CLAUSEWITZ Operation „Gomorrha“ (Vorschau)
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Clausewitz<br />
3/2013 Mai | Juni €5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />
Clausewitz<br />
Das Magazin für Militärgeschichte<br />
Militärtechnik<br />
im<br />
Detail<br />
Flugzeugträger der<br />
Independence-<br />
Klasse<br />
8,8-cm-FlaK<br />
Das steckt hinter dem<br />
Ruf der „Acht-Acht“<br />
Krimkrieg 1853<br />
Vorstufe zu einem<br />
Weltkrieg?<br />
Hamburgs Brandnächte im Jahr 1943<br />
<strong>Operation</strong><br />
<strong>„Gomorrha“</strong><br />
Richard<br />
Löwenherz<br />
König, Krieger<br />
und Kreuzritter<br />
MILITÄR & TECHNIK:<br />
Westland<br />
„Sea King“<br />
Deutsche<br />
Marineflieger im Kalten Krieg<br />
Mi-8T
Legenden<br />
der Lüfte<br />
Das neue<br />
Heft ist da.<br />
Ab 15. April<br />
am Kiosk!
Editorial<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser,<br />
vor 70 Jahren wurde die Großstadt<br />
Hamburg von einer Katastrophe unvorstellbaren<br />
Ausmaßes heimgesucht.<br />
Das „alte“ Hamburg ging in einem<br />
von alliierten Bombenangriffen<br />
entfachten Feuersturm unter. Die Folgen<br />
der <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong> veränderten<br />
das Antlitz der Hansestadt an<br />
der Elbe für immer.<br />
Auch sieben Jahrzehnte nach den<br />
verheerenden Luftangriffen sind die<br />
Wunden im<br />
Stadtbild sichtbar,<br />
die Ruine<br />
der ehemaligen<br />
Hauptkirche<br />
St. Nikolai<br />
ragt seit ihrer<br />
Zerstörung im<br />
Juli 1943 mahnend<br />
in den<br />
Himmel.<br />
Heute wird das „Mahnmal St. Nikolai“<br />
als Erinnerungsort für die Opfer<br />
von Krieg und Gewaltherrschaft der<br />
Jahre 1933–1945 genutzt. Seit 1993<br />
ist es Mitglied der „Nagelkreuzgemeinschaft“<br />
– das in der Turmhalle<br />
angebrachte „Nagelkreuz von Coventry“<br />
ist ein Symbol für das Anliegen,<br />
Gegensätze der Vergangenheit zu<br />
überbrücken und gemeinsam eine<br />
friedliche Zukunft zu gestalten.<br />
Wie die kontrovers geführte Diskussion<br />
um das 2012 in London enthüllte<br />
„Bomber Command Memorial“ für<br />
die mehr als 55.000 Gefallenen der<br />
Royal Air Force zeigt, berührt das Thema<br />
„Bombenkrieg – Alliierte Luftangriffe<br />
auf Deutschland“ die Menschen<br />
auch heute noch emotional.<br />
Lesen Sie in unserer Titelgeschichte<br />
„Bomben auf Hamburg“ ab Seite 10,<br />
wie es zum Untergang Hamburgs im<br />
Feuersturm des Jahres 1943 kam<br />
und welche Ziele die Alliierten mit der<br />
<strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong> verfolgten.<br />
Ich möchte Sie auch auf unser großes<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong>-Gewinnspiel auf Seite<br />
31 aufmerksam machen, bei dem<br />
es attraktive Preise zu gewinnen<br />
gibt. Machen Sie mit, es lohnt sich!<br />
Eine abwechslungsreiche Lektüre und<br />
viel Spaß beim Gewinnspiel<br />
wünscht Ihnen<br />
Dr. Tammo Luther<br />
Verantwortlicher Redakteur<br />
Krieger, Söldner & Soldaten<br />
Der gefiederte Tod<br />
Die englischen Langbogenschützen revolutionieren mit ihrem<br />
Massenbeschuss die Kriegführung des späten Mittelalters<br />
Die Ursprünge der englischen Langbogenschützen<br />
stehen im Zusammenhang mit<br />
den während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts<br />
stattfindenden Eroberungskriegen<br />
des englischen Königs Edward I. in Wales. Dort<br />
herrscht vor allem im Süden des Landes eine<br />
alte Tradition des Bogenschießens, die sich<br />
der Herrscher bald zunutze macht. Er nimmt<br />
die dortigen Stämme in seine Dienste und die<br />
Mischung aus großen Kontingenten von Bogenschützen<br />
und Panzerreitern bildet eine gelungene<br />
Kombination aus Feuer- und Schlagkraft.<br />
Während die frühen Langbogenschützen<br />
noch weitgehend ungerüstet in den Kampf ziehen,<br />
ändert sich dies mit ihrem gestiegenen<br />
Prestige. Da von nun an auch zahlreiche Engländer<br />
als Bogenschützen dienen, nehmen sie<br />
bald den Rang einer Eliteeinheit ein. Damit verbessert<br />
sich auch ihre Ausrüstung. Neben den<br />
Bogen treten Schwert, Axt oder ein Streitkolben<br />
als Sekundärwaffen. Dem<br />
Körperschutz dienen eine Beckenhaube<br />
oder ein anderer<br />
einfacher Helm, sowie eine<br />
Brigantine, ein Kettenhemd<br />
oder ein Gambeson, der<br />
als „jack“ bezeichnet<br />
wird. Ein kleiner Faustschild<br />
vervollkommnet<br />
die Kampfausrüstung. In der Schlacht nehmen<br />
die Bogenschützen oft eine Flankenposition<br />
ein und werden damit von den gepanzerten<br />
Fußkriegern und den meist abgesessen kämpfenden<br />
Panzerreitern geschützt. Innerhalb einer<br />
Minute muss ein Mann mindestens zehn<br />
Pfeile abschießen, sonst gilt er nicht als vollwertiger<br />
Schütze. Zu diesem Zweck stecken<br />
die Männer einige Pfeile vor sich in den Boden,<br />
um diese noch schneller greifen zu können.<br />
Die schweren Kriegsbögen sind etwa 1, 8 Meter<br />
lang und bestehen aus einem Stück Eibenholz,<br />
das so gewählt ist, dass sich das dichte<br />
Kernholz in der Mitte des Bogens befindet,<br />
während das elastischere Holz die Bogenarme<br />
bildet. Dies verleiht dem Bogen seine enorme<br />
Spannkraft, die bei den schwersten Exemplaren<br />
ein Zuggewicht von über 50 kg erreicht. Die<br />
Pfeile durchdringen auf kurze Distanz sogar eine<br />
Rüstung. Durch den Massenbeschuss wird<br />
das Vorrücken feindlicher Truppen erheblich<br />
behindert, wobei auch der psychologische Effekt<br />
eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.<br />
Dabei liegt die weiteste Kampfentfernung bei<br />
etwa 300 Metern. Mit den seit dem 15. Jahrhundert<br />
immer ausgereifteren Handfeuerwaffen<br />
bekommt der Langbogen eine ernsthafte<br />
Konkurrenz. Dennoch ist er zunächst aufgrund<br />
seiner höheren „Feuergeschwindigkeit“ weiterhin<br />
im Einsatz, bis er schließlich zu Beginn<br />
des 16. Jahrhunderts den Feuerwaffen ganz<br />
weichen muss.<br />
FAKTEN<br />
NEUE SERIE<br />
Zeit: Spätes 13. bis Anfang 16.<br />
Jahrhundert<br />
Uniform: Beinlinge, Wams, Brigantine, Kettenhemd,<br />
einfacher Helm, Bogen, Bündel<br />
mit Pfeilen, kurzes Schwert, Dolch, kleiner<br />
Faustschild<br />
Hauptwaffe: Langbogen<br />
Kampftaktik: Massenbeschuss durch<br />
Pfeilhagel<br />
Wichtige Schlachten: Falkirk 1298<br />
Crécy 1346<br />
Poitiers 1356<br />
Azincourt 1415<br />
Langbogenschützen im Film:<br />
Henry V. (1989)<br />
Robin Hood (2010)<br />
Im Hundertjährigen Krieg: Dieser Langbogenschütze in der<br />
Schlacht von Crécy ist durch eine gepolsterte Jacke und eine<br />
Beckenhaube geschützt. Die Pfeile werden in einem großen<br />
Leinwandbeutel transportiert und erst kurz vor der Schlacht im<br />
Boden vor dem Schützen platziert oder – wie hier – direkt am<br />
Gürtel getragen.<br />
Zeichnung: Andrea Modesti<br />
Clausewitz 3/2013
Inhalt<br />
Clausewitz 3/2013<br />
Foto: SSPL/National Media Museum/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
Titelthema<br />
Alliierte Luftangriffe 1943 –<br />
<strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong>. .............................................................................................................10<br />
Hamburg versinkt im Feuersturm<br />
Kriegsschauplatz „Himmel“. ..........................................................................................24<br />
Technologie und Strategie im Bombenkrieg<br />
Titelgeschichte<br />
HILFLOS:<br />
Die Einwohner von Hamburg – sofern sie nicht den<br />
Luftangriffen zum Opfer fallen – müssen der Zerstörung<br />
ihrer Heimatstadt in mehreren alliierten Tag- und<br />
Nachtangriffen tatenlos zusehen. Ganze Stadtteile<br />
werden im Sommer 1943 in Schutt und Asche gelegt.<br />
Die alliierten Luftangriffe sollen die deutsche Zivilbevölkerung<br />
demoralisieren.<br />
„Es regnete Feuer...“. ....................................................................................................................28<br />
Das Leid der Zivilbevölkerung während der Luftangriffe<br />
Alliierte Luftangriffe – „<strong>Operation</strong> Gomorrha“<br />
Bomben auf Hamburg<br />
24. Juli 1943: Fast 800 Bomber der Royal Air Force befinden sich auf dem Weg in Richtung<br />
Hamburg. Ihre tödliche Mission ist der Auftakt zu einer Serie schwerer alliierter Luftangriffe,<br />
die das „Gesicht“ der Stadt Hamburg für immer veränderten... Von Peter Cronauer<br />
10<br />
11<br />
Im Feuersturm: Ein Straßenzug in der Hamburger<br />
Innenstadt nach einem der verheerenden<br />
Bombenangriffe im Sommer 1943.<br />
Foto: ddp images/AP/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
Magazin<br />
Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher .........................6<br />
Schlachten der Weltgeschichte<br />
<strong>Operation</strong> „Husky“ – Landung alliierter<br />
Truppen auf Sizilien 1943. .................................................................................32<br />
Sturm auf die „Festung Europa“<br />
Militärtechnik im Detail<br />
Alliierter leichter Flugzeugträger. .......................................................40<br />
„Klein“, aber schlagkräftig<br />
Schnellboot der Kriegsmarine.....................................................................42<br />
Der gefährliche „Jäger“ auf See<br />
Der Zeitzeuge<br />
Eisenbahn im Zweiten Weltkrieg..........................................................44<br />
Vom „Blitzkrieg“ bis zum Untergang<br />
Schlachten der Weltgeschichte<br />
Krimkrieg 1853–1856. ................................................................................................48<br />
Der erste „moderne“ Stellungskrieg<br />
Das historische Dokument<br />
„Streng vertraulich!“ ............................................................................................................54<br />
Geheimes NVA-Kartenmaterial aus den 1980er-Jahren<br />
4
Foto: Rue des Archives/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
Foto: BArch, Bild 183-C0229-0001-002, Fotograf: Karnitzki<br />
Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte<br />
Clausewitz 3/2013<br />
Clausewitz 3/2013<br />
Clausewitz 3/2013<br />
Abb.: Archiv U. Kaack<br />
Foto: PIZ Marine<br />
Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte<br />
33<br />
Foto: Archiv Museum Helgoland<br />
Foto: Sammlung Anderson<br />
Foto: picture-alliance<br />
Clausewitz 3/2013<br />
Clausewitz 3/2013<br />
Clausewitz 3/2013<br />
Abb.: picture-alliance/Prisma Archivo<br />
Foto: picture-alliance/Prisma Archivo<br />
Foto: Sammlung Anderson<br />
Schlachten der Weltgeschichte | <strong>Operation</strong> „Husky“<br />
Alliierte Landung auf Sizilien 1943<br />
Sturm auf die<br />
„Festung Europa“<br />
10. Juli 1943: In den frühen Morgenstunden landen mehrere Tausend amerikanische<br />
und britische Soldaten auf der italienischen Mittelmeerinsel Sizilien. Die <strong>Operation</strong><br />
„Husky“ soll das Tor zur „Festung Europa“ aufstoßen...<br />
Von Lukas Grawe<br />
U<br />
m den Krieg nach Westeuropa zu tragen<br />
und mit Hilfe einer zweiten Front<br />
Druck vom sowjetischen Verbündeten<br />
zu nehmen, entscheiden sich die Alliierten<br />
Anfang des Jahres 1943 für eine Invasion<br />
auf Sizilien.<br />
Für die Eroberung der Mittelmeerinsel<br />
spricht vor allem ihre Lage: Mit Sizilien als<br />
Ausgangspunkt ist eine Invasion des italienischen<br />
Festlandes möglich. Zudem erleichtert<br />
der Besitz der Insel die Kontrolle des<br />
Schiffsverkehrs im westlichen Mittelmeer.<br />
Da die geplante Invasion in Frankreich<br />
nicht vor 1944 durchführbar ist, legen sich<br />
die amerikanischen und britischen Militärs<br />
auf den italienischen Schwerpunkt fest. Italien<br />
ist seit der vernichtenden Niederlage in<br />
Nordafrika nur noch ein unsicherer Bundesgenosse<br />
des Deutschen Reichs.<br />
Mit der Eroberung Siziliens soll daher Italien<br />
aus dem Krieg an der Seite des Deutschen<br />
Reiches gedrängt werden. Hitler wäre<br />
auf diese Weise gezwungen, die italienisch<br />
besetzten Gebiete in Südfrankreich und auf<br />
dem Balkan mit eigenen Truppen zu halten.<br />
Die im Januar einsetzende Planung für<br />
die Invasion der Insel gestaltet sich aufgrund<br />
der komplizierten alliierten Kom-<br />
mandostruktur im Mittelmeerraum als tigt. Der deutsche Oberbefehlshaber der<br />
schwierig. Hinzu kommen persönliche Abneigungen<br />
zwischen amerikanischen und Albert Kesselring, stellt wenige Tage vor Be-<br />
Heeresgruppe Süd, Generalfeldmarschall<br />
britischen Offizieren. In operativer Hinsicht<br />
kommt es den alliierten Landungsstärkung<br />
der natürlichen Abwehrkraft der<br />
ginn der alliierten Invasion fest: „Die Vertruppen<br />
vor allem auf die Inbesitznahme Inseln durch die Anlage von Befestigungen<br />
von Häfen und Landungsplätzen an, um ist nicht in ausreichendem Maße erfolgt.“<br />
die Versorgung der Truppen zu gewährleisten.<br />
Nicht alle Teile Siziliens liegen zudem Verteidiger zu einer Dekonzentration der<br />
Zudem zwingt die lange Küste Siziliens den<br />
in der Reichweite der alliierten Jagdflieger Kräfte. Trotz aller Argumente, die für eine<br />
auf Malta, sodass die Eroberung von Flugplätzen<br />
eine hohe Bedeutung erlangt. kennen die „Achsenmächte“ die gegneri-<br />
alliierte Landung auf der Insel sprechen,<br />
schen Landungsabsichten nicht. Mit Hilfe<br />
Schwache Verteidigungsanlagen eines groß angelegten Täuschungsmanövers<br />
erhöhen die Alliierten die Unsicherheit<br />
Eine Landung auf Sizilien wird durch die<br />
schwachen Verteidigungsanlagen begüns-<br />
bei ihrem Gegner. Die Wehrmachtführung<br />
Schlachten der Weltgeschichte<br />
Krimkrieg 1853-1856<br />
Der erste „moderne“<br />
Stellungskrieg<br />
28. März 1854: England und Frankreich greifen militärisch in den blutigen Konflikt zwischen<br />
Russland und dem Osmanischen Reich ein. Besonders um die Festung Sewastopol<br />
entbrennt ein Stellungskrieg, wie ihn die Welt bisher nicht kannte... Von Carsten Walczok<br />
D<br />
icht gedrängt greifen am 5. November<br />
des Jahres 1854 rund 35.000 russische<br />
Soldaten die schwachen britischen<br />
Stellungen vor der Stadt und Festung Sewastopol<br />
auf der Halbinsel Krim an. Das Ziel der<br />
russischen Angreifer sind die Hügel am<br />
nördlichen Ende der britischen Linien. Aber<br />
der russische Angriff bleibt im mörderischen<br />
Abwehrfeuer der Verteidiger stecken. Die<br />
dicht gedrängten russischen Angriffskolonnen<br />
erleiden ungeahnte Verluste im deckenden<br />
Feuer der britischen Infanterie. Diese ist<br />
im Gegensatz zu ihren russischen Gegnern<br />
bereits mit den Gewehren mit gezogenen<br />
Läufen nach dem System Minié ausgerüstet.<br />
Der Krieg auf der Krim erlebt den ersten<br />
massenhaften Einsatz dieses neuen Systems<br />
bei den Infanteriegewehren und beweist sofort<br />
deren Überlegenheit über die altbewähr-<br />
Reiches, das von Spöttern gerne als der<br />
liegt aber im inneren Zerfall des Osmanischen<br />
ten glattläufigen Vorderlader. Doch das ist „Kranke Mann am Bosporus“ bezeichnet<br />
nicht die einzige Besonderheit, durch die wird.<br />
sich dieser Konflikt in der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
auszeichnet. Neben eisengepanche<br />
der Türken, endlich die Kontrolle über die<br />
Russland hofft, bedingt durch die Schwäzerten<br />
Schiffen mit Dampfantrieb ist dies Meerenge des Bosporus zu erreichen. Das<br />
auch der erste Krieg, über den die Medien wiederum liegt nicht im Interesse Großbritanniens,<br />
denn London will nicht zulassen, dass<br />
dank des Telegrafen direkt berichten. Sogar<br />
Zar Nikolaus soll gesagt haben, er würde eine solche Schlüsselposition wie die Dardanellen<br />
unter russische Kontrolle gerät.<br />
keine Spione brauchen, da er ja die „Times“<br />
lesen könne.<br />
Doch wo liegt der Anlass für diesen Konflikt?<br />
Russlands Eintreten für die Interessen Nach dem Abbruch der diplomatischen Be-<br />
Der lange Weg auf die Krim<br />
der orthodoxen Christen ruft den Widerstand ziehungen besetzen am 3. Juli 1853 rund<br />
der anderen christlichen Konfessionen hervor.<br />
Die eigentliche Ursache für den Krieg von Fürst Michail Gortschakow die<br />
80.000 russische Soldaten unter dem Befehl<br />
Donau-<br />
Alliierte<br />
FRANKREICH<br />
Befehlshaber: Armand-Jacques Achille Leroy de<br />
Saint-Arnaud (1798-1854)/ François Canrobert<br />
(1809–1895) /Aimable Pélissier (1794–1864)<br />
Truppenstärke: 100.000<br />
Verluste: 70.000<br />
UNBEHELLIGT: Landung von US-Truppen<br />
auf Sizilien am 11. Juli 1943.<br />
32<br />
HINTERGRUND Die „Achse“ Berlin – Rom<br />
Seit dem 1936 geschlossenen geheimen<br />
Freundschaftsvertrag bildet sich eine enge<br />
Zusammenarbeit zwischen dem faschistischen<br />
Italien und dem „Dritten Reich“ aus.<br />
Mit dem „Stahlpakt“ von 1939 sichern sich<br />
beide Länder im Falle eines Krieges unbedingte<br />
militärische Unterstützung zu, die<br />
auch für einen Angriffskrieg gilt. Während<br />
sich Italien noch nicht am Polenfeldzug beteiligt,<br />
tritt es am 10. Juni 1940 in den Krieg<br />
gegen Frankreich und Großbritannien ein.<br />
In der Folgezeit unterstützt Hitler Mussolinis<br />
Pläne zur Errichtung eines zweiten „Imperium<br />
Romanum“ auf dem Balkan und in Afrika.<br />
Grundlage für die deutsche Unterstützung<br />
sind jedoch überwiegend eigene Interessen.<br />
Italien beteiligt sich währenddessen<br />
an Hitlers Feldzug gegen<br />
S.32<br />
die Sowjetunion, der<br />
jedoch von der italienischen Bevölkerung als<br />
„deutscher Krieg“ angesehen wird.<br />
Mit dem Sturz Mussolinis und der folgenden<br />
Kriegserklärung Italiens an das Deutsche<br />
Reich Ende 1943 endet die militärische<br />
Zusammenarbeit, die stets von<br />
starken Spannungen und Interessengegensätzen<br />
geprägt ist.<br />
48<br />
Russland<br />
Befehlshaber: Fürst Michael Dimitrijewitsch Gortschakow<br />
(1792–1861) / Fürst Menschikow (1787–1869)<br />
Truppenstärke: 107.000<br />
Verluste: 73.000<br />
GROßBRITANNIEN<br />
Befehlshaber: Fitzroy James Henry Somerset,<br />
Lord Raglan (1788–1855)<br />
Truppenstärke: 35.000<br />
Verluste: 22.000<br />
SARDINIEN-PIEMONT<br />
Befehlshaber: Alfonso La Marmora<br />
(1804–1878)<br />
Truppenstärke: 14.000<br />
Verluste: k. A.<br />
OSMANISCHES REICH (TÜRKEI)<br />
Befehlshaber: Omar Pascha (Michael Latas)<br />
(1806–1871)<br />
Truppenstärke: 55.000<br />
Verluste: k. A.<br />
S.48<br />
MARTIALISCH: Darstellung<br />
der Belagerung von Sewastopol<br />
von Franz A. Roubaud<br />
(Ausschnitt aus einem<br />
Panoramagemälde).<br />
49<br />
Militär und Technik | Marineflieger<br />
Militär und Technik | FlaK 8,8 cm<br />
Deutsche Marineflieger nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
„Fliegen, wo die<br />
RESPEKTEINFLÖßEND:<br />
Bewaffneter Mi-8T-Hubschrauber<br />
beim Einsatz über der Ostsee.<br />
Gefürchtete Allzweckwaffe<br />
Die „Acht-Acht“<br />
1941–1943: „Anti-Aircraft, Anti-Tank and Anti-Social!“ Mit grimmiger<br />
Anerkennung zollen die Engländer in Nordafrika ihrem vielleicht<br />
gefährlichsten Gegner Respekt. Was hat es mit der erfolgreichen<br />
deutschen 8,8 cm FlaK auf sich?<br />
Von Thomas Anderson<br />
EINDRUCKSVOLLES SCHAUSPIEL:<br />
Eine 8,8 cm FlaK L/56 auf einem<br />
der riesigen Faun-Lastwagen beim<br />
Feuern in der Nacht. Die Feuerleitung<br />
obliegt einem Kommandogerät<br />
(ebenfalls auf Lkw verlastet).<br />
Flotte fährt“<br />
Ende der 1950er-Jahre: Die Bundeswehr beginnt mit der Einführung von Marinefliegergruppen.<br />
Wenige Jahre später wird in der DDR eine erste Marinehubschrauberstaffel zur<br />
Unterstützung der Seestreitkräfte in Dienst gestellt...<br />
Von Werner Fischbach<br />
ie Anfänge der bundesdeutschen Marineflieger<br />
reichen in das Jahr 1949 zu-<br />
während des Krieges – unterbrochen von<br />
offizier 1934 zur Luftwaffe wechselte und<br />
rück. Vier Jahre nach dem Ende des<br />
Seeaufklärereinsätzen – im Stab der Seekriegsleitung<br />
tätig war.<br />
Zweiten Weltkriegs ruft die US-Marine das<br />
„Naval Historical Team“ zusammen, das unter<br />
die Zuständigkeit der „Naval Intelligence“<br />
fällt. Dabei geht es den Amerikanern<br />
Marineflieger sind also schon beim „Naval<br />
Anfänge der Bw-Marineflieger<br />
in erster Linie um die Erfahrungen, die die<br />
Historical Team“ ein Thema. Wesentlich konkreter<br />
wird die Angelegenheit in der Him-<br />
deutsche Kriegsmarine im letzten Weltkrieg<br />
insbesondere in Nord- und Ostsee, sowie in<br />
meroder Denkschrift, die im Oktober 1950<br />
