundbrunnen<br />
1. Oktober 1984 S 2, Gesundbrunnen – Frohnau<br />
1. Februar 1985 S 1, Anhalter <strong>Bahn</strong>hof – Wannsee<br />
Die Inbetriebnahme der Strecke nach Frohnau und erst recht der Wannseebahn erforderte aufwendige<br />
Sanierungsarbeiten. In dieser Form blieb das West-<strong>Berliner</strong> Netz bis nach der Wiedervereinigung<br />
bestehen.<br />
MANUEL JACOB/FELIX WALTHER<br />
Am 1. Februar 1985 nimmt die BVG die Wannseebahn wieder in Betrieb. Zwei Eröffnungszüge<br />
fahren parallel zum Anhalter <strong>Bahn</strong>hof, im Bild zwischen Lichterfelde West und Botanischer<br />
Garten<br />
Peter Kusterer<br />
wurde) und gab eine Serie in Auftrag. Von 1988<br />
an wurden die Züge in Rubinrot mit anthrazitfarbenem<br />
Fensterband ausgeliefert.<br />
Renovierung der <strong>Bahn</strong>hofsanlagen<br />
Neues bzw. Erneuertes strebte die Reichsbahn<br />
im Ost-<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Netz aber nicht nur<br />
bei den Fahrzeugen an, sondern ebenso bei der<br />
Infrastruktur. Die <strong>Bahn</strong>anlagen einschließlich<br />
der Empfangsgebäude wiesen ein beachtliches<br />
Alter auf. Zum großen Teil stammten sie noch<br />
aus der Zeit der Betriebsaufnahme, waren im<br />
Krieg schwer beschädigt und später wieder errichtet<br />
worden. Die Instandhaltung der Hochbauten<br />
ließ oft zu wünschen übrig. Als sich in<br />
den 80er-Jahren ein großes Jubiläum ankündigte,<br />
wurde die Reichsbahn aktiv. Für die 750-<br />
Jahr-Feier Berlins 1987 wurden ab 1981 alle<br />
Empfangsgebäude und Verkehrsanlagen der<br />
Hauptstadt-<strong>Bahn</strong>höfe mit Ausnahme der Neubauten<br />
einer Verschönerungskur unterzogen.<br />
Mag sein, dass man damit Schwierigkeiten<br />
kaschierte. Doch rückblickend lässt sich sagen,<br />
dass die S-<strong>Bahn</strong> in der DDR-Mangelwirtschaft<br />
trotz aller Probleme ein wichtiger, wenn<br />
nicht der wichtigste Bestandteil des öffentlichen<br />
Personennahverkehrs in Ost-Berlin war.<br />
Dass sie diese Rolle überhaupt einnehmen<br />
konnte, ist der Improvisationskunst der Führungskräfte<br />
und der Liebe vieler Eisenbahner<br />
in der Reichsbahndirektion Berlin zu „ihrer“<br />
S-<strong>Bahn</strong> zu danken. Herausragend war stets das<br />
In Ost-Berlin war die S-<strong>Bahn</strong> ein beliebtes Verkehrsmittel,<br />
in West-Berlin die „Schüttelbahn“ der DDR<br />
Pflichtbewusstsein bei Großveranstaltungen,<br />
wenn nach „Hochleistungsfahrplänen“ gefahren<br />
wurde. Das wird im nachhinein leicht vergessen.<br />
Konfliktpotenzial in West-Berlin<br />
Gänzlich anders lagen die Dinge im Westteil<br />
der Stadt. War die Ost-<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> für die<br />
dortige Bevölkerung das beliebte, zuverlässige<br />
Massenverkehrsmittel, so galt sie im Westen<br />
als „Schüttelbahn“, die, wie erwähnt, als<br />
Teil der DDR-Politik vehement abgelehnt<br />
wurde. Der Fahrgastrückgang infolge des Boykotts<br />
führte zu erheblichen Verlusten bei den<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
29
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Neue Fahrzeuge für West und Ost: Im Mai 1989 präsentiert die BVG den neuen Zug der Baureihe 480 in Zehlendorf, unter anderem in der neuen<br />
Farbgebung Silber/Kristallblau (l.). Im April 1985 zeigt sich der Reichsbahn-Prototyp 270 001 in Ahrensfelde (r.) Peter Kusterer (l.), Slg. Jürgen Krantz (r.)<br />
BVG-Betrieb: Im Juni 1987 steht ein 275er im Lehrter Stadtbahnhof (l.). Kurz nach der Eröffnung der Wannseebahn hält ein Zug vom Anhalter<br />
<strong>Bahn</strong>hof nach Wannsee in Großgörschenstraße (r., 3. Febr. 1985). Man beachte das mit Kreide geschriebene Zielschild B. O. Sydow (l.), P. Kusterer<br />
Nach langen Verhandlungen kam die West-<strong>Berliner</strong><br />
S-<strong>Bahn</strong> im Januar 1984 unter die Obhut der BVG<br />
Fahrgeldeinnahmen, anders als bei den anderen<br />
Verkehrsmitteln erhielt die Deutsche<br />
Reichsbahn als DDR-Betrieb keine finanzielle<br />
Unterstützung vom Senat. Folglich war die<br />
S-<strong>Bahn</strong> in West-Berlin chronisch defizitär.<br />
Ausbaumaßnahmen unterblieben – die Ankündigung<br />
von 1964, die S-<strong>Bahn</strong> von Wannsee<br />
wenigstens bis an die westliche Stadtgrenze<br />
nach Kohlhasenbrück zu führen, wurde<br />
beispielsweise nicht verwirklicht. Mehr noch,<br />
die Anlagen in West-Berlin wurden zwangsläufig<br />
vernachlässigt und die Zugdichte eingeschränkt.<br />
Als die Allgemeine Deutsche Nachrichtenagentur<br />
(ADN) in der DDR am 25. März<br />
1976 das Defizit von 1975 mit 100 Millionen<br />
Mark bezifferte (15 Millionen Mark Einnahmen,<br />
115 Millionen Mark Ausgaben) und die<br />
Möglichkeit meldete, die S-<strong>Bahn</strong> gegebenenfalls<br />
dem Senat von West-Berlin zu verpachten,<br />
versetzte das die Eisenbahner der Reichsbahn-Dienststellen<br />
in West-Berlin in helle<br />
Aufregung. Die Reichsbahndirektion Berlin<br />
hatte ihre Not, sie zu beruhigen. Sie und unter<br />
ihnen vor allem die Mitglieder der Sozialistischen<br />
Einheitspartei Westberlin (die<br />
Reichsbahn war ein Bollwerk des SED-Ablegers<br />
SEW) hatten Angst um ihren Arbeitsplatz.<br />
Ohnehin fragten die Eisenbahner, ob<br />
denn S-<strong>Bahn</strong> und Fernbahn überhaupt zu<br />
trennen seien, da die Reichsbahn immer „die<br />
organische Einheit“ betont habe.<br />
Während die Diskussion noch lief, begann<br />
die DR, vorsichtig zu rationalisieren. Zum<br />
Beispiel verminderte sie das Personal im<br />
S-<strong>Bahn</strong>betriebswerk Papestraße um ein Viertel,<br />
ließ die Fahrkarten von der <strong>Bahn</strong>steigaufsicht<br />
verkaufen, strukturierte ihre örtlichen<br />
Dienststellen in West-Berlin um. Als die<br />
Reichsbahndirektion 1980 zum großen Schlag<br />
beim Abbau von Arbeitsplätzen ausholte, dabei<br />
völlig ungeschickt und unsensibel vorging,<br />
kam es zum wilden und erfolglosen Streik der<br />
Eisenbahner. Nach dessen Ende wurden<br />
70 Kilometer Strecke und 77 <strong>Bahn</strong>höfe in<br />
West-Berlin stillgelegt, der S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr erheblich<br />
eingeschränkt.<br />
Übernahme durch die BVG<br />
Es folgten langwierige Verhandlungen zwischen<br />
Ost und West, die mit Genehmigung<br />
der drei Westalliierten die S-<strong>Bahn</strong> im Westteil<br />
der Stadt unter neue Obhut brachten. Der<br />
Senat von West-Berlin übernahm die S-<strong>Bahn</strong><br />
in „seinem“ Bereich: Vom 9. Januar 1984 an<br />
führten die <strong>Berliner</strong> Verkehrsbetriebe (BVG)<br />
den Betrieb. Im Abschnitt Lehrter Stadtbahnhof<br />
– Friedrichstraße blieb die Betriebsführung<br />
bei der Deutschen Reichsbahn.<br />
Die BVG fuhr zunächst Züge auf der Stadtbahn<br />
bis Charlottenburg und zwischen Anhalter<br />
<strong>Bahn</strong>hof und Lichtenrade. Begründet<br />
wurde dieser „Rumpfbetrieb“ auf nur 21 Kilometern<br />
Strecke damit, dass es an Betriebspersonal<br />
fehle. Nach Protesten der Bevölkerung<br />
(„Schrumpfbahn“) wurde der Betrieb<br />
30
BVG-Betrieb und Mauerfall<br />
Im September 1980 führt noch die Reichsbahn den Betrieb in West-Berlin. Im Endbahnhof Staaken steht ein Halbzug der „Olympia“-Bauart<br />
(Baureihe 276.0) bereit; in Kürze geht es über Westkreuz und Zoo zum <strong>Bahn</strong>hof Friedrichstraße in Ost-Berlin<br />
Konrad Koschinski<br />
schrittweise ausgedehnt, erreichte aber nie<br />
mehr, auch nach 1990 nicht, den früheren<br />
Umfang.<br />
Immerhin stiegen die Fahrgastzahlen wieder<br />
an und erreichten 1989 wieder Werte wie<br />
Mitte der 60er-Jahre. Die BVG stockte das<br />
Personal auf (1987: 1.879 Mitarbeiter, davon<br />
1.222 neu eingestellt) und ging wie die Reichsbahn<br />
in Ost-Berlin daran, den Fahrzeugbestand<br />
zu verjüngen. Sie bestellte bei den Firmen<br />
AEG, Siemens und Waggon-Union<br />
41 Viertelzüge, die seit 1987<br />
als Baureihe 480.0 und 480.5<br />
geführt wurden.<br />
Der Mauerfall<br />
Weder in Ost- noch in West-<br />
Berlin hätte man aber mit<br />
dem gerechnet, was sich am<br />
Abend des 9. November 1989<br />
zutrug. Die plötzliche Öffnung<br />
der DDR-Grenzen kam<br />
für alle überraschend und<br />
stellte buchstäblich über<br />
Nacht die Verhältnisse auf den<br />
Kopf, auch bei der <strong>Berliner</strong><br />
S-<strong>Bahn</strong>. Diese war unverzichtbar,<br />
um den gigantischen Besucherstrom<br />
vom Ostteil in<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
den Westteil der Stadt (und zurück) zu bewältigen.<br />
Züge fuhren rund um die Uhr, die<br />
S-<strong>Bahn</strong>er in beiden Teilen wickelten einen<br />
wahren Höchstleistungsfahrplan ab. Zur Unterstützung<br />
stellte die Reichsbahndirektion<br />
Berlin der BVG zwei Vollzüge der Baureihe<br />
275 aus Grünau zur Verfügung, die am 10.<br />
November über die einzige verbliebene S-<br />
<strong>Bahn</strong>-Verbindung, Gleis 2 des <strong>Bahn</strong>hofs<br />
Friedrichstraße, nach dem Westen gefahren<br />
Slg. Peter Kusterer<br />
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wurden. Binnen weniger Monate begannen<br />
die Verantwortlichen damit, die<br />
28 Jahre währende Teilung im Betriebsdienst<br />
zu überwinden. So richtete die Reichsbahndirektion<br />
Berlin ohne behördliche Genehmigungen<br />
zum 2. Juli 1990 den durchgehenden<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr Ost-West auf dem<br />
<strong>Bahn</strong>hof Friedrichstraße wieder ein. Die<br />
Rückkehr des <strong>Berliner</strong> Nahverkehrs zur Normalität<br />
hatte begonnen. Erich Preuß/GM<br />
Dampf-Eisenbahn-Event in Chama, New-Mexico, USA:<br />
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31
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Im geteilten Berlin führten die S-<strong>Bahn</strong>-Netze von Ost und West nur im <strong>Bahn</strong>hof Friedrichstraße zusammen – streng bewacht und mit Fahrzeugaustausch<br />
allein als Dienstfahrt. Im Juli 1992 liegt das lange zurück; Friedrichstraße ist eine freundliche Station auf der Stadtbahn B. O. Sydow<br />
<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> ab 1990<br />
Wieder ein Netz<br />
Streckeneröffnungen, Kooperationen, neue Fahrzeuge: Nach der Wiedervereinigung Deutschlands<br />
nahm die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> einen faszinierenden Weg und wurde zum modernen Verkehrsmittel<br />
der Millionenstadt. Aber nach dem Jahr 2000 wendete sich das Blatt; die Krise begann<br />
Schon einen Tag nach dem Mauerfall am<br />
9. November 1989 begann zwischen der<br />
von der Deutschen Reichsbahn betriebenen<br />
S-<strong>Bahn</strong> in Ost-Berlin und den (West-)<strong>Berliner</strong><br />
Verkehrsbetrieben eine Zusammenarbeit,<br />
die zuvor kaum vorstellbar gewesen wäre. An<br />
jenem 10. November erhielt die BVG unbürokratische<br />
Hilfe von der Reichsbahn. Acht<br />
Viertelzüge der Baureihe 275 wurden vom<br />
Ost- in das Westnetz überstellt, da der Ansturm<br />
der DDR-Bürger auf die BVG-S-<strong>Bahn</strong><br />
sonst nicht zu bewältigen gewesen wäre. Am<br />
11. Dezember 1989 fuhr sogar nach mehr als<br />
28 Jahren wieder ein mit Fahrgästen besetzter<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Zug durch den <strong>Bahn</strong>hof Friedrichstraße<br />
durch. Mehrere hundert West-<strong>Berliner</strong><br />
Kinder, die eine Veranstaltung in Ost-Berlin<br />
besuchten, hätten sonst auf dem <strong>Bahn</strong>hof<br />
Friedrichstraße von der BVG-S-<strong>Bahn</strong> in die<br />
S-<strong>Bahn</strong> der Reichsbahn umsteigen müssen.<br />
Verknüpfung von Ost und West<br />
So rasant wie die politische Kooperation entwickelte<br />
sich in der Folge auch die Zusammenarbeit<br />
der S-<strong>Bahn</strong>-Betreiber. Im Februar<br />
1990 verabschiedete der West-<strong>Berliner</strong> Senat<br />
in Abstimmung mit dem Ost-<strong>Berliner</strong> Magistrat<br />
und den zuständigen Stellen der DDR ein<br />
Programm zur Wiederherstellung der S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Strecken Frohnau – Hohen Neuendorf, Lichtenrade<br />
– Mahlow – Blankenfelde, Neukölln –<br />
Baumschulenweg, Wannsee – Potsdam Stadt<br />
und zur Verknüpfung der S-<strong>Bahn</strong>-Strecken im<br />
Bereich Bornholmer Straße. Für die Vorarbeiten<br />
wurden zunächst 50 Millionen DM bereitgestellt.<br />
Indes nahm die Reichsbahn am<br />
32
Wieder ein Netz ab 1990<br />
Wiederbelebung der Verbindung Wannsee – Potsdam: Vorlaufbetrieb mit Pendelzug im Herbst 1990 nahe des ehemaligen DDR-Kontrollbahnhofs<br />
Griebnitzsee (links), Eröffnungszug 477 022 der S-<strong>Bahn</strong> am 1. April 1992 im <strong>Bahn</strong>hof Griebnitzsee (rechts) Friedhelm Ernst (links), Konrad Koschinski<br />
Umfangreiche Sanierungsarbeiten und Umbauten prägen in den 90er-Jahren<br />
vielerorts das S-<strong>Bahn</strong>-Netz, wie hier an der Ringbahn Peter Kusterer<br />
Der S-<strong>Bahn</strong>hof Potsdamer Platz liegt 2005 wieder mitten im <strong>Berliner</strong><br />
Geschäftsleben und ist eine stark frequentierte Station Heiko Focken<br />
22. Januar 1990 einen S-<strong>Bahn</strong>-Vorlaufbetrieb<br />
mit diesellokbespannten Doppelstockzügen<br />
zwischen Wannsee, Potsdam Stadt (heute<br />
Potsdam Hbf) und Potsdam Hbf (heute Potsdam<br />
Pirschheide) auf.<br />
Der durchgehende S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr über<br />
den <strong>Bahn</strong>hof Friedrichstraße ab Anfang Juli<br />
1990 war der erste Schritt, um auch das geteilte<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Streckennetz wieder zu vereinigen.<br />
Umorganisation und Sanierung<br />
Mit der deutschen Einheit am 3. Oktober<br />
1990 wurden die Deutsche Bundesbahn, die<br />
Deutsche Reichsbahn und das ehemalige<br />
Reichsbahnvermögen Sondervermögen der<br />
Bundesrepublik Deutschland. Ebenso sah der<br />
Einigungsvertrag vor, dass die BVG bis zur<br />
Vereinigung der beiden deutschen Staatsbahnen<br />
Anfang 1994 Betreiber der S-<strong>Bahn</strong> im<br />
ehemaligen West-Berlin bleiben sollte. Erst<br />
mit der Bildung der Deutschen <strong>Bahn</strong> AG am<br />
1. Januar 1994 wurde das gesamte S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Netz wieder unter Regie des nunmehr staatseigenen<br />
Konzerns betrieben und verwaltet.<br />
Noch 1990 wurde der Wiederaufbau 1961<br />
unterbrochener Verbindungen vorbereitet. Die<br />
Inbetriebnahme begann 1992 mit der Strecke<br />
nach Potsdam und endete mit der Schließung<br />
des S-<strong>Bahn</strong>-Rings 2002. Zeitgleich arbeitete<br />
die BVG an der Reaktivierung der Ende 1993<br />
eröffneten Ringbahn-Teilstrecke Westend –<br />
Köllnische Heide, die bereits vor dem Mauerfall<br />
geplant worden war (siehe auch S. 38).<br />
Großer Nachholbedarf bestand zudem bei<br />
der Generalsanierung des Bestandsnetzes. Der<br />
Nord-Süd-<strong>Bahn</strong>-Tunnel wurde im Frühjahr<br />
1991 für ein knappes Jahr abschnittsweise gesperrt<br />
und samt Gleisanlagen und Sicherungstechnik<br />
instand gesetzt. Von 1994 bis<br />
2002 lief die Sanierung der Stadtbahn, wobei<br />
man für die S-<strong>Bahn</strong> erstmalig eine Feste Fahrbahn<br />
verwendete. Darüber hinaus wurden bei<br />
Gleisbauarbeiten im Streckennetz meist der<br />
Neue Fahrzeuge, wieder aufgebaute Strecken und<br />
Netzsanierung: Berlins S-<strong>Bahn</strong> wurde modern<br />
Unterbau, die Entwässerungsanlagen, Brücken<br />
und <strong>Bahn</strong>höfe sowie die Zuleitungen für<br />
die Fahrstromversorgung erneuert. Weiterhin<br />
erhielt die S-<strong>Bahn</strong> neueste Sicherungstechnik<br />
mit einer rechnergesteuerten Zuglaufüberwachung<br />
und einer Betriebszentrale in Halensee.<br />
In die Infrastruktur der <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> flossen<br />
von 1990 bis 2006 vier Milliarden Euro.<br />
Generationswechsel<br />
Hinzu kamen die Investitionen für neue Fahrzeuge.<br />
Die Verjüngung des Rollmaterials hatten<br />
Reichsbahn wie BVG schon in den 80er-<br />
IN KÜRZE: BERLINER S-<strong>BAHN</strong> AKTUELL<br />
Angaben zur Unternehmen und Betrieb,<br />
Stand 31.12.2011<br />
Länge Streckennetz 330 km<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Linien 15<br />
S-<strong>Bahn</strong>höfe 166<br />
Mitarbeiter 3.116<br />
davon<br />
Triebfahrzeugführer 899<br />
Fahrgäste (jährl.) 382,8 Mio.<br />
Betriebsleistung (j.) 30,44 Mio. Zugkilometer<br />
Verkehrsleistung (j.) 3.618 Mio. Personenkilometer<br />
Fahrzeuge 650<br />
(Viertelzüge/Zwei-Wagen-Einheit)<br />
Quelle: S-<strong>Bahn</strong> Berlin GmbH<br />
Aufstellung: MHZ; Anmerkung: (j.) = jährlich<br />
Jahren eingeleitet. Sie führten das Vorhaben<br />
über Wende und Wiedervereinigung fort.<br />
Zwischen 1989 und 1994 wurden 85 Viertelzüge<br />
der Baureihe 480 ausgeliefert, von 1990<br />
bis 1993 auch 159 Viertelzüge der Baureihe<br />
485/885. Als gemeinsame Entwicklung kam<br />
von 1997 bis 2004 die neue Baureihe 481/482<br />
mit 500 Viertelzügen in den Bestand. Damit<br />
wurden die Fahrzeuge aus der Vorkriegszeit ersetzt;<br />
die S-<strong>Bahn</strong> war ein modernes Verkehrsmittel<br />
für die Millionenstadt Berlin.<br />
Veränderte Bedingungen<br />
In der Zwischenzeit hatte sich aber auch die politische<br />
Großwetterlage geändert. So flossen die<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
33
Das <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Netz im November 1990. Stück für Stück wachsen West und Ost wieder zusammen<br />
Slg. Peter Schricker<br />
S-<strong>Bahn</strong> mal anders: Als Duo-S-<strong>Bahn</strong> (links) erhielt der Zug 485 114/115 einen Dieselmotor und fuhr 1994/95 testweise<br />
zwischen Oranienburg und Hennigsdorf. Eine Fortsetzung unterblieb. Die Panorama-S-<strong>Bahn</strong> 488.0/888.0 (rechts) entstand<br />
1999 aus einem Zug der Baureihe 477/877; seit der S-<strong>Bahn</strong>-Krise ist sie außer Betrieb M. Jacob (l.), M. Cantzler<br />
Gelder der öffentlichen Hand nun nicht mehr<br />
in dem Maße wie zuvor. Nach langen Diskussionen<br />
trat Ende März 2004 zwischen der<br />
Deutschen <strong>Bahn</strong> und dem <strong>Berliner</strong> Senat ein<br />
rückwirkend von 2003 gültiger und bis 2017<br />
verbindlicher Verkehrsvertrag in Kraft, der die<br />
Kürzung von Regionalisierungsmitteln in<br />
Höhe von 26 Millionen Euro pro Jahr vorsieht.<br />
Eine andere Entwicklung sollte der S-<strong>Bahn</strong><br />
noch sehr viel mehr zusetzen. Inzwischen bereitete<br />
die Deutsche <strong>Bahn</strong> AG den Börsengang vor<br />
und zog dazu auch ihre Tochter S-<strong>Bahn</strong> Berlin<br />
GmbH heran. Sie ordnete für die S-<strong>Bahn</strong> einen<br />
rigorosen Sparzwang an, um Überschüsse aus<br />
dem <strong>Bahn</strong>betrieb zu erwirtschaften. So wurden<br />
Werkstattkapazitäten reduziert, erst 15 Jahre alte<br />
Fahrzeuge der Baureihe 485 ausgemustert, von<br />
2006 bis 2009 rund 1.000 Mitarbeiter abgebaut<br />
und die fachlich erfahrene Geschäftsführung der<br />
S-<strong>Bahn</strong> Berlin GmbH überwiegend durch<br />
Quereinsteiger ausgetauscht. Der Betriebsrat der<br />
S-<strong>Bahn</strong> Berlin GmbH warnte ab 2005 massiv<br />
vor den Folgen einer solchen<br />
Entwicklung. Er sollte recht behalten.<br />
Krisenstimmung<br />
Beim 481 gab es 2006 erste Probleme, bald folgten<br />
Zugausfälle – auch wegen eingesparten Personals.<br />
Mit dem Wintereinbruch Anfang 2009 eskalierte<br />
die Situation, erstmals musste eine Linie<br />
(die S 85) für mehrere Wochen eingestellt werden.<br />
Die S-<strong>Bahn</strong>-Krise hatte begonnen. Sie hält bis<br />
heute an. Wolf-Dietger Machel/MHZ<br />
Slg. Felix Walther<br />
34
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auf die folgenden acht Fragen ergibt.<br />
Frage 1: Wie lautet der Spitzname der <strong>Berliner</strong> für die<br />
Baureihe 485/885? (siehe auch S. 4-13)<br />
Frage 2: An welcher S-<strong>Bahn</strong>-Station gibt es ein S-<strong>Bahn</strong>-Museum?<br />
(siehe S. 67)<br />
Frage 3: Wie heißt die 1882 eröffnete Verbindungsstrecke zwischen Charlottenburg,<br />
<strong>Bahn</strong>hof Zoo, Friedrichstraße und Ostbahnhof? (S. 14/15)<br />
Frage 4: Welche Art von Triebfahrzeugen bespannten die <strong>Berliner</strong><br />
Vorortzüge in der Anfangszeit? (Kurzform; siehe S. 48/49)<br />
Frage 5: Welche Verbindungsstrecke wurde 1872 eröffnet und ist<br />
heute auch wieder vollständig befahrbar?(siehe S. 84-87)<br />
Frage 6: Wie heißt der Erfinder des klassischen Karton-Fahrkartenformats,<br />
das lange Zeit auch bei der <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> angewendet<br />
wurde? (siehe S. 68-69; gesucht wird nur der Nachname)<br />
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ICC und den ... ? (siehe S. 40-47)<br />
Frage 8: Zwischen Savignyplatz und Tiergarten machen die S-<strong>Bahn</strong>en<br />
Station im <strong>Bahn</strong>hof ... ? (Kurzform des Namens; S. 14-15)<br />
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Mir ist bekannt, dass ich meine Einwilligung jederzeit bei der GeraNova Bruckmann Verlagshaus<br />
GmbH bzw. der GeraMond Verlag GmbH widerrufen kann.<br />
Einsendeschluss: 15. April 2013
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Die S-<strong>Bahn</strong>-Krise<br />
Später oder gar nicht<br />
Einst wurden die „Brillenschlangen“ der Baureihe 481 als Vertreter der neuen S-<strong>Bahn</strong>-Fahrzeuggeneration begrüßt. Inzwischen sorgten sie mit<br />
vielen Problemen für Unmut. Im August 2010 hat ein 481 den neuen Hauptbahnhof Richtung Bellevue verlassen<br />
Sebastian Schrader<br />
Verzögerungen und Zugausfälle gehören aktuell bei der <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> dazu. Technische<br />
Mängel wie hausgemachte Engpässe schränken den Betrieb in und um Deutschlands Hauptstadt<br />
seit nunmehr vier Jahren ein. Ein Überblick über die Ereignisse<br />
Die Zahlen sprechen für sich. Zwischen<br />
Juni und Oktober 2012, das ergab die<br />
Antwort auf eine Anfrage der Piratenpartei<br />
im <strong>Berliner</strong> Abgeordnetenhaus, fuhr<br />
die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> 225.203 Minuten Verspätungen<br />
ein. Das entspricht gut 22 Wochen.<br />
Spitzenreiter war der Monat August, in dem<br />
die Pünktlichkeitsquote der Züge auf 90 Prozent<br />
sank, den niedrigsten Wert der Jahre<br />
2010 bis 2012. Auch bei den Fahrgästen haben<br />
die Züge in Rot und Ocker Kredit verloren.<br />
In einer vom Verkehrsverbund Berlin-<br />
Brandenburg (VBB) in Auftrag gegebenen<br />
Umfrage erhielt die S-<strong>Bahn</strong> Ende 2012 die<br />
Durchschnittsnote 2,74. Konsequenzen,<br />
sprich, die Streichung von Zuschüssen, dürften<br />
ein weiteres Mal folgen: Vertraglich vereinbart<br />
sind eine Pünktlichkeitsquote von<br />
96 Prozent und eine Bewertung von 2,6.<br />
Seit 2009 kommt die S-<strong>Bahn</strong> der Hauptstadt<br />
nicht zur Ruhe. Verspätungen, Zugausfälle<br />
und umfangreicher Ersatzverkehr behindern<br />
den Betrieb, selbst auf ganzen Linien ruhte<br />
schon der Verkehr. Ein Ende der Misere<br />
scheint in weiter Ferne zu liegen.<br />
2009: Beginn der Krise<br />
Das Ganze begann im Mai 2009. Eher beiläufig<br />
nahm die Öffentlichkeit in der Presse<br />
davon Kenntnis, dass auf dem <strong>Bahn</strong>hof Berlin-Kaulsdorf<br />
am 1. Mai ein S-<strong>Bahn</strong>-Zug der<br />
Baureihe 481 wegen Radbruchs entgleist war.<br />
Daraufhin verpflichtete sich die S-<strong>Bahn</strong> Berlin<br />
GmbH, die Räder ihrer Züge im Abstand<br />
von sieben Tagen genau zu prüfen.<br />
Verspätungen, Zugausfälle, Ersatzverkehr: Seit<br />
2009 kommt die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> nicht zur Ruhe<br />
Am 29. Juni 2009 stellte das Eisenbahn-<br />
Bundesamt (EBA) bei Kontrollen fest, dass die<br />
zugesagten Prüfungen unzureichend ausgeführt<br />
worden waren. Umgehend ließ es alle<br />
Züge, an denen die Prüfungen ausgeblieben<br />
waren, außer Betrieb nehmen – rund ein Drittel<br />
des gesamten Wagenparks! Hatten erste<br />
Fahrzeugengpässe ab 11. Mai 2009 zur Schwächung<br />
der Stammzüge auf den Linien S 1 und<br />
S 2 geführt, so setzte nun die Krise im vollen<br />
ein. Vom 10. Juli 2009 an konnte auf vielen<br />
Linien nur ein 20-Minuten-Takt eingehalten<br />
werden, die S 45 und S 85 fielen gar aus.<br />
Am 20. Juli 2009 trat ein Notfahrplan in<br />
Kraft, der auf weiteren Strecken Ausdünnungen<br />
des Zugangebots und die Schwächung der<br />
Zugstämme von Voll- (acht Wagen) auf Halbzüge<br />
(vier Wagen) berücksichtigte. Überfüllte<br />
und unpünktliche S-<strong>Bahn</strong>en sorgten fast<br />
täglich für Schlagzeilen in den Regionalzeitungen.<br />
Indes versuchte die Deutsche <strong>Bahn</strong><br />
AG, die Reduzierung des S-<strong>Bahn</strong>-Verkehrs<br />
durch zusätzliche Regionalzug-Angebote zu<br />
kompensieren.<br />
Ab 8. September 2009 schränkte die S-<strong>Bahn</strong><br />
den Verkehr nochmals ein. Nun traten auch<br />
verstärkt Defekte an den Bremszylindern der<br />
481 auf. Damit nicht genug. Als am 20. Dezember<br />
2009 eine Frostperiode einsetzte, hatte<br />
die Baureihe 481 mit massiv auftretenden<br />
Tür-, Heizungs- und Motorschäden zu kämpfen.<br />
Weitere Ausfälle folgten und auch eine<br />
Konsequenz des EBA. Am 22. Dezember 2009<br />
verlängerte es die Betriebsgenehmigung für die<br />
36
S-<strong>Bahn</strong> in der Krise<br />
Im Sommer 2009 geht zeitweise bei der S-<strong>Bahn</strong> nichts (links, Bild am <strong>Bahn</strong>hof Alexanderplatz). Die DB behilft sich mit Leihzügen wie dem<br />
Stuttgarter 423 013, der im Juli des Jahres auf der Fernbahn zwischen Gesundbrunnen und Südkreuz pendelt (rechts) Sebastian Schrader (2)<br />
<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> nicht – wie bisher üblich – um<br />
15 Jahre, sondern lediglich um ein Jahr.<br />
2010: Reaktivierung und Probleme<br />
Vom 4. Januar 2010 an galt ein neuer Notfahrplan<br />
mit zusätzlichen Einschränkungen;<br />
nun häuften sich Ausfälle der Fahrzeugmotoren<br />
durch Flugschnee.<br />
Längst zeigte sich, dass die Probleme auch<br />
hausgemacht waren. Am 31. Mai 2006 hatte<br />
die S-<strong>Bahn</strong> Berlin GmbH zur Kosteneinsparung<br />
die Betriebswerkstatt Friedrichsfelde geschlossen.<br />
Die Kapazitäten wurden jetzt dringend<br />
gebraucht, und so reaktivierte man sie<br />
am 11. Januar 2010. Verstärkt wurden wieder<br />
Mitarbeiter eingestellt, nachdem man vorher<br />
die Belegschaft spürbar reduziert hatte.<br />
Zwar gelang es, mit reparierten Fahrzeugen<br />
die Gesamtsituation etwas zu entspannen,<br />
doch blieb das Fahrplanangebot in den Folgemonaten<br />
auf niedrigem Niveau. Ab 11. Juli<br />
2010 fielen erneut verstärkt Züge der Baureihe<br />
481 aus, diesmal, weil die Lüftungstechnik<br />
in den Fahrgasträumen und die Klimaanlagen<br />
in den Führerständen streikten.<br />
Der große Wintereinbruch am 2. Dezember<br />
2010 mit Neuschnee hatte Zugausfälle und Verspätungen<br />
zur Folge. Enteisungsmittel fehlten,<br />
so dass an den Fahrzeugen massive Türstörungen<br />
auftraten. An den Zügen der Baureihe 481<br />
gab es wiederum Antriebsprobleme, Motorschäden<br />
und defekte Lüfter der Zugheizungsanlagen.<br />
Intensiver Schneefall und anhaltender<br />
Frost führte ab 21. Dezember 2010 zum Ausfall<br />
zahlreicher Züge, so dass am 2. Januar 2011<br />
zum dritten Mal ein Notfahrplan in Kraft trat,<br />
dem ab 24. Januar 2011 noch ein „Winter-Notfahrplan“<br />
folgte. Mit Angebotseinschränkungen<br />
sollte er die Pünktlichkeit des auf 60 km/h begrenzten<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Verkehrs verbessern.<br />
2011: Im Aufwärtstrend?<br />
Vom 28. Februar 2011 an verkehrten die S-<strong>Bahn</strong>en<br />
wieder nach dem Notfahrplan vom 8. Mai<br />
2010, der im Vergleich zum letzten gültigen Plan<br />
etwas umfangreichere Leistungen vorsah.<br />
Kurz darauf gab es Probleme an der nächsten<br />
Baureihe. Bei Ultraschalluntersuchungen stellte<br />
man am 31. März 2011 an zwei Wagen der<br />
Baureihe 480 Achsrisse fest. Sofort nahm die<br />
