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HELGOLAND – HOMMAGE AN DIE RAUE NORDSEEINSEL<br />
SEGELJOURNAL<br />
SEGELJOURNAL.COM · MAI/JUNI 03/<strong>2013</strong> · 5,20 Euro<br />
Alles, was Segler bewegt<br />
Sail & the City<br />
SAN FRANCISCO<br />
Stolze 12er<br />
DIE KLASSE, DIE<br />
DEN CUP PRÄGTE<br />
Mode<br />
NEW ENGLAND<br />
MEETS CALIFORNIA<br />
Österreich: 5,80 Euro · Schweiz: SFR 9,80 · BeNeLux: 5,90 Euro · Italien/Spanien: 6,60 Euro<br />
America’s <strong>Cup</strong> <strong>2013</strong><br />
DIE TEAMS, DIE BOOTE, DIE RENNEN<br />
1 SEGEL E JOURNAL MAI/JUNI I 2012<br />
2<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
1
ROBBE & BERKING<br />
CLASSICS <strong>2013</strong><br />
2.– 4. August <strong>2013</strong><br />
Robbe & Berking und der Freundeskreis Klassische Yachten laden herzlich zu<br />
den Robbe & Berking Classics im Flensburger Stadthafen ein, dem fulminanten<br />
Auftakt einer ganzen Klassikerwoche.<br />
Es erwarten Sie ein tolles Programm, viele schöne Yachten und ein Abschlußfest,<br />
das gleichzeitig Eröffnungsveranstaltung der Robbe & Berking 6mR<br />
Weltmeisterschaft <strong>2013</strong> sein wird.<br />
Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.regatta.robbeberking.de<br />
Yachtwerft | Robbe & Berking Classics<br />
Am Industriehafen 5 | D-24937 Flensburg<br />
www.classics.robbeberking.de<br />
Ganz Flensburg freut sich auf Sie!<br />
2 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
editorial<br />
Mythos <strong>Cup</strong><br />
Es geht um die älteste Sporttrophäe der Welt. Silbern, schnörkelig bis kitschig,<br />
unverschämt schwer und dementsprechend Raum einnehmend. Der America’s<br />
<strong>Cup</strong>, scherzhaft gerne als „auld mug“ bezeichnet. Seit über 150 Jahren übt dieses<br />
edle Stück englischer Juwelierskunst auf reiche Männer eine ungeheure Anziehungskraft<br />
aus. Der <strong>Cup</strong> will besessen werden. Und wer es als Herausforderer<br />
nicht im ersten Anlauf schafft, den Pott für sich zu gewinnen, kommt wieder.<br />
Nicht nur Sir Thomas Lipton, der ewige Herausforderer, war dem <strong>Cup</strong> verfallen.<br />
Auch für Larry Ellison war klar, dass er eines Tages Verteidiger sein will. Und noch<br />
bevor er den <strong>Cup</strong> endlich hatte, war der Platz für die Trophäe an Bord seiner<br />
Megayacht Rising Sun bereits ausgewählt.<br />
Mit dieser Ausgabe möchten wir Sie auf das Sportereignis der Seglerwelt im<br />
Sommer <strong>2013</strong> einstimmen: Der Kampf um den <strong>Cup</strong> geht in die entscheidende<br />
Phase, jetzt werden wir sehen, was auf zwei rasanten Rümpfen mit geheimnisvollen<br />
Foils geht (und was nicht).<br />
Schon immer war der <strong>Cup</strong> Gelegenheit für Designer und Konstrukteure, Entwicklungen<br />
zu testen und voranzutreiben. Dass alte <strong>Cup</strong>-Yachten alles andere als<br />
ausgediente Designexperimente sein müssen, erzählt Detlef Jens in seiner Geschichte<br />
über die 12er Klasse, die wie keine andere das <strong>Cup</strong>-Geschehen über<br />
Jahrzehnte prägte. Wer Retro-<strong>Cup</strong>-Feeling schnuppern möchte, kann die Königinnen<br />
der Meter-Klasse im Sommer im sportlichen Wettstreit auf der Flensburger<br />
Förde erleben.<br />
Hans-Harald Schack erklärt uns, wie der America’s <strong>Cup</strong> <strong>2013</strong> abläuft. Für alle, die<br />
irgendwo zwischen Valencia, Streitigkeiten um die Stiftungsurkunde und der<br />
spektakulären Kenterung des BMW Oracle-Teams vor der Golden Gate Bridge<br />
den roten Faden im <strong>Cup</strong>geschehen verloren haben.<br />
Als Kontrapunkt zu den Geschichten rund um die reichen Männer und ihre teuren<br />
Boote nehmen wir Sie mit auf die Reviere vor der Haustür. Kirsten Panzer-<br />
Gunkel macht Lust auf eine ausgiebige Tour auf der Schlei, Monika Kludas porträtiert<br />
die Varianta von der Alster und Claus Reissig war für uns auf der Nordseeinsel<br />
Helgoland.<br />
Wer wissen will, warum Knieper nur mit Blick auf<br />
die lange Anna so gut schmeckt: Hinfahren!<br />
Am besten über Pfingsten zur Nordseewoche.<br />
Viel Spaß beim Lesen der neuen Ausgabe<br />
wünscht Ihnen<br />
Sandra-Valeska Bruhns<br />
Chefredakteurin
inhalt<br />
mai/juni <strong>2013</strong><br />
16 12-meter-rennyachten<br />
36 helgoland<br />
44 san francisco<br />
yachting 13 – 32<br />
travel 33 – 56<br />
Sports 57 – 78<br />
14 Highlights<br />
34 highlights<br />
58 highlights<br />
16 12er<br />
Die große <strong>Cup</strong>-Klasse, die nach den<br />
monströsen J-Class-Yachten kam<br />
22 varianta<br />
mit dem Kultschiff auf der Alster<br />
26 yachtcheck: Better Place<br />
Ziemlich sicher einer der besten<br />
Plätze für alle Wally-Fans<br />
31 yachting-guide<br />
36 helgoland<br />
Nicht nur zur Nordseewoche<br />
ein ganz besonderes Ziel<br />
44 sail & the city:<br />
san francisco<br />
Alle Infos für einen Trip zum <strong>Cup</strong><br />
48 panzer segelt...<br />
auf der schlei<br />
Wo schon Wikinger lebten,<br />
muss <strong>Segel</strong>n gut sein<br />
55 Travel-Guide<br />
60 america‘s cup<br />
Das große Spiel der<br />
reichen Männer<br />
70 hanse race<br />
Mit dem Smartphone<br />
durchs Ziel<br />
74 cilento cup<br />
Italiens verborgene Schönheit<br />
mit sportlichen Ansätzen<br />
Das ist er. Der <strong>America's</strong> <strong>Cup</strong>. Und jeder will ihn haben. Wir haben der begehrten Trophäe einen Schwerpunkt<br />
gegönnt und stellen einige Teile des Heftes ins Zeichen des <strong>Cup</strong>s. Auch unsere Mode- und Stilseiten für Segler.<br />
Dazu alles Wissenswerte rund um die <strong>Cup</strong>-Stadt San Francisco.<br />
4 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
88 mode ost- und westküste<br />
60 america‘s cup<br />
Beim 34. America’s <strong>Cup</strong> wird der Kampf um die<br />
Kanne im Tiefflug entschieden. Die Katamarane rasen mit über<br />
40 Knoten dahin, Flügel unter dem Rumpf heben das ganze Schiff aus dem Wasser.<br />
sailors 79 – 97<br />
standards<br />
80 highlights<br />
03 editorial<br />
Fotos: Ina Steinhusen, Claus Reissig, shutterstock.de/Manamana, Guilan Grenier, Gaastra<br />
82 ein mittagessen mit...<br />
Mike Slade – alles, nur nicht<br />
verbissen und doch auf der<br />
jagd nach Rekorden<br />
88 mode ost-/westküste<br />
Understatement trifft auf<br />
flippigen Surfer-Style<br />
90 jetzt kauf‘ich mir ein schiff<br />
Teil 2: Touchdown ins Wasser und<br />
ein Reality-Check<br />
96 Meer-Lektüre!<br />
Neue Bücher für Segler,<br />
gelesen von Stefan Schorr<br />
06 zoom<br />
10 magazin<br />
94 Gewinnspiel<br />
Exklusives SEGEL JOURNAL<br />
SLAM-Täschchen zu gewinnen<br />
95 impressum<br />
98 16 fragen an...<br />
Heide und Erich Wilts,<br />
eigner der Freydis<br />
mai/juni <strong>2013</strong><br />
Titelfoto: Nur Fliegen ist schöner! –<br />
ETNZ testet das neue Boot<br />
Copyright: Chris Cameron/America‘s <strong>Cup</strong><br />
segeljournal.com<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
5
zoom<br />
Zweirümpfer<br />
Das Artemis Racing Team im Nebel von Plymouth<br />
während der <strong>America's</strong> <strong>Cup</strong> World Series 2011. Ein<br />
Bild mit Geschichte. Damals hatten noch alle die<br />
gleichen Chancen, das Rennen um den <strong>Cup</strong> war<br />
offen. <strong>2013</strong>, im Jahr des <strong>Cup</strong>s, fliegt man auf Tragflügeln.<br />
Foils. An ihrem Einsatz und ihrer Wirkung<br />
entscheidet sich der <strong>Cup</strong>. Emirates Team New Zealand,<br />
Prada und Oracle Racing – alle sind schon<br />
geflogen. Nur das Artemis Racing Team ist mit dem<br />
72-FuSS-Katamaran noch nicht abgehoben, Designer<br />
Juan Kouyoumdjian meint gar, das sei nicht<br />
möglich. Nun ist die Sicht klar, der Nebel ist weg<br />
und wir wissen: es geht nur mit Tragflügeln. (Auch,<br />
wenn unsere Kinder vielleicht über diese Designentwicklung<br />
Tränen lachen werden.) Ist der Rückstand<br />
des schwedischen Teams Artemis noch aufzuholen,<br />
bis im Juli der Louis Vuitton <strong>Cup</strong><br />
startet? Heute schon geflogen?<br />
6 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong><br />
Foto: © Bild 1: Jürg Kaufmann/ AC World Series
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
7
Einrümpfer<br />
Beim Rolex Swan <strong>Cup</strong> in der Karibik kann auf der Selene<br />
ganz lässig auch innerhalb des Seezauns auf der<br />
Kante gesessen werden. Mehr Trimm tut nicht Not,<br />
soll ja nicht in ernstzunehmenden Sport ausarten,<br />
die <strong>Segel</strong>ei in karibischer Wärme, oder? Die Gefahr, bei<br />
gemäSSigten Windbedingungen an Bord mehr als ein<br />
paar Spritzer abzubekommen, ist äuSSerst gering, bei<br />
80 FuSS SchiffsgröSSe ist der Weg vom Bug bis ins<br />
Cockpit weit. Was das Foto auch zeigt: Das Revier vor<br />
Virgin Gorda, der drittgröSSten der englischen<br />
Junferninseln, hat stellenweise Ähnlichkeiten mit<br />
dem anderen Swan <strong>Cup</strong> Revier vor Porto Cervo. Wind,<br />
Welle und ein paar tückische kleine Felsnasen machen<br />
die Regatta zu einer navigatorischen Herausforderung.<br />
Genug gute Gründe, um neben dem alle zwei<br />
Jahre vor Porto Cervo stattfindenden <strong>Cup</strong> nun auch<br />
ein karibisches Pendant zu etablieren. Die Partner sind<br />
die gleichen: Nautor Swan, der edle Yacht Club Costa<br />
Smeralda (der eine karibische Dependance betreibt)<br />
und Rolex als Titelsponsor.<br />
Regattanews.com<br />
8 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong><br />
Foto: © Carlo Borlenghi
zoom<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
9
magazin<br />
Reetdach<br />
gegen<br />
Reeperbahn<br />
SYLT<br />
Reetdach gegen Reeperbahn<br />
++ 12.03.<strong>2013</strong> ++<br />
Gesamtsumme<br />
der Spendenaktion<br />
0 €<br />
Wer spendet mehr: Sylt oder Hamburg?<br />
www.reetdach-gegen-reeperbahn.de<br />
0 €<br />
SYLT<br />
ZIEL:<br />
mind. 1.800.000 €<br />
0 €<br />
HAMBURG<br />
HAMBURG<br />
Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) benötigt Hilfe<br />
beim Bau eines Seenotkreuzers. Deswegen wurde jetzt ein Wettbewerb gestartet:<br />
„Reetdach gegen Reeperbahn! Wer spendet mehr: Sylt oder Hamburg?“.<br />
Beteiligen können sich alle Einwohner und Liebhaber der nordfriesischen Insel<br />
und der Hansestadt. Der Wettbewerb läuft noch bis Jahresende. Dann wird der<br />
Spenden-Endstand entscheiden, ob das neue Schiff einen Namen mit Bezug zu<br />
Sylt oder zu Hamburg erhält. Mindestens 1,8 Millionen Euro wollen die Seenotretter,<br />
die sich nur durch freiwillige Zuwendungen finanzieren, sammeln. 180<br />
fest angestellte und rund 800 freiwillige Besatzungsmitglieder sind mit 60 Rettungseinheiten<br />
der DGzRS an Nord- und Ostseeküste einsatzbereit. Sie bestreiten<br />
jährlich mehr als 2.000 Einsätze und leisteten seit ihrer Gründung 1865 mehr<br />
als 80.000 Menschen Hilfe. Wer sich beteiligen möchte, besucht<br />
reetdach-gegen-reeperbahn.de<br />
Mit Shantys<br />
bIs zum Echo<br />
Santiano, Shooting-Stars der deutschen (Volks-)Musikszene,<br />
die es mit einem Mix aus bekannten Shantys und melodischen<br />
Seestücken in die deutschen Charts geschafft haben,<br />
haben nun auch noch einen Echo abgestaubt. In der Kategorie<br />
„Volkstümliche Musik“. Am besten ist die Kultband aus<br />
Flensburg, die den Spagat zwischen<br />
Fernsehauftritten bei Carmen Nebel<br />
und einem Live-Gig in Wacken<br />
schafft, übrigens live. Alle<br />
Tourtermine: universalmusic.de/santiano<br />
109,5 Zentimeter<br />
hoch, 17,7 Kilogramm<br />
schwer und<br />
mit einem Anteil<br />
von 92,2 Prozent<br />
Silber: das sind<br />
die beeindruckenden<br />
Maße der<br />
„auld mug“, des<br />
America’s <strong>Cup</strong>. Maße,<br />
die Jochen Schümann<br />
nach dem Sieg mit Alinghi<br />
2003 zu der Aussage<br />
bewogen: „Der<br />
ist so schwer, wie<br />
es ist, ihn zu<br />
gewinnen.“<br />
10 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
magazin<br />
Marketing<br />
im Zeichen des <strong>Cup</strong>s<br />
Fünfmal versuchte Sir Thomas Lipton, mit seinen Yachten Shamrock I bis<br />
V als Herausforderer den <strong>Cup</strong> zu gewinnen – jedes Mal vergeblich. Doch<br />
der extra für ihn geschaffene Pokal für den „besten aller Verlierer“ steigerte<br />
den Bekanntheitsgrad von Lipton Tee in den USA ungemein. Liptons<br />
Marketingfeldzug in die USA war erfolgreich: Noch heute ist der Tee<br />
seiner Marke der meist getrunkene in den USA. Er selbst<br />
formulierte seine Leidenschaft für den <strong>Cup</strong> kurz vor seinem<br />
Tod 1931 so: „Der <strong>Cup</strong> hat mich jung, ehrgeizig,<br />
heiter und hoffnungsfroh gehalten.“<br />
Ruder- und <strong>Segel</strong>regatten<br />
auf dem Schwäbischen Meer<br />
Über 1.000 internationale Teilnehmer werden in diesem Jahr vom<br />
23. bis 26. Mai zur Bodenseewoche in Konstanz erwartet. Hier mögen<br />
sich alle gerne: Segler, Ruderer und Wasserskiläufer. Sehleute<br />
können sich an der Mittelmole die schönen Yachten angucken<br />
und an Land über eine nostalgische Oldtimer-Automobilmeile<br />
flanieren. Dazu gibt es Hafenkonzerte und Wasserski-Shows.<br />
bodenseewoche.com<br />
Ritterschlag<br />
für Ben Ainslie<br />
Der Brite Ben Ainslie, mit fünf olympischen Medaillen der<br />
erfolgreichste Olympiasegler aller Zeiten, wurde von Prinzessin<br />
Anne im Buckingham Palace zum Ritter geschlagen. Sir<br />
Charles Benedict „Ben“ Ainslie, der sich gerne auch Big Ben<br />
oder King Ben nennt, zählt außerdem zu den 40 attraktivsten<br />
Junggesellen der Welt – meint jedenfalls das US-amerikanische<br />
Society-Blatt „Town & Country“, das ihn in eine Reihe mit<br />
Patrick Schwarzenegger, Conor Kennedy und Pierre Sarkozy<br />
stellt. In seinem Steckbrief erfährt die geneigte Leserin, dass er<br />
seinen Aston Martin liebt, oft im Yachtclub von Lymington abhängt<br />
und Rückenprobleme hat. Das gibt Abzüge bei seiner<br />
Tauglichkeit als Helfer im Haushalt. Ganz ungebunden ist der<br />
sexy Ritter übrigens nicht: An seine Seite gehört Marit Bouwmeester,<br />
Silbermedaillengewinnerin 2012 im Laser Radial.<br />
townandcountrymag.com<br />
Kultfregatte<br />
Fotos: Hersteller, bar, Sabine Plathen<br />
Die USS Constitution, die am 21. Oktober 1797 vom Stapel lief, gilt als das älteste<br />
noch im Dienst stehende <strong>Segel</strong>schiff der Welt. 500 Seeleute waren früher<br />
nötig, um die Yacht unter <strong>Segel</strong>n zu navigieren. Legendär ist ihr Sieg<br />
gegen die britische Fregatte HMS Guerriere 1812. Angeblich sollen die<br />
Kugeln der britischen Fregatte einfach so am Rumpf des US-Seglers<br />
abgeprallt sein. Das brachte dem Schiff seinen Spitznamen „Old Ironsides“<br />
ein. Heute liegt die Fregatte in Bostons Navy Yard im Stadtteil<br />
Charlestown auf der ehemaligen Werft. Rund 500.000 Besucher betreten<br />
jährlich die geschichtsträchtigen Planken. Dazu gibt es ein<br />
angeschlossenes Museum: ussconstitutionmuseum.org
magazin<br />
Mare Balticum<br />
aus der<br />
Vogelperspektive<br />
Einen neuen Blick auf das Heimatrevier Ostsee<br />
wirft der Film mit dem schlichten Titel „Die<br />
Ostsee von oben“, der ab Mai in die deutschen<br />
Kinos kommt. Filmemacher Silke Schranz und<br />
Christian Wüstenberg haben für diesen Film<br />
mit der angeblich besten Helikopterkamera<br />
der Welt akribisch die Ostsee von Flensburg<br />
bis Usedom gefilmt und bieten nun Bilder der<br />
dänischen Südsee, von brav in Reih und Glied<br />
stehenden Strandkörben und charakteristischen<br />
Küstenverläufen. Für alle, die schon das<br />
Epos „Die Nordsee von oben“ gemocht haben,<br />
ein echtes Muss! die-ostsee-von-oben.de<br />
Am 22. August 1851 startete<br />
die US-Yacht America<br />
gegen 14 britische Boote zu einer Regatta<br />
rund um die Isle of Wight – und gewann vor<br />
den Augen von Queen Victoria. Die, um Schadensbegrenzung<br />
für die britische Seefahrernation<br />
bemüht, fragte: „Und wer wurde<br />
Zweiter?“ Sie bekam die berühmte Antwort,<br />
die bis heute den America’s <strong>Cup</strong> in vier Worten<br />
charakterisiert: „There is no second.“<br />
Business Class<br />
für den <strong>Cup</strong><br />
Der Maori Benjamin Piri Nathan erlangte 1997 traurige<br />
Berühmtheit, als er in den Räumen des Royal New<br />
Zealand Yacht Squadron mit einem Vorschlaghammer<br />
auf den <strong>Cup</strong> eindrosch, um auf die Situation der neuseeländischen<br />
Ureinwohner aufmerksam zu machen.<br />
Der Randalierer wanderte ins Gefängnis, der <strong>Cup</strong> wurde<br />
auf einem eigenen Sitz in der Business Class nach London<br />
transportiert, um bei Juwelier Garrard wieder vom<br />
demolierten Totalschaden zum verschnörkelten Prachtstück<br />
hergerichtet zu werden.<br />
Mit seiner Freundin<br />
„Dümmste Landratte der Stadt“<br />
flog der Düsseldorfer<br />
Geschäftsmann Frank S. (Name natürlich geändert) mal eben nach Mallorca, um dort<br />
sehr spontan einen gebrauchten Katamaran für schlappe 480.000 Euro zu kaufen. Erst<br />
unterschrieb er den Kaufvertrag, dann ging er auf Probefahrt. Um festzustellen, dass<br />
er dieses Boot alleine nicht fahren kann. Er hat schlicht keine Ahnung vom <strong>Segel</strong>n.<br />
Und deshalb will er auch den Kaufpreis nicht zahlen und landete jetzt in Düsseldorf<br />
vor Gericht – als wahrscheinlich „dümmste Landratte der Stadt“, wie der Express berichtet.<br />
Das Boot steht wieder zum Verkauf. Der Richter will im April entscheiden.<br />
I am sailing, I am sailing<br />
Home again ’cross the sea<br />
I am sailing, stormy waters<br />
To be near you, to be free<br />
Wer kennt sie nicht, die bekannten Textzeilen aus dem Song von<br />
Rod Stewart? Mit diesem von Gavin Sutherland übernommenen Titel<br />
schaffte der Brite Stewart<br />
1975 seinen Durchbruch<br />
in Deutschland. 17 Wochen<br />
hielt er sich mit<br />
seiner sehnsuchtsvollen<br />
Ballade in den Charts!<br />
Und noch heute unterlegt<br />
jeder sein <strong>Segel</strong>video<br />
mit diesem Song,<br />
wenn ihm gerade nichts<br />
Passenderes einfällt.<br />
Fotos: Hersteller; shutterstock.com/Mariusz S. Jurgielewicz<br />
12 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
yachting<br />
Foto: Ina Steinhusen<br />
highlights neues auf dem Markt 14 – 15<br />
cup-yachten Nach den J-Class-Dinos kamen die 12er – begehrt bis heute 16 – 21<br />
kultschiff Mit einer Varianta auf der Alster 22 – 25<br />
better place Wallys Neue hat alles: Luxus, Leistung und Italo-Schick 26 – 30<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
13
yachtinghighlights<br />
Ab nach<br />
Neustadt<br />
Vom 24. bis 26. Mai ist wieder Zeit für die „habs“. Habs was? hanseboot<br />
ancora boat show im schleswig-holsteinischen Neustadt. SEGEL<br />
JOURNAL nennt zehn gute Gründe für eine Fahrt zur Lübecker Bucht:<br />
• Schiffe und Motorboote direkt auf der Ostsee Probe fahren<br />
• Deutschlands größte Boat Show am Wasser<br />
• Rund 140 Boote und Yachten vor Ort<br />
• Open-Air-Messe als Treffpunkt der Segler-Szene<br />
• Elegante Pagodenzelte schaffen eine fröhliche Messe-Atmosphäre<br />
• DGzRS-Schiff von Innen betrachten<br />
• Brandschutzübungen und Sicherheitsvorführungen live<br />
• Opti- und Motorbootkurse für Kinder<br />
• Freier Eintritt<br />
• Das SEGEL JOURNAL ist auch da<br />
hanseboot-ancora.de<br />
Logbook statt Logbuch<br />
Klingt wie ein lustiges Wortspiel, ist aber die konsequente digitale Weiterentwicklung des<br />
guten alten von Käpt’n und Wachführer ausgefüllten Logbuchs: das Logbook, jetzt als 2.5<br />
Version für Mac, Windows und iPad erhältlich. Vorlage war das klassische gedruckte Logbuch,<br />
die elektronische Version wurde um ein paar praktische, digitale Features erweitert.<br />
Logbook ermittelt automatisch für alle relevanten Daten Summen bzw. Durchschnittswerte<br />
– sowohl für jeden Tag, für ganze Törns und auch für das gesamte Logbuch, Druckfunktion<br />
inklusive. Zum Abschluss eines Törns kann so jedes Crewmitglied ein gedrucktes<br />
Exemplar als Erinnerung mit nach Hause nehmen. Lizenzen für das Logbook werden<br />
ausschließlich über den Webshop von 2K Yachting (shop.2k-yachting.de/software)<br />
vertrieben. Der Preis für den Neukauf der PC- und iPad-Version des Programms beträgt<br />
59,99 €, eine Lizenz ausschließlich fürs iPad kostet 34,99 €. 2k-yachting.de<br />
14 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong><br />
Beilken-<strong>Segel</strong><br />
in Wedel und Warnemünde<br />
Beilken Sails, die <strong>Segel</strong>macher vor den Toren Bremens an der Unterweser in Lemwerder, erweitern<br />
ihr Händlernetz um Stützpunkte in Wedel und Warnemünde. Direkt am Eingang<br />
des Wedeler Yachthafen hat der ehemalige Beilken-Mitarbeiter und <strong>Segel</strong>machermeister<br />
Hauke Meyer seine <strong>Segel</strong>macherei „Elbesegel“ eröffnet. Von hier aus wird er neue<br />
Beilken-<strong>Segel</strong> anbieten und vor Ort <strong>Segel</strong> reparieren – auch wenn das Logo einer<br />
ganz anderen <strong>Segel</strong>macherei am Liek prangt. In der Hohen Düne in Warnemünde<br />
ist Yachtausrüster Adam Schwertfeger jetzt für den Verkauf der Bremer <strong>Segel</strong><br />
verantwortlich. beilken.de
EINHANDSEGELN<br />
Superleicht<br />
mit höchster Haltekraft<br />
Das ist cool, ein Anker, bei dessen Gewicht auch gestandene Seebären<br />
nicht in die Knie gehen und der trotzdem genau das kann,<br />
was er soll: halten. Nicht nur, aber vor allem für Rennyachten, auf<br />
denen jedes Gramm zählt, wurde jetzt der Manson Racer Anker<br />
entworfen. Der blaue Anker wird aus Spannaluminium komplett<br />
verschweißt und anodisiert hergestellt. Er ist in zehn Standardgrößen<br />
erhältlich für Yachten von drei bis 18 Meter Länge. Das absolute<br />
Leichtgewicht wiegt ein Kilogramm, wer eine richtig fette Yacht<br />
festmachen möchte, sollte den mit 16,2 Kilogramm nehmen.<br />
Manson kommt aus Neuseeland, wo raue Wetterbedingungen<br />
vorherrschen und das Ankergeschirr maximal beansprucht wird.<br />
In Neuseeland und Australien hat Manson einen fast 90%igen<br />
Marktanteil. Der Preis für den 3,6 Kilogramm Manson Racer (für<br />
Yachten knapp unter 40 Fuß) beträgt 287 €. sailtec.de<br />
Trans-Ocean-Preis-Gewinner Manfred Jabbusch weiß, dass<br />
er segeln kann. Deshalb sucht er die ganz besondere Herausforderung.<br />
Die Wahl der Route<br />
für die Überführung seiner Yacht<br />
fällt daher nicht etwa auf die<br />
bequemste, sondern auf die extremste.<br />
Sie führt ihn 2.000 Meilen<br />
durch die Roaring Forties-<br />
Breitengrade von Trinidad bis<br />
Australien durch das sturmgepeitschte<br />
Südpolarmeer – allein.<br />
Oft war es »<strong>Segel</strong>n am Limit«,<br />
zwangen ihn Stürme, Kälte und<br />
die brutale See an seine physischen<br />
und psychischen Grenzen.<br />
Sein Bericht schildert detailliert den Verlauf dieser gefährlichen<br />
Reise, ihre schönen, verzweifelten und emotionalen<br />
Höhepunkte.<br />
Preis € (D) 7,49 | eISBN 978-3-7822-1114-7<br />
Charmante<br />
kleine Salona<br />
Die Salona 33 ist das jüngste Modell der kroatischen Werft AD<br />
Boats Ltd. Der neue Performance Cruiser hat eine Pinnensteuerung,<br />
verschiedene Cockpitlayouts und ist in einer Cruiser- oder<br />
Racervariante erhältlich. Für unterschiedliche Reviere und Ansprüche<br />
werden vier verschiedene Kiele mit Tiefgängen von 1,50<br />
Meter bis 2,15 Meter angeboten. Im Inneren bieten zwei Kabinen<br />
bequem vier Seglern Platz. Die Salona-typischen Merkmale<br />
wie eng an den Kajütaufbau geführte Wanten – sie ermöglichen<br />
überlappende Genuas bis 140% – und der Edelstahlrahmen als<br />
tragendes Element wurden ebenso beibehalten wie die Bauzertifizierung<br />
durch den Germanischen Lloyd. Zur Einführung bietet<br />
der deutsche Salona-Vertragshändler Yachtkontor Christoph<br />
Elfenkämper eine umfangreich ausgestattete Cruising-Version<br />
für 118.886 € inkl. MwSt. und die Racing-Version mit weiterem<br />
Zubehör für 122.900 € inkl. MwSt. an. salona-yachts.de<br />
EXKLUSIV ALS E-BOOK<br />
ABENTEUER EINES SKIPPERS<br />
Auch wenn die Nord- und Ostsee allgemein nicht als schwierigste<br />
<strong>Segel</strong>reviere gelten, so birgen sie dennoch Gefahren<br />
und Risiken. Kurz entschlossen<br />
kaufen Volker Rühle und seine<br />
Frau nach Jahren der <strong>Segel</strong>abstinenz<br />
ihre Traumyacht und ahnen<br />
nicht, auf welche Abenteuer sie<br />
sich damit einlassen. Volker Rühle<br />
muss erkennen, dass ein Wiedereinstieg<br />
in den <strong>Segel</strong>sport eine<br />
unvorhersehbare Herausforderung<br />
darstellt. Übermut, falsche<br />
Einschätzungen, ein Moment der<br />
Unaufmerksamkeit und schon<br />
wird es brenzlig. Durchaus mit<br />
Humor und viel Selbstironie berichtet der Autor von seinen<br />
persönlichen Abenteuern, seinen Fehlern, aber auch den<br />
wunderschönen Momenten, die dieser Sport bietet.<br />
Preis € (D) 7,49 | eISBN 978-3-7822-1109-3<br />
Fotos: Hersteller<br />
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IN ALLEN GÄNGIGEN<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal 15<br />
ONLINESHOPS ERHÄLTLICH!