Norwegen und dem Atlantik gesammelt hat.<br />
vor dem Hintergrund der konventionellen<br />
Das Team umfasst fünf fest angestellte<br />
Überlegenheit sowjetischer Streitkräfte und<br />
hohe Marineoffiziere und tritt unter der<br />
des am 25. Juni desselben Jahres ausgebrochenen<br />
Koreakriegs hinter den Mauern des<br />
Leitung von Generaladmiral a. D. Otto<br />
Schniewind am 9. April 1949 in Bremerhaven<br />
zum ersten Mal zusammen. Es gilt als<br />
der militärische Beitrag der Bundesrepublik<br />
Klosters Himmerod erstellt wird. Thema ist<br />
Keimzelle der späteren Bundesmarine. VIELSEITIG EINSETZBAR: Ein Hubschrauber an der Seite ihrer westlichen Partner, wobei<br />
Mit von der Partie ist auch der ehemalige<br />
Oberst i.G. Walter Gaul, der als Marine-<br />
gerverbände eingegangen<br />
vom Typ Mil Mi-4 beim Bergungsdienst. auch auf die Rolle zukünftiger Marineflie-<br />
wird.<br />
D<br />
56<br />
NEUES MODELL: Ab 1975 werden die<br />
Sikorski H-34 (hinten) durch Westland<br />
„Sea King“-Hubschrauber abgelöst.<br />
Angesichts der aus Sicht der Marine negativen<br />
Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg<br />
werden eigene Marinefliegerkräfte als<br />
notwendig angesehen. Die entsprechende<br />
Empfehlung geht auf den ehemaligen<br />
Oberst und späteren Kapitän zur See und<br />
ersten Kommandeur der bundesdeutschen<br />
Marineflieger, Walter Gaul, zurück. Vorgeschlagen<br />
werden 84 Jagd-, 30 Aufklärungssowie<br />
30, später sogar 60 Kampf- bzw. U-<br />
Jagdflugzeuge. Allerdings ist diese Forderung<br />
nicht einfach umzusetzen. Da die Marine<br />
Bestandteil der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft<br />
(EVG) werden soll,<br />
leisten Frankreich und Großbritannien heftigen<br />
Widerstand gegen eigenständige deutsche<br />
Marinefliegerverbände.<br />
Nur durch die Intervention der USA<br />
werden der bundesdeutschen Marine im<br />
Mai 1952 30 Hubschrauber und 24 Aufklärer<br />
zugestanden.<br />
Als der EVG-Vertrag schließlich am Widerstand<br />
Frankreichs scheitert, werden der<br />
Marine bei den Verhandlungen über einen<br />
NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland<br />
infolge einer massiven Unterstützung<br />
durch die USA neben 58 Flugzeugen (24<br />
Aufklärer, 24 Angriffs- und zehn U-Jagdflugzeuge)<br />
eine unbestimmte Anzahl von<br />
Hubschraubern zugestanden. Dazu kommt<br />
noch eine Reserve von 30 Prozent.<br />
Mit dem Aufstellungsbefehl Nr. 41 vom<br />
26. Juni 1956 bildet Kpt.z.S. Gaul das Kommando<br />
der Marineflieger und bezieht mit<br />
sechs weiteren Soldaten eine Baracke in Die Aufgabe der Angriffs- bzw. Kampfflugzeuge<br />
(Marinejagdbomber) liegt im Schutz<br />
Kiel-Holtenau. Im April 1957 wird die<br />
I. Marinefliegergruppe in Dienst gestellt. der Ostsee und ihrer Zugänge, um im Fall<br />
Am 1. Januar folgt die Seenotstaffel und am eines Angriffs des Warschauer Pakts den<br />
1. April 1958 die II. Marinefliegergruppe. sowjetischen Streitkräften und ihren Verbündeten<br />
den Zugriff auf diese Seegebiete<br />
Als einmaliger Vorgang in der deutschen<br />
Militärgeschichte kann die Indienststellung<br />
der Mehrzweckstaffel am 19. Mai desdeutschem Territorium zu verhindern.<br />
zu verwehren und eine Landung auf bun-<br />
1958 im schottischen Lossiemouth bezeichnet<br />
werden. Einen Tag darauf wird 1965 in Eggebek in Schleswig-Holstein be-<br />
Die beiden dafür in Jagel bzw. ab März<br />
dort die U-Jagd-Staffel in Dienst gestellt. heimateten, zunächst als Marinefliegergruppen<br />
aufgestellten Marinefliegergeschwader<br />
1 und 2 (MFG 1 und 2) werden,<br />
Luftfahrzeuge der Geschwader<br />
„Fliegen, wo die Flotte fährt“, lautet das da die USA nicht bereit sind, moderne<br />
Motto der Marineflieger. Und das beschreibt<br />
ihre Aufgabe genau. Sie sind, der „Cougar“ an Deutschland zu liefern, zu-<br />
Kampfflugzeuge wie die Grumman F9F-8P<br />
direkten Kommandogewalt der Marine unterstellt,<br />
ein Seekriegsmittel und dienen dahawk“<br />
ausgerüstet. Dabei handelt es sich<br />
nächst mit Armstrong Whitworth „Seazu,<br />
Seekrieg aus der Luft und eben nicht, hierbei um ein für die Royal Navy entwickeltes<br />
und dort eingesetztes Luftkrieg über der See zu führen.<br />
robustes<br />
IN BEGLEITUNG: Nach ihrer letzten Landung wird<br />
die „Atlantic“ der SIGINT-Version von zwei<br />
„Sea Lynx“ eskortiert.<br />
S.56<br />
57<br />
D<br />
er Erste Weltkrieg stellt eine Zäsur in<br />
der Weltgeschichte dar. Was bereits<br />
während des US-Bürgerkrieges und<br />
im Krieg von 1870/71 im Ansatz erkennbar<br />
war, beeinflusst den neuen Konflikt gewaltig:<br />
Die industrielle Leistungsfähigkeit der<br />
Kriegsteilnehmer bestimmt Art, Dauer und<br />
Ausgang dieses Konfliktes.<br />
Die rasante Entwicklung der Rüstungstechnik<br />
im Ersten Weltkrieg bringt viele<br />
technische Neuerungen auf das Schlachtfeld,<br />
darunter moderne Entwicklungen wie<br />
gepanzerte Kampffahrzeuge und Flugzeuge.<br />
Luftgestützte Angriffe werden früh als<br />
potentielle Bedrohung angesehen. Schon 40<br />
Jahre vor dem Weltkrieg werden erste Geschütze<br />
zur Abwehr französischer Ballons<br />
entwickelt. Daraus entstehen<br />
noch vor 1910 brauchbare Fliegerabwehrgeschütze<br />
vom Kaliber 7,5 cm.<br />
1916 entwickelt Krupp ein Flugabwehrgeschütz<br />
vom Kaliber 8,8 cm,<br />
welches als Urahn der späteren 8,8 cm<br />
Flak L/56 gelten darf (Das Kürzel L/56<br />
62<br />
beschreibt die Kaliberlänge des Geschützes Vertragswerkes werden von deutscher Seite<br />
jedoch unterlaufen, die Entwicklung mo-<br />
und umfasst sowohl die 8,8 cm FlaK 18, 36<br />
und 37).<br />
derner Waffen läuft im Geheimen weiter.<br />
Zum Ende der 1920er-Jahre ergibt sich in<br />
Verborgene Entwicklung<br />
Deutschland wieder die Notwendigkeit einer<br />
Fliegerabwehrwaffe, um der steigen-<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg ergeben sich<br />
aus dem Versailler Vertrag für das deutsche den Gefährdung aus der Luft Rechnung zu<br />
Heer starke Einschränkungen bezüglich tragen. Die Hauptforderung an das zu entwickelnde<br />
Geschütz ist die Bekämpfung<br />
der Entwicklung und Einführung moderner<br />
Waffen. Die harten Bedingungen dieses feindlicher Aufklärungs- und Bomberflugzeuge<br />
auf mittleren und großen Flughöhen<br />
(500 bis 6.000 m).<br />
Die Entscheidung für das Kaliber 8,8 cm<br />
der Flak ist praktischen Gesichtspunkten<br />
geschuldet. Firmen wie Krupp haben da-<br />
ERFOLGREICHE KOMBINATION:<br />
Eine 8,8 cm FlaK L/56 auf einem<br />
gepanzerten s ZgKw 12 t<br />
(SdKfz. 8). Schnell und auch<br />
im Gelände beweglich, können<br />
die wertvollen Waffen<br />
an Brennpunkten<br />
eingesetzt werden.<br />
INFO Vergleich schwerer Flakgeschütze<br />
Waffe<br />
8,8 cm 8,8 cm 10,5 cm 88 mm FlaK QF 3,7 inch 90 mm Gun<br />
FlaK 18 FlaK 41 FlaK 38 M 1939 AA gun M1A1<br />
Herkunft Deutsches Reich Deutsches Reich Deutsches Reich Russland England USA<br />
Kaliber 8,8 cm 8,8 cm 10,5 cm 8,5 cm 9,4 cm 9 cm<br />
Kaliberlänge L/56 L/74 L/63 L/55 -- --<br />
Gewicht 7,2 t 11,2 t 14 t 4,2 t 9,3 t 8,6 t<br />
Anfangsgeschwindigkeit<br />
(Vo)<br />
m/s<br />
850 m/s 1.000 m/s 900 m/s 792 m/s 722 bis 1.044 823 m/s<br />
Max. Schussweite 16.300 m 19.800 m 17.700 m 15.000 m 18.800 m 17.800 m<br />
Effektive Reichweite/max.<br />
11.300 m 14.700 m 12.800 m 10.500 m 12.000 m 10.300 m<br />
Schusshöhe<br />
mit entsprechende Erfahrungen, sowohl te für eine Flugbahn von 8.000 m und einer<br />
Rasanz als auch Waffenwirkung im Ziel erfüllen<br />
die gesetzten Parameter.<br />
Sekunden dauern. Das Geschütz muss im<br />
Flughöhe von 6.000 m nicht länger als 25<br />
Am 13. Dezember 1930 verzeichnet die Einsatzgebiet der Artillerie auf dem Gefechtsfeld<br />
einsetzbar sein. Die 8,8 cm FlaK<br />
Kommission für das streng geheime Entwicklungsprogramm<br />
unter anderem: ist das kleinste Kaliber mit ausreichender<br />
„Es wird eine Flugabwehrkanone mit Wirkung, das für den Einsatz mit unseren<br />
größtmöglicher Geschosswirkung benötigt. Kommandogeräten geeignet ist.“<br />
Die Reichweite muss zwischen 2.500 bis Die Firma Krupp hat bereits 1928 begonnen,<br />
eine 8,8 cm FlaK auf Kraftzug-Anhän-<br />
8.000 m bis zu einer Flughöhe von 6.000 betragen.<br />
Die Flugdauer des Geschosses sollger<br />
zu entwickeln. Das Geschütz selbst soll<br />
auf einer Sockellafette montiert sein, die<br />
seitlich im 360° Vollkreis geschwenkt und<br />
in der Höhe von minus 3 bis plus 85° gerichtet<br />
werden kann.<br />
S.62<br />
Für den Einsatz als<br />
Flugabwehrgeschütz ist eine Richtgeschwindigkeit<br />
von 6° pro Sekunde in der<br />
Höhe und 16° pro Sekunde nach der Seite<br />
gefordert.<br />
Eine höchstmögliche Anfangsgeschwindigkeit<br />
(Vo) ist entscheidend, um die Waffenwirkung<br />
schnell in das Zielgebiet zu<br />
63<br />
Spurensuche<br />
Feldherren<br />
HELGOLAND HEUTE: Ein<br />
friedliches Eiland mitten<br />
in der Nordsee. Foto: U. Kaack<br />
Richard I. Löwenherz<br />
Der Krieger auf<br />
dem Königsthron<br />
IM HEILIGEN LAND: Richard I. und seine Armee beten<br />
vor einer Schlacht gemeinsam. Der König begibt<br />
sich schon kurz nach seiner Thronbesteigung auf den<br />
Kreuzzug und kämpft stets an der Seite seiner Truppe.<br />
Illustration von Gustave Doré aus dem 19. Jhd.<br />
„Spielball“ der Weltgeschichte<br />
Helgoland<br />
Helgoland ist einzigartig. Zum einen durch die exponierte Lage im Herzen der Deutschen<br />
Bucht, vor allem aber durch die wechselvolle Historie. Ein Mikrokosmos. Mehrfach<br />
wurde der kleine rote Felsen zum Spielball der Weltgeschichte. Von Ulf Kaack<br />
S<br />
eit dem 7. Jahrhundert ist das Eiland riker und Leiter des Museums Helgoland, 1906 nimmt das Projekt gewaltige Formen<br />
von Friesen bewohnt. Im 12. und 13. die wechselvolle Inselgeschichte. „Die Preußen<br />
maßen Helgoland eine hohe strategische wird in den Kreidefelsen der Insel getrie-<br />
an: Ein großdimensioniertes Stollensystem<br />
Jahrhundert untersteht es der Dänischen<br />
Krone, anschließend dem Herzogtum Bedeutung zu. Als Artillerievorposten zum ben. Räume, Verzweigungen sowie Schächte<br />
für Aufzüge und zur Belüftung werden<br />
Schleswig. 1807 wird der sturmumtobte Felsen<br />
von den Briten als Kolonie in das Vereingen<br />
zum Nord-Ostsee-Kanal, zur Elbe, We-<br />
gebaut. Bis 1914 werden der Nordsee 86<br />
Schutze der Nordseeküste sowie den Zugänte<br />
Königreich integriert. Während der Kontinentalsperre,<br />
die 1814 durch den Kieler Frie-<br />
eisfreier Kriegshafen in vorgeschobener Lado-,<br />
Scheiben- und U-Boothafen. Außerser<br />
und Jade. Vor allem aber als dauerhaft Hektar abgetrotzt. Es entstehen der Torpeden<br />
beendet wird, erleben die Helgoländer ge.“<br />
dem ein Seefliegerstützpunkt mit Hangar,<br />
eine Hochzeit als Blockadebrecher und<br />
Flugzeugaufschleppe, Kraftwerk und den<br />
Schmuggler. Die Zeiten bleiben friedlich – lediglich<br />
1849 und 1864 kommt es zu deutsch-<br />
Zügig geht Wilhelm II. daran, die Insel zu Im Mai 1908 beginnt die Neuarmierung<br />
Aufrüstung im Kaiserreich erforderlichen Versorgungseinrichtungen.<br />
dänischen Seegefechten in Sichtweite von einer Festung auszubauen und einen Marinehafen<br />
anzulegen. 1891 entstehen erste gruppe erhalten jeweils zwei moderne 30,5-<br />
der Festungsartillerie. Die Nord- und Süd-<br />
Helgoland.<br />
„Im Tausch gegen Handelsrechte in Ost- Gebäude, ein Jahr später wird an der Nordund<br />
Südspitze je ein Kanonenstand mit cm-Geschützstände. Dazwischen liegen be-<br />
cm-Krupp-Doppeldrehtürme und zwei 21-<br />
Afrika, im sogenannten Helgoland-Sansibar-<br />
Vertrag, kam Helgoland am 10. August 1890 zwei 21-cm-Geschützen errichtet. Es folgt sagte acht Haubitzenbatterien sowie diverse<br />
unter die Regentschaft des deutschen Kaiserreiches“,<br />
erklärt Jörg Andres, Insel-Histo- mit acht schweren 28-cm-Geschützen. Geschützen, Kommando- und<br />
eine Haubitzenbatterie auf dem Oberland kleinere Anlagen mit leichten und mittleren<br />
Peilständen,<br />
68<br />
MILITÄRISCHE ASPEKTE: Diese 1714 (unter dänischer<br />
Regentschaft) entstandene Abbildung zeigt<br />
nicht nur die Insel, sondern ist auch eine Studie<br />
über mögliches Artilleriefeuer.<br />
Beobachtungs- und Scheinwerfereinrichtungen.<br />
Auf dem Unterland befindet sich eine 1. August 1914 müssen alle Helgoländer ih-<br />
Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges am<br />
Batterie mit zwei 8,8-cm-Geschützen, vier re Insel verlassen und werden im Umland<br />
3,7-cm-Revolverkanonen und Maschinengewehren.<br />
Die Düne (Name der östlich gelege-<br />
nach der Übergabe 1890 englisch geblieben<br />
Hamburgs untergebracht. Familien, die<br />
nen Nebeninsel) wird von einer Flak-Batterie<br />
mit vier 8,8-cm-Geschützen und einer Ruhleben bei Berlin. Britisch geborene In-<br />
waren, kommen in das Internierungslager<br />
weiteren Stellung mit drei 3,7-cm-Revolverkanonen<br />
sowie Maschinengewehren gestellt<br />
und vom Kriegsdienst befreit.<br />
sulaner werden unter Polizeiaufsicht geschützt.<br />
Deutschstämmige hingegen werden zur<br />
„BIG BANG“ AUF HELGOLAND: In der bis<br />
heute weltweit größten nichtnuklearen<br />
Explosion detonieren am 18. April 1947<br />
6.700 Tonnen Sprengstoff.<br />
Marine eingezogen. Helgoländer in Diensten<br />
des Militärs – das hat es bislang noch<br />
nicht gegeben. Zurück auf der Insel bleibt<br />
eine 4.000 Mann starke militärische Besatzung<br />
für die Bedienung der Festungsartillerie<br />
und den Betrieb des Hafens.<br />
Seegefecht bei Helgoland<br />
Der Erste Weltkrieg beginnt für den roten<br />
Felsen mit einem dramatischen Paukenschlag.<br />
Mit einer List locken überlegene britische<br />
Seestreitkräfte am Morgen des 18.<br />
S.68<br />
August 1914 die Einheiten des V. Torpedobootgeschwaders<br />
sowie mehrere kleine<br />
Kreuzer in die Deutsche Bucht. Es kommt<br />
zu einer ersten Feindberührung, bei der das<br />
deutsche Torpedoboot „V 187“ versenkt<br />
und der britische Kreuzer „HMS Arethusa“<br />
erheblich beschädigt werden.<br />
69<br />
Bis heute: Richard Löwenherz ist eine der romantisch<br />
ichard, der gar kein Englisch spricht, verklärtesten Figuren der Geschichte, und er gilt nach<br />
hält sich während seiner Regierungs-<br />
nur einige Monate in England wie vor als einer der „englischsten“ Könige der<br />
Rzeit<br />
auf. Sein Kampf gegen Sultan Saladin im<br />
britischen Geschichte…<br />
Von Otto Schertler<br />
Verlauf des Dritten Kreuzzugs ist ebenso<br />
von zahlreichen Legenden umrankt wie die<br />
Zeit seiner daran anschließenden Gefangenschaft<br />
in Österreich und Deutschland. Selbst widerspenstigen Vasallen, feindlichen nicht im Feld steht. Er beteiligt sich an der<br />
schaftszeit in nicht endende Kämpfe mit schaft kein Jahr seines Lebens in dem er<br />
die Umstände seines Todes erhöhen ihn Nachbarn und dem französischen Königtum<br />
verstrickt sieht.<br />
schen König unterstützten Rebellion gegen<br />
von 1173–1174 währenden, vom französi-<br />
über das Maß anderer Sterblicher – vergibt<br />
er doch auf dem Totenbett dem französischen<br />
Armbrustschützen, der ihn tödlich her den Krieg aus eigener Erfahrung Tod im Jahr 1189 nicht mehr versöhnen<br />
Bereits in jungen Jahren lernt er da-<br />
seinen Vater, mit dem er sich bis zu dessen<br />
verletzt hatte. Richard Löwenherz entstammt<br />
der Dynastie der Normannen, die<br />
dieser Zeit vergeht diesen frühen Jahren ist Graf Philipp von<br />
kennen, und seit wird. Einer der Lehrmeister Richards in<br />
seit 1066 die Herrschaft über England innehat.<br />
Er wird am 8. September 1157 in Oxford<br />
seiner Gefangen-<br />
Krieger seiner Zeit gilt.<br />
– bis auf die Phase Flandern, der als einer der verschlagensten<br />
als dritter Sohn König Heinrichs II. geboren.<br />
Besonders die französische Abstammung seiner<br />
Mutter Eleonore von Aquitanien soll das<br />
Größere Schlachten hat Richard hier – bis<br />
Verbrannte Erde<br />
zukünftige Leben Richards zu einem großen<br />
auf eine Ausnahme nicht zu bestehen,<br />
Teil bestimmen. Die aus der nach ihnen benannten<br />
Normandie stammenden Könige<br />
Kämpfen um kleinere Gefechte oder Be-<br />
eher handelt es sich bei den zahlreichen<br />
Englands sind nämlich durch vielfältige dynastische<br />
Beziehungen eng an ihre weitreisucht<br />
man nämlich während des Mittelallagerungen.<br />
Große Feldschlachten verchenden,<br />
im Westen Frankreichs gelegenen<br />
ters so gut wie möglich zu vermeiden, zu<br />
Besitzungen gebunden. Dieser gesamte Herrschaftskomplex<br />
wird zusammen mit Engte<br />
Macht zu verlieren. Schon der während<br />
hoch ist das Risiko, die eigene bewaffneland<br />
als das Angevinische Reich bezeichnet.<br />
des späten 4. Jahrhunderts n. Chr. lebende<br />
Bereits 1172 erhält Richard im Alter von nur<br />
römische Militärschriftsteller Vegetius rät<br />
fünfzehn Jahren das Amt des Herzogs von<br />
in seinem berühmten Handbuch „Epitoma<br />
Aquitanien, wo er sich während seiner Herr-<br />
rei militaris“, einer Kompilation älterer<br />
Schriften, in Bezug auf Feldschlachten:<br />
„Lass es sein!“ Das Werk des Vegetius ist<br />
FAKTEN Wichtige Kämpfe<br />
während des Mittelalters an den Herrscherhöfen<br />
wohlbekannt, und diesem<br />
4.10.1190: Eroberung von Messina<br />
Frühjahr 1191: Eroberung von Zypern<br />
12.7.1191: Eroberung von Akkon<br />
POPULÄR BIS HEUTE: Die faszinierende<br />
7.9.1191: Schlacht bei Arsuf<br />
Aura des „guten Königs“ Richard Löwenherz<br />
ist bis heute ungebrochen. Hier eine<br />
Anfang August 1192: Eroberung von Jaffa<br />
4.8.1192: Schlacht bei Jaffa<br />
Statue vor dem Parlamentsgebäude in<br />
4.7.1194: Fréteval<br />
London: Selbstbewusst und stolz sitzt<br />
28.9.1198: Gisors<br />
Richard I. auf seinem Ross.<br />
74<br />
S.74<br />
75<br />
Militär und Technik<br />
„Fliegen, wo die Flotte fährt“. ........................................................................56<br />
Deutsche Marineflieger nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
Die „Acht-Acht“...............................................................................................................................62<br />
Das gefürchtete Allzweckgeschütz der Wehrmacht<br />
Spurensuche<br />
Hochseeinsel Helgoland............................................................................................68<br />
„Spielball“ der Weltgeschichte<br />
Feldherren<br />
Richard Löwenherz................................................................................................................74<br />
Englands berühmter König und<br />
Feldherr des Mittelalters<br />
Museum<br />
An historischer Stätte. ....................................................................................................80<br />
Das Garnisonsmuseum Wünsdorf stellt sich vor<br />
<strong>Vorschau</strong>/Impressum ..........................................................82<br />
Titelbild: Fotomontage – Britischer Bomber über<br />
Häuserruinen in Hamburg.<br />
Titelfotos: Dietmar Hermann; picture-alliance/akg-images; WEIDER HISTORY GROUP; Bundesarchiv, Bild 101I-443-1574-26 / Zwilling,<br />
Ernst A.; picture-alliance/akg-images (2x); Bibliothek für Zeitgeschichte (2x)<br />
Clausewitz 3/2013<br />
5
Clausewitz<br />
Magazin<br />
Deutsche Kriegsgefangene und belgische<br />
Truppen passieren eine Brücke<br />
über die Yser in Flandern.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images/Jean-<br />
Pierre Verney<br />
AUSSTELLUNG<br />
In Flanders Fields Museum<br />
Neue Dauerausstellung zur Geschichte des Ersten Weltkriegs<br />
Das In Flanders Fields Museum widmet<br />
sich der Geschichte des Ersten Weltkriegs<br />
in der westflämischen Frontregion<br />
Westhoek. Es befindet sich in den wieder<br />
aufgebauten Tuchhallen von Ypern, einem<br />
wichtigen Symbol für Kriegsleiden und die<br />
danach folgende Auferstehung.<br />
Die völlig neu konzipierte, stark multimedial<br />
ausgerichtete Dauerausstellung erzählt<br />
von der Invasion Belgiens und den ersten<br />
Monaten des Bewegungskriegs, von den vier<br />
Jahren Stellungskrieg im Westhoek, vom<br />
Ende des Krieges und vom fortwährenden<br />
Gedenken an die schrecklichen Ereignisse.<br />
Der Schwerpunkt der Szenografie liegt<br />
auf der menschlichen Erfahrung und widmet<br />
der heutigen Landschaft als einem der<br />
letzten greifbaren Zeugen der Kriegsgeschichte<br />
große Aufmerksamkeit. In diesem<br />
Rahmen ist im Museumsparcours auch ein<br />
Besuch des Belfrieds (Turm) möglich, von<br />
dem aus Sie einen Ausblick über die Stadt<br />