S-<strong>Bahn</strong> Berlin GmbH acht der 70 betroffenen<br />
Viertelzüge aus dem Betrieb. Im April 2011<br />
liefen der Austausch von Motoren bzw. deren<br />
winterfeste Abdichtung, der Einbau neuer<br />
Achswellen bzw. Räder und der Umbau von<br />
fast 2.300 Besandungsanlagen.<br />
Die Krise blieb nicht ohne Folgen: Nach eigenen<br />
Angaben hatte die S-<strong>Bahn</strong> Berlin GmbH<br />
2009 und 2010 zusammen 315,1 Mio. Euro Verlust<br />
gemacht, welche die Deutsche <strong>Bahn</strong> ausgleichen<br />
musste. Ein Rückschlag nach den von<br />
2005 bis 2008 gezahlten 133 Mio. Euro Gewinn.<br />
Bald folgte auch wieder ein Tiefpunkt. Am<br />
15. Dezember 2011 fuhren nach einem misslungenen<br />
Test der Stromversorgungsanlagen ab<br />
11:45 Uhr auf dem über 300 Kilometer langen<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Netz fast keine Züge mehr – ein bisher<br />
einmaliges Ereignis! Es dauerte zwei Tage, bis der<br />
Regelfahrplan wieder erreicht war.<br />
So konnte 2011 der S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr zwar<br />
mit einem weiterhin eingeschränkten Fahrplan<br />
stabilisiert werden, aber selbst von diesen<br />
Zugfahrten fielen noch zwölf Prozent aus!<br />
2012: Neue Schwierigkeiten<br />
Auch als Konsequenz daraus schrieb der VBB<br />
am 23. Juli 2012 ein Drittel der Leistungen auf<br />
dem <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Netz aus. Dabei handelt es<br />
sich um die Ringbahnlinien S 41 und S 42, die<br />
S 46 (Hauptbahnhof – Westend – Königs Wusterhausen),<br />
S 47 (Spindlersfeld – Südkreuz) und<br />
S 8 (Hohen Neuendorf – Königs Wusterhausen).<br />
Dort soll ab 15. Dezember 2017 bis 2032<br />
ein Verkehrsunternehmen 9,4 Mio. Zugkilometer<br />
pro Jahr mit 190 neuen Viertelzügen erbringen.<br />
Übergangsweise sollen dafür 150 vorhandene<br />
Viertelzüge für 100 Mio. Euro<br />
modernisiert werden.<br />
Während es bis Ende 2012 durch die Ausbildung<br />
von 100 Triebfahrzeugführern gelang,<br />
Personalprobleme abzubauen, sorgten besonders<br />
Kabelschäden durch Diebstähle und Compu-<br />
IN KÜRZE:<br />
EINSATZFÄHIGE VIERTELZÜGE<br />
Stichtag<br />
Anzahl der Viertelzüge<br />
08.09.2009 161<br />
22.11.2009 324<br />
05.01.2010 287<br />
09.04.2010 382<br />
27.12.2010 254<br />
04.01.2011 278<br />
04.04.2011 416<br />
15.07.2011 450<br />
28.02.2012 459<br />
21.08.2012 487<br />
21.12.2012 518<br />
Soll: 562 Viertelzüge<br />
„Die <strong>Bahn</strong> ist unregelmäßig und verspätet“ –<br />
der Hinweis hat in Berlin seit 2009 unrühmliche<br />
Konjunktur<br />
Michael Reimer<br />
terausfälle infolge von Softwarefehlern für eine<br />
unregelmäßige Zugfolge auf einzelnen Strecken.<br />
2013: Ausblick<br />
Bis zum Januar 2013 gelang es zwar, den S-<br />
<strong>Bahn</strong>-Verkehr deutlich zu stabilisieren. Deshalb<br />
hat das EBA am 7. Dezember 2012 die<br />
Betriebskonzession für die S-<strong>Bahn</strong> Berlin<br />
GmbH um 15 Jahre verlängert. Dennoch sind<br />
Besteller wie Kunden weiterhin unzufrieden.<br />
Und nach wie vor gibt es Zugausfälle (bei der<br />
S 85 Grünau – Waidmannslust, Verstärker für<br />
S 1 und S 5) bzw. verkürzte Züge. Bewältigt ist<br />
die Krise also noch nicht, mögen auch ihre Ursachen<br />
inzwischen erkannt sein.<br />
Wolf-Dietger Machel/MHZ<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
37
Entwicklung der S-<strong>Bahn</strong><br />
Das S-<strong>Bahn</strong>-Streckennetz 1924–2013<br />
Auf einen Blick<br />
Anfang der 20er-Jahre begannen die Vorarbeiten<br />
für den elektrischen Vorortverkehr<br />
Berlins und somit für die S-<strong>Bahn</strong>. Ein<br />
Überblick über die Streckendaten seither<br />
Streckendaten: Inbetriebnahme neuer S-<strong>Bahn</strong>-Strecken<br />
Datum Strecke Länge (km)<br />
08.08.1924 Stettiner Vorortbahnhof – Bernau 22,73<br />
05.06.1925 Gesundbrunnen – Birkenwerder 18,04<br />
04.10.1925 Birkenwerder – Oranienburg 8,01<br />
16.03.1927 Schönholz-Reinickendorf – Velten 21,16<br />
11.06.1928 Erkner – Stadtbahn – Potsdam 57,15<br />
10.07.1928 Wannsee – Stahnsdorf 4,24<br />
23.08.1928 Ausstellung – Spandau West 1,27<br />
06.11.1928 Charlottenburg – Halensee – Neukölln 13,66<br />
06.11.1928 Neukölln – Köllnische Heide – Grünau 11,84<br />
06.11.1928 Neukölln – Treptow – Abzw Vsr (Richtung Stadtbahn) 5,21<br />
06.11.1928 Schlesischer <strong>Bahn</strong>hof – Stralau-Rummelsburg –<br />
Kaulsdorf 11,07<br />
01.02.1929 Niederschöneweide – Spindlersfeld 4,05<br />
01.02.1929 Charlottenburg – Nordring – Baumschulenweg 25,77<br />
01.02.1929 Verbindungskurve Stralau-Rummelsburg<br />
vom Nordring zur Stadtbahn 0,64<br />
18.04.1929 Potsdamer Ringbahnhof – Abzw Vdp<br />
(Richtung Papestraße) 3,39<br />
18.04.1929 Potsdamer Ringbahnhof – Abzw Vp<br />
(Richtung Schöneberg) 0,79<br />
18.04.1929 Halensee – Westend 2,72<br />
18.12.1929 Jungfernheide – Gartenfeld 4,46<br />
15.12.1930 Kaulsdorf – Mahlsdorf 1,59<br />
15.05.1933 Potsdamer Fernbahnhof –<br />
Zehlendorf Mitte (Fernbahngleise) 12,06<br />
15.05.1933 Wannseebahnhof – Zehlendorf Mitte –<br />
Wannsee (Vorortgleise) 18,61<br />
15.05.1933 Verbindungsgleis bei Zehlendorf Mitte 1,04<br />
28.07.1936 Humboldthain – Unter den Linden 3,38<br />
15.01.1939 Verbindungsgleis bei Heerstraße – Reichssportfeld 1,42<br />
(bereits im Sommer 1936 fertig gestellt)<br />
15.04.1939 Unter den Linden – Potsdamer Platz 0,96<br />
15.05.1939 Priesterweg – Mahlow 11,77<br />
09.10.1939 Potsdamer Platz – Anhalter <strong>Bahn</strong>hof –<br />
Großgörschenstraße 4,22<br />
06.11.1939 Anhalter <strong>Bahn</strong>hof – Yorckstraße 1,24<br />
06.10.1940 Mahlow – Rangsdorf 7,47<br />
09.08.1943 Lichterfelde Ost – Lichterfelde Süd 2,55<br />
07.03.1947 Mahlsdorf – Hoppegarten (Mark) 4,29<br />
15.06.1948 Zehlendorf – Düppel (– Kleinmachnow) 2,51<br />
01.09.1948 Hoppegarten (Mark) – Fredersdorf 6,10<br />
31.10.1948 Fredersdorf – Strausberg 4,93<br />
30.04.1951 Grünau – Königs Wusterhausen 14,08<br />
07.07.1951 Lichterfelde Süd – Teltow 2,60<br />
03.08.1951 Spandau West – Staaken 3,47<br />
14.08.1951 Spandau West – Falkensee 7,59<br />
28.08.1951 Jungfernheide – Siemensstadt-Fürstenbrunn – Spandau 6,17<br />
25.12.1952 Gütergleise Schönhauser Allee – Pankow-Schönhausen 2,40<br />
(am 10.12.1961 durch Neubaustrecke ersetzt)<br />
03.06.1956 Strausberg – Strausberg Nord 8,98<br />
19.11.1961 Hohen Neuendorf – Schönfließ – Blankenburg 17,49<br />
26.02.1962 Grünauer Kreuz – Schönefeld 5,61<br />
30.12.1976 Friedrichsfelde Ost – Marzahn 3,76<br />
15.12.1980 Marzahn – Otto-Winzer-Straße 1,75<br />
30.12.1982 Otto-Winzer-Straße – Ahrensfelde 1,62<br />
20.12.1984 Springpfuhl – Hohenschönhausen 4,74<br />
20.12.1985 Hohenschönhausen – Wartenberg 0,99<br />
24.02.2005 Lichterfelde Süd – Teltow Stadt 3,03<br />
Im Zusammenhang mit dem Mauerbau im Jahre 1961 stillgelegte<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Strecken<br />
Datum Strecke Länge (km)<br />
13.08.1961 Gesundbrunnen – Schönhauser Allee 1,70<br />
13.08.1961 Sonnenallee – Treptower Park 2,67<br />
13.08.1961 Köllnische Heide – Baumschulenweg 1,72<br />
13.08.1961 Bornholmer Straße – Abzw Pankow 1,09<br />
13.08.1961 Frohnau – Hohen Neuendorf 4,27<br />
13.08.1961 Heiligensee – Stolpe Süd 0,09<br />
13.08.1961 Spandau West – Albrechtshof 4,42<br />
13.08.1961 Wannsee – Griebnitzsee 4,67<br />
13.08.1961 Wannsee – Stahnsdorf 4,24<br />
13.08.1961 Lichterfelde Süd – Teltow 2,60<br />
13.08.1961 Lichtenrade – Mahlow 3,06<br />
16.08.1961 Stolpe Süd – Hennigsdorf 1,48<br />
12.09.1961 Mahlow – Blankenfelde – Rangsdorf 14,87<br />
(nur Entfernung der Stromschienen)<br />
09.10.1961 Griebnitzsee – Potsdam Stadt 4,23<br />
09.10.1961 Albrechtshof – Falkensee 3,17<br />
Ab 1992 reaktivierte Strecken der <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong><br />
Datum Strecke Länge (km)<br />
01.04.1992 Wannsee – Potsdam Stadt 8,92<br />
31.05.1992 Frohnau – Hohen Neuendorf 4,27<br />
31.08.1992 Lichtenrade – Mahlow – Blankenfelde 5,60<br />
17.12.1993 Baumschulenweg – Neukölln – Westkreuz – Westend 18,35<br />
28.05.1995 Schönholz – Tegel 7,07<br />
28.05.1995 Priesterweg – Lichterfelde Ost 4,13<br />
15.04.1997 Westend – Jungfernheide 1,64<br />
18.12.1997 Treptower Park – Neukölln 3,33<br />
16.01.1998 Westkreuz – Pichelsberg 4,76<br />
25.09.1998 Lichterfelde Ost – Lichterfelde Süd 2,29<br />
30.12.1998 Pichelsberg – Spandau 4,45<br />
30.12.1998 Tegel – Hennigsdorf 8,51<br />
19.12.1999 Jungfernheide – Westhafen 3,60<br />
14.09.2001 Gesundbrunnen – Bornholmer Straße – Pankow 2,60<br />
17.09.2001 Schönhauser Allee – Gesundbrunnen 2,60<br />
15.06.2002 Westhafen – Gesundbrunnen 3,50<br />
16.06.2003 Schönhauser Allee – Bornholmer Straße 1,00<br />
Bis 2013 nicht wieder reaktivierte S-<strong>Bahn</strong>-Strecken<br />
Einstellung Strecke Länge (km)<br />
13.08.1961 Spandau West – Falkensee 7,59<br />
13.08.1961 Wannsee – Stahnsdorf 4,24<br />
13.08.1961 Lichterfelde Süd – Teltow 2,60<br />
(Ersatz durch Neubaustrecke nach Teltow Stadt)<br />
12.09.1961 Blankenfelde – Rangsdorf 4,90<br />
17.09.1980 Zehlendorf – Düppel 2,51<br />
17.09.1980 Jungfernheide – Siemensstadt-Fürstenbrunn –<br />
Spandau West – Staaken 10,85<br />
17.09.1980 Jungfernheide – Gartenfeld 4,46<br />
21.09.1983 Hennigsdorf – Velten 5,80<br />
(Ersatz durch Wechselstrombetrieb bis 1995,<br />
seitdem Dieselbetrieb)<br />
Anmerkung: In der Auflistung entfiel bei einigen <strong>Bahn</strong>hofsbezeichnungen der<br />
amtlich vorgeschriebene Zusatz „Berlin-“. Aufgeführt werden die <strong>Bahn</strong>hofsbezeichnungen<br />
zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme bzw. Stilllegung des jeweiligen<br />
Streckenabschnitts.<br />
Zusammenstellung: Wolf-Dietger Machel<br />
38
Streckendaten/aktueller Linienplan<br />
BVG S+U-<strong>Bahn</strong>-Netzplan ABC ©2012 Kartographie <strong>Berliner</strong> Verkehrsbetriebe (BVG)<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
39
Bilderbogen<br />
Strecken-Impressionen<br />
Mittenmang und<br />
jott-wee-dee<br />
40
Strecken-Impressionen<br />
Wie ein feinmaschiges Netz erschließt die S-<strong>Bahn</strong> die Metropole<br />
Berlin. Nur Berlin? Nein. Das Verkehrsmittel der Spreestadt stellt<br />
auch die Verbindung ins nähere Umland her. Nach Potsdam,<br />
Bernau, Strausberg, Königs Wusterhausen und, und, und<br />
Bei Jannowitzbrücke ist man richtig drin<br />
im Geschehen, „mittenmang“, wie der<br />
<strong>Berliner</strong> so sagt. Charité, Dom, Rotes<br />
Rathaus, alles liegt um die Ecke, jedenfalls,<br />
wenn man die S-<strong>Bahn</strong> benutzt. Die<br />
ist nun mal das Rückgrat der Metropole<br />
(Aufnahme mit einem Zug der Baureihe<br />
476, Juni 1994) Bernd Oliver Sydow<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
41
Bilderbogen<br />
Kaum zu glauben, aber hier geht es zum Zentralflughafen Berlin-Schönefeld.<br />
Vom Ostkreuz über Berlin-Adlershof kommend, passieren die<br />
Züge die malerische Gegend um Altglienicke, wo es Mitte der 60er-<br />
Jahre sogar noch Windmühlen gibt. Eben richtig jott-wee-dee (janz<br />
weit draußen) ...<br />
ZBDR/Historische Slg. der DB AG<br />
42
Hinaus aus der Stadt<br />
„Weit draußen“ gibt es in West-Berlin zur Zeit der Teilung nicht. Ein<br />
bisschen außerhalb vom Zentrum aber, und das gilt wohl für den Abschnitt<br />
Jungfernheide – Spandau, auf dem im Februar 1979 ein Zug<br />
der Bauart Peenemünde (Baureihe 276.0) unterwegs ist K. Koschinski<br />
Hinaus aus der Stadt<br />
Ob zum Ausflug an den Wannsee<br />
oder später auch zur Flugreise<br />
nach Schönefeld, der<br />
(Kurz-)Urlaub beginnt nicht selten<br />
mit der S-<strong>Bahn</strong>. Die gibt sich<br />
alle Mühe. Eben noch in Häuserschluchten<br />
oder Tunneln unterwegs,<br />
rattert sie schon kurz<br />
darauf durch Wald und Feld<br />
Die sonntäglichen Ausflugszüge sind bereits zu Dampflokzeiten eine<br />
feste Einrichtung. Anfang der 20er-Jahre steht Lok Berlin 9530 (spätere<br />
93 025) mit einer solchen Leistung im <strong>Bahn</strong>hof Zoologischer<br />
Garten bereit<br />
Werner Hubert/Slg. Dirk Winkler
Bilderbogen<br />
Unter der Metropole: Im Februar 1985 hält ein Zug der Linie S 1 in<br />
der Tunnelstation Anhalter <strong>Bahn</strong>hof. Die BVG fährt dort gerade mit einem<br />
nur für den Beimannbetrieb zugelassenen Halbzug Konrad Koschinski<br />
Hinein ins Zentrum<br />
Zurück im Alltag: Nicht bloß <strong>Berliner</strong><br />
profitieren von der S-<strong>Bahn</strong>, sie bietet<br />
umgekehrt auch schnelle Anschlüsse<br />
aus dem Umland in die Stadt. Sei es<br />
für den Beruf, für Einkäufe oder für<br />
den Weg zum Amt. Da hat man<br />
schon mal eine Sorge weniger<br />
Moderne Ausstattung für die bedeutende Station:<br />
Im Jahr 1928 verfügt der Schlesische <strong>Bahn</strong>hof über<br />
einen elektrischen Fahrtrichtungsanzeiger. Üblich<br />
sind sonst die Metallschilder, wie man sie hinter<br />
der Säule auch noch sieht<br />
Slg. Dirk Winkler<br />
In Strausberg besteht von der S-<strong>Bahn</strong> Anschluss zu Nahverkehrszügen<br />
der Reichsbahn (Mai 1992). Zu DDR-Zeiten gab es auf großen<br />
<strong>Bahn</strong>höfen am Stadtrand Berlins ein ausgeklügeltes Verteilsystem:<br />
Fernpersonenzüge endeten außerhalb des Berufsverkehrs dort, die<br />
weitere Beförderung der Reisenden in Berlin übernahm die S-<strong>Bahn</strong>.<br />
So sparte man Abstellkapazitäten und Zugfahrten auf den teilweise<br />
noch eingleisigen Fernbahnstrecken<br />
Bernd Oliver Sydow<br />
44
Hinein ins Zentrum<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
45
Bilderbogen<br />
Gut vernetzt<br />
Die S-<strong>Bahn</strong> ist die eine Anschlussmöglichkeit,<br />
aber ihr ganzes Potenzial entfaltet sie<br />
erst in der Kombination. Wenn sie den<br />
Fahrgast nicht direkt ans Ziel bringt, so<br />
doch wenigstens an einen Verkehrsknoten,<br />
von dem es weiter geht. Mit einer anderen<br />
S-<strong>Bahn</strong> oder U-<strong>Bahn</strong>, Straßenbahn, Bus<br />
46
Zu DDR-Zeiten hieß der Halt „Marx-<br />
Engels-Platz“, nach der Wende dann<br />
„Hackescher Markt“ (Foto vom September<br />
1994). Gleich geblieben ist<br />
die Funktion als Verkehrsknoten, bei<br />
dem neben S-<strong>Bahn</strong>- in der Nähe auch<br />
Straßenbahnanschluss besteht. Die<br />
Halle erhielt in den 90er-Jahren noch<br />
eine Sanierung Konrad Koschinski<br />
Von der Ringbahn aus hat man<br />
beste Anbindung an den Messekomplex<br />
ICC, gleich neben dem<br />
Funkturm. Und mit den „rund<br />
laufenden“ Linien S 41 und S 42<br />
ergibt sich der Übergang auf<br />
andere Verkehrsmittel im großen<br />
Kreis von Berlin Sebastian Schrader<br />
Umsteigen in Jungfernheide: Von der<br />
Ringbahn geht es hier zu den Zügen<br />
der 1980 stillgelegten „Siemensbahn“<br />
nach Gartenfeld Slg. Dirk Winkler<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
47
Fahrzeuge und Technik<br />
Dampflokomotiven der <strong>Berliner</strong> Stadt-, Ring- und Vorortbahnen<br />
Die vorige Epoche<br />
Über 50 Betriebsjahre beherrschten Dampflokomotiven das Bild der Stadt- und Ringbahn sowie<br />
der <strong>Berliner</strong> Vorortbahnen. Bis zur großen Elektrifizierung waren sie und die Tausend- Türen-<br />
Wagen das wichtigste Verkehrsmittel. Doch mit der neuen Traktion konnten sie nicht mithalten<br />
Als der Verkehr auf der Stadtbahn aufgenommen<br />
wurde, fuhren in jede Richtung<br />
sechs Züge in der Stunde, die aus einer<br />
Lokomotive und vier Wagen mit acht Achsen<br />
bestanden. Im Jahre 1907 war man bei 24 Zügen<br />
in der Stunde angelangt, die inzwischen mit<br />
durchschnittlich 26 Achsen fuhren. Eine Erhöhung<br />
von rund 1.300 Prozent! Dem waren auf<br />
die Dauer weder die kleinen, zweifach gekuppelten<br />
Dampflokomotiven der Gattung T 2/<br />
T 4 noch die neueren, etwas leistungsfähigeren<br />
Maschinen der Gattung T 5 gewachsen. Nach<br />
über 20 Jahren Betriebszeit verschwanden ab<br />
1906/08 die T-2-Lokomotiven von Stadt- und<br />
Ringbahn, ab 1912/13 mussten auch die T 4<br />
und T 5 fast vollständig aus dem Stadtbahndienst<br />
weichen. Sie wurden durch die modernen,<br />
sparsameren und leistungsfähigeren 1‘C-<br />
Lok der Gattungen T 11 und T 12 ersetzt.<br />
Die Königliche Eisenbahn-Direktion<br />
(K.E.D.) Berlin hatte im August 1902 die ersten<br />
Heißdampfmaschinen der Gattung T 12<br />
erhalten. Diese ersten vier T 12 hatte Union in<br />
Königsberg auf Grundlage der Konstruktion<br />
der T 11 erstellt und mit Schmidt’schem<br />
Rauchkammerüberhitzer ausgerüstet. Erst<br />
1903 kamen die ersten acht T 11 zur <strong>Berliner</strong><br />
Direktion. Im Laufe der Jahre sollten beide<br />
Gattungen in größerer Stückzahl beschafft werden.<br />
Dabei änderte man die Bauart der ursprünglichen<br />
Konstruktion mehrfach, besonders<br />
bei den T 12. Im August 1905 waren<br />
bereits 96 Lokomotiven der Gattung T 11 und<br />
84 der Gattung T 12 in der <strong>Berliner</strong> Direktion<br />
vorhanden. Demgegenüber standen noch<br />
57 Maschinen der T-2-Gattungen und 120 der<br />
T-4-Gattungen im Einsatz, auch versahen<br />
89 Lokomotiven der beiden T-5-Gattungen ihren<br />
Dienst. Die T 11, in weit größerem Maße<br />
jedoch die T 12 sollte recht schnell dank ihrer<br />
Leistungsfähigkeit zu der Stadtbahnlokomotive<br />
avancieren und helfen, den Betrieb auf Stadt-<br />
, Ring- und Vorortbahn zu beschleunigen, auch<br />
wenn sie ursächlich dafür nicht gedacht war.<br />
Eine letzte Konkurrenz zur<br />
Elektrisierung<br />
Mit der im Frühjahr 1912 vorgelegten Denkschrift<br />
zur elektrischen Zugförderung nahmen<br />
die Bemühungen, den <strong>Berliner</strong> Eisenbahn-Nahverkehr<br />
zu modernisieren, zunehmend Konturen<br />
48
LINKS Im Juni 1935<br />
macht sich Dampflok<br />
74 1125, eine preußische<br />
T 12, im Vorortverkehr<br />
bei Berlin-<br />
Staaken nützlich.<br />
Solche Züge fuhren<br />
bis zur Elektrifizierung<br />
auch auf der<br />
Stadt- und Ringbahn<br />
Carl Bellingrodt/<br />
Slg. Dirk Winkler<br />
RECHTS OBEN<br />
Eisenbahner posieren<br />
mit Lok 7592, einer<br />
Maschine der Gattung<br />
T 11, in der Betriebswerkmeisterei<br />
Grünau. Die T 11 und<br />
T 12 waren die klassischen<br />
Dampflokomotiven<br />
für Berlins<br />
Stadt- und Vorort -<br />
verkehr<br />
Slg. Dirk Winkler<br />
abgaben führten dazu, dass im Januar 1919 nur<br />
noch 211 Lok für den Dienst auf den Stadt-,<br />
Ring- und Vorortbahnen zur Verfügung standen.<br />
Damit war der Betrieb nicht mehr ausreichend<br />
sicher zu stellen. Daher erhielt die nunmehrige<br />
Eisenbahn-Direktion (E.D.) Berlin<br />
neben einigen Maschinen der Gattungen T 11<br />
und T 12 zur Aushilfe auf der Stadt- und Vorortbahn<br />
im Jahre 1921 auch je fünf ältere und<br />
fünf werksneue Lokomotiven der badischen<br />
Gattung VIc. Sie sollten über ein halbes Jahrzehnt<br />
im Vorortverkehr fahren, bis sie 1927, inan.<br />
Konservative Kreise dagegen wollten nochmals<br />
aufzeigen, daß der Betrieb unter den geforderten<br />
Bedingungen auch mit Dampflokomotiven<br />
möglich wäre. Die Firma Henschel, die<br />
dem Verband angehörte, fand sich bereit, eine<br />
entsprechende Lokomotive in kürzester Zeit zu<br />
entwerfen und zu bauen. Die unter der neuen<br />
Gattung T 14 eingereihte dreizylindrige Tenderlok<br />
der Achsfolge 1’D1’ war nach den damals<br />
modernsten Baugrundsätzen ausgeführt und sollte<br />
als „Kampflokomotive“ zu einer gewissen Berühmtheit<br />
gelangen. Bis Mitte Februar 1913 absolvierte<br />
sie etliche Versuchsfahrten, bei denen sie<br />
das Leistungsprogramm der T 12 wie auch das<br />
für die elektrische Zugförderung aufgestellte Programm<br />
übertraf. Doch trotz der gezeigten Leistung<br />
dieser Maschine entschied man sich für die<br />
zukunftsweisende Elektrifizierung der Strecken.<br />
War die „Kampflok“ für den reinen Personenzugdienst<br />
gebaut worden, hatte die Beschaffung<br />
der anschließend als T 14 bezeichneten<br />
Maschinen ab 1914 einen anderen Hintergrund.<br />
Der Wunsch nach einer leistungsfähigeren Lok,<br />
die den Ringbahngüterverkehr bewältigen sowie<br />
vor Nahverkehrszügen Aushilfe leisten sollte,<br />
führte zum Bau einer 1’D1’-Zweizylinder-Heißdampflok.<br />
Neben dem Einsatz auf der Vorortstrecke<br />
nach Erkner war sie auch im Feiertagsverkehr<br />
zwischen dem Görlitzer <strong>Bahn</strong>hof und<br />
Königswusterhausen anzutreffen.<br />
Trotz aller Zukunftspläne für die Elektrifizierung<br />
hatten die Dampflokomotiven zunächst<br />
Eine Lok der Gattung T 5.1 bespannt zu Kaiserreichszeiten einen Zug auf der Ringbahn, im<br />
Bild in Halensee. Ab 1912/13 wurden T 4 und T 5 fast völlig durch die neueren T 11 und T 12<br />
ersetzt<br />
Slg. Dirk Winkler<br />
weiter ihr Auskommen. Ein Jahr vor Kriegsende<br />
war der Bestand der K.E.D. Berlin bei den<br />
T 11/T 12-Lok auf 125/514 angewachsen. Zudem<br />
standen 125 Lok der Gattung T 14 aus<br />
dem Güterzugdienst für Aushilfen im Ausflugsverkehr<br />
zur Verfügung. Mangelnde Unterhaltung<br />
der Maschinen während und nach dem<br />
Ende des Ersten Weltkrieges und Reparations-<br />
zwischen als Baureihe 75.4,10-11 bezeichnet, an<br />
die Reichsbahndirektion Schwerin gingen.<br />
Ausklang der Dampf-Ära<br />
Nachdem die E.D. Berlin 1921 nochmals<br />
40 Maschinen der Gattung T 12 geliefert bekam,<br />
umfasste deren Bestand Anfang 1925 über<br />
550 Maschinen; die T 11 war mit knapp<br />
Von 1925 bis 1931 sank der Bestand bei der T 11<br />
um ein Drittel, bei der T 12 um mehr als die Hälfte<br />
100 Lok vorhanden, die T 14 mit über 120. Dieser<br />
Bestand sollte sich bis zur Elektrifizierung der<br />
Stadt-, Ring- und Vorortbahnen kaum mehr<br />
verändern. Den größten Einschnitt verzeichneten<br />
dann durch die Elektrifizierung die beiden<br />
typischen <strong>Berliner</strong> Stadtbahnlok-Gattungen<br />
T 11 (Baureihe 74.0-4) und T 12 (Baureihe<br />
74.5-13), deren Bestände bis 1931 auf rund 70<br />
bzw. 250 sanken. Diese verbleibenden Maschinen<br />
bewältigten teils bis weit über das folgende<br />
Kriegsende hinaus den Verkehr auf den nicht<br />
elektrifizierten Vorortstrecken. Dirk Winkler<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
49
Fahrzeuge und Technik<br />
Die Triebzüge der S-<strong>Bahn</strong><br />
Zehnerrunde<br />
Es begann mit dem ET 169 und endet vorläufig<br />
beim 481/482: Berlins S-<strong>Bahn</strong>-Fahrzeuge<br />
in Kürze, geordnet nach der Inbetriebnahme<br />
und mit der letzten Baureihenbezeichnung<br />
Baureihe ET 169<br />
Slg. Manuel Jacob<br />
Zur Aufnahme des elektrischen Betriebes auf der Indienststellung _______________________1924<br />
Strecke Berlin Stettiner <strong>Bahn</strong>hof – Bernau wurden<br />
Anzahl der beschafften Halbzüge __________17<br />
1924/25 insgesamt 34 Trieb- und 51 Beiwagen<br />
gebaut. Ein Halbzug bestand aus zwei vierachsigen<br />
Triebwagen und drei dazwischen laufenden Stundenleistung__________________2 x 170 kW<br />
Radsatzanordnung _______Bo’2’+2+2+2+Bo’2’<br />
zweiachsigen Beiwagen. 1956–58 erhielten acht Höchstgeschwindigkeit ______________80 km/h<br />
Triebwagen Stirnfronten ähnlich der Baureihe<br />
ET 165. Nach dem Mauerbau wurde die Baureihe ET 169 überflüssig und abgestellt. 1967/68 baute<br />
das Raw Berlin-Schöneweide 14 Triebwagen in U-<strong>Bahn</strong>-Wagen um.<br />
Slg. Manuel Jacob<br />
Baureihe ET 168<br />
Die Fahrzeuge für die elektrifizierte Strecke nach<br />
Oranienburg wurden so konzipiert, dass ein Triebund<br />
Steuerwagen die kleinste Einheit bildeten –<br />
das war richtungsweisend für den weiteren Fahrzeugbau<br />
bei der S-<strong>Bahn</strong>. 19 Viertelzüge wurden<br />
in den 50er-Jahren technisch dem ET 165 angepasst.<br />
Nach dem Mauerbau wurden die Fahrzeuge<br />
entbehrlich, bis Anfang 1963 abgestellt<br />
und später in U-<strong>Bahn</strong>-Wagen umgebaut.<br />
Indienststellung _____________________1926<br />
Anzahl der beschafften Viertelzüge _______50<br />
Radsatzanordnung _____________Bo’Bo’+2’2’<br />
Stundenleistung ___________________380 kW<br />
Höchstgeschwindigkeit ____________80 km/h<br />
Christoph Riedel<br />
Baureihe 475/875<br />
Die Fahrzeuge wurden im Zusammenhang mit<br />
der „Großen Elektrisierung“ beschafft und bewährten<br />
sich ausgezeichnet. Weitere, technisch<br />
verbesserte 51 Viertelzüge folgten 1932/33 für<br />
die Wannseebahn. Es gab später verschiedene<br />
Umbauten, u.a. mit zwei Frontlampen statt einer<br />
(Foto). Der planmäßige Einsatz der „Stadtbahner“<br />
im Fahrgastverkehr endete erst am 21. Dezember<br />
1997 (siehe auch S. 52–55).<br />
frühere Bezeichnungen____ET/ES, ET/EB 165<br />
(bis 1970),<br />
275 (bis 1991)<br />
Indienststellung _____________________1928<br />
Anzahl der beschafften Viertelzüge ______638<br />
Radsatzanordnung _____________Bo’Bo’+2’2’<br />
Stundenleistung ___________________360 kW<br />
Höchstgeschwindigkeit ____________80 km/h<br />
Slg. Manuel Jacob<br />
Baureihe 476.0, 476.3–4<br />
Von 1979 bis 1987 unterzog die Reichsbahn 212<br />
der inzwischen rund 50 Jahre alten Wagen der Baureihe<br />
275 einem Komplettumbau. Sie erhielten geschweißte<br />
Stirnfronten mit zwei Panoramascheiben,<br />
neue technische Einrichtungen sowie verbesserte Innenausstattungen.<br />
79 der Umbau-Fahrzeuge bekamen<br />
von 1987 bis 1993 neue Bremsanlagen und<br />
modernere Technik. Die auch als „Nieten-Rekos“<br />
bezeichneten Züge fuhren bis 4. Juli 2000.<br />
frühere Bezeichnung ____276.1–5 (bis 1992),<br />
Modernisierung der<br />
Baureihe 275<br />
Indienststellung _____________________1979<br />
Anzahl der beschafften Viertelzüge ______212<br />
Radsatzanordnung _____________Bo’Bo’+2’2’<br />
Stundenleistung ___________________360 kW<br />
Höchstgeschwindigkeit ____________80 km/h<br />
Baureihe 276.0<br />
Bernd Oliver Sydow<br />
Von 1935 bis 1938 entstanden 48 Viertelzüge<br />
mit windschnittigen Stirnfronten. Ein Teil der technisch<br />
weiterentwickelten, im Volksmund „Bankierzüge“<br />
genannten Fahrzeuge erhielt für den Einsatz<br />
auf den Ferngleisen der Wannseebahn Potsdamer<br />
<strong>Bahn</strong>hof – Zehlendorf stärkere Motoren und war<br />
für 120 km/h zugelassen (nach 1945: 80 km/h).<br />
Weitere Fahrzeuge mit 80 km/h Höchstgeschwindigkeit<br />
kamen anlässlich der Olympischen Spiele<br />
hinzu; in den 50er-Jahren integrierte man hier<br />
frühere Bezeichnungen _________ET /EB 125,<br />
ET/EB 166,<br />
276.0<br />
Indienststellung _____________________1935<br />
Anzahl der beschafften Viertelzüge _______48<br />
Radsatzanordnung _____________Bo’Bo’+2’2’<br />
Stundenleistung ___________360 kW, 560 kW<br />
Höchstgeschwindigkeit __80 km/h, 120 km/h<br />
auch Züge der Werkbahn Peenemünde – Zinnowitz (Bauart Peenemünde). Die Garnituren wurden ab den<br />
70er-Jahren bis auf wenige Ausnahmen modernisiert und fuhren danach als Baureihe 277 in Ost-Berlin.<br />
50
Galerie: <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Triebzüge<br />
Christoph Riedel<br />
Baureihe 477/877<br />
Gegenüber der Baureihe ET 166 war der ET 167<br />
eine technische Weiterentwicklung. Bis 1944<br />
wurden 283 Triebwagen (ET) und 261 Beiwagen<br />
(EB) geliefert. In den Jahren 1973 bis 1983 wurden<br />
167 Viertelzüge der Baureihe 277 modernisiert,<br />
hinzu kamen 39 Viertelzüge der Baureihe<br />
276.0, die nach der Modernisierung ebenfalls<br />
als 277 eingereiht wurden. Der Einsatz im Fahrgastverkehr<br />
endete am 2. November 2003.<br />
frühere Bezeichnungen ___ET 167 (bis 1970),<br />
277 (bis 1991)<br />
Indienststellung _____________________1938<br />
Anzahl der beschafften Viertelzüge ______544<br />
Radsatzanordnung _____________Bo’Bo’+2’2’<br />
Stundenleistung ___________________360 kW<br />
Höchstgeschwindigkeit ____________80 km/h<br />
Slg. Jacob<br />
Baureihe 278.2<br />
Waggonbau Ammendorf stellte Ende der 50er-<br />
Jahre einen neu entwickelten Triebzug für die<br />
<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> vor, bei dem die Wagenkästen an<br />
den Kurzkupplungsenden auf Jacobsdrehgestellen<br />
ruhten. Die Versuchsfahrten erbrachten aber<br />
keine befriedigenden Ergebnisse, der Serienbau<br />