yachting I Die Klasse mit Geschichte<br />
America’s <strong>Cup</strong><br />
Feeling auf<br />
Yachten mit<br />
Geschichte<br />
12-Meter-Rennyachten prägten<br />
über Jahrzehnte den America’s <strong>Cup</strong>.<br />
Nachdem die majestätischen J-Class-<br />
Yachten sogar für die superreichen<br />
Mitspieler im Kampf um die „auld mug“ zu<br />
teuer wurden, etablierten sich die schnellen<br />
12er, die noch heute viele Liebhaber finden.<br />
text Detlef Jens fotos Heinrich Hecht, Ina Steinhusen<br />
16 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Der Sieg der Australia II führte<br />
den <strong>America's</strong> <strong>Cup</strong> nach<br />
Australien und die US-amerikanischen<br />
Segler in eine tiefe<br />
Depression. Vor allem die Mitglieder<br />
des New York Yacht Club<br />
waren erschüttert. Keiner hatte<br />
die Clubräume je ohne den<br />
<strong>America's</strong> <strong>Cup</strong> gesehen<br />
Es ist ein irres Gefühl, wenn sich so ein<br />
12er auf die Backe legt<br />
Es war ein schwarzer Tag für Amerika, doch die Straßen<br />
und Piers am Hafen von Newport waren voller Menschen,<br />
darunter tausende australische Schlachtenbummler. Die<br />
Aussies lachten und feierten; der Hit „Down Under“ der australischen<br />
Gruppe Men at Work erschallte über den Hafen und die<br />
Australia II, fortan der berühmteste 12er überhaupt, wurde unter<br />
Jubel hereingeschleppt, während die Amerikaner mit steinernen<br />
Mienen zuschauten. Es war der 26. September 1983 und der australische<br />
12er hatte gerade Dennis Conner und seine Liberty geschlagen.<br />
Eine Sensation, nichts weniger. Die bekannteste Sporttrophäe<br />
der Welt musste aus ihrer Vitrine im New York Yacht Club<br />
entfernt werden und wanderte ans andere Ende der Welt, zum<br />
Royal Perth Yacht Club. Erstmals in der langen Geschichte des<br />
America’s <strong>Cup</strong>, nach 132 Jahren und 26 erfolgreichen Verteidigungen,<br />
hatte es ein Herausforderer geschafft, gegen die Amerikaner<br />
zu gewinnen. Eine Ära war zu Ende.<br />
Fotos: Heinrich Hecht<br />
Die majestätischen 12-Meter-Rennyachten, wie die 12er genau<br />
genommen heißen, gelten gemeinhin als Königsklasse unter den<br />
Rennyachten und diese Episode beantwortet die Frage, warum<br />
das so ist, schon zum Teil: Von 1958 bis 1987 wurden alle Rennen<br />
um den America’s <strong>Cup</strong> in 12ern ausgetragen. Einen weiteren Hinweis<br />
gibt der legendäre Satz von Ben Lexcen, dem Konstrukteur<br />
der Australia II, gerichtet an seine jungen Angestellten, von diesen<br />
nach dem Geheimnis für schnelle Yachten befragt: „Mach‘ sie<br />
Dennis Conner und die extra große Flasche Champus – erst verlor er den <strong>Cup</strong>,<br />
dann holte er ihn zurück.<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
17
yachting I Die Klasse mit Geschichte<br />
Das Resultat eines Streits, der sich an einer entfernten Toilettentür<br />
auf der amerikanischen Intrepid zwecks Gewichtsminimierung entzündete,<br />
war unglaublich: Die beleidigten Australier drohten mit<br />
dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen und dem Rückzug<br />
ihrer Truppen aus Vietnam.<br />
1992 misslang der italienische Versuch, mit Il Moro di Venezia den <strong>Cup</strong> nach<br />
Europa zu holen. America 3 siegte souverän mit 4:1<br />
schlank und lang und leicht und packe möglichst viel <strong>Segel</strong> drauf!“,<br />
hat er geantwortet und damit, gewissermaßen, auch den Kern der<br />
schnellen und eleganten Meteryachten beschrieben.<br />
Auch darum faszinieren sie noch heute. Die Eleganz, aber auch die<br />
schiere Power dieser knapp 20 Meter langen klassischen Yachten.<br />
Wilfried Beeck ist Eigner gleich mehrerer 12er und beschreibt es so:<br />
„Es ist ein irres Gefühl, wenn so ein 12er sich auf die Backe legt, wenn<br />
30 Tonnen durch die Welle gehen. Da steckt eine unglaubliche Kraft<br />
dahinter. Das kann man nicht beschreiben, das muss man erleben!“<br />
Natürlich ist es auch die Historie, die schillernde Geschichte des<br />
America’s <strong>Cup</strong> und die vielen wunderbaren Anekdoten, die sich<br />
darum ranken. Die vielen großen und kleinen Streitereien um<br />
Regeln und Vermessung sind legendär, 1970 kam es zu einem Eklat.<br />
Zwischen 1906, dem Geburtsjahr der Klasse, und 1987, dem letzten<br />
America’s <strong>Cup</strong> für 12er, wurden weltweit rund 170 Yachten nach<br />
der 12-m-R-Formel gebaut (s. Kasten). Mehr als 100 davon segeln<br />
noch, ein weiterer 12er nach historischem Vorbild entsteht gerade<br />
bei der Werft Robbe & Berking Classics in Flensburg: Es ist der erste<br />
hölzerne Neubau eines 12ers seit mehr als einem halben Jahrhundert.<br />
Das Schiff soll in der Saison 2014 segeln, noch trägt es den<br />
nüchternen Projektnamen Anker 434. Es ist der letzte 12er, den der<br />
berühmte norwegische Konstrukteur Johan Anker (1871 bis 1940)<br />
entworfen hatte – gebaut wurde diese Yacht, bis jetzt, jedoch nicht;<br />
der Krieg und Johan Ankers krankheitsbedingter Tod kamen dem<br />
zuvor. Oliver Berking, Inhaber der Werft und ein ganz großer Fan von<br />
Meteryachten, besorgte sich die originalen Pläne, nach denen das<br />
Schiff nun für einen dänischen Segler gebaut wird.<br />
Der Höhenflug der Klasse begann im Jahre 1939. Die Weltwirtschaft<br />
war schon ein Jahrzehnt zuvor abgestürzt und hatte sich erst marginal<br />
erholt. Die Saurier der J-Class waren am Aussterben, selbst ein<br />
Millionär wie Harold S. Vanderbilt hatte den America’s <strong>Cup</strong> zuletzt<br />
nur noch widerstrebend in einem solchen Riesenschiff verteidigt.<br />
Nun entdeckten Konstrukteure und Eigner plötzlich den 12er als<br />
preiswerte Alternative zur gigantomanischen J-Class. Charles Nicholson<br />
entwarf den 12er Tomahawk (segelt heute im Mittelmeer) für Sir<br />
Thomas Sopwith, der mehrmals vergeblich versuchte, den <strong>Cup</strong> zu<br />
gewinnen. Und Olin Stephens zeichnete die Vim (heute in Italien)<br />
für Harold Vanderbilt. Dieses Schiff war gleich in mehrfacher Hinsicht<br />
revolutionär: Es hatte einen Aluminiummast, Trimmklappen am<br />
Ruder und den ersten „Coffee Grinder“ überhaupt.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg und seinen katastrophalen Folgen<br />
dauerte es noch zwei weitere Jahrzehnte, bis überhaupt wieder ein<br />
America’s <strong>Cup</strong> ausgetragen wurde. Doch die Regatta 1939 gab<br />
Die Meter-Formel<br />
Die Konstruktionsformel entstand 1906 in London. Damals<br />
traf sich ein internationales Komitee unter dem<br />
Vorsitz von König George V., um eine einheitliche, europaweite<br />
Regattaformel zu finden. Entwickelt hatte die<br />
Meter-Formel der Kopenhagener Apotheker und Hobbykonstrukteur<br />
Alfred Benzon. Allerdings sorgte die erste<br />
Version dafür, dass extrem schlanke und übertakelte<br />
Yachten entstanden. 1917 wurde sie geändert, um diese<br />
Tendenzen zu stoppen. Dazu wurden auch gewisse<br />
Grenzwerte festgelegt, darunter eine Mindest-Verdrängung,<br />
ein maximaler Tiefgang, Mindestkajüthöhen und<br />
Mindestbreiten für den Fußboden. So wollte man die<br />
Seetüchtigkeit und die Wohnlichkeit an Bord fördern. Vor<br />
allem die 6er, 8er und 12er erlangten international Bedeutung,<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg wurden noch die<br />
kleineren 5.5er als internationale Klasse eingeführt.<br />
Eventagentur für 12er<br />
Die Trivia GmbH, betrieben von Wilfried Beeck und Andreas<br />
Krause, vermietet klassische Rennyachten, insgesamt<br />
vier 12er und zwei 8er. Die beiden 12er Trivia und Evaine<br />
werden auch als Match-Race-Paar angeboten. Oft mieten<br />
Firmen die Yachten, um damit eigene Veranstaltungen<br />
durchzuführen; die Charterfirma bietet solche Events auch<br />
als organisierte Pakete an. Die professionelle Vercharterung<br />
begann 2007/08, nachdem Beeck öfter mit Gästen seiner<br />
eigenen Internetfirma an Bord seines 12ers unterwegs war.<br />
Die Chartersaison dauert von April bis Ende September,<br />
für Kieler Woche, Travemünder Woche, Schifffahrtsregatta<br />
und ähnliche Veranstaltungen gibt es Stammkunden.<br />
Beeck und Krause bieten zudem eigene Events im KYC<br />
Hotel in Kiel an. Parallel zu den Seminaren liegen die Yachten<br />
im „Millionärsbecken“ vis-à-vis dem Hotel, sodass die<br />
Teilnehmer anschließend ein paar Stunden segeln können.<br />
Foto: Heinrich Hecht<br />
18 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
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yachting I Die Klasse mit Geschichte<br />
quasi schon einen Vorgeschmack darauf und auf die abermalige<br />
Überlegenheit der Amerikaner: Vanderbilt nämlich verschiffte<br />
seine Vim nach England und segelte dort, ganz in der Tradition des<br />
Schoners America, mit dem ja alles begonnen hatte, die britische<br />
Konkurrenz in Grund und Boden. Von 27 gestarteten Rennen gewann<br />
Vanderbilt 21 mit sehr deutlichem Vorsprung. Bis 1958 blieb<br />
Vim der Standard, an dem sich alle anderen 12er, ob neuer oder<br />
älter, zu messen hatten. In den <strong>Cup</strong>-Ausscheidungen von 1958<br />
unterlag sie nur knapp der damals neuen, ebenfalls von Olin Stephens<br />
entworfenen Columbia (segelt heute in den USA) – nämlich<br />
um ganze 12 Sekunden in der letzten, entscheidenden Wettfahrt.<br />
Die Woche der Klassiker<br />
Anfang August treffen sich die Klassikerfans aus der ganzen<br />
Welt wieder einmal in Flensburg. Gemeinsam mit BMW,<br />
dem Freundeskreis Klassische Yachten, dem Flensburger<br />
<strong>Segel</strong>-Club und dem Wassersportclub Flensburg organisiert<br />
Robbe & Berking gleich drei Veranstaltungen. Diese sind die<br />
schon traditionellen Robbe & Berking Classics, das Wochenend-Festival<br />
für alle klassischen Yachten; der ebenfalls<br />
schon fast legendäre Robbe & Berking Sterling <strong>Cup</strong> der<br />
Meter-Yachten (in diesem Jahr für 12er, 6er und 5.5er) sowie,<br />
als krönender Abschluss, die Robbe & Berking Weltmeisterschaft<br />
der 6mR Yachten. Die Weltmeisterschaften der 12er<br />
fanden schon 2008 und dann noch einmal 2011 in Flensburg<br />
statt, ebenfalls organisiert von Robbe & Berking.<br />
12er auf der Ostsee erleben<br />
22. bis 30. Juni<br />
Match Racing im Rahmen der Kieler Woche<br />
19. bis 28. Juli<br />
Match Racing im Rahmen der Travemünder Woche<br />
Als Konstruktionsklasse, die seit 1906 bis heute aktiv ist, gibt es je<br />
nach Baujahr sehr unterschiedliche 12er. Daher sind sie in verschiedene<br />
Gruppen unterteilt, je nach der Epoche, aus der sie stammen:<br />
Von „Grand Prix“ – das sind die modernen 12er, entworfen und<br />
gebaut nach 1983 mit Flügelkielen wie eben die Australia II (obwohl<br />
schon 1982 gebaut, gehört sie doch noch dazu) – bis hin zur Gruppe<br />
„Antique“ mit den ersten, noch gaffelgetakelten 12ern wie Heti (ein<br />
ausführliches Porträt stand im SEGEL JOURNAL 02/<strong>2013</strong>) oder Cintra.<br />
Dann gibt es noch die Gruppen „Modern“ (1968 bis 1983), „Classic“<br />
und „Vintage“. So werden immer noch hart umkämpfte Regatten<br />
gesegelt, was in den letzten Jahren zu einer erstaunlichen Renaissance<br />
der Klasse geführt hat. Neue Boote werden kaum gebaut,<br />
doch das Interesse an geeigneten Objekten zur Restaurierung<br />
ist groß. Denn jeder 12er darf, wenn er denn den internationalen<br />
Klassenregeln entsprechen und ein „echter“ 12er sein soll, nur ein<br />
einziges Mal vorhanden sein. So sichern sich zuweilen auch Profis<br />
historische Wracks, um sie als Restaurierung anzubieten. Die Werft<br />
Robbe & Berking Classics hat da gleich zwei Prachtexemplare im Angebot:<br />
Jenetta ist ein Alfred Mylne-Entwurf aus dem Jahre 1939, gebaut<br />
damals für Sir William Burton, der auch die J-Class-Yacht Shamrock<br />
IV im America’s <strong>Cup</strong> 1920 für seinen Geschäftsfreund Sir Thomas<br />
Lipton steuerte. Der „Scout“ von Robbe & Berking fand das Wrack von<br />
Jenetta in einem kanadischen See. Versunken. Um sich das Schiff zu<br />
sichern, ließ Oliver Berking die Reste bergen und nach Deutschland<br />
transportieren. Seither wartet der originale Kiel der berühmten<br />
Yacht, umgeben von ein paar Planken, auf eine totale Restauration.<br />
Wesentlich mehr ist von der legendären Gretel erhalten, die 1962 für<br />
Australien um den America’s <strong>Cup</strong> segelte. Diese Yacht steht ebenfalls<br />
auf dem Hof der Flensburger Werft, Berking fand sie in Italien.<br />
Gretel segelte im <strong>Cup</strong> gegen die amerikanische Weatherly und war<br />
eigentlich das schnellere Schiff; die Amerikaner waren jedoch besser<br />
im Bootshandling und bei den Manövern und so konnten sie auch<br />
diese Herausforderung, wenn auch nur sehr knapp, abwehren.<br />
Natürlich ist man fast versucht zu sagen, dass die Werft Robbe & Berking<br />
Classics selbst durch die Restaurierung eines 12ers entstanden<br />
ist. Und zwar durch die der ebenso bekannten wie schnellen Sphinx,<br />
bei Abeking & Rasmussen als Clubschiff für den Norddeutschen<br />
Regattaverein gebaut und im April 1939 vom Stapel gelaufen. So<br />
segelte sie nur eine Saison, an deren Ende, am 1. September, der<br />
deutsche Überfall auf Polen und damit der Beginn des Zweiten Weltkriegs<br />
standen. Sphinx wurde aufgelegt und überstand den Krieg,<br />
doch dann lag auch die Welt der Segler am Boden. Nach der Kapitu-<br />
02. bis 04. August<br />
Robbe & Berking 12er Sterling <strong>Cup</strong>, Flensburg<br />
fsc.de/regatten/robbe-berking-mr-sterling-cup.html<br />
22. bis 25. August<br />
12er-Regatten im Rahmen der German Classics, Laboe<br />
german-classics.info<br />
20 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Die deutsche 12er Klasse wächst kontinuierlich, vor allem im Ostseeraum und auf der Flensburger Förde werden die majestätischen Yachten dafür genutzt,<br />
wofür sie gebaut wurden: Regatten zu segeln<br />
Jeder 12er darf, wenn er den internationalen<br />
Klassenregeln entsprechen und ein echter<br />
12er sein soll, nur ein einziges Mal<br />
vorhanden sein<br />
Fotos: Ina Steinhusen<br />
lation durften Deutsche nur Boote segeln, die kürzer als sechs Meter<br />
waren. So kam es auf Initiative des damaligen Vorsitzenden des<br />
NRV, dem Reeder Erich F. Laeisz, zu einem legendären Ringtausch.<br />
Laeisz verkaufte die Sphinx an zwei Clubmitglieder des NRV, Hans<br />
und Wolfgang Freudenberg, die nicht nur über chilenische Pässe verfügten,<br />
sondern auch Inhaber einer großen Hamburger Holzhandlung<br />
waren. Unter chilenischer Flagge durften sie die Yacht segeln;<br />
sie bezahlten sie mit einer Waggonladung Eiche, Lärche und Mahagoni.<br />
Dieses Holz reichte der NRV an Abeking & Rasmussen weiter,<br />
Henry Rasmussen lieferte im Gegenzug zwölf Hummelboote, fünf<br />
Piraten, zwei kleine Kielboote vom Typ Sonderling und acht Hansajollen<br />
an den Hamburger Club. Der wiederum verkaufte die Boote<br />
an seine Mitglieder und legte damit den Grundstock für den Neubau<br />
des im Krieg zerstörten Clubhauses.<br />
1958 wurde Sphinx an die Marineschule in Flensburg verkauft,<br />
die sie bis zum Jahre 2004 unter dem Namen Ostwind als Ausbildungsschiff<br />
einsetzte. In den 1960er- und 1970er-Jahren gewann<br />
die Marine mit ihr insgesamt neunmal das „Blaue Band der<br />
Flensburger Förde“ für die schnellste einheimische Yacht. 2005<br />
schließlich wurden die 12er der Marine ausgemustert und versteigert.<br />
Um zumindest einen der 12er für die Förde zu retten,<br />
gaben die drei Flensburger Segler Jochen Frank, Gorm Gondesen<br />
und Oliver Berking ein Gebot ab – und bekamen den Zuschlag. Erst<br />
nach dem Kauf stellte sich heraus, in welch bedauernswertem Zustand<br />
sich der 12er befand. Unter der Leitung von Kai Wohlenberg<br />
begann im Januar 2006 die komplette Restaurierung der Yacht in<br />
einer provisorischen Halle am Flensburger Hafen.<br />
Zwei Jahre später kam daraus ein perfekter 12er zum Vorschein, fast<br />
besser als neu. Die Laien wunderten sich, die Profis staunten: A&R-Chef<br />
Hans Schaedla selbst musste zugeben, dass seine mittlerweile längst<br />
auf sehr viel größere Yachten und Schiffe spezialisierte Werft diese<br />
Restaurierung so nicht hätte durchführen können. Also beschloss Unternehmer<br />
Berking, im „Hauptberuf“ Inhaber der traditionsreichen Silbermanufaktur<br />
Robbe & Berking, seine Bootsbauer zu halten und eine<br />
Werft zu gründen, die sich seither auf den Bau, die Restaurierung und<br />
Reparatur von ausschließlich hölzernen Yachten, bevorzugt Rennyachten<br />
der Meter-Klassen, spezialisiert hat. Und, so schließt sich der<br />
Kreis, der wichtigste Holzlieferant der Werft ist die Holzhandlung in<br />
Hamburg, die einst den Brüdern Freudenberg gehörte.<br />
Die ohnehin schon recht beachtliche 12er Flotte in Norddeutschland<br />
wird in diesem Sommer um ein weiteres Schiff reicher: Cintra, entworfen<br />
von William Fife und gebaut 1909 in Schottland. Der leidenschaftliche<br />
Segler und Internetpionier Wilfried Beeck aus Kiel, der<br />
das Schiff nach Deutschland holte, ist bereits Eigner der Trivia. Gemeinsam<br />
mit Andreas Krause verchartert er vier 12er von Kiel aus,<br />
gebucht werden die Yachten, oft als komplettes Event mit einem<br />
maßgeschneiderten Programm, vor allem von Firmen. Allerdings<br />
nur dann, wenn sie nicht gerade Regatten segeln, denn das ist Beeck<br />
und Krause fast noch lieber…<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
21
yachting I Varianta<br />
Die Varianta<br />
von der alster<br />
Aus einer Pfahlreihe am Hamburger <strong>Segel</strong>-Club schiebt sich<br />
ein 6,40 Meter langes GFK-Boot mit einem rundlichen,<br />
gestuften Kajütdach, das zwischen den schicken<br />
Regattajollen und eleganten Holzklassikern etwas<br />
anachronistisch wirkt<br />
text monika kludas fotos claus reissig<br />
22 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Kielschwert-<strong>Segel</strong>n wie mit einer<br />
unkenterbaren Jolle: Die Großschot<br />
wird über einen Fußblock im<br />
Cockpit bedient, die Rollfock dazu<br />
ist ideal, finden Berthold Metzger<br />
und Dorothé Köster (links). Die unkomplizierte<br />
Varianta wurde in 50<br />
Jahren zu einem wertbeständigen<br />
Liebhaberboot<br />
Am hohen Heckkorb, neben dem hufeisenförmigen Rettungsring,<br />
ist eine verzinkte Badeleiter hochgeklappt,<br />
die als Baumarkt-Schnäppchen durchgehen könnte. Die<br />
Halterung für den Elektro-Außenborder – auf der Alster nicht erlaubt<br />
– wurde quer über die Zierleiste am Spiegelheck montiert.<br />
Dazwischen ragt die mit soliden Sechskantbolzen am Ruder befestigte<br />
Holzpinne ins Cockpit, in dem Berthold Metzger entspannt<br />
mit Ausleger und Großschot manövriert. Auf dem Vorschiff sorgt<br />
Dorothé Köster für den Antrieb, um gegen den Wind aus der engen<br />
Hafeneinfahrt des HSC zu kommen. Mit dem Bootshaken zieht<br />
sie die motorlose Varianta routiniert von Pfahl zu Pfahl. Dann eine<br />
kleine Kurskorrektur mit der Pinne, ein Schrick in die Großschot und<br />
schon nimmt die kleine Yacht rasch Fahrt auf. Dorothé Köster legt<br />
die Vorschot um die Winsch auf dem Cockpitsüll und sichert sie in<br />
der Kammklemme. Zufrieden lehnen sich die beiden auf der Backskiste<br />
an die gepolsterte Rückenstütze. Vor einer Stunde haben sie<br />
die Bürotüren hinter sich geschlossen, die <strong>Segel</strong>taschen gegriffen<br />
und sind zum Liegeplatz gefahren. Feierabendsegeln! Mit der legendären<br />
Varianta vom Typ K4 haben sich die beiden einen Traum erfüllt.<br />
„Schön wie am Gardasee“ findet Metzger das Ambiente auf<br />
der Außenalster und freut sich an den zahlreichen <strong>Segel</strong>booten,<br />
die bei frischer Brise zwischen Uhlenhorst und Harvestehude<br />
kreuzen. Über den Bug peilt er den Steg am Café Alster Cliff an.<br />
Dort verbrachte der gebürtige Unterfranke, der 2005 nach Hamburg<br />
kam, häufig seine Mittagspausen, schlenderte den Uferweg<br />
entlang oder saß Kaffee trinkend in der Sonne. Zunächst nur interessiert,<br />
allmählich aber immer sehnsüchtiger beobachtete er<br />
das lebhafte Geschehen auf dem Wasser, bis er eines Tages überlegte:<br />
„Das könnte ich ja mal selber machen.“ Gesagt – getan.<br />
„Die aus Überzeugung getroffenen Entscheidungen müssen<br />
mit Beharrlichkeit verfolgt werden, ohne sich von Störungen beirren<br />
zu lassen“, lautet die berufliche Devise auf der Homepage<br />
des Wirtschaftsprüfers. In der <strong>Segel</strong>schule büffelte er für den<br />
Sportbootführerschein Binnen, ließ sich in die Geheimnisse von<br />
Wenden, Halsen und Person-über-Bord-Manövern einweihen, absolvierte<br />
2011 problemlos die Prüfung und wurde Mitglied im HSC.<br />
Im folgenden Winter lernte er bei einem Salsa-Tanzkurs Dorothé<br />
Köster kennen, Tochter eines Kapitäns und Reeders aus Haren an<br />
der Ems. Sie hatte als Jugendliche mit ihrem Bruder und Freunden<br />
auf Charteryachten die niederländischen Gewässer erkundet. Es bedurfte<br />
keiner großen Überredungskunst zum gemeinsamen <strong>Segel</strong>n<br />
auf gemieteten Jollen, denn sie ist ebenso begeistert von der Alster<br />
wie er. Zu zweit genossen sie im Frühjahr den Blick vom Wasser auf<br />
die schöne Hamburger Skyline mit den markanten Kirchtürmen.<br />
Schon nach kurzer Zeit waren beide der Meinung, dass diese Art<br />
<strong>Segel</strong>n nicht der Weisheit letzter Schluss sei, und entschlossen sich,<br />
ein trailerbares Kajütboot zu kaufen. Eine Eignergemeinschaft kam<br />
nicht infrage, denn sie suchten ein kleines Boot, das sich leicht handhaben<br />
ließ, auf dem sie mit Freunden bequem segeln und die<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
23
yachting I Varianta<br />
Die Varianta<br />
feiert 2014<br />
ihr 50-jähriges<br />
Jubiläum<br />
varianta K4<br />
Lüa<br />
6,40 m<br />
breite<br />
2,10 m<br />
tiefgang<br />
0,70/1,30 m<br />
segelfläche (am Wind) 16,78 m 2<br />
segelfläche (Vorwind) 33,5 m 2<br />
kojen 4<br />
gewicht<br />
650 kg<br />
konstruktion e. G. van de Stadt 1964<br />
werft dehler Bootsbau (bis 1982)<br />
klassenvereinigung<br />
varianta.org<br />
Einfache Ausrüstung an Deck (links) und der Charme der 1980er Jahre<br />
unter Deck: Versenkbarer Aschenbecher (unten) und viele Schränkchen<br />
gestalten die Kajüte (ganz unten)<br />
achtjährige Tochter Elena mit ihrer großen Schwester Carmen und<br />
ihrer Freundin spielen könnte. Da sie keine genaue Vorstellung davon<br />
hatten, welche Modelle sich für die Alster eigneten und worauf<br />
man bei der Anschaffung achten sollte, beriet sie ein befreundeter<br />
Clubkamerad aus dem HSC beim Durchforsten des Online-Marktes.<br />
An einem Wochenende im Mai wurden sie auf einer virtuellen<br />
Versteigerungsplattform fündig. Ein passendes Angebot stand<br />
kurz vor dem Auktionsende, Metzger wollte wie empfohlen zehn<br />
Sekunden vor Schluss einen deutlich höheren Preis eingeben, um<br />
auf jeden Fall den Zuschlag zu erhalten. Fatalerweise spielte die<br />
Technik Schicksalsgöttin und versagte im entscheidenden Augenblick<br />
ihren Dienst. Die Internetverbindung stürzte ab, sein Gebot<br />
landete im weltweiten Nirgendwo. Am Sonntag durchstöberte<br />
der Clubkollege eine Online-Börse, die direkte Kontakte zu Eignern<br />
vermittelte, und stieß auf die Varianta K4 mit Baujahr 1970. „Die ist<br />
so robust, wie du das zunächst brauchst“, meinte der <strong>Segel</strong>freund.<br />
Der befragte Eigner wollte sein Boot ohne Besichtigung möglichst<br />
schnell abgeben. Er hatte aber seine Rechnung ohne die Beharrlichkeit<br />
Metzgers gemacht, der gleich am Montag mit seinem<br />
<strong>Segel</strong>freund und einem Geldbündel in der Tasche vor der Tür des<br />
Verkäufers in Oldenburg stand. Die Yacht zeigte sich in gutem<br />
Zustand und war mit Pütt und Pann sowie Trailer ausgerüstet.<br />
Man wurde rasch handelseinig und die Varianta wechselte zu<br />
einem günstigen Preis vom Zwischenahner Meer zur Außenalster.<br />
Der Kielschwerter, den 1964 der niederländische Konstrukteur Enricus<br />
Gerardus van de Stadt aus der Randmeer-Jolle entworfen hatte<br />
und von dem bis 1982 bei Dehler im sauerländischen Freienohl fast<br />
4.000 Stück in drei Versionen gebaut wurden – K3, K4 und 65 –,<br />
hat auch heute noch eine große Fangemeinde. Von den rund 500<br />
Mitgliedern der Klassenvereinigung sind vier Fünftel Fahrtensegler,<br />
für die jährlich drei Preise ausgeschrieben werden. „Mit Variantas<br />
werden sogar Törns nach Schweden und vor der Küste Kroatiens<br />
gesegelt“, erzählt Horst Werner auf der boot Düsseldorf am Messestand<br />
des Vereins, der seit 40 Jahren besteht. „Dieser Bootstyp ist<br />
sehr solide. Osmose wurde bisher nicht bekannt, weil das GFK mit<br />
dem Harz hergestellt wurde, das damals auch die niederländische<br />
Marine verwendet hat“, sagt er. Die Varianta-Segler sind stolz auf<br />
ihre langlebigen Yachten und stehen in engem Kontakt untereinander,<br />
betreut von zwölf Flottenobleuten zwischen Schleswig-<br />
Holstein und Baden-Württemberg. Nordrhein-Westfalen und Berlin<br />
sind die Kernzonen der Regatta-Aktivitäten. Thomas Overkämping,<br />
stellvertretender Vorsitzender und Mitglied des technischen Ausschusses,<br />
segelt seit 24 Jahren das Kultboot. „2012 haben wir bei<br />
der Travemünder Woche als größte Kielbootklasse mit 35 Teilnehmern<br />
ein Ausrufezeichen gesetzt“, berichtet er euphorisch und<br />
schildert, wie die Mitglieder – ähnlich wie bei den Oldtimern der<br />
Straße – stets über neue Ideen für Rigg, Rumpf oder Requisiten<br />
fachsimpeln. Ihnen stehen ein dicker Ordner mit Techniktipps zur<br />
Verfügung und sogar die Original-Unterlagen der Dehler-Werft aus<br />
24 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
den 1960er Jahren. Was damals in der Verkaufsbroschüre angepriesen wurde, gilt auch<br />
heute noch: Die K4 hat ein selbstlenzendes Cockpit, ist unsinkbar und mit 40 Prozent Ballastanteil<br />
unkenterbar. Ihr Gewicht von 650 Kilogramm und nur 2,10 Meter Breite ermöglichen<br />
das Trailern mit einem Mittelklassewagen. Knapp 17 Quadratmeter <strong>Segel</strong>fläche<br />
an einem pflegeleichten Rigg bestätigen ihr Image als unkompliziertes Einsteigerboot.<br />
Ein typischer Beschlag der Varianta ist zum Beispiel eine Flügelmutter. Hat man das<br />
Großsegelfall durchgesetzt und belegt, kommt sie zum Einsatz. Mit dem Körpergewicht<br />
wird der Baum belastet, bis das Vorliek je nach Windstärke die gewünschte Spannung hat.<br />
Dann dreht man die Mutter fest auf den Mastrutscher, der den Baum in Position halten soll.<br />
Dieses schlichte Metallteil hat sich im Laufe eines halben Jahrhunderts nicht verändert. Es<br />
bestand einfach kein Bedarf an einer grundlegenden Innovation. Heute hat die sportliche<br />
kleine Yacht bei ihren Fans einen ähnlichen Liebhaberstatus erlangt wie der alte<br />
Brezel-Käfer aus der Wolfsburger Autoschmiede und feiert 2014 ihr 50-jähriges Jubiläum.<br />
Der klassische Charme der Ausrüstung zog auch Berthold Metzger und Dorothé Köster<br />
in seinen Bann. An den Kajütseiten der Schnecke gibt es eine mit Ziernähten versehene<br />
Kunststoffpolste-rung im Originalfarbton „Tobacco“, einen schlichten zweiflammigen<br />
Gaskocher unter einer Holzklappe, einen versenkbaren Aschenbecher, einen Zigarettenanzünder,<br />