und die umliegenden Schlachtfelder haben.<br />
Hunderte Originalobjekte und Bilder werden<br />
in einer erneuerten erfahrungsorientierten<br />
Gestaltung präsentiert.<br />
Das In Flanders Fields Museum, benannt<br />
nach dem englischsprachigen Gedicht John<br />
McCraes aus dem Jahr 1915, bietet mehr als<br />
eine ständige Ausstellung.<br />
Es existiert eine pädagogische Abteilung<br />
für Schüler aus dem In- und Ausland und<br />
ein kulturelles und künstlerisches Begleitprogramm.<br />
Im Wissenszentrum des Museums<br />
kann sich jeder Besucher noch intensiver<br />
mit einer der dramatischsten Perioden<br />
der Weltgeschichte beschäftigen. Individuell<br />
kann man sich dort auf die Suche nach<br />
der großen, globalen Hintergrundgeschichte<br />
oder nach der sehr persönlichen oder regionalen<br />
Geschichte begeben.<br />
Kontakt:<br />
In Flanders Fields Museum<br />
Lakenhallen – Grote Markt 34<br />
B - 8900 Ieper<br />
Tel: + 32(0)57.239.220<br />
E-Mail: flandersfields@ieper.be<br />
www.inflandersfields.be<br />
Einmalig in Deutschland: Dieser „Tiger I“ (Ausf E) ist ein besonderes Zeugnis der Technikgeschichte.<br />
Geringe Bauzahlen, nahezu pausenloser Einsatz und hohe Verluste machen<br />
den „Tiger“ heute zu einer wahren Rarität. Foto: Deutsches Panzermuseum Munster<br />
Deutschlands einziger „Tiger“<br />
Außergewöhnliches Exponat im Panzermuseum Munster<br />
In Fachkreisen ist dies eine Sensation:<br />
Weltweit waren bisher<br />
sechs erhalten gebliebene schwere<br />
Kampfpanzer vom Typ„Tiger I“<br />
bekannt. Keines der Exemplare<br />
befindet sich auf deutschem Boden.<br />
Scheinbar aus dem Nichts ist<br />
nun ein siebter „Tiger“ aufgetaucht<br />
– offensichtlich in einem<br />
hervorragenden Zustand. Seit<br />
dem 22. März 2013 ist der Stahlkoloss<br />
als Leihgabe für drei Jahre<br />
im Deutschen Panzermuseum im<br />
niedersächsischen Munster zu sehen.<br />
Mehr über diesen „Tiger“<br />
und seine Historie erfahren Sie in<br />
der nächsten Ausgabe von<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong>.<br />
6
Foto: picture-alliance/picture-alliance<br />
Fotos: Böker Manufaktur Solingen<br />
Skelett von König Richard III. entdeckt<br />
Forscher haben die Knochen des englischen Königs Richard III. identifiziert<br />
Archäologen haben das Rätsel<br />
um die sterblichen Überreste<br />
gelöst, die im September 2012 im<br />
Erdreich unter einem Parkplatz<br />
in der mittelenglischen Stadt Leicester<br />
gefunden worden waren.<br />
Laut DNA-Analyse stammen die<br />
500 Jahre alten Gebeine tatsächlich<br />
von König Richard III.<br />
Mithilfe von DNA-Material<br />
erstellten die Forscher ein<br />
biologisches Profil der Charakteristika<br />
des Königs und<br />
untersuchten die freigelegten<br />
Knochenreste auf Spuren, die<br />
auf einen gewaltsamen Tod<br />
hindeuteten. Der Totenschädel<br />
weist am Hinterkopf Spuren<br />
einer Wunde und die gekrümmte<br />
Wirbelsäule eine<br />
eingedrungene Pfeilspitze auf.<br />
Richard III. war 1485 in der<br />
Schlacht von Bosworth, dem<br />
Höhepunkt der sogenannten<br />
Rosenkriege, gefallen.<br />
Ob außergewöhnliche<br />
Sammlerschwerter<br />
oder imposante<br />
Prunkstücke:<br />
Von antiken römischen<br />
Kurzschwertern<br />
bis zu japanischen<br />
Ninja-Schwertern,<br />
von den Schwertern elbischer<br />
Krieger bis zu den<br />
sagenhaften Schwertern<br />
und Streitäxten des Mittelalters<br />
reicht die Auswahl<br />
der Manufaktur „Böker“ in<br />
Solingen. Gefertigt aus rostfreiem<br />
Edelstahl, als handgeschmiedete<br />
Klinge aus 200-<br />
lagigem Damaststahl oder<br />
aus Kohlenstoffstahl, sind diese<br />
hochdekorativen Schwerter<br />
und Äxte Glanzpunkte jeder<br />
Sammlung.<br />
Seit 1869 werden in der<br />
„Klingenstadt“ die berühmten<br />
Messer der Marke „Böker“ von<br />
Hand gefertigt. Die Historie des<br />
Unternehmens ist geprägt von<br />
ereignisreichen Zeiten. Eines ist<br />
Clausewitz 3/2013<br />
Bereits bevor bekannt wurde,<br />
dass es sich bei dem Skelett tatsächlich<br />
um die Überreste von<br />
Porträt von Richard III.,<br />
König von England (1483-1485).<br />
Scharfe Schwergewichte<br />
„Böker“-Manufaktur ist „erste Adresse“ für Liebhaber<br />
hochwertiger Schwerter<br />
aber in über 144 Jahren immer<br />
gleich geblieben: die Leidenschaft<br />
und Begeisterung für außergewöhnliche<br />
Produkte.<br />
Die „Böker“-Manufaktur<br />
hat sich zu einem weltweiten<br />
Innovationsführer<br />
und zum größten Hersteller<br />
von Sport-, Einsatzund<br />
Sammlermessern in<br />
Europa entwickelt.<br />
Eine große Stärke des<br />
„Böker“-Sortiments<br />
und begehrt bei Messersammlern<br />
im Inund<br />
Ausland sind die<br />
exklusiven und weltweit<br />
streng limitierten Sondereditionen.<br />
Hier sind vor<br />
allem die „Böker“-Damast-<br />
Jahresmesser und „Magnum<br />
Collection Modelle“ zu nennen,<br />
die als Manufakturprodukte<br />
durch Handwerkskunst,<br />
innovatives Design<br />
und attraktive Materialauswahl<br />
überzeugen.<br />
www.boker.de<br />
Richard III. handelt, hatte die<br />
zuständige Ausgrabungsleiterin<br />
erklärt, der gefundene Schädel<br />
sei „in gutem Zustand“ und<br />
verrate viele Einzelheiten über<br />
den Toten. Die DNA-Proben für<br />
den Abgleich erhielten die Archäologen<br />
von dem 55-jährigen<br />
kanadischstämmigen Michael<br />
Ibsen, der in 17. Generation mit<br />
Richard verwandt ist.<br />
Historiker gingen stets<br />
davon aus, dass Richard III. in<br />
Leicester in einer Franziskanerkirche<br />
bestattet wurde. An<br />
ihrem ehemaligen Standort befindet<br />
sich heute der Parkplatz,<br />
unter dem die Forscher das<br />
Skelett freilegten.<br />
Richard III. hatte von 1483<br />
bis 1485 regiert und wurde<br />
durch das gleichnamige Drama<br />
von William Shakespeare weltberühmt.<br />
1813<br />
Vor 200 Jahren – am 10. März des<br />
Jahres 1813 – stiftete der preußische<br />
König Friedrich Wilhelm III. in<br />
der niederschlesischen Stadt Breslau<br />
für den Verlauf der „Befreiungskriege“<br />
das von Karl Friedrich Schinkel<br />
entworfene Eiserne Kreuz.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
ENGLISCHSPRACHIGES<br />
Bowmen of<br />
England<br />
Der Langbogen als<br />
Revolution auf dem<br />
Schlachtfeld<br />
Der mit hoher Durchschlagskraft<br />
und großer Reichweite<br />
ausgestattete Langbogen<br />
stammt ursprünglich aus Wales.<br />
Wie aber gelang diese Waffe<br />
in die englischen Armeen,<br />
die in Schlachten wie Crécy<br />
oder Azincourt französische<br />
Ritterheere schlugen? Wer waren<br />
die Bogenschützen und<br />
welche Stellung in der damaligen<br />
Gesellschaft besaßen sie?<br />
Und schließlich:<br />
Welchen Einfluss<br />
hatte der Langbogen<br />
auf die<br />
Kriegführung<br />
und weshalb<br />
musste er im<br />
frühen 16. Jahrhundert<br />
der<br />
Schusswaffe<br />
weichen – obwohl<br />
seine Buch wird seit<br />
Klassiker: Das<br />
Schussfrequenz seiner Erstveröffentlichung<br />
und Reichweite<br />
kontinuierlich<br />
den frühen<br />
aufgelegt.<br />
Musketen überlegen<br />
war?<br />
Antworten liefert der Militärhistoriker<br />
Donald Featherstone<br />
in seinem Buch<br />
„Bowmen of England“ (erstmals<br />
erschienen 1967). Er<br />
schreibt in einem flüssig lesbaren<br />
Stil. Sein Prolog ähnelt einem<br />
Roman wie Bernard<br />
Cornwells „Das Zeichen des<br />
Sieges“.<br />
Dies hat allerdings den<br />
Nachteil, dass der Autor teilweise<br />
sehr lax mit seinen Quellen<br />
umgeht – es ist nicht immer<br />
klar, woher Featherstone seine<br />
Informationen bezieht. Trotzdem:<br />
Wer eine gut lesbare Einführung<br />
in die Geschichte des<br />
englischen Langbogens von<br />
circa 1200 bis in das 16. Jahrhundert<br />
sucht, ist mit diesem<br />
„Oldie“ sehr gut beraten.<br />
Donald Featherstone: Bowmen<br />
of England. Nur in englischer<br />
Sprache erhältlich.<br />
7<br />
Foto: Archiv <strong>CLAUSEWITZ</strong>
Clausewitz<br />
Magazin<br />
ZEITSCHICHTEN<br />
Heute: Das Brandenburger Tor in<br />
Berlin ist als eines der bekanntesten<br />
Wahrzeichen Deutschlands ein Touristenmagnet.<br />
Seit dem Ende der DDR<br />
wird es häufig mit der Wiedervereinigung<br />
assoziiert.<br />
Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt<br />
eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit<br />
und Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />
Damals: Ein russischer Panzer unter<br />
der Quadriga 1945 symbolisiert den<br />
endgültigen Fall des „Dritten Reichs“.<br />
Die Grenze zwischen Ost und West im<br />
anschließenden Kalten Krieg verläuft<br />
genau hier.<br />
www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />
Foto: VIANOVA<br />
BUCHEMPFEHLUNG<br />
Briefe von der Front<br />
Feldpost eines Badischen Leib-Grenadiers 1914-1917<br />
Im Alter von 20 Jahren<br />
wird Hermann Föller<br />
zum 1. Badischen Leib-<br />
Grenadier-Regiment Nr.<br />
109 eingezogen und<br />
kommt im Jahr 1914 an<br />
die Westfront. Drei Jahre<br />
später erliegt der junge<br />
Grenadier einer Verwundung –<br />
dazwischen liegen 919 Tage im<br />
Schützengraben und über 360<br />
von ihm geschriebene Briefe in<br />
die Heimat. Das Buch „Feldpost<br />
eines Badischen Leib-Grenadiers“<br />
bietet anhand dieser Briefe und<br />
anderer historischer Dokumente<br />
eine ganz persönliche und unmittelbare<br />
Perspektive der dramatischen<br />
Ereignisse.<br />
Karten, Zeichnungen und<br />
Hintergrundinformationen lie-<br />
Herausragend: Die aufwendige<br />
Aufmachung des Buches<br />
unterstreicht die hohe inhaltliche<br />
Qualität.<br />
fern den Kontext zu den<br />
Briefen und Fotografien<br />
und ergeben zusammen<br />
ein detailliertes<br />
und faszinierendes Werk. Die<br />
hervorragende Aufmachung<br />
rundet die Lektüre ab – ein<br />
Buch, das den Leser vom ersten<br />
Moment an nicht mehr los und<br />
in das Leben Hermann Föllers<br />
eintauchen lässt.<br />
Susanne Asoronye (Hg.): Feldpost<br />
eines Badischen Leib-Grenadiers<br />
1914-1917. Mehr Informationen<br />
und Bestellmöglichkeit unter:<br />
www.feldpostbuch.de<br />
NEUERSCHEINUNG<br />
Deutsche Auszeichnungen<br />
Wichtige Orientierungshilfe für ein vielschichtiges Thema<br />
Wann, Warum, Wofür? Wenn<br />
uns die Auszeichnungen<br />
der NS-Zeit beschäftigen, stellen<br />
sich zwangsläufig diese Fragen.<br />
Angesichts der aktuellen<br />
Medienvielfalt und der nicht<br />
enden wollenden intensiven<br />
Auseinandersetzung mit der<br />
Zeitgeschichte des „Dritten Reiches“<br />
sind die Orden und Ehrenzeichen<br />
aus der Zeit des Nationalsozialismus<br />
eher ein<br />
Randthema. Doch für<br />
Redakteure bei den Medien,<br />
für Autoren, Filmemacher<br />
und historisch<br />
Interessierte ist es<br />
Orden und Ehrenzeichen der<br />
Wehrmacht 1936-1945 im<br />
Überblick.<br />
ein wichtiges Thema. Um den<br />
Überblick und einen ersten Einblick<br />
geht es in dem Typenkompass<br />
„Deutsche Auszeichnungen“.<br />
Vertiefende Texte, exzellente<br />
farbige Fotodarstellungen der<br />
Vorder- und Rückseiten der<br />
Auszeichnungen und zugeordnete<br />
Beispiele von Besitzzeugnissen<br />
machen das Buch zu<br />
einer wichtigen Orientierungshilfe.<br />
Volker A. Behr<br />
Deutsche Auszeichnungen<br />
– Orden und<br />
Ehrenzeichen der<br />
Wehrmacht 1936-<br />
1945<br />
Motorbuch Verlag<br />
128 Seiten, 9,95 EUR<br />
Foto: Motorbuch Verlag<br />
8
„Parchim“-<br />
Klasse<br />
der NVA<br />
Foto: picture-alliance/Wolfgang Weihs<br />
MUSEUMSTIPP<br />
Celler Garnison-Museum<br />
300 Jahre Militärgeschichte<br />
Das Celler Garnison-Museum<br />
widmet sich der Geschichte<br />
des in der niedersächsischen<br />
Stadt stationierten Militärs. In<br />
konzeptioneller Abstimmung<br />
mit dem Bomann-Museum, das<br />
die hannoversche Zeit behandelt,<br />
beginnt das Garnison-Museum<br />
seine Ausstellung mit den<br />
auch für Celle weitreichenden<br />
Veränderungen des Jahres 1866<br />
(der Annexion des Königreichs<br />
Hannover durch Preußen infolge<br />
des verlorenen „Deutschen<br />
Krieges“). Es führt seine Besucher<br />
durch insgesamt drei Jahrhunderte<br />
deutscher Geschichte<br />
bis in die Gegenwart hinein.<br />
Militärgeschichte sollte nicht<br />
isoliert und „für sich“, sondern<br />
immer auch im Zusammenhang<br />
mit der historischen Gesamtentwicklung<br />
der jeweiligen Epochen<br />
behandelt, vermittelt und<br />
verstanden werden. Insofern ist<br />
Militärgeschichte ein Aspekt der<br />
Landesgeschichte und Garnisongeschichte<br />
ein wesentlicher<br />
Bestandteil der Stadtgeschichte.<br />
Die Dauerausstellung<br />
des Museums präsentiert<br />
mehr als 1.000 Objekte.<br />
Dabei hat die Mehrzahl<br />
der umfangreichen<br />
Sammlung unmittelbaren<br />
Bezug zur Stadt und<br />
zur Region: Uniformröcke,<br />
Silberbesteck, Reservistenbilder,<br />
Urkunden,<br />
Säbel und zahlreiche<br />
weitere Exponate zeugen<br />
von der wechselvollen<br />
Geschichte der Stadt<br />
als Truppenstandort.<br />
Darüber hinaus „erzählen“<br />
sie die Lebensgeschichten von<br />
Menschen, die einst im Militär<br />
dienten, vom einfachen Soldaten<br />
bis zum General. Wohl einzigartig<br />
in Norddeutschland ist der<br />
umfangreiche Bestand des Museums<br />
an britischen Uniformen<br />
und Erinnerungsstücken, die die<br />
lange Anwesenheit britischer<br />
Britische Soldaten bei einer Militärparade durch die Innenstadt von Celle im Jahr 1971.<br />
Truppen in Celle dokumentieren.<br />
Technikgeschichtlich interessierte<br />
Besucherinnen und Besucher<br />
finden zudem eine bedeutende<br />
Spezialsammlung vor: Nachrichten-<br />
und Fernmeldegeräte<br />
sämtlicher deutscher Streitkräfte<br />
vom Kaiserreich bis in die Gegenwart.<br />
Kontakt:<br />
Celler Garnison-Museum<br />
Hafenstraße 4<br />
29221 Celle<br />
Tel.: 05141 / 21 46 42<br />
www.garnison-museum.celle.de<br />
Öffnungszeiten:<br />
Immer mittwochs von 13:00 bis<br />
18:00 Uhr und sonnabends von<br />
10:00 bis 14:00 Uhr<br />
Vom 1. Dezember bis inkl. 28. Februar<br />
sowie an Feiertagen ist das<br />
Museum geschlossen.<br />
Briefe an die Redaktion<br />
Allgemein zu <strong>CLAUSEWITZ</strong> 2/2013:<br />
Erstmal ein Lob voran: mit <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
ist Ihnen ein sehr gutes Magazin für Militärgeschichte<br />
gelungen. Ich bin ein junger<br />
und treuer Leser und bin sehr zufrieden<br />
damit. Unter den anderen historischen<br />
Magazinen sticht Ihres besonders durch<br />
die großzügige Illustration heraus. In der<br />
Ausgabe 2/2013 gefällt mir als Neuerung<br />
das Inhaltsverzeichnis, das durch die Titelbilder<br />
der Artikel ergänzt wurde. Außerdem<br />
ist die Idee mit dem „Damals und<br />
heute“-Bild von Ihnen sehr gut umgesetzt<br />
worden. Der Artikel über den Koreakrieg<br />
hat mir sehr gefallen, da dieses Thema<br />
leider immer mehr in Vergessenheit geraten<br />
ist. Dieser Krieg war die erste kriegerische<br />
Auseinandersetzung zwischen Ost<br />
und West – ein bedeutendes Ereignis im<br />
Kalten Krieg. (...) Ebenso gut gelungen<br />
finde ich den Hauptartikel über die<br />
Schlacht von Kursk und den Artikel „Miltärtechnik<br />
im Detail“. Für die Zukunft<br />
würde ich mir Artikel zu nicht so alltäglichen<br />
Themen wie dem sowjetisch-afghanischen<br />
Krieg oder der Schlacht um Chalchin<br />
Gol während des japanischsowjetischen<br />
Grenzkonfliktes wünschen,<br />
da viele dieser Themen weitreichende<br />
Folgen haben aber dennoch vergessen<br />
sind. Yannik Alexander, per E-Mail<br />
Zu „Der Anfang vom Ende ,General’<br />
Custers“ in <strong>CLAUSEWITZ</strong> 1/2013:<br />
G.A. Custer war aus dem US-Bürgerkrieg<br />
mit zwei Generalsrängen zurückgekehrt:<br />
zum einen als Generalmajor der Freiwilligen<br />
Verbände (U.S. Volunteers), zum anderen<br />
als Generalmajor der regulären US-Armee<br />
(U.S. Army). Damit war er der jüngste<br />
Generalmajor in der Geschichte des USamerikanischen<br />
Heeres, er zählte gerademal<br />
26 Jahre. Bei Beginn des Bürgerkrieges<br />
war er noch Leutnant gewesen.<br />
Als Befehlshaber des 7. US-Kavallerieregiments<br />
war seine Dienststellung (und<br />
sein Sold) de facto „nur“ die eine Oberstleutnants,<br />
der Generalstitel war ein Titular-Rang,<br />
er hatte Anspruch auf die Anrede<br />
„General“ und auf alle militärischen<br />
und protokollarischen Ehren eines Generals.<br />
Die Anführungszeichen in der Überschrift<br />
des Artikels von Herrn Kreuzer sind<br />
überflüssig.<br />
Es passt zum Wesen von G.A. Custer,<br />
dass er vor dem Aufbruch seines Regiments<br />
zum Little Bighorn<br />
die ihm angebotenen Gatling-Maschinengewehre<br />
zurückwies (sie würden<br />
nur die Schnelligkeit seines<br />
Vormarschs behindern)<br />
und die Säbel der<br />
Truppe im Fort einlagern<br />
ließ (sie könnten durch<br />
klappern am Sattelzeug indianische Späher<br />
warnen). Die Säbel wären im Nahkampf<br />
wohl nützlicher gewesen als im<br />
Depot, desgleichen die Gatling-MG. Zumal<br />
höchstens die Hälfte der indianischen<br />
Krieger am Little Bighorn mit Schusswaffen<br />
ausgestattet war, und das waren nicht<br />
alles moderne Repetiergewehre.<br />
Kurz vor der Schlacht war in den heiligen<br />
Bergen der Lakota-Sioux Gold gefunden<br />
worden. Die Lakota weigerten sich,<br />
ihre „Black Hills“ zu verkaufen.<br />
Mit Custers Niederlage hatte man seitens<br />
Clausewitz<br />
2/2013 März | April €5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />
Das Magazin für Militärgeschichte<br />
MILITÄR & TECHNIK:<br />
Schreiben Sie an:<br />
redaktion@clausewitz-magazin.de oder<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong>, Postfach 40 02 09, 80702 München<br />
Clausewitz<br />
NEUE SERIE<br />
Militärtechnik<br />
im Detail<br />
Teil 1: Sherman M4<br />
Erich<br />
von<br />
Manstein<br />
Hitlers<br />
umstrittener<br />
Stratege<br />
US-Fort Abraham<br />
Lincoln<br />
Custers letzter Posten<br />
Lechfeld 955<br />
Wie Otto I. über die<br />
Ungarn triumphierte<br />
Unternehmen „Zitadelle“<br />
Schlacht um<br />
Kursk<br />
1943 Zeitzeuge<br />
U-Jäger der Bundesund<br />
Volksmarine<br />
der Schlacht:<br />
Kriegsteilnehmer Anton Bumü ler berichtet<br />
von den Ereigni sen bei Kursk.<br />
der USA d e n Grund gefunden,<br />
mit allen Mitteln<br />
(nicht nur) gegen die Lakota<br />
vorzugehen, schon<br />
ein Jahr nach Custers Desaster<br />
waren die Lakota<br />
endgültig besiegt und die<br />
Goldfelder der Black Hills<br />
US-amerikanischer Besitz.<br />
Trotzdem: General Custer,<br />
NICHT „General“.<br />
Jürgen Kaltschmitt, per E-Mail<br />
Zu „Kursk 1943 – Unternehmen Zitadelle“<br />
in <strong>CLAUSEWITZ</strong> 2/2013:<br />
Da es sich bei dem Panzer auf Seite 19<br />
höchstwahrscheinlich um einen T34/85<br />
handelt kann die Aufnahme nicht vom<br />
Kursker Bogen zum Zeitpunkt von „Zitadelle“<br />
stammen. Dieses Modell kam erst<br />
Anfang 1944 zum Einsatz.<br />
Thomas Grosse, per E-Mail<br />
Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor,<br />
Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums<br />
sinnwahrend zu kürzen.<br />
„Thetis“-Klasse der<br />
Bundeswehr<br />
Clausewitz 3/2013 9
Titelgeschichte<br />
Alliierte Luftangriffe – „<strong>Operation</strong> Gomorrha“<br />
Bomben auf<br />
24. Juli 1943: Fast 800 Bomber der Royal Air Force befinden sich auf dem Weg in Richtung<br />
Hamburg. Ihre tödliche Mission ist der Auftakt zu einer Serie schwerer alliierter Luftangriffe,<br />
die das „Gesicht“ der Stadt Hamburg für immer veränderten... Von Peter Cronauer<br />
10
HILFLOS:<br />
Die Einwohner von Hamburg – sofern sie nicht den<br />
Luftangriffen zum Opfer fallen – müssen der Zerstörung<br />
ihrer Heimatstadt in mehreren alliierten Tag- und<br />
Nachtangriffen tatenlos zusehen. Ganze Stadtteile<br />
werden im Sommer 1943 in Schutt und Asche gelegt.<br />
Die alliierten Luftangriffe sollen die deutsche Zivilbevölkerung<br />
demoralisieren.<br />
Foto: SSPL/National Media Museum/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
Hamburg<br />
Clausewitz 3/2013<br />
11
Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
FAKTEN<br />
Alliierte Luftangriffe auf Hamburg, Sommer 1943<br />
Schwere alliierte Luftangriffe im Rahmen der <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong>:<br />
Mehr als 3.000 Flugzeuge kommen zum Einsatz, rund 9.000 Tonnen* Sprengbomben und<br />
Luftminen werden über dem Stadtgebiet von Hamburg abgeworfen.<br />