unterblieb. Die Einsätze im Fahrgastverkehr hielten<br />
sich in Grenzen, 1973/74 wurden beide<br />
Halbzüge verschrottet.<br />
frühere Bezeichnung ET 170 (bis 1970)<br />
Indienststellung _____________________1959<br />
Anzahl der beschafften Halbzüge __________2<br />
Radsatzanordnung _______Bo’2’Bo’+Bo’2’Bo’<br />
Stundenleistung ___________________300 kW<br />
Höchstgeschwindigkeit ____________90 km/h<br />
Bernd Oliver Sydow<br />
Baureihe 485/885<br />
1979 wurde ein erster Musterzug vorgestellt, der<br />
in Aluminium-Leichtbauweise entstanden war und<br />
über elektronische Bauelemente verfügte.<br />
1987/88 folgte der Bau einer acht Viertelzüge<br />
umfassenden Nullserie, von 1990 bis 1993 dann<br />
die Fertigung von 159 Viertelzügen. Anfang 2013<br />
gab es noch 80 Viertelzüge, auf deren Einsatz<br />
vorläufig nicht verzichtet werden kann.<br />
frühere Bezeichnung___________________270<br />
Indienststellung _________1980 (Baumuster),<br />
1987 (Serie)<br />
Anzahl der beschafften Viertelzüge ______170<br />
Radsatzanordnung _____________Bo’Bo’+2’2’<br />
Stundenleistung ___________________600 kW<br />
Höchstgeschwindigkeit ____________90 km/h<br />
Baureihe 480<br />
Bernd Oliver Sydow<br />
M. Cantzler<br />
Im Auftrage der <strong>Berliner</strong> Verkehrsbetriebe (BVG)<br />
wurden für die S-<strong>Bahn</strong> in West-Berlin diese Neubauzüge<br />
entwickelt. Ein Viertelzug besteht dabei<br />
aus zwei Doppeltriebwagen mit Drehstromantriebs-<br />
und Mikrocomputertechnik. Nach vier<br />
Musterfahrzeugen 1987 begann 1989 die Serienfertigung<br />
in West-Berlin, die 1994 in Hennigsdorf<br />
abgeschlossen wurde. Aus verschiedenen Gründen gerieten ab 1992 mehrere Wagen in Brand.<br />
Die inzwischen aus 78 Viertelzügen bestehende Flotte muss jedoch weiter vorgehalten werden.<br />
Baureihe 481/482<br />
Indienststellung _________1987 (Baumuster),<br />
1990 (Serie)<br />
Anzahl der beschafften Viertelzüge _______85<br />
Radsatzanordnung __________Bo’Bo’+ Bo’Bo’<br />
Stundenleistung ___________________824 kW<br />
Höchstgeschwindigkeit ___________100 km/h<br />
Indienststellung _____________________1996<br />
Anzahl der beschafften Viertelzüge ______500<br />
Radsatzanordnung ____________Bo’2’+Bo’Bo’<br />
Stundenleistung ___________________600 kW<br />
Höchstgeschwindigkeit ___________100 km/h<br />
Ab 1990 wurde dieses Fahrzeug durch die BVG und<br />
die Reichsbahn für das Gesamt-S-<strong>Bahn</strong>-Netz entwickelt.<br />
Die ersten Züge konnten 1996 getestet werden;<br />
die Serienlieferung begann 1997 und endete<br />
2004. Heute ist die Baureihe die zahlenmäßig<br />
stärkste im <strong>Berliner</strong> Bestand, aber sehr umstritten.<br />
Ab 2009 kam es zu Problemen, vor allem an Drehgestellen,<br />
Motoren und elektronischen Baugruppen. Unter großen finanziellen Aufwendungen mussten zahlreiche<br />
technische Komponenten erneuert werden. Ob die Krise damit behoben ist, steht noch nicht fest.<br />
Texte/Tabellen: Wolf-Dietger Machel<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
51
Fahrzeuge und Technik<br />
Es lag nicht an den Holzbänken, dass die Züge auf dem westlichen<br />
Rumpfnetz so leer waren. Vielmehr protestierten viele West-<strong>Berliner</strong><br />
gegen die Reichsbahn (Bild vom November 1983) Konrad Koschinski<br />
Backsteinviadukt und ein Zug der Stadtbahnbauart obendrauf: Geht<br />
es noch viel „berlinerischer“? ET/EB 165 im Jahr 1964 unterwegs<br />
zwischen Jannowitzbrücke und Alexanderplatz Historische Slg. der DB AG<br />
Baureihe 275 – der legendäre „Stadtbahner“<br />
Der Berühmteste<br />
von allen<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
Rund 70 Jahre lang gehörte das Singen ihrer Elektromotoren zu den Klangfarben Berlins. Für<br />
Generationen von Reisenden war die kantige Stirnfront der „Stadtbahner“ das Gesicht der<br />
S-<strong>Bahn</strong> schlechthin. Ende 1997 quittierte der letzte Triebzug der Baureihe 275 den Plandienst<br />
Anno 1926 nahm die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft<br />
(DRG) die ,,Große<br />
Stadtbahn-Elektrisierung“ in Angriff. Sie<br />
umfasste neben der eigentlichen Stadtbahn zwischen<br />
Charlottenburg und Schlesischer <strong>Bahn</strong>hof<br />
(heute Ostbahnhof) auch die anschließenden<br />
Vorortstrecken sowie die Ringbahn. Das<br />
erforderte ein riesiges und in kürzester Zeit zu<br />
realisierendes Fahrzeugprogramm.<br />
Die Waggon- und Maschinenbau AG Görlitz<br />
(Wumag) und die Firma Orenstein &<br />
Koppel (O & K) fertigten 1927 je einen aus<br />
vier Wagen zusammengesetzten Musterzug.<br />
Beide Hersteller knüpften an die Grundkonzeption<br />
der 1925 erschienenen Bauart „Oranienburg“<br />
(der späteren Baureihe 168) an. Alle<br />
Fahrzeuge waren als vierachsige Drehgestellwagen<br />
in genieteter, nun aber leichterer Stahlbauweise<br />
ausgeführt. Wie schon bei der Bauart<br />
„Oranienburg“ bildeten je ein Trieb- und<br />
Steuerwagen ein miteinander kurzgekuppeltes<br />
Pärchen – genannt Viertelzug, da vier solcher<br />
Pärchen einen Vollzug bildeten. Auf dem Viertelzug<br />
als kleinster betrieblichen Einheit<br />
basieren die Zugkonfigurationen der <strong>Berliner</strong><br />
S-<strong>Bahn</strong> bis heute.<br />
Der Firma O & K gelang es, dank optimierten<br />
Materialeinsatzes das Leergewicht pro<br />
Viertelzug deutlich zu senken – gegenüber der<br />
Vorgängerbauart um rund 20 Prozent auf<br />
64,6 Tonnen. Infolge der Gewichtsersparnis<br />
reichte eine geringere Antriebsleistung aus, die<br />
Höchstgeschwindigkeit betrug unverändert<br />
80 km/h. Mit den weitestgehend dem Musterzug<br />
von O & K entsprechenden Serienzügen<br />
begann auf der Stadtbahn der elektrische<br />
Betrieb. Vom 11. Juni 1928 an rollten sie regulär<br />
zwischen Potsdam und Erkner. Im März<br />
1929 lösten sie auf den Vorortgleisen der<br />
Stadtbahn die letzten Dampfzüge ab, im Mai<br />
1929 auch auf der Ringbahn.<br />
In Rekordstückzahl beschafft<br />
Einschließlich der Prototypen stellte die DRG<br />
von 1928 bis 1931 insgesamt 1.276 Wagen<br />
der Bauart Stadtbahn in Dienst: 638 Triebund<br />
465 Steuerwagen sowie 173 führerstandslose<br />
Beiwagen. Letztere wurden ab 1929<br />
beschafft, weil aufgrund des Einsatzes von<br />
Halb-, Dreiviertel- oder Vollzügen der Bedarf<br />
an Steuerwagen entfiel. Während die Triebwagen<br />
nur die dritte Klasse führten, waren die<br />
Steuer- und die meisten Beiwagen in einen Bereich<br />
dritter Klasse und einen mit Polstersitzen<br />
ausgestatteten Zweite-Klasse-Raum unterteilt.<br />
Alle Fahrzeuge besaßen von Beginn an<br />
druckluftbetätigte Türschließvorrichtungen<br />
und halbautomatische Scharfenbergkupplungen,<br />
die von Viertel- zu Viertelzug auch die<br />
Luftleitungen kuppelten. Die Trieb- und Steuerwagen<br />
hatten anders als ihre Vorgänger nur<br />
eine Frontlaterne in Stirnwandmitte, darunter<br />
eine Signallampe für Falschfahrten. Die schon<br />
bisher üblichen, als Schlussleuchten fungierenden<br />
Oberwagenlaternen behielt man bei.<br />
Am augenfälligsten unterschieden sich die<br />
Stadtbahnwagen von den Vorgängerbauarten<br />
durch den zweifarbigen Außenanstrich: unterhalb<br />
der Fenster weinrot, im Bereich des davon<br />
mit einem schwarzen Streifen abgesetzten Fensterbands<br />
in der 2. Klasse blau und in der 3. Klasse<br />
ocker. Ab 1933 kam ein roter Zierstreifen zwischen<br />
Fensterband und silberfarbener Dachpartie<br />
hinzu. Nach Abschaffung des Zweiklassensystems<br />
im Jahr 1946 erhielten auch die bisherigen<br />
Wagen 2./3. Klasse durchweg ein ockerfarbenes<br />
Fensterband. Im Laufe der Jahrzehnte wurden<br />
die Farbtöne mehrfach variiert – wie sie exakt hießen,<br />
ist eine Wissenschaft für sich. Jedenfalls<br />
prägt Rot/Ockergelb das Bild der <strong>Berliner</strong><br />
S-<strong>Bahn</strong> bis heute. Andere Farbkleider wie der ab<br />
1984 im Ostnetz gültige Regelanstrich „Bordeauxrot/Elfenbeinbeige“<br />
blieben eine Episode.<br />
52
Der „Stadtbahn“-Triebzug<br />
Am 15. Mai 1933 rollt der erste elektrische Zug auf der Wannseebahn. Es ist – wenn auch modifiziert – ein „Stadtbahner“; den wird man hier<br />
rund sechs Jahrzehnte lang sehen<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
Quasi eine Doktorarbeit ließe sich auch<br />
über das mehrfach geänderte Nummernsystem<br />
schreiben. Hier nur soviel: Anfangs waren<br />
die Wagen fortlaufend vierstellig nummeriert.<br />
Ab 1941/42 liefen die Trieb-, Bei- und Steuerwagen<br />
als ET/EB/ES 165 mit dreistelligen<br />
Ordnungsnummern. Ab 1. Juni 1970 reihte<br />
sie die Deutsche Reichsbahn der DDR (DR)<br />
EDV-gerecht als Baureihe 275.0-8 ein. Ab<br />
1992 wurden die Triebwagen als 475, die Beiund<br />
Steuerwagen als 875 bezeichnet.<br />
Über das Nummernsystem ließe sich eine Doktor -<br />
arbeit schreiben – und über die Umbauformen auch<br />
Kaum als eigenständige Bauart dürfte das<br />
Reisepublikum die 1932/33 beschafften<br />
Wannseebahnwagen (je 51 Trieb- und Beiwagen)<br />
wahrgenommen haben. Diese ab 15. Mai<br />
1933 auf der Strecke vom Wannseebahnhof<br />
(nächst dem Potsdamer Fernbahnhof) über<br />
Zehlendorf nach Wannsee eingesetzten Fahrzeuge<br />
glichen den Stadtbahnwagen, aufgrund<br />
versenkter Nieten besaßen sie aber eine glatte<br />
Außenhaut. In einigen konstruktiven Elementen<br />
leiteten sie schon zu den ab 1934 ent-<br />
wickelten Bauarten mit abgerundeter Kopfform<br />
über. So wurde das Schaltwerk nicht<br />
mehr elektropneumatisch, sondern durch einen<br />
Elektromotor angetrieben. Ab 1941/42<br />
wurden die Wannseebahnwagen als ET/<br />
EB 165.8 eingereiht, ab 1970 als 275.9 und<br />
schließlich (sofern nicht modernisiert) ab<br />
1992 mit der Baureihe 475 zusammengefasst.<br />
Bis 1944 wuchs der Wagenpark der <strong>Berliner</strong><br />
S-<strong>Bahn</strong> kräftig an, stückzahlmäßig blieb die Bauart<br />
Stadtbahn aber unübertroffen. Jahrzehntelang bildete<br />
sie die größte für deutsche Eisenbahnen gefertigte<br />
Triebwagenserie überhaupt! Kriegsverluste dezimierten<br />
den Bestand stark, doch verfügte die DR<br />
nach Wiederaufbau, Rückkehr eines Teils der in die<br />
Sowjetunion abtransportierten Züge und Generalreparatur<br />
im Jahr 1958 wieder über 435 Trieb- sowie<br />
432 Bei- oder Steuerwagen.<br />
Verändertes Gesicht<br />
Bis in die 80er-Jahre hinein trugen die „Stadtbahner“<br />
die Hauptlast des Verkehrs. Allerdings<br />
wandelte sich insbesondere das Aussehen ihrer<br />
Frontpartie. So wurden die Steuerwagen ab<br />
1942, von drei Ausnahmen abgesehen, sukzessive<br />
in führerstandslose Beiwagen umgebaut<br />
und büßten damit ihre Stirnleuchten ein. Mit<br />
der Umstellung auf Einmannbetrieb (EMB) änderte<br />
sich ab 1965 auch das Gesicht der meisten<br />
Triebwagen. Das Reichsbahnausbesserungswerk<br />
Schöneweide vergrößerte die Führerstände und<br />
stattete sie mit Sifa (Sicherheitsfahrschaltung)<br />
und Funkwechselsprechanlagen aus, mit denen<br />
die <strong>Bahn</strong>steigaufsichten den Abfahrauftrag<br />
übermittelten. Dabei entfielen die Oberwagenlaternen<br />
und das mittige Spitzenlicht zugunsten<br />
beidseitig in die Stirnfront eingelassener Spitzenund<br />
Schlussleuchten.<br />
Mehr als hundert ET 165 blieben zunächst<br />
von diesem Umbau ausgeschlossen und erhielten<br />
samt der zugehörigen Beiwagen nur<br />
die für den Einmannbetrieb nötige Steuerleitung.<br />
Deshalb durften solche ET/EB als so genannte<br />
Passviertel lediglich in der Mitte des<br />
Zugverbands eingereiht sein.<br />
Versuche, die in die Jahre gekommenen<br />
Stadtbahnwagen abzulösen, blieben lange erfolglos.<br />
Zwei 1959 vorgestellte blau-beige gestrichene<br />
Musterzüge mit Jacobs-Drehgestellen<br />
(ET 170) bescherten der Reichsbahn buch-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013 53
Fahrzeuge und Technik<br />
Auf seiner Namenspatin, der Stadtbahn, eilt im Mai 1991 ein 275er-Vollzug am Bodemuseum kurz vor dem <strong>Bahn</strong>hof Friedrichstraße vorbei. Er<br />
trägt die „Hauptstadtfarben“ Bordeauxrot-Elfenbein<br />
Konrad Koschinski<br />
stäblich ein „blaues Wunder“. Zwar erschien<br />
1979 ein Prototyp der späteren Baureihe 485,<br />
aber deren Serienreife ließ sich damals nicht absehen.<br />
So blieb nichts anderes übrig, als auch<br />
noch viele Stadtbahnwagen zu modernisieren.<br />
Der Kontrast zwischen neu angesetzter, nun<br />
zweifenstriger Stirnfront und genieteten Seitenwänden<br />
trug ihnen den Spitznamen „Nieten-Rekos“<br />
ein. Sie wurden als Baureihe 276.1-<br />
5, ab 1992 je nach Steuerungs- und Bremsart<br />
als 476/876.0 oder 476/876.3-4 geführt.<br />
Im Westnetz nur „Oldtimer“<br />
Während in Ost-Berlin bald modernisierte<br />
Fahrzeuge vorherrschten, rollten im Westteil<br />
der Stadt weiterhin nur solche alter Bauform.<br />
Dabei ratterte zwischen Zehlendorf und Düppel<br />
bis September 1980 stets einer der drei<br />
noch vorhandenen Viertelzüge mit Steuerwagen<br />
im Schaffnerbetrieb. Als weitere Exoten<br />
sind drei 1981/82 für den Spätverkehr zwischen<br />
Friedrichstraße und Charlottenburg<br />
wieder mit Steuerabteilen ausgerüstete EMB-<br />
Viertelzüge zu nennen.<br />
Im klassischen „Stadtbahner“ fuhr man auf Holzbänken.<br />
Auf manchen Strecken bis zum Schluss<br />
Der ab 9. Januar 1984 für das Rumpfnetz in<br />
West-Berlin zuständigen BVG übergab die DR<br />
dann neben 95 für den Einmannbetrieb voll<br />
tauglichen 275er-Viertelzügen (darunter einer<br />
mit einem Beiwagen der Bauart Wannsee) auch<br />
20 nur beschränkt einsetzbare „Passviertel“. Wegen<br />
akuten Wagenmangels musste die BVG im<br />
Februar/März 1985 auf der wieder eröffneten<br />
Wannseebahn einige Züge aber komplett aus<br />
Passvierteln bilden und deshalb mit Schaffnern<br />
besetzen.<br />
Insgesamt 107 Viertelzüge ließ die BVG ab<br />
1985 im <strong>Berliner</strong> Werk der Waggon-Union generalüberholen,<br />
wo man über den guten Allgemeinzustand<br />
der hochbetagten Fahrzeuge staunte!<br />
Zwölf Beiwagen bisheriger Passviertel wurden<br />
in EMB-Steuerwagen mit Sifa und Funk umgebaut.<br />
In den Fahrgasträumen wich die unten<br />
kunstlederne, oben holzfurnierte Wandverkleidung<br />
kunststoffbeschichteten Platten mit heller<br />
Holzmaserung. Bereits von der DR installierte<br />
Leuchtstoffröhren wurden gegen eine modernere<br />
Version ausgetauscht und die alten Schaumgummisitze<br />
durch neue Polstersitze ersetzt.<br />
Bis zuletzt liefen aber auch Wagen mit<br />
Holzbänken und anheimelnder Glühlampenbeleuchtung.<br />
Das gab es sonst fast nur noch<br />
bei Museumsbahnen, trotzdem waren gerade<br />
die schier unverwüstlichen Holzlattensitze bei<br />
den Fahrgästen beliebt. Mitte der 90er-Jahre<br />
durchgeführte Umfragen bestätigten es, viele<br />
wünschten sich sogar in den neuen Zügen der<br />
Baureihe 481 Holzbänke.<br />
Für die Ewigkeit?<br />
Inzwischen standen die nunmehrigen „475er“<br />
im siebten Lebensjahrzehnt. Es schien, als wären<br />
sie für die Ewigkeit gebaut. Aber das täuschte,<br />
der Unterhaltungsaufwand war immens. Nach<br />
Beschaffung der Baureihen 480 und 485/885 in<br />
Serie zeichnete sich allmählich das Ende ab.<br />
Anfang 1994 gelangten 92 betriebsfähige<br />
Viertelzüge der Baureihe 475/875 von der BVG<br />
zur Deutschen <strong>Bahn</strong> AG, außerdem 46 aus dem<br />
DR-Bestand. Häufig befuhren sie noch die<br />
Nord-Süd-Linien S 1 Oranienburg – Wannsee<br />
und S 2 Schönholz – Blankenfelde sowie die damalige<br />
S 10 Birkenwerder – Ostring – Spindlersfeld.<br />
Ende Mai 1995 kamen Einsätze auf der<br />
neu eröffneten Nord-Süd-Linie S 25 Tegel –<br />
Lichterfelde Ost hinzu. Dagegen verschwanden<br />
die nicht modernisierten „Stadtbahner“ von ihrer<br />
namensgebenden Stammstrecke, auf der sie<br />
bereits 1994 nur noch selten anzutreffen waren.<br />
54
Museumszüge und mehr<br />
Im Sommer 1997 kehrten die Klassiker<br />
überraschend auf die Stadtbahn zurück; wegen<br />
fehlender Feuerlöscher hatte man sie aus dem<br />
Nord-Süd-Tunnel verbannt. Ihre letzten planmäßigen<br />
Einsätze absolvierten sie auf der S 5<br />
Charlottenburg – Strausberg Nord und auf der<br />
S 7 Potsdam – Ahrensfelde, ferner auf der S 10.<br />
Bis November 1997 schrumpfte der Einsatzbestand<br />
auf 28 Viertelzüge. Am 21. Dezember<br />
1997 bereitete die S-<strong>Bahn</strong> Berlin GmbH den<br />
Veteranen einen grandiosen Abschied mit einer<br />
Sternfahrt zum Ostkreuz: Dort trafen sich gegen<br />
13 Uhr an allen acht <strong>Bahn</strong>steigkanten<br />
475er, etwa fünf Minuten später fuhren sie mit<br />
ohrenbetäubendem Pfeifen in alle Richtungen<br />
los. Tausende <strong>Berliner</strong> wohnten dem Spektakel<br />
bei, viele mit Tränen in den Augen.<br />
Völlig aus dem Klangbild Berlins verschwand<br />
der „Stadtbahner“-Sound aber noch<br />
nicht. Zum einen liefen bis Ende Mai 2000 modernisierte<br />
Züge der Baureihe 476/876 im Plandienst.<br />
Zum anderen hielten die S-<strong>Bahn</strong> Berlin<br />
GmbH und der Verein Historische S-<strong>Bahn</strong> e.V.<br />
sechs Altbau-Viertelzüge für Sonderfahrten vor,<br />
so zur Adventszeit als Weihnachtszug. Die<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Krise im Jahr 2009 bereitete dem Einsatz<br />
historischer Fahrzeuge wegen der angespannten<br />
Werkstattlage vorläufig ein Ende.<br />
Museumsfahrzeuge<br />
Heute werden ET/EB 165 040 (Prototyp-<br />
Viertel), ET/ES 165 097, ET/ES 165 155,<br />
ET/ES 165 231, ET/EB 165 471 und ET/<br />
EB 165 555 sowie das „Wannseebahn-Viertel“<br />
ET 165 825/EB 165 815 in der<br />
Ausstattung und Beschriftung<br />
verschiedener Epochen<br />
vom Verein Historische<br />
S-<strong>Bahn</strong><br />
gepflegt. Außerdem<br />
befinden sich je ein<br />
Viertelzug im DB-<br />
Museum Nürnberg,<br />
im Deut-<br />
Slg. Heiko<br />
Focken<br />
schen Museum<br />
München und in<br />
der nur manchmal<br />
zugänglichen Monumentenhalle<br />
des Deutschen<br />
Technikmuseums<br />
Berlin. Weitere Stadtbahnwagen<br />
sind, teils als Bar oder Café genutzt,<br />
über zahlreiche Standorte verstreut.<br />
Geblieben sind die Träume: vom zischenden<br />
Atmen der Bremsen, vom Klackern des<br />
Schaltwerks beim Anfahren, von singender<br />
Beschleunigung, vom Schwingen der Wagenkästen<br />
bei gefühlten 100 km/h entlang der<br />
Avus zwischen Nikolassee und Grunewald.<br />
Natürlich ist dabei das Abteilfenster geöffnet,<br />
um das von den Fassaden und Brandmauern<br />
entlang der Stadtbahn oder des Ostrings zurückgeworfene<br />
Heulen der Elektromotoren zu<br />
genießen, noch verstärkt bei der Fahrt durch<br />
den Nord-Süd-Tunnel. Es ist so intensiv, dass<br />
Krimiautor Horst Bosetzky alias -ky es einst<br />
als „<strong>Berliner</strong> Hymne“ pries. Kein Wunder, so<br />
lange wie der „Stadtbahner“ den Nahverkehr<br />
dort prägte. Konrad Koschinski/GM<br />
Im Frühjahr 1980 bedient ein „Steuer-Viertel“ aus 275 747 und 748 die Strecke nach Düppel.<br />
Von den Zügen, die mit Schaffnern besetzt werden mussten, gab es in West-Berlin seinerzeit<br />
noch drei Exemplare<br />
Konrad Koschinski<br />
Im Mai 1982 erreicht ein S-<strong>Bahn</strong>-Zug mit 275 571 an der Spitze den <strong>Bahn</strong>hof<br />
Priesterweg. Der Triebwagen besitzt die modernisierte Front und trägt<br />
das S-<strong>Bahn</strong>-typische Rot/Ocker<br />
Konrad Koschinski<br />
Abschiedsstimmung am Ostkreuz: Zum Dienstende der Baureihe haben mehrere „Stadtbahner“<br />
am 21. Dezember 1997 den <strong>Bahn</strong>hof in einer Sternfahrt angesteuert Konrad Koschinski<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
55
Fahrzeuge und Technik<br />
Sieht so eine „Altflotte“ aus? Die aktuell eingesetzten<br />
Baureihen 480, 481, 485 (v.l.) in<br />
Schöneweide, August 2011<br />
Sven Klein<br />
Der aktuelle Fahrzeugpark<br />
Flucht nach vorn?<br />
Zwischen 1990 und 2004 hat die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> den gesamten Fahrzeugbestand ausgetauscht.<br />
Mit den Neubeschaffungen wurde sie aber kaum glücklich. Vor allem in jüngster Zeit häuften<br />
sich die Probleme, auch durch hausgemachte Fehler<br />
Wenn demnächst die Vergabe von<br />
rund einem Drittel der <strong>Berliner</strong><br />
S-<strong>Bahn</strong>-Leistungen im Raum steht,<br />
wird auch eine Forderung wirksam. Der neue<br />
Betreiber muss die „Altflotte“ bzw. „Altbauzüge“<br />
so bald wie möglich durch neue Fahrzeuge<br />
ersetzen. So weit, so gut – aber was heißt<br />
„Altflotte“? Die eingesetzten S-<strong>Bahn</strong>-Züge der<br />
Baureihen 480, 481 und 485 wurden von<br />
1990 bis 2004 in Dienst gestellt, sie haben gerade<br />
einmal ein Durchschnittsalter von knapp<br />
15 Jahren erreicht. Die übliche Einsatzdauer<br />
im Eisenbahnbereich beläuft sich auf 40 Jahre.<br />
Mit dem Beschaffungsprogramm nach<br />
1990 hat die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> durchschnittlich<br />
sechs Jahrzehnte alte S-<strong>Bahn</strong>-Züge durch<br />
Fahrzeuge neuester Konstruktion ersetzt. Einen<br />
solchen umfassenden Austausch gab es in<br />
der <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Geschichte schon einmal,<br />
als nämlich im Zuge der „Großen Elektrisierung“<br />
von 1928 bis 1930 insgesamt 638 Viertelzüge<br />
der späteren Baureihe ET 165 dampflokbespannte<br />
Züge der <strong>Berliner</strong> Stadt-, Ringund<br />
Vorortbahnen ablösten. Oft wird die Robustheit<br />
und Zuverlässigkeit gerade dieser<br />
ET 165 hervorgehoben, als Gegenstück zu<br />
den Problemen der heutigen Typen. Dabei<br />
darf jedoch nicht übersehen werden, dass die<br />
„Stadtbahner“ mehrmals Generalreparaturen<br />
erhielten oder gar – wie von der Deutschen<br />
Reichsbahn praktiziert – teilweise völlig neu<br />
aufgebaut wurden. Nur wenige Bauteile waren<br />
zuletzt noch aus den Anfangsjahren vorhanden,<br />
alle anderen durch Ersatzteil-Einzelanfertigungen<br />
ersetzt. Welch ein Kostenfaktor.<br />
Problemquelle Kostensenkung<br />
Kosten waren es auch, die das heutige Problem<br />
der S-<strong>Bahn</strong> heraufbeschworen. Die derzeit im<br />
Fahrzeugpark dominierende Baureihe<br />
481/482 wurde nur kurz erprobt und dann<br />
in einer Großserie gebaut. Das war günstig,<br />
und in den ersten Betriebsjahren fuhren diese<br />
Fahrzeuge bis auf kleinere Störungen der<br />
Software und schnell beseitigte konstruktive<br />
Mängel recht zuverlässig. Aber in den Jahren<br />
2008/09 begann das Desaster. Räder und<br />
Zuerst fuhren 481/482<br />
ohne Störungen. Noch ...<br />
Achswellen wiesen Risse auf, die Motoren<br />
wurden schadhaft, Elektronik und Software<br />
funktionierten teilweise nicht mehr und selbst<br />
der mitgeführte Sand zum Bremsen der Züge<br />
reichte nicht aus. Mit einem riesigen finanziellen<br />
Aufwand wurden diese Züge bis 2012<br />
weitgehend wieder flott gemacht.<br />
Die Gründe für die Misere sind vielfältig. Material-<br />
und Technikfehler dürften auf mangelhafte<br />
Arbeit der Industrie und ungenügende Testläufe<br />
zurückgehen, ebenso wohl das Versagen der<br />
Software. Schwer wiegt aber auch der bis 2009<br />
betriebene massive Abbau von Personal und<br />
Werkstattkapazitäten bei der S-<strong>Bahn</strong>. Schließlich<br />
sollte die S-<strong>Bahn</strong> Berlin GmbH als einhundertprozentige<br />
Tochter der Deutschen <strong>Bahn</strong> AG Gewinn<br />
abwerfen. Das geschah überwiegend mit<br />
eingesparten und von den Ländern Berlin und<br />
Brandenburg zur Verfügung gestellten Regionalisierungsmitteln,<br />
die wiederum aus Steuereinnahmen<br />
und Staatskrediten der Bundesrepublik<br />
gespeist werden. Für die Instandsetzung der<br />
481/482 – und der 485/885, die ebenfalls Mängel<br />
aufwiesen – musste man die Werkstattkapazitäten<br />
eiligst (und kostspielig) wieder erweitern.<br />
Wer aber denkt, die Krise sei damit überstanden,<br />
irrt. Zum Jahreswechsel 2012/2013 waren<br />
die Probleme der 481/482 noch nicht vollständig<br />
behoben. So könnte die Suche nach einem neuen<br />
(Teil-)Betreiber und einem Ersatz der „Altbauflotte“<br />
auch der Versuch sein, die Flucht nach<br />
vorn anzutreten. Auf dass neue Fahrzeuge zuverlässiger<br />
funktionieren als das derzeitige Sorgenkind<br />
481/482. Wolf-Dietger Machel/MHZ<br />
56
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Fahrzeuge und Technik<br />
Werkstätten für die S-<strong>Bahn</strong><br />
Die Versorgungsstellen<br />
Blick in das S-Bw Friedrichsfelde, Mai 1980. Es war Ende der 20er-Jahre aus dem Wagenbetriebswerk Lichtenberg-Friedrichsfelde entstanden Jürgen Krantz<br />
Für die elektrischen Triebzüge des <strong>Berliner</strong> Vorortverkehrs brauchte die Deutsche Reichsbahn<br />
ab den 20er-Jahren neue Wartungskapazitäten. Sie bekam sie durch den Umbau bestehender<br />
<strong>Bahn</strong>betriebswerke wie auch durch Neubauten<br />
Mit Beginn der Elektrifizierungsarbeiten<br />
auf den nördlichen <strong>Berliner</strong> Vorortstrecken<br />
zeichnete sich die Aufgabe<br />
der Dampflokbetreuung in einigen<br />
<strong>Bahn</strong>betriebswerken und dazugehörigen<br />
Dienststellen der Reichsbahndirektion (RBD)<br />
Berlin ab. Bereits Ende 1920 wurden keine<br />
Lokomotiven mehr in Bernau unterhalten,<br />
um den Lokschuppen zum Triebwagenschuppen<br />
umbauen zu können. Nach Beginn des<br />
elektrischen Vorortverkehrs nach Bernau im<br />
Sommer 1924 sowie nach Oranienburg im<br />
Herbst 1925 gab man im <strong>Bahn</strong>betriebswerk<br />
(Bw) Stettiner <strong>Bahn</strong>hof die Dampflokunterhaltung<br />
abschnittsweise auf. Die wenigen<br />
noch für den Verkehr nach Velten und Kremmen<br />
erforderlichen Maschinen wurden vom<br />
Bw Gesundbrunnen aus betreut, so dass die<br />
Anlagen am Stettiner Vorortbahnhof zum<br />
Frühjahr 1926 für die Umbauarbeiten und<br />
zum Abriss des alten Lokschuppens frei wurden.<br />
Auf dem Gelände des bisherigen Lokomotivschuppens<br />
entstand ein neuer sechsgleisiger<br />
Triebwagenschuppen, im Gleisbereich<br />
gegenüber ein zweiständiger Werkstattschuppen<br />
mit angeschlossenem Magazingebäude.<br />
Zusätzlich ließ die RBD Berlin bis 1926 auf<br />
den Endbahnhöfen der nördlichen Vorortstrecken<br />
in Velten einen dreigleisigen Triewagenschuppen<br />
mit einem zweigleisigen kürzeren<br />
Werkstattschuppen und in Oranienburg<br />
einen viergleisigen Triebwagenschuppen errichten.<br />
Seit 1926 liefen in großem Maßstab die Arbeiten<br />
zur Umstellung des Verkehrs auf den<br />
Stadt-, Ring- und Vorortbahnen auf elektrischen<br />
Betrieb mit 800-Volt-Gleichspannung.<br />
Die Planungen sahen vor, für ca. 40 Prozent<br />
der Triebwagen Schuppenanlagen zu bauen,<br />
die ein Unterstellen, Reinigen und die Ausführung<br />
kleinerer Unterhaltungsarbeiten ermöglichen<br />
sollten. Während der Großen Elektrifizierung<br />
musste die Dampflokunterhaltung<br />
in den Bw Grünau und Grunewald-Abstellbahnhof,<br />
deren Rechteckschuppen für die<br />
neuen Triebwagen weiter genutzt werden sollten,<br />
ab Herbst 1927 bei laufendem Umbau geschehen.<br />
Ähnlich gestaltete sich der Betrieb<br />
in den Wagenbetriebswerken in Westend<br />
und Lichtenberg-Stadtbahn, wo die Wagen -<br />
schuppen für die Aufnahme der elektrischen<br />
Triebzüge zu erweitern waren. Im Herbst<br />
1926 begann der Bau eines neuen Betriebswerkes<br />
für die Ringbahn bei Tempelhof, das<br />
als Bw Papestraße 1928 den Betrieb aufnahm.<br />
Einen weiteren fünfgleisigen Triebwagenschuppen<br />
ließ die RBD Berlin in Erkner errichten.<br />
Der bis zum Herbst fertig gestellte<br />
Bau wurde, ähnlich wie in Velten, um einen<br />
eingleisigen Werkstattanbau ergänzt.<br />
Umorganisation des<br />
Maschinendienstes<br />
Mit Beginn des Sommerfahrplans am 15. Mai<br />
1928, als sich die Betriebsumstellung auf<br />
Stadt-, Ring- und Vorortbahnen abzeichnete,<br />
wurden die Maschinenämter entsprechend der<br />
zu erwartenden betrieblichen Gegebenheiten<br />
umorganisiert. Gleichzeitig benannte man<br />
<strong>Bahn</strong>betriebswerke um, damit keine Verwechslungsgefahr<br />
bestand; das Bw Grunewald-Abstellbahnhof<br />