und auch Liegematten für das Vordeck fehlen nicht. Die etwas plüschig<br />
wirkenden Vorhänge fielen allerdings der schönen Aussicht zum Opfer. Fender und Festmacher<br />
werden in der Kiste zwischen den Vorschiffskojen verstaut. Mit der überkompletten<br />
Ausrüstung zum <strong>Segel</strong>n konnte das frisch gebackene Eignerpaar nach dem<br />
Slippen auf der Alster sofort die Leinen loswerfen. „Ein Zukauf war nicht nötig“, freut sich<br />
Metzger. „Nur den Namen Schnecke muss ich noch am Heck anbringen, das ist Carmens<br />
Spitzname.“ Inzwischen hat Elena, die Achtjährige, den Erwachsenen schon viel abgeguckt<br />
und arbeitet an der Pinne wie ein Weltmeister: „Klar zur Wende!“, schallt ihr Lieblingskommando<br />
über Deck. „Keine Krokodile, keine Haie – Ree!“<br />
Bei der Jungfernfahrt sah das 6,40 Meter lange Boot aus „wie ein Affenfelsen“, beschreibt<br />
Metzger die ausgelassene Einweihungsfeier mit 13 Personen aus Familie und Firma. „Zum<br />
Ab- und Anlegen mussten sich immer zehn unter Deck quetschen, damit wir im Cockpit<br />
die Manöver fahren konnten.“ Für die neue Saison liebäugelt die Varianta-Crew bereits mit<br />
der Mittwochs-Regatta des HSC, „aber sehr entspannt, ohne Ambitionen auf die ersten<br />
50 Plätze“, lacht der Skipper. Einen ganz besonderen Stellenwert besitzt das solarbetriebene<br />
Bordradio mit mp3-Anschluss. Da kommen Berthold Metzger und Dorothé Köster<br />
ins Schwärmen. „Wenn wir zum Sonnenuntergang bei klassischer Musik so langsam dahinsegeln,<br />
das ist das Schönste überhaupt.“<br />
Das kleine Kajütboot lässt sich auf engem Raum problemlos von<br />
Hand bugsieren und bietet dabei ausreichend Platz an Deck<br />
Richtig segeln lernen<br />
beim DHH und<br />
seinen Yachtschulen<br />
Glücksburg/Ostsee<br />
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mai/juni<br />
1925.<br />
<strong>2013</strong> <strong>Segel</strong><br />
Tel. 040<br />
journal<br />
/ 44 112542 50
yachting I better place<br />
26 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
yachtcheck<br />
really a<br />
better place?<br />
Yachten von Wally polarisieren. Das neue 50-Meter-<br />
Flaggschiff setzt nicht nur durch seine auffällige Farbgebung Akzente.<br />
Für das SEGEL JOURNAL war Marilyn Mower an Bord der Luxusyacht.<br />
fotos Gilles Martin-Raget, Toni Meneguzzo, Carlo Borlenghi<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
27
Nach achtern hin macht die Linie der Fenster<br />
einen Sprung eine Ebene tiefer. So ergibt sich<br />
optisch eine Stufe zum privaten Achterdeck des<br />
Eigners. Better Place ist für das Leben im Freien<br />
gemacht, das Sonnendeck und die Flybridge<br />
haben eine Fläche von 304 Quadratmetern.<br />
Ihre <strong>Segel</strong>leistungen sind beeindruckend.<br />
Während der Probefahrten machte sie bei<br />
14 Knoten Wind zwölf Knoten Fahrt<br />
Das besondere Detail<br />
Auf dem vorderen, 274<br />
Quadratmeter großen Teakdeck<br />
gibt es einen versenkten<br />
Spa-Pool. Winschen, Spills und<br />
Tender sind ebenfalls unter<br />
Luken verborgen.<br />
„Das Schiff ist eine Wally in jedem<br />
Punkt. Mit 250 Tonnen ist sie leicht,<br />
sie wiegt nur halb so viel wie andere<br />
50-Meter-Fahrten-Schiffe.“<br />
Wer Luca Bassani Antivari kennt, weiß, dass er die Welt etwas<br />
anders sieht als die meisten Leute im Yacht-Business.<br />
Seitdem er 1994 mit seinem von Luca Brenta gezeichneten<br />
Wallygator auf die Bühne stürmte, hinterlässt er den Eindruck, er<br />
glaube beständig, den Status quo des Yachtdesigns verändern zu<br />
müssen. Er hebt Grenzen auf und reißt die Yachtwelt mit sich voran.<br />
Als Segler von Kindesbeinen an, weiß er Motoryachten dennoch<br />
zu schätzen. Seine 36 Meter lange WallyPower stellte 2003 die Gesetze<br />
des Motoryacht-Designs auf den Kopf, und mit WallyTender<br />
und dem Wally Lunch Boat machte er in diesem Sinne weiter. Im<br />
vergangenen Sommer gelang Bassini ein Hattrick. Zuerst lieferte<br />
Wally mit der WallyCento das erste Schiff einer neuen Cruiser/Racer-<br />
Generation aus, danach folgte mit Kanga das erste Schiff aus Wallys<br />
neuer Verdränger-Linie. Und dann lief die erste große Fahrten-Wally<br />
vom Stapel, das neue 50,5-Meter-Flaggschiff Better Place.<br />
Erstaunlicherweise kommt der Eigner von Better Place nicht aus der<br />
Seglerszene. „Er ist ein Motor-Mann“, sagt Bassani, „einige unserer<br />
fortschrittlichsten Schiffe werden für Motoryacht-Eigner gebaut.“<br />
Und fortschrittlich ist dieses Schiff. Better Place ist Wallys erste dieselelektrische<br />
<strong>Segel</strong>yacht, unter Maschine angetrieben über eine herkömmliche<br />
Welle und einen Faltpropeller. Wenn alle drei Caterpillar<br />
C7-Generatoren arbeiten, schafft das Schiff mit seinem Siemens-<br />
Elektromotor 14,5 Knoten. Begnügt man sich mit einem Generator,<br />
sind immer noch 9,5 bis zehn Knoten drin.<br />
28 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
yachting I better place<br />
Better Place ist als Motorsegler konstruiert. „Wir haben das Motorsegler-Konzept<br />
von seinem Stumpfsinn befreit, der Rumpf ist ein echter<br />
Torpedo“, verdeutlicht Bassani. „Das Schiff ist eine Wally in jedem<br />
Punkt. Mit 250 Tonnen ist sie leicht, sie wiegt nur halb so viel wie<br />
andere Fahrtenyachten dieser Größe. Man muss nicht auf 20 Knoten<br />
Wind warten, um seinen Spaß zu haben, und bei 25 Knoten wieder<br />
einpacken.“<br />
Das, was Bassani unter Torpedo-Konzept versteht, wird beim ersten<br />
Blick auf das Polar-Diagramm deutlich, dass die Geschwindigkeiten<br />
unter verschiedenen Windstärken und -winkeln angibt. Better Place<br />
segelt am Wind mit 14 und raumschots mit 17 Knoten. Sie ist die<br />
erste Yacht dieser Größe, die auf Wunsch des Eigners komplett in<br />
Hightech-Komposit gebaut wurde.<br />
An Deck erinnert sie an die Wally-Yacht Esense, 2006 gebaut.<br />
Das 43,7-Meter-Schiff fiel vor allem durch sein hohes Freibord<br />
und die großen Fenster auf, die im achteren Bereich von<br />
Deckshöhe zur Ebene der Heck-Terrasse herabgesetzt waren.<br />
Dieser semi-private Bereich für den Eigner ist ein typisches<br />
Wally-Feature. Ebenfalls wie auf Esense zieht sich ein niedriges<br />
Schanzkleid ums Schiff, das mehr Schutz bietet als die üblichen<br />
Fußrelings und gleichzeitig eine gute Möglichkeit ist, Schoten<br />
und Festmacher zu führen. Aber das war’s dann auch mit den<br />
Gemeinsamkeiten.<br />
Better Place hat ein fast konservatives Deckshaus mit einem<br />
eigenen Ruderstand. Von 281 Quadratmetern Wohnraum im<br />
Innern genießt man durch bodentiefe Fenster einen Panoramablick<br />
und hat durch zahlreiche Türen Zugang zum Hauptdeck,<br />
zum Achterschiff und zu den Seitendecks. Die Flybridge mit<br />
Doppelsteuerstand und Dining Lounge ist ein Novum für eine<br />
Wally. Wie Esense und die 45 Meter große Saudade von 2008, die<br />
ebenfalls ein Deckshaus aber keine Flybridge hat, ist das Schiff<br />
von Bill Tripp konstruiert.<br />
„Wir haben mit dem Entwurf 2003 angefangen“, sagt Tripp. „Ursprünglich<br />
planten wir ein Aluminiumschiff, eine Art Esense mit<br />
Wally-Aufbau. Doch seit dem ersten Konzept hat sich die Idee rasant<br />
weiterentwickelt.“<br />
Unter Deck dominieren bei diesem Schiff Großzügigkeit und Komfort,<br />
Ähnlichkeiten mit den Wohnwelten großer Motoryachten sind<br />
nicht zufällig. Salon, Speisebereich und Steuerhaus bilden eine Einheit,<br />
und das Mobiliar kann für verschiedene Anforderungen passend<br />
konfiguriert werden. Im Salon können rund zwanzig Leute in einer<br />
Lounge entspannen, die sich über die volle Breite zum überdachten<br />
Achterdeck hin öffnet, wo noch weitere Gäste Platz finden. Der niedrige<br />
coffee table in der Mitte verwandelt sich in einen kleinen Esstisch<br />
für bis zu acht Personen. Oder er ergänzt den größeren Esstisch für<br />
zehn Personen. Auch der Essbereich ist multifunktional. Er kann auch<br />
als Lounge mit einem 6-Personen-Sofa dienen, auf dem die Gäste<br />
ohne lästiges Spritzwasser das <strong>Segel</strong>n erleben können.<br />
Bei Flaute oder wenn die Yacht im Hafen oder vor Anker liegt,<br />
ermöglicht die vordere, 140 Quadratmeter große Freifläche einen<br />
angenehmen Aufenthalt. Sie ist vom Essbereich im Deckshaus<br />
zugänglich und bietet zwanzig Personen Platz. Auf dem vorderen,<br />
insgesamt 274 Quadratmeter großen Teakdeck gibt es einen<br />
versenkten Spa-Pool. Winschen, Spills und Tender sind ebenfalls<br />
unter Luken verborgen. Bis auf den Steuerstand steht das gesamte<br />
Deck Eigner und Gästen zur Verfügung. Damit an Bord alles<br />
glatt läuft, während Eigner und Gäste entspannen, sorgt eine<br />
zehnköpfige Crew für den Betrieb der Yacht und das persönliche<br />
Wohl der Gäste.<br />
Auf das Sonnendeck und die Flybridge, zusammen 304 Quadratmeter<br />
groß, führen eine Treppe aus dem Essbereich und eine Außentreppe<br />
vom Achterdeck. Hinter dem Baumniederholer unter dem<br />
Rollgroß findet ein gemütliches Rundsofa seinen Platz mit Blick zum<br />
Steuermann.<br />
Styling allerorten: Duschkabine (links); Blick zur Eignersuite (Mitte): in den beleuchteten Nischen ist Platz für Kunst. Aufenthaltsraum für die Crew (rechts)<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
29
yachting I better place<br />
Better Place ist die<br />
erste Yacht dieser<br />
GröSSe, die komplett<br />
in Hightech-Komposit<br />
gebaut wurde<br />
Die großzügigen Gästekabinen liegen vor und hinter den Maschinenräumen und dem Kiel-Kasten<br />
Ein besonderes Merkmal von Better Place ist das Umwelt-Zertifikat<br />
RINA Green Star, sie wurde darüber hinaus auf der Monaco Boat<br />
Show 2012 als „umweltbewussteste” <strong>Segel</strong>yacht (Most Environmentally<br />
Conscious Sailing Yacht) ausgezeichnet. Ihr diesel-elektrischer<br />
Antrieb stellt die neueste Siemens-Technologie dar und ermöglicht<br />
es, hydraulische Systeme elektrisch zu betreiben, etwa das innere<br />
Rollvorsegel und die Schotspanner.<br />
Neben einem Rollreff im Großbaum und Magic Trim an der Großschot,<br />
verfügt Better Place über eine Selbstwende-Fock, eine geschlossene<br />
Fockwinsch und komplette Push-button-Technik für<br />
müheloses <strong>Segel</strong>n. Eine der beeindruckendsten Vorrichtungen ist<br />
das versteckte Stagsegel. Es rollt sich um ein spannungsfreies Vorstag<br />
und verschwindet in einem 8,5-Meter-Fach im Deck. Das ermöglicht<br />
problemlose Wenden mit der Genua oder Halsen mit dem<br />
asymmetrischen Reacher und hält das Vordeck frei, wenn das <strong>Segel</strong><br />
nicht gebraucht wird.<br />
„Als wir das Boot im Wasser hatten und erste Probefahrten machten,<br />
fragte der Eigner, ob er es übers Wochenende haben könnte, um<br />
nach Montenegro zu fahren”, erzählt Konstrukteur Tripp. „Wir waren<br />
zwar noch nicht ganz fertig, aber Luca meinte, er könne es ein paar<br />
Tage haben. Das Schiff kam aber erst nach ein paar Monaten zurück,<br />
nachdem der Eigner mit ihm vor Sizilien und Sardinien gekreuzt war.<br />
Er schien sein Boot gleich zu mögen.”<br />
better place<br />
Lüa<br />
50,5 m<br />
LWL<br />
44,8 m<br />
breite<br />
10,25 m<br />
tiefgang<br />
4,6 m<br />
verdrängung (leicht)<br />
230 t<br />
maschinen/generatoren 3 x Caterpillar C7,<br />
je 235 kW (315 PS); Antrieb diesel-elektrisch Siemens<br />
eigner und gäste 10-12<br />
crew 10<br />
bauweise<br />
Komposit<br />
klassifikation MCA LY2 unbeschränkt; RINA Green Star<br />
konstrukteur<br />
Tripp Design Naval Architecture<br />
design<br />
Wally/Luca Bassani<br />
Werft/Baujahr<br />
Wally/2012<br />
wally.com<br />
Die SJ-Meinung<br />
Hightech-Komposit-Bauweise kombiniert mit Wally-Stil und dem Luxus der Großzügigkeit.<br />
Wer schon immer mal beim <strong>Segel</strong>n im Pool relaxen wollte, hat mit dieser Yacht den<br />
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30 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
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32 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
travel<br />
Foto: Claus Reissig<br />
highlights Tipps satt, für mehr als einen TörN 34 – 35<br />
helgoland Eine Hommage an den Fels in der Nordsee 36 – 43<br />
Sail & the City San Francisco, die Stadt zum <strong>Cup</strong> 44 – 46<br />
panzer segelt... auf der schlei 48 – 54<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
33
travelhighlights<br />
Surfen<br />
beim <strong>Segel</strong>n<br />
<strong>Segel</strong>n ohne Handy und Internet war<br />
gestern. Ein nicht funktionierendes WLAN<br />
wird eigentlich nur noch auf hoher See<br />
akzeptiert. In Thailand ist „always online“<br />
bereits durch über 200.000 Hotspots im<br />
Land möglich. Wer auf den Spuren von<br />
James Bond die durch den Film “Der<br />
Mann mit dem goldenen Colt” weltberühmte<br />
Insel Khao Phing Kan erkunden<br />
möchte, wird nun auch bestens mit Hotspots<br />
versorgt. Um gratis ins thailändische<br />
Netz zu gehen, muss man lediglich<br />
seine Passnummer angeben, dann kann<br />
man alle zwei Stunden zwanzig Minuten<br />
kostenlos surfen.<br />
Standortwechsel<br />
mit Bond-Feeling<br />
Einen Umzug gab es für die Moorings-Yachten in der Türkei. Zur<br />
Saison wurde die Charterbasis von Göcek weiter die türkische<br />
Küste hinunter nach Fethiye verlegt. Die Marina des Yacht Classic<br />
Hotels ist nun das neue Zuhause der Charteryachten. Während<br />
der Dreharbeiten zu „Skyfall“ wohnte dort der amtierende James<br />
Bond persönlich. Daniel Craig und das Produktionsteam logierten<br />
dort, wo jetzt die Chartergäste ihre Yachten übernehmen. Und falls<br />
das Einchecken mal etwas länger dauert, lässt es sich in einem der<br />
beiden Swimmingpools oder dem Jacuzzi noch herrlich mit oder<br />
ohne Bond-Girl entspannen. moorings.de; yachtclassichotel.com<br />
Festtag für<br />
Fischers Fritze<br />
Seglers Lieblingsrevier vor der Haustür ist die Ostsee-Küste<br />
Schleswig-Holsteins. Dort wird am 4. Mai der Weltfischbrötchentag<br />
gefeiert. Wie bitte? So was gibt‘s, jawohl. Und dieser<br />
Ehrentag des fischigen Brötchens kommt gut an – samt der<br />
Programme rund um das Kultobjekt in den Küstenorten und<br />
Häfen. Mehr dazu unter weltfischbroetchentag.de. Und wer<br />
wissen will, ob <strong>Segel</strong>n vor dem Fischbrötchen-Genießen etwas<br />
für ihn ist, dem bietet die Yachtschule Glücksburg in der<br />
Flensburger Förde einen <strong>Segel</strong>-Schnupperkurs – als Beifang<br />
mit im Netz sind vier Übernachtungen und ein Wellness-Programm<br />
(ab 345 Euro). gluecksburg.de<br />
Fotos: Anbieter(3)/ostsee-schleswig-holstein.de; kieler-woche.de; ART;<br />
shutterstock.com(4)/FloridianWill/Sabine Schmidt/Georgi Djadjarov/ Agnieszka Guzowska, Bill McKelvie<br />
34 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
<strong>Segel</strong>törn mit Rad<br />
Wer nicht nur segeln, sondern sich auch an Land noch sportlich betätigen möchte,<br />
ist in dieser Saison bei Frosch Sportreisen gut aufgehoben. Die Gewässer um Rügen<br />
und Hiddensee, mit all ihren Buchten, den Halbinseln und der wunderschönen<br />
Küstenlandschaft bilden dabei die Kulisse für den sportlichen Sommertörn. Gesegelt<br />
wird auf dem über hundert Jahre alten, segelnden Küstenfrachter Jan Huygen, der<br />
auch als Packesel für die Fahrräder dient. Die <strong>Segel</strong>etappen sind so geplant, dass immer<br />
auch Zeit für zwei- bis dreistündige und an Hafentagen für ganztägige Radtouren bleibt.<br />
Eine Woche radelnd segeln kostet in der Doppelkabine knapp 740 Euro inkl. Vollverpflegung<br />
und geführten Radtouren. Frosch-sportreisen.de<br />
Amerikas Venedig<br />
Hotspots, Häfen,<br />
Hinterland<br />
Ein <strong>Segel</strong>törn vor Venedig: ein Traum! Ein <strong>Segel</strong>törn vor dem<br />
als „Venice of America“ bekannten Fort Lauderdale: ein amerikanischer<br />
Traum. Damit man zur Traumerfüllung nicht extra<br />
mit der eigenen Yacht anreisen muss, bietet Dream Yachting<br />
jetzt auch Charteryachten in Südflorida an. Spannende und<br />
legendäre <strong>Segel</strong>reviere wie South Beach, die Florida Keys<br />
und Key West, Miami, Biscayne Bay, Key Largo und Islamorada<br />
rücken so nun auch für den europäischen Chartersegler<br />
in greifbare Nähe. Die Charteryachten von Dream Yachting<br />
liegen – nomen est omen – in der „Fun In The Sun“-Marina in<br />
Fort Lauderdale und werden in Deutschland unter anderem<br />
von scansail.de angeboten.<br />
Trendziel und ein perfektes <strong>Segel</strong>-Revier<br />
ist Istrien, das mit rund tausend Küstenkilometern,<br />
mittelalterlichen Städtchen<br />
und Kulturschätzen, gutem Essen und<br />
einer spannenden Mischung von Luxus<br />
und Naturnähe punktet. Als Ferienplaner<br />
ist das „Istrien Magazin <strong>2013</strong>“ angelegt,<br />
die Broschüre stellt Highlights vor,<br />
Reportagen über Menschen und Orte,<br />
Adressen und Infos zu Restaurants,<br />
Weingütern, Hafenstädtchen und Marinas.<br />
Das Magazin ist gratis erhältlich<br />
unter istrienmagazin.at.<br />
Lounge mit<br />
Licht-show<br />
Zur Kieler Woche gibt es in diesem<br />
Jahr Themen-Törns auf Traditionsseglern:<br />
Bei der Jazz-Sail geht‘s mit Willem<br />
Montgomery Strank am Piano und<br />
Wolfgang Biesterfeldt am Saxophon<br />
auf dem Zweimastschoner Abel Tasman<br />
aufs Wasser. Wer sein Instrument<br />
mitbringt, ist zur Jamsession eingeladen<br />
(22./23. Juni, 19 Uhr). Moderne<br />
Club-Kultur bietet die abendliche<br />
Lounge-Sail mit elektronischen Sounds<br />
und Lichtshow auf dem Dreimast-<br />
Gaffelschoner Albert Johannes (24./25.<br />
Juni, 19 Uhr). Ab 39 Euro, Infos unter<br />
0431 / 679100 und kiel-sailing-city.de/<br />
schiffstouren.<br />
Zuwachs<br />
auf Mallorca<br />
Eine neue Charterbasis gibt es auf der<br />
Lieblingsinsel der deutschen Urlauber.<br />
Nur ein paar Meter von Palmas<br />
Altstadt entfernt eröffnet Sunsail am<br />
1. Juli in der Marina Balear einen<br />
Charterstützpunkt. Nicht nur für<br />
Törns rund um die Baleareninsel<br />
ist die Basis ein idealer Ausgangspunkt,<br />
sondern auch für einen<br />
Ausflug zur berühmten Kathedrale,<br />
den Einkaufsstraßen und<br />
in die verwinkelten Gassen und<br />
versteckten Restaurants der Inselhauptstadt.<br />
Sunsail-Yachten<br />
ab Palma gibt es unter anderem<br />
bei argos-yachtcharter.de.<br />
35
travel I helgoland<br />
Die Welt<br />
da draußen<br />
Helgoland liegt als einzige Felseninsel<br />
weit drauSSen in der Deutschen Bucht.<br />
Nicht nur die Menschen sind hier ein wenig<br />
anders als auf dem Festland, das ganze Leben<br />
scheint eine Spur langsamer zu laufen.<br />
text und fotos claus reissig<br />
36 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
helgoland<br />
deutschland<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
37
travel I helgoland<br />
Müde plätscherten die Wellen an den<br />
Rumpf der Old Salt, Plastikflaschen rieben<br />
sich tonlos an ihren Bordwänden,<br />
während das Stahlschiff träge an seinen<br />
Leinen zog. Mehrere Jahre lag sie<br />
im Südhafen der Insel, fast hätte man<br />
meinen können, die größte Gefahr<br />
wäre davon ausgegangen, dass sie irgendwann einmal einfach sinkt.<br />
Der holländische Zweimaster, der vor einigen Jahren herrenlos im<br />
Hafenbecken lag, war ein Schmugglerboot, wie man es auf einer Insel<br />
weit draußen im Meer hätte erwarten können.<br />
Sein Zielhafen war jedoch nicht Helgoland, hier wurden die Verbrecher<br />
lediglich dingfest gemacht. Die Fracht – Rauschgift im Wert von über<br />
20 Millionen Euro – hatten sie bereits vor der holländischen Küste abgeworfen.<br />
Für die Helgoländer, in deren Adern immer noch ein wenig<br />
das Blut der alten Seefahrer und Schmuggler zu pulsieren schien,<br />
ein kleiner Stich ins Herz. Denn auch an der Geschichte, dass der alte<br />
Seeräuber Klaus Störtebeker Helgoland regelmäßig angelaufen hat,<br />
wird schließlich immer wieder gezweifelt. Wer an einem Sommerabend<br />
durch das Unterland (also den Teil der Insel, der am Hafen liegt)<br />
streift, könnte dagegen die Geschichten fast glauben. Nicht jedoch<br />
wegen der Bebauung der Insel, die nach der kompletten Zerstörung<br />
durch die Engländer ausnahmslos aus den Fünfziger Jahren des vorigen<br />
Jahrhunderts stammt, sondern wegen dieses unnachahmlichen<br />
Gefühls der Freiheit, das von Helgoland ausgeht.<br />
Geradezu trotzig liegt es knapp 40 Seemeilen nordwestlich von<br />
Cuxhaven in der Deutschen Bucht, einem der gefährlichsten und<br />
stürmischsten Seegebiete der Welt. Wenn es mit über sieben Beaufort<br />
stürmt (was keine Seltenheit ist), brummt der dreieckige Fachwerkturm<br />
der Telekom auf dem Oberland, dass man es auf der<br />
ganzen Insel hört. Dann scheint die Gischt überall in der Luft zu<br />
liegen, während man mit seinem Schiff im Schutz der hohen Spundwände<br />
geschützt in einem der Hafenbecken liegt. Ein intensives<br />
Erlebnis, das einen wie auf einer Insel weit draußen im Ozean und<br />
nicht vor der deutschen Küste fühlen lässt. Und eines, das süchtig<br />
macht: Einige Unentwegte lassen ihre Yachten sogar im Winter<br />
im Wasser, nur um Silvester hier verbringen zu können. Wie eine<br />
Mahnung liegen die martialischen Schiffe der Küstenwache, das<br />
neue gewaltige Swath Helgoland des Zolls und natürlich das<br />
größte Schiff der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger<br />
in der Hafeneinfahrt.<br />
Aber während auf die Behördenschiffe vor der EU-Außengrenze<br />
reichlich Arbeit wartet, lebt die Hermann Marwede davon, dass trotz<br />
ihrer exponierten Position vor der Küste nur wenig passiert. „Fischkutter<br />
gibt es hier nur noch selten und auch Sportboote kommen<br />
nur wenige“, sagt Jörg Rabe, dessen Rang als Vormann dem eines<br />
Kapitäns entspricht. „Für eine <strong>Segel</strong>yacht mit Schwierigkeiten muss<br />
ich nicht extra rausfahren, das meiste kann das Tochterboot mit<br />
seinen 300 PS genauso gut.“ Wie alle an Bord des 46-Meter-Schiffes<br />
mit seinen fast 10.000 PS kommt auch der 51-Jährige nicht von der<br />
Insel. Der Kontakt an Land ist rar, schließlich will die Hermann Marwede<br />
permanent vorgewärmt auf Standby gehalten werden, damit<br />
sie innerhalb von zehn Minuten auslaufbereit wäre; alle 14 Tage<br />
wechselt die Mannschaft. Wie ein Damoklesschwert schwebt die<br />
Katastrophe der Adolf Bermpohl im Jahr 1967 über Rabes Einsatzort.<br />
Nach der erfolgreichen Rettung einiger Fischer von ihrem<br />
sinkenden Kutter waren der Kreuzer und das Tochterboot am<br />
nächsten Tag leer auf See gefunden worden. Von den Seeleuten<br />
fehlte jede Spur, die genauen Umstände wurden nie geklärt. Heute<br />
würden Hubschrauber solche Jobs übernehmen.<br />
Auch wenn solche Geschichten zur Insel gehören, wie die Tausende<br />
von Seevögeln auf ihren Brutplätzen am roten Felsen, schmückt sich<br />
Helgoland als Tourismusinsel lieber mit einigen Superlativen. Sie ist<br />
Deutschlands einzige Hochseeinsel (was sie genau genommen<br />
Blick vom Oberland auf den Südhafen der Insel, der zu besten Nordseewoche-Zeiten fast trockenen Fußes überquert werden kann<br />
38 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Das ist Helgoland: Hummerbuden, Börteboote,<br />
Nordseewasser & eine steife Brise<br />
Geradezu trotzig liegt die Insel knapp 40 Seemeilen<br />
vor Cuxhaven in der Deutschen Bucht<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
39
Foto: shutterstock.com/ Roland IJdema<br />
Schon mal beim Opti-<strong>Segel</strong>n einem Seehund tief in die schwarzen Knopfaugen<br />
geblickt? Helgoland und Kinder? Das passt perfekt. Die Insel ist autofrei<br />
Opti offshore<br />
© SOC/ Tellkamp<br />
Wer denkt, das Seerevier vor Helgoland sei nur etwas für die<br />
Großen, hat sich gewaltig geirrt. Zum elften Mal treffen sich<br />
vom 13. bis 17. Juli 125 Optikinder zur einzigen deutschen<br />
Opti-Hochseeregatta, dem Störtebeker Opti <strong>Cup</strong>, kurz SOC<br />
genannt. Hier müssen sich die Jugendlichen mit Reviereigenschaften<br />
auseinandersetzen, die vor allem für die Binnensegler<br />
neu sind: Strom und Tide. „Für mich ist der SOC<br />
pures Regattasegeln für Kinder vor der schönsten Insel<br />
Deutschlands, mit toller Stimmung, super Gemeinschaft und<br />
klasse Zusammenarbeit“, begründet Organisator Henning<br />
Tebbe seinen Enthusiasmus. Die Regatta ist ein weiterer Beweis<br />
dafür, zu was für guten Ideen und Projekten ein oder<br />
zwei Feierabendbier am Tresen der Clubhäuser führen können.<br />
Erst war es nur eine lustige Idee, mit vielen Optis auf<br />
die Insel überzusetzen. Doch dann wurde daraus eine ernstzunehmende<br />
Veranstaltung, organisiert vom Blankeneser<br />
<strong>Segel</strong> Club (BSC) und dem Wassersportclub Helgoland<br />
(WSCH). Für die Regatta ist in jedem Jahr eine beeindruckende<br />
Organisation nötig, vor allem der Transport der vielen<br />
Optis mit zwei gecharterten Kümos auf die autofreie Insel<br />
ist eine logistische Meisterleistung. Auf der Insel angekommen<br />
fühlen sich alle wohl. Segler und mitgereiste Familienmitglieder.<br />
Die kleine Insel, charmant in Ober- und Unterland<br />
aufgeteilt, lockt mit James-Krüss-Feeling und unbeschwerter<br />
Kindheit. Und die benachbarte Düne, zu der mit kleinen Booten<br />
übergesetzt wird, ist das perfekte Strandparadies, das nur<br />
mit den Seehunden geteilt werden muss. Die possierlichen<br />
Tierchen tummeln sich natürlich auch im Wasser und haben<br />
einem beim Störtebeker Opti <strong>Cup</strong> gekenterten Segler schon<br />
mal ganz tief in die Augen geschaut. Organisator Jan Tellkamp,<br />
der mit seinem schnellen RIB für die Sicherheit der<br />
Kinder sorgt, fasst seine Begeisterung für die Regatta zusammen:<br />
„Vor Helgoland wachsen die Kinder in ihren Booten. Erst<br />
fahren sie unsicher raus, dann kommt der Spaß. Ich erinnere<br />
mich an eine Wettfahrt bei 15 bis 17 Knoten Wind und einer<br />
1,5 Meter hohen Welle. Nach dem Ziel fiel ein Kind ab, setzte<br />
sich auf die Welle und raste mit einem lauten Jubel und strahlenden<br />
Augen im Vollflieger runter zum nächsten Start. Ich<br />
saß in meinem RIB im Wellental und konnte mir das Ganze<br />
von unten ansehen.“ opti-helgoland.de<br />
40 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
travel I helgoland<br />
Wo sind denn all die Segler hin? Feiern an Land. Mit Bier, Eiergrog und allem, was der Schiffsausrüster hergibt<br />
nicht ist, da sie auf dem Festlandsockel liegt), ist Deutschlands<br />
kleinstes Naturschutzgebiet (seit 1986), hat die größte Seehundkolonie<br />
(auf der gegenüberliegenden Düne) und ist zoll- und<br />
mehrwertsteuerfreie Zone (als Erbe davon, dass sie einmal zu<br />
England gehörte und gegen Sansibar eingetauscht wurde). Vor<br />
allem beherbergt sie aber dank des einmaligen felsigen Untergrunds<br />
Deutschlands einzige Hummerpopulation. Auch wenn<br />
die ohne Hilfe von Biologen kaum überlebensfähig wäre (siehe<br />
Kasten), nachdem sie bis Mitte des letzten Jahrhunderts von den<br />
Helgoländern gnadenlos ausgebeutet wurde.<br />
1.350 Menschen leben permanent auf dem roten Felsen, selbst Fahrräder<br />
gelten als Privileg, außer für Behörden sind sie auf der Insel<br />
verboten, genauso wie Autos. Einzige Ausnahme ist der Krankenwagen,<br />