24.–25. Juli: Nachtangriff der Royal Air Force (RAF)<br />
25. Juli: Tagangriff der United States Army Air Forces (USAAF)<br />
27.–28. Juli: Nachtangriff der RAF<br />
28. Juli: Tagangriff der USAAF<br />
29.–30. Juli: Nachtangriff der RAF<br />
2.–3. August: Nachtangriff der RAF<br />
Dazwischen wurden noch leichtere Angriffe durchgeführt, beispielsweise durch Mosquito-<br />
Schnellbomber in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 1943.<br />
(*ohne US-Angriffe)<br />
12
Große alliierte Bomberverbände<br />
GEWALTIGE BOMBENLAST:<br />
Die Royal Air Force leitet die <strong>Operation</strong><br />
<strong>„Gomorrha“</strong> mit ihrem schweren Luftangriff<br />
in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1943<br />
ein und verwüstet dabei große Teile der Elbmetropole<br />
Hamburg – vor allem Wohnviertel<br />
werden schwer getroffen. Foto: ullstein bild – Bunk<br />
Clausewitz 3/2013<br />
13
Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
FAKTEN<br />
Deutsches Reich<br />
Verluste und Schäden in der Großstadt Hamburg<br />
Schätzungsweise mehr als 35.000 Tote und 120.000 Verletzte.<br />
Bei den Angriffen im Juli/August 1943 werden fast 280.000<br />
Wohnungen, und mehr als 3.000 Betriebe zerstört. Unzählige<br />
Baudenkmäler und Kunst- und Kulturschätze gehen unwiederbringlich<br />
verloren.<br />
14
In Schutt und Asche<br />
UNVORSTELLBAR:<br />
Das Ausmaß der Zerstörungen infolge der<br />
alliierten Luftangriffe auf Hamburg sprengt<br />
jede Vorstellungskraft. Ganze Straßenzüge<br />
werden durch Feuerstürme ausradiert, Zehntausende<br />
Menschen verlieren ihr Leben.<br />
Foto: ullstein bild - LEONE<br />
Clausewitz 3/2013<br />
15
Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
AUF KNOPFDRUCK: Blick ins Innere<br />
eines RAF-Bombers mit dem Auslöser für die<br />
Öffnung des Bombenschachtes.<br />
Foto: picture-alliance/Illustrated London News Ltd<br />
Am 24. Juli 1943 herrscht auf vielen<br />
Flugplätzen Großbritanniens seit den<br />
frühen Morgenstunden emsige Betriebsamkeit.<br />
Bis zum Abend müssen fast<br />
800 Bomber für den von Luftmarschall Arthur<br />
Harris befohlenen Einsatz gegen die<br />
deutsche Großstadt Hamburg bereit sein.<br />
Das Bodenpersonal hat alle Hände voll zu<br />
tun.<br />
Auch die Besatzungen der Flugzeuge bereiten<br />
sich auf den kommenden Einsatz vor.<br />
Piloten und Navigatoren nehmen an den<br />
Vorbesprechungen teil, studieren ihre Unterlagen,<br />
die Bordschützen ruhen sich aus.<br />
Viele sind angespannt, denn die deutsche<br />
Luftverteidigung ist ein gefährlicher<br />
Gegner – seit Monaten steigen die Bomber-<br />
Verluste der Royal Air Force (RAF) kontinuierlich<br />
an. Von manchen Einsätzen kehrte<br />
in der letzten Zeit fast ein Drittel der eingesetzten<br />
Maschinen nicht zurück. Alleine<br />
während der kürzlich abgeschlossenen<br />
viermonatigen „Schlacht um die Ruhr“ hatte<br />
es rund 3.000 Flugzeuge erwischt. Davon<br />
kehrten zwar mehr als 2.000 – viele schwer<br />
beschädigt – wieder zurück, doch fast 900<br />
Maschinen gingen verloren. Und weil in jeder<br />
davon eine mehrköpfige Besatzung saß,<br />
handelt es sich um den Verlust von insgesamt<br />
mehreren Tausend Kameraden.<br />
Dass diese Verluste dennoch nicht einmal<br />
fünf Prozent betragen – bezogen auf die gesamte<br />
Einsatzstärke der britischen Bomberflotte<br />
– ist dabei nur ein schwacher Trost.<br />
Nach stundenlanger Vorbereitung ist es<br />
schließlich soweit: Die ersten Maschinen<br />
UMSTRITTEN: Arthur Harris, Oberbefehlshaber<br />
des RAF Bomber Command, setzte auf Flächenbombardements<br />
in deutschen Städten,<br />
um die Zivilbevölkerung zu demoralisieren.<br />
Foto: ullstein bild<br />
rollen an den Start, fliegen zum Sammelpunkt<br />
und warten auf die anderen. Rund<br />
800 Maschinen in die Luft zu bringen, dauert<br />
seine Zeit. Mitunter kreisen die ersten<br />
Bomber bereits seit Stunden in der Warteschleife,<br />
während die letzten noch am Boden<br />
sind; doch nach einer ausgeklügelten<br />
Choreografie sind irgendwann alle in der<br />
Luft.<br />
Die „Wellen“ formieren sich<br />
Die jeweiligen Staffeln schließen sich zusammen,<br />
laufend stoßen weitere dazu, jede<br />
Besatzung sucht die ihr zugewiesene Position.<br />
Es ist nicht egal, welche Maschine wo<br />
fliegt, denn die Fracht im Bombenschacht<br />
ist nicht bei allen Bombern gleich. Einige<br />
transportieren bis zu vier Tonnen schwere<br />
Luftminen, andere Sprengbomben verschiedener<br />
Kaliber und wieder andere<br />
Stabbrandbomben oder Phosphorkanister.<br />
Um die gewünschte Wirkung über dem<br />
Zielort zu erzielen, muss diese Mischung in<br />
einer bestimmten Reihenfolge abgeworfen<br />
werden – entsprechend ist die Formation<br />
durchdacht und ihre Umsetzung erfordert<br />
Disziplin. Nach und nach bilden sich die<br />
einzelnen „Wellen“, reihen sich in der Höhe<br />
gestaffelt hintereinander ein, allmählich erhält<br />
die Formation ihre Gestalt. Schließlich<br />
16
Bombenhagel auf deutsche Städte<br />
IM VERBAND: US-Bomber werfen ihre todbringende<br />
Fracht über einer deutschen<br />
Stadt ab, Aufnahme aus dem Jahr 1943.<br />
Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
setzt sich die ganze Formation in Bewegung.<br />
Die Pfad- und Zielfindermaschinen<br />
fliegen voraus, die anderen folgen ihnen im<br />
Abstand von etwa fünf Minuten, ein weiterer<br />
„Bomberstrom“ geht auf Kurs in die<br />
Nacht hinaus.<br />
Unterdessen endet auf dem Fliegerhorst<br />
Parchim rund 40 Kilometer südlich von<br />
Schwerin die allabendliche Einsatzbesprechung<br />
für die Besatzungen der zweiten<br />
Gruppe des Nachtjagdgeschwaders 5.<br />
IM FEUERSTURM:<br />
Das Gemälde „Bombennacht“<br />
zeigt die<br />
brennende Kirche<br />
St. Katharinen in<br />
Hamburg. Das Bild<br />
hängt im Hamburger<br />
Rathaus.<br />
Abb.: picture-alliance/<br />
akg-images<br />
Nach und nach betreten Flugzeugführer<br />
und Bordfunker die halbdunklen Bereitschaftsräume,<br />
nehmen in Sesseln, oder um<br />
Tische herum Platz. Manche besprechen<br />
mit gedämpften Stimmen die letzten Einsätze,<br />
andere spielen Schach, oder hören<br />
mit geschlossenen Augen Musik.<br />
Gegen 22:00 Uhr wird Sitzbereitschaft<br />
angeordnet. Über der Nordsee werden<br />
Feinderfassungen gemeldet, aber zu diesem<br />
Zeitpunkt kann noch keiner vorhersagen,<br />
wohin es diesmal gehen und welche<br />
Stadt es treffen wird. Vielleicht wieder Berlin?<br />
Oder Stettin? Ein weiteres Mal schlüpfen<br />
die Besatzungen in ihre Kombinationen,<br />
eilen zu ihren Maschinen, klettern hinein,<br />
schnallen sich an, legen FT-Hauben,<br />
Atemmasken und Fallschirme an, und warten<br />
auf den Startbefehl. Unter den Männern<br />
ist auch ein Leutnant namens Peter Spoden.<br />
Warten auf den „scharfen“ Einsatz<br />
Der 1921 geborene Spoden meldete sich<br />
1940 freiwillig zur Luftwaffe und wollte<br />
Nachtjäger werden. Seine Ausbildung dauerte<br />
insgesamt 27 Monate. Seit dem 1. Juni<br />
1943, also seit beinahe acht Wochen, gehört<br />
er nun schon der 6. Staffel des Nachtjagdgeschwaders<br />
5 an, ohne bislang auch nur einen<br />
„scharfen“ Einsatz geflogen zu haben.<br />
Während seiner Ausbildung durchlief er im<br />
Schnelldurchgang die wichtigsten Entwicklungsstufen<br />
der bisherigen deutschen<br />
Nachtjagd: von der „hellen Nachtjagd“ der<br />
Jahre 1940 und 1941, als Scheinwerferbatterien<br />
den Nachthimmel ausleuchteten, damit<br />
die Jagdflieger auch nachts auf Sicht angreifen<br />
konnten, bis zum Sommer 1941, als<br />
die „helle Nachtjagd“ allmählich in die<br />
„dunkle“ überging. Neue Ortungsverfahren,<br />
die mittels Funkmesstechnik feindliche<br />
Clausewitz 3/2013<br />
17
Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
Flugzeuge im Nachthimmel ausmachen<br />
und eigene an sie heranführen können,<br />
wurden damals eingeführt. Beim sogenannten<br />
„Himmelbett“-Verfahren werden<br />
die Nachtjäger vom Boden aus geleitet und<br />
an den Gegner herangeführt.<br />
Das ging bis auf drei- bis vierhundert<br />
Meter genau, die restliche Distanz musste<br />
dann der Flugzeugführer mit seinem Sehvermögen<br />
überbrücken, wie es auch Peter<br />
Spoden am eigenen Leib erfuhr: „In einer<br />
hellen Mondnacht bereitete das Erkennen<br />
eines Gegners aus drei- bis vierhundert Metern<br />
Entfernung keinerlei Probleme. In einer<br />
dunklen Nacht konnte man immerhin<br />
noch 200 bis 300 Meter weit sehen, doch bei<br />
starkem Dunst oder Wolken gar nichts<br />
mehr.“<br />
BEI TAGE: Drei Maschinen vom Typ<br />
Short Stirling. Dieser Typ war nach der<br />
Avro Lancaster der bei der <strong>Operation</strong><br />
<strong>„Gomorrha“</strong> am häufigsten eingesetzte<br />
RAF-Bomber.<br />
Foto: RAF<br />
Bordeigenes Radar<br />
Bei der 6./NJG 5 begegnete er dann erstmals<br />
dem „Lichtenstein“-Gerät. Damit ausgerüstete<br />
Maschinen erkannte man am<br />
„Drahtverhau“ vor dem Bug. Allerdings<br />
war das bordeigene Radargerät den Einsatzverbänden<br />
vorbehalten, im Schulungsbetrieb<br />
gab es das noch nicht. Peter Spoden,<br />
der davon ausging, sogleich gegen die Engländer<br />
eingesetzt zu werden, wurde von<br />
seinem Gruppenkommandeur, Hauptmann<br />
Rudolf Schönert, gebremst: „Langsam,<br />
langsam. Machen Sie sich erst einmal<br />
mit ihrem Funker und dem Lichtenstein-<br />
Gerät vertraut.“<br />
Spodens Funker war ein 19 Jahre alter<br />
Unteroffizier aus der Region des Teutoburger<br />
Waldes. In den nun folgenden Tagen<br />
und Wochen lernten sich die beiden gegenseitig<br />
und gemeinsam jene neue Technik<br />
kennen:<br />
„Unsere Messerschmitt Bf 110 trug vor<br />
dem Bug Antennen zum Senden und Empfangen<br />
im Dezimeterbereich. Im Inneren<br />
des Rumpfes befanden sich vor dem Funkersitz<br />
drei Braunsche Röhren zur Wiedergabe<br />
von elektrischen Impulsen. Die Radarechos<br />
eines voraus fliegenden Flugzeugs<br />
stellten sich hier als leuchtende Zacken dar,<br />
aus denen der Funker bei richtiger Interpretation<br />
die Flughöhe und Flugrichtung<br />
des Gegners und die Distanz zu ihm herauslesen<br />
kann.“<br />
Ortung des Gegners<br />
Über die bordeigene „EiV“, die „Eigenverständigung“,<br />
dirigierte dieser dann seinen<br />
Flugzeugführer zum jeweiligen Übungsgegner<br />
hin:<br />
„Höher, höher! … Links, mehr links! …<br />
Rechts oben muss er sein! … Distanz 300<br />
Meter … 100 Meter … langsamer! … Wir<br />
überschießen!“<br />
In unzähligen Zieldarstellungs-, Messund<br />
Werkstattflügen übten sie diese Vorgehensweise,<br />
bei jedem Wetter, am Tag und in<br />
der Nacht. Dabei wäre jederzeit ein „scharfer<br />
Einsatz“ möglich gewesen. Nachtangriffe<br />
der RAF gab es genug, doch bislang war<br />
die Besatzung Spoden nicht zum Zug gekommen,<br />
weil jede „Himmelbett“-Stellung<br />
jeweils nur einen Nachtjäger leiten kann.<br />
Also lösten die Besatzungen einander ab:<br />
„Den Anfang bildeten immer die erfahrenen<br />
Besatzungen, die regelmäßig Abschüsse<br />
erzielten. Ging dann der Kraftstoff<br />
der ersten Maschine zur Neige, bekam der<br />
nächste Nachtjäger Startbefehl. Ich befand<br />
mich meist am Ende der Wartereihe...“<br />
GETROFFEN: Brennende Öltanks verdunkeln den Himmel über dem Hafen von Hamburg.<br />
Auch das Hafenviertel mit seinen Industrieanlagen erlitt schwere Schäden.<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
18
Alliierte Bomberströme nähern sich<br />
Deshalb weiß auch die Besatzung Spoden<br />
nicht, was auf sie zukommt, als die beiden<br />
am Abend jenes 24. Juli 1943 zur „Sitzbereitschaft“<br />
in ihre Maschine klettern. Werden<br />
sie wieder einmal dasitzen und warten<br />
bis zum Morgengrauen?<br />
Zur gleichen Zeit, im rund 430 Kilometer<br />
südwestlich von Parchim gelegenen Stade<br />
an der Niederelbe: Im Mammut-Gefechtsbunker<br />
der 2. Jagddivision wächst die<br />
Anspannung, er ist eine von fünf Schaltzentralen<br />
der deutschen Reichsverteidigung.<br />
Hier laufen die Meldungen von Horchposten,<br />
Radarstellungen und sonstigen Beobachtungs-<br />
und Frühwarnsystemen zusammen;<br />
von hier aus werden die Gegenmaßnahmen<br />
der ihr unterstellten Flak und<br />
Nachtjagd koordiniert.<br />
Den gewaltigen Innenraum des Bunkers,<br />
der mit seinen höhengestaffelten Sitzreihen<br />
einer Sporthalle oder einem Theater<br />
STANDARDNACHTJÄGER: Maschinen<br />
vom Typ Messerschmitt Bf 110 bilden<br />
bis Kriegsende neben der Junkers Ju 88<br />
das Rückgrat der deutschen Nachtjagdgeschwader.<br />
Foto: Dietmar Hermann<br />
„Ich beglückwünsche die britischen Luftstreitkräfte<br />
und begrüße ihre Absicht, die Bombenangriffe auf<br />
Deutschland zu verstärken.“<br />
Vertrauliche Botschaft Josef Stalins an Winston Churchill vom 30. Juli 1943.<br />
ähnelt, dominiert in der Mitte eine riesige<br />
Milchglasscheibe, die beinahe die gesamte<br />
Höhe und Breite des Raumes einnimmt.<br />
Auf ihr ist die Landkarte des Deutschen<br />
Reichs zu sehen, vom darüber gelegten<br />
Quadratnetz der Jägerführung in Planquadrate<br />
unterteilt. Auf diese Karte werden jeweils<br />
die wandernden Positionen von einfliegenden<br />
Feindflugzeugen und eigenen<br />
Maschinen projiziert. Dafür sitzen auf der<br />
STOLZERFÜLLT: Ein Nachtjagdpilot der Luftwaffe vor dem Seitenleitwerk<br />
seiner Maschine, auf dem drei Abschüsse britischer<br />
Bomber markiert sind. Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
einen Seite der Glaswand Dutzende von<br />
Luftwaffen-Nachrichtenhelferinnen. Jede<br />
von ihnen hat zwei „Bildpunktwerfer“ vor<br />
sich – Urahnen heutiger Laserpointer – sowie<br />
ein Telefon, das direkt mit einer Funkmessstellung<br />
(Radar) verbunden ist. Sobald<br />
diese einfliegende Bomberverbände ortet,<br />
werden die entsprechenden Angaben dem<br />
Gefechtsstand übermittelt. Die vermutete<br />
Anzahl der Flugzeuge, deren Kurs und<br />
FIEBERTE SEINEM EINSATZ<br />
ENTGEGEN: Nachtjäger<br />
Peter Spoden. Foto: Peter Spoden<br />
Flughöhe sowie das Jägerquadrat werden<br />
genannt, in dem sie sich gerade befinden.<br />
Lautet eine Meldung beispielsweise „Etwa<br />
120 Flugzeuge in Gustav Cäsar fünf,<br />
Kurs Ost, Höhe 5.000“, dann richten die<br />
Nachrichtenhelferinnen ihre beiden Bildpunktwerfer<br />
auf das entsprechende Jägerquadrat<br />
in der Lagekarte auf der großen<br />
Milchscheibe. Dort zeigen jetzt rote Lichtpunkte<br />
die aktuelle Position des Gegners<br />
an, dessen Bewegungen werden von nun<br />
an laufend aktualisiert.<br />
Ruhe vor dem Sturm<br />
Auf der anderen Seite der Glaswand sind<br />
die roten Punkte gut zu sehen. Dort sitzen<br />
in langen Reihen die Jägerleitoffiziere und<br />
darüber der Kommandeur sowie die Verbindungsoffiziere<br />
mit ihren Schaltpunkten,<br />
über die sie mit sämtlichen Jagdverbänden,<br />
Nachtjagdstellungen und dem Flugmeldedienst<br />
verbunden sind. Nochmals eine Etage<br />
höher sitzen wiederum Dutzende weiterer<br />
„Lichtpunktwerfer“, die mit grünen<br />
Punkten die Position der eigenen Maschinen<br />
markieren.<br />
Auch hier beginnt der Abend des 24. Juli<br />
1943 zunächst ruhig. Seit dem schweren<br />
Angriff auf Aachen elf Tage zuvor hatte sich<br />
nichts Gravierendes mehr ereignet. Kurz<br />
vor Mitternacht laufen dann doch erste<br />
Meldungen ein. Wieder einmal wandern<br />
rote Lichtpunkte langsam auf der Milchglaskarte<br />
über die Ostsee, parallel zur deutschen<br />
Küste Richtung Osten. Die ersten<br />
Messerschmitt Bf 110 und Junkers Ju 88<br />
vom der 2. Jagddivision unterstellten<br />
Nachtjagdgeschwader 3 starten von ihren<br />
Fliegerhorsten in Stade, Vechta, Wittmundhafen,<br />
Wunstorf, Lüneburg und Kastrup,<br />
Clausewitz 3/2013<br />
19
Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
und nehmen ihre Wartepositionen in ihren<br />
jeweiligen „Himmelbetten“ über der deutschen<br />
Nordseeküste ein.<br />
Inzwischen steht fest, dass die voraus fliegenden<br />
„Pfadfinder“-Maschinen die Vorboten<br />
sind für einen großen, aus mehreren<br />
hundert Maschinen bestehenden Bomberstrom<br />
des Gegners. Was hat dieser vor? Er<br />
steuert direkt auf die Elbmündung zu. Wird<br />
er davor abschwenken? Nach Süden? Oder<br />
über Norddeutschland hinweg Richtung<br />
Ostsee? Vielleicht sogar in Richtung Berlin?<br />
Verheerender Radarausfall<br />
Doch plötzlich bleiben die roten Lichtpunkte<br />
auf der Glaswand stehen, verharren minutenlang<br />
auf ein und demselben Fleck.<br />
Nervosität macht sich breit. Was ist da los?<br />
Der Nachrichtenoffizier schaltet sich in die<br />
Direktleitungen zu den Radarstellungen ein<br />
Das Flakkampfabzeichen der<br />
Luftwaffe war eine Auszeichnung<br />
der Wehrmacht und wurde<br />
am 10. Januar 1941<br />
durch den Oberbefehlshaber<br />
der Luftwaffe, Hermann Göring,<br />
gestiftet. Die Verleihung<br />
des Abzeichens sollte<br />
die Erfolge der Flakartillerie<br />
sowohl bei der Abwehr<br />
von Luftangriffen als auch<br />
im Erdkampf würdigen.<br />
Foto: picture-alliance/Artcolor<br />
„Wir haben hier die Zerstörung einer Millionenstadt<br />
festzustellen, die bisher in der Geschichte wohl kein<br />
Beispiel findet. Es tauchen damit Probleme auf, die<br />
fast nicht zu bewältigen sind.“<br />
Propagandaminister Joseph Goebbels, Tagebucheintrag vom 29. Juli 1943<br />
und erhält auf seine Fragen überall dieselbe<br />
Antwort: „Die Geräte sind gestört, oder ausgefallen.“<br />
Vor allem die „Würzburg“-Geräte<br />
sind betroffen, über ihre Bildschirme flimmern<br />
nur noch wirre Echozacken, aus denen<br />
ist nichts Brauchbares herauszulesen.<br />
Das ist eine fatale Situation, denn von den<br />
präzisen Angaben der „Würzburg“-Geräte<br />
hängt die Führung der Nachtjäger in ihren<br />
„Himmelbetten“ ab, und nicht nur die, sondern<br />
auch die der Flak. Sowohl die einen,<br />
als auch die anderen, tappen nun im Dunkeln,<br />
und die Jägerleitoffiziere können augenblicklich<br />
gar nichts für sie tun. Auch die<br />
„Freya“-Geräte funktionieren nicht so wie<br />
gewohnt, zeigen schon mal Tausende von<br />
Flugzeugen an, die sich dann plötzlich wieder<br />
in Nichts auflösen; doch immerhin erkennen<br />
sie den Bomberstrom wenigstens<br />
noch in groben Zügen. Den oben<br />
lauernden Nachtjägern nutzt<br />
das jedoch nicht viel, sie sind<br />
völlig auf sich alleine gestellt.<br />
Tief unter ihnen, im Gefechtsstand,<br />
gilt es, jetzt<br />
bloß nicht die Nerven zu<br />
verlieren; die 2. Jagddivision<br />
bittet den Flugmeldedienst<br />
um Hilfe. Als hätte es<br />
das „Himmelbett“-Verfahren<br />
nie gegeben, als wäre diese<br />
gewaltige hoch technisierte Organisation<br />
der deutschen Nachtjagd<br />
gar nicht existent, wird nun auf<br />
Methoden aus der Anfangszeit des Krieges<br />
zurückgegriffen: auf die Beobachtungen<br />
der über das ganze Land verteilten<br />
Flugwachen am Boden. Diesen zufolge rieseln<br />
in der Nähe von Meldorf, über Dithmarschen,<br />
gelbe Leuchtkaskaden vom<br />
Himmel. Immer wieder neue Kaskaden,<br />
immer über demselben Gebiet: Da haben<br />
wohl „Pfadfinder“-Maschinen eine Wendemarke<br />
gesetzt. Tatsächlich bestätigen<br />
die nächsten Mitteilungen, dass der Bomberstrom<br />
geschlossen nach Südosten<br />
schwenkt, sich parallel zur Elbe weiterbewegend,<br />
hält er direkt auf Hamburg zu.<br />
Seit Kriegsbeginn hatte die alte Hansestadt<br />
bereits eine Vielzahl von Bombenangriffen<br />
zu überstehen, am Tag und in der<br />
Nacht – leichte, von einzeln fliegenden Maschinen<br />
durchgeführte, aber auch schwere,<br />
die bereits deutlich sichtbare Spuren hinterließen.<br />
Ist heute Nacht wieder die Elbmetropole<br />
dran?<br />
TRÜMMERWÜSTE: Ein kleiner Junge<br />
zwischen den kümmerlichen Überresten<br />
Hamburger Wohnblocks.<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
20
Zahlreiche Luftangriffe auf Hamburg<br />
ANGETRETEN: Besatzung und Bodenmannschaft<br />
eines schweren<br />
strategischen RAF-Bombers vom<br />
Typ Short Stirling.<br />
Foto: RAF<br />
HAUPTSACHE AM LEBEN: Menschen stehen Schlange, um eine<br />
Lebensmittelration zu erhalten.<br />
Foto: ullstein bild – Erich Andres<br />
VERHEEREND: Ein britischer Bomber beim Abwurf von Phosphorbomben,<br />
die in den dicht bebauten Stadtvierteln Hamburgs einen<br />
Feuersturm entfachten.<br />
Foto: ullstein bild – Archiv Gerstenberg<br />
Am Boden sind in und um Hamburg<br />
herum mehr als fünfzig schwere, gut zwei<br />
Dutzend leichte Flak- sowie 22 Scheinwerfer-<br />