wurde zu Hundekehle,<br />
Lichtenberg-Stadtbahn zu Friedrichsfelde. Für<br />
den Dampfbetrieb im Direktionsbezirk waren<br />
künftig die <strong>Bahn</strong>betriebswerke der Maschinenämter<br />
(MA) Berlin 1 bis 3 zuständig. Das<br />
MA Berlin 4 erhielt die dem elektrischen Betrieb,<br />
also der Triebwagenunterhaltung vorbe-<br />
58
S-<strong>Bahn</strong>-Betriebswerke<br />
haltenen Dienststellen. Das waren Papestraße,<br />
Westend, Hundekehle, Friedrichsfelde, Erk -<br />
ner, Grünau, Stettiner <strong>Bahn</strong>hof und Oranienburg.<br />
Dem Maschinenamt Berlin 5<br />
schließlich unterstanden die Fahrleitungsmeistereien<br />
Markgrafendamm, Halensee und<br />
Stettiner <strong>Bahn</strong>hof.<br />
Von August 1928 bis Juli 1929 gaben die<br />
Bw Charlottenburg, Friedrichsfelde, Grünau,<br />
Hundekehle und Westend ihre Dampflokomotiven<br />
ausnahmslos ab. Verbliebene Dampflokleistungen<br />
gingen auf die <strong>Bahn</strong>betriebswerke<br />
der Maschinenämter 1 bis 3 über, so<br />
dass bis zum Juli 1929 die Dienststellen des<br />
Maschinenamtes Berlin 4 dampffrei waren.<br />
Für das Bw in Charlottenburg sowie den am<br />
Güterbahnhof gelegenen Teil des Bw Westend<br />
bedeutete dies die Aufgabe der Lokomotivstationierung.<br />
Die baulichen Anlagen nutzte<br />
man für andere Zwecke. Die Lokbehandlungsanlagen<br />
blieben in Charlottenburg, das<br />
offiziell am 10. Februar 1929 aufgelöst wurde,<br />
zumindest noch für den Lokwechsel erhalten.<br />
In Friedrichsfelde stand der Halbrundschuppen<br />
zwar bis in die 50er-Jahre, er wurde jedoch<br />
ebenfalls nicht mehr für die Dampflokunterhaltung<br />
verwendet.<br />
Nach der Elektrifizierung der Wannseebahn<br />
von 1931 bis 1933 kam beim MA Berlin<br />
4 noch das Bw Wannsee als Neubau hinzu.<br />
Bis auf die Anlagen am Potsdamer Güterbahnhof,<br />
die fortan vornehmlich den Schnellzugmaschinen<br />
und wenigen Vorort- und Verschiebelokomotiven<br />
dienen sollten, riss man<br />
in den Folgejahren die alten Dienststellen der<br />
Wannseebahn sowie der Ringbahn am Potsdamer<br />
<strong>Bahn</strong>hof ab.<br />
Neue Strukturen nach 1945<br />
Die RBD Berlin bildete Ende April 1946 aus<br />
dem MA Berlin 4 das Reichsbahnamt S-<strong>Bahn</strong>.<br />
Im Juni 1946 benannte man die dem Reichsbahnamt<br />
S-<strong>Bahn</strong> unterstellten <strong>Bahn</strong>betriebswerke<br />
in „S-<strong>Bahn</strong>-Betriebswerke“ (S-Bw) um.<br />
Es gab nun die S-Bw Berlin Stettiner <strong>Bahn</strong>hof,<br />
Westend, Hundekehle, Wannsee, Papestraße,<br />
Grünau und Friedrichsfelde.<br />
Aus betriebswirtschaftlichen und organisatorischen<br />
Gründen löste das Ministerium für<br />
Eisenbahnwesen zum 11. November 1954 das<br />
Reichsbahnamt S-<strong>Bahn</strong> und die Abteilung<br />
OBEN Ruhig geht es<br />
im Sommer 1990 auf<br />
den Abstellgleisen<br />
im S-Bw Wannsee<br />
zu. Seit 1984 ist das<br />
Werk für die S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Züge der BVG zuständig<br />
Josef Mauerer<br />
RECHTS Tag der offenen<br />
Tür im August<br />
2010 im S-<strong>Bahn</strong>-Bw<br />
Grünau, unter anderem<br />
mit aufgebockten<br />
481ern<br />
Matthias Cantzler<br />
• S-Bw Nordbahnhof<br />
• S-Bw Papestraße<br />
• S-Bw Wannsee (mit Twh Hundekehle)<br />
Im September 1980 begannen Streikaktionen<br />
der West-<strong>Berliner</strong> Reichsbahner. Mit den darauf<br />
folgenden Streckenschließungen der<br />
Reichsbahn wurden die Twh Hundekehle und<br />
das S-Bw Papestraße entbehrlich und geschlossen.<br />
1984 übernahm die BVG die West-<br />
1974 gab es fünf Betriebswerke und sechs Trieb -<br />
wagenhallen; 2013 sind es drei Werke, zwei Hallen<br />
S-<strong>Bahn</strong> bei der Rbd Berlin auf. Im Gegenzug<br />
wurde eine „Verwaltung der S-<strong>Bahn</strong>“ eingerichtet,<br />
die auch die Verwaltung der S-Bw,<br />
Fahrleitungsmeistereien usw. übernahm. Im<br />
Mai 1968 wurden die S-Bw Oranienburg und<br />
Erkner den S-Bw Friedrichsfelde und Grünau<br />
als Triebwagenhallen (Twh) unterstellt. Anfang<br />
1974 gab es folgende Dienststellen der<br />
S-<strong>Bahn</strong>:<br />
• S-Bw Grünau (mit Twh Bernau, Erkner)<br />
• S-Bw Friedrichsfelde (mit Twh Buckow,<br />
Oranienburg, Velten)<br />
<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> und wartete ihre Fahrzeuge in<br />
Wannsee; das dortige S-Bw hieß künftig Betriebswerkstatt<br />
im Fachbereich Fahrzeuge-<br />
Werkstätte <strong>Bahn</strong>en (FWB) der BVG. Das auf<br />
Ost-<strong>Berliner</strong> Gebiet liegende, allerdings nur<br />
für das West-<strong>Berliner</strong> Streckennetz interessante<br />
S-Bw Nordbahnhof war dagegen geschlossen<br />
worden.<br />
Die Zeit nach der Wende<br />
Nach der politischen Wende in der DDR und<br />
der deutschen Wiedervereinigung gingen zum<br />
1. Januar 1994 die Betriebsrechte der BVG für<br />
die S-<strong>Bahn</strong> an die neue Deutsche <strong>Bahn</strong> AG<br />
über. Während der <strong>Bahn</strong>reform zwischenzeitlich<br />
zur „Zweigniederlassung des Bereichs<br />
Nahverkehr“ der DB/DR mutiert, firmierten<br />
die einstigen S-Bw seit dem 1. Januar 1995<br />
unter der Regie der S-<strong>Bahn</strong> Berlin GmbH als<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Betriebswerkstatt. Dazu zählten die<br />
S-Bw Friedrichsfelde mit der Twh Oranienburg,<br />
Grünau mit den Twh Erkner und Bernau<br />
und die S-Bw Wannsee. Das S-Bw Papestraße<br />
wurde trotz vorliegender Planungen<br />
nicht wieder eröffnet. Die Triebwagenhalle in<br />
Oranienburg wechselte zum 1. Oktober 1999<br />
zur S-Bw Wannsee.<br />
Im Zuge der drastischen Rationalisierungsmaßnahmen<br />
bei der S-<strong>Bahn</strong> wurde Ende<br />
Oktober 2001 die Twh Bernau, im November<br />
2003 die Twh Erkner geschlossen. Im Frühsommer<br />
2005 folgte die Schließung des S-Bw<br />
Friedrichsfelde. Allerdings brachten die Probleme<br />
mit den neuen S-<strong>Bahn</strong>-Fahrzeugen und<br />
der dadurch stark angestiegene Wartungs- und<br />
Instandsetzungsbedarf nach langem Tauziehen<br />
zwei Wiedereröffnungen. Im Dezember 2009<br />
ging die Twh Erkner, Anfang Januar 2010 das<br />
S-Bw Friedrichsfelde aufs Neue in Betrieb.<br />
Dirk Winkler<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
59
Fahrzeuge und Technik<br />
Im Mai 1927 sind die Bauarbeiten für das neue Ausbesserungswerk der Reichsbahn in Niederschöneweide weit fortgeschritten. Fünf Monate<br />
später geht es in Betrieb<br />
Historische Slg. der DB AG<br />
Schöneweide – das Werk für Gleichstromtriebzüge<br />
Die „Hauptwerkstatt“<br />
Am 15. Oktober 1927 ging das Reichsbahnausbesserungswerk Schöneweide im Rahmen der<br />
„Großen Stadtbahn-Elektrisierung“ in Betrieb. Es war speziell für die neuen Gleichstromtrieb -<br />
züge konzipiert. Aber erst seit 1995 gehört es zur S-<strong>Bahn</strong> Berlin<br />
In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts<br />
fanden mehrere Versuche statt, den elektrischen<br />
Strom als Antriebsenergie für den<br />
<strong>Berliner</strong> Stadt-, Ring- und Vorortverkehr einzusetzen.<br />
Zur Ablösung des Dampfbetriebs im<br />
großen Rahmen kam es aber erst in den 20er-<br />
Jahren. Zunächst wurden die drei so genannten<br />
Nordstrecken nach Bernau (1924), Oranienburg<br />
(1925) und Velten (1927) auf<br />
750-V-Gleichstrom-Betrieb umgestellt. Zu jener<br />
Zeit waren auf den genannten Strecken<br />
rund 300 Fahrzeuge im Einsatz, die im<br />
Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) Tempelhof<br />
unterhalten wurden.<br />
Überlegungen, vorhandene Werke für die<br />
speziellen Anforderungen der elektrischen<br />
Triebwagenzüge umzurüsten, wurden verworfen.<br />
Ein Umbau dieser veralteten Werke<br />
wäre so teuer geworden wie ein Neubau, ohne<br />
dass man sie auf neuzeitliche Arbeitsverfahren<br />
hätte umrüsten können. Deshalb entschied<br />
man sich für einen Neubau auf der „grünen<br />
Wiese“ bei Niederschöneweide im Südosten<br />
Berlins. Das Werk sollte eine Kapazität für<br />
1.600 Wagen haben und wurde in zwei Bauabschnitten<br />
errichtet. Baubeginn war im August<br />
1926. Die Hallenfundamente wurden im<br />
Oktober/November 1926 gelegt. Die Stahlbaumontage<br />
der großen Richthalle folgte ab<br />
Januar 1927. Neben der Richthalle mit drei<br />
„Bändern“ zu je 24 Arbeitsständen entstanden<br />
eine Lackiererei, sowie Werkstätten unter anderem<br />
für Motoren, Drehgestelle, elektrische<br />
Apparate und ein Prüffeld, des weiteren Verwaltungs-<br />
und Sozialgebäude. Die Baukosten<br />
für den ersten Bauabschnitt für zunächst<br />
1.040 Fahrzeuge betrugen knapp 11 Millionen<br />
RM einschließlich Geländeerwerb und<br />
maschineller Ausrüstung. Am Eröffnungstag<br />
wurde dem Werk ein Zug der Bauart Bernau<br />
zur Untersuchung zugeführt.<br />
Weil das Werk mangels ausreichender Fahrzeuge<br />
anfangs gar nicht ausgelastet gewesen<br />
wäre, verlegte man die Elektromontage der<br />
neuen 1.276 Stadtbahnwagen dorthin. Damit<br />
sicherte man nicht nur die Auslastung von Anfang<br />
an, es konnten auch Erfahrungen mit den<br />
neuen Wagen gewonnen werden. Der erste<br />
Stadtbahnwagen traf am 31. Dezember 1927<br />
zur Montage im Werk ein.<br />
Ausweitung der Kapazitäten<br />
Bis weit in die 60er-Jahre hinein – lediglich zu<br />
Kriegszeiten gab es Ausnahmen – musste jeder<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Wagen einmal jährlich zur bahnamtlichen<br />
Untersuchung. Anfangs entsprach das einer<br />
Laufleistung von etwa 90.000 Kilometern.<br />
Es gab drei Instandhaltungsstufen, die immer<br />
die sicherheitsrelevanten Teile (z.B. Laufwerk,<br />
Bremsen, Elektrik) umfassten. Die Unterscheidungen<br />
bezogen sich auf die „Schönheitsreparaturen“<br />
im Innenraum und den Außenlack.<br />
Der ursprünglichen Planung entsprechend war<br />
das RAW in einem zweiten Bauabschnitt<br />
1930/31 für 5,5 Millionen RM auf eine Kapazität<br />
von 1.600 Fahrzeugen erweitert worden.<br />
60
Berlin-Schönweide<br />
OBEN Mit diesem Kran werden die Wagenkästen von den Drehgestellen abgehoben<br />
und auf die Arbeitsstände gesetzt. Die Hallenhöhe erlaubt die<br />
Bewegung über abgestellte Kästen hinweg (Bild von 2009) Manuel Jacob<br />
RECHTS Die Arbeit an S-<strong>Bahn</strong>-Wagen war in den 80er-Jahren eines von mehreren<br />
Aufgabengebieten in Schöneweide. Zu Ehren eines früheren DDR-<br />
Ministers für Arbeit und für Eisenbahnwesen trug das Werk damals den<br />
zusätzlichen Namen Roman Chwalek Carl-Ernst Zimmer/Histor. Slg. der DB AG<br />
IN KÜRZE<br />
WERK SCHÖNEWEIDE IN ZAHLEN<br />
Das letzte Meisterwerk Schöneweider Fahrzeugbaukunst ist die Panorama-S-<strong>Bahn</strong><br />
aus den 90er-Jahren. Das dreiteilige Fahrzeug ist durchgehend<br />
begehbar und vereinigt modernste Gestaltungstechnik mit<br />
der traditionellen Front und dem Antrieb des 477er Manuel Jacob<br />
Jahr Fahrzeuge 1 HU pro Jahr 2 Mitarbeiter<br />
1927 300 ca. 300 –<br />
1931 1.521 ca. 1.600 –<br />
1942 2.089 ca. 2.100 –<br />
1955 1.470 ca. 1.500 2.200<br />
1970 1.376 ca. 450 –<br />
1990 1.072 ca. 350 1.900<br />
1996 1.520 426 1.000<br />
2012 1.300 160 400<br />
Anmerkungen zur Tabelle<br />
1<br />
Um die Zahlen vergleichbar zu halten, gilt ab 1970 ein Viertelzug als<br />
zwei Fahrzeuge<br />
2<br />
Die Zahlen für die Hauptuntersuchung (HU) beziehen sich auf einzelne<br />
Fahrzeuge. Ältere Jahre geschätzt<br />
In den 30er-Jahren wurde das elektrifizierte<br />
Netz durch die wichtige Wannseebahn über<br />
Steglitz und Zehlendorf (1932), den Neubau des<br />
Nordsüd-S-<strong>Bahn</strong>-Tunnels (1936/39) sowie die<br />
Strecke von Anhalter <strong>Bahn</strong>hof nach Rangsdorf<br />
(1939/40) ergänzt. Hinzu kam ein allgemeiner<br />
Verkehrsanstieg, der sich im Zweiten Weltkrieg<br />
noch verstärkte. Dies führte Ende der 30er-Jahre<br />
zu einer weiteren Erweiterung des Werkes auf<br />
eine Kapazität von 2.000 Fahrzeugen.<br />
Der Neuanfang<br />
Den Krieg überstand das RAW (neue Schreibweise<br />
in der Nachkriegszeit: Raw) zwar ohne<br />
große Zerstörungen, jedoch wurde es durch die<br />
Rote Armee beschlagnahmt und demontiert.<br />
Deshalb war die Leistungsfähigkeit des Werkes<br />
sehr beschränkt, die Wiederherstellung kriegsbeschädigter<br />
Wagen musste weitgehend bei der<br />
Industrie geschehen. Das Raw gehörte seit seiner<br />
Eröffnung organisatorisch nicht zur S-<strong>Bahn</strong>,<br />
Zu DDR-Zeiten arbeitete das Werk an S-<strong>Bahn</strong>en<br />
und vielem mehr, bis hin zu Fahrscheinautomaten<br />
sondern zum Bereich Maschinenwirtschaft.<br />
Dies erleichterte nach dem Kriege die Vergabe<br />
von Aufträgen, die nicht mit der Instandhaltung<br />
von S-<strong>Bahn</strong>-Wagen zu tun hatten.<br />
Nach der Währungsreform vom Frühjahr<br />
1948 beschleunigte sich die Spaltung Berlins.<br />
Auch die <strong>Berliner</strong> Verkehrsbetriebe (BVG) wurden<br />
in eine Ost- und eine West-Verwaltung getrennt.<br />
Weil die Hauptwerkstätten für Straßenbahnen<br />
und U-<strong>Bahn</strong>en im Westsektor lagen,<br />
hätte die Ost-BVG für die dortige Wartung ihrer<br />
<strong>Bahn</strong>en Westgeld zahlen müssen, denn die BVG-<br />
West musste ihre Rechnungen für Material und<br />
Löhne ebenfalls in dieser Währung begleichen.<br />
So brauchte die BVG Ost eine neue Hauptwerkstatt<br />
und schloss im Herbst 1949 mit der<br />
Generaldirektion der Reichsbahn einen Vertrag<br />
über die monatliche Instandhaltung von 20 Straßenbahnwagen,<br />
zehn U-<strong>Bahn</strong>-Wagen, 80 Straßenbahn-Motoren<br />
und 20 U-<strong>Bahn</strong>-Motoren im<br />
Raw Schöneweide. Im Herbst 1950 wurde mit<br />
33.000 Stunden das Arbeitsvolumen von<br />
165 Vollzeitkräften für die BVG erbracht. Der<br />
Umfang an Aufgaben, die nicht auf die S-<strong>Bahn</strong><br />
bezogen waren, betrug in den 50er-Jahren 60 %.<br />
1950 bis 1953 übernahm das Raw die Generalreparatur<br />
von schätzungsweise 100 Maximum-<br />
Vierachsern der Straßenbahn, bevor 1959 die Rekonstruktion<br />
von fast 900 Zweiachsern begann,<br />
die bis 1975 andauerte. Nicht zuletzt wurden von<br />
1962 bis 1990 überzählige S-<strong>Bahn</strong>-Wagen zu insgesamt<br />
172 U-<strong>Bahn</strong>wagen des Typs E rekonstruiert,<br />
wobei es sich wie bei den Reko-Straßenbahnen<br />
weitgehend um Neubauten handelte.<br />
Aber auch für die Reichsbahn wurden über viele<br />
Jahre hinweg umfangreiche Aufgaben erledigt.<br />
• 1960–1962: Rekonstruktion von 595 Reisezugwagen<br />
• 1959–1968: Über 1.500 Motorwagen und<br />
Anhänger für Reichsbahn und Kohlegruben<br />
• 60er-Jahre: Bau von Bettungskantenpflügen<br />
und Rottenkraftwagen<br />
• Ab 1971: Einbau von jährlich 250 Elektroheizungen<br />
in Reisezugwagen<br />
• 80er-Jahre: Hunderte von Fahrscheinautomaten<br />
Typ MFA-D, sowie Wendezugeinrichtungen,<br />
Kühlgerüste, Luftheizgeräte<br />
u.v.a.m.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
61
Fahrzeuge und Technik<br />
OBEN Lageplan des<br />
Raw Schöneweide<br />
nach der Eröffnung<br />
1927. Die Züge wurden<br />
über die Gleise<br />
am oberen Gebäuderand<br />
zugeführt, nach<br />
der Überholung verließen<br />
sie das Werk<br />
über die unteren<br />
Gleise. Die Richthalle<br />
erstreckt sich<br />
zwischen diesen<br />
Gleisgruppen in der<br />
Gebäudemitte<br />
Slg. Manuel Jacob<br />
UNTEN Die Hauptwerkstatt<br />
verfügt über<br />
umfangreiche Gleisanlagen,<br />
auf denen<br />
Züge abgestellt werden<br />
können. Diesen<br />
Blick hat der Betrachter<br />
vom Probefahrtgleis<br />
aus<br />
Manuel Jacob<br />
Die S-<strong>Bahn</strong> hat unter dieser Belastung des<br />
Raw in den 50er-Jahren sehr gelitten. So musste<br />
sie auf die Fertigstellung beschädigter Fahrzeuge<br />
(z.B. Unfallwagen) teilweise länger als<br />
ein Jahr warten, was bei dem chronischen Wagenmangel<br />
vor dem Mauerbau sehr schmerzhaft<br />
war. S-<strong>Bahn</strong>-Chef Kittlaus hat sich über<br />
diese Zustände heftig beschwert. Dennoch begannen<br />
ab 1954 verschiedene Programme zur<br />
Ertüchtigung des S-<strong>Bahn</strong>-Fuhrparks, dessen<br />
älteste Wagen inzwischen um die 25 Jahre alt<br />
waren. Dabei wurden beispielsweise Führerstände<br />
erweitert, Inneneinrichtungen modernisiert,<br />
neue Drehgestelle eingebaut oder die<br />
elektrische Steuerung modernisiert.<br />
Das Raw arbeitete gemeinsam mit den<br />
Fachleuten der S-<strong>Bahn</strong> auch immer daran, den<br />
Materialeinsatz und Personalaufwand zu optimieren.<br />
Ende der 60er-Jahre wurde die Instandhaltungstechnologie<br />
völlig umgestellt.<br />
Im Ergebnis mussten die Fahrzeuge anstatt<br />
jährlich nur noch alle drei Jahre bzw. nach einer<br />
Laufleistung von maximal 330.000 Kilometern<br />
– je nachdem, was zuerst eintrat – zur<br />
Hauptuntersuchung. Wie schon in den 30er-<br />
Jahren gab es drei verschiedene Schadgruppen,<br />
Mitte der 90er-Jahre wurde das Werk Schöneweide<br />
umfassend saniert und modernisiert<br />
die sich so abwechselten, dass daraus ein zwölfjähriger<br />
Turnus entstand.<br />
Die Zeit ab 1990<br />
1992, nach der Wende, kam es im Raw Schöneweide<br />
zum wohl größten Umbruch der<br />
Werksgeschichte. Die Instandhaltung von<br />
Straßenbahnen und U-<strong>Bahn</strong>en der (Ost-)<strong>Berliner</strong><br />
Verkehrsbetriebe (BVB) endete, weil die<br />
wiedervereinigte BVG dies selber wahrnahm<br />
oder an Dritte vergab. Mit der Instandhaltung<br />
der Baureihe 480 zog westliche Fahrzeugtechnik<br />
ins Raw ein. Mitte der 90er-Jahre wurde<br />
das Werk umfassend saniert und modernisiert.<br />
Mit Gründung der S-<strong>Bahn</strong> Berlin GmbH<br />
1995 kam das Raw als „Hauptwerkstatt“ unmittelbar<br />
zur S-<strong>Bahn</strong>. 1997 begann mit der<br />
Auslieferung der ersten von 500 Viertelzügen<br />
der neuen Baureihe 481 der Generationswechsel<br />
der Flotte. Folgerichtig endeten die<br />
Untersuchungen der 475er 1997, der 476er<br />
1999 und der 477er 2001. Im November<br />
2003 wurden die letzten Altbauzüge in Erkner<br />
feierlich verabschiedet.<br />
Aktuelles und Ausblick<br />
Durch die Verjüngung des Fuhrparks haben<br />
sich die Arbeitsinhalte wesentlich verändert.<br />
War bei den Altbauzügen Handarbeit bei der<br />
Teileaufarbeitung und Holzbearbeitung bei<br />
der Inneneinrichtung gefragt, so stehen jetzt<br />
mehr Kunststoff, mehr Zulieferung und Austausch<br />
von Komponenten und weniger Eigenleistung<br />
auf dem Programm. Die Eisenbahn-Betriebsordnung<br />
(EBO) schreibt die<br />
Hauptuntersuchung von Eisenbahn-Fahrzeugen<br />
nach längstens acht Jahren vor. Da kommen<br />
beim aktuellen Bestand von 650 Viertelzügen<br />
jährlich nur noch etwa 80 Viertelzüge<br />
zur Hauptuntersuchung. All dies bedeutet weniger<br />
Arbeitsvolumen, was die Belegschaft in<br />
den letzten 20 Jahren drastisch verringerte.<br />
Die Zukunft des S-<strong>Bahn</strong>-Werkes Schöneweide<br />
über den 90. Geburtstag im Jahr 2017<br />
hinaus ist unsicher, weil zu diesem Zeitpunkt<br />
ein Drittel des S-<strong>Bahn</strong>-Netzes ausgeschrieben<br />
wird. Der Gewinner soll neue Fahrzeuge beschaffen<br />
und auch warten. Manuel Jacob<br />
62
Neues Zugsicherungssystem<br />
Am 24. Oktober 2011 wurde der Abschnitt<br />
zwischen Schönholz und Frohnau<br />
im Nordwesten Berlins (Linie S 1)<br />
auf Sicherungstechnik durch ein elektronisches<br />
Stellwerk umgestellt. Dabei wird erstmals<br />
im <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Netz auf die mechanische<br />
Fahrsperre verzichtet und das neuartige<br />
„Zugsicherungssystem <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong><br />
(ZBS)“ angewendet. Damit begann einmal<br />
mehr eine Abkehr von Einrichtungen, die aus<br />
der Zeit der Elektrifizierung um das Jahr 1930<br />
stammen.<br />
Im ZBS-Pilotprojekt wurde ab dem Jahr 2000 auch der <strong>Bahn</strong>hof Herrmannstraße mit dem neuen<br />
Zugsicherungssystem ausgestattet. Die Versuchsanordnung enthält sowohl die elektronische<br />
Bauform mit Balisen – den gelben Bauteilen in Gleismitte – als auch den mechanischen<br />
Vorgänger, den Fahrsperrenanschlag – die weiß lackierte mechanische Sperre rechts neben<br />
dem Gleis, unten am Signalfuß<br />
Manuel Jacob<br />
Das „Zugsicherungssystem <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>“ (ZBS)<br />
Lückenlose<br />
Überwachung<br />
Mehr Informationen, frühzeitige Kontrolle: Das sind die Vorteile<br />
des elektronischen Zugbeeinflussungssystems, das seit<br />
Herbst 2011 auf der S 1 im <strong>Berliner</strong> Nordwesten in Betrieb<br />
ist. In den nächsten Jahren soll es im gesamten S-<strong>Bahn</strong>-Netz<br />
die mechanischen Fahrsperren aus der Anfangszeit ersetzen<br />
Die Vorgeschichte<br />
Bis in die 20er-Jahre boten die Signale der<br />
Stadt-, Ring und Vorortbahnen nicht die<br />
Möglichkeit, einen Zug selbsttätig zu stoppen,<br />
wenn dieser ein Haltsignal überfuhr. Ein zeitgenössischer<br />
Bericht in einer Fachzeitschrift<br />
beschreibt die Situation auf der Stadtbahn, als<br />
hier noch Dampfloks die Züge führten: „Die<br />
Zugfolgezeit auf der Stadtbahn beträgt heute<br />
fahrplanmäßig zweieinhalb Minuten, verringert<br />
sich aber wegen der unvermeidlichen<br />
Schwankungen zeitweise bis auf etwa zwei Minuten.<br />
Die Folge davon ist, dass dann der Lokomotivführer<br />
sehr häufig das Vorsignal in<br />
Warnstellung findet und auch auf das Hauptsignal<br />
noch mit reichlich großer Geschwindigkeit<br />
anfährt, das – wie ihn vielfältige Erfahrung<br />
gelehrt hat – gewöhnlich noch im<br />
letzten Augenblick frei wird. Täte er das nicht,<br />
so würden die Verzögerungen wohl noch mehr<br />
wachsen. Muss der Lokführer aber schließlich<br />
doch noch halten, so besteht Gefahr, dass er<br />
über das Signal hinausrutscht.“<br />
Die höhere Geschwindigkeit der elektrischen<br />
Züge, ihre größere Beschleunigung sowie<br />
die gesteigerte Anzahl der Züge machten<br />
den sicheren, rechtzeitigen Stopp vor einem<br />
Haltsignal zum dringenden Gebot. Ausschlaggebend<br />
für die mechanische Fahrsperre<br />
waren ihre sichere Wirkungsweise und die<br />
technische Ausgereiftheit, obwohl andere,<br />
fortschrittlichere Methoden, wie die heute<br />
noch bei der <strong>Bahn</strong> verwendete Induktive<br />
Zugsicherung (Indusi) schon in der Entwicklung<br />
waren. Der Prototyp eines Streckenanschlages<br />
wurde der Presse Ende Juni 1926 im<br />
<strong>Bahn</strong>hof Blankenburg vorgestellt. Weil dieser<br />
<strong>Bahn</strong>hof an der Strecke nach Bernau liegt,<br />
nennt man diese Einrichtung auch „Bernauer<br />
Fahrsperre“.<br />
Die „Bernauer Fahrsperre“<br />
Sie funktioniert – vereinfacht dargestellt – folgendermaßen:<br />
Ein an jedem Signal befindlicher,<br />
weiß gestrichener Sperrbalken ist bei freier<br />
Fahrt nach hinten weggeklappt und wird<br />
vom Fahrsperrenauslösehebel eines vorbeifahrenden<br />
Zuges nicht berührt. Nimmt das Signal<br />
die Haltstellung ein, dann bewegt sich dieser<br />
Anschlag nach vorn, dem Drehgestell<br />
vorbeifahrender Triebwagen entgegen. Der am<br />
ersten Drehgestell eines Zuges befindliche<br />
Auslösehebel würde bei dessen Vorbeifahrt<br />
nach hinten weggedrückt werden, wodurch<br />
der Fahrstrom unterbrochen und die Zwangsbremsung<br />
ausgelöst wird. Ein hinter dem Sig-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013 63
Fahrzeuge und Technik<br />
ist sie schon vor Jahrzehnten durch die bei der<br />
„großen“ Eisenbahn übliche Indusi (allerdings<br />
mit einer besonderen S-<strong>Bahn</strong>-Steuerung) abgelöst<br />
worden.<br />
Stau von Zügen am <strong>Bahn</strong>hof Warschauer Straße. Wegen der kurzen Signalabstände (links)<br />
zeigt das Signal den Begriff Hl 12a – Geschwindigkeit 40 km/h ermäßigen, Halt erwarten.<br />
Verkürzte Schutzstrecken hinter den Signalen sind auf diese Tempoermäßigung abgestimmt.<br />
Bei Nichtbeachtung des Halt zeigenden Signals am <strong>Bahn</strong>steiganfang in Verbindung mit überhöhter<br />
Geschwindigkeit wäre eine Auffahrt wahrscheinlich<br />
Manuel Jacob<br />
Die Balise<br />
Die Informationen zwischen Signal und Zug<br />
übermitteln so genannte Balisen, im Gleis angebrachte<br />
Funk-Kommunikationsgeräte. Im<br />
Gegensatz zur Indusi, die nur Informationen<br />
über drei verschiedene Betriebszustände übermitteln<br />
kann, lässt sich über die Balise eine wesentlich<br />
größere Anzahl Informationen in<br />
Form von Telegrammen an den Zug weitergeben.<br />
Damit ist auch eine nahezu lückenlose<br />
Geschwindigkeitsüberwachung möglich.<br />
Zu jedem Signal gehören zwei Balisen, die<br />
mittig zwischen den Schienen montiert sind.<br />
Die erste ist eine so genannte Festdatenbalise,<br />
die als Ortsmarke dient. Sie ist mit einem<br />
gleich bleibenden Datentelegramm programmiert<br />
und knapp drei Meter vor der zweiten,<br />
„gesteuerten“ Balise (Infomationsbalise) montiert.<br />
Durch diese Anordnung ist sichergestellt,<br />
dass ein Zug stets nur auf die „richtigen“ Informationen<br />
– nämlich die, seine Fahrtrichtung<br />
betreffen – reagiert.<br />
Die erforderlichen Informationen werden<br />
vom betreffenden Signal aus den Lampenstromkreisen<br />
abgegriffen und über eine spezielle<br />
Steuereinheit (LEU = lineside electronic<br />
unit) der jeweiligen Informationsbalise<br />
zugeführt. Das Triebfahrzeug sendet über eine<br />
unter dem Wagenboden befestigte Antenne<br />
elektrische Signale. Diese werden von der im<br />
Gleis montierten Balise empfangen und mit<br />
dem aktuell gültigen Telegramm (Signalinformation)<br />
zur Zugantenne reflektiert. Die Datenübertragung<br />
erfolgt berührungslos, auch<br />
bei hohen Geschwindigkeiten des Fernverkehrs<br />
oder wenn die Balise verdeckt ist, beispielsweise<br />
durch Schnee.<br />
Auf der 1929 eröffneten Siemensbahn wurden<br />
auch Gleissperrsignale mit Fahrsperrenanschlägen<br />
ausgerüstet. Der Antrieb geschah<br />
hier über eine starre mechanische<br />
Kupplung mit dem Signal Slg. Manuel Jacob<br />
Der Prototyp der mechanischen Fahrsperre<br />
wurde der Öffentlichkeit 1926 im <strong>Bahn</strong>hof<br />
Blankenburg vorgestellt Slg. Manuel Jacob<br />
nal vorhandener Sicherheitsabstand – die<br />
„Schutzstrecke“ – sorgt dafür, dass der Zug vor<br />
dem Hindernis zum Stillstand kommt. Die<br />
Länge der Schutzstrecke hängt von der örtlich<br />
zugelassenen Geschwindigkeit ab.<br />
Die Fahrsperreneinrichtung ist trotz ihres<br />
hohen Alters zuverlässig und sicher, dennoch<br />
hat sie erhebliche Nachteile. So ist der laufende<br />
Wartungs- und Einstellungsaufwand sehr<br />
hoch. Weiterhin lassen sich im Prinzip nur die<br />
Zustände „Signal frei“ oder „Halt“, in der Regel<br />
jedoch nicht die Vorsignalisierung oder die<br />
Einhaltung des vorgeschriebenen Tempos<br />
überwachen. Und das Signal darf erst in<br />
Fahrtstellung gehen, wenn der Fahrsperrenanschlag<br />
vollständig in die Freilage gekommen<br />
ist. Wegen seines Sekunden dauernden Umlaufes<br />
sind in elektronischen Stellwerken zusätzliche<br />
Schaltungen erforderlich, die die<br />
Freigabe des Signals verzögern.<br />
Aus diesen Gründen steht der Ersatz durch<br />
zeitgemäße Technik schon seit fast 20 Jahren<br />
auf der Agenda. Auch bei der Hamburger<br />
S-<strong>Bahn</strong> gab es die Bernauer Fahrsperre. Hier<br />
Das System ZBS<br />
Wie die Abkürzung ZBS („Zugbeeinflussungssystem“)<br />
schon ausdrückt, handelt es<br />
sich hierbei um ein ganzes System, das sowohl<br />
die Beachtung der Signale als auch die Einhaltung<br />
der örtlich zulässigen Streckengeschwindigkeit<br />
überwacht und die Fahrt des<br />
Zuges nötigenfalls beeinflusst. Alle ZBS-<br />
Signale (Haupt-, Vor-, Zwischen-, Rangiersignale<br />
sowie Vorsignalwiederholer) stellen so<br />
genannte Datenpunkte dar, deren Informationen<br />
durch die Balisen an den Zug übermittelt<br />
werden.<br />
Durch die Zuweisung von Datenpunkten<br />
auch an Vor-, Zwischen- und Rangiersignalen<br />
sowie an Vorsignalwiederholern wird der Zug<br />
Seit fast 20 Jahren steht der Ersatz der Bernauer<br />