ansonsten surren Elektrokarren mit den täglichen Waren durch<br />
Unter- und Oberland. Wer schnell vorankommen möchte, leiht sich<br />
einen Roller, eine Lücke in Helgolands Gesetzen, und zumindest die<br />
Kinder dürfen in der Nachsaison ihre Räder aus dem Keller holen.<br />
Hier ist es absolut ruhig, ohne Verkehrslärm fällt regelrecht eine Last<br />
von einem ab; die meisten nehmen sich die Zeit für einen kurzen<br />
Schnack. Dass man für diese Abgeschiedenheit der Typ sein muss,<br />
weiß ein Zugereister: „Selbst nach 30 Jahren ist man immer noch<br />
nicht ganz auf Helgoland zu Hause.“<br />
Dass die Helgoländer den Kontakt zu Außenstehenden meiden<br />
würden, will Klaus Köhn nicht bestätigen. In seinem „Freilichtmuseum“<br />
trägt er alles zusammen, was der Helgoländer Untergrund<br />
an Skurrilem hergibt. Neben einer Propellerwelle eines Fischkutters<br />
lagern hier alte Anker und der Propeller eines im Krieg abgestürzten<br />
Flugzeuges. „Viele Leute, die nicht von hier kommen, kriegen schnell<br />
einen Inselkoller“, sagt der Rentner, „für uns Helgoländer ist die Insel<br />
unser Zuhause, wir wollen nirgendwo anders wohnen.“ Und dieses<br />
Der Hummer vor Helgoland<br />
Bis in die 1930er Jahre lebten um Helgoland circa 1,2 Millionen<br />
Hummer, damals wurden jährlich bis zu 100.000 Stück<br />
gefangen. Seit den 1950er Jahren hat sich die Population nie<br />
wieder richtig erholt, heute liegt sie bei rund 20.000 Tieren.<br />
Seit neun Jahren setzt die Biologische Anstalt Helgoland<br />
in einer Aufstockungsaktion rund 10.000 Zuchttiere aus. Die<br />
natürliche Fortpflanzung ist bei dieser Menge jedoch immer<br />
noch stark vom Zufall abhängig. Die kritische Masse liegt bei<br />
geschätzten 250.000 Tieren, die innerhalb von fünf Jahren<br />
gezüchtet und ausgesetzt werden müssten. Dann wäre eventuell<br />
sogar eine lukrative Fischerei wieder möglich. Die Voraussetzungen<br />
dafür sind nicht schlecht, da die Hummer den<br />
Felssockel nicht verlassen können. Bisher scheitert das Projekt<br />
an den Kosten von einer bis 1,5 Millionen Euro.<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
41
Helgoland will entdeckt werden. Maritime Alltagsgegenstände werden zu Kunstobjekten, Treibholz zur Leinwand<br />
Foto: stockmaritime.com/Nordseewoche<br />
Pfingsten auf Helgoland:<br />
Nordseewoche!<br />
Rund 1.500 Segler werden wieder zur traditionellen Regatta<br />
rund um die felsige Insel erwartet. Am Pfingstwochenende<br />
kommen sie in Scharen über die Nordsee, oft mit den Zubringerregatten<br />
aus Cux-, Wilhelms- oder auch Bremerhaven.<br />
Vom 17. bis 20. Mai kann man garantiert trockenen<br />
Fußes das Hafenbecken überqueren, so dicht liegen die<br />
Schiffe im Päckchen zusammen. Nordseewoche, das heißt<br />
sportliches <strong>Segel</strong>n bei Witterungsbedingungen, die alles<br />
zwischen Long John und T-Shirt möglich machen, wärmender<br />
Eiergrog oder kühles Pils, komplett ausgebuchte Hotels<br />
und Restaurants und viele rote, kultige Mount Gay-Käppis<br />
auf Seglerköpfen. Aber nicht nur mit allen Salzwassern gewaschene<br />
Offshore-Segler haben vor Helgoland ihren Spaß:<br />
Neben den ORC-Regatten gibt es den Family-Cruiser-<strong>Cup</strong>,<br />
Regatta-Atmosphäre ohne Messbrief, Spinnaker und Stress.<br />
Auf keinen Fall verpassen: die boot Regattaparty mit<br />
Live-Musik in der Nordseehalle.<br />
Ein Highlight der diesjährigen Nordseewoche ist die am<br />
Pfingstmontag beginnende Edinburgh Regatta. Die Langstreckenregatta<br />
von Helgoland nach Edinburgh, über die<br />
raue Nordsee, wechselt sich jährlich mit dem Pantaenius<br />
Rund Skagen Rennen ab und ist eine der anspruchsvollsten<br />
deutschen Hochsee-Langstrecken-Regatten.<br />
nordseewoche.org<br />
Zuhause ist nicht eben groß. Gerade einmal einen Quadratkilometer<br />
umfasst die Insel (0,7 Quadratkilometer noch einmal die<br />
danebenliegende Düne), über die Hälfte ist unbebaut. Im Sommer<br />
gibt es eine tägliche Schiffsverbindung zum Festland, im<br />
Winter ist Helgoland an drei Wochentagen unerreichbar, bei<br />
schlechtem Wetter können es mehr werden.<br />
Wenige Fischer gibt es noch auf der Insel, die eines der fotogenen<br />
Börteboote betreiben, mit denen auch die Tagestouristen von ihren<br />
Bäderschiffen an Land gebracht werden. Damit versorgen sie die Inselrestaurants<br />
mit Hummer und den so genannten Kniepern, den<br />
Scheren der allgegenwärtigen Krabben. Die Tiere werden noch auf<br />
dem Wasser getötet, anschließend werden ihnen die Scheren abgedreht,<br />
die Körper kommen zurück in die Nordsee. Eine rabiate, aber<br />
traditionelle Praxis, 50 Kilogramm Knieper pro Tag gelten als guter<br />
Fang, fünf bis sechs Euro zahlen die Restaurants pro Kilogramm.<br />
Viel verdienen lässt sich daran nicht. Allein die Fangkörbe haben<br />
einen Wert von 20.000 Euro. „Dazu kommen die Köderfische“, sagt<br />
ein Fischer. Die muss man unterdessen kistenweise aus Cuxhaven<br />
kommen lassen. „In der Bucht gibt es ja keinen Fisch mehr“, sagt der<br />
Fischer und meint die gesamte Deutsche Bucht.<br />
Eine Aussage, die Professor Heinz Franke so nicht stehen lassen<br />
will, auch wenn er bestätigt, dass die klassischen Fischarten auf<br />
dem Rückzug sind. „Solange die Robben gedeihen, gibt es auch<br />
noch genug Fisch“, sagt der Biologe von der Biologischen Anstalt<br />
Helgoland pragmatisch, „aber die Arten ändern sich: Kabeljau und<br />
Seespinne gehen, dagegen wandern Streifenbarben, der Wolfsbarsch<br />
oder Sardellen zu.“ Ein Grund dafür ist die hier deutlich<br />
spürbare Erwärmung des Meeres. Um zwei Grad haben sich die<br />
Temperaturen in der Deutschen Bucht in den letzten 20 Jahren<br />
erhöht. „Damit gehört dieser Bereich zu den am stärksten betroffenen<br />
Gebieten nach den Polen“, so Franke.<br />
Was unerschütterlich bleibt, ist der rote Felsen in der Nordsee.<br />
Die Börteboote und die bunten Hummerbuden, die erst seit<br />
einigen Jahren auch an Nicht-Fischer verkauft werden dürfen,<br />
sind unverwechselbare Fotomotive von Helgoland, neben der<br />
langen Anna und den brütenden Basstölpeln und Trottellummen.<br />
Für den Segler ein kleines Paradies vor der Haustür, das<br />
sich jedoch erst in seiner vollen Pracht zeigt, wenn die Tagestouristen<br />
schon wieder auf dem Weg nach Hause sind. Und Old<br />
Salt? Der Seelenverkäufer wurde an eine Eignergemeinschaft<br />
verkauft, die das Schiff wieder flott machen will.<br />
42 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
travel I helgoland<br />
Deutschlands bekanntester<br />
Helgoländer<br />
Er ist weit mehr als ein berühmter Kinderbuchautor: James<br />
Krüss, geboren am 31. Mai 1926 auf Helgoland, bringt uns<br />
vor allem mit seinen Erzählungen von den Hummerklippen<br />
das Leben in den 1950er Jahren auf der Nordseeinsel näher.<br />
Und auch die Geschichten, die Boy von seinem Urgroßvater<br />
in der alten Hummerbude erfährt, verzaubern Generationen<br />
von Lesern. 2007 eröffnete das James-Krüss-Museum direkt<br />
beim Museum Helgoland. Hingehen!<br />
Karibik Trophy: Das ist die einmalige Kombination aus sportlichem <strong>Segel</strong>n, karibisch-sanfter Landschaft und einer einzigartigen Unterwasserwelt. Schildkröten,<br />
Hummer (lecker!) oder Fischschwärme begleiten die Segler auf ihrem Törn entlang der Inseln<br />
helgoland<br />
liegeplätze Yachten bis 10,50 Meter Länge liegen im Nordosthafen<br />
an Steganlagen, pro Meter Länge beträgt die Gebühr 1,50<br />
Euro. Im Südhafen liegt man in Päckchen, Preis für ein Elf-Meter-<br />
Schiff circa neun Euro/Nacht. Wichtig: Für das Auslaufen rechtzeitig<br />
mit den Nachbarn abstimmen.<br />
Essen und Trinken Eine Legende ist mittlerweile die Bunte Kuh<br />
in einem der Fischerhäuser im Unterland. Hier treffen sich sowohl<br />
die Segler als auch die Fischer und Börtebootfahrer. Besonders zu<br />
empfehlen das frische, gebackene Fischfilet.<br />
Hafenstraße 1013, 27498 Helgoland, Tel: 04725 / 811 343<br />
Im Oberland sind die Mocca-Stuben ein guter Anlaufpunkt. Zwar<br />
wurden sie in ihrer 100-jährigen Geschichte mehrfach zerstört und<br />
wieder auf- und umgebaut, bieten aber wohl am längsten einen<br />
Platz für einen Sundowner, wenn auch ohne Blick aufs Wasser, denn<br />
die Sonne geht auf der unbewohnten Seite der Insel unter.<br />
Hingstgars 447, 27498 Helgoland, Telefon: 04725 / 12 5<br />
Original Helgoländer Eiergrog<br />
Eiergrog ist Kult auf Helgoland und wird mit<br />
einem Strohhalm getrunken. Achtung: Die Wirkung<br />
tritt häufig erst nach einer halben Stunde<br />
ein! Über die sind sich die Wirte auf Helgoland<br />
im Klaren, je nach Bar ist entweder der fünfte<br />
oder der sechste Eiergrog kostenlos.<br />
Rezept: Pro Person ein Eigelb mit einem Esslöffel<br />
Zucker in einem vorgewärmten, bauchigen<br />
Glas schaumig rühren, mit 4 cl Weinbrand<br />
(Arrak) und 4 cl braunem Rum verrühren<br />
und mit heißem Wasser aufgießen.<br />
Knieper Die Spezialität auf der Insel sind die so genannten Knieper<br />
(Kneifer), also die Scheren der Krabben, die auf dem felsigen Grund<br />
um Helgoland leben. Die Fischer fangen die Krabben in Körben, töten<br />
die Tiere noch vor Ort und verkaufen die Scheren kiloweise an die<br />
Restaurants. Eine Portion Knieper (ein Kilogramm/Person) kostet<br />
knapp 20 Euro.<br />
Einkaufen und Tanken Helgoland ist zoll- und steuerfreie Zone.<br />
Darum sind Tabak, Alkohol und Kraftstoff besonders günstig (Diesel<br />
1,14 Euro/l) und können für den Eigenbedarf zollfrei in die EU eingeführt<br />
werden. Die Tankstelle im Gemeindehafen wird von dem Schiffsausrüster<br />
Rickmers betrieben, Öffnungszeiten ab April 8-18 Uhr.<br />
Hafenstraße 1105; 27498 Helgoland; rickmers-online.de<br />
Größere Mengen Alkohol, Tabak und Diesel müssen von Helgoland<br />
kommend auf dem Festland eingeführt werden. Auskunft über die<br />
erlaubten Mengen gibt der Zoll direkt gegenüber am Hafen. SJ-Tipp:<br />
Südamerikanisches Rindfleisch ist auf Helgoland besonders günstig<br />
und passt eingeschweißt und tiefgekühlt in jeden Bord-Kühlschrank.<br />
helgoland.de<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
43
travel I sail & the city<br />
SAN FRANCISCO<br />
Kurs auf<br />
San Francisco<br />
10 gute Gründe für einen Besuch<br />
der <strong>Cup</strong>-Stadt<br />
Text Andrea Willen Fotos San Francisco Travel, shutterstock<br />
44 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Spritz<br />
Lackierung<br />
Osmose<br />
Strahlen<br />
Die <strong>Cup</strong>-Stadt <strong>2013</strong> ist gut gewählt: San Francisco<br />
ist eine der schönsten Städte der Welt, mit einem<br />
herausfordernden <strong>Segel</strong>revier vor der Tür. Larry Ellison,<br />
Gründer des Oracle Team USA, hält es für den idealen<br />
Schauplatz für den America‘s <strong>Cup</strong>. Gut 150.000 Zuschauer<br />
waren schon bei den AC World Series im letzten Jahr dabei.<br />
Die Plätze auf den Zuschauertribünen waren täglich<br />
ausverkauft, auf den rund 450 Begleitschiffen verfolgten<br />
Fans das Geschehen auf dem Wasser. In diesem Jahr werden<br />
noch mehr Zuschauer, noch mehr Veranstaltungen und vor<br />
allem während der Finalrennen noch mehr Spannung<br />
erwartet. Die Kulisse ist grandios und die Stadt am Pazifik<br />
ohnehin eine Reise wert.<br />
1 Im Zentrum des Geschehens sein<br />
Der 34. America‘s <strong>Cup</strong> in San Francisco wird in diesem Jahr in zwei Phasen ausgetragen: Zuerst<br />
startet der Louis Vuitton <strong>Cup</strong> (4.Juli-1.Sept. <strong>2013</strong>), dann das America‘s <strong>Cup</strong> Finale (7.-22.Sept.<br />
<strong>2013</strong>). Erstmals findet der neue Red Bull Youth America’s <strong>Cup</strong> statt – die Rennen starten im August<br />
und September in der San Francisco Bay. Dass die Regatten auch für die Zuschauer ein<br />
Erlebnis werden, dafür ist gesorgt: Alle Wettfahrten kann man vom Ufer aus beobachten – vor<br />
der grandiosen Skyline von San Francisco mit Golden Gate Bridge und Alcatraz.<br />
Fotos: shutterstock.com/ Katariina Järvinen, Palette7<br />
2 <strong>Cup</strong>-Geschichte kennenlernen<br />
Top-Sponsor Louis Vuitton hat am Pier 27-29 eine Ausstellung zur Historie des <strong>Cup</strong>s inszeniert.<br />
Als älteste Sporttrophäe der Welt ist „die Kanne“ ein veritabler Mythos und die vielen Geschichten<br />
um die „auld mug“ bieten Stoff für eine sehenswerte Schau. Der erste Wettkampf fand<br />
1851 statt und mehr als 160 Jahre später ist der America’s <strong>Cup</strong> immer auch ein Wettbewerb der<br />
besseren Technik, vom Design über die Materialien über Kommunikation bis hin zu moderner<br />
Hightech wie Sonnenbrillen mit Info-Display.<br />
3 Auf einem America‘s <strong>Cup</strong>per segeln<br />
Der America‘s <strong>Cup</strong> Challenger USA 76 segelt in der Bucht von San Francisco, und ein Törn in diesem<br />
Revier ist einfach ein Erlebnis. Die Stadt von der Wasserseite zu erleben, ein bisschen America‘s <strong>Cup</strong>-<br />
Fieber spüren, das kann man mit der erfahrenen Crew auch dann wagen, wenn man sich das <strong>Segel</strong>n<br />
auf einer Charteryacht in diesem Revier nicht zutraut. Die Yacht ist 85 Fuß groß und für bis zu 20 Personen<br />
ausgelegt. Sie war als Oracle Racing Challenger beim America’s <strong>Cup</strong> 2003 am Start. Törns von<br />
rund zweieinhalb Stunden starten am Pier 39, Embarcadero. acsailingsf.com<br />
www.yachtlackierung.de<br />
Tel: 04103 - 91 720<br />
Unsere Standorte:<br />
Hamburg / Elbe<br />
Neustadt / Lübecker Bucht<br />
Kappeln / Schlei<br />
Greifswald / Mecklenburg
travel I sail & the city<br />
7 Übernachten mit Charme<br />
Wer kennt nicht den Eagles-Klassiker „Hotel California“ – doch<br />
auch wenn es nicht besungen wurde – wir empfehlen zum <strong>Cup</strong><br />
ein Haus, das die maritime Historie von San Francisco thematisiert:<br />
Das Argonauten-Hotel Maritime National Parc präsentiert<br />
sich mit Ziegelwänden und Holz, mit einem Mix aus Industriegeschichte,<br />
gekonnt eingesetztem Plüsch und unvergleichlichem<br />
Flair. Nahe Fisherman’s Wharf, 495 Jefferson St. argonauthotel.com<br />
4 <strong>Cup</strong>-Atmosphäre<br />
schnuppern<br />
Vor und nach den Rennen bietet das America’s <strong>Cup</strong> Village<br />
eine Erlebniswelt mit vielen Events. Während des Louis Vuitton<br />
<strong>Cup</strong>s und des America‘s <strong>Cup</strong> Finales befindet sich das Dorf<br />
am Pier 27 am Embarcadero. Es wird übrigens in Zukunft weitergenutzt<br />
als neues Kreuzfahrt-Terminal. Nach den Regatten<br />
werden hier Tausende von Kreuzfahrt-Passagieren ankommen<br />
und abreisen. Aktuelles zum Geschehen im Dorf gibt es unter<br />
americascup.com<br />
5 Schnell viel sehen<br />
Es gibt zahlreiche Fahrrad-Verleiher und geführte Bike-Touren. Ideal,<br />
um die Stadt zu erleben, ist eine Kombination aus Bike, Boot und<br />
Bus: Man radelt lässig über die Golden Gate Bridge nach Sausalito,<br />
die Rückfahrt mit der Fähre bietet die Chance, an der legendären<br />
Gefängnis-Insel Alcatraz vorbeizufahren und die Stadt von der<br />
Wasserseite aus zu erleben. Alternativ kann man auch mit dem<br />
Open Top Sightseeing-Bus eine Rundtour zu den Highlights von<br />
San Francisco und der Bay Area machen. Infos im Besucherzentrum<br />
an der Ecke Mason/Jefferson und unter bigbustours.com.<br />
Gratis sind die Spaziergänge mit den Guides von „Discover Walks“,<br />
die einem die Stadt zeigen, als würde man einen guten Freund in<br />
San Francisco besuchen – individuell und persönlich. Ein „Tip“, ein<br />
freiwilliges Trinkgeld, wird schon erwartet: discoverwalks.com<br />
6 Meer entdecken<br />
Das Exploratorium, San Franciscos Museum für Wissenschaft, Kunst<br />
und Kreativität, ist eine brandneue Attraktion an den Piers 15 und<br />
17, unmittelbar an San Franciscos historischem Nordufer, an den<br />
Straßen Embarcadero und Green Street. Hier erfährt man auch viel<br />
über die Ozeane, denn zu den Highlights des neuen Museums<br />
gehört neben den 150 Spezial-Ausstellungen auch ein Meeres-<br />
Observatorium. Weitere Informationen unter exploratorium.edu<br />
8 Kalifornisch genieSSen<br />
Die California Cuisine genießt Weltruf bei Gourmets, die Dichte<br />
der Fine Dining-Lokale in San Francisco ist beeindruckend. Doch<br />
auch ohne Edel-Menü lohnt sich das Probieren – Gaumenfreuden<br />
gibt’s beim „Off the Grid Market“ im Marina District, wo wunderbares<br />
Street Food eine Stippvisite mehr als rechtfertigt. Großartig<br />
ist der Markt im historischen Ferry Building, berühmt für Seafood,<br />
kalifornischen Kaviar und feine Süßigkeiten. Vor dem Gebäude<br />
lockt Dienstag, Donnerstag und Samstag ein echter Bauernmarkt<br />
(ferrybuildingmarketplace.com). Eine lokale Spezialität ist „Crab<br />
Louie“ mit Krebsfleisch und Eiern. Perfekt serviert wird es zum<br />
Beispiel im Tadich Grill, dem ältesten Restaurant der Stadt (tadichgrill.com).<br />
Weinliebhaber sollten die Gelegenheit nutzen, nicht<br />
nur die bekannten Tropfen aus dem Napa und Sonoma Valley zu<br />
probieren, sondern auch mal Bio-Weine aus Mendocino, einen<br />
Chardonnay aus Monterey oder einen Spätburgunder aus dem<br />
südkalifornischen Santa Barbara zu verkosten. Rustikaler ist das Bier<br />
der Stadt – traditionell und berühmt ist das „Anchor Steam“, nicht<br />
weniger gut ist ein „21st Amendment Brewery“-Bier, im Trend ist<br />
gerade das „Hop Crisis Imperial“… Mehr und Aktuelles gibt’s unter<br />
sanfrancisco.travel/dine<br />
9 Ferien machen<br />
mit <strong>Cup</strong>-Feeling<br />
Sunsail hat in San Francisco eine Charter-Basis eröffnet im Sausalito<br />
Yacht Harbour, dem Tor zu einem der schönsten <strong>Segel</strong>reviere in den<br />
Vereinigten Staaten. So kann man auf America‘s <strong>Cup</strong>-Kurs segeln<br />
– die Golden Gate Bridge ist mit der Yacht nur eine halbe Stunde<br />
entfernt, und schon von der Basis sieht man die Brücke und die<br />
City. Sunsail bietet in der San Francisco Bay Yachtcharter, Regatten,<br />
<strong>Segel</strong>schule und auch Firmen-Events an. Die Flotte aus Sunsail First<br />
40-Yachten ist ganzjährig stationiert und für <strong>Segel</strong>ferien kann man<br />
Kabinen- oder Vollcharter buchen. sunsail.com<br />
10 Mit Web & App<br />
dem <strong>Cup</strong> folgen<br />
Alles zum <strong>Cup</strong>-Geschehen gibt’s unter americascup.com im Internet.<br />
Der Tourismus-Verband von San Francisco und die Region bieten<br />
jede Menge Informationen und ein virtuelles Besucherzentrum auf<br />
der Website sanfrancisco.travel – ein wirkliches Büro finden Touristen<br />
im Hallidie Plaza, 900 Market Street – und wer wissen will, was<br />
in der Stadt los ist, der kann auf Facebook verfolgen, was die mehr<br />
als 500.000 Facebook-Freunde posten (facebook.com/onlyinsf). Und<br />
auch bei Twitter gibt’s ständig Neues unter twitter.com/onlyinsf.<br />
46 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
travel I panzer segelt... auf der schlei<br />
schlei<br />
DÄNEMARK<br />
Flensburg<br />
Schleswig<br />
SCHLEI<br />
Kappeln<br />
OSTSEE<br />
Kiel<br />
Neumünster<br />
Lübeck<br />
Der Fjord<br />
der Wikinger<br />
Wem es an manchen Tagen drauSSen auf der Ostsee zu<br />
stürmisch ist, den zieht der Wasserweg hinein ins Land.<br />
Wer Ecken und Kanten, Tiefen und Breiten bevorzugt, der wählt den Fjord,<br />
und wer dabei noch kulinarische Freuden, ob Torte oder Fisch, zum<br />
Törnziel hat, auch der, der wählt die Schlei.<br />
Text Kirsten Panzer-Gunkel<br />
fotos Kirsten Panzer-Gunkel, shutterstock.com<br />
Kappeln, das Tor zur Schlei. Nostalgiker trauern noch immer der Drehbrücke nach,<br />
die inzwischen durch eine moderne Klappbrücke ersetzt wurde<br />
48 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Wikingerstadt Haithabu: In den<br />
Sommermonaten sind die rekonstruierten<br />
Wikingerhäuser für Besucher geöffnet<br />
Fotos: shutterstock.com/ Ralf Neumann, bluecrayola<br />
Schon die Wikinger haben dies<br />
längliche Revier, das sich von<br />
der Ostsee aus tief ins Land hinein-<br />
Vor etwa 1.250 Jahren haben sie dort gesiedelt, wo sich heute<br />
die Wassersportler tummeln. Doch nicht allein die Landschaft<br />
und der Schutz vor Wind und Wellen hat sie hierhergezogen,<br />
vielmehr waren sie so schlau und haben entdeckt, dass man von<br />
dort aus auch schnell zur Nordsee hinüber kommt. Erst einmal<br />
16 Kilometer über Land bis an die Treene und auf dieser weiter<br />
hinein in die Eider und schließlich ab in die Nordsee, für Nordmänner<br />
wie Wickie, Halvar, Tjure oder Faxe ein schneller Weg<br />
von einer See auf die andere. Damals zumindest. Heute wählt,<br />
wer auf die andere Seite des nördlichsten Bundeslandes gelangen<br />
möchte, den Weg über den Nord-Ostsee-Kanal oder geht<br />
ganz außen herum. Also lieber in der Ostsee bleiben, beziehungsweise<br />
die deutsche Fjordlandschaft genießen.<br />
Nicht allein die Wikinger und mit ihnen Haithabu, einst bedeutendster<br />
Handelsplatz, jetzt eindrucksvoll museal auferstandene<br />
Wikingersiedlung, ein wirkliches Highlight der Region, machen<br />
das Flair des einzigen Fjords Deutschlands aus. Vielmehr beeindruckt<br />
er durch seine Abwechslung, seine Unterschiedlichkeit<br />
auf dem Wasser und an Land: Fischerdörfer, Herrenhäuser,<br />
Schilfgürtel und Steilküste, moderne Brücke, alte Fähre, Heringszaun<br />
und Rapsfelder. Immer wieder neu, immer wieder anders<br />
präsentiert sich der 23 Seemeilen lange Meereseinschnitt hinter<br />
jeder Biegung und das inzwischen schon seit der letzten Eiszeit.<br />
Viel Geschichte, für so ein idyllisches Land-<strong>Segel</strong>revier.<br />
Doch erst einmal segeln. In Schleswig starten. Schloss Gottorf<br />
strahlt quer über das „Kleine Gehege“, das untere Ende der<br />
Schlei (allein schon die Namen locken aufs Wasser). Davor die<br />
Möweninsel, um die sich ebenfalls Geschichten ranken. Hier<br />
windet, geschätzt<br />
hatte einst der Möwenkönig das Sagen und die Macht über die<br />
als Delikatesse bekannten Eier. Rechts dann das bleistiftspitze<br />
Dach des Doms. Erkennungsmerkmale am unteren Ende der<br />
Schlei, genauso wie der kleine Wolkenkratzer, der achteckige<br />
Wiking-Turm, optisch nicht gerade gelungen, doch von drinnen<br />
hat man die perfekte Aussicht auf Schlei und Yachthafen direkt<br />
zu Füßen des Wohnturms.<br />
Aufs „Gehege“ folgt die „Breite“, ebenfalls erst einmal die „Kleine“.<br />
Fahrwassertonnen auf der südlichen Seite weisen den Weg.<br />
Doch er soll noch schmaler werden, der Fjord. Weiter in Richtung<br />
Ostsee, in Richtung Ausgang also, kommt die Stexwiger<br />
Enge. Hier hat schon so manch ein Segler trotz Vorsicht und<br />
genauer Beobachtung den Grund berührt. Also langsam herantasten,<br />
lieber mal die <strong>Segel</strong> aus der Hand fahren als allzu komfortabel<br />
die Schoten zu belegen. Das könnte ins Auge gehen.<br />
Mit ein bisschen Achtsamkeit schafft man die Enge, schließlich<br />
wird das Fahrwasser regelmäßig ausgebaggert – man tut hier<br />
was für seine Segler. Grundbeobachtung, Nervenkitzel, Spannung<br />
machen sich breit, auch das gehört zum sonst so beschaulichen<br />
<strong>Segel</strong>revier. Wenn es dann doch mal schabt, ist’s<br />
meist nicht tragisch. „Für jeden, der auf der Schlei segelt, ist<br />
Grundberührung nichts Schlimmes. Meistens rutscht man nur<br />
in den Schlick – einfach umlegen und weitersegeln. Höchstens<br />
einer von vielleicht fünfzig trifft hier mal ‘nen Stein“, beruhigt Bo<br />
Teichmann, der J-Boats-Mann bei der Kappeler Mittelmann’s<br />
Werft. Eindeutig ein Vorteil – doch auch ein bisschen Spannung<br />
so dicht am fast schon greifbaren Ufer tut mal wieder gut.<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
49
travel I panzer segelt... auf der schlei<br />
Schleswig. Der Name kommt aus dem Dänischen<br />
und bedeutet: Bucht der Schlei. Muss man mehr sagen?<br />
Das leuchtende Gelb des blühenden Raps<br />
sorgt für ein Stimmungshoch<br />
Angst vor zu flachem Wasser muss man also nicht haben, hier<br />
an der Schlei. Ausprobieren ist eher angesagt, sich herantasten,<br />
unter <strong>Segel</strong>n Verstecken spielen in all den Nooren, Buchten<br />
und Winkeln des Ostseefjords, ankern hinterm Schilf, bleiben,<br />
die Ruhe genießen. Und solange der Raps blüht, das kräftige<br />
Gelb der wogenden Felder in sich aufsaugen – ein guter Vorrat<br />
gegen den Herbstblues, denn das Gelb setzt sich fest im Kopf.<br />
Ein Bild, das selbst noch im Winter für ein Stimmungshoch sorgt<br />
und die schier endlose Dunkelheit zu überstehen hilft.<br />
Oder weiter zur Liebesinsel. Nicht nur Fiete Föh, der Meister<br />
aller Fischräucherer – „Sage Kappeln nie Adieu ohne einen Aal<br />
von Föh“ –, gerät bei ihr ins Schwärmen. Fast jeder hier rund<br />
um die Schlei hat seine eigene Erinnerung an Kieholm, wie<br />
das Inselchen offiziell heißt, aber faktisch nie genannt wird,<br />
zumindest nicht von den Einheimischen. In der Enge zwischen<br />
Missunder und Gunnebyer Noor liegt sie und diente<br />
früher als gemeinsames Ziel, wenn die Burschen zu Pfingsten<br />
die Mädels vom Schleswiger Holm dorthin entführt haben.<br />
„Mit einem fuhrst du hin, mit dem anderen kamst du zurück“,<br />
erzählt man noch heute im Restaurant „Schleimöwe“ auf dem<br />
Schleswiger Holm. Fiete Föh hat sie in jungen Jahren mit dem<br />
Brett von Schleswig aus „ersurft“, „doch auch mit dem Boot<br />
50 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Autorin Kirsten Panzer-Gunkel<br />
war für das SEGEL JOURNAL<br />
als Seglerin auf der Schlei<br />
Fotos: shutterstock.com/ Ralf Gosch, Volker Rauch<br />
sind wir dorthin gesegelt“, erinnert er sich noch gemeinsam<br />
mit seiner Gattin. Im Moment wird drum gekämpft, dass es<br />
die kleine Insel noch lange gibt. Wind- und Wellen graben an<br />
ihrer Küstenlinie, die unbedingt des Schutzes bedarf. Man sollte<br />
sie erhalten, nicht nur für die segelnden Urlauber sondern<br />
auch als Gedächtnisstütze für all die Freundschaften, die hier<br />
begonnen haben.<br />
Doch genug der Romantik, auch wenn das Revier mit all<br />
seinen Geschichten dazu nun wirklich verleitet, ob die alte<br />
Mühle Amanda in Kappeln, die heute als Standesamt fungiert<br />
und somit sicher für den ein oder anderen ein lohnendes<br />
und einmaliges Törnziel ist, oder die Giftbude in Schleimünde<br />
am Ausgang der Schlei oder die Kappeler Jungs, die sich einst<br />
an die Maasholmer Mädels herangemacht haben. Sie fuhren<br />
extra mit ihren Booten zum Tanz über die Schlei, doch kamen<br />
sie dort dem auserwählten Mädel zu nah, gab’s Prügel.<br />
„Man konnte immer gut erkennen, wer woher kam. Die<br />
Maasholmer waren doch alle rothaarig“, erfährt man im Museumsladen<br />
vom Gottorfer Schloss. Heute ist es diesbezüglich<br />
in Maasholm ruhiger geworden. Im Hafen allerdings nicht allzu<br />
sehr, zählt er doch zu einem der Highlights für Segler und<br />
zieht mit den umliegenden schilfumrandeten Buchten, den<br />
hölzernen Stegen und kleinen Gassen und natürlich auch mit<br />
der berühmten Currywurst, die es gleich im Fischereihafen<br />
nebenan bei Udo gibt, in den Sommermonaten Ostsee- wie<br />
Schleisegler gleichermaßen an. Es soll übrigens die beste Currywurst<br />
sein, nicht nur von Maasholm oder Kappeln auch von<br />
ganz Schwansen und Angeln, den beiden Landstrichen, die<br />