und drei Nebelbatterien positioniert.<br />
Doch auch die Flak ermittelt ihre Schusswerte<br />
nach den Messdaten der „Würzburg“-Geräte.<br />
Dann, wenige Minuten vor<br />
01:00 Uhr nachts, dringen auch zu ihr keine<br />
brauchbaren Angaben mehr durch. Auf<br />
einen Schlag ist die komplette deutsche<br />
Luftraumverteidigung außer Gefecht gesetzt.<br />
Doch für Ursachenforschung bleibt<br />
jetzt keine Zeit, man kann die ersten Motorgeräusche<br />
bereits hören, die Kommandeure<br />
der Flak müssen improvisieren. Wenn<br />
schon kein gezieltes Schießen möglich ist,<br />
soll „Sperrfeuer“ die Angreifer wenigstens<br />
einschüchtern.<br />
Bomber über dem Zielgebiet<br />
Deren „Pfadfinder“-Maschinen befinden<br />
sich inzwischen über dem Stadtgebiet. Sie<br />
sind mit modernster Technik ausgestattet,<br />
unter anderem mit einem von den Briten<br />
als „H2S“ bezeichnetem Bodenradargerät,<br />
das die Umrisse der überflogenen Landschaften<br />
im Inneren der Maschine auf einem<br />
Bildschirm wiedergibt. Seen und<br />
Flüsse zeichnen sich hier als dunkle Flächen<br />
ab, Städte werden als helle Umrisse<br />
dargestellt. Man kann sogar einzelne Flaktürme<br />
erkennen.<br />
Gegen dieses Gerät sind jegliche Tarnversuche<br />
wirkungslos. Selbst bei völliger<br />
Dunkelheit, dichtem Nebel, Schneefall oder<br />
Regen und auch durch eine geschlossene<br />
Clausewitz 3/2013<br />
21
Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
BILD DER VERWÜSTUNG: Teile der schwer<br />
beschädigten Werftanlagen von Blohm &<br />
Voss.<br />
Foto: ullstein bild – AP<br />
Wolkendecke hindurch bekommt man damit<br />
ein stets ausgezeichnetes Bild vom Zielgebiet.<br />
Und das besteht in dieser Nacht aus den<br />
Hamburger Stadtteilen Barmbek, Hoheluft,<br />
Eimsbüttel, Altona sowie dem Hafen. Die<br />
„Pfadfinder“ beginnen zu markieren, werfen<br />
sogenannte Christbäume ab: an Fallschirmen<br />
herabschwebende Magnesiumkugeln,<br />
die den nachfolgenden Bombern<br />
das Zielen erleichtern sollen. Hier und da<br />
geht dabei auch etwas daneben, einige<br />
Markierungen werden an der falschen Stelle<br />
abgeworfen, aber darauf kommt es nun<br />
nicht mehr an. Der Auftakt zur <strong>Operation</strong><br />
<strong>„Gomorrha“</strong> nimmt seinen Lauf.<br />
Im Nachthimmel über Hamburg entsteht<br />
eine unfassbare Geräuschkulisse: In<br />
das Heulen der Sirenen mischt sich das<br />
Stakkato der wütend schießenden Flak, die<br />
Luft füllt sich mit einem anwachsenden<br />
Literaturtipps<br />
Jörg Friedrich: Der Brand – Deutschland im<br />
Bombenkrieg 1940–1945, München 2002.<br />
Rolf-Dieter Müller: Der Bombenkrieg<br />
1939–1945, Berlin 2004.<br />
DOKUMENT<br />
Auszug aus dem amtlichen Bericht des<br />
Polizeipräsidenten von Hamburg<br />
„Die Straßen waren mit Hunderten von Leichen bedeckt. Mütter mit ihren Kindern, Männer,<br />
Greise, verbrannt, verkohlt, unversehrt und bekleidet, nackend und in wächserner Blässe<br />
wie Schaufensterpuppen, lagen sie in jeder Stellung, ruhig und friedlich oder verkrampft,<br />
den Todeskampf im letzten Augenblick des Gesichts. Die Schutzräume boten das gleiche<br />
Bild, grausiger noch in seiner Wirkung, da es zu dem Teil den letzten verzweifelten Kampf<br />
gegen ein erbarmungsloses Schicksal zeigte.“<br />
Zitiert nach: Dokumente deutscher Kriegsschäden, 5 Bde., Bonn 1958-1964<br />
drohenden, tiefen Brummen, erzeugt von<br />
Tausenden großvolumiger Flugzeugmotoren;<br />
wenige Minuten nach den „Pfadfinder“-Maschinen<br />
hat nun auch der Bomberstrom<br />
das Zielgebiet erreicht.<br />
Wahres Inferno<br />
Eine Welle nach der anderen zieht darüber<br />
hinweg, schwere viermotorige Bomber<br />
vom Typ Avro Lancaster und Short Stirling<br />
öffnen ihre Bombenschächte, Dutzende<br />
zweimotoriger Vickers Wellington tun es<br />
ihnen gleich. Das Pfeifen der fallenden<br />
Bomben geht im allgemeinen Getöse unter.<br />
Luftminen und Sprengbomben explodieren,<br />
straßenzugweise werden Dächer abgedeckt,<br />
Häuserwände krachen zusammen<br />
oder werden aufgebrochen, Fenster und<br />
Türen aus ihren Verankerungen gerissen.<br />
Dazwischen regnen massenhaft lose gebündelte<br />
Stanniolstreifen herunter, und<br />
dann wieder Stabbrandbomben und Phosphorkanister.<br />
Erste Großbrände lodern auf,<br />
die Lichtkeulen der Flakscheinwerfer<br />
durchschneiden immer dickeren Rauch.<br />
Die betroffenen Stadtteile werden von einem<br />
wahren Inferno heimgesucht. Menschen<br />
– vor allem Frauen, Kinder und Alte –,<br />
die es nicht in die Luftschutzbunker geschafft<br />
haben, sterben im Rauch und in den<br />
Flammen. Viele Luftschutzkeller bieten keinen<br />
ausreichenden Schutz.<br />
Inzwischen hatte die 4. Jagddivision in<br />
Döberitz bei Berlin auch der II./NJG 5 in<br />
Parchim Startbefehl erteilt. Diesmal musste<br />
die Besatzung Spoden nicht bis zum Morgengrauen<br />
warten, sie war gleich mit von<br />
der Partie:<br />
„Ich befand mich im ,Himmelbett’-<br />
Raum ,Reiher’ nahe Lübeck, war als einer<br />
der letzten hoch geschickt worden und sah<br />
bereits kurz nach dem Start einen furchtbaren<br />
Flächenbrand westlich von mir. So etwas<br />
hatte ich noch nie gesehen. Mein Gott!<br />
22
Hamburg versinkt in Trümmern<br />
Sollte das etwa Hamburg sein? Die Hansestadt<br />
war noch mehr als 100 Kilometer entfernt,<br />
und trotzdem nicht zu übersehen.<br />
Gleichzeitig bereitete unser Lichtenstein-<br />
Gerät Probleme, mein Bordfunker berichtete<br />
von schweren Störungen, nur ein Flimmern<br />
sei zu sehen, es gab keine ablesbaren<br />
Zacken. Offenbar ging es den „Würzburg“-<br />
Geräten ebenso, auch sie waren gestört,<br />
mein Jägerleitoffizier konnte mich nicht ansetzen.<br />
Da sah ich mit bloßem Auge in großer<br />
Entfernung einige viermotorige Flugzeuge<br />
über der hellen, von Bodenbränden<br />
erleuchteten Wolkenschicht. – Klein wie<br />
Motten, aber unverkennbar Viermots! ,Lassen<br />
Sie mich dort hin!’, rief ich dem Jägerleitoffizier<br />
auf Kurzwelle zu. ,Nein, das<br />
kann ich nicht’, antwortete er, ,das ist außerhalb<br />
meines Raumes und zudem das<br />
Schießgebiet der Flak!’ ,Sprechen sie mit<br />
Berlin’, rief ich, ,lassen sie mich da hin, ich<br />
kann die ,Tommies’ sehen!’ Die Antwort<br />
kam prompt: ,Nein, sie haben im Raum ,Reiher’<br />
zu bleiben. Ich habe schon nachgehört,<br />
wir müssen mit Durchflügen rechnen.’“<br />
Trauerfeier: Gedenkveranstaltung für die Opfer der alliierten Bombenangriffe während der<br />
<strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong> auf Hamburg vor dem Rathaus der Stadt. Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
Systematische Zerstörung<br />
Peter Spoden ist verzweifelt! Da war er nun<br />
zwei Jahre lang ausgebildet worden, kann<br />
die gegnerischen Flugzeuge sehen, darf<br />
aber nicht hin. Natürlich kommen keine<br />
Durchflüge mehr, und als sein Sprit allmählich<br />
zur Neige geht, landet er vollkommen<br />
niedergeschlagen in Parchim. Auf dem dortigen<br />
Gefechtsstand ist die Hölle los! Alle<br />
Besatzungen, auch die erfahrenen, melden<br />
extreme Störungen und Fehlerfassungen<br />
des Bordradars, kaum einer hat Abschüsse<br />
erzielt. Stattdessen berichten alle von<br />
furchtbaren Bränden und Detonationen,<br />
und dass sie viele „Viermots“ zu Gesicht<br />
bekamen, sie aber nicht angreifen durften.<br />
Umgehend wird die Jagddivision kontaktiert,<br />
vielleicht auch der Oberbefehlshaber<br />
der Luftwaffe Hermann Göring selbst. Von<br />
allen anderen Nachtjagdgeschwadern gehen<br />
gleichlautende Meldungen ein, allerorten<br />
herrscht helle Aufregung.<br />
Mit jenem Angriff britischer Bomber in<br />
der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1943 beginnt<br />
die systematische Zerstörung weiter<br />
Teile Hamburgs aus der Luft.<br />
Im Cockpit seiner Messerschmitt wurde<br />
Peter Spoden Augenzeuge des schwersten<br />
Luftangriffs der bisherigen Kriegsgeschichte.<br />
Doch dieser Angriff auf Hamburg war<br />
nur der Auftakt zu einer ganzen Serie von<br />
Bombardierungen – auch durch Verbände<br />
der U.S. Army Air Forces – der Großstadt<br />
an der Elbe. <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong> – den<br />
grausigen „Höhepunkt“ bildete der orkanartige<br />
Feuersturm infolge des Angriffs vom<br />
27. Auf den 28. Juli – dauerte insgesamt bis<br />
zum 3. August 1943. Und es war kein Zufall,<br />
dass Spoden und seine Kameraden zur<br />
Untätigkeit verdammt waren: Der Gegner<br />
hatte Mittel und Wege gefunden, um die<br />
deutsche Raumnachtjagd mit einem Schlag<br />
auszuschalten.<br />
Schreckensbilanz<br />
Schätzungsweise mehr als 35.000 Zivilisten<br />
kamen infolge der Luftangriffe der <strong>Operation</strong><br />
<strong>„Gomorrha“</strong> ums Leben, weit mehr als<br />
100.000 Menschen wurden verletzt, Hunderttausende<br />
obdachlos. Ganze Stadtteile<br />
wurden großflächig ausradiert, bedeutende<br />
Kunst- und Kulturschätze sowie einzigartige<br />
historische Baudenkmäler gingen in den<br />
Flammen unwiederbringlich verloren.<br />
Menschen, die die Stadt noch rechtzeitig<br />
verlassen hatten, wurde im Sommer 1943<br />
unter Hinweis auf fehlende Unterkünfte<br />
und mangelnde Verpflegung dringend abgeraten,<br />
in die in weiten Teilen verwüstete<br />
Stadt zurückzukehren.<br />
Noch heute ragt mahnend die Ruine des<br />
Turmes der St. Nikolai-Kriche in den Hamburger<br />
Himmel. Auf dem Friedhof Ohlsdorf<br />
befindet sich das zentrale Massengrab der<br />
Bombenopfer mit einem Mahnmal zur Erinnerung<br />
an die Opfer von Krieg und Gewalt.<br />
BETONKLOTZ: Der Hochbunker auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg dient heute zivilen<br />
Zwecken.<br />
Foto: picture-alliance/Bildagentur-online/Ohde<br />
Peter Cronauer M. A., Jg. 1964, ist Luftfahrtjournalist<br />
mit dem Schwerpunkt Luftkrieg 1939-1945.<br />
Clausewitz 3/2013<br />
23
Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
Luftkrieg über Deutschland – Technologie und Strategie<br />
Kriegsschauplatz<br />
„Himmel“<br />
Sommer 1943: Der Luftraum über dem Deutschen Reich ist Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen<br />
zwischen alliierten Bomberverbänden und deutschen Jägern. Für beide<br />
Seiten spielt besonders die Radar-Technologie eine wichtige Rolle... Von Peter Cronauer<br />
Mitte 1943 ist der Himmel über dem<br />
Deutschen Reich längst ein hoch technisierter<br />
Kriegsschauplatz mit eigenen<br />
Gesetzen. Radar-Technologie spielt hier<br />
eine wesentliche Rolle. Auch das „Himmelbett“-Verfahren<br />
der deutschen Nachtjagd basiert<br />
darauf. Seine Stellungen bestehen jeweils<br />
aus einem „Freya“- sowie zwei „Würzburg“-<br />
Geräten. Ersteres steht bereits seit Kriegsbeginn<br />
im Einsatz und dient mit seiner Reichweite<br />
von bis zu 150 Kilometern als Frühwarnsystem.<br />
Es kann einen anfliegenden<br />
Verband erkennen und seine Flugrichtung ermitteln,<br />
jedoch nicht die exakte Anzahl der<br />
Flugzeuge und ihre genaue Flughöhe. Das<br />
übernimmt kurze Zeit später das im Sommer<br />
1941 einsatzreife „Würzburg“-Gerät.<br />
„Himmelbett-Stellungen“<br />
Im Einsatz verfolgt dann eines der beiden<br />
„Würzburg“-Geräte einen anfliegenden<br />
Bomber, das andere einen eigenen Nachtjäger,<br />
die von beiden erfassten Daten laufen in<br />
einer Leitstelle zusammen. Dort werden<br />
dann die Bewegungen der beiden Flugzeu-<br />
ge – die des Gegners und die des eigenen<br />
Nachtjägers – als roter, bzw. grüner Punkt<br />
auf die Glasplatte eines „Seeburg“-Auswertetisches<br />
projiziert. Ein Leitoffizier beobachtet<br />
die Kursdarstellung der beiden Maschinen<br />
und führt den deutschen Nachtjäger per<br />
Funk an seinen potentiellen Gegner heran.<br />
Seit August 1941 wurde eine „Himmelbett-Stellung“<br />
neben der anderen errichtet.<br />
Mitte 1943 reichen sie bereits in einem breiten<br />
Gürtel von Frankreich entlang der<br />
Nordseeküste bis nach Südnorwegen. Das<br />
„Himmelbett“-Verfahren hat jedoch auch<br />
Schwächen: Der Wirkungskreis jeder Stellung<br />
hängt von der Reichweite des „Würzburg“-Gerätes<br />
ab. Beträgt diese anfangs etwa<br />
35 Kilometer, wächst sie mit dem ab<br />
1942 einsatzreifen „Würzburg-Riese“ auf 70<br />
bis 80 Kilometer an. Doch weiterhin kann<br />
jede Stellung nur ein einziges gegnerisches<br />
Flugzeug erfassen und verfolgen und jeweils<br />
nur einen eigenen Nachtjäger führen,<br />
der sein „Himmelbett“ auch nicht verlassen<br />
darf. Solange dieses System nur einzeln<br />
FORTSCHRITTLICH: Die Antenne des<br />
auf seinem Betonsockel dreh- und<br />
schwenkbaren Radars „Würzburg-Riese“<br />
besaß einen Durchmesser von<br />
7,40 Metern. Die hohe Richtgenauigkeit<br />
des Funkmessgerätes erlaubte<br />
den Einsatz als Feuerleitradar. Es<br />
bildete einen wichtigen Baustein des<br />
deutschen Abwehrkampfes.<br />
Foto: ullstein bild – Photo12/Collection Bernard<br />
24
HINTERGRUND<br />
„Window“ (Radartäuschung)<br />
Für die „Lähmung“ der nächtlichen deutschen<br />
Luftverteidigung sorgen Stanniol-Streifen,<br />
zehn Millimeter breit und 30 Millimeter lang.<br />
In der Auftaktnacht zur <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
werden sie (Tarnname „Window“) erstmals auf<br />
dem europäischen Kriegsschauplatz eingesetzt.<br />
Insgesamt haben die britischen Bomber<br />
davon rund 92 Millionen Stück an Bord. Regelmäßig<br />
werden sie in losen Bündeln ausgestoßen,<br />
flattern in der Luft auseinander, bilden zu<br />
Tausenden flirrende Wolken und senken sich<br />
wie ein Radarstrahlen millionenfach reflektierender<br />
Nebel langsam auf die Erde nieder. Ihre<br />
Reflexionen blenden die Radar- und somit<br />
auch die Flugmelde- und Feuerleitgeräte der<br />
deutschen Abwehr, vereiteln ein gezieltes<br />
Schießen der Flak und setzen das „Himmelbett“-Verfahren<br />
schlagartig außer Gefecht.<br />
ge der bisherigen Luftangriffe diskutiert,<br />
aber auch die weitaus grundlegendere Frage,<br />
ob man einen Krieg – insbesondere einen<br />
Luftkrieg, der auf der Basis internationaler<br />
Abkommen wie den Haager Konventionen<br />
geführt wird – überhaupt gewinnen<br />
kann. Die bisherige Erfahrung zeige, dass<br />
rein militärische Ziele nur schwer zu eliminieren<br />
sind. Es drohe vielmehr ein langwieriger<br />
Schlagabtausch ohne Perspektive.<br />
Politische und militärische Gremien in<br />
Großbritannien suchen daher nach Auswegen<br />
aus diesem Dilemma.<br />
Auf eine „Lösung“ legt man sich schließlich<br />
fest: Am 14. Februar 1942 erlässt das<br />
Britische Luftfahrtministerium die „Area<br />
Bombing Directive“ – die „Anweisung zum<br />
flächigen Bombenangriff“. Dabei handelte<br />
es sich um eine großzügige Auslegung der<br />
von Air Marshall Hugh Trenchard bereits<br />
vor dem Krieg formulierten Doktrin. Dieser<br />
vertrat unter anderem die These, dass die<br />
gründliche und nachhaltige Zerstörung der<br />
gegnerischen Rüstungsindustrie strategisch<br />
weitaus wichtiger sei als beispielsweise<br />
der Sieg in einer Feldschlacht.<br />
Der in Baden-Baden geborene Physiker<br />
und Churchill-Vertraute Frederick A. Lindemann<br />
wird noch konkreter: In einem am<br />
30. März 1942 Churchill überreichten und<br />
IM ANFLUG: Boeing B-17F der 381st<br />
Bomb Group, deren Maschinen an den<br />
Tagangriffen Ende Juli 1943 auf Hamburg<br />
beteiligt sind, im Formationsflug über<br />
dem europäischen Festland. Foto: USAF<br />
fliegende Maschinen abzuwehren hat, die<br />
zeitlich versetzt und in lockerem Verband<br />
in den Luftraum über dem Reich eindringen,<br />
ist diese „gebundene“ Art der Nachtjagd<br />
durchaus effektiv.<br />
Britischer Strategiewechsel<br />
Alleine der Stellung „Tiger“ auf der niederländischen<br />
Insel Terschelling wird die Beteiligung<br />
an rund 150 Nachtabschüssen zugeschrieben.<br />
Doch das britische Bomber<br />
Command ändert seine Strategie. Innerhalb<br />
von einer Stunde, so hatten britische Verantwortliche<br />
errechnet, könne eine „Himmelbett-Stellung“<br />
rund sechs Abschüsse erzielen.<br />
Da werden einzeln fliegende Maschinen<br />
zur leichten Beute. Doch was<br />
geschieht, wenn eine große Anzahl Bomber<br />
die „Himmelbett-Stellungen“ möglichst<br />
gleichzeitig durchstößt? Das müsste die<br />
Verluste doch reduzieren.<br />
Nicht nur aus diesem Grund vollzog die<br />
britische Luftkriegführung im Frühjahr<br />
1942 einen grundlegenden Strategiewechsel.<br />
Im Vorfeld wurden die mäßigen Erfol-<br />
UM LEBEN UND TOD: Bomber des Typs Boeing B-17F der 8. US-Luftflotte werden während<br />
des Tagangriffs auf Hamburg am 25. Juli 1943 von einem deutschen Jäger bedrängt (erkennbar<br />
im Kreis rechts unten). Das gestrichelt dargestellte Zielgebiet – die Blohm & Voss<br />
Werft – ist durch Rauchwolken des vorhergegangen nächtlichen Bombardements durch die<br />
RAF verdeckt.<br />
Foto: USAF<br />
Clausewitz 3/2013 25
Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
TÖDLICHE FRACHT: Eine Avro Lancaster wird für einen weiteren Einsatz<br />
bestückt – in diesem Fall mit der gemischten Abwurflast aus<br />
konventionellen Sprengbomben und einer „Cookie“-Luftmine. Foto: RAF<br />
POSITIONSBESTIMMUNG: Am „Seeburg“-Auswertetisch laufen die<br />
Daten der beiden „Würzburg“-Geräte einer „Himmelbett“-Stellung<br />
zusammen.<br />
Foto: Sammlung W. Johnen<br />
später als „Dehousing Paper“ bezeichneten<br />
Memorandum schreibt er unter anderem,<br />
es sei erwiesen, dass die Zerstörung<br />
seines Heimes den Menschen moralisch<br />
tiefer erschüttere als der Tod von Freunden<br />
und Verwandten. Daher rate er, Lindemann,<br />
dazu, alle Kräfte auf die Produktion<br />
von Bomben und geeigneten Bombern<br />
zu konzentrieren, um bis Mitte 1943 fünfzig<br />
Prozent des Wohnraumes in allen größeren<br />
Städten Deutschlands zu zerstören.<br />
Auf diese Weise könne man die Moral des<br />
deutschen Volkes brechen und die Rüstungsproduktion<br />
komme zum Erliegen.<br />
„Moral Bombing“<br />
Vorrangiges Ziel des „Moral Bombing“ seien<br />
die Arbeiterwohnviertel, diese seien am<br />
dichtesten bebaut. Mit der Annahme dieses<br />
Vorschlags durch das britische Kabinett ist<br />
der Strategiewechsel vollzogen: Fortan ist<br />
die Zerstörung ziviler Bauten nicht mehr<br />
eine bedauerliche Begleiterscheinung von<br />
AVRO LANCASTER B.MK.III<br />
Nach & Thomson FN-20<br />
oder FN-120 Drehturm mit<br />
vier 7,65-mm-MG<br />
Flüssigkeitsgekühlte Packard Merlin<br />
28 12-Zylinder-Reihenmotoren<br />
Nach & Thomson FN-50<br />
oder FN-150 Drehturm<br />
mit zwei 7,65-mm-MG<br />
Angriffen auf militärische Ziele, sondern<br />
eher umgekehrt.<br />
Mit seinem neuen Oberbefehlshaber,<br />
Arthur Travers Harris, erhält das RAF Bomber<br />
Command am 22. Februar 1942 einen<br />
Mann „für’s Grobe“. Er findet zu Beginn<br />
seiner Amtszeit die nötigen Flugzeuge bzw.<br />
technischen Mittel vor, um die wenige Tage<br />
zuvor verabschiedete „Area Bombing Directive“<br />
in die Tat umzusetzen:<br />
Darunter befinden sich unter anderem<br />
schwere viermotorige strategische Bomber<br />
mit hoher Zuladung und großer Reichweite<br />
– Short Stirling, Handley Page Halifax<br />
und Avro Lancaster – sowie ein Hyperbel-<br />
Astronavigationskuppel<br />
für den Navigator<br />
Der 10,5 Meter lange durchgehende<br />
Bombenschacht ermöglicht die Mitnahme<br />
unterschiedlichster oder je nach Bedarf<br />
passend kombinierter Waffenlast<br />
Navigationssystem, das sogenannte GEE-<br />
Verfahren.<br />
„Casablanca beseitigte die letzten moralischen<br />
Hemmungen; wir erhielten für den Bombenkrieg<br />
völlig freie Hand.“<br />
Der Oberbefehlshaber des Bomber Command der RAF, Arthur Harris.<br />
Im Gegensatz zu den US-Bombern gibt<br />
es in der Lancaster keinen Copiloten.<br />
Rechts neben dem Flugzeugführer sitzt<br />
stattdessen der Flugingenieur<br />
Nach & Thomson<br />
FN-5A Drehturm mit<br />
zwei 7,65-mm-MG<br />
Bugkanzel mit Zielvorrichtung<br />
für den Bombenschützen<br />
Foto: RAF<br />
Neue Taktik und Technologie<br />
Hinzu kommt eine neue Taktik: Jetzt fliegen<br />
die Maschinen ihre Zielorte nicht mehr zeitlich<br />
verzögert, weit auseinandergezogen<br />
oder sogar einzeln an und werfen ihre Bomben<br />
dann, wenn sie davon ausgehen, ihr<br />
Ziel erreicht zu haben. Nun durchstoßen sie<br />
die deutschen Nachtjagdräume in einem<br />
großen, möglichst geschlossenen Verband,<br />
um beim eigentlichen Angriff möglichst<br />
viele Maschinen innerhalb kurzer Zeit über<br />
dem Ziel zu konzentrieren. Nach dieser<br />