Fahrsperre an. Jetzt beginnt die Umrüstung mit ZBS<br />
viel engmaschiger überwacht, als das bisher<br />
der Fall ist. Somit wird bereits beim Überfahren<br />
eines „Halt erwarten“ oder eine Geschwindigkeitsermäßigung<br />
anzeigenden Vor-<br />
64
Neues Zugsicherungssystem<br />
signals überwacht, ob der Triebfahrzeugführer<br />
eine angemessene Temporeduzierung einleitet.<br />
Die Nichtbeachtung Halt zeigender Signale<br />
hatte, zusammen mit überhöhtem Tempo, in<br />
den Jahren 2001 und 2002 in den Stationen<br />
Ostkreuz und Hackescher Markt zu Auffahrunfällen<br />
geführt.<br />
Abgleich von Soll- und Istdaten<br />
Um diese engmaschige Zugüberwachung zu<br />
erreichen, muss auch das Zugsystem über umfangreiche<br />
Informationen verfügen. Dazu gehört,<br />
stark vereinfacht gesagt, ein systemseitig<br />
hinterlegtes Fahrtprofil, welches die Soll-Fahrtdaten<br />
(Geschwindigkeiten, Weglängen und<br />
Bremskurven) enthält und diese mit den Ist-<br />
Fahrtdaten ständig abgleicht. So „weiß“ der<br />
Zug stets nahezu metergenau, an welcher Stelle<br />
er sich befindet. Zur ZBS-Fahrzeugeinrichtung<br />
gehören unter anderem Balisen-Antenne,<br />
Wegimpulsgeber, Radarsensor, Anzeige- und<br />
Bediengerät, verschiedene Taster und Schalter<br />
sowie das Fahrzeuggerät Zub242t (Siemens).<br />
Kernaufgaben dieser Komponenten sind das<br />
Ermitteln der Fahrtdaten und deren Abgleich<br />
mit den systemseitig hinterlegten Geschwindigkeitsprofilen.<br />
Diese werden durch die aktuell<br />
vorliegenden Signalinformationen, welche<br />
über die Balisen übermittelt werden, je<br />
nach Betriebszustand aktualisiert. Dadurch<br />
wird eine mögliche Gefährdungssituation<br />
nicht erst beim Überfahren eines Halt zeigenden<br />
Signals erkannt, sondern bereits beim<br />
Überschreiten einer örtlich zulässigen Geschwindigkeit<br />
oder dem Nicht-Einhalten der<br />
Bremskurve. Dies führt zu einer akustischen<br />
Warnung des Triebfahrzeugführers sowie nötigenfalls<br />
zur Zwangsbremsung des Zuges.<br />
Hierbei wird zwischen dynamischer und statischer<br />
Zwangsbremsung unterschieden. Liegt<br />
eine Überschreitung der Streckengeschwindigkeit<br />
vor, dann reduziert eine dynamische<br />
Zwangsbremsung das Tempo, bis die zulässige<br />
Geschwindigkeit erreicht ist. Beim Überfahren<br />
eines Haltsignals bringt eine statische Zwangsbremsung<br />
den Zug zum Stillstand.<br />
Im Gegensatz zur klassischen punktförmigen<br />
Zugbeeinflussung (PZB) im deutschen<br />
<strong>Bahn</strong>netz ist es beim ZBS nicht erforderlich,<br />
dass der Triebfahrzeugführer bestimmte Signalstellungen<br />
durch Drücken einer Wachsamkeitstaste<br />
quittiert. Bei Signalabständen<br />
im <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Netz bis herab zu 80 Metern<br />
hätte diese Anforderung ein ungewolltes<br />
Bedienrisiko bedeutet.<br />
Etappenweise Einführung<br />
Siemens führte in den Jahren 1995/96 bei der<br />
<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> einen Versuch zur Signalbildübertragung<br />
mit der völlig neuen Balisentechnik<br />
an drei Signalen im <strong>Bahn</strong>hof Bundesplatz<br />
durch. Hier wurde die prinzipielle Systemtauglichkeit<br />
nachgewiesen. Für das ZBS begann<br />
ein Pilotprojekt im Sommer 2000 zwischen<br />
Treptower Park / Köllnische Heide und Hermannstraße.<br />
Dabei hat das System seine Funktionalität<br />
bewiesen.<br />
Die netzweite Umstellung auf das neue System<br />
unter laufendem Betrieb ist qualitativ,<br />
Dieses grundsätzliche Wirkschema zeigt beispielhaft die Informationen, die von der Balise an<br />
den Zug übermittelt werden<br />
Zeichnung: Manuel Jacob<br />
Auch Vorsignale haben Balisen, um die Bremseinleitung<br />
schon vor Erreichen des Haltsignals<br />
zu überwachen. Die Balise vorn aktiviert die Datenaufnahme<br />
nur für Züge auf dem linken Gleis<br />
quantitativ und wirtschaftlich eine große Herausforderung.<br />
Es sind 500 Fahrzeuge nachzurüsten<br />
und 331 Streckenkilometer mit<br />
derzeit rund 1.500 mechanischen Streckenanschlägen<br />
umzustellen. Für den Betrieb auf<br />
der Linie S 1 wurden bisher ca. 100 Viertelzüge<br />
der Baureihe 481 für das ZBS nachgerüstet.<br />
Nach jetzigem Planungsstand wird die Ausrüstung<br />
des gesamten <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Netzes<br />
einen Zeitraum von deutlich mehr als acht<br />
Jahren erfordern. Übergangsweise ist es möglich,<br />
Teilstrecken mit ZBS auszurüsten und<br />
gleichzeitig die alte Fahrsperre beizubehalten.<br />
Somit könnten Fahrzeuge, die noch nicht umgerüstet<br />
sind, auch ZBS-Strecken befahren.<br />
Als nächstes ist für 2013 vorgesehen, den Streckenabschnitt<br />
Priesterweg bis Teltow Stadt<br />
(Linie S 25) im Süden der Stadt umzustellen.<br />
Manuel Jacob<br />
Einen ungewohnten Anblick für <strong>Berliner</strong> Verhältnisse<br />
bietet dieses Signal im <strong>Bahn</strong>hof<br />
Wittenau ohne den üblichen Fahrsperrenanschlag<br />
Manuel Jacob (2)<br />
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www.bahn-extra.de/abo<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
65
Fahrzeuge und Technik<br />
Die Fahrstromversorgung der S-<strong>Bahn</strong>-Züge<br />
Die dritte Schiene<br />
Noch vor der Fernbahn wurden die Stadt-, Ring- und Vorortbahnen Berlins flächendeckend elektrifiziert.<br />
Und zwar mit einem eigenen Stromsystem und eigener Form der Stromübertragung<br />
Oft kam es vor, dass nicht elektrifizierte<br />
Fernbahn und Vorortbahn in Berlin<br />
nebeneinander verliefen. Wenn<br />
dann Auswärtige herausfinden wollten, welches<br />
Gleis wofür diente, hatten sie eine einfache<br />
Möglichkeit. Die Gleise mit der „dritten<br />
Schiene“ nebendran gehörten zur S-<strong>Bahn</strong>.<br />
Diese „Schiene“ führt den Strom und wird<br />
von jedem S-<strong>Bahn</strong>-Triebzug mit einem seitlich<br />
montierten Abnehmer bestrichen. Auf diese<br />
Art und Weise erhält er den 750-Volt-Gleichstrom<br />
für den Fahrbetrieb.<br />
Vom Kraftwerk zur Stromschiene<br />
Doch der Reihe nach. Im Kraftwerk wird<br />
Drehstrom mit 110.000 Volt produziert, den<br />
Transformatoren zu 30.000-Volt-Drehstrom<br />
für das <strong>Bahn</strong>stromnetz um wandeln. Gleichrichter<br />
formen den 30.000-Volt-Drehstrom in<br />
Gleichstrom mit einer Nennspannung von<br />
750 Volt um – den Fahrstrom der S-<strong>Bahn</strong>. Er<br />
gelangt über eine aus Gleichrichter und Transformator<br />
bestehende Gleichrichteranlage zur<br />
Gleichstrom-Schaltanlage und von dort in die<br />
erwähnte Stromschiene. Der Rückstrom fließt<br />
über die Räder des S-<strong>Bahn</strong>-Fahrzeugs in die<br />
Fahrschiene und von dort mit Hilfe spezieller<br />
Kabelverbindungen zurück zur Gleichrichteranlage,<br />
die auch als Unterwerk bezeichnet<br />
wird. Unterwerke sind auf den<br />
Strecken im Abstand von etwa vier Kilometern<br />
vorhanden und bilden eigene Stromkreise. Bei<br />
der 750-Volt-Gleichspannung handelt es sich<br />
um eine genormte Nennspannung. Die bei<br />
der S-<strong>Bahn</strong> üblichen 800 Volt entstehen durch<br />
das ständige Transformieren und Umformen.<br />
Dies heißt in der Praxis Kennwert.<br />
An <strong>Bahn</strong>übergängen und Weichenstraßen<br />
sind keine Stromschienen vorhanden. Da aber<br />
jeder S-<strong>Bahn</strong>-Wagen über zwei Stromabnehmer<br />
an den Drehstellen verfügt und die kleinste<br />
betriebliche Einheit aus einem Viertelzug<br />
Sichere Stromaufnahme<br />
dank der Zuglänge<br />
(Baureihe 480) bzw. Halbzug (übrige Baureihen)<br />
besteht, ist durch die Länge der Züge<br />
stets der Kontakt eines Stromabnehmers mit<br />
der Stromschiene gewährleistet. Die Stromschiene<br />
wird von den Stromabnehmern von<br />
unten bestrichen. Oberhalb ist sie durch eine<br />
Schutzabdeckung (früher Holz, heute meist<br />
Plastik) gesichert. W.-D. Machel/GM<br />
Das Prinzip der Stromübertragung bei der <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> mit Stromschiene (rechts) und<br />
Stromabnehmer des Fahrzeugs<br />
AEG/Slg. Oliver Strüber<br />
Die Ausnahme: Als Reparationsgut wurden<br />
einige S-<strong>Bahn</strong>-Züge nach 1945 in die Sowjetunion<br />
transportiert und fuhren einige Jahre<br />
im Raum Kiew – aber mit Oberleitung und<br />
Dachstromabnehmern Slg. Johannes Glöckner<br />
66
Einen Einblick in den S-<strong>Bahn</strong>-Alltag von früher bietet das S-<strong>Bahn</strong>-Museum im Umspannwerk<br />
am <strong>Bahn</strong>hof Griebnitzsee (o.r.). Zu sehen sind Stellwerkstechnik, Fahrkarten, Zugverkehrsbeispiele<br />
der Teilungszeit und vieles mehr (o., u.r.) S-<strong>Bahn</strong>-Museum Berlin (3)<br />
Das S-<strong>Bahn</strong>-Museum Griebnitzsee<br />
Die S-<strong>Bahn</strong> von damals<br />
Die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong> ist ein Spiegelbild der Stadtgeschichte. Das kann man detailliert<br />
und mit viel Lokalkolorit erleben: im S-<strong>Bahn</strong>-Museum im S-<strong>Bahn</strong>hof Griebnitzsee<br />
Anfang der 80er-Jahre interessierte sich<br />
im Westteil der Stadt kaum jemand für<br />
die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>. Ihre <strong>Bahn</strong>höfe glichen<br />
vielfach Stationen der Kaiserzeit: gusseiserne<br />
Stützen, Jugendstilelemente, bejahrtes<br />
Emaille. Die Züge rumpelten, die<br />
Elektromotoren röhrten, darüber lag eine<br />
Schicht aus Krieg und DDR ... Mit der<br />
S-<strong>Bahn</strong> fahren war eine Zeitreise.<br />
Sich in West-Berlin für die S-<strong>Bahn</strong> einzusetzen,<br />
war damals unfein. Wer für die S-<strong>Bahn</strong><br />
sprach, galt rasch als Nostalgiker, als idealistischer<br />
Umweltschützer oder, schlimmer noch,<br />
Zwei Vereine tragen das<br />
Museum – ehrenamtlich<br />
als DDR-Agent. Einer tat es aber doch: der <strong>Berliner</strong><br />
Fahrgastverband IGEB e.V. Die überparteiliche<br />
Initiative aus Stadt- und Verkehrsplanern,<br />
Eisenbahnern und vor allem Benutzern<br />
des öffentlichen Nahverkehrs war einer der aktivsten<br />
Gruppen für eine Zukunft der S-<strong>Bahn</strong><br />
und gab wichtige Anstöße zur Diskussion.<br />
Nach der Übernahme der S-<strong>Bahn</strong> durch die<br />
BVG 1984 fiel dem IGEB bald noch eine zweite<br />
Rolle zu. Durch Kontakte zu den Planungsund<br />
Bauinstitutionen bekamen die Mitglieder<br />
viel von alten, inzwischen entbehrlichen S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Gegenständen mit: Schildern, Bänken, Signaltechnik.<br />
Nach dem Mauerfall setzte sich das beschleunigt<br />
fort. Das Technikmuseum in Berlin,<br />
heute Deutsches Technikmuseum, fand dafür<br />
keinen Platz. So kam schon 1989 die Idee auf,<br />
ein S-<strong>Bahn</strong>-Museum aufzubauen. Es sollte<br />
• Technik- und Gesellschaftsgeschichte vermitteln,<br />
• die Bedeutung der S-<strong>Bahn</strong> für Ost und West<br />
dokumentieren,<br />
• Hobbyhistorikern einen Anlaufpunkt bieten<br />
und<br />
• für die S-<strong>Bahn</strong> als Verkehrsmittel werben.<br />
Alles außer Fahrzeuge<br />
Der Anfang war gemacht, 1996 öffnete das<br />
ehrenamtlich betriebene Museum seine Pforten.<br />
Als Träger fungieren zwei Vereine, neben<br />
dem IGEB der Deutsche <strong>Bahn</strong>kundenverband<br />
DBV e.V. Unterstützung leistet die Deutsche<br />
<strong>Bahn</strong> AG; sie stellt die Räume im S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Umspannwerk Griebnitzsee in Potsdam zur<br />
Verfügung. Auf rund 500 Quadratmetern Fläche<br />
zeigt das Museum „alles – außer Fahrzeuge“.<br />
Für diese ist kein Platz. Folglich kann man<br />
sie hier nur als Modell (auch in 1:1), auf Fotos<br />
und Zeichnungen sehen.<br />
Daneben widmet sich das Museum mit seinen<br />
wechselnd zusammengestellten Exponaten einem<br />
breiten Themenspektrum der S-<strong>Bahn</strong>:<br />
der Geschichte und Netzentwicklung, den<br />
<strong>Bahn</strong>höfen, den Eisenbahnern, den Tarifen<br />
und Fahrkarten, der Signaltechnik und Stromversorgung.<br />
Ziel ist es, die Technik nach Möglichkeit<br />
vorzuführen; anfassen ist ausdrücklich<br />
erlaubt. Schließlich sollen die Besucher die<br />
S-<strong>Bahn</strong> begreifen – und so bald wie möglich<br />
ins Herz schließen. Udo Dittfurth/GM<br />
IN KÜRZE:<br />
S-<strong>BAHN</strong>-MUSEUM GRIEBNITZSEE<br />
Standort: S-<strong>Bahn</strong>hof Griebnitzsee (S 7) im<br />
Umspannwerk;<br />
vom <strong>Bahn</strong>hof auf der Seeseite<br />
100 Meter nach rechts.<br />
Adresse: Rudolf-Breitscheid-Straße 203,<br />
14482 Potsdam.<br />
Öffnungszeiten: in der Regel April – November<br />
am zweiten Wochenende, samstags/<br />
sonntags 11:00 – 17:00 Uhr.<br />
Eintritt: Erwachsene 2 Euro,<br />
Kinder bis 16 Jahre 1 Euro.<br />
Kontakt: www.s-bahn-museum.de und<br />
info@s-bahn-museum.de<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
67
Bilderbogen<br />
Monatskarte 3. Klasse<br />
aus dem Jahr 1904<br />
Fahrkarte von 1912, auch<br />
im Edmondson-Format, für<br />
die 2. Klasse (grün)<br />
Monatskarte 2. Klasse<br />
(daher grün) von 1913<br />
Schülermonatskarte von<br />
1922 mit Ringbahn-<br />
Symbol (rechts oben)<br />
Fahrkarten im Vorort- und S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr<br />
Edmondson und mehr<br />
Der Vorortverkehr in Berlin erlebte die Elektrifizierung und den Übergang zur S-<strong>Bahn</strong>,<br />
den Krieg und die Teilung der Stadt. Und oft lösten die Kunden Edmondson’sche<br />
Pappfahrkarten, wenn sie die Züge nehmen wollten. Erst spät änderten sich Format und<br />
Aufmachung der kleinen Fahrausweise. Ein Streifzug<br />
Buchstaben markieren<br />
noch den Weg auf dieser<br />
Fahrkarte um 1935<br />
Fahrschein von 1942 für die<br />
U-<strong>Bahn</strong> mit Umstieg zur S-<strong>Bahn</strong>,<br />
lange vor Verbundtarifen<br />
Rückseite einer Zeitkarte<br />
von 1924 mit Detailinformationen<br />
Umsteigefahrschein zur<br />
S-<strong>Bahn</strong> aus dem Jahr<br />
1959, verkauft in der<br />
Ost-<strong>Berliner</strong> Linie 69E<br />
Eine Zehnerkarte in<br />
Reichsmark – mit dieser<br />
Währung gab es sie<br />
bis 1948 Slg. M. Jacob<br />
Kleingärtner-Fahrkarte für<br />
S- und Reichsbahn von 1962<br />
68
Fahrkarten<br />
Dekadenkarte von 1963,<br />
verkauft in West-Berlin<br />
Auch für den Fahrradtransport<br />
gab es<br />
eigene Fahrkarten<br />
Eine weitere Besonderheit:<br />
die Touristenfahrkarte<br />
Der BVG-Sonderfahrschein<br />
listet<br />
auf der Rückseite<br />
auch die Daten der<br />
Streckenwiedereröffnungen<br />
1984/<br />
1985 auf<br />
Noch eine Sonderfahrkarte,<br />
hier vom<br />
Jahr 2000 für die<br />
Panorama-S-<strong>Bahn</strong><br />
Fahrkarten, wenn nicht anders angegeben: Slg. Franz Luft<br />
Zwei Fahrscheine einer Sammelkarte<br />
von 1988 im klassischen Format<br />
der Entwerterfahrscheine der Verkehrsbetriebe<br />
in der DDR<br />
Automatenfahrkarte von 1990/91<br />
mit Sondertarif für DDR-Bürger<br />
Aktueller VBB-Verbundfahrschein, gedruckt<br />
auf Thermopapier Slg. V. Heller<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
69
Strecken und Stationen<br />
Der Umbau des <strong>Bahn</strong>hofs Ostkreuz<br />
Die große Baustelle<br />
Er ist einer der bedeutendsten Umsteigeknoten im <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Netz, aber daran schien der<br />
<strong>Bahn</strong>hof Ostkreuz lange Zeit schwer zu tragen. Noch in den 90er-Jahren wirkte er recht marode.<br />
Umfangreiche Bauarbeiten geben der Station nun neuen Glanz; sie laufen bis 2016<br />
70
Der <strong>Bahn</strong>hof Ostkreuz<br />
OBEN RECHTS So sieht<br />
die Streckenführung<br />
Ostbahnhof – Rummelsburg<br />
nach Abschluss<br />
der Modernisierung<br />
2016 aus.<br />
Die Arbeiten im <strong>Bahn</strong>hof<br />
Ostkreuz zählen<br />
dabei zu den wichtigsten<br />
Maßnahmen<br />
Deutsche <strong>Bahn</strong> AG<br />
LINKS Der <strong>Bahn</strong>hof<br />
Ostkreuz noch vor<br />
dem Umbau, im Juli<br />
1994: Ein Zug der<br />
S 6 Zeuthen – Warschauer<br />
Straße hält<br />
an <strong>Bahn</strong>steig A in der<br />
Südkurve, hinten das<br />
Wahrzeichen Wasserturm.<br />
Damals wirkte<br />
die Station morbide<br />
und heruntergekommen,<br />
aber die Planungen<br />
für die Moder -<br />
nisierung liefen schon<br />
Konrad Koschinski<br />
Ostkreuz ist einer der wichtigsten Umsteigepunkte<br />
im <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Netz. Nach dem Krieg konnte erst<br />
1959 ernsthaft an den notwendigen Umbau<br />
gedacht werden, denn die Brücken waren verrostet,<br />
die historischen Bauwerke überaltert;<br />
diese wiesen zudem Setzungserscheinungen<br />
auf. Bereits damals wollte man auf der Stadtbahn-Ebene<br />
und auf der Ringbahn an den<br />
Ferngleisen jeweils <strong>Bahn</strong>steige anlegen, damit<br />
dort eine „Fern-S-<strong>Bahn</strong>“ (heute als Regionalverkehr<br />
bezeichnet) halten kann, um auch zur<br />
S-<strong>Bahn</strong> umsteigen zu können. Doch es blieb<br />
bei der Absicht …<br />
Blick auf die Ringbahn-Baustelle in Ostkreuz im Mai 2009: Die Gleis- und <strong>Bahn</strong>steigbrücken<br />
sind montiert, die Straßenbrücken (links im Hintergrund) warten auf den Einbau Bernd Kuhlmann<br />
Der geplante Umbau dieses Knotens wurde<br />
immer wieder verschoben. Bereits 1970 mussten<br />
Hilfsbrücken in die Ringgütergleise eingebaut<br />
werden, weil sich die Fundamente und<br />
Widerlager gesenkt hatten. Am 14. Dezember<br />
2003 wurden die Ringgütergleise wegen Baufälligkeit<br />
der Brücken gesperrt (der Anschluss<br />
Osthafen konnte weiterhin bedient werden).<br />
Nach der deutschen Einheit erhielten die Pläne<br />
nicht nur Auftrieb, sondern besonderes Gewicht:<br />
Der <strong>Berliner</strong> Senat wünschte im Sommer<br />
2000 in der deutschen Hauptstadt Olympische<br />
Spiele. Dafür sollte zwischen Ostkreuz und dem<br />
Olympiastadion bzw. Berlin-Ruhleben auf den<br />
Ferngleisen ein Olympia-Express im 7,5-Minuten-Abstand<br />
verkehren. Die 1991 aufgenommenen<br />
Planungen für den Umbau und die<br />
Modernisierung des Knotens Ostkreuz wurden<br />
beschleunigt, bis im September 1993 der olympische<br />
Traum für Berlin platzte. Am Projekt<br />
Ostkreuz hielt man fest; 1995 wurden die Prinzipien<br />
für den Umbau wie folgt formuliert:<br />
• Richtungsbetrieb der S-<strong>Bahn</strong> an zwei <strong>Bahn</strong>steigen<br />
auf der Stadtbahn-Ebene,<br />
• Regionalbahnsteige an der Frankfurter und<br />
an der Ringbahn,<br />
• eine <strong>Bahn</strong>hofshalle auf der Ringbahn.<br />
1997 war die Vorentwurfsplanung für Ostkreuz<br />
fertig, die als Option die Unterführung<br />
der Stadtautobahn in Nord-Süd-Richtung,<br />
Der Umbau wurde immer wieder verschoben, auch<br />
nach der Wende. Erst im Frühjahr 2006 ging es los<br />
weitere Regionalbahnsteige an der Ostbahn<br />
(von Berlin-Lichtenberg) und das Heranführen<br />
der Straßenbahn enthielt. Doch es gab<br />
weitere Verzögerungen: Nach dem ICE-Un-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013 71
Strecken und Stationen<br />
Konservierung des Historischen: Im September 2009 werden die<br />
gusseisernen Stützen des Daches von <strong>Bahn</strong>steig F abgebaut und eingelagert<br />
Bernd Kuhlmann (2)<br />
Neben der Schienen- gibt es eine neue Straßenverbindung: Am frühen<br />
Morgen des 25. September 2009 hebt ein Raupendrehkran mit 600 Tonnen<br />
Tragkraft den ersten „Schuss“ der neuen Kynaststraßenbrücke ein<br />
glück von Eschede im Juni 1998 musste der<br />
Anprallschutz an Brücken verstärkt werden,<br />
später wollte der <strong>Berliner</strong> Senat die kreuzende<br />
Hauptstraße auf vier Spuren erweitert haben.<br />
Immerhin legte die Deutsche <strong>Bahn</strong> AG<br />
im Sommer 2002 die Baupläne öffentlich aus.<br />
Der Umbau beginnt<br />
Im Februar 2006 begannen dann erste vorbereitende<br />
Maßnahmen, unter anderem das Freimachen<br />
des Baufeldes und der Einbau von Bauweichen<br />
sowie eines neuen Stellwerks. Im<br />
August 2006 entfiel die S-<strong>Bahn</strong>-Nordwest-Kurve,<br />
die alten Brücken konnten nur noch verschrottet<br />
werden. Nachdem am 30. Oktober<br />
2006 der Planfeststellungsbeschluss für die<br />
Ringbahn vorlag, durften die einzelnen Arbeiten<br />
ausgeschrieben und vergeben werden. Die<br />
ersten sichtbaren Zeichen für den Baubeginn<br />
waren der Ausbau der von 1970 stammenden<br />
Hilfsbrücken für die Ringgütergleise am<br />
14./15.September 2007, die Inbetriebnahme<br />
der zeitweiligen, aber überdachten Fußgängerbrücke<br />
über die Gleise der Stadtbahn-Ebene am<br />
29. Februar 2008 und der Ausbau der maroden<br />
Brücken der parallel zur Ringbahn verlaufenden<br />
Kynaststraße vom 30. Juni bis 5. Juli 2008.<br />
Damit konnten Widerlager und Stützen des<br />
neuen Brückenzuges für die Ringbahn und die<br />
Kynaststraße errichtet werden. Das geschah im<br />
August/September 2008 mit Großbohrpfählen:<br />
Mehrere bis zu 35 Meter lange, im Erdreich verankerte<br />
Betonpfähle tragen als Bohrpfahlwand<br />
die neuen Wandscheiben, die nach dem Einschalen<br />
und Bewehren bis Jahresende 2008 betoniert<br />
waren. Ebenso ist die Gewölbebrücke<br />
über die Hauptstraße abgerissen und in neuer<br />
Lage bis Jahresende 2008 erneuert worden.<br />
Die historische Fußgangerbrücke über die<br />
Gleise der Stadtbahn-Ebene wurde im November/Dezember<br />
2008 abgebaut. An dieser Stelle<br />
soll später einmal die Autobahn das Ostkreuz unterirdisch<br />
und doppelstöckig queren. Nach deren<br />
Bau entsteht die Fußgängerbrücke, einst ein<br />
Markenzeichen von Ostkreuz, in aller Pracht neu.<br />
Bau der neuen Ringbahn<br />
Die 15 bis 30 Meter langen und bis zu 190 Tonnen<br />
schweren stählernen Trogbrücken für die<br />
neuen Ringbahn-Gleise trafen auf der Straße in<br />
Berlin ein und wurden mit schweren Mobil -<br />
kranen zwischen 27. Februar und 20. April<br />
2009 eingebaut. Dann wurden bis zum 20. Mai<br />
2009 die Trogbrücken mit seitlichen Dienstwegen<br />
komplettiert. Was sich so einfach liest,<br />
war aus Sicherheitsgründen mit vielen Sperrungen<br />
der darunter verlaufenden Gleise auf<br />
der Stadtbahn-Ebene verbunden: Regionalund<br />
Fernzüge waren umzuleiten, für die<br />
S-<strong>Bahn</strong> war Busersatzverkehr oder Pendelverkehr<br />
einzurichten. Die Arbeiten fanden überwiegend<br />
am Wochenende oder nachts statt, um<br />
den Berufsverkehr nicht zu beeinträchtigen.<br />
Und es gab noch mehr zu erledigen …<br />
Noch fehlten die Brücken für den künftigen<br />
Regionalbahnsteig auf der Ringbahn, die zwischen<br />
den Gleisbrücken einzubauen waren.<br />
Diese bildeten praktisch die Fahrbahn für einen<br />
darauf laufenden Brückenkran, der die<br />
Teile für die <strong>Bahn</strong>steigbrücken im April und<br />
Mai 2009 anhob und dann einbaute. Auf die<br />
Stahlroste der <strong>Bahn</strong>steigbrücken wurden so genannte<br />
Filigranplatten aus Stahlbeton verlegt<br />
und darauf der eigentliche <strong>Bahn</strong>steig betoniert.<br />
Umleitungen für Züge, Umwege für S-<strong>Bahn</strong>-Kunden:<br />
Die neue Ring-S-<strong>Bahn</strong> erforderte einige Geduld<br />
Darin eingelassen sind Leerrohre, die Kabel für<br />
die Beleuchtung, für Fahrtrichtungsanzeiger,<br />
für die Telekommunikation usw. aufnehmen.<br />
Um den Neubau des S-<strong>Bahn</strong>-Ringbahnsteiges<br />
zu ermöglichen, sollten vorübergehend die<br />
Züge der Ring-S-<strong>Bahn</strong> am gerade fertig gestellten<br />
Regionalbahnsteig halten. Damit die Fahrgäste<br />
der S-<strong>Bahn</strong> nahezu niveaugleich ein- und<br />
aussteigen konnten, verringerte man die Schotterstärke<br />
unter den Gleisen; trotzdem verblieben<br />
ein geringer Höhenunterschied und eine Lücke<br />
zwischen Zug und <strong>Bahn</strong>steig. Bevor hier ab Dezember<br />
2013 Regionalzüge fahren, müssen die<br />
Gleise aufgenommen, mehr Schotter eingebracht<br />
und zuletzt wieder die Gleise verlegt werden.<br />
In zwei Sperrpausen, am 28./31. August<br />
und am 11./14. September 2009, wurden die<br />
beiden Gleise der Ring-S-<strong>Bahn</strong> an den zeitweiligen<br />
<strong>Bahn</strong>steig angeschwenkt. Am 28. August<br />
2009 wurde letztmals die Südwestkurve<br />
befahren, am 11. September 2009 der alte<br />
Ringbahnsteig F geschlossen.<br />
Nun konnte man den alten Ringbahn-Brückenzug<br />
für die S-<strong>Bahn</strong> abreißen, was bis Ende<br />
Oktober 2009 geschah. In dieser Zeit mussten<br />
die Reisenden den nördlichen und südlichen<br />
Abgang des neuen <strong>Bahn</strong>steigs nutzen, um zu<br />
beiden Seiten der Stadtbahn-Ebene zur provisorischen<br />
Fußgängerbrücke und damit zu<br />
den <strong>Bahn</strong>steigen D und E zu gelangen. Dieser<br />
Zustand dauerte bis Jahresende 2009; seitdem<br />
erreichten die Fahrgäste den vorübergehenden<br />
Ringbahnsteig über die nach Osten verlängerten<br />
Fußwege der unteren <strong>Bahn</strong>steige. Ganz<br />
so einfach war der Rückbau des Ringbahn-<br />
Brückenzuges nicht, weil unbekannte bauliche<br />
Schwierigkeiten auftraten. Und Sperrungen<br />
der unteren Gleise verbunden mit Verkehrseinschränkungen<br />
gehörten wieder zur Regel.<br />
Zwischen Mai und Juni 2009 erreichten<br />
die Überbauten für die verlegte und breitere<br />
Kynastbrücke die Baustelle. Nach Schweißund<br />
Korrosionsschutzarbeiten an den Stahlteilen<br />
wurden die beiden südlichen Brückenhälften<br />
Ende September und die nördlichen<br />
Anfang Oktober 2009 von einem 600-Tonnen-Raupendrehkran<br />
eingehoben. Die Eröffnung<br />
der neuen Kynastbrücke verschob sich<br />
allerdings wegen der eisigen Witterung von<br />
Anfang 2010 bis zum 31. Mai des Jahres.<br />
Die neue Ring-S-<strong>Bahn</strong> entsteht<br />
Vor und nach dem Jahreswechsel 2009/10 schlug<br />
man zuerst nördlich und dann südlich für die<br />
künftige Ring-S-<strong>Bahn</strong> die Stahlspundwände ein,<br />
in deren Schutz die neuen Widerlager entstanden.<br />
Unmittelbar hinter dem nördlichen Widerlager<br />
wurde seit Mai 2009 das Gebäude für den Stellrechner<br />
des elektronischen Stellwerkes für die<br />
S-<strong>Bahn</strong> der Stadtbahn-Ebene errichtet; die Ring-<br />
S-<strong>Bahn</strong> fährt heute über diese Räume hinweg.<br />
72
Der <strong>Bahn</strong>hof Ostkreuz<br />
So stellen sich die<br />
unteren <strong>Bahn</strong>steige<br />
des <strong>Bahn</strong>hofs Ostkreuz<br />
am 10. August<br />
2010 dar. Es stehen<br />
bereits die einzelnen<br />
Wandscheiben für die<br />
neuen Ringbahnbrücken<br />
der S-<strong>Bahn</strong><br />
Bernd Kuhlmann<br />
Weil der neue <strong>Bahn</strong>steig der Ring-S-<strong>Bahn</strong><br />
bis zu 38 Meter breit ist, musste man die<br />
<strong>Bahn</strong>steigdächer der Stadtbahn-Ebene großflächig<br />
zurückzubauen. Zugleich war hier das<br />
Bohrgerät für die Gründungen der neuen<br />
Ring-S-<strong>Bahn</strong> zwischen den unteren S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Gleisen unterzubringen; die Großbohrpfähle<br />
haben einen Durchmesser von 1,8 Metern<br />
und reichen bis in eine Tiefe von 20 Metern.<br />
Die Gründungen für die Fundamente waren<br />
im März 2010 abgeschlossen. Bis August 2010<br />
wuchsen die Wandscheiben als Auflager für<br />
die neuen Gleis-und <strong>Bahn</strong>steig-Brücken in die<br />
Höhe. Das erforderte auch, Gleis 3 am unteren<br />
<strong>Bahn</strong>steig E (nach Erkner) um eine solche<br />
Wandscheibe herumzuführen, so dass der<br />
<strong>Bahn</strong>steig am östlichen Ende verjüngt wurde.<br />
Das Baufeld verschob sich fast unbemerkt<br />
nach Süden: Das etwa 1916 errichtete Kreuzungsbauwerk<br />
Vollringtunnel – hier überqueren<br />
die beiden Gleise der Südwestkurve das nach<br />
Treptower Park führende Gleis der Ring-S-<strong>Bahn</strong><br />
– war in die Jahre gekommen und deshalb zu erneuern.<br />
Mitte April 2010 begann der bis zur<br />
Sohle reichende Abriss, im Juni 2010 konnte mit<br />
dem rund 150 Meter langen Neubau begonnen<br />
werden, der Ende März 2011 abgeschlossen war.<br />
Pflege des Wahrzeichens<br />