der Fjord auf Abstand hält.<br />
Schleswiger Stadthafen,<br />
die Perle an der Schlei<br />
... zentrumsnah, Gastronomie in direkter Nähe, Top-Service und Ausstattung<br />
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travel I panzer segelt... auf der schlei<br />
Fiete Föh, der Meister aller Fischräucherer<br />
schlei<br />
10 fragen – 10 Antworten<br />
Warum? Wenn man schon einen Fjord im eigenen Land hat, sollte<br />
man unbedingt auch einmal auf ihm segeln. Abwechslung bietet<br />
er als <strong>Segel</strong>revier, gepaart mit idyllischer Landschaft, Ruhe und kulinarischen<br />
Genüssen. Und Wind gibt es auch zur Genüge.<br />
Wann? Gesegelt wird auf der Schlei beinahe immer oder doch,<br />
sobald die Temperaturen wieder erträglich sind. Der Charterbetrieb<br />
läuft von Anfang Mai bis Mitte Oktober. Die Rapsblüte im Mai ist<br />
auch vom Wasser aus ein absolutes Highlight.<br />
wer? Vom sportlichen bis zum Kaffee-Segler, die Schlei ist für jeden<br />
was. Doch Achtung, sie zählt nicht zu den Binnengewässern – hier<br />
gilt die Seeschifffahrtsstraßenordnung.<br />
Wo chartern?<br />
Schleswig: Renz Yachting – Callisenstr. 27, 24837 Schleswig,<br />
Tel.: 04621 / 35877; renzyachting.de. Charterflotte: Variantas,<br />
Etap- und Dehler-Yachten. Der besondere Chartertipp: One-Way-<br />
Törns von Schleswig durch die Schlei und weiter über die Ostsee<br />
nach Eckernförde.<br />
Arnis: Schlei Daysailing Charter, Strandweg 124, 24399<br />
Arnis, Tel: 04642 / 920153; day-sailingcharter.de. Charterflotte:<br />
J/Boats J/22<br />
Maasholm: Ostsee-<strong>Segel</strong>schule Hornich – Hauptstraße<br />
19, 24404 Maasholm, Tel.: 04642 / 6771; ostsee-segelschule.de.<br />
Charterflotte: Invicta 26 – und wer das <strong>Segel</strong>n erst lernen möchte,<br />
ist hier auch an der richtigen Adresse.<br />
wo bleiben? Entlang der Schlei kann man zwischen zahlreichen<br />
Häfen und Steganlagen auswählen, eine Übersicht gibt es beim<br />
jeweiligen Vercharterer oder auf der Seekarte Schlei 1und 2 von den<br />
Nautischen Veröffentlichungen. Mit Foto und Beschreibung findet<br />
man alle Häfen außerdem auf: sejlerens.com.<br />
worauf achten? Nicht zu nah ans Schilf fahren und die vom<br />
Wind unabhängige Strömung beachten – gut zu erkennen ist<br />
diese an den Fahrwassertonnen und den Pollern im Hafenbereich.<br />
Noch etwas: An den Brücken in Kappeln und Lindaunis<br />
muss auf die Öffnung gewartet werden, in Missunde auf die<br />
kleine Fähre.<br />
Wo schlafen? Gut Oehe vor Maasholm. Ferienhäuser direkt<br />
an der Ostsee – gut-oehe.de.<br />
Bed & Breakfast am Dom, mitten in der Altstadt von Schleswig.<br />
Liebe- und vor allem stilvoll eingerichtete Zimmer. Für eine<br />
Nacht in diesem Haus lohnt es sich, noch einen Verlängerungstag<br />
an Land einzuplanen – bb-schleswig.de.<br />
Koseler Hof, fast zweihundert Jahre alter Gasthof mit gutem<br />
Restaurant und gemütlichen Zimmern – koselerhof.de.<br />
Im denkmalgeschützten Getreidespeicher in Kappeln direkt<br />
an der Schlei – teilweise mit Schleiblick direkt aus der Badewanne<br />
– pierspeicher.de.<br />
Was tun an land?<br />
Schleswig: Schloss Gottorf mit Barockgarten und Globushaus<br />
sowie dem Wikingermuseum Haithabu:<br />
schloss-gottorf.de. In Haithabu wird vom 11. bis 14. Juli wieder<br />
der Sommermarkt veranstaltet – Handwerk und Handel wie vor<br />
1.000 Jahren.<br />
Der Holm – alte Fischersiedlung zwischen Altstadt und Schlei.<br />
Noch heute existiert dort die sogenannte Holmer Beliebung,<br />
eine Art Totengilde, die während des 30-jährigen Krieges gegründet<br />
wurde. Bezeichnend der kleine Friedhof im Mittelpunkt<br />
des Holms.<br />
St. Petri Dom – mit dem berühmten Brüggemann-Altar.<br />
Stadtmuseum Schleswig: Ab dem 20. Juni kommt die<br />
Münchner Ausstellung „Nude Visions – 150 Jahre Körperbilder<br />
in der Fotografie“ ins Museum (bis 29.09.<strong>2013</strong>) – absolut<br />
sehenswert.<br />
Kappeln: Holländermühle Amanda, mit rund 30 Metern<br />
die höchste Mühle Schleswig-Holsteins. Als die Mühle 1888 fertiggestellt<br />
wurde, hatte der Erbauer Peter Thomsen auch gleich<br />
einen Namen für sie bereit: Amanda, denn so hieß auch seine<br />
Ehefrau.<br />
Heringszäune, das Wahrzeichen der Region – Über 600 Jahre<br />
ist der Heringszaun von Kappeln alt und wird heute wieder<br />
zu den Heringstagen genutzt. Da die Stadt Kappeln kein Geld<br />
für den Abriss des Zaunes hatte, blieb er als einziger Heringszaun<br />
zumindest ganz Europas erhalten. Gut zu sehen ist der Zaun, bei<br />
dem durch ein Geflecht die Heringe in die Reusen geleitet werden,<br />
nicht nur vom Wasser, sondern vor allem von der Kappeler<br />
Klappbrücke aus.<br />
52 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Foto: shutterstock.com/Wilm Ihlenfeld<br />
Kleines Dorf mit großer Geschichte: Im Mittelalter<br />
war es ausschließlich Fischern aus Holm gestattet,<br />
zwischen Arnis und Schleswig zu fischen<br />
St. Nikolai Kirche – mit der großen geschnitzten Christophorus-Statue im Eingang. Gemeinsam<br />
mit den Heringen bildet der heilige Christophorus übrigens das Wappen von Kappeln.<br />
Hexenbäume – kurz hinter Kappeln neben der Straße nach Süderbrarup stehen beim<br />
Gut Roest auf der rechten Seite fünf Bäume auf einem Feld. Fährt man vorbei, ändert sich<br />
je nach Blickwinkel die Anzahl der Bäume. Der Sage nach wird jeweils ein Gebäude des<br />
Gutes abbrennen, sobald einer der Bäume gefällt werden wird. Ursprünglich waren es<br />
sechs Bäume, einer wurde vom Blitz getroffen. Im Jahr danach brannte die große Scheune<br />
auf Gut Roest.<br />
„Bad“ Arnis – die kleinste Stadt Deutschlands, beschaulich und sehenswert. Wer Arnis besucht,<br />
sollte sich auch unbedingt die Kirche ansehen. Eindrucksvoll sind die vier Votivschiffe.<br />
Lindaunis – die denkmalgeschützte einspurige Klappbrücke dient Autos, Bahn, Radfahrern<br />
und Fußgängern zur Schleiquerung im Wechselverkehr.<br />
wo essen? Speicher No.5, Kappeln – direkt am Hafen. Seit 15 Jahren vor Ort und seit<br />
dem ersten Tag bis heute absolut empfehlenswert. Wer bei seinem ersten Schleitörn noch<br />
keinen Tisch bekommt, muss wiederkommen. Unbedingt reservieren: 04642 / 5451 –<br />
speicher5.de.<br />
Pierspeicher, direkt am Kappeler Hafen mit Blick auf Schlei und Klappbrücke. Maritimes<br />
Flair kombiniert mit hervorragender Küche. Die Spitze eines America’s <strong>Cup</strong>-<strong>Segel</strong>s an der<br />
Wand sorgt beim Segler für zusätzliches Wohlbefinden. Außerdem ein Frühstücksangebot,<br />
bei dem man lieber aufs Brötchenschmieren an Bord verzichten sollte, pier-speicher.de.<br />
Schlie-Krog im kleinen Sieseby, ebenfalls hervorragende Küche und vor allem ein eigener<br />
Anleger vor dem Restaurant, besser geht’s kaum. Auch hier sollte man reservieren:<br />
04352/2531 – schliekrog.de. In diesem Jahr wird 30-jähriges Jubiläum gefeiert!<br />
Café Krog in Ulsnis, Kaffee und feinste Torten, da bleibt es bestimmt nicht nur bei einem<br />
Stück: cafe-krog.de.<br />
Odins historisches Gasthaus Haddeby – auf alle Fälle das nordische Mundbrot und<br />
die hausgemachte Pasta probieren und am besten noch ein Frühstück einplanen: gasthaushaddeby.de.<br />
Auch die Gastronomie im Wikingermuseum wurde aufgewertet, hier führt jetzt<br />
auch Oliver Firla von Odins Gasthaus Regie. Nordische Snacks und hausgemachte Kuchen<br />
mit Blick aufs Haddebyer Noor – empfehlenswert, nicht nur wegen der einmaligen Lage:<br />
haithabu-cafe.de<br />
<strong>2013</strong><br />
<strong>Segel</strong>urlaub<br />
in Schleswig<br />
und Kappeln<br />
Schleswig<br />
TourismusService<br />
am Ostseefjord Schlei<br />
Buchungen & Informationen:<br />
Plessenstraße 7 (nahe des Doms)<br />
24837 Schleswig (SL)<br />
Tel. 04621 - 850056<br />
Schleswiger Straße 1 (Mühle)<br />
24376 Kappeln<br />
Tel. 04642 - 4027<br />
www.ostseefjordschlei.de<br />
info@ostseefjordschlei.de<br />
Täglich von 9 - 20 Uhr telefonisch<br />
oder per Mail für Sie erreichbar<br />
Stadtführungen und<br />
vieles mehr...<br />
Stadtführungen: Mai - September<br />
in Schleswig z.B. „Fischersiedlung<br />
Holm und St. Johannis Kloster“<br />
sonntags 11.00 - 12.30 Uhr<br />
Treffpunkt: Holm-Museum<br />
in Kappeln z.B. „Abendbummel<br />
mit Mühlengeist“<br />
donnerstags 18.00 - 19.30 Uhr<br />
Treffpunkt: Mühle Amanda<br />
Veranstaltungen in<br />
der Schleiregion<br />
09.-12.05. Kappelner Heringstage<br />
12.05. Gottorfer Landmarkt<br />
26.-28.07. Wikingertage<br />
26.-30.07. Brarupmarkt<br />
18.08. Pur Open Air<br />
23.+24.08. Baltic Open Air<br />
Kappeln<br />
was mitbringen? Räucherfisch von Fiete Föh in Kappeln und Schokolade aus<br />
der Schokoladenküche in Kappeln.<br />
Infos und weitere Tipps<br />
Ostseefjord Schlei GmbH, Schleswig, ostseefjordschlei.de<br />
schleswiger stadtwerke, Schleswig, schleswiger-stadtwerke.de/de/stadthafen<br />
Immer aktuelle Urlaubsnews vom<br />
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travel I panzer segelt... auf der schlei<br />
Wer Idylle liebt, findet bei einem Törn auf der<br />
Schlei alles, was Schleswig-Holstein zu bieten hat<br />
Wer lieber Fisch mag, zieht nach Kappeln, nimmt Kurs auf die<br />
schmalen Schornsteine direkt bei den über 600 Jahre alten und als<br />
einzige Europas noch betriebenen Heringszäunen, die schon allein<br />
als Grund für einen Schleibesuch genügen sollten.<br />
Drei dünne Türme strecken sich dort an Land in Richtung Himmel,<br />
jeweils mit einem weithin sichtbaren Buchstaben darauf – A A L, da<br />
weiß man gleich, was unten drunter in den insgesamt neun alten<br />
Räucheröfen hängt. Der Aal von Föh ein Muss, doch auch Sprotte,<br />
Hering, Makrele und Co bringt er genau auf den Punkt, wenn er nicht<br />
gerade mit seinem H-Boot selbst die Schlei erkundet und dabei vielleicht<br />
noch einmal Kurs auf die Insel von damals nimmt.<br />
Maasholm<br />
Hier sind die Spezialisten,<br />
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wenn es um Ihre Yacht geht:<br />
Schlei<br />
2 1 Peter Pauls, Bootsmotoren<br />
3 2 Yacht- & Bootswerft Stapelfeldt<br />
9 8<br />
5 4<br />
7 6<br />
3 Henningsen & Steckmest<br />
Kappeln 4 Ancker Yachting<br />
10 5 Yachtbau Janssen & Renkhoff<br />
6 Kiesow GmbH, Bootsmotoren<br />
1211<br />
13 7 Yachtdesign v.Ahlen<br />
8 Becker <strong>Segel</strong><br />
9 Hydraulikwerkstatt Nord<br />
10 Vogt Motoren-Service<br />
11 Mittelmann’s Werft<br />
12 Wrede Yachtlackierung<br />
14<br />
13 Tischlerei Mau<br />
Grödersby 14 CO-<strong>Segel</strong><br />
15 15 M&P Yachtwerft Paulsen<br />
Arnis 16 16 Matthias Paulsen, Yachtwerft<br />
schleiboot.de<br />
Becker <strong>Segel</strong>, Elvstrøm Sailpoint Kappeln<br />
Mehlbydiek 42, 24376 Kappeln<br />
T: 04642-92 54 00, F: 92 54 025<br />
E: info@b-segeln.de<br />
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54 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Fotos: www.shutterstock.com/<br />
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56 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
sports<br />
Foto: AC Image Bank<br />
highlights Wissen, was in der Szene los ist 58 – 59<br />
america‘s cup Mit zwei Rümpfen und Foils um die Trophäe 60 – 67<br />
gentleman‘s race Wie viel Wettfahrtleitung braucht ein Rennen? 70 – 73<br />
cilento cup Eine gute Regatta erträgt wenig Wind 74 – 78<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
57
sportshighlights<br />
Lange läuft!<br />
Vor zwanzig Jahren gewann sie noch den Admiral’s <strong>Cup</strong>, heute<br />
weiß kaum einer mehr von der einst prestigeträchtigen Wettfahrtserie.<br />
Doch die Container schwimmt noch, nur heißt der Ex-<strong>Cup</strong>per<br />
jetzt MYC-ONE und liegt vor Mallorca. Am Heck prangt das Signet<br />
des im letzten Jahr neu gegründeten Mediterranean Yacht Club<br />
e.V. (MYC). Als eine der allerersten Yachten überhaupt wurde die<br />
Container 1991 bei Knierim aus Karbon gebaut. <strong>Segel</strong>enthusiast<br />
Udo Schütz aus Selters hatte sie in Auftrag gegeben. Sven Hadler,<br />
stellvertretender MYC-Vorsitzender und selbst Crewmitglied beim<br />
Admiral’s <strong>Cup</strong>-Gewinn 1993, bezeichnet den Ex-<strong>Cup</strong>per sogar als<br />
„seglerisches Kulturgut“ und meint: „Wir glauben nicht, dass es eine<br />
zweite Yacht in Hightech-Bauweise aus dieser Epoche in einem so<br />
hervorragenden Zustand gibt.“ Schoten, Blöcke und Zubehör an<br />
Bord sind immer noch von 1993 und versprechen nostalgischen<br />
Charme, Außenhaut und Deck wurden im Jahr 2000 „refittet“. Sieben<br />
Segler, die wie Sven Hadler überwiegend auf Mallorca leben<br />
und arbeiten, gründeten letztes Jahr den MYC, inzwischen sind<br />
rund 60 weitere Mitglieder aus ganz Europa dazugekommen.<br />
mediterraneanyachtclub.com<br />
<strong>Segel</strong>n mit<br />
Nostalgie-Faktor<br />
Training im<br />
Windkanal<br />
Das Audi Sailing Team Germany trainiert nun auch im Windkanal<br />
des Automobilherstellers: Wo sonst Autos ihre Windschnittigkeit<br />
unter Beweis stellen müssen, durften zwei Crews der <strong>Segel</strong>-Nationalmannschaft<br />
im Sturm aus der 2,6 Megawatt starken Turbine<br />
bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 60 Stundenkilometern<br />
trainieren. Der 470er Olympionike Patrick Follmann war mit Julian<br />
Stückl dabei, dazu kamen Tina Lutz und Susann Beucke im<br />
49er. Ziel der Aktion: Körperhaltung von Steuermann und Vorschoter<br />
perfektionieren und die optimale Kleidungsvariante für<br />
bevorstehende Wettbewerbe finden. sailing-team-germany.de<br />
In Gstaad<br />
kann man beides…<br />
Ski fahren und segeln. Zu seinem 15. Geburtstag ließ sich der Yacht Club von<br />
Gstaad etwas Besonderes einfallen: Erst wurde in den Alpen ein ambitioniertes<br />
Skirennen ausgetragen, danach ging es zum packenden Match-Race mit<br />
ferngesteuerten Karbonrennern im Schwimmbad von Gstaad, wo mächtige<br />
Windmaschinen für eine anständige Brise sorgten. Der einst von einer Gruppe<br />
von Enthusiasten gegründete Club gehört inzwischen zu den elitäreren europäischen<br />
<strong>Segel</strong>vereinen und hat rund 400 Mitglieder. gstaadyachtclub.com<br />
„Eine erfolgreiche Führungsfigur muss als Vorbild wie ein Leuchtturm sein:<br />
stark, weithin sichtbar und zuverlässig. Faulheit, Feigheit, Eitelkeit oder Dünkel<br />
können fatale Konsequenzen haben.“<br />
Tim Kröger in seinem Buch „Ich bin wir – das Crewkonzept“, Delius Klasing <strong>2013</strong><br />
58 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Ziel<br />
St. Petersburg<br />
Start<br />
Flensburg<br />
Yachtrennen<br />
entlang der Gaspipeline<br />
Nachdem im letzten Jahr nur Yachten der Swan 60-Klasse (und davon gibt es einfach<br />
nicht sehr viele) am Nord Stream Race teilnehmen durften, hat sich der St. Petersburg<br />
Yacht Club (SPBYC) nun mit dem Norddeutschen Regatta Verein (NRV) einen renommierten Partner<br />
für die Neuauflage der Regatta an Bord geholt. Diesmal soll das rund 800 Meilen lange Rennen ohne Zwischenstopp<br />
von Flensburg in die ehemalige Zarenstadt führen, ausgeschrieben für die Swan 60s und Yachten mit ORC-Vermessung. Eine Match<br />
Race-Veranstaltung der Swan 60s wird am Donnerstag, den 12. September auf der Flensburger Förde die Regatta entlang der Gaspipeline durch<br />
die Ostsee eröffnen. Dabei haben die Veranstalter den Sprint gen Osten geschickt mit der Flensburger Fördewoche verknüpft: Die Wettfahrt<br />
um das blau-gelbe Band wird in der ORC-Klasse als Inshore-Regatta gewertet. Der erste Start des eigentlichen Rennens ist am Sonntag, den 15.<br />
September für die ORC Division B. Am darauf folgenden Montag startet die ORC Division A, gefolgt von den 60-Fuß-Schwänen. SEGEL JOURNAL-<br />
Prognose: Egal wie groß das Schiff ist, Mitte September kann es auf der Ostsee schon ganz schön schattig werden. nord-stream-race.com<br />
Deutsches Team im Finale<br />
des Red Bull Youth America’s <strong>Cup</strong><br />
Das deutsche Team, bestehend aus Mitgliedern des Sailing Team Germany (STG) und des Norddeutschen<br />
Regatta Vereins (NRV), konnte sich zusammen mit den Teams aus Neuseeland, der<br />
Schweiz, Australien und Portugal für das Finale des Youngster <strong>Cup</strong>s qualifizieren. Ein grandioser<br />
Erfolg für Skipper Philipp „Buhli“ Buhl, der sich außerdem noch über die Auszeichnung „Segler<br />
des Jahres 2012“ freuen darf. Und das, obwohl er sich 2012 nicht für olympische Weihen qualifizieren<br />
konnte, dafür aber mit seinem Laser zur Spitze der Weltrangliste gehört.<br />
americascup.com/events/red-bull-youth-americas-cup<br />
Termine<br />
von MAI bis JUNI<br />
16.-24. Mai, Capri<br />
Rolex Capri Sailing Week / Volcano Race<br />
Frühlingserwachen der<br />
mediterranen Bigboatszene<br />
internationalmaxiassociation.com<br />
Fotos: Heinrich Hecht, Anbieter<br />
<strong>Segel</strong>-Nationalmannschaft<br />
vollständig<br />
Die Olympiaanwärter für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro Tobias Schadewaldt und<br />
Hannes Baumann im 49er sowie Roland und Nahid Gäbler im Katamaran-Mixed haben beim Audi<br />
Sailing Team Germany (ASTG) unterschrieben. Das Team um Geschäftsführer Oliver Schwall hat<br />
sich für 2016 viel vorgenommen: Mit einem veränderten Konzept soll die Spitzenförderung im<br />
Hochleistungssegelsport verstärkt werden, damit 2016 in Rio de Janeiro endlich die angekündigten<br />
Medaillen auch gewonnen werden. Was letztes Jahr in London nicht klappte, wollen Tobi<br />
und Hannes 2016 erreichen – wieder im 49er. Ehepaar Gäbler, die im Tornado Weltspitze sind, will<br />
vor Rio seine Titelsammlung komplettieren. „Dieses neue Projekt ist für uns der logische Schritt<br />
und eine fantastische Herausforderung. Im Tornado haben wir von Weltmeisterschaft bis Deutsche<br />
Meisterschaft alles gewonnen. Jetzt wollen wir eine Olympiamedaille“, erklärt der 48-jährige<br />
Steuermann Roland Gäbler sein Ziel zusammen mit seiner Frau Nahid für die kommenden Jahre.<br />
sailing-team-germany.de<br />
18.-20. Mai, Kiel<br />
Young Europeans Sailing – Pfingstbusch<br />
Die große Leistungsschau<br />
der Youngster – alle anderen sind<br />
auf Helgoland zur Nordseewoche<br />
kyc.de<br />
29. Mai bis 2. Juni, Antibes<br />
Les Voiles d‘Antibes<br />
Schön, schöner, Antibes<br />
und klassische Yachten<br />
voilesdantibes.com<br />
16.-22. Juni, St. Tropez<br />
Rolex Giraglia <strong>Cup</strong><br />
Der Klassiker von St. Tropez nach Italien<br />
giragliarolexcup.com<br />
22.-30. Juni, Kiel<br />
Kieler Woche<br />
Die weltgrößte Regatta spricht für sich<br />
kieler-woche.de<br />
26. bis 30. Juni <strong>2013</strong><br />
Vele d’Epoca a Napoli<br />
<strong>Segel</strong>nde Schönheiten in Bella Italia<br />
leveledepoca.it<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal 59
sports I 34. America’s <strong>Cup</strong><br />
Beide Rümpfe fliegen!<br />
Beim Training auf der San Francisco<br />
Bay rast Oracles neuer AC 72 auf<br />
seinen Foils dahin. Schwedens<br />
Artemis im Hintergrund kam anfangs<br />
übers „Skimmen“ nicht hinaus<br />
60 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Angriff<br />
der flugboote<br />
Wer wird gegen Larry<br />
Ellisons „Team Oracle USA“<br />
zum Kampf um die älteste<br />
Sporttrophäe der Welt<br />
antreten? Der Louis Vuitton <strong>Cup</strong><br />
dürfte Segler und Material noch<br />
härter beanspruchen als der<br />
eigentliche America’s <strong>Cup</strong>.<br />
Text hans-harald schack<br />
fotos Gilles Martin-raget, AC Image Bank<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
61
sports I 34. America’s <strong>Cup</strong><br />
Das Revier könnte einer<br />
der Vorteile für die<br />
Amerikaner sein.<br />
Denn sie haben bereits<br />
ein Schiff für die<br />
Windbedingungen im<br />
September gebaut.<br />
Der <strong>America's</strong> <strong>Cup</strong> auf der Pier am Nordufer von<br />
San Francisco (oben). Die Regattastrecke liegt<br />
zwischen der Gefängnisinsel Alcatraz und der<br />
Stadt. Das Wahrzeichen der Stadt, die Golden<br />
Gate Bridge, liegt westlich davon. Hier herrschen<br />
noch schwierigere Trainingsbedingungen<br />
62 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, beginnt<br />
vor San Francisco der Louis Vuitton <strong>Cup</strong>, die<br />
Herausforderer-Rennen vor dem eigentlichen America’s<br />
<strong>Cup</strong>. Die erste Wettfahrt, noch ohne Bedeutung für den<br />
Verlauf des <strong>Cup</strong>s, wird tags darauf gestartet. Der Auftakt ist ein<br />
Fleetrace, bei dem sich die Kontrahenten, einschließlich des<br />
<strong>Cup</strong>-Verteidigers, beschnuppern und gegenseitig beeindrucken<br />
können. Wer wird die Muskeln spielen lassen, wer mit seinen<br />
wahren Stärken hinterm Berg halten?<br />
Der Louis Vuitton <strong>Cup</strong> dürfte ebenso spannend werden wie der<br />
America’s <strong>Cup</strong> selbst. Vielleicht noch spannender, wenn nämlich<br />
die Leistungsunterschiede zwischen den Bewerbern knapp<br />
sein sollten. Vor dreißig Jahren hatte der französische Gepäckproduzent<br />
begonnen, die Ausscheidungsrennen zu sponsern,<br />
gleich beim ersten Mal, 1983 vor Newport, endete die Serie<br />
mit dem Sieg von Australia II. Sie sollte den Amerikanern kurz<br />
darauf den <strong>Cup</strong> entreißen, nach 132 Jahren. Der Zwölfer vom<br />
Zeichenbrett Ben Lexcens – die Risse wurden noch mit der<br />
Hand gezeichnet und der Werft als „Blaupause“ geliefert – hatte<br />
einen geheimnisvollen Flügelkiel.<br />
Im Jahr <strong>2013</strong> gibt es keine Blaupausen mehr, die Yachten sind<br />
Katamarane und rasen mit über 40 Knoten dahin, und Flügel<br />
unterm Rumpf heben das ganze Schiff aus dem Wasser. Beim<br />
34. America’s <strong>Cup</strong> wird der Kampf um die Kanne im Tiefflug<br />
entschieden. Die Tragflächen heißen auf Englisch „foils“, sie haben<br />
auch unter deutschen Seglern das Verb „foilen“ populär<br />
gemacht. Dass gekrümmte Schwerter einen großen Katamaran<br />
anheben können („skimming“), war spätestens seit dem letzten<br />
America’s <strong>Cup</strong> bekannt, dass geknickte Boards ihn aber komplett<br />
aus dem Wasser heben können, und dass sich das Flugboot<br />
auch stabil segeln lässt, war für manche Beobachter ein<br />
Schock. Team New Zealand machte das im Herbst vor Auckland<br />
vor, und bei den anderen Teams brach konstruktive Panik aus.<br />
Auch Team Luna Rossa „foilte“, als sei’s die natürlichste Sache der<br />
Welt, und die Spione vom Team Oracle brauchten ein schnelleres<br />
Motorboot, um den Sizilianern folgen zu können.<br />
Die Foils hatten zuvor als Irrweg gegolten, denn nach dem AC-<br />
Reglement dürfen Unterwasserflächen in sich nicht verstellbar<br />
sein. Artemis-Skipper Terry Hutchinson hielt Foils für untrimmbar<br />
und damit „nicht praxistauglich“. Die Neuseeländer wurden jedoch<br />
dabei beobachtet, dass sie die kompletten Foils ständig mit einem<br />
enormen Kraftaufwand trimmten. Die Schweden machten teamintern<br />
einen Neustart. Hutchinson wurde durch den 49er-Gold-<br />
Olympioniken Nathan Outteridge abgelöst, der vom Franzosen<br />
Loïck Peyron auf große Kats umgeschult wird. Die Schweden waren<br />
die Ersten, die (auf einem Trimaran) den großen Flügelmast auf See<br />
ausprobiert hatten – da galten sie als Favoriten. Jetzt waren sie die<br />
Letzten, die auf Foils umstiegen – im Frühjahr <strong>2013</strong> hatten sie definitiv<br />
das langsamste Schiff. Team-Chef Paul Cayard grimmig: „Es<br />
steht noch lange nicht fest, wer die Asse hat.“<br />
Die Schweden waren auch sauer, weil sie sich überrumpelt fühlten.<br />
Nach ihrer Interpretation waren die Foils aufgrund ihres<br />
relativ großen Volumens in den Regeln verboten (Anhänge dürfen<br />
nicht mehr als zehn Prozent der Gesamtverdrängung ausmachen),<br />
aber in der Protestverhandlung änderte das Komitee<br />
einfach die Regel. Es sei nicht Sinn der Volumenbegrenzung<br />
gewesen, das Foilen zu verhindern.<br />
Die termine<br />
4. Juli Eröffnung<br />
5. Juli Fleetrace Herausforderer und Verteidiger<br />
7. Juli-4. August Louis Vuitton <strong>Cup</strong> Rennen<br />
(jeder gegen jeden, „Round Robins”)<br />
6.-14. August Louis Vuitton <strong>Cup</strong> Match Races<br />
17.-30. August Louis Vuitton <strong>Cup</strong> Finals (Best of 13),<br />
zwei Rennen pro Tag – wer als Erster sieben<br />
rennen gewonnen hat, ist Herausforderer<br />
Die internen Ausscheidungen von Team Oracle laufen parallel zum LV <strong>Cup</strong>.<br />
1.-4. September Red Bull Youth America’s <strong>Cup</strong><br />
7.-21. September America’s <strong>Cup</strong> Finals Zwei Rennen pro Tag.<br />
Best of 17 – wer als Erster neun Wettfahrten<br />
gewonnen hat, ist <strong>Cup</strong>-Sieger<br />
Tagesgenauer Regatta-Kalender unter cupinfo.com<br />
(Stichpunkt „Schedule“)<br />
Wo kann man’s sehen?<br />
Im deutschen Fernsehen liegt der <strong>Cup</strong> noch weit hinter dem Horizont.<br />
Die ARD plant keine Übertragung, wird aber „eventuell“ in der Sportschau<br />
berichten. Eurosport will Rennen des Louis Vuitton und des America’s<br />
<strong>Cup</strong> übertragen, kann zurzeit aber noch keine Termine nennen (später<br />
unter: eurosport.de, Stichwort „<strong>Segel</strong>n“).<br />
Auf YouTube gibt es einen eigenen America’s <strong>Cup</strong> Channel:<br />
youtube.com/user/Americas<strong>Cup</strong><br />
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mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
63
sports I 34. America’s <strong>Cup</strong><br />
Pro Team dürfen nur zwei große Kats gebaut werden, damit sich<br />
das Wettrüsten in Grenzen hält. Team Luna Rossa (Prada) wird<br />
nur mit einem großen Kat ins Rennen gehen, und der ist ein<br />
Schwesterschiff des ersten neuseeländischen AC 72. Das klingt<br />
zunächst nach einem Nachteil. Da die Neuseeländer ihren Prototyp<br />
aber im Juli 2012 ins Wasser brachten und die Italiener<br />
ihr Schiff drei Monate später, enthielt Prada alle technischen<br />
Verbesserungen, die die Neuseeländer bei ihren ersten Ausflügen<br />
– wörtlich zu nehmen – erarbeitet hatten. (Die Fortschritte<br />
der Italiener wiederum kamen den Neuseeländern bei ihrem<br />
zweiten Schiff zugute.) Den Italienern unter Max Sirena traut<br />
vor dem Startschuss zum Louis Vuitton <strong>Cup</strong> keiner den Sieg im<br />
kleinen Herausfordererfeld zu. Sie stiegen mit Verspätung in den<br />
Wettbewerb ein, nachdem der erste Herausforderer (Challenger<br />
of Record), Vincenzo Onoratos Team Mascalzone Latino, einen<br />
ebenso überraschenden wie peinlichen Rückzieher gemacht<br />
hat. Der Betreiber der Moby-Line-Fähren vom italienischen Festland<br />
auf die Inseln hatte schlicht Finanzierungsprobleme. Jetzt<br />
fungiert Team Artemis als Anführer der Herausforderergruppe.<br />
Larry Ellison (oben) im Zenit seiner gesellschaftlichen Laufbahn. Der<br />
schrullige Multi-Milliardär hat sich – laut „Business Week“ – vom rücksichtslosen<br />
Rebellen zum disziplinierten Kämpfer gewandelt. Mit Jimmy<br />
Spithill (unten links) und Russell Coutts (unten, Mitte) holte er im Februar<br />
2010 den <strong>Cup</strong> wieder nach Amerika<br />
Bevor der Startschuss zum ersten Rennen des Louis Vuitton<br />
<strong>Cup</strong>s fällt, sind alle Prognosen Spekulation. Die Gerüchte-Küche<br />