Methode und im Sinne des „Moral Bombing“<br />
wird Lübeck im Frühjahr 1942 als erste<br />
von vielen deutschen Städten angegriffen.<br />
Doch der Erfolg gibt den Planern nur<br />
vorübergehend Recht: Zwar überfordert<br />
die Taktik des „Bomberstroms“ das „Himmelbett“-Verfahren<br />
zunächst, setzt es aber<br />
nicht vollständig außer Gefecht.<br />
Denn auch hier dreht sich die Entwicklungsspirale<br />
weiter: Im Sommer 1942<br />
kommt auf deutscher Seite das Bordfunkmessgerät<br />
„Lichtenstein B/C“ zum Einsatz<br />
– der letzte Schritt zu einer „echten“ Dunkelnachtjagd.<br />
Das bordeigene Radargerät „sieht“ bis<br />
zu vier Kilometer weit und ermöglicht der<br />
Besatzung eines Nachtjägers den eigenständigen<br />
Endanflug auf seine Gegner, ohne<br />
ihn tatsächlich sehen zu müssen und unabhängig<br />
von einer Leitstelle am Boden. Deren<br />
Jägerleitoffiziere profitierten gleicher-<br />
26
Technologische Entwicklungsspirale<br />
Foto: Sammlung W. Johnen<br />
maßen von der neuen Technik, denn von<br />
nun an können sie freier agieren und führen<br />
mehrere Nachtjäger zugleich. Dass die<br />
Nachtjagd der RAF diesen Stand der Technik<br />
bereits zwei Jahre zuvor erreicht hatte,<br />
ist für die Angehörigen des Bomber Command<br />
nur ein schwacher Trost; ihre Verluste<br />
steigen wieder deutlich an.<br />
Auch das ständige „dem Gegner in die<br />
Karten sehen“ wollen, stellt eine Art eigenen<br />
Kriegsschauplatz dar. Es geht um<br />
Neuerungen und darum, diejenigen des<br />
Gegners wieder unbrauchbar zu machen.<br />
So werden wechselweise Kommunikationseinrichtungen,<br />
der Navigation dienende<br />
Peilfunkanlagen oder auch Radaranlagen<br />
lahm gelegt. Hatte beispielsweise die<br />
RAF im März 1942 ihr neuestes Funknavigationssystem<br />
namens AMES erstmals erfolgreich<br />
eingesetzt, schlägt nur fünf Monate<br />
später der Angriff von mehr als 160 Bombern<br />
auf Osnabrück fehl, weil sämtliche<br />
GEE-Geräte schlagartig versagen. Deutsche<br />
Störsender mit dem Tarnnamen „Heinrich“<br />
leisteten dabei „ganze Arbeit“. Während<br />
nun in England fieberhaft an einem neuen<br />
„Kammhuber-Lichtspiele“ im Gefechtsstand einer Jagddivision<br />
2<br />
3<br />
1<br />
7<br />
BOEING B-17F-95<br />
Heckstand mit<br />
zwei 12,7-mm-MG,<br />
die der Schütze<br />
kniend bedient<br />
Seitliche Waffenstände mit<br />
je einem 12,7-mm-MG<br />
Vier luftgekühlte Wright Cyclone<br />
R-1820-97, 9-Zylinder-Sternmotoren mit<br />
Turbolader und je 1.200 PS Leistung<br />
Sperry Kugelturm mit zwei<br />
12,7-mm-MG – wird beim<br />
Landen eingefahren<br />
Rechts befindet sich die 14 Meter hohe Raum füllende<br />
Milchglasscheibe, darauf ist die Karte des Deutschen<br />
Reiches zu sehen und das darüber gelegte Quadratnetz<br />
der Jägerführung. Jenseits der Glasscheibe und im Bild<br />
nicht zu sehen, sitzen die Luftnachrichtenhelferinnen<br />
mit ihren Lichtpunktwerfern, die mit roten bzw. grünen<br />
Lichtpunkten die Positionen der eigenen und feindlichen<br />
Flugzeuge projizieren.<br />
Die geschwungene Linie bei (4) zeigt den Flugweg<br />
eines Bomberstroms, der sich bei (5) teilt und auf eine<br />
Großstadt (6) zu bewegt.<br />
Bei (1) sitzen der Divisionskommandeur, sein Ia,<br />
der Chef der <strong>Operation</strong>sabteilung sowie die Verbindungsoffiziere<br />
von Flak, Luftnachrichtentruppe, Heer und Marine.<br />
Auf den Sitzreihen darunter sitzen die Jägerleitoffiziere,<br />
die je nach Luftlage die Nachtjäger per Funk an<br />
den Gegner heranführen.<br />
Auf der Galerie (2) befinden sich weitere sogenannte<br />
Lichtpunktwerfer, die den Weg des Bomberstroms mit<br />
langen Strichen und Pfeilen auf die Glaswand projizieren.<br />
In einem separaten Raum (3) unterziehen Offiziere<br />
eingehende Meldungen einer ersten Prüfung. Die Großraumkarten<br />
(7) zeigen den Raum der Nachbardivisionen,<br />
aus dem der Bomberstrom kam und wohin er womöglich<br />
wieder verschwinden wird, den Korpsbereich sowie<br />
den ganzen Kontinent im Überblick.<br />
4<br />
5<br />
Im Bombenschacht finden bis zu<br />
3.628 Kilogramm Abwurflasten Platz<br />
6<br />
Astronavigationskuppel<br />
für den Navigator<br />
Sperry A-1 Drehturm<br />
mit zwei 12,7-mm-MG<br />
Bis zu drei<br />
einzelne<br />
12,7-mm-MG in<br />
der Bugkanzel<br />
Extreme Aufhängungen für<br />
zusätzliche 906 Kilogramm<br />
Bombenlast – werden wegen<br />
des hohen Luftwiederstandes<br />
kaum im Einsatz verwendet<br />
Navigationssystem namens „Oboe“ gearbeitet<br />
wird, sucht man dort gleichzeitig<br />
nach Methoden, um wiederum die deutsche<br />
Technik auszutricksen. Mit Erfolg:<br />
Beim Angriff auf Mannheim Anfang Dezember<br />
1942 legen in Flugzeugen einbaubare<br />
„Mandrel“-Störsender die „Freya“-<br />
Anlagen erfolgreich lahm.<br />
„Combined Bomber Offensive“<br />
Im Vorfeld der <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong> sind<br />
aus britischer Sicht unter anderem zwei Ereignisse<br />
von besonderem Belang:<br />
Am 9. Mai 1943 gelingt den Alliierten ein<br />
großer Coup als eine Besatzung des NJG 3<br />
mit ihrer Junkers Ju 88 in der neuesten<br />
Nachtjäger-Version von Skandinavien aus<br />
nach Großbritannien desertiert. Dieser „Vorfall“<br />
wurde vom britischen Geheimdienst<br />
eingefädelt und war von langer Hand vorbereitet.<br />
Britische Wissenschaftler inspizieren<br />
vor allem das bislang so streng geheim gehaltene<br />
„Lichtenstein“-Gerät, finden heraus,<br />
wie es funktioniert und wie man es überlisten<br />
kann. Innerhalb kurzer Zeit entwickeln<br />
sie „Serrate“, ein Bordradargerät, das seinerseits<br />
„Lichtenstein“ anpeilen kann.<br />
Auf all das findet die deutsche Seite früher<br />
oder später eine angemessene Antwort. Nicht<br />
jedoch auf „S2S“, das bordeigene britische<br />
Panorama-Bodenradar-Gerät. Anfang 1943<br />
bei einem Luftangriff auf Hamburg erstmals<br />
erfolgreich eingesetzt, ermöglicht es den<br />
RAF-Piloten Navigation und Zielfindung,<br />
selbst unter ungünstigsten Bedingungen.<br />
Die im Hinblick auf <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
wichtigste strategische Entscheidung<br />
fällt jedoch im Januar 1943: Als eines von<br />
mehreren Ergebnissen der Konferenz von<br />
Casablanca beschließen Großbritannien und<br />
die USA die „Combined Bomber Offensive“<br />
gegen Deutschland. Die schweren strategischen<br />
Bomberverbände der United States<br />
Army Air Forces sollen tagsüber Industrieanlagen<br />
und diejenigen der RAF nachts<br />
Wohnviertel angreifen. Mit der <strong>Operation</strong><br />
<strong>„Gomorrha“</strong> wird die „Combined Bomber<br />
Offensive“ erstmalig angewandt.<br />
Foto: Boeing<br />
Clausewitz 3/2013<br />
27
Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
<strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong> – Das Leid der Zivilbevölkerung<br />
„Es regnete Feuer...“<br />
24. Juli bis 3. August 1943: RAF und USAAF greifen Hamburg mehrfach mit schweren<br />
Bomberverbänden an. Die Folgen für die Stadt und ihre Menschen sind verheerend...<br />
Von Peter Cronauer<br />
TRAGISCH: Ein bis zur Unkenntlichkeit verbrannter<br />
Mensch in einem zerstörten Gebäude in Hamburg<br />
nach einem der schweren Luftangriffe im Rahmen<br />
der <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong>. Foto: Barch, Bild 183-R93452<br />
28
Das Kriegstagebuch des RAF Bomber<br />
Command weist militärische Ziele als<br />
Angriffsgrund aus. Namentlich sind<br />
die Industrieanlagen von Blohm & Voss genannt.<br />
Tatsächlich richten sich die Angriffe<br />
jedoch im Sinne der „Area Bombing Directive“<br />
sowie des „Moral Bombing“ vor allem<br />
gegen die Wohnviertel der Zivilbevölkerung.<br />
Dabei wirkt sich die Heftigkeit der Angriffe<br />
sogar negativ auf die Zusammenarbeit<br />
der Briten mit den US-Verbänden aus. Laut<br />
deren Kriegstagebuch greifen im Rahmen<br />
der „Combined Bomber Offensive“ am 25.<br />
Juli 123 schwere Boeing B-17 an, doch schon<br />
nach dem zweiten und noch schwereren<br />
Nachtangriff der RAF kommt die Zusammenarbeit<br />
wieder zum Erliegen: Die US-Flieger<br />
beklagen schlechte Sichtverhältnisse,<br />
verursacht durch Qualm und Rauch und zu<br />
heftige Luftturbulenzen über der brennenden<br />
Stadt. Die United States Army Air Forces<br />
(USAAF) ziehen sich aus <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
zurück.<br />
VERZWEIFELT: Ein Mann sucht seine Frau<br />
und Tochter mit einer Nachricht auf einem<br />
Trümmerteil.<br />
Foto: ullstein bild – DRK<br />
SCHLANGE STEHEN: Ausgabe von Milchrationen<br />
an ausgebombte Hamburger auf einem<br />
Verpflegungsplatz. Foto: ullstein bild – Erich Andres<br />
Überall Flächenbrände<br />
Mitte August, zwei Wochen nach dem letzten<br />
schweren Nachtangriff, zieht der damalige<br />
„Höhere SS- und Polizeiführer bei den<br />
Reichsstatthaltern und Oberpräsidenten in<br />
Hamburg, in Oldenburg und in Bremen, in<br />
Hannover und in Schleswig-Holstein im<br />
Wehrkreis X“, Generalmajor Reiner Liessem,<br />
folgende Schadensbilanz:<br />
„Bei allen Angriffen wurde immer wieder<br />
beobachtet, dass der Gegner bestimmte Flächen<br />
durch Leuchtbomben markierte und in<br />
wechselnder Folge Minen-, Spreng- und<br />
Brandbomben in diese Gebiete warf. Diese<br />
planvolle Angriffstaktik trat besonders in<br />
Hammerbrook und in Hamm in Erscheinung.<br />
Die Gebäude wurden durch Sprengund<br />
Minenbomben aufgerissen, stürzten auf<br />
die Straße und die folgenden Brandbomben<br />
entfachten nunmehr in den Trümmerstätten<br />
DOKUMENT<br />
„Es war ein Job: Knopf drücken und zurückfliegen.<br />
Und man hatte dabei nicht ständig<br />
das Gefühl, ein Monster zu sein. Ich bin sogar<br />
ein bisschen stolz auf das, was ich da<br />
vollbracht habe. Auch wenn viele Menschen<br />
darunter leiden mussten.<br />
Ich gebe aber zu, dass der Angriff auf<br />
Hamburg in mir grauenvolle Erinnerungen<br />
wachruft. Ich war mir zunächst gar nicht darüber<br />
im Klaren, was da abgelaufen war. Ich<br />
sah natürlich das Feuer unter mir. Und wie<br />
es wütete. Als ich dann zurückgekehrt war,<br />
kamen dazu noch die furchtbaren Zeitungsberichte.<br />
Ich weiß gar nicht, wo ich das her<br />
Brände, sodass diese Schadensgebiete in etwa<br />
20 Minuten einem Flammenmeer glichen.<br />
Beim dritten Angriff entwickelte sich<br />
ein sehr starker Feuersturm, bei dem teilweise<br />
größte Bäume umgerissen wurden und<br />
ein Passieren der Straße unmöglich war. Bei<br />
allen Angriffen konnte die Bevölkerung infolge<br />
der zahlreichen Flächenbrände und des<br />
Feuersturmes nur unter Einsatz aller verfügbaren<br />
Kräfte aus ihren Wohngebieten geborgen<br />
werden.“ In amtlich abgehacktem Stil<br />
fährt Liessem fort:<br />
„In manchen Straßenzügen lagen Hunderte<br />
von Toten völlig unversehrt, zum Teil mit<br />
aufgerissener Kleidung. Man vermutet Sauerstoffmangel<br />
und durch die große Hitze<br />
„Der HERR ließ Schwefel und Feuer regnen auf<br />
Sodom und Gomorrha und vernichtete die Städte<br />
und die ganze Gegend und alle Einwohner.“<br />
Bericht (Auszug) eines RAF-Bombenschützen<br />
hatte, aber da war diese Geschichte von der<br />
Mutter und ihrer kleinen Tochter. Das Feuer<br />
war so gewaltig, dass der Teer auf der Straße<br />
schmolz. Die Mutter versuchte noch, mit<br />
der Tochter über die Straße zu kommen.<br />
Doch das kleine Mädchen stolperte und fiel<br />
mitten aufs Gesicht. Die Mutter starb bei<br />
dem Versuch, sie aus dem Teer zu ziehen.<br />
Das habe ich nie vergessen. Ich fühle mich<br />
einfach schuldig. Ich war doch der, der auf<br />
den Knopf gedrückt hatte.“<br />
Zitiert nach: Rolf-Dieter Müller: Der Bombenkrieg<br />
1939-1945, Berlin 2004, S. 168.<br />
Altes Testament, 1. Buch Mose, 19, 24.<br />
völliges Austrocknen der Kleidung und daher<br />
leicht Zündmöglichkeit.“<br />
Schreckliche Szenen<br />
Die Folgen für die Zivilbevölkerung waren<br />
entsprechend grausam. In einem Geheimbericht<br />
des Hamburger Polizeipräsidenten<br />
Hans Julius Kehrl werden die Ereignisse wir<br />
folgt geschildert: „Nur die entkamen dem<br />
Tode, die rechtzeitig eine Flucht gewagt hatten<br />
oder sich so nahe am Rande des Feuermeeres<br />
befanden, dass eine Rettungsmöglichkeit<br />
überhaupt bestand. (…) Die Vernichtung<br />
im Ganzen ist so radikal, dass von<br />
vielen Menschen buchstäblich nichts geblieben<br />
ist. (…) Kinder wurden durch die Gewalt<br />
des Orkans von der Hand der Eltern gerissen<br />
und ins Feuer gewirbelt. Menschen,<br />
die sich gerettet glaubten, fielen in der alles<br />
vernichtenden Gewalt der Hitze um und<br />
starben in Augenblicken. Flüchtende mussten<br />
sich ihren Weg über Sterbende und Tote<br />
bahnen. (…) Von den Opfern waren insgesamt<br />
70% erstickt, zum großen Teil durch die<br />
giftigen Kohlenoxydgase. Es waren so viele<br />
Clausewitz 3/2013<br />
29
Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
DEUTLICH: Der Hamburger Polizeipräsident<br />
warnt die aus der Stadt geflohenen oder<br />
evakuierten Zivilisten vor einer Rückkehr in<br />
das stark zerstörte Hamburg.<br />
Foto: ullstein bild<br />
Menschen an Vergiftung gestorben und ihre<br />
Leichen hatten sich derart strahlend blau,<br />
orange und grün gefärbt, dass man zunächst<br />
annahm, die RAF hätte bei diesem Angriff<br />
zum ersten Mal Giftgasbomben eingesetzt.<br />
(…).“<br />
Augenzeugen berichten von Fliehenden,<br />
die im verflüssigten Asphalt stecken blieben<br />
und bei lebendigem Leib verbrannten. Zu<br />
besonders schrecklichen Szenen kam es<br />
dann, wenn Menschen von Phosphor getroffen<br />
wurden. In der Hoffnung, das Feuer zu<br />
FAKTEN<br />
Bei den vier Nachtangriffen auf Hamburg warfen<br />
die daran beteiligten Bomberverbände<br />
der RAF zwischen dem 24. Juli und dem 3.<br />
August 1943 insgesamt mehr als 9.000 Tonnen<br />
Bomben ab. Die von der USAAF bei ihren<br />
beiden Tagesangriffen zusätzlich abgeworfene<br />
Bombenlast ist darin nicht enthalten.<br />
Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der<br />
„Luftschlacht um England“, in den Monaten<br />
September, Oktober und November 1940,<br />
warf die deutsche Luftwaffe insgesamt etwa<br />
5.800 Tonnen Bomben auf Ziele in ganz<br />
Großbritannien ab.<br />
Zahlenangaben sind grundsätzlich mit<br />
Vorsicht zu genießen und selbst hinsichtlich<br />
ÜBERLEBT: Zivilisten inmitten einer verwüsteten Straße<br />
im Stadtteil Altona, der gleich zu Beginn der Luftangriffe<br />
schwer in Mitleidenschaft gezogen wird.<br />
Foto: ullstein bild – Erich Andres<br />
löschen, sprangen sie in die zahlreichen Kanäle,<br />
nur um beim Auftauchen erneut in<br />
Flammen aufzugehen.<br />
Zahlenangaben zur <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
der eingesetzten Flugzeuge weichen Primärquellen<br />
wie die Kriegstagebücher von RAF<br />
und USAAF sowie deutsche Dokumente zum<br />
Teil erheblich voneinander ab. Insgesamt<br />
kann man jedoch davon ausgehen, dass die<br />
RAF im Rahmen der <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />
mehr als 3.000 Bomber einsetzte, von denen<br />
nur ein geringer Prozentsatz der deutschen<br />
Verteidigung zum Opfer fielen.<br />
Auch die genaue Anzahl der Todesopfer<br />
unter der Zivilbevölkerung ist nicht bekannt.<br />
Zeitnahe Schätzungen gingen von 30.000<br />
bis 50.000 Toten aus, heute ist in der Geschichtsforschung<br />
zumeist von etwa<br />
35.000 Opfern die Rede.<br />
MAHNUNG: „Friedensgebet“ von Edith<br />
Breckwoldt vor der Ruine der Ehemaligen<br />
Hauptkirche St. Nikolai in Hamburg. Die<br />
Skulptur erinnert an den gewaltigen Feuersturm,<br />
der Hamburg im Sommer 1943 in<br />
Schutt und Asche legte. Foto: picture-alliance/dpa<br />
Unvorstellbare Katastrophe<br />
Am 29. Juli 1943 notiert Reichsminister für<br />
Volksaufklärung und Propaganda, Joseph<br />
Goebbels, in sein Tagebuch: „In der Nacht<br />
hat der bisher schwerste Luftangriff auf<br />
Hamburg stattgefunden. Die Engländer sind<br />
mit 800 bis 1.000 Bombenflugzeugen über<br />
der Stadt erschienen. Unsere Luftverteidigung<br />
erzielte nur wenige Abschüsse, so dass<br />
man hier von einer nennenswerten Einbuße<br />
des Angreifers nicht sprechen kann. Kaufmann<br />
[Karl Otto Kaufmann war NS-Gauleiter<br />
und Reichsstatthalter in Hamburg] gibt<br />
mir einen ersten Bericht über die Wirkungen<br />
des britischen Luftangriffs. Er spricht von einer<br />
Katastrophe von vorläufig unvorstellbaren<br />
Ausmaßen. Wir haben hier die Zerstörung<br />
einer Millionenstadt festzustellen, die<br />
bisher in der Geschichte wohl kein Beispiel<br />
findet. Es tauchen damit Probleme auf, die<br />
fast nicht zu bewältigen sind.“<br />
Die sonst üblichen Durchhalteparolen des<br />
Propagandaministers hörten sich anders an.<br />
Tatsächlich wurde mit der <strong>Operation</strong><br />
<strong>„Gomorrha“</strong> innerhalb von elf Tagen das<br />
über Jahrhunderte gewachsene Stadtbild der<br />
traditionsreichen Hansestadt weitgehend<br />
ausgelöscht.<br />
Zielsetzung verfehlt<br />
Insgesamt führte die „Combined Bomber<br />
Offensive“ gegen Hamburg nicht zum erhofften<br />
Erfolg. Weder erhob sich die Bevölkerung<br />
gegen die NS-Machthaber noch<br />
blieb die vor Ort ansässige Rüstungsindustrie<br />
dauerhaft ausgeschaltet. Die deutsche<br />
Luftverteidigung erholte sich anschließend<br />
sogar überraschend schnell von ihrer anfänglichen<br />
Überrumpelung.<br />
Zwar war das „Himmelbett“-Verfahren<br />
mit einem Schlag erledigt, nicht jedoch die<br />
deutsche Nachtjagd. Die „Wilde Sau“-Taktik<br />
wurde improvisiert, das im Herbst 1943 eingeführte<br />
„Lichtenstein SN2“ war weniger<br />
störungsanfällig, weitere technische und taktische<br />
Neuerungen wurden von deutscher<br />
Seite eingeführt. Die nächtlichen Verluste<br />
der RAF stiegen wieder an. Gleiches galt<br />
auch für die Abwehr alliierter Tagangriffe.<br />
Hamburgs Zerstörung 1943 markierte einen<br />
Wendepunkt: Von nun an besaß der Ausbau<br />
der „Reichsverteidigung“ höchste Priorität.<br />
30
Das große Frühjahrs-Gewinnspiel von<br />
Clausewitz<br />
Gewinnen Sie Preise im Gesamtwert von über 1.600 Euro!<br />
UND SO GEHT’S: Beantworten Sie folgende Fragen<br />
In welchem Jahr wurde<br />
der Militärtheoretiker Carl<br />
1. von Clausewitz geboren?<br />
Wann wurde Helgoland<br />
In welchem Jahr fand<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg die <strong>Operation</strong><br />
2. an die „BRD“ zurückgegeben? 3. <strong>„Gomorrha“</strong> statt?<br />
1.<br />
Preis<br />
Junkers Chronograph<br />
Edition Eurofighter<br />
Typhoon<br />
In dieser Automatikuhr, einer limitierten<br />
Sonderedition, arbeitet das<br />
renommierte Schweizer Automatik-<br />
Uhrwerk ETA Valjoux 7750 mit 25<br />
Steinen.Das schwarze Ziffernblatt<br />
ist mit Leuchtzahlen und vollfluoreszierenden<br />
Chronographenkreisen<br />
versehen. Mit eingraviertem Eurofighter<br />
auf dem Glasboden.<br />
Wert ca. 1000,- €<br />
Einsendeschluss:<br />
10. Mai 2013<br />
2.–5.<br />
Preis<br />
Buchpaket: Große Feldherren; Schlachten<br />
der Weltgeschichte; Der Krieg;<br />
Kampfpanzer Tiger. Gesamtwert ca. 85,- €<br />
6.–8.<br />
Preis<br />
Buchpaket: Kampfpanzer Tiger;<br />
Flieger-Asse und Kanonenfutter;<br />
Clausewitz Spezial Stalingrad.<br />
Gesamtwert ca. 57,- €<br />
Und so nehmen Sie am<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong> Wissenstest teil:<br />
Senden Sie die richtigen Antworten samt<br />
Ihrer Adresse auf einer Postkarte mit dem<br />
Stichwort „Wissenstest“<br />
bis zum 10. Mai 2013 an:<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />
Gerne können Sie uns auch eine E-Mail mit<br />
der richtigen Lösung und Ihrer<br />
Adresse zukommen lassen:<br />
gewinnspiel@clausewitz-magazin.de<br />
9.–10.<br />
Preis<br />
Buchpaket: Flieger-Asse und<br />
Kanonenfutter; Clausewitz Spezial<br />
Stalingrad. Gesamtwert ca. 37,- €<br />
Angestellte der GeraNova Bruckmann Verlagshaus GmbH und<br />
deren Angehörige sind nicht teilnahmeberechtigt. Die Teilnahme<br />
muss persönlich erfolgen und ist nicht über einen Beauftragten<br />
oder eine Agentur möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Ihre Daten werden zum Zwecke der<br />
Gewinnerbenachrichtigung erfasst und gespeichert. Die Daten<br />
werden nicht an Dritte weitergegeben. Sie erhalten künftig<br />
per Post oder E-Mail News aus dem GeraMond Verlag (bei<br />
Nichtinteresse vermerken Sie dies bitte auf Ihrer Postkarte<br />
oder in Ihrer E-Mail).