Um die Standsicherheit des 1912 errichteten<br />
Wasserturms – des unter Denkmalschutz stehenden<br />
Wahrzeichens von Ostkreuz – nicht zu gefährden,<br />
begann man, ab Juli 2010 östlich von<br />
ihm eine Stahlbeton-Winkelstützwand zu bauen.<br />
Das garantiert, dass die künftigen Verkehrslasten<br />
der S-<strong>Bahn</strong> nicht auf das Fundament des Wasserturmes<br />
übertragen werden. Während der Bauarbeiten<br />
wurde mit einem im Turm aufgehängten<br />
Pendellot dessen Standsicherheit überwacht (im<br />
hohlen Turm führt an der Außenwand eine Treppe<br />
zum Wasserbehälter). Das Bauwerk neigte sich<br />
nicht, und es gibt keinen „schiefen Turm von Ostkreuz“.<br />
Mehr Probleme bereiteten zwei amerika-<br />
nische Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg,<br />
die bei den Bauarbeiten gefunden und entschärft<br />
wurden. Weitere Baumaßnahmen galten<br />
den an den alten „Vollring-Tunnel“ anschließenden<br />
Stützmauern des <strong>Bahn</strong>dammes nach Treptower<br />
Park. Diese waren vielfach schadhaft und<br />
wurden seit Oktober 2010 abgebrochen oder erneuert.<br />
Dort unterquerte auch der seit 31. März<br />
2005 ungenutzte <strong>Bahn</strong>-Tunnel zum Osthafen<br />
den <strong>Bahn</strong>damm; das Bauwerk wurde im März/<br />
April 2011 teilweise abgebrochen und verfüllt.<br />
Die Eisenbahn-Überführung Alt-Stralau der<br />
Ringbahn besaß noch die bei Neu- und Umbauten<br />
nicht mehr zugelassenen Pendelstützen. Mit<br />
dem Neubau der Brücke entfiel zugleich der bisherige<br />
dunkle Fußgängertunnel. Weil seit 15. Dezember<br />
2003 keine Züge mehr auf der Ringbahn<br />
verkehrten, bestand Baufreiheit. Zunächst erneuerte<br />
man die östliche und die westliche Brücke,<br />
auf der seit 16. April 2012 die Züge der Ring-<br />
S-<strong>Bahn</strong> fahren. Die neuen Brücken mit<br />
16 Metern lichte Weite sind eine Verbund-Fertigteil-Trägerkonstruktion.<br />
Die offenliegende und<br />
von unten einsehbare Stahlkonstruktion ist das<br />
Markenzeichen sowohl des alten wie des neuen<br />
Bauwerkes. Ende 2012 wurden die drei inneren<br />
Überbauten erneuert. Über eine nur drei bis fünf<br />
Meter breite Baustraße von Markgrafendamm am<br />
Ostkreuz aus wurde die Baustelle zwischen den<br />
befahrenen S-<strong>Bahn</strong>-Gleisen erreicht, die mit<br />
Spundwänden gegenüber der Baugrube gesichert<br />
sind. Denn unter den bisherigen Gleisen musste<br />
das Erdreich bis in eine Tiefe von zwei Metern abgetragen<br />
und erneuert werden, weil die alten Massen<br />
nicht dauerhaft tragfähig waren. Zum Jahresende<br />
2012 war die Straße Alt-Stralau unter der<br />
Brücke für den Fahrzeugverkehr wieder nutzbar.<br />
Brücken für die Ring-S-<strong>Bahn</strong><br />
Anfang Oktober 2010 trafen die ersten <strong>Bahn</strong>steig-<br />
und Gleisbrücken für den neuen Ring-<br />
S-<strong>Bahn</strong>steig ein, die östlich der Ringbahn abgesetzt,<br />
behandelt und montiert wurden. Auf einer<br />
schienengebundenen Förderstrecke (Verschubbahn)<br />
wurden sie unter Straße und Ferngleisen<br />
der Ringbahn hindurch geschoben. Der<br />
für die Brückenmontage bestimmte Raupendrehkran<br />
konnte unmittelbar am nördlichen Widerlager<br />
aufgestellt werden. Die für die Südseite<br />
bestimmten Brückenkonstruktionen verschob<br />
man nach dem Zusammenbau in gleicher Weise,<br />
die von einem zweiten Raupendrehkran eingebaut<br />
wurden. Die <strong>Bahn</strong>steigbrücken bestanden<br />
wegen der künftigen großen <strong>Bahn</strong>steigbreite aus<br />
zwei Teilen. Die Gleisbrücken waren zwischen<br />
16,77 und 29,80 Meter lang und wogen zwischen<br />
48 und 155 Tonnen; die <strong>Bahn</strong>steigbrücken<br />
waren zwischen 17,72 und 29,25 Meter lang,<br />
zwischen 14,41 und 19,24 Meter breit und zwischen<br />
60 und 160 Tonnen schwer. „Dickster Brocken“<br />
war der nordwestliche <strong>Bahn</strong>steig-Brückenteil,<br />
mit den Maßen 29,25 mal 13,84 Meter<br />
und 160 Tonnen Gewicht! Damit war der erste<br />
und schwierigste Teil des Brückeneinbaus für die<br />
neue Ring-S-<strong>Bahn</strong> beendet, und zwar früher als<br />
geplant. Zahlreiche Gleissperrungen, verbunden<br />
mit Verkehrseinschränkungen, aber vorrangig an<br />
Wochenenden, begleiteten wieder den Einbau,<br />
der am 23. Januar 2011 abgeschlossen war.<br />
„Fundamente“ für die Ringbahnhalle<br />
Die Anfang Januar 2011 gelieferten, aus elf Teilen<br />
bestehenden Hallenlängsträger platzierte<br />
man auf Gerüsten in den östlichen bzw. westlichen<br />
Gleiströgen. Dort richtete man sie aus<br />
und verschweißte diese. Weil diese Hallenlängsträger<br />
hohl sind, hatten sie vor ihrem Einbau<br />
zwischen den Gleisbrücken von S- und Regionalbahn<br />
eine Druckprobe zu bestehen, um<br />
die Dichtheit der Schweißnähte zu prüfen. Dabei<br />
waren die Arbeiten im westlichen Gleistrog<br />
sehr viel schwieriger, weil hier der Hallenlängsträger<br />
wie das Gleis im Bogen verläuft.<br />
Beide Hallenlängsträger mit einer Länge<br />
von je 147 Metern und 150 Tonnen Last wurden<br />
für den Einbau hydraulisch aus dem<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
73
Strecken und Stationen<br />
An einem wintertrüben Februartag 2012 bietet Ostkreuz diesen Anblick: Über dem Ringbahnsteig erhebt sich die neue Halle, die Trassen der<br />
Auffahrten liegen noch. Im Sommer 2012 werden diese abgeräumt<br />
Matthias Cantzler<br />
Gleis trog gehoben und anschließend auf Teflon-Gleitschienen<br />
nach außen auf die vier außerhalb<br />
der Brücke stehenden Hydraulik-<br />
Stempel gedrückt. Diese senkten dann an zwei<br />
Wochenenden im März 2011 auf die vorgesehenen<br />
Auflager ab. Der Zeitplan für diese<br />
nicht alltägliche Bautechnologie wurde eingehalten,<br />
obwohl während des Verschubs immer<br />
wieder der Druck in den Trägern geprüft werden<br />
musste, um Verziehungen und damit gerissene<br />
Schweißnähte zu erkennen.<br />
Der Bau der Ringbahn-Halle<br />
Kaum waren diese „Fundamente“ für die künftige<br />
Ringbahn-Halle gelegt, war das Montageund<br />
Transportgerüst fertig. Dessen Stützen fuhren<br />
auf in den Gleiströgen verlegten und nach<br />
beiden Seiten verspannten Schienen. Die östliche<br />
Stütze lief auf einer geraden Schiene, das<br />
Fahrwerk der westlichen war dagegen mehrmals<br />
der wechselnden Spurweite im gebogenen Trog<br />
anzupassen; Seilwinden zogen das Gefährt.<br />
Vor dem „Fahren“ des Montagegerüstes setzte<br />
man jeweils die beiden äußeren Doppel-Stiele<br />
auf je zwei Hydraulikstempel auf, die aus drei<br />
Teilen bestehenden „Dachbinder“ aufgesetzt,<br />
verschraubt und dann mit den Stielen zu einem<br />
Doppelrahmen verbunden wurden. Das gesamte<br />
Montagegerüst mit aufgesetzten Doppelrahmen<br />
– insgesamt neun an der Zahl – wurde mit<br />
hoher Fahrkunst vom Montageort am nördlichen<br />
Widerlager über den gesamten <strong>Bahn</strong>steig<br />
von Ende April bis Mitte Juli 2011 mehrmals<br />
verschoben. Hatten die Doppelrahmen ihren<br />
vorgesehenen Platz erreicht, senkten die paarweisen<br />
Hydraulikstempel diese auf die vorgesehenen<br />
Anschlusspunkte der Hallenlängsträger<br />
ab. Anschließend fuhr das Gerüst leer zurück,<br />
um den nächsten Doppelrahmen aufzunehmen.<br />
Bevor das „Fahren“ begann, wurde am 15. April<br />
2011 die komplette südliche Hallenschürze<br />
montiert. Während die Halle Schritt für Schritt<br />
wuchs, begann man bereits, die Halle zu verglasen.<br />
Im Gegensatz zum <strong>Berliner</strong> Hauptbahnhof<br />
setzte man die Scheiben nicht von außen, sondern<br />
aus dem Inneren mit einem Roboterarm<br />
ein, an dem sich Saugnäpfe für die Scheiben befanden.<br />
Das Dach besteht aus zwei Schichten,<br />
um ein Aufheizen der Halle zu verhindern.<br />
Am 16. April 2012 rollten nach 16-tägiger<br />
Vollsperrung der Ring-S-<strong>Bahn</strong> wieder die Züge,<br />
nun auf neuer Strecke. Neben der 132 Meter<br />
langen und 15 Meter hohen Ringbahnhalle in<br />
Ostkreuz wurde für die S-<strong>Bahn</strong> ein elektronisches<br />
Stellwerk in Betrieb genommen, von dem<br />
aus die Sicherungs- und Signalanlagen zwischen<br />
Greifswalder Straße und Treptower Park gesteuert<br />
werden. In Ostkreuz erleichtern erstmals<br />
auf- und abwärts gerichtete Fahrtreppen den<br />
Zu- und Abgang zum Ringbahnsteig. Wenn die<br />
unteren <strong>Bahn</strong>steige in neuer Lage erbaut sind,<br />
werden auch diese Fahrtreppen erhalten.<br />
Baubeginn auf der Stadtbahn-Ebene<br />
Am 30. September 2011 begann der Umbau der<br />
unteren <strong>Bahn</strong>anlagen. Aus dem östlichen Baufeld<br />
waren Kabel zu verlegen, um die künftige Überführung<br />
des von Erkner kommenden S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Gleises und den Neubau der <strong>Bahn</strong>brücken über<br />
die Karlshorster Straße vorzubereiten. Sichtbares<br />
Zeichen für die Fahrgäste war der am 11. Dezember<br />
2011 begonnene Inselbetrieb der S 3, die<br />
zeitweise nur noch zwischen Ostkreuz und Erk -<br />
ner verkehren kann. Denn zuerst wird die gesamte<br />
nördliche Seite der Stadtbahn-Ebene umgebaut,<br />
so dass die S-<strong>Bahn</strong> zwischen Ostbahnhof<br />
und Ostkreuz auf der bisherigen Strecke nach<br />
und von Erkner verkehren muss. Weil in Ostkreuz<br />
nur drei <strong>Bahn</strong>steigkanten verfügbar sind,<br />
wendet die S 3 in Ostkreuz an einer Kante, während<br />
die Züge nach und von Lichtenberg die anderen<br />
beiden nutzen. Dafür waren im November/Dezember<br />
2011 auf der Ostseite Weichen<br />
einzubauen und Gleise zu verschwenken. Wegen<br />
starken Frostes mussten bis März 2012 alle Fahrgäste<br />
von und nach Erkner über die Fußgängerbrücke<br />
umsteigen; weil dann eine zusätzliche<br />
Weiche eingebaut werden konnte, braucht man<br />
in Ostkreuz nur noch die <strong>Bahn</strong>steigseite zu wechseln,<br />
wenn man Richtung Erkner fahren will.<br />
Zwischen Lichtenberg und Ostkreuz besteht<br />
seit 21. November 2011 vorübergehend Gemeinschaftsbetrieb<br />
zwischen Fern- und S-<strong>Bahn</strong>:<br />
Die DB-Nachtzüge müssen wegen erforderlicher<br />
Baufreiheit S-<strong>Bahn</strong>-Gleise nutzen; deshalb sind<br />
an S-<strong>Bahn</strong>-Signalen neben dem Streckenanschlag<br />
der Fahrsperre zusätzlich Gleismagnete<br />
der punktförmigen Zugbeeinflussung (PZB) zu<br />
finden. Die Brücke über die Karlshorster Straße<br />
ist mehr als 100 Jahre alt und ist zu erneuern.<br />
Nachdem die Brücke in Längsrichtung geteilt<br />
und abgebaut wurde – ursprünglich lagen<br />
hier vier Gleise –, konnten die Widerlager der<br />
neuen Brücke errichtet werden. Zusammen mit<br />
einer bauzeitlichen nördlichen Hilfsbrücke, die<br />
74
Die neue Ringbahnhalle entsteht: Drei der neun Doppelrahmen sind bereits<br />
montiert, ein vierter auf dem Transportgerüst wird gleich abgesenkt,<br />
um ihn mit den anderen zu verbinden (Juni 2011)<br />
Bernd Kuhlmann<br />
Die S-<strong>Bahn</strong>-Aufsicht der Ringbahn in ihrem neuen Gebäude. Die Züge<br />
werden nur per Video am Bildschirm abgefertigt; der Monitor links zeigt<br />
die Position der Züge auf der Ringbahn (Juni 2012) Bernd Kuhlmann<br />
Fahrt frei aus der neuen Ringbahnhalle: Ein Zug der Baureihe 481<br />
macht sich im April 2012 als S 41 auf den Weg in Richtung Südkreuz<br />
Bernd Kuhlmann (2)<br />
In der früheren Kehranlage Warschauer Straße wird im September 2012<br />
der ausgebaute Schotter gelagert. Das zum Ostbahnhof führende Gleis<br />
ist bereits demontiert, das Tunnelgleis vom Ostbahnhof her liegt noch<br />
im Februar 2013 eingebaut wird, können diese<br />
für Umfahrungsgleise genutzt werden, um bis<br />
2014 den südlichen Brückenteil fertigzustellen.<br />
Ausblick und weitere Projekte<br />
Ebenso wie Ostkreuz stellt man auch den S-<br />
<strong>Bahn</strong>hof Warschauer Straße vom bisherigen<br />
Linien- auf Richtungsbetrieb um. Seit März<br />
2012 wurden die beiden nördlichen <strong>Bahn</strong>steige<br />
abgerissen, der Neubau ist bereits im<br />
Gange, an dessen nördlicher <strong>Bahn</strong>steigkante<br />
ab 2. April 2013 die stadteinwärts fahrenden<br />
Züge halten. 2013 werden noch Gründungen<br />
und Pfeiler für das künftige Empfangsgebäude<br />
errichtet, so dass zum Jahresende die südliche<br />
<strong>Bahn</strong>steigkante in Betrieb gehen kann.<br />
Danach wird der südliche <strong>Bahn</strong>steig abgerissen<br />
und bis Herbst 2014 der neue erbaut.<br />
Vom bis 2015 fertig zu stellenden Em -<br />
pfangsgebäude können dann die beiden neuen<br />
S-<strong>Bahn</strong>steige über feste und Fahrtreppen<br />
sowie Aufzüge erreicht werden. Berücksichtigt<br />
wird ein späterer direkter Übergang zur U-<br />
<strong>Bahn</strong>, falls die BVG ihren Endbahnhof nach<br />
Norden über die S-<strong>Bahn</strong>steige verschiebt.<br />
Ab Dezember 2013 werden nach dem Anpassen<br />
der Gleisanlagen auf der Ringbahn in Ostkreuz<br />
Regionalzüge halten, allerdings nur als<br />
Spitzkehre bzw. Kopfbahnhof in Richtung Lichtenberg/nördliche<br />
Ringbahn. Diese ist, obwohl in<br />
Richtung Treptower Park die Eisenbahn-Überführung<br />
Alt-Stralau fertig ist, nach Schöneweide<br />
nicht durchgehend befahrbar. Bis Dezember<br />
2014 können in Ostkreuz (oben) nur Dieseltriebwagen<br />
halten, weil die Oberleitung im Bereich<br />
Schöneweide noch nicht wieder hergestellt<br />
ist. Der zwischenzeitlich von der S-<strong>Bahn</strong> genutzte<br />
obere Regional-<strong>Bahn</strong>steig in Ostkreuz wird bis<br />
dahin überdacht.<br />
Bis zum Oktober 2013 geht an der Frankfurter<br />
<strong>Bahn</strong> ein neuer (unterer) Regionalbahnsteig in<br />
Betrieb, an dem zunächst die S-<strong>Bahn</strong>-Linie S 3<br />
wendet. Damit kann in Ostkreuz der südliche S-<br />
<strong>Bahn</strong>steig umgebaut werden. Im August 2015<br />
wird in Ostkreuz die neue Südkurve der S-<strong>Bahn</strong><br />
in Betrieb genommen, aber ohne <strong>Bahn</strong>steige, weil<br />
die Umsteigewege zu lang würden. Über diese<br />
Kurve gelangen die Fahrgäste schneller in den<br />
Die Modernisierung von Ostkreuz läuft bis 2016.<br />
Danach spricht niemand mehr von Rostkreuz ...<br />
Südosten der Stadt und vor allem zum neuen<br />
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER). Im<br />
S-<strong>Bahn</strong>hof Treptower Park wird damit der geplante<br />
Endzustand erreicht.<br />
Die Arbeiten auf der Stadtbahn-Ebene zwischen<br />
Ostbahnhof und Rummelsburg bzw. Nöldnerplatz<br />
an den <strong>Bahn</strong>anlagen werden dagegen<br />
fortgesetzt, nach der nördlichen Seite folgt die<br />
südliche. Ab 2015 fahren alle S-<strong>Bahn</strong>en in diesem<br />
Bereich im Richtungsbetrieb: An einem <strong>Bahn</strong>steig<br />
verkehren alle Züge stadteinwärts, am anderen<br />
stadtauswärts. In Ostkreuz sind dann alle<br />
unteren <strong>Bahn</strong>steige so weit nach Osten verschoben,<br />
dass feste und Fahrtreppen sowie Aufzüge<br />
das Umsteigen zum Ringbahnsteig erleichtern.<br />
Der S-<strong>Bahn</strong>-Tunnel in Ostkreuz wird abgebrochen<br />
und muss zeitweilig umfahren werden. Mit<br />
Inbetriebnahme des Regionalbahnsteiges an der<br />
Frankfurter <strong>Bahn</strong> in Ostkreuz und den letzten<br />
Komplettierungsarbeiten wird der große Umbau<br />
dann 2016 abgeschlossen. Bernd Kuhlmann<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
75
Strecken und Stationen<br />
Der Name ist Programm: Siemensstadt heißt die Station, die ein „Stadtbahner“-Triebzug in der Vorkriegszeit bedient. Es handelt sich um einen<br />
Viertelzug, also den Betrieb außerhalb der Stoßzeiten<br />
Slg. Reinhard Schulz<br />
Die Siemensbahn<br />
Die Konzern-Strecke<br />
Am 18. Dezember 1929 eröffnet, war die „Siemensbahn“ bis Ende des Zweiten Weltkriegs ein<br />
wichtiger Zubringer zur namensgebenden Firma. Nach 1945 konnte sie nicht mehr an die alten<br />
Leistungen anknüpfen. Im Herbst 1980 stellte die Reichsbahn den Betrieb auf Dauer ein<br />
Wie für andere <strong>Berliner</strong> Großunternehmen<br />
war im ausgehenden 19. Jahrhundert<br />
auch für die Siemenswerke der<br />
wachsende Flächenbedarf in der <strong>Berliner</strong> Innenstadt<br />
nicht mehr zu decken. Deshalb erwarb Siemens<br />
Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
die so genannten Nonnenwiesen, ausgedehnte<br />
Flächen westlich von Berlin. Dort, zwischen<br />
Charlottenburg und Spandau, errichtete der Hersteller<br />
elektrotechnischer Erzeugnisse umfangreiche<br />
Fabrikanlagen. Die meisten Beschäftigten<br />
mussten bis nach Berlin pendeln, um zu ihren<br />
Wohnungen zu gelangen, doch waren die Verkehrsverbindungen<br />
seinerzeit noch sehr schlecht.<br />
Die nächste <strong>Bahn</strong>station war seit 1905 Fürstenbrunn<br />
(seit 1925 Siemensstadt-Fürstenbrunn) an<br />
der Hamburg-Lehrter <strong>Bahn</strong>. Sie lag am Rande<br />
des Siemensgeländes südlich der Spree.<br />
Das Gedränge in den Zügen war vor dem<br />
Ersten Weltkrieg so groß, dass viele Beschäftigte<br />
dazu übergingen, schon an der Ringbahnstation<br />
Jungfernheide auszusteigen und<br />
den langen Fußweg von dort in Kauf zu nehmen.<br />
Auch nach 1918 war das Wachstum der<br />
Werke ungebrochen. Bis 1928 war die Belegschaft<br />
auf über 57.000 angewachsen.<br />
Der Bau der „Siemensbahn“<br />
So kam es im Jahr 1925 zu einer Vereinbarung<br />
des Siemenskonzerns mit der Deutschen<br />
Reichsbahn über den Bau einer zweigleisigen<br />
Stichstrecke. Diese sollte vom <strong>Bahn</strong>hof Jungfernheide<br />
in nordwestlicher Richtung diagonal<br />
durch das Gelände führen; der Endpunkt<br />
war knapp fünf Kilometer entfernt in der<br />
Nähe des Kabelwerks an der Gartenfelder<br />
Straße vorgesehen. Geplant waren neben dem<br />
Endbahnhof Gartenfeld (km 4,46) die Haltepunkte<br />
Wernerwerk (km 1,94) und Siemensstadt<br />
(km 3,12).<br />
Diese Linienführung verband nicht nur alle<br />
wichtigen Werke, sondern auch die nördlich der<br />
Nonnendammallee entstehende Wohnsiedlung.<br />
Siemens versprach sich durch diese wesentliche<br />
Verkehrsverbesserung eine Steigerung der Mitarbeiter-Zufriedenheit<br />
und einen Abbau der Arbeitszeit-Staffelung.<br />
Wegen der großen Vorteile<br />
übernahm die Firma die Gesamtfinanzierung<br />
der Strecke in Höhe von 15 Millionen RM. Dafür<br />
lagen Planung und Bau überwiegend in<br />
Händen der konzerneigenen Siemens-Bauunion.<br />
Nach der Inbetriebnahme am 18. Dezember<br />
1929 übergab Siemens die gesamte Anlage einschließlich<br />
der erforderlichen Grundstücke in<br />
das Eigentum der Reichsbahn. Diese zahlte dafür<br />
drei Millionen RM an den Konzern.<br />
Der Bau hatte etwas mehr als zwei Jahre gedauert.<br />
Die Strecke wurde überwiegend in<br />
Hochlage auf einer Dammschüttung errichtet.<br />
Lediglich im Bereich des Wernerwerks verlief<br />
76
Die Siemensbahn<br />
Moderne Technik bei der Siemensbahn: Links das moderne elektromechanische Stellwerk im <strong>Bahn</strong>hof Gartenfeld, rechts das Einfahr-Lichtsignal<br />
des <strong>Bahn</strong>hofs Wernerwerk, ausgerüstet mit der neuen mechanischen Fahrsperre (Bilder von 1929) Slg. Manuel Jacob (2)<br />
die Strecke für 800 Meter auf Stahlviadukten,<br />
um das Fabrikgelände nicht zu zerschneiden.<br />
Ausrichtung auf den Berufsverkehr<br />
Wegen der speziellen Ausrichtung der <strong>Bahn</strong> auf<br />
die Anforderungen des Berufsverkehrs wies die<br />
Strecke einige Besonderheiten auf. Viele Beschäftigte<br />
wohnten im <strong>Berliner</strong> Nordosten und<br />
reisten mit der Ringbahn an, weshalb man den<br />
<strong>Bahn</strong>hof Jungfernheide für ein besonders bequemes<br />
Umsteigen umbaute. Östlich des vorhandenen<br />
Ringbahnsteigs B wurde ein zusätzlicher<br />
<strong>Bahn</strong>steig C angelegt. Die aus Gartenfeld<br />
ankommenden Züge erreichten zunächst das<br />
nördliche Gleis des <strong>Bahn</strong>steigs B, wo die Fahrgäste<br />
auf die am anderen Gleis haltenden Ringbahnzüge<br />
nach Gesundbrunnen umsteigen<br />
konnten. Nach kurzem Halt fuhren die Gartenfelder<br />
Züge weiter zum südlichen Gleis des<br />
<strong>Bahn</strong>steigs C, wo der Übergang von den Ringbahnzügen<br />
aus Gesundbrunnen möglich war.<br />
Aus Richtung Westend kommende Fahrgäste<br />
stiegen bereits am <strong>Bahn</strong>steig B ein, fuhren den<br />
kurzen Umweg über <strong>Bahn</strong>steig C, um nach der<br />
Wendezeit ihren Weg nach Gartenfeld fortsetzen<br />
zu können. Der <strong>Bahn</strong>hof Jungfernheide<br />
war der einzige <strong>Bahn</strong>hof im S-<strong>Bahn</strong>-Netz, an<br />
dem Planzüge nacheinander an zwei <strong>Bahn</strong>steigen<br />
hielten. Diese Gleislage ermöglichte nicht<br />
nur ein Umsteigen in alle Richtungen ohne<br />
Treppensteigen, sondern ließ auch das Verkehren<br />
durchgehender Züge in alle Richtungen mit<br />
höchstens einmaligem Kopfmachen zu.<br />
Neues Signalsystem<br />
Die Siemensbahn wurde als erste Strecke nach der<br />
Stadtbahn mit dem neuen selbsttätigen Sv-Signalsystem<br />
ausgestattet, das hier eine Zugfolge von<br />
zweieinhalb Minuten ermöglichte. Ein Stellwerk<br />
war deshalb nur im <strong>Bahn</strong>hof Gartenfeld erforderlich.<br />
Hier entstand – ebenfalls einmalig im<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Netz – eine sechsgleisige Abstellanlage für<br />
zwölf Vollzüge, wo vormittags zwischen den Berufsverkehrsspitzen<br />
nicht benötigte Wagenzüge<br />
abgestellt wurden. Während Charlottenburg und<br />
Schlesischer <strong>Bahn</strong>hof auf der Stadtbahn sowie<br />
Jungfernheide noch ihre Formsignale behalten<br />
hatten, wurden die Anlagen in Gartenfeld als erstem<br />
<strong>Bahn</strong>hof vollständig mit den neuen Sv-Signalen<br />
ausgestattet. Wo es sinnvoll war, konnten<br />
Die Lage der Siemensbahn und der Fabriken um 1950; die Gleissymbole auch auf den Straßen<br />
zeigen die Anlagen der weitverzweigten Siemens-Güterbahn<br />
Slg. Manuel Jacob<br />
diese außerhalb der Hauptverkehrszeit von<br />
Handbetrieb auf automatischen Betrieb umgeschaltet<br />
werden, was den Fahrdienstleiter entlastete.<br />
Wegen der Vielzahl von Anzeigemöglichkeiten<br />
wiesen die Signale statt der üblichen sechs<br />
bis zu zehn Lampen auf.<br />
Im Regelbetrieb wurde die Siemensbahn<br />
durch die Zuggruppe B bedient, die tagsüber<br />
im Zehn-Minuten-Takt mit drei Wagenzügen<br />
zwischen Jungfernheide und Gartenfeld pendelte.<br />
In der Hauptverkehrszeit gab es eine<br />
Verstärkung durch weitere Züge, die über den<br />
Nordring ebenfalls im Zehn-Minuten-Takt<br />
herangeführt wurden. Die Zuggruppe B verkehrte<br />
in der Hauptverkehrszeit mit Vollzügen.<br />
Vormittags wurde das Angebot auf Halbzüge<br />
reduziert. Die nicht benötigten Zugteile<br />
verblieben ebenfalls im Abstellbahnhof.<br />
Der Verkehr auf dieser Strecke entwickelte<br />
sich wie erwartet positiv. Das änderte sich auch<br />
Das dichte Berufsverkehrsangebot blieb bis Ende<br />
des Zweiten Weltkriegs uneingeschränkt erhalten<br />
in den Kriegsjahren nicht, weil Siemens für die<br />
Rüstung von großer Bedeutung war. Während<br />
des Berufsverkehrs blieb das Angebot selbst nach<br />
dem Fahrplan vom 3. Juli 1944 bei einem Zehn-<br />
Minuten-Takt mit Vollzügen für die Zuggruppe<br />
B. Auch die Züge vom Nordring fuhren in derselben<br />
Folge. Die verfügbaren Buchfahrpläne<br />
weisen selbst bis Kriegsende keine Einschränkungen<br />
auf.<br />
Einschnitt nach dem Krieg<br />
Trotz ihrer gefährdeten Lage inmitten des Fabrikgeländes<br />
überstand die Siemensbahn den<br />
Krieg relativ unbeschädigt. Jedoch war das<br />
nördliche Widerlager der Spreebrücke am<br />
Wernerwerk gegen Kriegsende gesprengt worden.<br />
Damit war die Strecke unbefahrbar.<br />
Auch sonst blieb die Siemensbahn von den<br />
Kriegsfolgen nicht verschont. Die Rote Armee<br />
baute über die Spree eine hölzerne Notbrücke<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
77
Strecken und Stationen<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Siemensbahn an Bedeutung verloren. Im April 1967 ist ein Zug auf dem Ringbahn-Abzweig nach Gartenfeld unterwegs<br />
und passiert die Spreebrücke zwischen Jungfernheide und Wernerwerk. Den Stahl für die Brücke lieferte Siemens in den 50er-Jahren Peter Kusterer<br />
sowie im <strong>Bahn</strong>hof Gartenfeld eine Gleisverbindung<br />
zur Siemens-Güterbahn an der Gartenfelder<br />
Straße. Diese war eine Anschlussbahn<br />
der Siemenswerke, die den internen Werksverkehr<br />
über ein weitverzweigtes Gleisnetz in die<br />
Fabrikgebäude vermittelte. Über diese Schienenverbindung<br />
transportierte die Siegermacht<br />
nun demontierte Fabrikausrüstungen in Richtung<br />
Osten. Diesen Demontagen fielen unter<br />
anderem das komplette Gleis der S-<strong>Bahn</strong>-Strecke<br />
in Richtung Gartenfeld sowie mehrere<br />
<strong>Bahn</strong>hofsgleise in Gartenfeld zum Opfer.<br />
Ab Sommer 1945 wurde ein bescheidener<br />
ziviler Güterverkehr über diese Strecke abgewickelt,<br />
wobei der Abstellbahnhof Gartenfeld<br />
als Übergabebahnhof zwischen der Reichsbahn<br />
und der Siemens-Güterbahn diente.<br />
Dieser Zustand dauerte bis 1947 an. Von<br />
Ende 1945 bis zur Währungsreform 1948/49<br />
wurden 140 S-<strong>Bahn</strong>-Wagen in den Siemenswerken<br />
instandgesetzt, die man auch über diese<br />
Schienenverbindung zu- und rückführte.<br />
Der S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr wurde am 17. September<br />
1945 im Stundentakt wieder aufgenommen.<br />
Als ab 9. Februar 1946 der Zugverkehr<br />
in der Hauptverkehrszeit wieder auf<br />
20 Minuten verdichtet wurde, setzte die<br />
Reichsbahn zwei Pendelzüge ein, die sich am<br />
<strong>Bahn</strong>hof Siemensstadt trafen. Bis November<br />
1947 musste der Zugverkehr drei Mal völlig<br />
eingestellt werden, entweder wegen Strommangels<br />
oder wegen Brandschäden an der hölzernen<br />
Notbrücke über die Spree.<br />
Im Dezember 1952 nutzten nur noch halb so viele<br />
Fahrgäste die Siemensbahn wie 1934<br />
Schleppender Wiederaufbau<br />
Seit dem 15. Mai 1949 fuhren die Züge wieder<br />
ganztags alle 20 Minuten; die Strecke war<br />
jedoch immer noch weitgehend eingleisig.<br />
Dieser Zustand hielt mehrere Jahre an, weil die<br />
Reichsbahn unter dem allgemeinen Materialund<br />
Arbeitskräftemangel in der DDR litt. In<br />
der ersten Hälfte der 50er-Jahre waren zwar die<br />
gröbsten Kriegsschäden beseitigt, weitere Verbesserungen<br />
folgten aber nur in kleinen Schritten.<br />
Einer Fahrgastzählung vom Dezember<br />
1952 zufolge war die Nutzung der Siemensbahn<br />
in etwa nur noch halb so stark wie 1934.<br />
Dabei waren die Zustände in West-Berlin<br />
nicht signifikant schlechter als im Osten. Das<br />
dürfte auch daran gelegen haben, dass der Leiter<br />
der S-<strong>Bahn</strong>, Friedrich Kittlaus, ein parteiloser<br />
West-<strong>Berliner</strong> war. Er trat stets dafür ein, „seine“<br />
S-<strong>Bahn</strong> als einheitliches Ganzes zu behandeln.<br />
Mindestens vor dem Mauerbau kam ihm dabei<br />
zugute, dass die DDR sich mit dem Betrieb der<br />
S-<strong>Bahn</strong> als hilfreicher Dienstleister der West-<br />
<strong>Berliner</strong> darstellen konnte. Kittlaus war allerbestens<br />
vernetzt und kannte nicht nur Verkehrsminister<br />
Kramer persönlich, der die Hand<br />
über den oftmals eigenwilligen Macher hielt.<br />
Ein langjähriger Mitarbeiter erinnert sich<br />
an verschiedene Situationen, in denen Kittlaus<br />
offiziell oder inoffiziell Ost-Interessen bei<br />
West-Behörden vertrat. So nahm der Mitarbeiter<br />
in den 50er-Jahren auch an Gesprächen<br />
von Kittlaus bei Siemens teil. Dabei erreichte<br />
der S-<strong>Bahn</strong>-Chef, dass sich das Unternehmen<br />
an der Beseitigung der Kriegsschäden an<br />
der Siemensbahn nach Gartenfeld beteiligte<br />
und dabei auch Material für die Renovierung<br />
der <strong>Bahn</strong>steige bereitstellte. Bei dieser Gelegenheit<br />
lieferte Siemens auch die erste Neonröhrenbeleuchtung<br />