brodelt umso heftiger, je weniger Gewissheiten es gibt. Das<br />
war bisher bei jedem <strong>Cup</strong> so. Alle Teams verändern Dinge, alle<br />
lernen hinzu. Und alle halten ihre wahren Lernfortschritte geheim,<br />
so gut es geht. Schwedens Team-Chef Paul Cayard: „Wir<br />
machen technische Fortschritte, über die ich natürlich nicht<br />
reden kann.“ Neuseelands Team-Chef Grant Dalton: „Wir haben<br />
beim <strong>Segel</strong>n Dinge rausgekriegt, die deutlich mehr bringen als<br />
technische Veränderungen am Boot.“ Skipper Jimmy Spithill,<br />
Australier, aber bei dem US-Team unter Vertrag, deutet seine<br />
katastrophale Kenterung mit dem AC 72, bei der das Flügelrigg<br />
zerbrach, in einen Gewinn um: „Wir haben gelernt und nehmen<br />
unser Testprogramm jetzt auf einem höheren Level wieder auf.“<br />
Im Herbst galt Emirates Team New Zealand noch als der klare<br />
Favorit. Grant Daltons kommerzielles <strong>Segel</strong>-Unternehmen<br />
Der AC 72, mit dem die Ausscheidungsrennen der Herausforderer<br />
und der America’s <strong>Cup</strong> gesegelt werden,<br />
wird von den Teams entwickelt. Allerdings bietet Verteidiger<br />
Oracle Bewerbern mit knappem Budget einen<br />
fertigen Bauplan an – „und sicher nicht den schlechtesten“,<br />
vermutet Energy-Teamchef Bruno Peyron. Die<br />
Franzosen hatten erwogen, das Angebot der Amerikaner<br />
für den Einstieg in den „großen“ <strong>Cup</strong> zu testen.<br />
AC-72-Höchstmaße<br />
Lüa<br />
22 m<br />
Breite<br />
14 m<br />
Mast<br />
40 m<br />
Tiefgang<br />
4,4 m<br />
Gewicht<br />
5,9 t<br />
Mastfläche 260 qm<br />
Fock<br />
80 qm<br />
Gennaker 320 qm<br />
Crew 11<br />
64 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Kein Fall für den Yachtclub. Zum Maststellen<br />
und Ins-Wasser-setzen der<br />
Boote ist ein extra Kran nötig. Jedes<br />
Team hat eigene Hallen und Gelände<br />
Die Foils von „Oracle Team USA“<br />
erinnern an Orca-Flossen. Die tragenden<br />
Strukturen mittschiffs<br />
stecken hinter einer Verkleidung<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
65
Die Kenterung ihres ersten AC 72 bei<br />
böigem Wind über 25 Knoten war ein<br />
schwarzer Tag für „Oracle Team USA“.<br />
Ein Mann wurde unter dem Schiff rausgeholt<br />
- lebend. Spithill: „Ich sprach mit<br />
den anderen Teamchefs und Steuerleuten<br />
darüber, bevor ich Larry angerufen<br />
habe. Er hat sehr gelassen reagiert.“ Das<br />
Rigg war hinüber – die Amerikaner<br />
legten einen fulminanten Neustart hin<br />
Was von Oracles Technologievorsprung<br />
übrig ist, wird man erst im<br />
September wissen<br />
hatte als Erstes seinen großen Kat im Wasser. Skipper Dean<br />
Barker brachte das Schiff nach Belieben zum Foilen. Die Kiwis<br />
hatten mit dem italienischen Team Luna Rossa (Prada) einen<br />
Trainingspartner, mit dem sie legal kooperieren und Entwicklungsergebnisse<br />
teilen durften. Vor allem konnten sie ihre Testergebnisse<br />
in Prada umsetzen. Ihre Testzeit auf dem Wasser – für<br />
jedes Team auf 30 <strong>Segel</strong>tage begrenzt – verdoppelte sich dadurch<br />
fast. Alle Beobachter waren sich einig: Die Neuseeländer<br />
waren mit Vorsprung ins Rennen gegangen, sie nutzten ihre Zeit<br />
am besten, und sie hatten einen praktisch baugleichen Sparringspartner,<br />
mit dem sie ausprobieren konnten, ob eine bestimmte<br />
Veränderung am Boot messbare Vorteile bringt oder nicht.<br />
Das Foilen, so Team-Chef Dalton, bringt glatte sieben Knoten<br />
auf raumen Kursen, am Wind jedoch geht der Kraftaufwand fürs<br />
Anheben des Bootes zu sehr auf Kosten der Geschwindigkeit.<br />
Als Russell Coutts nach dem <strong>Cup</strong> 2010 die Regeln fürs nächste<br />
Mal verkündet hatte, war die Ablehnung zunächst groß gewesen.<br />
Zu teuer, zu kompliziert, die Boote überzüchtete, kaum zu<br />
beherrschende Rennmaschinen. Die Deutschen sahen keine<br />
Chance, ohne Groß-Sponsor die technische Herausforderung logistisch<br />
zu stemmen. Jetzt sind sie immerhin im Youth America’s<br />
<strong>Cup</strong> dabei, der parallel zum „großen“ <strong>Cup</strong> mit AC-45-Katamaranen<br />
ausgetragen wird (SEGEL-JOURNAL 2/<strong>2013</strong>), und studieren das<br />
Wing-<strong>Segel</strong>n und das Revier in der San Francisco Bay. Und das hat<br />
es in sich. Youth-AC-Skipper Philipp Buhl (Sonthofen): „Die Bay ist<br />
anspruchsvoll und vielseitig. Hinter der Stadt ist der Wind meist<br />
leicht, vor der Stadt kräftig. Vom Pazifik weht die kalte Seebrise<br />
durch die Golden Gate Bridge in die Bucht. Dazu machen die ungewöhnlich<br />
starken Wasserströmungen das <strong>Segel</strong>n in der Bucht<br />
so anspruchsvoll. Mit einer Jolle sind sie kaum zu bewältigen. Und<br />
für die großen AC-72-Katamarane ist die Bucht sogar fast zu klein.“<br />
Zumindest die Rennstrecke zwischen der Gefängnisinsel Alcatraz<br />
und dem Nordufer der Stadt. Die Bahnschenkel sind in fünf bis<br />
zehn Minuten abgesegelt.<br />
Das Revier könnte einer der Vorteile für die Amerikaner sein.<br />
Denn sie haben bereits ein Schiff für die Windbedingungen im<br />
September gebaut, wenn es weniger stark bläst als im Juli und<br />
August. Die Herausforderer müssen ihre Schiffe für starke Thermik<br />
und kräftige, böige Winde optimieren, damit sie‘s überhaupt<br />
an den Start für den America’s <strong>Cup</strong> schaffen. Als die Amerikaner<br />
ihren neuen Kat aufs Wasser brachten, kommentierte die<br />
englische Fachzeitschrift „Seahorse“ die schlanken Vorschiffe:<br />
„Mutig.“ Denn schlanke Linien erhöhen die Gefahr des Unterschneidens,<br />
und damit haben die Amerikaner bei Böen über<br />
25 Knoten schlechte Erfahrungen gemacht. Schlanke Rümpfe<br />
stoppen in ruppiger See allerdings auch nicht so leicht ab. Statt<br />
Vorschiffe bauchiger zu machen, verlängern Konstrukteure sie<br />
lieber – was bei einem AC-Kat allerdings nicht geht, der bereits<br />
die Maximallänge hat. Solange es kräftig bläst, müssen die<br />
Amerikaner also verhalten segeln. Was sie wirklich können und<br />
ob von ihrem Technologievorsprung vom <strong>Cup</strong> 2010 noch etwas<br />
übrig ist, wird man erst im September wissen.<br />
Das gesamte America‘s-<strong>Cup</strong>-Programm besteht aus drei Teilen,<br />
die viel besser zusammenpassen, als das vorher jemand zu hoffen<br />
wagte. Die World Series mit den AC 45 hat Teams in der <strong>Cup</strong>-<br />
Welt mitspielen lassen, die diesmal noch nicht um den <strong>Cup</strong> mitsegeln<br />
können, aber ernste Aspiranten sind – darunter Briten,<br />
Franzosen, Koreaner. Der Red Bull Youth America’s <strong>Cup</strong> führt die<br />
nächste Generation an die Profi-Welt heran. Das Highlight ist<br />
natürlich der America’s <strong>Cup</strong>, der mit den rasenden Hightech-<br />
Kats und satellitengestützter Schiedsrichtertechnik, bei der die<br />
Position der Yachten zentimetergenau bestimmt wird, spannende<br />
Wettkämpfe verspricht.<br />
66 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
sports I 34. America’s <strong>Cup</strong><br />
Sie kämpfen um den <strong>Cup</strong><br />
© Carlo Borlenghi/Americ‘ s <strong>Cup</strong> © Chris Cameron/Americ‘ s <strong>Cup</strong> © Sander van der Bor/Americ‘ s <strong>Cup</strong><br />
© Guilain Grenier/Americ‘ s <strong>Cup</strong><br />
Der Verteidiger<br />
Oracle Team USA<br />
Golden Gate Yacht Club, San Francisco<br />
Eigner: Larry Ellison<br />
Gewann den 33. America’s <strong>Cup</strong> vor Valencia 2010 mit dem 68 Meter hohen<br />
Starrflügel-Tri USA 17. Ellisons Vermögen wird auf 40 Milliarden Dollar beziffert.<br />
Deshalb führte er fairerweise Trainingszeit- und Baulimits ein. Die<br />
Konkurrenz soll eine Chance haben. Ellison wird am 18. August 70 Jahre<br />
alt. Skipper Jimmy Spithill steuerte schon 2010 (unter dem Kommando<br />
von Russell Coutts).<br />
Zwei AC-45-Kats, zwei AC 72<br />
oracle-team-usa.americascup.com<br />
+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++<br />
Artemis Racing<br />
(Challenger of Record)<br />
Kungliga Svenska <strong>Segel</strong> Sällskapet, Stockholm<br />
Teamchef: Paul Cayard<br />
Cayard hat den französischen Multihull-Experten Loïck Peyron ins Team<br />
geholt und Terry Hutchinson entlassen. Die Schweden sind Neulinge im<br />
<strong>Cup</strong>, haben aber <strong>Cup</strong>-Veteranen und Olympia-Talente im Team. Sie trainieren<br />
vor San Francisco; mit dem zweiten AC 72 wollen sie auf Foils ihren<br />
technischen Rückstand aufholen.<br />
Zwei AC-45-Cats, zwei AC 72<br />
artemis-racing.americascup.com<br />
+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++<br />
Emirates Team New Zealand<br />
Royal New Zealand Yacht Squadron, Westhaven<br />
Teamchef: Grant Dalton<br />
ETNZ gewann mit Skipper Russell Coutts den <strong>America's</strong> <strong>Cup</strong> 1995. Coutts<br />
verteidigte den <strong>Cup</strong> 2000 und nahm ihn, als Skipper von Alinghi,<br />
den Neuseeländern 2003 auch wieder ab. Verlierer Dean Barker steht heute<br />
wieder am Ruder. Für ihn und ganz Neuseeland eine Frage der Ehre.<br />
Zwei AC-45-Cats, zwei AC 72<br />
emirates-team-new-zealand.americascup.com<br />
+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++<br />
Team Luna Rossa<br />
Circolo della Vela Sicilia, Palermo<br />
Eigner: Patrizio Bertelli<br />
Die America’s-<strong>Cup</strong>-begeisterten Italiener unterlagen 2007 den Neuseeländern<br />
im Louis Vuitton <strong>Cup</strong>, jetzt bilden sie ein Trainingsgespann. Der Prada-<br />
Chef entschied sich spät, in den <strong>Cup</strong> einzusteigen, sein Team hat Details<br />
des ETNZ-Schwesterschiffs entwickelt. Der silberne Italo-Kat ist zumindest<br />
optisch eine Augenweide, die America’s-<strong>Cup</strong>-Sneaker mit dem markanten<br />
weiß-roten Prada-Emblem sind schick.<br />
lunarossachallenge.com<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
67
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sports I hanse race<br />
Virtuelles Race unter<br />
echten <strong>Segel</strong>n<br />
Soll man sich den SpaSS am Regattasegeln durch<br />
materielle Zwänge vermiesen lassen? Braucht es eine<br />
Wettfahrtleitung und ein aufwändiges Landprogramm?<br />
Das Hanse Race geht neue Wege, die Bürokratie<br />
bleibt zwölf Tage an Land, Software ersetzt das Regattabüro.<br />
SEGEL JOURNAL sprach mit Initiator Volker Andreae, dem<br />
Vorsitzenden der German Offshore Owners Association.<br />
interview sandra-valeska bruhns fotos Corinna Kulp<br />
Das signalrote Flaggschiff Haspa Hamburg des Hamburgischen Verein Seefahrt (HVS) nahm 2012 am Hanse Race teil<br />
(links). Die Macher der Regatta: Wettfahrtleiter Carl-Friedrich Schott „Schotti“ und Volker Andreae<br />
70 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Das Hanse Race 2012 war eine Regatta ohne Wettfahrtleitung.<br />
Wie kam es zu dieser Entwicklung?<br />
Im vergangenen Jahr wurde nach langer Zeit wieder ein Baltic<br />
Sprint <strong>Cup</strong> ausgeschrieben, zu dem auch 14 Yachten gemeldet<br />
sowie die Hotels und Logistik gebucht hatten. Im Mai 2012<br />
musste der <strong>Cup</strong> aber aus finanziellen Gründen abgesagt werden,<br />
die Sponsoren waren ausgeblieben. Für die 14 gemeldeten<br />
Yachten ein Schock, da Sommerplanung und alle Buchungen<br />
plötzlich obsolet waren. Als German Offshore Owners Association<br />
arbeiteten wir bereits an der Regatta-Organisations-Software<br />
Sailbook, die wir nun kurzerhand zum Einsatz brachten. So<br />
erreichten wir eine radikale Einsparung der Organisationskosten,<br />
keine Vorabreisen zu den Etappenzielen, keine Wettfahrtleitung<br />
auf dem Wasser. Der bisherige Veranstalter war unter der Bedingung<br />
einer Namensänderung einverstanden, das Hanse Race<br />
ging an den Start und wurde ein Erfolg.<br />
Wie muss man sich die Arbeit der virtuellen Wettfahrtleitung<br />
vorstellen?<br />
Zunächst einmal das Prinzip: Eine Regatta besteht aus drei Teilen,<br />
dem Start, dem Absegeln eines vorgegebenen Kurses und dem<br />
Zieleinlauf. Start und Ziel sind fast immer in Landnähe, also ist<br />
ein Handy-Empfang möglich. Auf jeder Yacht gibt es meist mehr<br />
Smartphones, mit denen man Fotos machen kann, als Segler. Unsere<br />
Wettfahrtleitung besteht nun aus Seglern an Bord der teilnehmenden<br />
Schiffe, die mit ihren Handys von den verschiedenen<br />
Bahnmarken und dem Ziel Fotos machen und an unseren Sailbook-Server<br />
senden. Der entscheidende Punkt: Das Handy muss<br />
eine eingeschaltete GPS-Funktion haben. Dann wird nicht nur die<br />
Position des Fotos, sondern auch die genaue Uhrzeit in dem Foto<br />
gespeichert. Und beides werten wir mit der Software aus, erstellen<br />
pro Yacht auf einer Seekarte einen Track mit den Fotos. Jeder<br />
sieht online noch während der Regatta also genau, wann und wo<br />
ein Foto geschossen wurde und zu welcher Zeit.<br />
Duell der Ausbildungsyachten: Haspa Hamburg gegen Bank von Bremen (oben).<br />
Entspannte Wettfahrtleitung auf dem Wasser: „Schotti“ im Einsatz (unten)<br />
Dieses Jahr geht es mit dem gleichen Konzept im Juli<br />
wieder nach Schweden. Wie ist sichergestellt, dass<br />
keiner der Teilnehmer mogelt oder unabsichtlich<br />
falsche Koordinaten meldet?<br />
In der Tat hat eine Yacht im letzten Jahr vor Visby per Zoom versucht,<br />
das als Zielmarke angegebene Hafenfeuer etwas früher zu erreichen,<br />
doch die Vorgabe war ganz klar: Peilung querab, auf dem Track war<br />
die „schräge“ Fotoposition problemlos zu erkennen, die Zielzeit<br />
wurde korrigiert. Also: Schummeln ist kaum möglich, die Koordinaten<br />
stecken im Foto, die GPS-Zeit ist zudem sehr genau.<br />
Wird das Race von den Teilnehmern als echte Regatta<br />
wahrgenommen oder eher – salopp gesprochen – als<br />
Geschwaderfahrt mit Bestenermittlung?<br />
Wir sprechen bewusst von einer Regatta-Reise, um neue Zielgruppen<br />
anzusprechen. In diesem Jahr wird der Hamburger<br />
Betriebssportverband mit vier Charteryachten teilnehmen, das<br />
freut uns sehr. Wir erreichen diese Öffnung auch, indem wir eine<br />
reine Cruiser-Klasse ohne Wertung vorsehen, die – wenn möglich<br />
– verkürzte Kurse zu den Etappenpunkten segelt, um alle Yachten<br />
zeitnah beieinander im Ziel zu haben.<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
71
sports I hanse race<br />
hanse race <strong>2013</strong> – die route<br />
30.6 Kiel<br />
02.7 Warnemünde-Hohe Düne 70 sm<br />
Bornholm/Hafenseite 180 sm<br />
05.7 Ystad 95 sm<br />
07.7 Karlskrona 80 sm<br />
08.7 Kalmar 57 sm<br />
Öland/Hafenseite 140 sm<br />
10.7 Visby hoch & runter 92 sm<br />
11.7 Nyköping 76 sm<br />
12.7 Nyköping Preisverleihung<br />
In der Regatta-Gruppe gibt es aber keine Unterschiede zu bisher<br />
üblichen Wettfahrten, hier wird von den Crews alles gegeben.<br />
Der Ansporn ist groß, da auch sehr bekannte Schiffe wie die<br />
HASPA Hamburg teilnehmen. Aber: Unter dem Leitgedanken des<br />
Gentlemen Race gibt es keine Jury und keine gerichtsähnliche<br />
Protestverhandlung. Wenn sich eine Yacht ungerecht behandelt<br />
fühlt, kann sie die Organisatoren und Protestgegner zu einem<br />
Bier einladen und das solange, bis eine einvernehmliche Lösung<br />
gefunden wird. Klappt wunderbar!<br />
Wie viel Manpower braucht dieses Regattaformat<br />
dennoch, um erfolgreich zu sein?<br />
Unser Wettfahrt-Team besteht neben mir aus drei Leuten: Wir haben<br />
einen offiziellen Wettfahrtleiter, der die formalen Themen wie<br />
Genehmigungen, <strong>Segel</strong>anweisung und die Unterstützung durch<br />
lokale Clubs organisiert. Wir haben jemanden, der sich um Social<br />
Events und Liegeplatz-Anmeldungen im Vorfeld per E-Mail oder<br />
Telefon kümmert. Und wir haben einen Systemadministrator, der<br />
über die eingehenden Daten wacht. Mit vier Leuten kann man<br />
eine Seewettfahrt mit 25 Teilnehmern nur organisieren, wenn<br />
jede Yacht 100 Prozent eigenverantwortlich handelt und wenn<br />
als Mindestausrüstung eine UKW-Sprechfunkanlage in Hörbereitschaft<br />
an Bord ist.<br />
Idyllisches Visby: Das Hanse Race bietet zwischen den einzelnen Etappen<br />
auf See Gelegenheit, den Ostseeraum zu erkunden<br />
Unser Prinzip ist: Jeder zahlt seine Kosten selbst, dafür gibt es<br />
kein oder nur ein minimales Meldegeld. So haben wir im letzten<br />
Jahr aus meinem Büro Hamburg per Google Maps in Karlskrona<br />
das nette Restaurant Lisas Sjökrog gefunden. Direkt am<br />
Nachbarsteg, man muss nur genug in die Karte zoomen, um<br />
die Telefon-Nummer zu finden. Ob wir sie denn am 21. Juli<br />
mit 80 Seglern überfallen dürften, jeder zahlt aber selbst?<br />
Kein Problem – es wurde ein vergnügter Abend, so wie die<br />
anderen Abende auch.<br />
Ist so eine Do-it-yourself-Regatta denn auch sicher?<br />
Wir geben an die Seenot-Leitstelle Bremen nicht nur die Etappen<br />
und deren Zeitplan, sondern auch einen speziellen Emergency-<br />
Onlinezugang für unsere Software Sailbook. Im Notfall können<br />
Rettungskräfte online sofort die letzte Foto-Position einer Yacht<br />
oder aufgrund der vorhandenen Meldedaten die vollständige<br />
Crewliste mit Alter, Unverträglichkeiten, Blutgruppen und Anschriften<br />
einsehen sowie die Notfallkontaktdaten. Über Funkberatung<br />
können Ärzte sogar den Inhalt der Bordapotheke mit den<br />
Verfallsdaten der Medikamente einsehen, sofern diese von den<br />
Skippern entsprechend gepflegt werden. Und zusätzlich identifizieren<br />
Rettungskräfte über die Datenbank ein Schiff über die<br />
<strong>Segel</strong>-Nummer, das Foto oder die MMSI-Nummer und erhalten<br />
für eine Bergung die technischen Daten wie Länge, Gewicht und<br />
Breite, ein erheblicher Zeit- und Sicherheitsgewinn.<br />
Von wann bis wann findet das Hanse Race <strong>2013</strong> statt?<br />
Sind auch Teilbereiche der Regattastrecke für die<br />
Teilnahme möglich?<br />
Der Start des Hanse Race ist in Kiel am 30. Juni, dem letzten<br />
Tag der Kieler Woche. Die erste Etappe führt nach Warnemünde,<br />
von dort geht es über Bornholm nach Schweden, zunächst<br />
Ystad. Auch hier ist eine große Flexibilität für die Teilnehmer<br />
72 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Gemütliches Beisammensein der Crews in Klaipeda: Nicht alles ist perfekt durchorganisiert, dafür bleibt Raum für Spontanität und ein Bier<br />
in der nettesten Bar des Ortes<br />
vorhanden, man muss nicht alle Etappen melden. Für den<br />
großen hanseboot-Gesamtpreis werden pro Yacht nur die<br />
Ergebnisse der besten beiden Einzelrennen gewertet, zusätzlich<br />
gibt es zahlreiche Sonderpreise der Partner-Clubs. Bei sehr<br />
schlechten Wetterverhältnissen ist es problemlos möglich, Etappen<br />
umzuplanen. Wir werden niemanden bei acht Windstärken<br />
auf eine Kreuz schicken.<br />
Welche Yachten können teilnehmen?<br />
Für das Hanse Race ist die Seetüchtigkeit ein ausschlaggebendes<br />
Kriterium, die Geschwindigkeit weniger. Langsame Schiffe segeln<br />
einen kürzeren Kurs. Wir haben schon zwei Meldungen von sehr<br />
großen Yachten (ca. 80 Fuß) und viele Schiffe sind zwischen 38<br />
und 52 Fuß lang, aber wir würden auch eine 10-Meter-Yacht<br />
akzeptieren, wenn sie vernünftig ausgerüstet ist. Charteryachten<br />
sind in der Cruiser-Klasse ebenfalls dabei. Für die Wertung nutzen<br />
wir wieder die Möglichkeiten moderner Software: Alle gängigen<br />
Messbriefe wie ORC, IRC oder Dansk Handicap einschließlich<br />
Yardstick werden angenommen, solange mindestens zwei<br />
Schiffe in diese Wertung wollen. Mit einer besonderen Formel<br />
werden innerhalb einer Wertung Punkte für jede Yacht errechnet<br />
in Abhängigkeit von der Platzierung und der Anzahl der Starter in<br />
dieser Klasse. So kann ein Gesamtsieger über alle Klassen für den<br />
hanseboot-Gesamtpreis ermittelt werden.<br />
Und wie sieht die Zukunft aus?<br />
In England experimentiert man schon mit virtuellen Tonnen, wir<br />
werden wie im letzten Jahr wieder mit dem schwedischen Sailonline.org<br />
eine gemeinsame Etappe starten, in der wir die Fotos<br />
und Positionen der echten Schiffe gegen die virtuellen Spieler<br />
antreten lassen. Auf der Etappe Visby-Klaipėda waren 2012 über<br />
270 virtuelle Boote (nach ORC vermessen) dabei, ein großer Spaß.<br />
Wir verstehen das Hanse Race als einen Vorreiter für weniger<br />
Stress, weniger Kosten und mehr Spaß. Mehr Flexibilität und<br />
mehr Sicherheit beim Regattasegeln, alles zusammen angesichts<br />
sinkender Teilnehmerzahlen und fehlender Sponsoren auf üblichen<br />
Bahnen ein notwendiger und zukunftsfähiger Kurs.<br />
Regattaorganisator Volker Andreae polarisiert seit Jahren die deutsche Regattaszene.<br />
Sein Ziel ist es, die geltenden Wettfahrtbedingungen beständig zu verbessern – sei es durch Innovationen<br />
im Yachtbau, bei der elektronischen Organisation und Verwaltung von Kampagnen und<br />
Regatten oder der Durchsetzung einer vermeintlich besseren Vermessungsformel. Der glühende<br />
IRC-Anhänger gehört seit 40 Jahren zu den Alsterpiraten und segelt von Kindheit an. Nach Jollenjahren<br />
im 470er und 505er folgten Yachten unter dem Traditionsnamen Inschallah: 3/4 Tonner, 1<br />
Tonner, ILC 40 und aktuell eine Class40 in Lissabon, mit der er an der Atlantic Rally for Cruisers<br />
(ARC) teilnehmen möchte.<br />
2007 gründete er die German Offshore Owners Association und initiierte den German Offshore<br />
Award im Hamburger Rathaus für die beste deutsche Regattayacht des Jahres.<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
73
Küste,<br />
Küche&<br />
Kultur<br />
<strong>Segel</strong>n in Kampanien<br />
74 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
sports I cilento cup<br />
An der süditalienischen Küste des Cilento, einem der<br />
letzten Geheimtipps im Mittelmeerraum, wird <strong>Segel</strong>n zum<br />
wahren Back-to-the-Roots-Törn. Hier, rund 100 Kilometer südlich<br />
von Neapel, darf Italien noch italienisch sein, ohne hochgezüchtete<br />
Marinas, ohne in Reih und Glied aufgestellte Sonnenschirme und vor allem<br />
ohne horrende Hafengebühren fürs Schickimicki-Klientel.<br />
text und fotos Kirsten Panzer-Gunkel<br />
Bei all dem „ohne“, dem Ausbleiben, das erst den wahren<br />
Luxus ausmacht, ist <strong>Segel</strong>n im Cilento aber auch<br />
ein Erlebnis mit ganz viel „mit“! Mit Natur im Überfluss,<br />
Freundlichkeit und Ursprünglichkeit, in der noch ein Hauch der<br />
Anfangszeit des Italien-Tourismus zu spüren ist. Mit sauberem<br />
Wasser, kleinen Häfen, einfachen Trattorias, Spaghetterias und<br />
Osterias, mit Restaurants vom Feinsten und dazu einer Küche<br />
mit ganz viel Mozzarella di bufala und feinstem sonnengereiften<br />
Gemüse. Eine Küche, deren Zutaten sich selbst Kate Middleton<br />
frisch nach Haus ins triste England fliegen lässt.<br />
Vielleicht geht solch eine wider die Gesetze des Slow Food<br />
gemachte Bestellung nicht unbedingt konform mit dem<br />
Naturgedanken rund um den beeindruckenden Nationalpark,<br />
der seit 1998 ein UNESCO-Welterbe ist und seit 2010 zum Weltnetzwerk<br />
der Geoparks gehört – aber ein royaler Ritterschlag ist<br />
der königliche Einkauf allemal.<br />
Zur Küche kommt dann hier noch die Kultur, nicht umsonst haben<br />
sich im Südteil des italienischen Stiefels einst sowohl Römer<br />
als auch Griechen getummelt. Massige dorische Tempelsäulen<br />
sorgen für romantische Grundstimmung. Auch auf dem Wasser,<br />
spätestens wenn man sich der Geschichtsträchtigkeit der Region<br />
bewusst wird. Da fragt man sich bald, warum der Süden oft so<br />
verpönt ist, bei all dem kulturellen Reichtum und auch der Gastfreundschaft,<br />
der man im Cilento noch überall begegnet. Man<br />
ist willkommen, einerlei ob man über Land oder von der Wasserseite<br />
aus anreist, auch wenn unsere Stegnachbarn im Yachthafen<br />
von Salerno bei ihrer Ankunft noch leise Zweifel daran hegten.<br />
Vorübergehende Baustelle statt Urlaubsambiente. Die Kreuzfahrer<br />
brauchen mehr Platz und in diesem Zuge soll in Salerno auch<br />
gleich noch eine neue Marina entstehen. Damit sich die Wassersportler<br />
hier an der Grenze zum Cilento nicht vor den schwimmenden<br />
Großhotels verstecken müssen und sich den Kreuzfahrtgästen<br />
neben Dom und Altstadt auch noch ein eindrucksvoller<br />
Anblick auf der Wasserseite bietet.<br />
„Ursprünglich soll es aber auch dann noch bleiben“, blickt Evaristo<br />
in die Zukunft. Er hat den in Salerno startenden Cilento <strong>Cup</strong>, den<br />
wir hier segeln wollen, vor zwei Jahren ins Leben gerufen. Durch<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
75
Ganz in Weiß – Empfangskomitee in Palinuro<br />
(oben). Der Hafenkapitän und sein Gefolge<br />
begrüßen die <strong>Cup</strong>-Teilnehmer. Gemeinsame<br />
<strong>Segel</strong>pause – Päckchenliegen in der Baia Infreschi<br />
(links). Das kühle Meerwasser sorgt<br />
hier für eine angenehme Erfrischung<br />
Entdeckungstour für Segler<br />
ihn soll die Region bekannter werden. „Die meisten wissen ja gar<br />
nicht, wie es hier aussieht. Die legen gleich ab nach Capri oder<br />
Richtung Liparische Inseln. Tolle Ziele, klar, aber die ahnen noch<br />
nicht einmal, was ihnen hier entgeht!“, sagt er und wuselt gleich<br />
schon wieder zwischen den Yachten herum, erklärt den Weg zum<br />
Supermarkt, in den nicht mehr als eine Crew zur gleichen Zeit hineinpasst,<br />
bespricht das Programm und lädt zum morgendlichen<br />
Empfang mit Buffet und Ansprache ein.<br />
Sie liegt ihm am Herzen, die Gegend und vor allem ihre maritime<br />
Seite. Verständlich, selbst dann, wenn der Wind vollkommen apathisch<br />
vor sich hin haucht. Wir fassen uns in Geduld, beäugen die<br />
Mitkonkurrenten. Elf Yachten insgesamt gegen die wir beim Cilento<br />
<strong>Cup</strong> antreten werden. Mehr aus Spaß, weniger um wahre<br />
Regattaambitionen auszuleben. Es wäre auch zu schade, hier nur<br />
so herumzuhetzen – up-wind, down-wind oder nur von A nach<br />
B. Lieber auch die Region genießen. Und ankern zum Beispiel. Da<br />
sind wir uns schnell einig, ein Spruch über Funk, in dem jetzt erst<br />
mal von dem Gegeneinandersegeln Abstand genommen und die<br />
Badebucht empfohlen wird. Schließlich geht es beim <strong>Cup</strong> nicht<br />
nur ums Regattasegeln, der Cilento an sich ist vielmehr das Ziel.<br />
Seine unterschiedlichen Charakteristika werden in jedem Hafen<br />
präsentiert und unterwegs in stillen Buchten unter hohen Felsen<br />
oder waldigem Hang kann sich jeder selbst ein Bild machen von<br />
der eindrucksvoll üppigen Natur; und von einer Region, die gerade<br />
erst aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht.<br />
Zu unserem Glück, denn so treffen wir unterwegs zwar auf einige<br />
Sonntagsausflügler, die die Buchten italienisch geräuschvoll zum<br />
Leben erwecken, doch meist bleibt es ruhig und beschaulich.<br />
Badespaß mit Fischanschluss, während der Vino Bianco auf Eis<br />
liegt und nach der äußerlichen Abkühlung gleich auch noch für<br />
die innere sorgen wird. Man prostet sich zu, von Yacht zu Yacht,<br />
von Bayern nach Österreich, vom Rhein nach Russland, während<br />
geschmeidige Italiener stolz am Vorstag posen. Wettsegeln tritt in<br />
den Hintergrund.<br />
Dolce Vita am Stiefel – italienisches Lebensgefühl, mediterranes<br />
Ambiente, so wie es der Segler liebt, der Blick vom Wasser aus<br />