Schlachten der Weltgeschichte | <strong>Operation</strong> „Husky“<br />
Alliierte Landung auf Sizilien 1943<br />
Sturm auf die<br />
„Festung Europa“<br />
10. Juli 1943: In den frühen Morgenstunden landen mehrere Tausend amerikanische<br />
und britische Soldaten auf der italienischen Mittelmeerinsel Sizilien. Die <strong>Operation</strong><br />
„Husky“ soll das Tor zur „Festung Europa“ aufstoßen...<br />
Von Lukas Grawe<br />
UNBEHELLIGT: Landung von US-Truppen<br />
auf Sizilien am 11. Juli 1943.<br />
Foto: Rue des Archives/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
32
Um den Krieg nach Westeuropa zu tragen<br />
und mit Hilfe einer zweiten Front<br />
Druck vom sowjetischen Verbündeten<br />
zu nehmen, entscheiden sich die Alliierten<br />
Anfang des Jahres 1943 für eine Invasion<br />
auf Sizilien.<br />
Für die Eroberung der Mittelmeerinsel<br />
spricht vor allem ihre Lage: Mit Sizilien als<br />
Ausgangspunkt ist eine Invasion des italienischen<br />
Festlandes möglich. Zudem erleichtert<br />
der Besitz der Insel die Kontrolle des<br />
Schiffsverkehrs im westlichen Mittelmeer.<br />
Da die geplante Invasion in Frankreich<br />
nicht vor 1944 durchführbar ist, legen sich<br />
die amerikanischen und britischen Militärs<br />
auf den italienischen Schwerpunkt fest. Italien<br />
ist seit der vernichtenden Niederlage in<br />
Nordafrika nur noch ein unsicherer Bundesgenosse<br />
des Deutschen Reichs.<br />
Mit der Eroberung Siziliens soll daher Italien<br />
aus dem Krieg an der Seite des Deutschen<br />
Reiches gedrängt werden. Hitler wäre<br />
auf diese Weise gezwungen, die italienisch<br />
besetzten Gebiete in Südfrankreich und auf<br />
dem Balkan mit eigenen Truppen zu halten.<br />
Die im Januar einsetzende Planung für<br />
die Invasion der Insel gestaltet sich aufgrund<br />
der komplizierten alliierten Kom-<br />
mandostruktur im Mittelmeerraum als<br />
schwierig. Hinzu kommen persönliche Abneigungen<br />
zwischen amerikanischen und<br />
britischen Offizieren. In operativer Hinsicht<br />
kommt es den alliierten Landungstruppen<br />
vor allem auf die Inbesitznahme<br />
von Häfen und Landungsplätzen an, um<br />
die Versorgung der Truppen zu gewährleisten.<br />
Nicht alle Teile Siziliens liegen zudem<br />
in der Reichweite der alliierten Jagdflieger<br />
auf Malta, sodass die Eroberung von Flugplätzen<br />
eine hohe Bedeutung erlangt.<br />
Schwache Verteidigungsanlagen<br />
Eine Landung auf Sizilien wird durch die<br />
schwachen Verteidigungsanlagen begünstigt.<br />
Der deutsche Oberbefehlshaber der<br />
Heeresgruppe Süd, Generalfeldmarschall<br />
Albert Kesselring, stellt wenige Tage vor Beginn<br />
der alliierten Invasion fest: „Die Verstärkung<br />
der natürlichen Abwehrkraft der<br />
Inseln durch die Anlage von Befestigungen<br />
ist nicht in ausreichendem Maße erfolgt.“<br />
Zudem zwingt die lange Küste Siziliens den<br />
Verteidiger zu einer Dekonzentration der<br />
Kräfte. Trotz aller Argumente, die für eine<br />
alliierte Landung auf der Insel sprechen,<br />
kennen die „Achsenmächte“ die gegnerischen<br />
Landungsabsichten nicht. Mit Hilfe<br />
eines groß angelegten Täuschungsmanövers<br />
erhöhen die Alliierten die Unsicherheit<br />
bei ihrem Gegner. Die Wehrmachtführung<br />
HINTERGRUND<br />
Die „Achse“ Berlin – Rom<br />
Seit dem 1936 geschlossenen geheimen<br />
Freundschaftsvertrag bildet sich eine enge<br />
Zusammenarbeit zwischen dem faschistischen<br />
Italien und dem „Dritten Reich“ aus.<br />
Mit dem „Stahlpakt“ von 1939 sichern sich<br />
beide Länder im Falle eines Krieges unbedingte<br />
militärische Unterstützung zu, die<br />
auch für einen Angriffskrieg gilt. Während<br />
sich Italien noch nicht am Polenfeldzug beteiligt,<br />
tritt es am 10. Juni 1940 in den Krieg<br />
gegen Frankreich und Großbritannien ein.<br />
In der Folgezeit unterstützt Hitler Mussolinis<br />
Pläne zur Errichtung eines zweiten „Imperium<br />
Romanum“ auf dem Balkan und in Afrika.<br />
Grundlage für die deutsche Unterstützung<br />
sind jedoch überwiegend eigene Interessen.<br />
Italien beteiligt sich währenddessen<br />
an Hitlers Feldzug gegen die Sowjetunion, der<br />
jedoch von der italienischen Bevölkerung als<br />
„deutscher Krieg“ angesehen wird.<br />
Mit dem Sturz Mussolinis und der folgenden<br />
Kriegserklärung Italiens an das Deutsche<br />
Reich Ende 1943 endet die militärische<br />
Zusammenarbeit, die stets von<br />
starken Spannungen und Interessengegensätzen<br />
geprägt ist.<br />
Clausewitz 3/2013<br />
33
Schlachten der Weltgeschichte | <strong>Operation</strong> „Husky“<br />
rechnet mit einer Invasion auf Sardinien<br />
und in Griechenland, veranschlagt diese jedoch<br />
auf den Spätsommer. Diese Ungewissheit<br />
führt auf Seiten der „Achse“ zur Verteilung<br />
sämtlicher verfügbarer Truppen im gesamten<br />
italienischen Raum und damit zur<br />
Zersplitterung der ohnehin schon geschwächten<br />
Kräfte.<br />
Die deutschen Truppen, die nicht mehr<br />
rechtzeitig vor der Kapitulation des „Afrikakorps“<br />
vom italienischen Festland aus<br />
nach Tunesien verlegt werden konnten, bilden<br />
ab Mai 1943 den Kern der Verteidigungstruppe<br />
in Italien. Auf Sizilien unterstützen<br />
die 15. Panzergrenadierdivision<br />
und die Panzerdivision „Hermann Göring“<br />
die italienische 6. Armee unter dem Kommando<br />
von Generaloberst Alfredo Guzzoni,<br />
der direkt dem italienischen „Comando<br />
Supremo“ untersteht. Aus taktischen Gründen<br />
sind die deutschen Verbände anfangs<br />
dem italienischen Oberbefehl unterstellt.<br />
VERNICHTET: Das Schiff eines<br />
amerikanischen Nachschubkonvois<br />
erhält durch ein deutsches<br />
Kampfflugzeug einen<br />
Volltreffer und explodiert.<br />
Foto: ullstein bild - Roger Viollet<br />
KARTE<br />
Kampf um Sizilien Juli/August 1943<br />
ÜBERBLICK: Die Position der deutsch-italienischen Verteidiger (oben) und der Verlauf<br />
der Kämpfe im Juli/August 1943 (unten).<br />
Fehlschlag zum Auftakt<br />
Insgesamt stehen Anfang Juli rund 28.000<br />
deutsche und etwa 200.000 italienische Soldaten<br />
auf der Insel. Letztere sind zumeist<br />
schlecht bewaffnet und nur dürftig ausgebildet.<br />
Während die Panzerdivision „Hermann<br />
Göring“ und die italienischen Divisionen<br />
„Napoli“ und „Livorno“ im Süden<br />
der Insel stehen, sichern die 15. Panzergrenadierdivision<br />
und die Divisionen „Aosta“<br />
und „Assieta“ den Westen Siziliens. Die<br />
deutsche „Kampfgruppe Schmalz“ deckt<br />
die Ostküste im Raum von Catania.<br />
Nachdem alliierte Streitkräfte im Juni<br />
1943 bereits einige kleinere Inseln im Vor-<br />
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />
34
Kriegsmüde Italiener<br />
FAKTEN<br />
Die Kriegsparteien im Überblick<br />
feld Siziliens genommen haben, beginnt in<br />
der Nacht des 9. Juli die alliierte Invasion<br />
mit groß angelegten Luftlandeunternehmen<br />
bei Syrakus. Ziel ist es, wichtige Brücken<br />
und strategisch bedeutsame Berghöhen<br />
zu erobern und bis zum Eintreffen der<br />
Hauptinvasionsstreitmacht zu halten. Aufgrund<br />
eines starken Sturms verfehlen jedoch<br />
die meisten Fallschirmspringer ihre<br />
Landezonen, nur circa zehn Prozent erreichen<br />
ihre Zielbestimmung. Viele „Paras“<br />
ertrinken im Mittelmeer, andere geraten in<br />
Gefangenschaft. Trotz des Fehlschlags gelingen<br />
einige örtliche Erfolge. Die Luftlandetruppen<br />
stiften zudem unter den Verteidigern<br />
große Verwirrung.<br />
Einige Stunden später beginnt die eigentliche<br />
Invasion der Insel. Bis zu 3.000<br />
Schiffe und Boote landen innerhalb von wenigen<br />
Tagen eine Streitmacht von 180.000<br />
Soldaten, 1.800 Geschützen und 600 Panzer<br />
UNTER BESCHUSS: Britische Soldaten<br />
geraten in gegnerisches Feuer.<br />
Foto: SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
Ziel<br />
„Achsenmächte“<br />
Zerschlagung der alliierten<br />
Landungstruppen;<br />
Stopp des weiteren Vormarschs der<br />
Alliierten<br />
Truppenstärke ca. 28.000 deutsche und 200.000<br />
italienische Soldaten,<br />
Ende Juli ca. 320.000 Mann<br />
Verluste Deutsche: 4.600 Gefallene, 13.500<br />
Verwundete, 5.500 Gefangene,<br />
Italiener: 4.300 Gefallene, 32.500<br />
Verwundete, 115.000 Gefangene<br />
auf Sizilien. Unterstützt werden die Truppen<br />
von 3.500 Flugzeugen. Dieser materiellen<br />
Überlegenheit haben die Verteidiger<br />
nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen.<br />
Die italienische Marine kann die Anlandung<br />
der alliierten Truppen ebenso wenig<br />
verhindern wie die Luftwaffe. Auch die geringfügige<br />
Unterstützung durch deutsche<br />
U-Boote und Flugzeuge kann an diesem<br />
Umstand nichts ändern.<br />
Alliierte gehen an Land<br />
Um 2:45 Uhr gehen die ersten amerikanischen<br />
Soldaten der 7. Armee unter dem Befehl<br />
von Generalleutnant George S. Patton<br />
im Raum Gela-Licata an Land. Die britische<br />
Alliierte<br />
Eröffnung einer zweiten Front in<br />
Westeuropa; Sicherung des<br />
Mittelmeerschiffsverkehrs;<br />
Ausschaltung Italiens als Verbündeter<br />
an der Seite Deutschlands<br />
Zu Beginn der <strong>Operation</strong> „Husky“<br />
180.00 Mann,<br />
am Ende 470.000 Soldaten<br />
Briten: 2.700 britische Gefallene,<br />
8.000 Verwundete,<br />
11.500 Malariakranke,<br />
Amerikaner: 2.800 Gefallene, 6.500<br />
Verwundete, 9.800 Malariakranke<br />
8. Armee unter General Montgomery folgt<br />
ihnen um 4:15 Uhr in einem südwestlich<br />
von Syrakus gelegenen Abschnitt. Die ersten<br />
Landungswellen treffen auf überraschte<br />
Verteidiger. Der schwache Widerstand<br />
der italienischen Küstendivisionen kann<br />
die Angreifer nicht aufhalten. Vielerorts ergeben<br />
sich die notdürftig zusammengestellten<br />
italienischen Reservetruppen<br />
kampflos den alliierten Invasoren. Britische<br />
Soldaten erobern ohne einen Schuss abzufeuern<br />
noch am selben Tag die Stadt Syrakus<br />
im Südwesten Siziliens. Energische Gegenwehr<br />
kommt vielerorts zu spät: Die<br />
weit verteilten Verbände der „Achsenmächte“<br />
können erst eingreifen, als die<br />
Clausewitz 3/2013<br />
35
Schlachten der Weltgeschichte | <strong>Operation</strong> „Husky“<br />
WÄHREND DES<br />
KAMPFES: Deutsche<br />
Artillerie nimmt britische<br />
Stellungen unter<br />
Feuer.<br />
Foto: ullstein bild – TopFoto<br />
Alliierten bereits Fuß gefasst haben. Zwar<br />
starten die Panzerdivision „Hermann Göring“<br />
und die Division „Livorno“ starke<br />
Angriffe gegen den amerikanischen Landungsabschnitt,<br />
doch gelingt den alliierten<br />
Soldaten die Bildung von Brückenköpfen,<br />
die von See und aus der Luft unterstützt<br />
werden.<br />
In der Nacht erkennt Guzzoni, dass von<br />
den britischen Truppen die größere Bedrohung<br />
ausgeht und dass der Rückzugsort<br />
und Fährhafen Messina in Gefahr ist. Er erteilt<br />
daraufhin der Division „Hermann Göring“<br />
den Auftrag, die amerikanische 45.<br />
Infanteriedivision in der Flanke zu packen<br />
Koordinator des Rückzugs:<br />
Hans-Valentin Hube<br />
„It was a jolly good race.<br />
I congratulate you.“<br />
Ein britischer Offizier zu Generalleutnant<br />
Patton anlässlich der Eroberung<br />
Messinas am 17. August 1943.<br />
und sich anschließend mit der „Kampfgruppe<br />
Schmalz“ im Osten zu vereinigen.<br />
Auf diese Weise soll der britischen 8. Armee<br />
der Weg nach Messina versperrt werden.<br />
Die „Livorno“-Division soll sich nach<br />
Westen wenden und mit der deutschen 15.<br />
Panzergrenadierdivision vereinigen. Beide<br />
Der 1890 in Naumburg/Saale geborene Hube ist nach dem Ersten<br />
Weltkrieg vor allem als Infanterieausbilder tätig, 1935 wird er Kommandeur<br />
der Infanterieschule Döberitz.<br />
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs kommandiert er eine Infanteriedivision,<br />
die im Rahmen des Westfeldzugs die Kanalküste erreicht.<br />
Anschließend formt er seinen Verband in eine Panzerdivision um,<br />
die als Ausbildungstruppe die verbündeten Rumänen unterstützt.<br />
Während des Russlandfeldzugs zeichnet sich Hube unter<br />
anderem als Kommandeur der 16. Panzerdivision wiederholt<br />
durch besondere militärische Leistungen aus. Im Rahmen des<br />
Angriffs auf Stalingrad kommandiert Hube das XIV. Panzerkorps.<br />
Auf Befehl Hitlers wird er am 18. Januar 1943 aus dem Kessel<br />
ausgeflogen.<br />
Anschließend nimmt der hochdekorierte General der Panzertruppe<br />
an den Kämpfen um Sizilien und auf dem italienischen<br />
Festland teil. Nach der Übernahme des Oberbefehls über die<br />
1. Panzerarmee kehrt er an die Ostfront zurück. Im April 1944<br />
kommt Hube bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.<br />
Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto<br />
Verbände sollen anschließend den amerikanischen<br />
Brückenkopf zerschlagen. Trotz der<br />
Anstrengungen können die alliierten Landungszonen<br />
nicht durchbrochen werden.<br />
Die Schiffsgeschütze stoppen die angreifenden<br />
Truppen der „Achse“ und fügen ihnen<br />
große Verluste zu.<br />
Verluste durch Schiffsgeschütze<br />
Am Abend desselben Tages hat die deutsche<br />
Panzerdivision ein Drittel ihrer Kampfwagen<br />
im Geschosshagel der alliierten Schiffe<br />
und Panzerabwehrgeschütze verloren. Sowohl<br />
die Division „Livorno“ als auch die Division<br />
„Hermann Göring“ müssen in ihre<br />
Ausgangspositionen zurückkehren.<br />
Die deutsche Führung sieht die Lage auf<br />
Sizilien bereits drei Tage nach Beginn der<br />
Invasion als äußerst bedrohlich an. Generalfeldmarschall<br />
Kesselring meldet am<br />
13. Juli an das Oberkommando der Wehrmacht,<br />
dass die Masse der italienischen<br />
Verteidiger bereits jetzt vollkommen versagt<br />
habe und die Last des Kampfes fast<br />
ausschließlich auf deutschen Schultern liege.<br />
Ein Gegenangriff sei unter diesen Umständen,<br />
auch wegen fehlender Luftunterstützung,<br />
nicht mehr möglich. Kesselring<br />
ist sich sogar sicher: „Mit den jetzigen deutschen<br />
Kräften allein ist die Insel nicht zu<br />
halten.“ Die „Achsenmächte“ verfügen<br />
auch über keine strategischen Reserven<br />
mehr. Trotzdem zaudert Kesselring, die Anzahl<br />
der deutschen Truppen auf Sizilien zu<br />
erhöhen, da er es für unmöglich hält, mit<br />
dem alliierten Nachschubtempo mithalten<br />
zu können. Ein allzu schneller Verlust Siziliens<br />
soll dennoch verhindert werden.<br />
36
Deutsch-italienische Spannungen<br />
Kesselring fürchtet die politischen Rückwirkungen,<br />
die der Fall der Insel auf den<br />
Bündnispartner Italien haben würde.<br />
ANWERBUNG: Plakat zur Freiwilligenwerbung<br />
der bei den<br />
Kämpfen um Sizilien 1943 eingesetzten<br />
Division „Hermann<br />
Göring“. Foto: ullstein bild - LEONE<br />
„Achsenmächte“ auf dem Rückzug<br />
Sein neues Ziel ist daher nur noch ein hinhaltender<br />
Rückzug und damit einhergehend<br />
ein großer Zeitgewinn. Dabei sollen<br />
sich die Truppen der „Achse“ langsam in<br />
Richtung Messina zurückziehen und den<br />
alliierten Vormarsch so lange wie möglich<br />
verzögern.<br />
Am 12. Juli trifft mit der 1. Fallschirmjägerdivision<br />
die erste deutsche Verstärkung<br />
aus Unteritalien ein, drei Tage später folgt<br />
die 29. Panzergrenadierdivision. Sämtliche<br />
deutschen Verbände werden unter der Bezeichnung<br />
XIV. Panzerkorps zusammengefasst<br />
und dem Befehl des Generals<br />
der Panzertruppe<br />
Hans-Valentin Hube unterstellt.<br />
Der Panzerdivision „Hermann Göring“<br />
gelingt es in der Zwischenzeit, die Lücke<br />
zur „Kampfgruppe Schmalz“ zu schließen<br />
und auf der Linie San Stefano–Catania<br />
im Nordostteil der Insel Verteidigungsstellungen<br />
zu errichten. Derweil gibt Hitler den<br />
Befehl, „unter unauffälliger Ausschaltung“<br />
der verbündeten italienischen<br />
„Kommandostellen“ die „Gesamtführung<br />
im Brückenkopf Sizilien“<br />
zu übernehmen.<br />
Diese Weisung stellt eine Entmachtung<br />
der italienischen Führung<br />
auf der Insel dar und sorgt<br />
für erhebliche Spannungen zwischen<br />
den Bundesgenossen. Stellenweise<br />
kommt es sogar zu bewaffneten<br />
Scharmützeln, die auf beiden Seiten<br />
Tote fordern.<br />
Der italienische Ärger<br />
kann jedoch nicht<br />
verhindern, dass der<br />
deutsche Bündnispartner<br />
die <strong>Operation</strong>sführung<br />
ganz und gar an<br />
sich reißt.<br />
AUSGESCHALTET:<br />
Ein zerstörter<br />
US-Panzer vom Typ<br />
„Sherman“ auf<br />
Sizilien. Foto: ullstein bild<br />
Der undiplomatische General<br />
George S. Patton<br />
Der 1885 in Kalifornien<br />
geborene Patton sammelt<br />
bereits im Kampf gegen Aufständische<br />
in Mexiko und im<br />
Ersten Weltkrieg erste militärische<br />
Erfahrungen. Als Ausbilder<br />
für Panzerfahrer avanciert<br />
er zu einem<br />
ausgewiesenen Kenner<br />
dieser neuen Waffengattung.<br />
Im Zweiten Weltkrieg<br />
erhält er zunächst ein<br />
Kommando in Nordafrika, um<br />
in Sizilien mit der Einnahme<br />
Messinas auf sich aufmerksam<br />
zu machen. Trotz<br />
militärischer Erfolge gilt<br />
Patton als unbequem,<br />
zynisch, undiplomatisch und<br />
widerspenstig.<br />
Als Befehlshaber der<br />
3. U.S. Army erlangt er vor<br />
allem bei der Abwehr der<br />
deutschen Ardennenoffensive<br />
1944/45 großen Ruhm. Patton<br />
stirbt kurz nach Kriegsende an<br />
den Folgen eines Autounfalls.<br />
Die Kompetenzstreitigkeiten enden offiziell<br />
am 31. Juli, indem Generaloberst Guzzoni<br />
den Befehl über alle Truppen der „Achsenmächte“<br />
an Hube übergibt.<br />
Montgomery verärgert Patton<br />
Auch auf Seiten der Alliierten kommt es zu<br />
Meinungsverschiedenheiten. Der Befehlshaber<br />
der britischen 8. Armee, Bernard Montgomery,<br />
will mit seinen Truppen die Insel im<br />
Alleingang erobern und sieht die amerikanische<br />
7. Armee lediglich als Flankenschutz<br />
an. Die Amerikaner sind notgedrungen in<br />
die Rolle des Juniorpartners gedrängt worden,<br />
da die erfahrenen britischen Soldaten<br />
bereits in der Planungsphase für die Eroberung<br />
Messinas vorgesehen sind und daher<br />
mehr Nachschub erhalten. Der britische General<br />
Harold Alexander, Oberbefehlshaber<br />
der alliierten Landstreitkräfte, bringt der<br />
amerikanischen Truppe anfangs großes<br />
Misstrauen entgegen. Er schätzt ihre Leistungsfähigkeit<br />
als gering ein und will ihr<br />
keine größeren Aufgaben anvertrauen. Aus<br />
diesem Grund teilt er der britischen Armee<br />
die meisten Vormarschstraßen zu und überlässt<br />
den Amerikanern nur den bedeutungsärmeren<br />
Westteil Siziliens. Doch Montgomery<br />
mutet seinen Soldaten zu viele<br />
Foto: Rue des Archives/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
Clausewitz 3/2013<br />
37
Schlachten der Weltgeschichte | <strong>Operation</strong> „Husky“<br />
GEBALLTE KRAFT: Ein schwerer Kampfpanzer vom Typ „Tiger I“ in einer süditalienischen<br />
Ortschaft.<br />
Foto: SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
Aufträge zu und erweitert vielfach eigenwillig<br />
seinen vorher abgesteckten Kampfsektor.<br />
An eine gemeinsame Planung mit<br />
seinem amerikanischen Gegenüber Patton<br />
denkt er nicht und verärgert somit seinen<br />
Bundesgenossen. Trotz der Bevorzugung<br />
an Nachschub und Material kommen die<br />