für <strong>Bahn</strong>höfe im S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Netz. Der Mitarbeiter wusste noch nach<br />
Jahrzehnten: „Wir wurden sogar im Gäste-Kasino<br />
bewirtet. Nach dem Essen gab es Kaffee.“<br />
So stellte Siemens 1953 der Reichsbahn<br />
den für die Wiederherstellung der Spreebrücke<br />
benötigten Stahl zur Verfügung. Es dauerte<br />
weitere zwei Jahre, bis die Reichsbahn<br />
Ende 1955 mit dem Wiederaufbau des zweiten<br />
Gleises begann. Erst am 2. Dezember<br />
1956 war die gesamte Strecke wieder durchgehend<br />
zweigleisig befahrbar. Einen Tag später<br />
wurde der durchgehende Zugverkehr zwischen<br />
dem Nordring und Gartenfeld wieder<br />
aufgenommen. Seitdem verkehrten die Züge<br />
zwischen Warschauer Straße und Gartenfeld,<br />
allerdings nur noch im 40-Minuten-Takt und<br />
meistens mit Halbzügen der Uraltbauart Ber-<br />
78
Die Siemensbahn nach 1945<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Signal- und Gleisplan der Siemensbahn zur Eröffnung 1929. Deutlich zu erkennen sind die Fahrwege<br />
im <strong>Bahn</strong>hof Jungfernheide sowie die Gleislage in Gartenfeld mit dem Abstellbahnhof. In<br />
Zeiten schwachen Verkehrs konnten die Signale D, E und 9 mit einem speziellen Bedienhebel<br />
(Umleithebel) im Stellwerk auf selbsttätigen Betrieb geschaltet werden Slg. Manuel Jacob<br />
Das Gleis in Richtung Gartenfeld führte unter<br />
dem Reiterstellwerk Gtf hindurch. Im Hintergrund<br />
der Personenbahnhof, um 1929<br />
Slg. Manuel Jacob, Manuel Jacob (r.)<br />
nau (ET 169). Jetzt diente der Abstellbahnhof<br />
Gartenfeld auch wieder zum Parken der tagsüber<br />
nicht benötigten Fahrzeuge.<br />
Der Niedergang nach dem Mauerbau<br />
Der Mauerbau am 13. August 1961 setzte der<br />
Siemensbahn stark zu. Fortan fehlten nicht<br />
nur die bisher aus dem Ostsektor angereisten<br />
Arbeitnehmer; auch viele West-<strong>Berliner</strong> mieden<br />
die S-<strong>Bahn</strong>. Wegen des S-<strong>Bahn</strong>-Boykotts<br />
richteten die <strong>Berliner</strong> Verkehrsbetriebe (BVG)<br />
mehrere parallel fahrende Buslinien ein, so<br />
auch erstmals eine Direktverbindung zwischen<br />
Wedding und Siemensstadt. Seit Mitte der<br />
60er-Jahre verkehrten stets Halbzüge (an den<br />
Wochenenden oftmals Viertelzüge) alle zehn<br />
Minuten. Infolge von Rationalisierungsmaßnahmen<br />
der Reichsbahn gab es seit dem 2. August<br />
1976 außerhalb der Hauptverkehrszeit lediglich<br />
einen 20-Minuten-Takt. Jetzt stiegen<br />
täglich nur noch rund 2.000 Fahrgäste in die<br />
Züge der Siemensbahn.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
Nach der Stilllegung der Strecke wurden die<br />
<strong>Bahn</strong>bauten teils anderweitig genutzt. Im<br />
Jahr 2000 hat eine Gärtnerei im <strong>Bahn</strong>hof<br />
Gartenfeld ihren Verkaufsraum eingerichtet<br />
Der Bau der heutigen U-<strong>Bahn</strong>-Linie 7<br />
(Britz Süd – Rathaus Spandau) war Mitte der<br />
70er-Jahre Anlass für die Reichsbahn, die Anlagen<br />
des S-<strong>Bahn</strong>hofs Jungfernheide zu vereinfachen.<br />
Der <strong>Bahn</strong>steig C wurde ab 16. Dezember<br />
1975 stillgelegt. Die Ringbahnzüge<br />
und die Züge nach Gartenfeld hielten ab jetzt<br />
am verbreiterten <strong>Bahn</strong>steig B. Wegen der entfallenen<br />
Kehrmöglichkeit fuhren die Gartenfelder<br />
Züge seitdem eine Station weiter bis<br />
Beusselstraße und wendeten dort.<br />
Aufgrund des Eisenbahnerstreiks vom September<br />
1980 in West-Berlin wurde neben anderen<br />
Strecken auch die Siemensbahn von der<br />
Reichsbahn stillgelegt. Da eine Wiederaufnahme<br />
des Verkehrs auf dieser inzwischen<br />
denkmalgeschützten Strecke nicht geplant ist,<br />
befinden sich die Anlagen seit über 30 Jahren<br />
im Dornröschenschlaf. Das Empfangsgebäude<br />
und Teile des <strong>Bahn</strong>steigs der Endstation<br />
Gartenfeld nutzt seit Jahren eine Gärtnerei.<br />
Manuel Jacob<br />
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79<br />
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Strecken und Stationen<br />
Ein S-<strong>Bahn</strong>-Zug passiert 1934 die Teltowkanal-Brücke bei Dreilinden, das größte Bauwerk der Strecke; vorn verläuft<br />
eine Treidelbahn. Rechts der Streckenverlauf; bei Stahnsdorf entfiel nach 1945 der Zusatz „Reichsbahn“<br />
Die „Friedhofsbahn“ von Wannsee nach Stahnsdorf<br />
Stillgelegt auf ewig?<br />
Die Strecke war nur 4,24 Kilometer kurz, aber sie hatte zwei Besonderheiten. Es handelte sich<br />
um eine eingleisige Verbindung, den Bau bezahlte im Wesentlichen die <strong>Berliner</strong> Stadtsynode.<br />
Im Jahr 1961 endete der Betrieb auf der „Friedhofsbahn“. Eine Wiederbelebung ist ungewiss<br />
Im Jahre 1902 erwarb die <strong>Berliner</strong> Stadtsynode<br />
für 1.044.000 Mark in der Nähe der<br />
Gemeinde Stahnsdorf 156 Hektar Waldland<br />
zur Anlage eines Zentralfriedhofs, da die<br />
damals noch selbstständigen Großstädte Charlottenburg<br />
und Schöneberg keine ausreichenden<br />
Bestattungsflächen mehr besaßen. Noch<br />
im November 1902 beantragte die Stadtsynode<br />
bei den Preußischen Staatseisenbahnen den<br />
Bau einer Eisenbahnstrecke vom <strong>Bahn</strong>hof<br />
Wannsee. Da sich aber die Eröffnung des Friedhofs<br />
bis zum 1. April 1909 verzögerte, wurde<br />
der Antrag erst einmal zu den Akten gelegt.<br />
Schließlich erklärte sich die Königliche Eisenbahndirektion<br />
(KED) Berlin im Jahr 1908<br />
bereit, den Betrieb und die Unterhaltung einer<br />
solchen Stichbahn zu übernehmen, wenn die<br />
Stadtsynode die Baukosten trage. Am 21. Oktober<br />
1909 schlossen Stadtsynode und KED<br />
Berlin einen entsprechenden Vertrag ab. Auf<br />
Kosten der Synode übernahm die KED Berlin<br />
demnach auch den Grunderwerb, die Genehmigungsverfahren<br />
und die Pflasterung der<br />
<strong>Bahn</strong>hofsplätze. Der Trassenbau sollte unter<br />
Aufsicht der KED Berlin geschehen, jedoch von<br />
der Stadtsynode organisiert werden. Ebenso war<br />
die Eisenbahn für die Ausstattung mit für die<br />
Betriebsführung erforderlichen Anlagen verantwortlich.<br />
Die Konzession legte weiterhin fest:<br />
„Die Eisenbahn wird vom Eröffnungstage an<br />
den Preußischen Staatseisenbahnen als unbeschränktes<br />
Eigentum zum Betriebe überlassen.“<br />
Für den <strong>Bahn</strong>bau wurden 1,7 Millionen<br />
Mark veranschlagt, zuzüglich 600.000 Mark<br />
für den Grunderwerb. Die <strong>Berliner</strong> Stadtsynode<br />
beauftragte die <strong>Berliner</strong> Firma Orenstein<br />
& Koppel mit den Erdarbeiten. Am 5. Juli<br />
1911 fand der erste Spatenstich am künftigen<br />
Endbahnhof Stahnsdorf statt, gelegen gegenüber<br />
dem Eingang des nunmehr als Südwestkirchhof<br />
bezeichneten Geländes.<br />
Am 2. Juni 1913 wurde die neue Verbindung<br />
mit einem Sonderzug vom Potsdamer <strong>Bahn</strong>hof in<br />
Berlin nach Stahnsdorf eröffnet. Tags darauf begann<br />
der reguläre Reise- und Güterverkehr. Auf<br />
der 4,24 Kilometer langen und als Hauptbahn<br />
betriebenen Strecke befand sich im Kilometer<br />
2,29 der Haltepunkt Dreilinden. Werktags fuhren<br />
zehn, sonntags 16 mit Dampflokomotiven<br />
der preußischen Gattung T 12 (spätere Baureihe<br />
74.4–13) bespannte Zugpaare auf der Relation<br />
Stahnsdorf – Wannsee – Erkner bzw. Friedrichshagen.<br />
Neben dem Ortsgüterverkehr, es<br />
verkehrte täglich ein Nahgüterzugpaar, hatten die<br />
Leichentransporte eine besondere Bedeutung; sie<br />
wurden von der Leichenhalle am <strong>Bahn</strong>hof Halensee<br />
aus in Güterwagen befördert. Bald hatte die<br />
Stichstrecke im Volksmund ihren Spitznamen<br />
weg: „Friedhofsbahn“.<br />
Modernisierung und Kriegsfolgen<br />
Ende der 20er-Jahre wurde die <strong>Bahn</strong> in das Projekt<br />
der „Großen Elektrisierung“ einbezogen. Am<br />
10. Juli 1928 fuhren die ersten elektrischen Züge<br />
nach Stahnsdorf. Neben einem zeitweiligen Pendelbetrieb<br />
zwischen Stahnsdorf und Wannsee<br />
80
Eisenbahn und Partisanen<br />
Nahe der Königsweg-Brücke liegt heute der einzige noch vorhandene<br />
Gleisrest der Strecke<br />
Im Jahr 1912 ist der Endbahnhof Stahnsdorf im Bau. Hier der Blick<br />
aus Richtung Wannsee<br />
verkehrte die S-<strong>Bahn</strong> auch auf den Relationen<br />
Friedrichshagen – oder Mahlsdorf – Stahnsdorf,<br />
zunächst werktags im 30-Minuten-Takt, sonnund<br />
feiertags im 20-Minuten-Takt, ab 1941<br />
dann durchgängig im 20-Minuten-Takt.<br />
Ab 1937 plante die Deutsche Reichsbahn,<br />
die Friedhofsbahn Wannsee – Stahnsdorf zweigleisig<br />
auszubauen und ab Stahnsdorf über Teltow<br />
Stadt nach Lichterfelde Süd fortzuführen.<br />
Die Erdarbeiten wurden auch begonnen, jedoch<br />
1942 kriegsbedingt eingestellt.<br />
Wegen der am Ende des Zweiten Weltkriegs<br />
gesprengten Teltowkanalbrücke zwischen Dreilinden<br />
und Stahnsdorf war zunächst kein durchgehender<br />
Verkehr möglich. Die S-<strong>Bahn</strong>-Züge<br />
vom provisorisch reaktivierten Potsdamer Ringbahnhof<br />
endeten und begannen in Dreilinden.<br />
Sie fuhren zunächst stündlich, ab Ende 1946 alle<br />
40 Minuten von und nach Friedrichstraße; wenig<br />
später begannen und endeten sie im unterirdischen<br />
Stettiner <strong>Bahn</strong>hof der Nord-Süd-<br />
S-<strong>Bahn</strong>. Insbesondere durch Finanzhilfe der<br />
<strong>Berliner</strong> Stadtsynode gelang in der Folgezeit die<br />
Instandsetzung der Teltowkanalbrücke. Vom<br />
27. Mai 1948 an fuhren die Züge wieder nach<br />
Stahnsdorf. Ab 8. Februar 1950 beschränkte<br />
sich der Betrieb aber auf einen Halbzug als Pendel<br />
zwischen Wannsee und Stahnsdorf.<br />
Im Zeichen des Ost-West-Konflikts<br />
Die wachsenden politischen Spannungen machten<br />
auch vor der Friedhofsbahn nicht Halt. Zum<br />
1. Juni 1952 verbot die DDR-Führung West-<br />
<strong>Berliner</strong> Bürgern, ohne Sondergenehmigung<br />
Landeskirche Berlin-Brandenburg auf Grundlage<br />
der Eigentums- und Konzessionsrechte<br />
durchgesetzt. Jedoch gab es jetzt im Haltepunkt<br />
Dreilinden einen Kontrollpunkt und die Fahrgäste<br />
mussten sich mit ihren Personalausweisen<br />
als Bürger der DDR oder Ost-Berlins ausweisen.<br />
Ebenso hielt die Deutsche Reichsbahn einen<br />
unregelmäßigen Bedarfsgüterverkehr aufrecht,<br />
denn Leichentransporte gab es nur noch<br />
selten. Gelegentlich erhielt die am <strong>Bahn</strong>hof<br />
Stahnsdorf in Kasernen untergebrachte Einheit<br />
Sowjetarmee Wagenladungen.<br />
Ab 1. Juni 1952 ließen Besuche aus West-Berlin<br />
nach; dafür brauchte man jetzt einen Passierschein<br />
das Gebiet der DDR zu betreten. Demzufolge<br />
ließen Besuche und Beisetzungen auf dem Südwestfriedhof<br />
nach, weil dafür nur zu besonderen<br />
Anlässen Passierscheine ausgestellt wurden.<br />
Vom 19. Januar 1953 bis zum 11. September<br />
1954 ruhte auf der Friedhofsbahn der S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Verkehr, angeblich wegen Bauarbeiten, die aber<br />
nie stattgefunden haben. Tatsächlich wurden bereits<br />
im Januar 1953 um West-Berlin herum geführte<br />
Omnibuslinien mit wesentlich längeren<br />
Fahrzeiten eingerichtet, welche die Anwohner zu<br />
benutzen hatten. Die Wiederaufnahme des<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Verkehrs wurde vermutlich von der<br />
So sah der Gleisplan des <strong>Bahn</strong>hofs Stahnsdorf im Jahr 1955 aus. Die gestrichelt dargestellten<br />
Gleise wurden nach 1945 entfernt<br />
Abb.: Slg. Wolf-Dietger Machel bzw. Wolf-Dietger Machel<br />
In der Nacht zum 13. August 1961, mit dem<br />
Mauerbau, wurden der S-<strong>Bahn</strong>-Verkehr eingestellt<br />
und die Strecke stillgelegt. Gleich darauf ließ<br />
die Reichsbahndirektion Berlin Teile der Stromschiene<br />
abbauen, um sie für den Bau der Ergänzungsstrecken<br />
in und um Berlin zu verwenden.<br />
1964 entfernte eine Gleisbaurotte einen Teil der<br />
Schienen, ein Kommando der Nationalen Volksarmee<br />
beseitigte im Juli 1976 das mittlerweile<br />
völlig verfallene Stahnsdorfer Empfangsgebäude.<br />
Heute erinnern an die Friedhofsbahn noch<br />
verschiedene Trassenabschnitte und insbesondere<br />
die Teltowkanalbrücke, die bis 1989 von den<br />
Grenztruppen der DDR als Kolonnenweg genutzt<br />
wurde, jetzt aber nicht mehr begehbar ist.<br />
Ideen der Wiederbelebung<br />
Schon Anfang 1990 gab es erste Bürgerinitiativen<br />
zur Reaktivierung der Friedhofsbahn, großteils<br />
unterstützt von Anliegergemeinden. Das geringe<br />
Verkehrsaufkommen zwischen Wannsee<br />
und Stahnsdorf rechtfertigt den Wiederaufbau<br />
der Strecke aber nicht mehr. Deshalb wird die<br />
Verlängerung über Stahnsdorf hinaus bis nach<br />
Teltow auf der seit Ende der 30er-Jahre dafür<br />
freigehaltenen Trasse gefordert, zumal die 2005<br />
eröffnete S-<strong>Bahn</strong>-Strecke Lichterfelde Süd – Teltow<br />
Stadt auf einem Teil dieser Linie verläuft.<br />
Von 2005 bis 2010 prozessierte die Evangelische<br />
Kirche Berlin-Brandenburg in mehreren<br />
Instanzen gegen die Deutsche <strong>Bahn</strong> AG mit der<br />
Forderung, die Friedhofsbahn umgehend wieder<br />
in Betrieb zu nehmen, da die <strong>Bahn</strong> nach 1909 geschlossenem<br />
Vertrag dazu verpflichtet sei. Am<br />
22. Dezember 2010 entschied das Verwaltungsgericht<br />
Berlin, dass die Kirche keinen Anspruch<br />
auf den Betrieb der Friedhofsbahn hat, da deren<br />
Stilllegung auf eine politische Entscheidung der<br />
DDR-Führung zurückzuführen sei. Einen Berufungsantrag<br />
der Kirche lehnte das Oberwaltungsgericht<br />
Berlin am 4. Juli 2012 ab. Damit ist<br />
ein S-<strong>Bahn</strong>-Lückenschluss Wannsee – Stahnsdorf<br />
– Teltow Stadt in weite Ferne gerückt.<br />
Wolf-Dietger Machel<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
81
Erinnerungen<br />
Der direkte Vergleich bringt es an den Tag. Rechts der Stadtbahnwagen mit den höher gezogenen Türfenstern, aus denen der junge Sigurd nicht nach<br />
draußen schauen konnte. Links der Olympia-Zug, der mit seinen heruntergezogenen Türfenstern den Blick nach draußen eröffnete Slg. Sigurd Hilkenbach (4)<br />
Ein Leben mit der S-<strong>Bahn</strong><br />
Siedlerkarten und<br />
elegante Züge<br />
Sigurd Hilkenbach, geboren 1931, ist mit der S-<strong>Bahn</strong> aufgewachsen. In Stadtbahn-Zügen ging es<br />
hinaus zum Gartengrundstück in „Neu-Venedig“, in Olympia-Zügen konnte er auch vom Türraum<br />
aus die Welt draußen bestaunen. Die S-<strong>Bahn</strong>-Begeisterung hält bis heute an<br />
„Siedlerkarte“<br />
hieß umgangssprachlich<br />
die<br />
Fahrkarte „ins<br />
Jrüne“. Ihr Vorteil<br />
für Sigurd<br />
Hilkenbach:<br />
Fahrt zum halben<br />
Preis zum<br />
Gartengrundstück<br />
in Neu-<br />
Rahnsdorf<br />
Als Dauerfahrgast, der jede Fahrt intensiv<br />
genoss, hatte ich seit der Kindheit<br />
unsere S-<strong>Bahn</strong> ins Herz geschlossen.<br />
Die Fahrten zu unserem Wochenendgrundstück<br />
in Neu-Venedig begannen schon zu<br />
Ostern in jedem Jahr; freitags hin und am<br />
Sonntagabend zurück in die Stadt. Die großen<br />
Ferien verbrachten wir, das waren ich, meine<br />
beiden Brüder und unsere unentbehrliche<br />
Oma, natürlich den Sommer über in diesem<br />
kleinen Paradies zwischen Müggel- und Dämeritzsee.<br />
Unsere Stammverbindung war die<br />
Erkner-Strecke: Nummer 100 im Kursbuch,<br />
von Lehrter Stadtbahnhof bis Wilhelmshagen.<br />
Die Fahrzeit betrug 43 Minuten, und daran<br />
hat sich auch Jahrzehnte lang nichts geändert.<br />
Wir alle besaßen ein wertvolles Dokument,<br />
die so genannte Siedlerkarte, die im schönen<br />
82
Ein Leben mit der S-<strong>Bahn</strong><br />
Beamtendeutsch „Bescheinigung<br />
zur Erlangung<br />
der Fahrpreisermäßigung<br />
für<br />
Kleingärtner“ hieß<br />
und die uns berechtigte,<br />
für den halben<br />
Preis S-<strong>Bahn</strong> zu fahren!<br />
Allerdings nur<br />
auf dem schriftlich<br />
vermerkten Streckenabschnitt<br />
und nur in<br />
der 3. Klasse.<br />
Schnelle Verbindung<br />
nach<br />
Neu-Rahnsdorf<br />
Die <strong>Bahn</strong>, die noch<br />
gar nicht S-<strong>Bahn</strong> hieß, fuhr ab Juni 1928 elektrisch<br />
von Potsdam nach Erkner über die<br />
Stadtbahn. Obwohl dieser prägnante Kurzname<br />
bereits Ende 1930 erfunden worden war,<br />
erschien er erst viel später auch auf den Fahrkarten<br />
und Plänen. Bis dahin hieß es immer<br />
noch etwas umständlich „<strong>Berliner</strong> Stadt-,<br />
Ring- und Vorortbahnen“. Diese schnelle<br />
<strong>Bahn</strong>verbindung war sicher für meine Eltern<br />
1929 auch ein Anreiz zum Kauf des Grundstücks<br />
in den sumpfigen Wiesen Neu-Rahnsdorfs<br />
gewesen, obwohl die Kanäle, die die<br />
Siedlung erst zu „Neu-Venedig“ machten,<br />
noch gar nicht ausgebaggert waren. Wir waren<br />
die zweiten Siedler!<br />
Meine Erinnerungen an die S-<strong>Bahn</strong> gehen<br />
zurück bis etwa Mitte der 30er-Jahre. Der<br />
Fußweg vom <strong>Bahn</strong>hof Wilhelmshagen nach<br />
Neu-Venedig war nicht schwer zu bewältigen,<br />
da wir meist nur leichtes Gepäck hatten. Eine<br />
Buslinie vom <strong>Bahn</strong>hof bis zur Fürstenwalder<br />
Allee gab es noch nicht: Der vorhandene 22er<br />
von Rahnsdorf nach Hessenwinkel fuhr „glatt<br />
durch“, also ohne die Stichfahrt zur S-<strong>Bahn</strong><br />
wie heute. Aber der Rückweg! Unser schöner<br />
Garten warf auch einiges an Früchten ab, und<br />
ein abendlicher Rückmarsch zum <strong>Bahn</strong>hof<br />
mit einem oder zwei Körben voller Äpfel und<br />
Birnen („Gute Luise“) oder Pflaumen, das war<br />
für uns Knaben schon eine schwere Last und<br />
eine echte Herausforderung.<br />
Zu jener Zeit fuhren auf der Linie nach<br />
Erk ner ausschließlich Fahrzeuge der Baureihe<br />
165, die „Stadtbahner“. Deren gemütliches Gesicht<br />
mit der einen Stirnlampe in der Mitte und<br />
den „Fühlern“ auf dem Dach (Fachausdruck:<br />
mer wie eine<br />
kleine Reise genossen.<br />
Musste<br />
ich einmal wegen<br />
großen<br />
Andrangs im<br />
Türraum stehen,<br />
so war das<br />
unerfreulich, denn an Rausgucken war da<br />
nicht zu denken: Ich war noch zu klein! Die<br />
Fenster in den Türen waren beim Stadtbahnwagen<br />
nämlich etwas kleiner und ihre Unterkante<br />
befand sich über meinen Augen.<br />
Das gemütliche Gesicht der „Stadtbahner“ mit der<br />
einen Stirnlampe in der Mitte war mir bald vertraut<br />
Zugschluss-Signallampen) war mir bald vertraut.<br />
Wir stiegen gern in den letzten Wagen ein,<br />
der war noch verhältnismäßig leer, da ja Wilhelmshagen<br />
der erste Halt auf der Fahrt von<br />
Erkner war. Ein Sitzplatz kam für mich sowieso<br />
nicht in Frage, da saß Oma oder manchmal<br />
auch Mutter oder Vater, aber ich konnte wenigstens<br />
rausgucken. Ich habe die Fahrten im-<br />
Werbung für die Gartenanlage „Neu-Venedig“,<br />
in der die Eltern Sigurd Hilkenbachs<br />
Ende der 20er-Jahre ein Grundstück erwarben.<br />
Der schnelle Anschluss mit der<br />
Stadtbahn bzw. später S-<strong>Bahn</strong> war ein<br />
wesentliches Argument für diesen Kauf<br />
Ein Treffen mit Johanna<br />
Etwa 1938 geschah ein Wunder: Ich konnte<br />
durch das Türfenster sehen! Was war geschehen?<br />
War ich wohl schnell gewachsen? Beim Aussteigen<br />
am Lehrter <strong>Bahn</strong>hof kam die Erklärung:<br />
Das war ein neuer Zug mit größeren Fenstern<br />
in den Türen! Ein unglaublich elegantes Fahrzeug<br />
mit runder Stirnfront, fast wie der „Fliegende<br />
Hamburger“. Eine freudige Überraschung,<br />
die neue Baureihe 167! Nun strebte ich<br />
immer zu der Tür im letzten Wagen, denn da<br />
gab es am <strong>Bahn</strong>hof Friedrichstraße etwas Besonderes<br />
zu sehen. Manchmal hielt nämlich der<br />
Zug so, dass sich die hinterste Tür am Zugende<br />
noch außerhalb der <strong>Bahn</strong>hofshalle befand,<br />
und mich faszinierte am Abend ein besonderes<br />
Schauspiel: An einer Hauswand hinter der Weidendammer<br />
Brücke wusch riesengroß eine wackere<br />
Waschfrau mit Dutt und kräftigen Armen<br />
in perlenden Schaumwolken mit einem neuen<br />
Waschmittel, und das hieß „Fewa“! Das war<br />
neu, und Leuchtreklamen in dieser Größe waren<br />
noch eine Seltenheit. Inzwischen weiß ich<br />
auch, dass „Fewa“ 1932 in Chemnitz erfunden<br />
wurde und das erste vollsynthetische Waschmittel<br />
der Welt war. Die Produktion begann<br />
1938, und da entstand auch diese leuchtende<br />
und perlende Hauswand mit der waschenden<br />
Waschfee, und die hieß „Johanna“! Die Erinnerung<br />
an diese Lichtspiele ist bei mir bis heute<br />
lebendig. An der Stelle dieses Gebäudes am<br />
Schiffbauerdamm steht heute ein moderner<br />
Glasbau mit dem Namen „Spreekarree“.<br />
Der Erkner-Strecke, Teil der 1842 eröffneten<br />
Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn, wurde<br />
1945 ein von anderen S-<strong>Bahn</strong>-Strecken sich<br />
unterscheidendes Schicksal zuteil: Beide<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Gleise wurden demontiert! Dafür blieben<br />
beide Fernbahngleise liegen. Warum wohl?<br />
Weil auf ihnen in dichter Folge die endlosen<br />
Güterzüge mit Reparationsgut in Richtung Osten<br />
und weiter in die unendlichen Weiten der<br />
Sowjetunion fuhren, und da reichte ein Gleis<br />
natürlich nicht aus.<br />
Ersatzzüge und S-<strong>Bahn</strong>-Rückkehr<br />
Doch die Menschen in Wilhelmshagen und<br />
Neu-Venedig wollten ja auch wieder S-<strong>Bahn</strong><br />
fahren. Fantasie und Improvisation waren gefragt.<br />
Und so wurden an den wichtigsten Stationen,<br />
darunter Wilhelmshagen, Behelfsbahnsteige<br />
in Form von hölzernen Rampen vom<br />
S-<strong>Bahn</strong>steig herunter zu den Fernbahngleisen<br />
gebaut, an denen die als Ersatz eingesetzten<br />
Dampfzüge hielten. Im November 1948 hatte<br />
dieses betriebliche Intermezzo ein Ende. Seitdem<br />
fahren wieder die elektrischen Züge meiner<br />
geliebten S-<strong>Bahn</strong> bis nach Erkner, gleich<br />
hinter der Stadtgrenze, mit neuen, wenn auch<br />
nicht unbedingt schönen Zügen.<br />
Ich bin froh und dankbar, dass mich diese<br />
großartige <strong>Bahn</strong> mein ganzes Leben begleitet<br />
hat. Und ich finde immer noch, dass das Erscheinungsbild<br />
eines Olympiazuges in der<br />
Schönheit einer perfekt gelungenen ästhetischen<br />
Formgebung unübertroffen ist. Nicht<br />
zuletzt, weil mir diese Konstruktion als jungem<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Fahrgast und -Fan durch ihre<br />
großen Türfenster einen freien Blick in die<br />
Welt ermöglicht hat.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013 83
Strecken und Stationen<br />
Die Karte von 1924 zeigt die Ringbahn mit den Kopfbahnhöfen im Zustand von 1877. Die schraffierten Flächen deuten die Ausdehnung bebauter<br />
Stadtteile an<br />
Slg. Manuel Jacob<br />
Die Ringbahn<br />
Seit 1872 ringsherum<br />
Als auf der <strong>Berliner</strong> Ringbahn am 1. Januar 1872 der Personenverkehr begann, verband sie in<br />
erster Linie die Fernbahnhöfe vor den Toren der Stadt. Seitdem ist ihre Bedeutung – mit zeit -<br />
weiliger Unterbrechung während der Teilung – weiter gewachsen<br />
Das Eisenbahnzeitalter begann in Berlin<br />
im Jahr 1838. Nach der ersten<br />
Strecke nach Potsdam wurden in kurzen<br />
Abständen weitere Strecken in Betrieb genommen.<br />
Allen gemeinsam war, dass die <strong>Berliner</strong><br />
Endbahnhöfe seinerzeit vor den Toren<br />
der Stadt lagen. Den Anschluss stellte ab 1851<br />
die „Verbindungsbahn“ her. Diese eingleisige<br />
Strecke führte entlang der Stadtmauer ebenerdig<br />
durch die Straßen Berlins und war schon<br />
bald ein großes Ärgernis. Die Züge behinderten<br />
selbst den damals noch schwachen Straßenverkehr<br />
und der Rauch der Lokomotiven<br />
belästigte die Anwohner. Diese Missstände<br />
führten zum Bau einer „richtigen“ leistungsfähigen<br />
Verbindungsbahn, die in genügendem<br />
Abstand um Berlin herumführen sollte. Sie<br />
war von vornherein so trassiert, dass sie in der<br />
Regel über oder unter dem Straßenniveau lag.<br />
Auf ferne Sicht bestand die Option, sie auf vier<br />
Gleise auszubauen. Als der Personenverkehr<br />
auf dem mehr als 25 Kilometer langen, östlichen<br />
Abschnitt zwischen den <strong>Bahn</strong>höfen<br />
Moabit und Schöneberg über das heutige<br />
Eine Verbindungsbahn erschloss ab 1851 die <strong>Bahn</strong>höfe<br />
von Berlin. Aus ihr wurde die Ringbahn<br />
Ostkreuz am 1. Januar 1872 eröffnet wurde,<br />
lagen allerdings meist erst zwei Gleise. Der<br />
kurze Abschnitt zwischen Tempelhof und<br />
84
Die Ringbahn<br />
Am 15. Juni 2002 wird der Vollring geschlossen; den Eröffnungszug führt 485 070 mit versuchsweise eingebauter einteiliger Frontscheibe (l.).<br />
Damit sind die Arbeiten aber nicht beendet. So baut man den verwinkelten Umsteigebahnhof Papestraße in den Jahren 2002 bis 2006 unter<br />
Zuhilfenahme der Gütergleise zum <strong>Bahn</strong>knoten Südkreuz aus (r., Bild von 2002) Manuel Jacob (2)<br />
Schöneberg war zunächst sogar nur eingleisig.<br />
Als der Ring in westlicher Richtung zwischen<br />
Moabit und Schöneberg am 15. November<br />
1877 geschlossen wurde – seine gesamte Länge<br />
betrug nun 36 Kilometer –, war die Entwicklung<br />
der Eisenbahnen im <strong>Berliner</strong> Raum<br />
so weit fortgeschritten, dass elf Strecken mit<br />
ihren Kopfbahnhöfen vor den Toren Berlins<br />
endeten.<br />
Trotzdem war der Andrang anfangs noch<br />
sehr gering: Zehn Jahre nach der Eröffnung<br />
verkehrten täglich etwa zehn Züge auf dem<br />
Ring, lag die Strecke doch immer noch weit<br />
draußen vor der Stadt.<br />
Der Stadt- und Ringbahnverkehr<br />
Das änderte sich mit der 1882 eröffneten<br />
Stadtbahn. Sie war von vornherein so angelegt<br />
worden, dass sie mit der Ringbahn ein Verkehrssystem<br />
bildete. Die nun täglich verkehrenden<br />
16 bis 19 Ringzüge fuhren ausnahmslos<br />
als Halbringzüge über die Stadtbahn und<br />
von dort weiter zu den anschließenden Vorortstrecken.<br />
Bis 1927, ein Jahr vor der Einführung<br />
des elektrischen Zugbetriebes, war<br />
Berlin und damit auch der Eisenbahnverkehr<br />
soweit angewachsen, dass das Ableiten der<br />
Stadtbahnzüge zum Nord- oder Südring einen<br />
hervorragenden Ausgleich zwischen der stark<br />
frequentierten, mitten durch Berlin verlaufenden<br />
Stadtbahn und den immer noch<br />
schwächer besiedelten Ortschaften im Bereich<br />
der Ringbahn schuf. Während 1927 in der<br />
Stunde stärksten Werktagsverkehrs 22 Züge<br />
die Stadtbahn in einer Richtung befuhren, waren<br />
es auf der Ringbahn zwischen zwölf und<br />
15 Züge. Davon befuhren sechs den gesamten<br />
Ring, allerdings mit Kopfmachen im Potsdamer<br />
Ringbahnhof. Die Umlaufzeit der<br />
Dampfzüge betrug seinerzeit knapp 120 Minuten.<br />
Inzwischen war der Personen- vom Güterverkehr<br />
auf dem Ring auf seiner gesamten<br />
Länge durch viergleisigen Ausbau getrennt<br />
worden.<br />
Mit der Einführung des elektrischen Betriebs<br />
auf der Ringbahn im Frühjahr 1929<br />
blieben die unterschiedlichen Zugläufe erhalten.<br />
Die Vollringzüge über Potsdamer <strong>Bahn</strong>hof<br />
benötigten jetzt nur noch 75 Minuten für<br />
eine Tour. In der Stunde stärksten Werktags-<br />
Umsteigen im <strong>Bahn</strong>hof Westkreuz im April 1937. Der Verkehr auf der Ringbahn und der Verkehr<br />
auf der Stadtbahn eine Etage tiefer waren betrieblich miteinander verknüpft Slg. Dr. Brian Rampp<br />
Das Pendant zum <strong>Bahn</strong>hof Westkreuz ist auf Ost-<strong>Berliner</strong> Seite nicht nur des Namens wegen<br />
der <strong>Bahn</strong>hof Ostkreuz. Dort hält 1987 ein „Olympiazug“ auf der Ringbahnstrecke K. Koschinski<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
85
Strecken und Stationen<br />
So waren die Zugläufe zwischen Stadt- und Ringbahn im Jahr 1930 verknüpft. Die reinen Ringzüge<br />
fuhren bis zum Winter 1943/44 zum Potsdamer Ringbahnhof und machten dort Kopf.<br />
Slg. Manuel Jacob<br />
verkehrs fuhren 1930 auf dem Nordring<br />
20 Züge sowie zwölf bzw. 17 Züge auf dem<br />
Südring. Dieses Betriebskonzept änderte sich<br />