aufs Land. Kurs Süd ist deshalb auch unbedingt die Steuerbordseite<br />
als Sitzposition zu empfehlen, selbst wenn man bei stärkeren<br />
südöstlichen Winden dann kurz vor der Wasserkante<br />
hocken sollte. Der Ausblick lohnt sich: erst die Ebene des Sele,<br />
dann die grünschattierten Berge, die sich drei-, vierreihig tief ins<br />
Landesinnere ziehen und sich an der Küste dicht bewachsen ins<br />
Tyrrhenische Meer ergießen. Dazu die Felsen, die steil herabfallen<br />
und Türme, Fenster und Grotten bilden. Letztere gibt es vor allem<br />
rund ums Capo Palinuro. Sie zählen zu den Highlights der Region<br />
und warten mit den verschiedensten Formen und Farben auf. Mal<br />
dringt Tageslicht durch einen Unterwassertunnel ins Innere und<br />
lässt das Wasser fast schon unnatürlich blau leuchten, mal sorgt<br />
eisenhaltiges Gestein für blutrote Färbung oder Kalkstein für ein<br />
Bad in Silber. Wer will da noch nach Capri segeln?<br />
76 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
sports I cilento cup<br />
Das überlegte sich auch die legendäre Chartercrew, von der man<br />
sich immer noch in den pittoresken Häfen erzählt. Kaum angekommen<br />
und von Acciaroli aus gestartet hat sie ihre lang geplante<br />
Route gen Liparische Inseln über Bord geworfen und ist<br />
geblieben. Die 70 Kilometer lange Küste war dann ihr <strong>Segel</strong>revier,<br />
alle sechs Seemeilen ein Hafen, besser geht es nicht. Sie haben<br />
die Ursprünglichkeit, Schönheit und Unberührtheit genossen<br />
statt zu wuseligen Inseln aufzubrechen. „Ob da aber unbedingt<br />
die Grotten und Buchten auschlaggebend waren, weiß ich nicht<br />
so recht“, erzählt Evaristo, „vielleicht waren es auch unsere Preise.<br />
Vom Bierpreis haben sie jedenfalls bei der Rückgabe ganz schön<br />
geschwärmt. Nirgendwo sonst hätten sie bisher so günstiges Bier<br />
getrunken.“ Was auch immer der Grund gewesen sein mag, ich<br />
präferiere den Wein und somit auch die Weinprobe, die als eines<br />
der Highlights am Strand von Ogliastro organisiert wird. Auch ein<br />
Teil der <strong>Cup</strong>-Idee.<br />
bessere Winde und vor allem ist es sonst nicht so heiß“, stöhnt<br />
Paula, die bei Starsail immer den Überblick behält, wischt sich die<br />
Stirn trocken, lächelt und erzählt von den geplanten Stationen.<br />
Die erste Etappe führt die Küste hinunter nach Acciaroli, ein<br />
Blick an Land: Irgendwo dort liegt Paestum. Über Jahrhunderte<br />
wurden die riesigen Tempel als markante Landmarken<br />
in den Seekarten verzeichnet. Wir sind zu weit draußen, um sie<br />
zu sehen, doch wer dort war, fühlt noch die jahrtausendealten<br />
Kulturen. Am Niedergang liegen ein Paar Turnschuhe – Nikes,<br />
wie zur Erinnerung an den Landausflug drapiert. Gestern habe<br />
ich gelernt, was dieser geschwungene Bogen auf den Turnschuhen<br />
bedeutet. Ich hab‘ ihn im Original gesehen – eine<br />
Die Region soll vorgestellt, publik gemacht werden – segelnd,<br />
vom Wasser aus – Platz genug gibt es noch. Für Wanderer ist der<br />
Nationalpark bereits ein Ziel, doch für Segler gehört die Küste<br />
noch eher zu den weißen Flecken auf der Seekarte. Sie folgen<br />
bisher dem Ruf des schicken und teuren Amalfi, peilen Capri und<br />
Co an, gehen nach Sardinien, in den Toskanischen Archipel, nach<br />
Malta oder an die Riviera.<br />
Das Wettsegeln tritt bei uns schnell in den Hintergrund. Zeitweise<br />
mutet die <strong>Cup</strong>-Equipe wie eine Gruppe entspannter Flottillensegler<br />
an, vielleicht auch weil diesmal zu lange der Scipione Africano<br />
blies, der heiße Wind, der das Land von Zeit zu Zeit schwitzen<br />
lässt. Das Wetter- und Windsystem hat er diesmal außerplanmäßig<br />
durcheinandergewirbelt. „Sonst haben wir selbst im Hochsommer<br />
Plausch vorm Haus: Nicolina Cariello verlegt ihre Strickstunden auf die Via S. Nocola in Bosco, so lässt es sich leichter mit den Nachbarn plaudern (o.).<br />
Etappenziel Scario - Blick auf Hafen und Kirche<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
77
sports I cilento cup<br />
Beeindruckend – der Ceres-Tempel bzw. das Athenaion in Paestum, dem griechischen Poseidonia. 500 Jahre vor Christus erbaut, zählt er mit seinem hohen<br />
Giebel zu den bemerkenswertesten Tempeln aus der damaligen Zeit. Wer hierher kommt, weiß auf einmal, wofür das Lernen in der Schule gut war.<br />
Den Cilento <strong>Cup</strong> gibt es im Sommer seit drei Jahren,<br />
organisiert wird er von der italienischen Charterfirma Starsail.<br />
Buchbar sind der <strong>Cup</strong> sowie Bareboat-Yachten unter<br />
anderem über die Charteragentur Master Yachting,<br />
master-yachting.de. Beim <strong>Cup</strong> steht nicht die Regatta im<br />
Vordergrund, sondern die Region. Hafengebühren, kleine<br />
Buffets in den Häfen, Weinproben etc. sind im Charterpreis<br />
inbegriffen. In diesem Jahr findet der <strong>Cup</strong> vom 22. bis zum<br />
29. Juni statt. Start- und Zielhafen ist Salerno.<br />
Anreise: Zielflughafen ist Neapel, der anschließende<br />
Transfer nach Salerno kann von der Charteragentur organisiert<br />
werden. Wer mehr Zeit mitbringt und noch etwas<br />
vom Land sehen möchte, nimmt einen Mietwagen. Air<br />
Dolomiti fliegt außerdem samstags direkt von München<br />
aus den neuen Flughafen von Salerno an (Aeroporto di<br />
Salerno – Costa d’Amalfi, QSR).<br />
Der Tipp zum Büffel: In der Caseificio und Yogurteria<br />
gibt es ihn ganz frisch, den berühmten Mozzarella di bufala.<br />
Doch nicht nur der Käse, auch Büffel-Joghurt und Eis<br />
sind absolut empfehlenswert.<br />
Wer Paestum mit Theater und Musik zwischen den Tempeln<br />
erleben möchte, schaut am besten auf die Seite<br />
infopaestum.it<br />
Ein Ausflug ins Landesinnere mit Einblick in die<br />
wahre Kost des Cilento lässt sich von Acciaroli aus organisieren.<br />
Etwa sechs Kilometer weiter im Landesinneren liegt<br />
in Casal Velino die Azienda Agricola i Moresani, beste landestypische<br />
Küche mit ganz viel Flair, Seele baumeln inklusive<br />
– Transfer wird organisiert (Tel. +39 / 974 / 90 20 86)<br />
imoresani.com<br />
metallene Strigilis, ein sichelförmiger Haken, den die Athleten in der Antike<br />
zur Reinigung ihres Körpers verwendet haben. Als Grabbeigabe findet<br />
man die Schweiß- und Schmutzschaber im Museum von Paestum.<br />
Ob allerdings Carolyn Davidson lukanische Gräber kannte, als sie vor 42<br />
Jahren als Grafikstudentin das weltberühmte Logo entwarf, ist fraglich.<br />
Auch das ist der Cilento. Hier wird die Geschichte Europas fühlbar. Doch<br />
nicht nur in der Antike haben sich hier Mediziner, Priester und Philosophen<br />
getummelt, auch später noch zog Kampanien viele kunstbegabte Köpfe<br />
an. Ob Goethe, Seume oder Hemingway. Letzteren verschlug es einst nach<br />
Acciaroli, wo er von seiner Geschichte selbst eingeholt wurde: Er traf auf<br />
seinen „alten Mann am Meer“, nachdem er sein Buch schon längst beendet<br />
hatte.<br />
Oder Bosco, ein altes Dorf oben in den Bergen. Unsere Yachten warten im<br />
Hafen von Scario. Auch das ist der Cilento <strong>Cup</strong>, Landausflüge, die man sonst<br />
als Chartersegler vielleicht nicht machen würde. Und, es lohnt sich! Dort<br />
oben lebte und arbeitete der antifaschistische, spanische Künstler José García<br />
Ortega, ein Schüler und Freund Picassos. Museum und Wohnhaus locken die<br />
Besucher hier hinauf. Doch nicht nur die Kunst ist sehenswert, auch der Ort<br />
mit seinen kleinen Gassen, Kirche und Kapelle und seinen Bewohnern selbst.<br />
So wie Nicolina Cariello, die im Schatten der Häusermauern sitzt, ihre alten<br />
Strickwaren aufribbelt und von ihrer Familie erzählt. Die Kinder sind längst<br />
in den Norden gezogen und „ach, die Enkel, die haben ja auch nicht mehr<br />
so viel Zeit, hier herunterzukommen“ und so freut sie sich, auch einmal mit<br />
Fremden plaudern zu können. Steht mühsam auf und zeigt ihr Heim, die<br />
Küche direkt in der Stadtmauer, zwei Kochplatten, Tisch, Plastikdecke und<br />
zwei Stühle. Weiter oben in der Mauer liegt der Rest der Wohnung.<br />
„Auch das ist der Cilento“, geht es mir durch den Kopf, während wir später<br />
wieder die Leinen losmachen, es doch mal wieder mit dem Wettsegeln<br />
probieren und uns schon auf den nächsten Badestopp freuen. Kühles Wasser<br />
zum warmen Wind, Infreschi heißen Bucht und Kap – wieder ein Name<br />
voller Bedeutung: Kaltwasserzuflüsse sorgen hier fürs kühle Bad. So hat<br />
auch der Süden ein Stück des kühleren Nordens in sich, aber er ist dabei<br />
natürlich und offen geblieben. Solche Ecken gab es früher viele im Mittelmeerraum,<br />
und ich bin froh, wieder eine solche gefunden zu haben.<br />
78 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
sailors<br />
Foto: GANT HOME<br />
Highlights sachen, die wir haben wollen! 80 – 81<br />
ein mittagessen mit... Mike Slade, Eigner der Rennyacht Leopard 3 82 – 87<br />
mode Konservative US-Ostküste trifft auf flippige Westküste 88 – 89<br />
schiffskauf Teil 2: Realitätsüberprüfung 90 – 92<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
79
sailorshighlights<br />
Einsacker<br />
Gaastra hat sich für den Sommer für den<br />
klassischen Seesack eine Tricolore-Variante<br />
ausgedacht, die perfekt zu dem französischen<br />
„Tour de Belle-Ile“-<strong>Segel</strong>-Event passt,<br />
aber natürlich auch überall nützlich ist, wo<br />
man Badesachen oder <strong>Segel</strong>klamotten verstauen<br />
möchte. Das „Belle-Ile“-Signet ziert die<br />
Canvas-Tasche, die mit einer kräftigen Kordel<br />
geschlossen wird und an einem fest vernähten,<br />
blauen Schulterriemen getragen werden<br />
kann. Rund 100 Euro, gaastra.eu<br />
Scharfzeichner<br />
Gutes Sehen ist beim <strong>Segel</strong>n extrem wichtig – vor allem wenn die gleißende<br />
Sommer-Sonne vom Wasser reflektiert wird. Dank besonderer Form und Ausrüstung<br />
sieht man mit der neuen Bollé Marine-Brille blendfrei und entspannt.<br />
Für sicheren Halt verfügt die Bollé King über Bügelenden und Nasenauflagen mit<br />
Thermogrip-Beschichtung und wird mit schwimmfähigem Brillenband geliefert. Die<br />
Polykarbonat-Gläser sind 20 Mal stoßfester und dreimal leichter als Glas. Die polarisierenden<br />
Gläser besitzen eine wasser- und ölabweisende Schicht auf der Außenseite für immer klare, kontrastreiche Sicht –<br />
und sie schützen auch vor seitlichem Blendlicht. In Matt Black mit Polarized Inland Gold-Gläsern circa 120 Euro. frisch.de<br />
Naturfreundin<br />
Die Natur zu bewahren – das ist erklärtes Ziel bei Timberland, wo man konsequent mit Bio-Produkten<br />
fertigt und sich auch sonst für Nachhaltigkeit und ökologisch sinnvolles Produzieren einsetzt. Leuchtend<br />
royalblau ist die lässige Freizeit-Weste, die zu 55% aus Bio-Baumwolle besteht und zu 45% aus Elasthan. So<br />
bleibt sie formbeständig auch nach vielen Wäschen, dank des Stretch-Anteils ist sie außerdem bequem<br />
und macht jede Bewegung an Bord mit. Etwa 120 Euro, timberland.com<br />
80 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Bademeister<br />
Der Sprung ins Wasser gehört beim<br />
Sommer-<strong>Segel</strong>n dazu. Doch die Kombination<br />
von UV-Strahlung und Wasser<br />
ist für die Haut gefährlich. Jetzt hat Piz<br />
Buin ein Sonnenschutzspray entwickelt,<br />
das auf nasser wie trockener Haut seine<br />
Wirkung entfaltet. Man sieht es nicht,<br />
man spürt es nicht. Das transparente<br />
Spray wird einfach aufgesprüht – selbst<br />
auf die feuchte Haut. Es verläuft nicht<br />
mit dem Wasser auf der Haut, sondern<br />
verdrängt es und zieht schnell ein –<br />
ohne zu tropfen oder einen weißen oder<br />
fettigen Film zu hinterlassen. Das Spray ist praktisch<br />
für alle, die gern baden und sich an Bord sonnen<br />
wollen. Das Piz Buin Wet Skin Transparent Sun Spray<br />
kostet 18 (SPF 15) bzw. 19 Euro (SPF 30)/150 ml.<br />
Wettkämpfer<br />
Beim sportlichen <strong>Segel</strong>n sind feste, Halt gebende Schuhe<br />
unverzichtbar. Musto präsentiert mit dem „Evolution<br />
Deck“-Modell einen neuen <strong>Segel</strong>schuh für Anspruchsvolle.<br />
Er trotzt Farbtrends mit einem klassischen Schwarz,<br />
das ihn zeitlos und universell kombinierbar macht. Seine<br />
Qualitäten liegen im extrem schnell trocknenden Obermaterial<br />
und in der Sohle aus natürlichem vulkanisierten<br />
Gummi. Sie weist das typische Musto-Schnittmuster auf<br />
– so rutscht man nicht und findet auch auf nassem<br />
Untergrund stets ultra-sicheren Stand. 119<br />
Euro, über frisch.de<br />
Klassiker<br />
Sie ist sportlich, edel und gut – die neue Regattauhr von Panerai. Freunde klassischer Segler kennen<br />
das Haus als Titel-Sponsor einer schon legendären Regattaserie im Mittelmeer, der Classic Yacht<br />
Challenge, die im Juni in Antibes beginnt. Naheliegend, dass Panerai auch eine Regattauhr anbietet.<br />
Die Luminor 1950 Regatta 3 Days Chrono Flyback Titanio ist die erste der Serie, die mit einem<br />
von Panerai selbst entwickelten Automatik-Uhrwerk ausgestattet ist. Sie hat eine Regatta-Countdown-Funktion<br />
und eine Knoten-Skala zur Berechnung der Geschwindigkeit des Schiffs. Die Uhr<br />
mit Titan-Gehäuse kostet 13.900 Euro – für Sammler ein interessantes Objekt. panerai.it<br />
Alleskönner<br />
Windschutz<br />
Fotos: Hersteller; www.shutterstock.com/everything possible<br />
Die Travel App Box ist ein praktischer Touroder<br />
Törnbegleiter, der für ganz kleines Geld<br />
(1,79 Euro im App Store) ganz viel Reiseinformation<br />
in Sekundenschnelle bereithält: 15<br />
verschiedene Tools versorgen User mit Infos<br />
zu Flug und Flughafen, sie lotsen zu wichtigen<br />
Telefonnummern und Adressen im Ausland,<br />
geben Orientierung dank Währungsrechner<br />
und helfen mit Tipps zu Verhaltensregeln und<br />
Gepflogenheiten im Reiseland. Damit ist man<br />
unterwegs für fast jede Lebenslage bestens<br />
präpariert.<br />
Wem der frische Seewind um den Kopf fegt, der<br />
möchte auch an kühlen Sommertagen Ohren und<br />
Nacken schützen und warm halten. Nur – ein Schal<br />
oder Tuch, das passt nicht an Bord. Die<br />
rundgeschneiderten, patenten und sportlichen<br />
BUFF-Rollschals dagegen streift<br />
man über den Kopf und sie fliegen<br />
niemals weg. Sie lassen sich unterschiedlich<br />
stylen, wie ein Rollkragen<br />
oder wie ein Stirnband tragen. Die<br />
neue BUFF Urban-Kollektion verbindet<br />
die bewährte Funktion mit<br />
modischer Lässigkeit. Der tiefblaue<br />
Halsschmeichler ist aus 30% Seide<br />
und 70% Baumwolle und kostet<br />
ca. 45 Euro. buff.eu<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
81
82 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong><br />
Beim <strong>Segel</strong>n kann<br />
ich neben Profis und<br />
Olympiasiegern am<br />
Start sein, und ich kann<br />
gewinnen. Es gibt nicht<br />
viele Sportarten, die<br />
einem das bieten.
sailors I mike slade<br />
Ein Mittagessen mit...<br />
Mike Slade<br />
Mit seiner Leopard 3 ist der Engländer Mike<br />
Slade weltweit unterwegs. Nicht einfach so,<br />
sondern um Rekorde zu brechen. Dennoch wirkt<br />
dieser Mann nicht verbissen und überehrgeizig,<br />
sondern wirkt ganz entspannt und gelassen.<br />
Text Mark Chisnell<br />
fotos ian roman, Beken of Cowes<br />
Als Mike Slade zum Lunch bei Browns in London-Mayfair eintrifft, unterhält<br />
er sich gerade. Im ersten Moment denke ich, er hat einen Gast<br />
zum Interview mitgebracht. Aber es ist nur ein Zufall, dass Slade zur<br />
gleichen Zeit das Lokal betritt wie der Mann in Nadelstreifen, mit dem er jetzt<br />
Worte wechselt. Beim Öffnen der Tür hat Slade mal eben seine Fähigkeit unter Beweis<br />
gestellt, ungezwungen mit Menschen umzugehen. Er ist ein Kontaktgenie.<br />
Das ist ein nützliches Talent im Geschäft mit der Immobilienentwicklung, dem Slade<br />
sein eigenes Geld und sein Ansehen verdankt. Die Büros von Helical Bar liegen um die<br />
Ecke, und er ist dort seit den 1980er Jahren Geschäftsführer. Seitdem gab es einige<br />
Booms und Crashs im Vermögensmarkt, die an Slade keine erkennbaren Spuren hinterlassen<br />
haben. Wir bestellen beide eine gute englische Mahlzeit, Fish and Chips.<br />
Slade wurde 1946 in Port Isaac geboren, einem schönen<br />
Fischerstädtchen an der Nordküste von Cornwall. Die<br />
Familie zog in den 1950er Jahren nach London, verbrachte<br />
aber die Ferien immer in Cornwall, wo Mike<br />
segeln lernte. „Das ließ sich kaum vermeiden“, sagt er,<br />
„wer nicht Wasserski fuhr oder surfte, sprang in ein Dingi<br />
und fuhr raus.“<br />
In der Familie konnte ursprünglich niemand segeln, aber<br />
sie nahmen Unterricht. Slade erinnert sich an ein Erlebnis<br />
mit seinem Vater in einem kleinen Klinkerboot. „Ich<br />
muss etwa sechs oder sieben gewesen sein. Sie hatten<br />
uns zwar das <strong>Segel</strong>n beigebracht, aber nicht, wie man<br />
vom Strand aus startet. Mein Vater bekam das Ruder<br />
nicht runter, und ich nicht das Schwert. Mein Vater hielt<br />
sich an dem einzigen Tampen fest, an dem er nicht hätte<br />
ziehen sollen – der Großschot. Unter den Augen des<br />
ganzen Hafens rammten wir jedes verdammte Boot, das<br />
an einer Mooring lag. Danach hinderte ich meinen Vater<br />
daran, nochmal an Bord zu kommen, und bin allein<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
83
Slades erste echte <strong>Segel</strong>yacht war die Ocean 80 Ocean Leopard, fertiggestellt 1988.<br />
Eigentlich für die Charter gekauft, brachte das Schiff ihn der Regattasegelei nahe.<br />
Der nächste Schritt war 1993 Longobarda (rechts), eine Regatta-Charteryacht<br />
Ein Reporter fragte,<br />
ob ich der Eigner von<br />
Longobarda sei und<br />
ob ich wüsste, dass<br />
sie angegriffen wird<br />
gesegelt.“ Er fuhr meistens gegen sechs oder sieben Uhr morgens<br />
raus und blieb ein paar Stunden draußen. „Ich habe das<br />
geliebt, wirklich geliebt.“<br />
Mit neun bekam er sein erstes Boot, ein GP14-Dinghy, und<br />
schloss sich der Regattaszene an, die sich jedes Jahr für die Dauer<br />
von acht Wochen in der Camel-Mündung etablierte. Das fand<br />
ein jähes Ende, als er bei einem Autounfall schwere Verletzungen<br />
am Rücken erlitt, die Operationen erforderten. Er erholte sich<br />
zwar völlig, aber fünfzehn Jahre lang konnte er weder segeln,<br />
noch Cricket, Rugby oder Golf spielen. Er war in der Schulzeit ein<br />
guter Golfer mit einstelligen Handicaps. Der Autounfall setzte all<br />
dem ein Ende. „Ich hatte Verwachsungen am Rückgrat und alles<br />
Mögliche“, erinnert er sich. Er gründete in dieser Zeit seine<br />
Familie. „Ich konnte nicht viel anderes tun“, sagt er philosophisch.<br />
Er war Mitte dreißig, als er zum <strong>Segel</strong>n zurückfand. Seine Eltern<br />
waren an die englische Südküste umgezogen. So kam er nach<br />
Lymington. In den späten 1970ern segelte er mit einigen Freunden<br />
eine Etchells. Sie machten einige Jahre lang bei der Solent-<br />
Serie mit, bis ihn 1986 jemand auf den Gedanken brachte, eine<br />
Ocean 60 für die Cowes Week zu chartern. Er genoss nicht nur<br />
die Wettfahrten, er entdeckte auch, dass Yacht-Charter ein profitables<br />
Geschäft sein kann. Mit dem Geld, das er bei Helical Bar<br />
schon verdient hatte, wollte er selbst einen Versuch wagen.<br />
84 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
sailors I mike slade<br />
Es dauerte nicht lange und er ließ sich zum Kauf einer Ocean 80<br />
überreden, die er Ocean Leopard nannte. Das war ein gewaltiger<br />
Sprung für einen Mann, der vorher nur Dingis besessen hatte.<br />
„Es war vor allem ein Charterboot“, sagt Slade, „und dieses Prinzip<br />
musste man nur durchhalten. Ich habe ein Geschäft betrieben.“<br />
Anfangs hatte er Agenten wie Camper & Nicholsons und<br />
konzentrierte sich aufs Urlaubs-Chartergeschäft, hauptsächlich<br />
in der Karibik und in der Türkei.<br />
Das ging so drei Jahre. Ocean Leopard war 1991 gerade von<br />
ihrem Karibik-Dienst zurückgekehrt und wurde vor dem Roundthe-Island-Race<br />
(um die Isle of Wight) generalüberholt. Da sah<br />
einer der besten Segler Englands, Chris Law, das Boot auf der<br />
Werft und erkannte sein Potenzial. Er rief Slade an und sagte<br />
ihm, dass Ocean Leopard in einem Rennen mit ordentlich Wind<br />
sehr gut abschneiden könnte. Slade lud ihn ein, beim Steuern<br />
zu helfen, und so begann eine lange, für beide Seiten ergiebige<br />
Partnerschaft.<br />
Es war Slades erste Regatta mit dem Boot. Sie stürmten um die<br />
Insel, brachen den zwölf Jahre bestehenden Rekord von Mistress<br />
Quickly und waren der Star der Regattaberichte in den Sonntagszeitungen.<br />
Slade war hingerissen. „Mich hat seit diesem Tag das<br />
Regattafieber gepackt, wir haben durch das Medienecho auch<br />
viele neue Charterkunden gewonnen.“<br />
Slades Ocean 80-Charteryacht war ab jetzt ein gefragtes Regattaschiff.<br />
Sie ging nach Saint-Tropez und Antigua und nahm sogar<br />
am Round Britain teil, aber Slade erkannte, dass sie dafür eigentlich<br />
nicht gebaut war: „Wenn man Regatten segeln will, braucht man<br />
ein Regattaboot.“ 1993 machte er einen Ausflug nach Antibes.<br />
„Da standen ausgediente IOR-Maxis auf dem Trocknen, darunter<br />
Matador, Emeraude, aber auch diese<br />
Longobarda… Dazu Container voller<br />
Ausrüstung, und keiner wollte das haben.“<br />
Slade kaufte Longobarda um sein<br />
Portfolio um Regattacharter und Tages-<br />
Firmencharter zu erweitern. Beides betrieb<br />
er von Lymington aus mit Ocean<br />
Leopard und Longobarda. Der IOR-Maxi<br />
segelte über den Atlantik, um am Onion<br />
Patch vor Bermuda und an der Jubiläumsregatta<br />
des New York Yacht Club<br />
teilzunehmen. Slade fuhr das Schiff mit<br />
einem Truck quer durch die USA, mit<br />
drei Harley Davidsons als Begleitfahrzeugen,<br />
und startete dann beim Sydney-<br />
Hobart-Race.<br />
Die Reise um die Welt war ein großes<br />
Abenteuer. Auf dem Heimweg wurde<br />
Slades Allrounder Leopard of London. Das 28-Meter-Schiff, Baujahr 2000, hatte ein gefährliches und an Abenteuern reiches Dasein<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
85
Leopard 3 lief vierzehn Stunden<br />
vor nackten Spieren, in dieser Zeit rannte sie sich<br />
zweimal fest und legte sich auf die Seite<br />
Neuigkeiten, die kein Eigner gern hört. Leopard of London steckte<br />
in einem Atlantiksturm. Die Yacht war schwer beschädigt, und<br />
die Crew bereitete sich darauf vor, auf einen russischen Tanker<br />
umzusteigen. Sherlock bekam alle sicher von Bord, schloss die<br />
Schotten und hinterließ das Schiff so, dass es möglichst lange<br />
oben bleiben würde.<br />
Zehn Tage später wurde es eingeschleppt und auf einen Frachter<br />
gestellt. Der geriet während der Überfahrt in einen Sturm, die<br />
Yacht wurde aus ihrem Lagerbock gehoben und ging über<br />
Bord. Sie wurde erneut geborgen, diesmal mit zwei Löchern im<br />
Rumpf, die groß genug waren, dass einer durchsteigen konnte.<br />
Sie wurde repariert und blieb bis 2005 in Slades Händen.<br />
Im Jahr 2007 stellt Leopard 3 mit 44 Stunden 18 Minuten einen neuen Fastnet-Rekord auf<br />
das Schiff am Horn von Afrika von somalischen Piraten angegriffen.<br />
„Ich saß zu Hause“, erzählt Slade, „ich werde das nie vergessen.<br />
Ein Reporter rief mich morgens um acht an und fragte,<br />
ob ich der Eigner von Longobarda sei und ob ich wüsste, dass<br />
sie angegriffen wird? Ich versuchte, den Skipper Neil Batt zu erreichen,<br />
ohne Erfolg. Gott sei Dank rief der Reporter eine Stunde<br />
später wieder an, um mir zu sagen, dass Schiff und Crew gerettet<br />
sind.“ Neil Batt war es gelungen, die Piraten hinzuhalten, bis eine<br />
kanadische Fregatte eintraf.<br />
Longobarda kam heil in England an, und 1996 brach Slade seinen<br />
eigenen Round-the-Island-Rekord. Er betrieb beide Boote<br />
als Tandem, Ocean Leopard für Termin-Charter, Longobarda für<br />
Regatta-Charter, und beide kamen für die Firmen-Ausflüge<br />
zum Einsatz. Als die IMS-Vermessungsformel das Zeitalter der<br />
IOR-Yachten ablöste und neue Boote auf den Markt kamen, sah<br />
Longobarda plötzlich älter aus, als sie war.<br />
Ende der 1990er Jahre rationalisierte Slade sein <strong>Segel</strong>geschäft.<br />
Er verkaufte beide Schiffe und ersetzte sie durch eines, einen<br />
spektakulären Neubau. „Es sollte beim Fastnet vorn segeln und<br />
sowohl in der Termin- als auch in der Regatta-Charter einsetzbar<br />
sein“, erklärt Slade. Leopard of London wurde von Reichel/<br />
Pugh gezeichnet und kam 2000 ins Wasser. Sie war 28 Meter<br />
lang und hatte Wasserballast, ein kompromissloser Zweckbau.<br />
Chris Sherlock hatte inzwischen den Job des Skippers übernommen,<br />
und eines Tages rief er Mike Slade im Skiurlaub an. Er hatte<br />
Ihr Nachfolger wurde 2007 ein 30-Meter-Supermaxi von Farr<br />
Design. Leopard 3 war, mit Slades Worten, als „geilstes Schiff der<br />
Welt“ konzipiert. „Sie sollte das Chartersegeln und die Regattacharter<br />
in eine neue Dimension führen. Mit anderen Worten:<br />
Erstmal Rekorde brechen und sich einen Namen machen,<br />
und sich dann als siegfähiges Regattaschiff behaupten.“ Slade<br />
musste das Kunststück schaffen, ein echtes Rennschiff zu bauen,<br />
das aber nach den britischen Sicherheitsrichtlinien als kommerzielles<br />
Charterschiff zugelassen würde.<br />
Während das Boot gebaut wurde, sank der Volvo-Racer Moviestar<br />
im Atlantik, und plötzlich wies Farr Design die Werft McConaghy<br />
an, zusätzlich zweieinhalb Tonnen Karbon in der Struktur<br />
zu verbauen. „Die Frage ist, wie kombiniert man Racing und<br />
Charter“, sagt Slade, „das Boot wird dadurch schwerer, und der<br />
Konstrukteur hat den Job, den Nachteil irgendwie wieder wett<br />
zu machen. So konstruierten wir einen Am-Wind-Renner.“<br />
Er räumt ein, dass Leichtwind-Bedingungen und Vorwind-Rennen<br />
die Schwäche von Leopard 3 waren, hält es aber für richtig,<br />
sie zum Preis zusätzlichen Gewichts verstärkt zu haben. Sie<br />
wurde ebenso hart geprüft wie ihre Vorgängerin – ebenfalls in<br />
einem Atlantik-Sturm. Sherlock und seine Crew liefen vierzehn<br />
Stunden vor nackten Spieren, in dieser Zeit rannte sich das Schiff<br />
zweimal fest und legte sich auf die Seite. Es überstand den Test<br />
unbeschädigt.<br />
Slade hatte vorgehabt, dem Schiff eine vollständige Inneneinrichtung<br />
zu geben und es, wie zuvor Leopard of London,<br />
in Zeitcharter, Tagescharter und Regattacharter laufen zu lassen.<br />
Aber die globale Rezession hatte die Situation verändert.<br />
„Seit 2007 ist der Zeitcharter-Markt praktisch tot“, sagt er. „Wir<br />
statteten sie tatsächlich wie Leopard of London aus, nur eben<br />
fünf Jahre später als geplant. In der Zwischenzeit haben wir<br />
ihr einen Namen verschafft, und das war eine sehr aufregende<br />
Sache.“<br />
86 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
sailorsI mike slade<br />
Leopard 3 sammelte rund um die Welt erste Plätze und Rekorde.<br />
Slade hält wieder den Rekord Round-the-Island (wie<br />
mit seinen drei Booten davor) und noch etliche andere. Kommerziell<br />
läuft’s auch. „Die ICAP-Gruppe sponsert das Schiff,<br />
und wir sind im Sommer komplett ausgebucht, Tag für Tag.<br />
Wettfahrten und Regatta-Charter waren der beste Weg, das<br />
Schiff Geld verdienen zu lassen, solange der Zeitcharter-Markt<br />
in der Karibik und im Mittelmeer für diese Art von Booten am<br />