grundsätzlich erst im Kriegswinter 1943/44,<br />
als die betriebliche Einheit von Stadt- und<br />
Ringbahn aufgegeben wurde.<br />
Die Entwicklung nach dem Krieg<br />
Nach den erheblichen Kriegszerstörungen<br />
diente das zweite Halbjahr 1945 zunächst einmal<br />
dem schrittweisen Wiederaufbau. Bereits<br />
Anfang Feb ruar 1946 wurde der vorletzte eingleisige<br />
Streckenabschnitt beseitigt, so dass ein<br />
Vollringverkehr – allerdings mit Umsteigen in<br />
Treptower Park – im 20-Minuten-Takt wieder<br />
möglich war. Die letzte Engstelle verschwand<br />
In Kürze: Fahrzeiten auf dem wieder kompletten<br />
Ring, Stand 2002<br />
Slg. Felix Walther<br />
STICHWORT: VOLLRINGBETRIEB<br />
Als die S-<strong>Bahn</strong>-Verantwortlichen im Winter<br />
1943/44 die Koppelung des Ringbahnverkehrs<br />
mit dem Stadtbahn ver kehr<br />
aufgaben, erhöhten sie damit die Betriebs stabilität.<br />
Einem internen Schreiben zufolge war<br />
das Ergebnis erfreulich. Trotzdem ist ein reiner<br />
Vollringverkehr nicht ohne Tücken. Weil die<br />
<strong>Bahn</strong>en pausenlos ihre Kreise ziehen, damit<br />
kein Fahrgast an irgendeiner Station Wartezeiten<br />
in Kauf nehmen muss, ist die Stör- und<br />
Verspätungsanfälligkeit höher als auf klassischen<br />
Linien. Dort nämlich können die Wendezeiten<br />
an den Endpunkten auch zum<br />
Verspätungsabbau genutzt werden. Weil es auf<br />
der Ringbahn schlicht keinen Endpunkt gibt,<br />
gibt es auch diese Pufferzeiten nicht. Bis zum<br />
Mauerbau waren die Fahrzeiten verhältnismäßig<br />
entspannt. Eine Ringumrundung von 70 Minuten<br />
enthielt laut Fahrplan 57 Minuten reine<br />
Fahrzeit und 13 Minuten Haltezeiten. Da diese<br />
zur Anschlussgewährung großzügig bemessen<br />
waren, konnten geübte Triebfahrzeugführer einige<br />
Minuten Verspätung pro Runde aufholen.<br />
Auch wenn die heutigen Züge schneller als die<br />
Vorkriegsmodelle sind, fehlen jetzt nicht nur<br />
zehn Minuten Fahrzeit. Es gibt auch kaum<br />
noch örtliches Personal, das regulierend eingreifen<br />
könnte. Ist ein Zug erstmal verspätet,<br />
wächst das Problem wie eine Lawine an: Mit<br />
jeder Minute, die der Zug später auf den <strong>Bahn</strong>höfen<br />
eintrifft, steigt die Anzahl der Menschen,<br />
die mitfahren wollen. Das führt zu längeren<br />
Aufenthalten, insbesondere, wenn es bereits<br />
Gedränge in überfüllten Zügen gibt. MJ<br />
im Mai. Nun fuhren die Ringzüge wieder im<br />
Kreis, und zwar alle zehn Minuten. Wegen der<br />
schlechten Gleise dauerte die Fahrt bis 1948<br />
90 Minuten. Mit dem Fahrplanwechsel ab<br />
Mai 1952 konnte die Umlaufzeit auf 70 Minuten<br />
gesenkt werden.<br />
Im Herbst 1951 wurde die Verbindungskurve<br />
zum Nordring am Ostkreuz und im November<br />
1958 die Kurve von Charlottenburg<br />
nach Halensee zum Südring wieder in Betrieb<br />
genommen. Nun gab es bis zum Mauerbau<br />
auch wieder einen Zuglauf Mahlsdorf – Stadtbahn<br />
– Südring – Grünau.<br />
Da der Nord-Süd-S-<strong>Bahn</strong>-Tunnel nach<br />
dem Mauerbau am 13. August 1961 für das<br />
östliche Netz nicht mehr zur Verfügung stand,<br />
musste der Ostring die Nord-Süd-Verbindung<br />
mit übernehmen. Nachdem die notwendigen<br />
Netzergänzungen bis Mitte 1962 betriebsbereit<br />
waren, fuhren die Ostringzüge zwischen<br />
Bernau und Oranienburg im Norden und der<br />
Stadtbahn sowie Flughafen Schönefeld und<br />
Grünau im Süden. 15 Züge pro Stunde rollten<br />
im Jahr 1986 über diesen Streckenabschnitt.<br />
Der West-<strong>Berliner</strong> „Sonderweg“<br />
Durch die Netztrennung wurde die westliche<br />
Ringbahn auf den Abschnitt Gesundbrunnen<br />
– Sonnenallee beschränkt. In der Regel<br />
fuhren die Züge alle zehn Minuten. Nach<br />
dem Streik der West-<strong>Berliner</strong> Eisenbahner<br />
im September 1980 ruhte der Verkehr hier<br />
aber auf Dauer. Im Zusammenhang mit der<br />
Abgabe der Betriebsrechte durch die Reichsbahn<br />
in West-Berlin am 9. Januar 1984 erstellte<br />
der Senat ein Betriebskonzept. Danach<br />
sollte mittelfristig ein Netz von 131 Kilometern<br />
Länge betrieben werden, wozu auch<br />
die Ringbahn gehörte.<br />
Kurz vor dem Mauerfall und unabhängig<br />
von der bevorstehenden politischen Entwicklung<br />
begann die BVG im September<br />
1989 mit dem Wiederaufbau des Südrings.<br />
Ursprünglich war geplant, die bis 1980 betriebene<br />
Strecke zur Sonnenallee zu reaktivieren.<br />
Durch die Wiedervereinigung stellte<br />
sich jedoch die Frage nach der günstigsten<br />
Anbindung an das östliche S-<strong>Bahn</strong>-Netz.<br />
Weil man dies aus bautechnischen Gründen<br />
besser über den Streckenzweig Köllnische<br />
Heide – Baumschulenweg realisieren konnte,<br />
wurden die Pläne entsprechend geändert.<br />
Am 17. Dezember 1993 war es dann soweit:<br />
Der Ringbahnabschnitt von Westend bis<br />
Neukölln und weiter nach Baumschulenweg<br />
ging wieder in Betrieb. Die Linien S 45 und<br />
S 46 verbanden West-Berlin mit den südöstlichen<br />
Zielen Flughafen Schönefeld und<br />
Grünau.<br />
Der Vollring entsteht neu<br />
In der Folgezeit ging der Ring schrittweise seiner<br />
Vollendung entgegen. Die Etappen hießen<br />
• Westend – Jungfernheide (15. April 1997),<br />
• Neukölln – Treptower Park (18. Dezember<br />
1997),<br />
• Jungfernheide – Westhafen (19. Dezember<br />
1999),<br />
86
Die Ringbahn nach 1945<br />
• Gesundbrunnen – Schönhauser Allee<br />
(17.9.2001).<br />
Der ultimative Lückenschluss vom Westhafen<br />
nach Gesundbrunnen am 15. Juni 2002 über die<br />
Station Wedding wurde von der S-<strong>Bahn</strong> GmbH<br />
mit dem Wortspiel „Wedding-Day“ (eigentlich<br />
englisch für: Hochzeitstag) gefeiert. Weil man seinerzeit<br />
noch mit einer Fahrzeit von 63 Minuten<br />
für eine Ringumrundung rechnete, gab es zunächst<br />
noch keinen Vollringverkehr, sondern ein<br />
so genanntes Schneckenkonzept. Danach fuhren<br />
die Züge von den Endbahnhöfen Spindlersfeld,<br />
Flughafen Schönefeld und Königs Wusterhausen<br />
auf den Ring und endeten nach mehr als einer<br />
Runde in Hermannstraße und Westend.<br />
Nach dem Verschwinden von fahrzeitkritischen<br />
Baustellen ist mit den modernen Fahrzeugen<br />
der Baureihe 481 eine Ringfahrt in<br />
60 Minuten möglich. Deshalb wird die Ringbahn<br />
seit dem 28. Mai 2006 wieder nach dem<br />
Vollringkonzept befahren. Die Ringbahn verläuft<br />
inzwischen mitten durch Berlin und bildet<br />
den Bereich der Umweltzone ab. Sie verbindet<br />
die vielen Subzentren Berlins nicht nur<br />
„Wedding Day“ am 15. Juni 2002: In Wedding fand<br />
der letzte Lückenschluss auf der Ringbahn statt<br />
direkt, sondern auch indirekt. Denn 17 der<br />
27 Ringbahnstationen sind Umsteigebahnhöfe<br />
zu anderen S- und U-<strong>Bahn</strong>-Strecken. Ihre<br />
Lage wurde beim Wiederaufbau teilweise geändert,<br />
um das Umsteigen zu erleichtern. Und<br />
so kann man auch nach 140 Jahren „ringsherum“<br />
fahren – auf einer Strecke, die inzwischen<br />
mächtig an Bedeutung gewonnen hat.<br />
Manuel Jacob<br />
Vom Funkturm aus lässt sich die Ringbahn ein<br />
gutes Stück weit verfolgen. Im Juni 1994 sind<br />
zwei Züge der Baureihe 485 bei Berlin-Westkreuz<br />
unterwegs; in West-Ost-Richtung rollt zur<br />
gleichen Zeit ein D-Zug Bernd Oliver Sydow<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
87
Strecken und Stationen<br />
Die Flughafenstrecken nach Schönefeld und nach Berlin-Brandenburg<br />
Züge für Flüge<br />
Anfang der 60er-Jahre wurde der Zentralflughafen in Schönefeld mit einer teilweise neu gebauten<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Strecke an Berlin angeschlossen. Jetzt gibt es wieder einen Streckenneubau, und zwar für<br />
den neuen Großflughafen BER. Allein: Die S-<strong>Bahn</strong> ist fertig, der Flughafen nicht ...<br />
Als die Deutsche Lufthansa der DDR am<br />
27. April 1955 von der Sowjetarmee zunächst<br />
den südlichen Teil des ehemaligen<br />
Henschel-Werkflugplatzes in Schönefeld<br />
übernahm, stand fest, dass dieser zivil genutzt<br />
und erweitert werden sollte. Als am 4. Februar<br />
1956 der internationale und am 16. Juni<br />
1957 der Binnenflugverkehr begannen, fehlte<br />
aber noch eine gute Anbindung. Immerhin<br />
war der Flughafen 22 Kilometer vom <strong>Berliner</strong><br />
Stadtkern entfernt. Daher plante man eine<br />
elektrische S-<strong>Bahn</strong>-Strecke vom Grünauer<br />
Kreuz auf der Trasse des Güteraußenrings bis<br />
Schönefeld (b Bln). Der Bau sollte 1962 beginnen.<br />
Zugleich sah man eine Schnellstraße<br />
vom Adlergestell aus vor. Der <strong>Bahn</strong>hof Schönefeld<br />
(b Bln) – bislang nur Kontrollbahnhof,<br />
auf dem aber Fluggäste ein- und aussteigen<br />
durften – sollte Mittler zwischen Schienenund<br />
Luftverkehr sein. Wegen einer möglichen<br />
Weiterführung der S-<strong>Bahn</strong> nach Rangsdorf<br />
waren in Schönefeld nördlich oder südlich<br />
vom Fernbahnhof S-<strong>Bahn</strong>steige vorgesehen.<br />
Sofortprogramm 1961<br />
Mit dem Mauerbau am 13. August 1961 mussten<br />
die Pläne kurzfristig umgesetzt werden. Der<br />
ehemalige Kontrollbahnhof Schönefeld sollte<br />
jetzt zum wichtigen Umsteigepunkt für Flugreisende<br />
werden. Der Bau der neuen S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Strecke begann Ende September 1961 und gestaltete<br />
sich kompliziert, unter anderem bei den<br />
Gleisführungen am Grünauer Kreuz, wo noch<br />
die Schnellstraße durchgebunden<br />
werden musste.<br />
Alle drei neuen S-<strong>Bahn</strong>höfe der Flughafenbahn<br />
stattete man erstmals mit Passimetergebäuden<br />
aus: Darin verkaufte eine Person Fahrausweise,<br />
kontrollierte und entwertete sie vor<br />
dem <strong>Bahn</strong>steigzugang. Zugleich diente dieser<br />
Abfertigungstrakt dem geschützten Aufenthalt<br />
der Fahrgäste; Überdachungen oder Warteräume<br />
auf den <strong>Bahn</strong>steigen gab es anfangs<br />
nicht. Südlich des Grünauer Kreuzes entstand<br />
für die <strong>Bahn</strong>stromversorgung ein Unterwerk.<br />
Am 26. Februar 1962 wurden die S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Strecke Grünauer Kreuz – Schönefeld in Betrieb<br />
Von 1962 an fuhren S-<strong>Bahn</strong>en zum Flughafen in<br />
Schönefeld. Der <strong>Bahn</strong>hof blieb aber ein Provisorium<br />
genommen und der <strong>Bahn</strong>hof Schönefeld (b Bln)<br />
für den Reiseverkehr geöffnet. Vom 25. März<br />
1962 an hieß er Zentralflughafen Schönefeld, ab<br />
15. Juli 1962 Zentralflughafen Berlin-Schönefeld,<br />
ab 1. Juni 1976 Flughafen Berlin-Schönefeld. Der<br />
S-<strong>Bahn</strong>hof Falkenhöhe wurde erst am 27. Mai<br />
1962 unter dem Namen Grünbergallee eröffnet.<br />
Im Grünauer Kreuz und in Schönefeld entstanden<br />
für die S-<strong>Bahn</strong> neue Gleisbildstellwerke<br />
der Bauform GS II DR. Zum S-<strong>Bahn</strong>-Gleisbildstellwerk<br />
Grünauer Kreuz, das am 22. Mai 1963<br />
in Betrieb ging, gehörten auch Altglienicke und<br />
die dazwischen befindliche eingleisige Strecke.<br />
Der <strong>Bahn</strong>hof in Schönefeld<br />
blieb ein für<br />
die Reisenden<br />
unbefriedigendes<br />
Provisorium. Zwar entstand noch 1962<br />
ein bescheidenes Abfertigungsgebäude mit Auskunft,<br />
Fahrkartenausgabe und Gepäckabfertigung,<br />
der Bau moderner Anlagen wurde aber<br />
immer wieder verschoben.<br />
Betriebliche Probleme gab es durch den eingleisigen<br />
Abschnitt Abzweig Grünauer Kreuz –<br />
Altglienicke. Erst Ende 1985 begann der Ausbau,<br />
am 29. Juni 1987 dann der zweigleisige<br />
Betrieb. Zudem entstand im <strong>Bahn</strong>hof Flughafen<br />
Berlin-Schönefeld ein weiteres Gleichrichter-Unterwerk<br />
für die S-<strong>Bahn</strong>. Bis 1991 wurde<br />
auch der Bereich unter der Brücke<br />
Waltersdorfer Chaussee zweigleisig ausgebaut.<br />
Der neue Großflughafen<br />
Nach der Wiedervereinigung sollte es nahe des<br />
größten DDR-Flughafens einen Neubau mit<br />
noch mehr Kapazität geben: Der Flughafen Berlin-Brandenburg<br />
[International] „Willy Brandt“<br />
(BBI, heute BER) soll die Flughäfen Schönefeld<br />
und Tegel ersetzen. Die Ortswahl fiel auf Schönefeld,<br />
südlich des „alten“ Flughafens.<br />
88
OBEN Nach dem<br />
Umbau des <strong>Bahn</strong>hofs<br />
Flughafen Berlin-<br />
Schönefeld besaß<br />
dieser ein großes<br />
Empfangsgebäude<br />
(im Bild links), außerdem<br />
überdachte<br />
<strong>Bahn</strong>steige und<br />
moderne Aufsichtsgebäude<br />
(Aufnahme<br />
vom Juni 2009)<br />
Bernd Kuhlmann<br />
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Auch BER sollte eine S-<strong>Bahn</strong>-Anbindung<br />
bekommen. Die Strecke nutzt die beiden südlichen<br />
ehemaligen <strong>Berliner</strong> Außenring-Gleise<br />
bis Waßmannsdorf und mündet dann in die<br />
Flughafen-Durchbindung der Fernbahn mit einem<br />
gemeinsamen unterirdischen <strong>Bahn</strong>hof ein.<br />
In acht Metern Tiefe entstand der <strong>Bahn</strong>hof<br />
„Flughafen Berlin-Brandenburg“, wofür man<br />
eine 405 Meter lange, rund 60 Meter breite und<br />
elf Meter tiefe Baugrube anlegte. Ende Juni<br />
2009 war der neue <strong>Bahn</strong>hof im Rohbau fertig;<br />
danach ging die DB AG an den Innenausbau,<br />
das Verlegen der Gleise und die Installation der<br />
Sicherungstechnik. Dann wuchs das neue Abfertigungsterminal<br />
auf dem <strong>Bahn</strong>hof in die<br />
Höhe, das am 7. Mai 2010 Richtfest feierte.<br />
Mit dem unterirdischen <strong>Bahn</strong>hof entstanden<br />
die westlichen Anschlussstrecken der<br />
Fern- und S-<strong>Bahn</strong>, die im Trog verlaufen und<br />
sich in Höhe der Gemeinde Selchow gabeln.<br />
Im Tunnelbahnhof ist ein weiteres Gleichrichter-Unterwerk<br />
der S-<strong>Bahn</strong> installiert. Im<br />
<strong>Bahn</strong>hof Flughafen Berlin-Schönefeld – er soll<br />
künftig wieder Schönefeld (b Bln) heißen –<br />
entstand zwischen den zum BER führenden<br />
Streckengleisen eine eingleisige Kehranlage für<br />
die S-<strong>Bahn</strong>. Im Flughafen-<strong>Bahn</strong>hof wenden<br />
die S-<strong>Bahn</strong>-Züge an den <strong>Bahn</strong>steigen.<br />
In Selchow entstand für S- und Fernbahn<br />
ein elektronisches Stellwerk, das seit 17. September<br />
2011 Signale und Weichen des unterirdischen<br />
Flughafen-S-<strong>Bahn</strong>hofs steuert. Die<br />
erste Probefahrt fand ohne Signale am 26. August<br />
2011 statt. Die S-<strong>Bahn</strong>-Strecke war am<br />
31.Oktober 2011 betriebsbereit und diente<br />
seit Januar 2012 für Streckenkenntnisfahrten.<br />
Mit der Flughafen-Eröffnung wird die Flughafen-S-<strong>Bahn</strong><br />
im Zehn-Minuten-Takt von der<br />
S 45 und S 9 befahren. Wann aber die ersten<br />
Fluggäste mit der S-<strong>Bahn</strong> in BER eintreffen,<br />
ist unklar. Zuletzt war von einer Eröffnung des<br />
Flughafens 2014 die Rede. Die DB hat die Belehrungsfahrten<br />
auf der S-<strong>Bahn</strong> daher fürs Erste<br />
eingestellt. Bernd Kuhlmann/GM<br />
2. VON OBEN Ein Probezug<br />
der S-<strong>Bahn</strong><br />
hält am neuen <strong>Bahn</strong>steig<br />
im unterirdischen<br />
<strong>Bahn</strong>hof des<br />
Flughafens Berlin-<br />
Brandenburg<br />
(Januar 2012)<br />
Bernd Kuhlmann<br />
GROSSES BILD S. 88<br />
Noch im Jahr 1981<br />
präsentierte sich der<br />
S-<strong>Bahn</strong>hof Flughafen<br />
Berlin-Schönefeld so,<br />
wie ihn viele Reisende<br />
über Jahrzehnte<br />
hinweg kannten<br />
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<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
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Bilderbogen<br />
<strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>-Standorte einst und jetzt<br />
Zeitreise<br />
Das stetig Bleibende ist der Wandel,<br />
heißt es. Berlin und die S-<strong>Bahn</strong> haben<br />
nach der Wiedervereinigung ihr Gesicht<br />
ziemlich geändert. Sieben<br />
Vergleiche zwischen der Zeit<br />
der Teilung und heute<br />
Stadtbahn, bei<br />
<strong>Bahn</strong>hof Alexanderplatz<br />
90
1965<br />
2013<br />
Kurz nach Verlassen des <strong>Bahn</strong>hofs Alexanderplatz rollt Mitte der 60er-Jahre ein Zug mit ET/EB/ES 165 ostwärts<br />
Richtung Jannowitzbrücke; dabei passiert er automobile Vielfalt der DDR und ein HO-Warenhaus (gr. Bild). Im Januar<br />
2013 ist ein 481/482 auf dem gleichen Weg (kl. Bild). Exakt lässt sich das Vergleichsfoto nicht realisieren –<br />
den Fotostandpunkt von 1965 belegt heute ein Kinokomplex (links am Bildrand). Auch sonst hat sich viel getan:<br />
Die Fernbahngleise sind elektrifiziert, das Warenhaus-Gebäude dient anderen Zwecken. Und anstelle von Wartburg,<br />
Trabant, Tatra und Ikarus-Bus bevölkern jetzt Opel und Audi die Parkfläche ZBDR/Histor. Slg. der DB (gr. B.), Seb. Schrader<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
91
Bilderbogen<br />
Station<br />
Sundgauer<br />
Straße<br />
1982<br />
2013<br />
Seit dem S-<strong>Bahn</strong>-Streik 1980 nutzt die Reichsbahn die Wannseebahn (Schöneberg – Zehlendorf – Wannsee) nicht<br />
mehr für den öffentlichen Verkehr, und so zeigt sich der Halt Sundgauer Straße im April 1982 verwaist und verriegelt.<br />
Im Januar 2013 ist die Station längst wieder in Betrieb, nunmehr leicht modernisiert mit neuer Uhr und elektronischem<br />
Zuganzeiger. Von den Fernbahngleisen ist jedoch eines verschwunden Archiv GM (o.), Sebastian Schrader (u.)<br />
92
<strong>Bahn</strong>hof<br />
Gesundbrunnen<br />
S-<strong>Bahn</strong> einst und jetzt<br />
1988<br />
2013<br />
Während der Zeit der Teilung ist der <strong>Bahn</strong>hof Gesundbrunnen nur ein Schatten seiner selbst. Die Fernbahngleise<br />
(im Bild links) hat man stillgelegt, den S-<strong>Bahn</strong>-Betrieb eingeschränkt. Im Juli 1988 verlässt ein 275er der BVG die<br />
Station Richtung Schönholz/Frohnau. Ein Vierteljahrhundert später ist die Szenerie kaum wieder zu erkennen. Der<br />
<strong>Bahn</strong>hof entstand nach der Wende komplett neu, mit zusätzlichem <strong>Bahn</strong>steigzugang von der anderen Seite aus.<br />
Zur Orientierung beim Zeitvergleich dient vor allem das Wohnhaus hinten in der Mitte B. O. Sydow (o.), S. Schrader (u.)<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
93
Bilderbogen<br />
Bösebrücke/Nähe Bornholmer Straße<br />
1989<br />
2013<br />
Erst kurz nach der Grenzöffnung konnten Fotografen unbehelligt die Streckenführung der S-<strong>Bahn</strong> entlang der Mauer<br />
im Bild festhalten. Am ersten Weihnachtsfeiertag 1989 fährt ein Zug der Baureihe 276.0 gen Pankow; im Jahr<br />
2013 braucht es schon das Wohnhaus links von der Mitte, um sich zu orientieren. Nach dem Fall der Mauer wurden<br />
die Gleise hier völlig neu geordnet, die S-<strong>Bahn</strong>-Strecke in der Perspektive nach links verlegt und teilweise in einem<br />
Tunnel untergebracht. Dort, wo 1989 die S-<strong>Bahn</strong>-Strecke verlief, finden sich heute Fernbahngleise in Richtung<br />
Schönholz (in Bildmitte) und Karower Kreuz (Tunnelgleis Mitte und Gleis rechts außen) B. O. Sydow (o.), S. Schrader (u.)<br />
94
<strong>Bahn</strong>hof Eichkamp<br />
S-<strong>Bahn</strong> einst und jetzt<br />
1980<br />
2012<br />
Zu den Gewinnern der Nachwendezeit zählt der <strong>Bahn</strong>hof Eichkamp an der Strecke Westkreuz – Spandau. Im Mai<br />
1980 wurde er zwar von einem Stadtbahnwagen bedient, machte aber sonst einen ziemlich vernachlässigten Eindruck.<br />
Saniert, modernisiert und mit zeitgemäßer <strong>Bahn</strong>steigausstattung empfängt er als <strong>Bahn</strong>hof „Messe Süd<br />
(Eichkamp)“ heute seine Fahrgäste. Neu sind auch das zweite Gleis und die Oberleitung für die Fernbahn links. Und<br />
aus dem Hintergrund grüßen die Flutlichtmasten eines Parkplatzes<br />
Konrad Koschinski (o.), Sebastian Schrader (u.)<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
95
Bilderbogen<br />
Station Prenzlauer Allee<br />
1977<br />
2006<br />
Alt und neu bei der S-<strong>Bahn</strong>-Station Prenzlauer Allee an der <strong>Berliner</strong> Ringbahn. Bei der S-<strong>Bahn</strong> ist inzwischen die<br />
neue Fahrzeuggeneration unterwegs, die Ferngleise hat man elektrifiziert, der markante Gasometer im Hintergrund<br />
verschwand. Seit dem Mauerfall und der Eröffnung des Nord-Süd-Tunnels durch den neuen Hauptbahnhof fahren hier<br />
nur noch wenige Züge, so dass auch das Blocksignal nicht mehr existiert. Die Hinterhof-Atmosphäre, vielerorts<br />
typisch für die <strong>Berliner</strong> S-<strong>Bahn</strong>, blieb dagegen zu einem Gutteil erhalten Dr. Dietmar Beckmann (2)<br />
96
Gleisvorfeld Ostbahnhof<br />
(Hauptbahnhof)<br />
S-<strong>Bahn</strong> einst und jetzt<br />
1991<br />
2010<br />
Eine der berühmtesten Fotostellen in Berlin ist der Blick von der Straßenbrücke am S-<strong>Bahn</strong>-Halt Warschauer Straße<br />
hinüber zum Ostbahnhof oder, wie er 1991 noch heißt, Hauptbahnhof. Während sich für die S-<strong>Bahn</strong>, abgesehen<br />
vom Fahrzeugmaterial, in den zwei Jahrzehnten seither nicht viel verändert hat, sind die übrigen <strong>Bahn</strong>anlagen drastisch<br />
geschrumpft. Der Wriezener Güterbahnhof (im oberen Bild rechts) ist heute das Areal von Einkaufscentern,<br />
weitere Umbauarbeiten sind im Gange<br />
Martin Weltner (o.), Sebastian Schrader (u.)<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2013<br />
97
5|2012 – September/Oktober • € 12,50 CH: sFr 24,80 • A: € 14,20 • B/NL/L: € 14,60<br />
Vormarsch und Katastrophe<br />
Mit Dampf, Diesel und Strom<br />
Geschütze und Panzerzüge<br />
Angriffe und Konsequenzen<br />
<strong>Vorschau</strong> – Leserservice – Impressum<br />
Seien Sie gespannt auf das nächste Heft: <strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 3/2013<br />
Impressum<br />
2/2013 l März/April<br />
24. Jahrgang l Nummer 123<br />
Eisenbahn in der Schweiz<br />
Bezwinger der Alpen: Vor 100 Jahren ging der Simplon-Tunnel in Betrieb – eine weitere wichtige Alpentransversale war<br />
vollendet, der Aufstieg der Bern-Lötschberg-Simplon-<strong>Bahn</strong> begann. Grund genug, der Eisenbahn in der Schweiz ein<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> zu widmen. Die nächste Ausgabe zeigt Ihnen spektakuläre Strecken, beeindruckende Fahrzeuge, faszinierende<br />
<strong>Bahn</strong>gesellschaften – die BLS und viele andere mehr. Freuen Sie sich auf ein vielseitiges Heft zu einem vielseitigen<br />
Eisenbahn-Thema. Mit Daten, Fakten, Reisetipps und zahlreichen bislang noch nicht veröffentlichten Bildern!<br />
Aufnahme: Dr. Dietmar Beckmann<br />
Internet: www.eisenbahnwelt.de<br />
Redaktionsanschrift:<br />
<strong>BAHN</strong>-<strong>EXTRA</strong><br />
Postfach 40 02 09 80702 München<br />
l<br />
Tel. +49 (0) 89.13.06.99.720, Fax - 700<br />
E-Mail: redaktion@geramond.de<br />
Redaktionsleitung: Michael Krische<br />
Verantwortl. Redakteur: Thomas Hanna-Daoud<br />
Redaktion: Martin Weltner, Alexandra Wurl<br />
Redaktionsassistenz: Brigitte Stuiber<br />
Layout: Karin Vierheller, Rico Oehme<br />
Mitarbeit: Udo Dittfurth, Dr. Alfred Gottwaldt,<br />
Sigurd Hilkenbach, Manuel Jacob, Jürgen Krantz,<br />
Konrad Koschinski, Bernd Kuhlmann, Peter Kusterer,<br />
Wolf-Dietger Machel, Erich Preuß, Michael<br />
Reimer, Bernd Oliver Sydow, Dirk Winkler u.v.m.<br />
Abo-Hotline, Kundenservice,<br />
GeraMond-Programm<br />
Tel. (0180) 5 32 16 17*<br />
Fax (0180) 5 32 16 20*<br />
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(*14 Cent pro Minute)<br />
Gesamtanzeigenleitung:<br />
Helmut Kramer, Tel. +49 (0) 89.13.06.99.270,<br />
helmut.kramer@verlagshaus.de<br />
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Helmut Gassner, Tel. +49 (0) 89.13.06.99.520,<br />
Fax - 100; helmut.gassner@verlagshaus.de<br />
www.verlagshaus-media.de<br />
Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 23 vom 1.1.2013<br />
Litho: Cromika, Verona<br />
Druck: Stürtz GmbH,<br />
Alfred-Nobel-Str. 33, 97080 Würzburg<br />
Verlag:<br />
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Zuletzt erschienen:<br />
<strong>BAHN</strong>-<strong>EXTRA</strong> 5/2012 Eisenbahn im Zweiten Weltkrieg<br />
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Reichsbahn<br />
und Wehrmacht<br />
1939–1945<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 4/2012 – Damals auf der Nebenbahn<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 5/2012 – Eisenbahn im Zweiten Weltkrieg<br />
Ostfront<br />
Kriegsloks<br />
Bewaffnung<br />
Luftkrieg<br />
Eisenbahn im<br />
Zweiten Weltkrieg<br />
Lieber Leser,<br />
Sie haben Freunde, die sich ebenso für die Eisenbahn mit all Ihren Facetten begeistern<br />
wie Sie? Dann empfehlen Sie uns doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser.<br />
Ihr<br />
Seltene historische<br />
Farbaufnahmen!<br />
Verantwortlicher Redakteur <strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong><br />
Sie haben ein Heft verpasst? Kein<br />
Problem! Bestellen Sie die nicht<br />
mehr am Kiosk erhältlichen Ausgaben<br />
telefonisch über unseren Kundenservice,<br />
Tel. (0180) 5 32 16<br />
17*, oder schnell und bequem im<br />
Internet auf www.eisenbahnwelt.de<br />
l<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2012 – Die letzten Jahre der DR<br />
l<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 1/2013 – <strong>Bahn</strong>-Jahrbuch 2013<br />
GeraMond Verlag GmbH<br />
Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />
Geschäftsführung:<br />
Clemens Hahn, Carsten Leininger<br />
Herstellungsleitung: Sandra Kho<br />
Vertrieb Zeitschriften: Dr. Regine Hahn<br />
Vertrieb/Auslieferung Handel:<br />
MZV, Moderner Zeitschriften Vertrieb<br />
GmbH & Co. KG, Unterschleißheim<br />
Im selben Verlag erscheinen außerdem:<br />
Preise: Einzelheft Euro 12,50 (D) (bei Einzelversand<br />
zzgl. Versandkosten); Jahresabopreis<br />
(6 Hefte) Euro 67,50 (inkl. Mehrwert steuer,<br />
im Ausland zzgl. Versandkosten)<br />
ISSN 0937-7174 l ISBN 978-3-86245-189-0<br />
Zeitungskennzahl 12126<br />
Erscheinen und Bezug:<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> erscheint alle zwei Monate je weils Mitte/<br />
Ende eines geraden Monats. Sie erhalten <strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> in<br />
Deutschland, in Öster reich und in der Schweiz im <strong>Bahn</strong> -<br />
hofs buch handel, an gut sortierten Zeitschriften kiosken,<br />
im Fachhandel sowie direkt beim Verlag.<br />
© by GeraMond Verlag München. Die Zeitschrift und alle<br />
in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheber<br />
rechtlich geschützt. Durch Annahme eines Ma nu skripts<br />
erwirbt der Ver lag das aus schließ liche Recht zur Veröffentlichung.<br />
Für unverlangt eingesandte Fotos und Manuskripte<br />
wird keine Haftung übernommen. Gerichtsstand<br />
ist München.<br />
Verantwortlich für den redak tionellen Inhalt: Thomas Hanna-<br />
Daoud; verantwortlich für die Anzeigen: Helmut Kramer;<br />
beide Infanteriestraße 11a, 80797 München.<br />
98
Das kleine Magazin<br />
über die große <strong>Bahn</strong><br />
Das neue<br />
Heft ist da.<br />
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Auch wenn es nach den Krisenmeldungen der letzten Zeit nicht den Anschein<br />
hat: Die S-<strong>Bahn</strong> spielt für Berlins Nahverkehr eine wichtige Rolle. Und sie ist<br />
eng mit der jüngeren Geschichte der Stadt verbunden. <strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> stellt Ihnen<br />
das Nahverkehrsmittel in all seinen Facetten vor: die Entwicklung, die Fahrzeuge,<br />
den Zugbetrieb, die Projekte und die aktuelle Problematik. Lesen Sie<br />
vom S-<strong>Bahn</strong>-Betrieb im Krieg, während der Teilung und nach dem Mauerfall;<br />
seien Sie zu Gast im „Stadtbahner“, auf der Ringbahn oder der Siemensbahn;<br />
lernen Sie den umgebauten <strong>Bahn</strong>hof Ostkreuz kennen und spüren Sie mit uns<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Standorte von gestern und heute auf. Kurz, erleben Sie ein wichtiges<br />
Kapitel der <strong>Berliner</strong> Eisenbahn – mit vielen Daten, Fakten und brillanten Fotos!<br />
www.eisenbahnwelt.de<br />
ISBN 978-3-86245-189-0