Boden liegt.“ Jetzt aber, mit der hart erarbeiteten Reputation<br />
– sehr schnelles Schiff, großartiges <strong>Segel</strong>n – und einem kompletten<br />
Refit, sind sechs Wochen Charter in der Karibik gebucht.<br />
„Mehr als acht Wochen waren es auch in den guten alten<br />
Tagen nie“, erinnert sich Slade.<br />
In Zukunft will Slade Winter-Regatten in der Karibik und Firmen-<br />
Charter im britischen Sommer segeln. „Was echte Hochsee-<br />
Regatten angeht, habe ich das Handtuch geworfen”, seufzt er.<br />
„Beim ersten Mal segelte ich mit Leopard of London Transatlantik,<br />
da war ich vier Tage schwer seekrank. Wir mussten uns Spritzen<br />
in den Hintern geben, so sehr waren wir dehydriert.”<br />
Ohne Zweifel ist Slade ein untypischer Superyacht-Eigner. Er gibt<br />
gern zu, dass er es sich nicht leisten könnte, wenn er nicht ein<br />
Geschäft daraus machte. Er hat es auf diese Weise aber geschafft,<br />
für mehr als ein Jahrzehnt am Ruder einiger der schnellsten und<br />
coolsten <strong>Segel</strong>yachten der Welt zu stehen, und er macht weiter.<br />
„Meine Motivation ist einfach”, sagt er. „In meinem Alter kann ich<br />
nicht mehr wettbewerbsfähig Tennis spielen. Ich könnte Marathon<br />
laufen oder sowas, aber nicht in der Spitze. Und ich hab<br />
geschäftlich viel zu tun. Beim <strong>Segel</strong>n kann ich neben Profis und<br />
Olympiasiegern am Start sein, und ich kann gewinnen. Es gibt<br />
nicht viele Sportarten, die einem das bieten.”<br />
Dieses Jahr will er sogar seine Familie für einen vierzehntägigen<br />
Urlaub an Bord holen. Er hat inzwischen vier Enkel und<br />
eine kleine Wayfarer-Jolle in Cornwall, die er immer noch in den<br />
Morgenstunden segelt. Er spielt Tennis und ist fünf Marathons<br />
Slade steht seit mehr als einem<br />
Jahrzehnt am Ruder der schnellsten<br />
und coolsten <strong>Segel</strong>yachten der Welt.<br />
Und er macht weiter.<br />
gelaufen, seine Frau hat fünf Stuten und züchtet Pferde. Im Frühling<br />
will er eine Radtour vom Norden bis nach Land’s End im<br />
äußersten Südwesten unternehmen. Und er ist stolz darauf, der<br />
LandAid seit zehn Jahren vorzustehen. Die gemeinnützige Stiftung<br />
der Vermögensverwalter unterstützt junge, benachteiligte<br />
Menschen darin, ihre Möglichkeiten zu entfalten. “Wir wollen<br />
auch zeigen, dass wir Vermögensmenschen nicht ganz so<br />
schlimm sind, wie manche Leute denken”, sagt Slade mit seinem<br />
typischen Lachen.<br />
Dann fällt ihm ein, dass er wieder ins Büro und sich ums Geschäft<br />
kümmern muss. Ich bleibe zurück und frage mich, wie ihn jemand<br />
für etwas anderes als einen der Guten halten könnte.<br />
Auch Slades berühmte Leopard 3 (links und oben links) überlebte einen schweren Sturm. Sie gewann unzählige Preise und ist jetzt ein<br />
komfortabel ausgestattetes und begehrtes Charterschiff<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
87
sailors I mode ost-/westküste<br />
East & West<br />
Zwei Küsten - zwei Stile<br />
West<br />
Er ist frisch – der Pazifik vor der kalifornischen Küste – und belebt, wo die<br />
Sommersonne kräftig wärmt. Wenn sich die <strong>Segel</strong>welt vor San Francisco<br />
zum <strong>America's</strong> <strong>Cup</strong> einfindet, mixt sich kesser Californian Beach-Style unter die Bord-Outfits.<br />
Timberland setzt auf Naturmaterialien und<br />
Nachhaltigkeit: günes Credo hinter der blauen<br />
Bio-Baumwoll-Bermuda. Sie ist angenehm zu<br />
tragen und robust, etwa 70 Euro. timberland.com<br />
Sebago hat seine schon legendären „Docksides”“ jetzt<br />
sommerlich aufgefrischt. Der türkisfarbene Bootsschuh<br />
mit orangefarbener Rohlederschnürung und<br />
rutschfester Sohle für besten Grip ist als Herren- und<br />
Damenmodell erhältlich. Etwa 135 Euro, sebago.de<br />
Wo Wind weht, braucht der Nacken Schutz. Perfekt<br />
dafür sind die leichten Tücher von Passigatti.<br />
In Türkis perfekt zum Westcoast-Style. Ca. 28 Euro.<br />
passigiatti.com<br />
Gaastra kleidet <strong>Segel</strong>-Girls im Sommer feminin<br />
ein – trendig mit Print-Motiv ist der Rock, der<br />
nicht nur weibliche Crew-Mitglieder entzückt.<br />
ca. 80 Euro, gaastra.eu<br />
Bikinis, die Wellen schlagen, hat Princesse Tam Tam<br />
für den Sommer im Programm. Der trägerlose Bandeau-Zweiteiler<br />
wirkt so frisch wie der Pazifische<br />
Ozean. Etwa 105 Euro, princesseteamtam.fr<br />
Die LA-Kappe von New Era ist aus Tyvek, einem<br />
atmungsaktiven Fleece, und ein stylischer Begleiter<br />
am Beach. Rund 40 Euro, neweracap.com<br />
Eine Hommage an den sportlichen South Bay-Style hat Gaastra mit der neuen Kollektion gestaltet, die dem<br />
<strong>Segel</strong>paradies am Pazifik gewidmet ist. Zum Look gehört alles, von den Shorts bis zur Tasche. gaastra.eu<br />
Text/Konzept: Andrea Willen, Fotos: Hersteller; Illustration: shutterstock.de/ danielfela<br />
88 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Die klassische Ray-Ban macht, was der Name verrät<br />
– sie blendet UV-Strahlen aus und sorgt für klares,<br />
kontrastreiches Sehen. Für den Sommer gibt es sie<br />
in lichtem Ozeanblau. Etwa 115 Euro. rayban.com<br />
Tommy Hilfiger setzt auf Streifen – dabei variiert er<br />
das Muster modisch, das früher Matrosen vorbehalten<br />
war: Wer einen Ankerplatz sucht, kann mit<br />
dem lässigen Shirt Signale setzen. Rund 50 Euro,<br />
tommyhilfiger.com<br />
Das junge, fröhliche Sommerkleid mit washed-out<br />
Streifen und schwingendem Rockteil im Retro-Look<br />
macht Sommerlaune. Für Landgang und Hafenkneipe.<br />
Etwa 60 Euro, timezone.de<br />
East<br />
Ob man im Sommer vor<br />
Rhode Island oder Nantucket<br />
segelt, im lässigen Stil der amerikanischen<br />
Ostküste fühlt man sich hier am<br />
wohlsten: Klare Farben, kräftige Streifen<br />
und atlantische Frische sind angesagt<br />
Die rote Timezone-Pant ist lässiger Denim-<br />
Begleiter zum sommerlichen Ostküsten-Outfit<br />
– ca. 75 Euro. timezone.de<br />
Bootsschuhmacher Sebago kommt von der<br />
Ostküste, der Nantucket Classic aus Vollnarbenleder<br />
und bewährter Gummisohle mit Lamellenprofil<br />
ist farblich abgestimmt auf die klassische<br />
<strong>Segel</strong>mode mit Neu-England-Feeling.<br />
Rund 100 Euro. sebago.com<br />
Girls gehen in diesem Sommer im Einteiler baden,<br />
am liebsten im klassischen rot-weiß-blau Streifen.<br />
Der „Hampton Bays“ Bandeau-Badeanzug kostet ca.<br />
90 Euro. tommyhilfiger.com<br />
Gant Home hat den Gen-Code der Ostküste umgesetzt<br />
in einer Kollektion aus Kissen, Decken und Handtüchern<br />
in klassischen Varianten der Stars & Stripes.<br />
gant.com<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
89
Teil 2: Jetzt kauf ‘ich mir ein Schiff<br />
Realitätsüberprüfung<br />
Nach einigen Wochen der Reparatur kommen die ersten<br />
Probefahrten mit dem neuen Katamaran. Das lässt Raum für<br />
neue Überraschungen – denn gekauft hatte Claus Reissig das Schiff an<br />
Land stehend auf einer Werft im karibischen Grenada. fotos claus reissig<br />
90 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
sailors I schiffskauf<br />
Die Kaufkriterien für den Katamaran waren im Dezember<br />
schnell umrissen: Bezahlbar, nett anzusehen, gut ausgerüstet<br />
und aus privater Hand. Das Schiff hatte unter<br />
anderem zuletzt einen deutschen Voreigner. In etlichen Artikeln<br />
und Büchern habe ich immer wieder darauf hingewiesen, ein<br />
Schiff nicht ohne Probefahrt zu kaufen – jetzt habe ich es selber<br />
gemacht. In dem festen Glauben, dass meine Fachkenntnis mir<br />
schon weiterhelfen wird. Um es gleich vorweg zu sagen: Sie hat<br />
es auch. Zumindest zum Teil.<br />
Als Regattasegler bin ich es nicht gewohnt, Material unnötig<br />
zu schonen. Schließlich will man ja schnell sein. Übertragen auf<br />
die Probefahrten heißt das: Volle <strong>Segel</strong> und voller Speed. Denn<br />
was jetzt hier an der Kreuz nicht kaputt geht, wird es auch später<br />
nicht tun. Das gilt auch für die Maschinen. Auch sie sollen ausgiebig<br />
unter Last laufen, schließlich wurden alle Filter ersetzt, die<br />
Pumpen überholt und auf einer Seite eine neue Zylinderkopfdichtung<br />
eingebaut. Da bin ich komplett anderer Meinung als<br />
viele Fahrtensegler, mit denen ich gesprochen habe und die mit<br />
maximal 2.000 Umdrehungen durch die Gegend fahren – aus<br />
Angst davor, dass die Maschine eventuell irgendwann einmal ihren<br />
Geist aufgibt. Wenn man aber nur 20 PS benutzt, fährt man eine<br />
große und schwere Maschine mit 70 PS im Grunde nur spazieren.<br />
In der Lagoon 37 sind zwei Yanmar-Diesel mit je 16 PS verbaut<br />
und nachdem die Rollgenua gerissen und kein Ersatz an Bord ist,<br />
heißt es 15 Stunden gegen den Passat und die Atlantikwelle nach<br />
St. Lucia anzudampfen. Dass die Motoren zu klein sein könnten<br />
(wie ich beim Kauf noch dachte), stellt sich dabei als unbegründete<br />
Sorge heraus. Das gereffte Groß und beide Maschinen auf<br />
Dreiviertel-Gas genügen für eine Marschfahrt von gut sechs<br />
Knoten – nicht schlecht. Vor allem hinsichtlich des geringen<br />
Verbrauchs. Ebenfalls angenehm im Verbrauch ist der Autohelm-<br />
ST50-Autopilot mit Raymarine-Motoreinheit: Obwohl die Hauptbatteriebank<br />
nicht geladen wird (ich habe ein Massekabel vergessen),<br />
genügen 440 Amperestunden und die Solarzellen zum<br />
Laden zumindest für eine theoretische Laufzeit von nahezu einer<br />
Woche. Ein Windgenerator ist und kommt nicht an Bord, ich halte<br />
sie für uneffektiv und auf das fortwährende Gepfeife an den Ankerplätzen<br />
kann ich gern verzichten. Einen kräftigen Inverter für<br />
die vielen Ladegeräte an Bord finde ich hingegen notwendig.<br />
Man kommt nicht umhin, sich einmal über die ganze Technik<br />
Gedanken zu machen, die man hier durch die Gegend schaukelt.<br />
Für einen Nichttechniker, der nicht alles hätte selbst machen können,<br />
wäre das Schiff dadurch definitiv zu teuer geworden; zumindest<br />
dann, wenn man es so wie ich auf einen vernünftigen<br />
Stand bringen möchte. Vieles verstehe ich gerade einmal selber,<br />
jedoch mit einer Ausbildung als Maschinenschlosser, je einem<br />
Studium in Schiffs- und Anlagenbetriebstechnik und in Produktionstechnik<br />
sowie 24 Jahren als Technikredakteur mit den dazu<br />
gehörenden Kontakten... So bleibt es ein permanentes Beobachten<br />
und Nachbessern.<br />
Ein Blick auf die Fahrtenschiffe, die mich so umgeben, bestätigt<br />
dies übrigens: Die Yachten sind häufig zu groß, zumeist overequipped<br />
und die Eigner an Bord zu wenig ausgebildet, um völlig<br />
Sie schwimmt: Carpe Diem vor Anker in der Karibik (linke Seite).<br />
Letzte Aktion an Land: der verkeimte Diesel muss raus (oben). Stapellauf:<br />
nach drei Jahren an Land kommt das Schiff zurück ins Wasser (unten)<br />
sicher damit segeln zu können. Das klingt hart, ist aber so, mein<br />
Schiff ist das beste Beispiel dafür. Bei all den Reparaturen, die hier<br />
in der Vergangenheit unzureichend oder falsch ausgeführt wurden,<br />
ist es fast ein Wunder, dass nie etwas passiert ist.<br />
Gäbe es einen TÜV für Schiffe, wäre die Durchfallquote wohl immens.<br />
Und Carpe Diem (der Name stammt noch vom Voreigner)<br />
hätte dazu gehört. Beispiele dafür gibt es viele an Bord, angefangen<br />
bei einer angeblich gewarteten Fallwinsch, bei der ein<br />
Teil vergessen wurde, über falsch verkabelte Batterien, drei (von<br />
vier) defekten Bilgepumpen, die erwähnte kaputte Zylinderkopfdichtung<br />
bis hin zu einem rissigen Gasschlauch und einem völlig<br />
verdreckten Vergaser vom Außenborder. Am Rande seien defekte<br />
Genuarutscher, ein nicht funktionierendes Radar und zwei nicht<br />
laufende Standheizungen erwähnt.<br />
Wer soll und kann sich um all das kümmern? Schließlich hat der<br />
(heutzutage) kleine Kat nicht einmal Elektrowinschen, Generator<br />
oder Watermaker an Bord, wie es auf vielen anderen Schiffen<br />
Standard ist. Wie ich unterdessen von anderen Eignern weiß, verbringen<br />
die teilweise Wochen in einer Bucht, um komplexe<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
91
sailors I schiffskauf<br />
Bewährt: das kräftige Rigg mit Rollgenua und durchgelattetem Groß (links);<br />
nicht ganz ideal ist die Position für den Steuermann (oben);<br />
Katamaran-Kernkompetenz: das große Cockpit (unten)<br />
technische Probleme zu lösen. Eine Nachbaryacht lag beispielsweise<br />
mit einer nicht funktionierenden Ankerwinde fest, die sich<br />
schließlich in einer guten Stunde perfekt reparieren ließ. Und<br />
während ich das schreibe, wird gerade ein Beiboot mit 25-PS-<br />
Außenborder hereingeschleppt, das mit seinem Besitzer defekt<br />
mit dem Passat Richtung Mexiko trieb. Rudern kann man so ein<br />
Boot kaum noch.<br />
Eine Lösung für lange Reisen sind aufwändige Fahrtenschiffe von<br />
darauf spezialisierten Werften (wie Oyster oder Hallberg-Rassy),<br />
die bestes Material verbauen und einen weltweiten After-Sales-<br />
Service garantieren. Oder ein kleineres Schiff. Es gibt eine alte<br />
Regel, die heißt: Die kleinsten Schiffe machen die größten Reisen.<br />
Wohl auch, weil die wenige Technik einfach in Stand zu halten<br />
ist, wie unter anderem <strong>Segel</strong> <strong>Journal</strong>-Autor Wolfgang Weber<br />
weiß. Er ist die vergangenen zwölf Jahre immerhin zwei Mal ohne<br />
große Probleme mit seiner 38 Fuß langen Gib’Sea um die Welt<br />
gesegelt. Eigentlich ein schöner Gedanke, denn das ist doch<br />
irgendwie der Geist des Fahrtensegelns.<br />
Aber wie segelt meine Lagoon nun eigentlich? Die Voraussetzungen<br />
für den ersten Törn waren unangenehm, der Wind hatte auf<br />
Nord-Nordost gedreht, mir stand eine volle Kreuz bevor. Nicht die<br />
Spezialität eines Katamarans. Mit recht guten <strong>Segel</strong>n geht er rund<br />
35 Grad an den Wind, dazu kommen noch einmal gut 20 Grad<br />
Abdrift. Also ein Wendewinkel von reichlich 110 Grad. Damit kann<br />
man leben, vor allem angesichts eines Speeds von fast sieben<br />
Knoten. Zum Vergleich: eine Yacht mit tiefem, effektivem Kiel hat<br />
90, eine Doppelkiel-Aluminiumyacht, die ich gerade traf, 140 Grad<br />
Wendewinkel. Die Erklärung bei jeder Art Schiff mit Stummelkielen,<br />
wie sie die Lagoon 37 hat, ist einfach. Es fehlt ein hydrodynamisch<br />
wirksamer Flügel unter Wasser. Oder, weniger effektiv wie<br />
beim Langkieler, schlicht ganz viel Fläche.<br />
Mangels Kielgewicht, also einer trägen Masse, kommt an der<br />
Kreuz eine recht schnelle Nickbewegung dazu, dafür beträgt die<br />
Krängung jedoch gerade einmal fünf bis zehn Grad. Das Nicken<br />
ist ungewohnt, aber ich empfinde es im Vergleich zu einem Einrümpfer<br />
mit andauernder Lage am Wind oder Rollbewegungen<br />
vor dem Wind immer noch als angenehmer. Von dem Plus an<br />
Lebensraum und dem am Anker ebenfalls durch Abwesenheit<br />
glänzenden Rollen schon bei leichtem Schwell einmal ganz zu<br />
schweigen. Da hat mir der Katamaran nicht zu viel versprochen.<br />
Was nerven kann, ist das Schlagen der Wellen unter das Brückendeck,<br />
was aber meistens beim gegen die Wellen Anfahren unter<br />
Maschine vorkommt; dann jedoch häufig.<br />
Die nächsten zwei Wochen ruht die Arbeit und Carpe Diem und<br />
ich machen erstmal Urlaub, dafür ist das Schiff schließlich da. Das<br />
wird mich wohl auch mit dem etwas harten Test- und Reparaturprogramm<br />
der vergangenen Zeit versöhnen. Einen Vorteil hatte<br />
die Bastelei jedoch: Wir gehen mit der Gewissheit segeln, dass die<br />
meisten Probleme, die man hätte erwarten können, bis jetzt bereits<br />
aufgetreten sind.<br />
In der nächsten Ausgabe lesen Sie, wie Claus Reissig seine erste Urlaubstour<br />
an Bord der Carpe Diem erlebte. Und ob der Katamaran<br />
seinem Namen alle Ehre macht.<br />
92 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
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herausfinden und an die SEGEL JOURNAL-Redaktion schicken.<br />
Anschrift: Quarto Media GmbH, SEGEL JOURNAL, Gurlittstraße 28,<br />
20099 Hamburg oder per Mail an info@segeljournal.com.<br />
Einsendeschluss ist der 16.06.<strong>2013</strong>.<br />
Das Lösungswort aus dem letzten Heft lautet: Mittwochsregatta. Die Gewinner unseres Kreuzworträtsels werden schriftlich benachrichtigt.<br />
Zeichen<br />
für<br />
Amperestunde<br />
Abk. für<br />
Intercityzug<br />
gegorener<br />
Traubensaft<br />
Assistent,<br />
Gürtel<br />
zum<br />
Beistand Kimono<br />
6<br />
Tonsilbe<br />
küste<br />
13<br />
Bootsschuh<br />
gefragt,<br />
begehrt,<br />
angesagt<br />
(engl.)<br />
Schiffsschaden<br />
dt. Spitzname<br />
für<br />
wennschon,<br />
den AC<br />
wenngleich<br />
Stil,<br />
Eleganz<br />
franz.:<br />
Baby,<br />
Säugling<br />
lat.:<br />
Sei gegrüßt!<br />
Schiffstyp<br />
beim<br />
America’s<br />
<strong>Cup</strong><br />
feierliches<br />
Gedicht<br />
94 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong><br />
Name<br />
der AC-<br />
Stiftungsurkunde<br />
11<br />
2 10<br />
Kfz-Z.<br />
Erlangen-<br />
Höch-<br />
14<br />
(franz.)<br />
(Mz.)<br />
stadt<br />
5<br />
engl.<br />
Verteidiger<br />
des<br />
AC <strong>Cup</strong>s<br />
rhythm.<br />
betonter<br />
Jazz<br />
(Kzw.)<br />
Hühnerprodukt<br />
französisch:<br />
und<br />
Abk. für<br />
Kundendienst<br />
stehendes<br />
Binnengewässer<br />
7<br />
Bereiche eine Zahl<br />
Abk. für<br />
Eurocityzug<br />
Einheitenzeichen<br />
für Liter<br />
Brücke in Sammlung<br />
von<br />
San Francisco<br />
(... Schriftstücken<br />
Bridge)<br />
berühmte<br />
J-Class<br />
Yacht<br />
Astrologe<br />
Wallensteins<br />
Schiffsname<br />
von<br />
Thomas<br />
Lipton<br />
italienisch:<br />
Meer<br />
1 3<br />
<strong>Segel</strong>revier<br />
US-Ost-<br />
Geliebte<br />
des Zeus<br />
Titelverteidiger<br />
AC<br />
(Larry)<br />
12<br />
chem.<br />
Zeichen<br />
für<br />
Thallium<br />
Abk.: Europäischer<br />
Wirtschaftsraum<br />
italienische<br />
Abk. für<br />
Alabama<br />
(USA)<br />
dt. Mittelgebirgfreund,<br />
Busen-<br />
(Schwäbische<br />
...)<br />
Vertrauter<br />
regel-,<br />
normwidrig<br />
Großmutter<br />
4<br />
Brühe,<br />
Abgekochtes<br />
Tiergarten<br />
(Kzw.)<br />
Großstadt<br />
in<br />
Kolumbien<br />
Kfz-<br />
Zeichen<br />
Kiel<br />
Lösungswort: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14<br />
Fremdwortteil:<br />
neu<br />
(griech.)<br />
8<br />
engl.<br />
Komponist<br />
(Edward)<br />
9<br />
Foto: www.shutterstock.com/aragani12345s
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Ständige Mitarbeiter<br />
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Prof. Dr. Stefan Henke, Detlef Jens, Kirsten Panzer-Gunkel,<br />
Hans-Harald Schack, Stefan Schorr, Wolfgang Weber, Andrea Willen<br />
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Die nächste Ausgabe<br />
von<br />
erscheint am 19. juni <strong>2013</strong><br />
SEGEL JouRNAL<br />
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
95
sailors I lektüre<br />
Meer Lektüre!<br />
GELESEN VON STEFAN SCHORR<br />
Carlo Borlenghi / Gianni Gini<br />
NAVIGATION DURCH DIE JAHRHUNDERTE<br />
Carlo Borlenghi aus der ersten Garde internationaler Yachtfotografen erhielt vom Museo degli<br />
Strumenti per la Navigazione in Bellagio am Comer See den Auftrag, dessen Sammlung nautischer<br />
Navigationsgeräte des 17. und 18. Jahrhunderts zu fotografieren. Borlenghi zeigt diese auf rotem<br />
Samt gebettet in den vier Kapiteln Geografische Breite, Geografische Länge, Logbücher und Seekarten.<br />
Elf Geräte vom Astrolabium über Doppelwinkeltransporteur, Hypsometer und Graphometer stellt<br />
Gianni Gini (wer das ist, erfahren wir leider nicht) etwas genauer vor, angereichert mit Anekdoten zur<br />
Beschaffung einzelner Exemplare und flankiert von vier fiktiven Geschichten zum Leben auf See.<br />
Interessierte erhalten einen gut fotografierten Katalog der Museumsbestände. Der für diesen Preis<br />
zu erwartende umfangreiche Überblick über Navigationsgeräte der vergangenen Jahrhunderte ist<br />
das Buch (ohne Glossar, Literatur- oder Quellenverzeichnis) aber nicht.<br />
Delius Klasing, 68 Euro<br />
Foto: shutterstock.com/ Triff<br />
Tobias Friedrich<br />
DAS ANDROMEDA FEUER<br />
Die Geschichte des einzigen Entwurfes des großen Max Oertz, der je bei Abeking & Rasmussen gebaut<br />
wurde! Als Oliver Bahr sich in die ausgebrannte Kreuzeryacht Andromeda (1923) verliebt und sie kauft, steht<br />
er vor der Verpflichtung, diese Yacht zu erhalten. Es folgen rund 800 Sanierungstage bis zum erneuten Stapellauf<br />
und die Recherche zur Geschichte des Schiffs und seiner bis dato fünf Eigner. Dem <strong>Journal</strong>ist Tobias<br />
Friedrich ist ein Buch gelungen, das ab der ersten Seite fesselt und die Begeisterung für Andromeda vermittelt.<br />
Denn die Andromeda wurde von jedem erfahrenen Seemann sofort als das erkannt, was sie war (und ist): ein<br />
Prachtstück. Ein späteres Erscheinen des Buches hätte noch Zeit gelassen für eine weitere Kontrolle durch das<br />
Lektorat und noch mehr Recherche (zur jüngeren Vergangenheit). Außerdem für Fotos des bis Ende <strong>2013</strong> (so<br />
der Plan) auch unter Deck fertig sanierten Schiffs zur Aufwertung der bisher eher mäßigen Bildauswahl. Noch<br />
ein ansprechenderes Titelbild dazu und das Buch hätte die Bestnote verdient. Radtke & Bahr, 29,80 Euro<br />
Barbara Piotrowski<br />
SCHIFFSBEGEGNUNGEN AN DER UNTERWESER<br />
Die gebürtige Rheinländerin Barbara Piotrowski nahm sich ein Jahr lang Zeit, in die Geschichte von<br />
zwölf Schiffen auf der Unterweser einzutauchen. Herausgekommen sind kurzweilige Episoden, denen<br />
jeweils ein paar Fotos und die wichtigsten Schiffsdaten vorangestellt sind. Piotrowski hat so unterschiedliche<br />
Schiffe wie den Dreimast-Gaffelschoner Großherzogin Elisabeth, das Dielenboot Hanni oder das 1880<br />
gebaute ehemalige Dampffährschiff MS Friedrich besucht und sich einfühlsam dem jeweiligen Schiff und<br />
den Menschen darauf genähert. Insgesamt ein gelungener, abwechslungsreicher Blick auf zwölf interessante<br />
Schiffe. Das eher einfallslose Layout und die schwachen Fotos lassen sich sicher noch verbessern<br />
und einige fachliche Fehler beseitigen. In der zweiten Auflage gibt es dann sicher noch mehr Schiffe von<br />
der Unterweser vorzustellen. Isensee, 12,80 Euro<br />
96 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
Joachim Ringelnatz<br />
SCHÖNE NIXEN<br />
KNICKSEN<br />
„Ich will mit euch plaudern, die ich mir denke. Mit<br />
euch, die ihr die See liebt und etwas über das Leben und den<br />
Charakter der Seefahrer erfahren möchtet.“ Der mare-Verlag<br />
schenkt See-Liebhabern alle Gesänge des Seefahrers Kuttel<br />
Daddeldu und die anderen Meeresgedichte von Joachim<br />
Ringelnatz in einem Buch – eingerahmt durch die Erinnerungen<br />
„Matrosen“ (ihre Lieder, ihre Sprache, ihre Löhnung, ihre<br />
Gutmütigkeit, ...) und die<br />
Liebeserklärung von Alfred<br />
Polgar an Joachim<br />
Ringelnatz. Also „segeln“<br />
wir Leser im Rumba-Takt<br />
mit, „dass die Balken krachen“,<br />
und freuen uns<br />
darüber, dass ein Bücherschapp<br />
gar nicht<br />
groß genug sein kann,<br />
solange solche (gewohnt<br />
hochwertig<br />
zwischen Buchdeckel<br />
gebrachte) Schätze<br />
veröffentlicht werden.<br />
mare, 20 Euro<br />
Cees de Reus<br />
UM DIE WELT MIT<br />
EINEM LÄCHELN<br />
Ein vielversprechender Buchtitel<br />
und ein angenehm lockerer<br />
Schreibstil. Aber trotz der mit sieben<br />
Jahren umfangreichen Zeit für<br />
die klassische Barfußroute scheint<br />
die Weltumsegelung auf der Borracho<br />
der pure Stress gewesen zu<br />
sein: gerissener Keilriemen, unfreiwilliges<br />
Trockenfallen, Austausch<br />
des kaputten Motors auf Curaçao,<br />
Kollision mit einem Felsen, Ausfall des GPS, Leine im Propeller,<br />
Bedrohung durch Piraten... Dazu wird sehr, sehr häufig erwähnt,<br />
welche Situationen auf See alle lebensgefährlich werden können.<br />
Wenn der Text dann noch einige Fehler enthält, der Schutzumschlag<br />
grausig ist und<br />
(bis aufs Autorenporträt)<br />
Fotos fehlen, wird es eben<br />
doch nur ein Weltumsegler-Bericht<br />
von vielen. Stel-<br />
in die Kajüte<br />
in die Koje<br />
lenweise interessant, aber<br />
in den Seesack<br />
kein anhaltendes Lächeln<br />
in die Backskiste<br />
beim Lesen erzeugend.<br />
in die Bilge<br />
Delius Klasing, 19,90 Euro<br />
Bei uns geht Ihre Spende<br />
garantiert nicht unter.<br />
www.seenotretter.de<br />
Danke.
was bewegt...<br />
16 Fragen an...<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
Seit wann segeln<br />
Sie zusammen?<br />
Heide und Erich Wilts<br />
Seit dem Tag vor 43 Jahren, als wir uns auf<br />
Norderney kennengelernt haben, als Erich mit<br />
seinem Finn vorbei segelte.<br />
Was war Ihr erstes eigenes<br />
Boot?<br />
Ein Finn.<br />
Mit ihrer Freydis segelt das Ehepaar seit Jahrzehnten in die<br />
entlegensten Reviere der Welt. Nach dem dramatischen Verlust ihrer<br />
letzten Yacht, der Freyids II, die ein Opfer des Erdbebens vor der<br />
japanischen Küste und der atomaren Strahlung des zerstörten<br />
Kernkraftwerks Fukushima wurde, sind sie seit 2012 mit der neuen<br />
Freydis unterwegs. Ihre Reisen und ihr Wissen um die nahezu<br />
unberührten Naturschätze an den Küsten teilen sie gerne mit Gästen<br />
an Bord, die für einzelne Etappen mitfahren können.<br />
Welches Boot wollten Sie<br />
immer mal segeln?<br />
Wir träumten schon immer von so einem Boot,<br />
wie wir es jetzt haben.<br />
Wie ist der Name Ihres Bootes?<br />
Freydis, nach der Tochter von Erich dem Roten.<br />
Sie war Skipperin auf der fünften Expedition der<br />
Wikinger in die Neue Welt vor rund 1.000<br />
Jahren.<br />
Ihr liebstes <strong>Segel</strong>revier?<br />
Das ostfriesische Wattenmeer bei Ebbe und<br />
die Arktis und Antarktis, aber nicht bei Sturm.<br />
Wie viele Tage im Jahr verbringen<br />
Sie auf dem Wasser?<br />
Zwischen vier und acht Monaten.<br />
Ihr Lieblingshafen?<br />
Egal wo und in welchem Land, immer da, wo<br />
wir freundlich aufgenommen werden.<br />
Ihre liebste Hafenbar?<br />
Die Hafenbars in Australien, da trifft man die<br />
urigsten Typen.<br />
9<br />
10<br />
11<br />
12<br />
13<br />
14<br />
15<br />
16<br />
Der beste Drink zum Sonnenuntergang?<br />
Für Erich einen Gin Tonic, für Heide einen Saft.<br />
Mit wem würden Sie gerne<br />
einmal segeln?<br />
Erich mit Marilyn Monroe, Heide mit James<br />
Cook.<br />
Welche Eigenschaften<br />
schätzen Sie an Seglern am<br />
meisten?<br />
Humor und Verantwortungsgefühl.<br />
Drei Dinge, die immer an Bord<br />
sein sollten?<br />
Eine funktionierende Toilette, eine Herdflamme<br />
und ausreichend Verpflegung.<br />
Was ist an Bord völlig<br />
überflüssig?<br />
Titel.<br />
Gibt es einen Segler, der Sie<br />
beeindruckt hat?<br />
Am meisten James Cook, der im Pazifischen<br />
Ozean zahlreiche Inseln entdeckte und<br />
kartographierte.<br />
Das beste <strong>Segel</strong>buch?<br />
Am meisten inspiriert haben uns „Gefangen im<br />
Eis“ von Tristan Jones und „Ice Bird“ von David<br />
H. Lewis.<br />
<strong>Segel</strong>n ist…<br />
…für uns eine Leidenschaft, die manchmal<br />
leider Leiden schafft.<br />
98 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>
mai/juni <strong>2013</strong> <strong>Segel</strong> journal<br />
99
100 <strong>Segel</strong> journal mai/juni <strong>2013</strong>