Briten jedoch nur schleppend voran. Die<br />
„Achsenmächte“ stellen ihnen ihre besten<br />
Divisionen in den Weg, um Messina unter<br />
allen Umständen so lange wie möglich zu<br />
verteidigen.<br />
Zur Division „Hermann Göring“ und<br />
der „Kampfgruppe Schmalz“ tritt nun auch<br />
noch die 1. Fallschirmjägerdivision. Den<br />
erstklassig ausgebildeten deutschen Truppen<br />
kommt bei der Defensive zudem das<br />
Terrain zur Hilfe. Je weiter die Briten nach<br />
Norden vorstoßen, desto bergiger und unwegsamer<br />
wird das Gelände und begünstigt<br />
den Verteidiger.<br />
Patton akzeptiert vorerst die ihm zugedachte<br />
Rolle, erkennt bald aber die Möglichkeiten,<br />
die sich seiner Truppe im Westteil<br />
der Insel bieten. Die wichtige Hafenstadt<br />
Palermo im Nordwesten Siziliens<br />
bildet daher das neue Ziel der 7. Armee, der<br />
nur noch wenige italienische Einheiten gegenüber<br />
stehen. Alle anderen Verbände der<br />
„Achse“ haben bereits die neue Verteidigungsstellung<br />
am Ätna im Nordosten der<br />
Insel bezogen. Während die Briten südlich<br />
des Vulkans festliegen, beginnt Pattons<br />
7. Armee am 21. Juli ihren Vormarsch nach<br />
Nordwesten in Richtung Palermo. Schon<br />
nach wenigen Stunden haben die Amerikaner<br />
4.000 Gefangene zu verzeichnen, da<br />
sich die meisten Italiener kampflos ergeben.<br />
Bereits zwei Tage später ist Palermo in<br />
amerikanischer Hand. Um den restlichen<br />
Westteil der Insel einzunehmen, befiehlt<br />
Patton der 82. Airborne Division den Vormarsch<br />
auf Trapani. Hier leisten die Italiener<br />
Widerstand, der jedoch nach wenigen<br />
Stunden gebrochen wird. Der ganze Westteil<br />
Siziliens ist damit unter amerikanischer<br />
Kontrolle und die Eroberung Messinas das<br />
neue Ziel Pattons.<br />
Alliierter Erfolg<br />
Die Eroberung Messinas wird in der Folgezeit<br />
zu einem Wettlauf zwischen Montgomery<br />
und Patton, bei dem es mehr um<br />
Ruhm und persönliche Eitelkeiten als um<br />
militärische Sinnhaftigkeit geht. Während<br />
Patton jedoch von Palermo aus an der<br />
Nordküste große Fortschritte erzielt, liegt<br />
Montgomery noch immer südlich des Ätna<br />
vor den starken deutschen Stellungen fest.<br />
Der zuerst skeptische General Alexander<br />
„Mit den jetzigen deutschen Kräften allein<br />
ist die Insel nicht zu halten.“<br />
Generalfeldmarschall Kesselring an das OKW am 13. Juli 1943.<br />
Literaturtipp<br />
Gerhard Schreiber: Das Ende des nordafrikanischen<br />
Feldzugs und der Krieg in Italien<br />
1943–1945, in: Das Deutsche Reich und der<br />
Zweite Weltkrieg, Bd. 8, München 2007, S.<br />
1100-1162.<br />
gibt aufgrund der unerwarteten Lageentwicklung<br />
Patton die Erlaubnis zum Sturm<br />
auf Messina.<br />
Der Fall von Palermo führt derweil zum<br />
Sturz des italienischen Diktators Mussolini.<br />
Fortan wird die Evakuierung der deutschen<br />
Truppen auf Sizilien vorbereitet, um<br />
ein „zweites Tunesien“ zu verhindern. Hube<br />
will trotz allem einen geordneten Rückzug<br />
und wirft daher den amerikanischen<br />
Truppen die 29. Panzergrenadierdivision<br />
entgegen, die den Vormarsch der 7. Armee<br />
verlangsamen soll. Am 25. Juli einigen sich<br />
Amerikaner und Briten auf einen gemeinsamen<br />
Vorstoß, um die Verbände der „Achse“<br />
in die Zange zu nehmen. In der Nacht<br />
vom 29. auf den 30. Juli beginnen die Briten<br />
daraufhin mit ihrer Offensive und drängen<br />
die Deutschen zurück. Diese lassen sich wie<br />
geplant auf eine rückwärtige Linie fallen.<br />
Patton versucht unterdessen, den amerikanischen<br />
Vormarsch durch Truppenlandungen<br />
hinter den deutschen Linien zu beschleunigen.<br />
Diese Aktion verläuft jedoch<br />
größtenteils erfolglos.<br />
Am 11. August beginnen die Deutschen<br />
mit der Evakuierung ihrer Truppen. Durch<br />
die Verteidigungserfolge gelingt es ihnen<br />
sogar, große Teile ihrer Ausrüstung zu retten.<br />
Letzte Versuche der Alliierten, den<br />
Rückzug der deutschen Verbände abzuschneiden,<br />
scheitern.<br />
Das Rennen um Messina entscheidet<br />
Patton gegen seinen Konkurrenten Montgomery<br />
für sich. Am Abend des 16. August<br />
rückt die 3. amerikanische Infanteriedivision<br />
kampflos in die geräumte Stadt ein. Nur<br />
einige Stunden später betreten auch die Briten<br />
den eroberten Fährhafen. Ein britischer<br />
Offizier begrüßt Patton mit den Worten: „It<br />
was a jolly good race. I congratulate you.“<br />
Das „fröhliche Rennen” kostet jedoch 5.500<br />
alliierte Soldaten das Leben, fast 15.000<br />
werden verwundet. Zusätzlich fordert die<br />
Malaria viele Opfer.<br />
Die Alliierten erreichen somit ihre gesteckten<br />
Ziele: Zwar gelingt es nicht, die<br />
gegnerischen Verbände vollständig zu vernichten,<br />
doch ist nun das gesamte Mittelmeer<br />
unter alliierter Kontrolle und das Tor<br />
zur „Festung Europa“ weit aufgestoßen.<br />
Lukas Grawe, M.A., Jahrgang 1985, Historiker aus<br />
Münster.<br />
38
Werte, die erhalten bleiben<br />
20 Jahre Wiederaufnahme<br />
des Brockenbahn-Betriebes<br />
The Ashton-Drake Galleries<br />
The Hamilton Collection<br />
Zwei deutsche Wahrzeichen in einem stilvollen Bergpanorama<br />
Von Hand gefertigte Kaminuhr zu Ehren der beliebten Brockenbahn!<br />
Produkt-Nr.: 422-GOJ01.01<br />
Produktpreis: € 139,95<br />
(zahlbar auch in 3 Monatsraten<br />
zu je € 46,65)<br />
zzgl. € 7,95 Versand<br />
Originalgröße: ca. 14,7 x<br />
26 x 17 cm (H x B x T),<br />
Abbildung verkleinert<br />
Betrieb der Uhr und der Bewegungs- und<br />
Geräuscheffekte durch 3 „AA“- Batterien<br />
(nicht im Lieferumfang enthalten)<br />
Mit authentischen<br />
Zuggeräuschen zu<br />
jeder vollen Stunde<br />
Ganggenaues Quarz-<br />
Uhrwerk und Zifferblatt mit<br />
„Brockenbahn“-Dampfl ok<br />
Die von Hand gefertigte Uhr<br />
wurde bis ins kleinste Detail<br />
gestaltet und handkoloriert<br />
Internet: www.bradford.de<br />
„Mit Volldampf auf den Brocken“<br />
Von Goethe literarisch verewigt und von den Deutschen geliebt, ist<br />
der Brocken ein wahrer Naturschatz. Seit dem 15. September 1991,<br />
also seit genau 20 Jahren, klettert nun die berühmte Brockenbahn<br />
wieder unter Volldampf auf dieses wundervolle Naturdenkmal.<br />
The Bradford Exchange feiert dieses Jubiläum mit einer stilvollen<br />
Kaminuhr, die das atemberaubende Panorama des Harzes und die<br />
Romantik der Eisen bahn in harmonische Eintracht bringt.<br />
Der Brocken und die berühmte Schmalspurbahn<br />
in einer strikt limitierten Skulptur<br />
Die aus hochwertigem Künstler-Skulpturenguss komplett<br />
von Hand gefertigte Kaminuhr „Mit Volldampf auf den Brocken“<br />
zeigt vier handkolorierte Schmalspurbahn-Miniaturen, unter<br />
anderem auch die „Harzbulle“ genannte BR 99 7222. Die Miniatur<br />
im Vordergrund bewegt sich und dreht zu jeder vollen Stunde<br />
ihre Run den, zudem ertönen authentische Dampflokgeräusche.<br />
Die Kaminuhr erscheint exklusiv bei The Bradford Exchange.<br />
In Anlehnung an das Jubiläumsjahr ist die Auflage auf nur<br />
2011 Exemplare limitiert und macht diese Uhr zu einer kostbaren<br />
Dekoration für Ihr Zuhause. Ein nummeriertes Echtheits-<br />
Zertifikat belegt die Authentizität Ihres Exemplars. Sichern Sie<br />
sich diese eindrucksvolle Kaminuhr am besten noch heute!<br />
Nennen Sie bei Online-Bestellung bitte Ihre Reservierungs-Nr.: 72304<br />
Telefon: 069/1729-7900<br />
©2013 The Bradford Exchange Ltd. • Johann-Friedrich-Böttger-Str. 1-3 • 63317 Rödermark<br />
<br />
Das Angebot ist limitiert –<br />
Reservieren Sie daher noch heute!<br />
PERSÖNLICHE RESERVIERUNGS-Nr.:<br />
Zeitlich begrenztes Angebot: Antworten Sie bis zum 21. Mai 2013<br />
Ja, bitte reservieren Sie für mich die Skulptur<br />
„Mit Volldampf auf den Brocken“.<br />
Bitte in Druckbuchstaben ausfüllen:<br />
Vorname/Name<br />
Straße/Nummer<br />
PLZ/Ort<br />
Geburtsdatum<br />
<br />
Unterschrift<br />
Mit 1-GANZES-JAHR-Rückgabe-Garantie<br />
72304<br />
Telefon für eventuelle Rückfragen<br />
Bitte gewünschte Zahlungsart ankreuzen():<br />
Ich zahle den Gesamtbetrag nach Erhalt der Rechnung<br />
Ich zahle in drei bequemen Monatsraten<br />
Ich bezahle per Kreditkarte MasterCard VisaCard<br />
Kreditkarten-<br />
Nummer:<br />
Gültig bis:<br />
(MM/JJ)<br />
Bitte einsenden an: THE BRADFORD EXCHANGE<br />
Johann-Friedrich-Böttger-Str. 1-3 • 63317 Rödermark<br />
Österreich: Senderstr. 10 • A-6960 Wolfurt • Schweiz: Jöchlerweg 2 • CH-6340 Baar
Militärtechnik im Detail<br />
Schlagkräftiger Hybrid:<br />
Leichter Flugzeugträger<br />
der Independence-Klasse<br />
Um nach Pearl Harbor mehr Flugzeugträger<br />
in den Kampf schicken zu können,<br />
machte die New York Shipbuilding<br />
Corporation aus der Not eine Tugend, indem<br />
sie bereits im Bau befindliche<br />
leichte Kreuzer zu leichten<br />
Trägern bzw. CVLs umkonstruierte.<br />
„Hauptsache<br />
war, dass sie leicht durch<br />
den Panamakanal passten“,<br />
sagte James Devine, ein Flugdeckoffizier<br />
an Bord der PRINCE-<br />
TON (CVL-23) – das einzige der<br />
neun Schiffe, welches bei Kampfhandlungen<br />
versenkt wurde. Obwohl<br />
zu klein, hatten die CVLs anders<br />
als Geleitflugzeugträger die nötige Leistungsfähigkeit,<br />
um in Kampfgruppen<br />
agieren zu können. Sie dienten von Baker<br />
Island bis Japan und kamen bei Tarawa,<br />
Saipan, Kwajalein, Iwo Jima und anderen<br />
entscheidenden Einsätzen zum Zuge. Während<br />
der Schlacht um die Philippinische See<br />
stellten CVLs mehr als ein Drittel der U.S.-<br />
Navy-Torpedobomber und -Jäger. So versenkten<br />
Piloten der BELLEAU WOOD<br />
(CVL-24 nebenstehend abgebildet) den japanischen<br />
Träger HIYO. Es war auch ein Pilot<br />
der BELLEAU WOOD, der eines der<br />
letzten japanischen Flugzeuge des Krieges<br />
abschoss. Im Jahr 1951 wurde das Typschiff<br />
INDEPENDENCE (CVL-22) bei einem<br />
Atombombentest geopfert. Die U.S. Navy<br />
verkaufte die verbliebenen leichten Träger<br />
anderen Marinen oder ließ sie einfach abwracken.<br />
DIE KONKURRENTEN:<br />
100.000 Pferdestärken<br />
Ölbefeuerte Kessel, die vier Turbinen<br />
von Babcock & Wilcox antrieben, verliehen<br />
den leichten Trägern eine Höchstgeschwindigkeit<br />
von bis zu 32 Knoten.<br />
NEUE SERIE<br />
Nachträglich aufgeweiteter Rumpf<br />
Um den leichten Träger im Gleichgewicht zu halten, haben die Schiffsbauer<br />
Aufweitungen hinzugefügt, die die Schiffsbreite um fünf Fuß (1, 52<br />
Meter) vergrößerten. Dabei wurde die backbordseitige Erweiterung mit<br />
Zement als Ballast befüllt. Ein beladener CVL wog 15.800 Tonnen.<br />
Beengte Kommandozentrale<br />
Die zwangsläufig verkleinerten Inseln<br />
zwängten Kommando- und Kontrollstände<br />
in sehr beengte Räume.<br />
HMS HERMES<br />
Verdrängung: 13.700 Tonnen ● Länge: 182,88<br />
Meter ● Geschwindigkeit: 25 Knoten ● Flugzeuge:<br />
20 ● 1923 in Dienst gestellt.<br />
Großbritanniens erster echter Flugzeugträger ließ<br />
seine Flugzeuge auf Ceylon zurück, als er am<br />
9. April 1942 dort auslief, nur um dann von<br />
Sturzkampfbombern der AKAGI, SORYU und der<br />
HIRYU überwältigt zu werden. Die HMS HERMES<br />
war der erste Flugzeugträger, der von anderen<br />
Trägern versenkt wurde.<br />
ZUIHO-Klasse<br />
Verdrängung: 11.443 Tonnen ● Länge: 205,49<br />
Meter ● Geschwindigkeit: 28 Knoten ● Flugzeuge: 30<br />
Bei den Einheiten dieser Klasse handelt es sich<br />
um ursprünglich als U-Boot-Versorger gedachte<br />
Schiffe; Die SHOHO wurde in der Schlacht im<br />
Korallenmeer von Flugzeugen der LEXINGTON und<br />
YORKTOWN am 7. Mai 1942 versenkt. Dagegen<br />
wurde die ZUIHO bei Kap Engano von Flugzeugen<br />
der Kampfgruppe 38 am 25. Oktober 1944<br />
versenkt.<br />
HIYO-Klasse<br />
Verdrängung: 23.770 Tonnen ● Länge: 219,33<br />
Meter ● Geschwindigkeit: 25,5 Knoten ● Flugzeuge:<br />
48-53<br />
Aufgebaut auf Luxuslinerrümpfen, hatten die<br />
beiden Träger dieser Klasse bewegte Laufbahnen.<br />
Eine arg ramponierte JUN´YO wurde nach dem<br />
Krieg abgewrackt. Die HIYO ging am 20. Juni<br />
1944 nach ihrem Gefecht mit der BELLEAU WOOD<br />
unter.<br />
40
Die INDEPENDENCE<br />
von der Bofors-Stellung<br />
eines anderen<br />
Schiffs aus gesehen.<br />
Sie gab einer Flugzeugträgerklasse<br />
ihren<br />
Namen, die half,<br />
den Sieg im Pazifik<br />
davonzutragen.<br />
Foto: NATIONAL ARCHIVES<br />
Grumman TBM<br />
Avengers verliehen<br />
den leichten Trägern<br />
Schlagkraft und<br />
Durchsetzungsvermögen.<br />
Die Crews<br />
rollten die Flugzeuge,<br />
um Platz zu<br />
schaffen, und um sie<br />
in Startposition zu<br />
bringen.<br />
Foto: NATIONAL ARCHIVES<br />
Kürzeres und schmaleres Flugdeck<br />
Zugeschnitten auf einen Kreuzerrumpf maß das<br />
Flugdeck eines CVL in der Breite gut 33 und in<br />
der Länge knapp 183 Meter. So war es ungefähr<br />
ein Drittel kleiner als das eines „normalen“<br />
Flugzeugträgers. Das kurze Deck machte die<br />
Herausforderung des Starts von einem sich<br />
bewegenden Schiff noch komplizierter.<br />
20-Millimeter-Oerlikon-FlaKs<br />
Die Batterien der defensiven FlaK-Bewaffnung umfassten<br />
16 20-Millimeter-Kanonen in Einzel-, Doppelund<br />
Vierfachaufstellung. Jedes Geschütz konnte einen<br />
Angreifer aus der Luft mit einem Geschosshagel von<br />
250-350 Schuss pro Minute überziehen.<br />
Vierfach-Bofors-FlaK<br />
Die ursprünglich an Bug und Heck aufgestellten<br />
5-Inch-FlaKs (12,7 Zentimeter) wurden<br />
durch vier wassergekühlte 40-Millimeter-<br />
Flugabwehrkanonen ersetzt. Mehrere solcher<br />
Vielfachlafetten der Bofors bildeten einen<br />
dichten Luftabwehrschirm um die CVLs.<br />
Amerikanische Luftrüstung<br />
wirft Maschine auf<br />
Maschine in den Kampf<br />
Ein leichter Träger konnte nicht<br />
weniger als 45 Flugzeuge –<br />
aufgeteilt in Jäger des Typs F4F<br />
Wildcat (später F6F Hellcat) und<br />
TBM Torpedobomber – tragen<br />
und versorgen. Die CVLs führten<br />
genug Munition und Treibstoff,<br />
um Luftoperationen monatelang<br />
unterstützen zu können.<br />
Dünne Hülle, dicht gepackt<br />
Um die Geschwindigkeit zu optimieren, haben<br />
die Schiffsbauer den 5-Inch-Panzergürtel, den<br />
üblicherweise leichte Kreuzer erhielten,<br />
weggelassen. Auf einem CVL waren 1.569<br />
Mann Besatzung „eingepfercht“.<br />
Auf Geschwindigkeit<br />
ausgerichtet<br />
Der kreuzertypische Rumpf<br />
sorgte dafür, dass die CVLs<br />
einerseits in schwerer See<br />
unangenehme Fahrteigenschaften<br />
hatten, andererseits<br />
aber hohe Geschwindigkeiten<br />
fahren konnten.<br />
Clausewitz 3/2013 41
Militärtechnik im Detail<br />
„Blitzkrieg“ auf hoher See:<br />
Deutsches Schnellboot Typ S-100<br />
Der Versailler Vertrag beabsichtigte die<br />
militärische Produktion Deutschlands<br />
einzugrenzen. Doch genau die Restriktionen<br />
für die Deutsche Marine sollten es sein,<br />
die die Schaffung der wohl tödlichsten kleinen<br />
Überwassereinheit des Zweiten Weltkriegs<br />
beförderten.<br />
Das Schnellboot oder auch S-Boot (von den<br />
Alliierten auch E-Boot genannt. Das E steht<br />
dabei für Enemy bzw. Feind), wurde von einem<br />
Rennbootentwurf abgeleitet. Es war mit<br />
seinen 35 Metern Länge und 1.000 Tonnen<br />
Verdrängung klein genug, die Beschränkungen<br />
des Versailler Vertrags zu unterlaufen.<br />
Andererseits war es standfest genug, sich auch<br />
auf hoher See auszuzeichnen. Schnellbootbesatzungen<br />
versenkten 101 Handelsschiffe, 12<br />
Zerstörer und beschädigten zahlreiche andere<br />
Schiffe. So erkannte John F. Kennedy nach einer<br />
Nachkriegsinspektion an, dass das Schnellboot<br />
„unserem PT-Boot weit überlegen“ war.<br />
Ersatz/Nachladetorpedos<br />
4-Zentimeter-Bofors-<br />
Kanone (Beutewaffe)<br />
Wasserbombenablaufschienen<br />
Zwillings-2-Zentimeter-<br />
Flugabwehrkanone<br />
Die abgewinkelten Ruder verursachten<br />
eine Lufttasche knapp hinter den drei<br />
Propellern (Lürsseneffekt). Das steigerte<br />
die Effizienz der Maschine und sorgte dafür,<br />
dass das Boot sich weniger aufbäumte,<br />
was mit der niedrigen Silhouette die<br />
Sichtbarkeit reduzierte.<br />
Verdrängerrumpf<br />
Nicht so schnell wie ein flacher<br />
Rumpf in ruhigem Wasser, aber<br />
deutlich effektiver bei hohen<br />
Wellen.<br />
DIE KONKURRENTEN:<br />
Britisches Fairmile D<br />
30 Knoten – Effektiv in nächtlichen Hinterhalten,<br />
konnte aber allein keinen Kampf mit einem<br />
Schnellboot bestehen.<br />
Italienisches MAS<br />
45 Knoten – Schlug sich bewundernswert, dennoch<br />
weniger seetüchtig unter rauen Seebedingungen<br />
als seine deutschen Gegenstücke.<br />
Amerikanisches Elco PT-Boot<br />
38 Knoten – Gut geeignet für nächtliche Erkundungsmissionen<br />
und Hinterhalte, aber weniger<br />
vollkommen als die eigene Legende suggeriert.<br />
42
Geschwindigkeit und Stärke<br />
erlaubten dem Schnellboot<br />
sich auch in rauer<br />
See zu behaupten und auszuzeichnen.<br />
Die 2.500-PS-<br />
Maschine beschleunigte<br />
das 100-Tonnen-Boot auf<br />
bis zu 43,8 Knoten wenn<br />
seine Konstruktion aus<br />
Holz und Aluminium allein<br />
mit schierer Gewalt durch<br />
hohe Wellen pflügte.<br />
Eine 2-Zentimeter-Kanone in den Bug<br />
eingelassen verteidigte das Schiff vorne<br />
und bot dem Schützen Deckung. Die weitere<br />
Bewaffnung variierte und umfasste<br />
bisweilen auch Beutewaffen.<br />
Gepanzerte Brücke (Kalottenbrücke)<br />
Diese wurde, beginnend mit der S-100-Klasse,<br />
eingebaut, um die Kommandozentrale zu schützen.<br />
2-Zentimeter-Kanone.<br />
Torpedorohr<br />
Jedes Boot führte vier 53,3-Zentimeter-<br />
Torpedos mit sich. Das war gerade genug<br />
für Blitzüberfälle.<br />
Sowjetisches Tupolev G-5 MTB<br />
48 Knoten – Das schnellste Motortorpedoboot,<br />
sehr aktiv in der Ostsee und dem Schwarzen<br />
Meer.<br />
Japanisches T-1MTB<br />
38 Koten – Produziert als Antwort auf die<br />
amerikanischen PT-Boote, aber weniger<br />
seetüchtig.<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong> dankt dem „World War II<br />
magazine“ sowie der Weider History<br />
Group für die Zurverfügungstellung der<br />
Grafiken. Mehr Informationen unter<br />
www.HistoryNet.com.<br />
Clausewitz 3/2013 43
Der Zeitzeuge<br />
ZERSTÖRTE EISENBAHNANLAGEN:<br />
Amerikanische Soldaten betrachten<br />
eine durch Bomben aus den Gleisen<br />
gerissenen Lok in Münster, April 1945.<br />
Foto: U.S. National Archives<br />
44
IM FEINDESLAND: Soldaten der Wehrmacht inspizieren<br />
einen liegen gebliebenen französischen Militärtransport<br />
mit einem veralteten Panzer auf einem der Waggons.<br />
Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp<br />
MOMENTAUFNAHME: Diesem<br />
Fotografen gelingt es, den<br />
Schatten seiner B-24 über dem<br />
Münchner Hauptbahnhof einzufangen.<br />
Foto: U.S. National Archives<br />
SCHIENEN IN STALINGRAD:<br />
Deutsche Soldaten hinter<br />
einem schrottreifen<br />
Eisenbahnfahrzeug.<br />
Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp<br />
Vom „Blitzkrieg“ bis zum Untergang<br />
Eisenbahn im<br />
Zweiten Weltkrieg<br />
1939–1945: Während des gesamten Krieges spielt die Eisenbahn eine zentrale Rolle ̶<br />
sie ist die Hauptschlagader des militärischen Transports und trägt die Hauptlast bei der<br />
Bereitstellung des Nachschubs an allen Fronten.<br />
Vorgestellt von Maximilian Bunk<br />
Aufgrund ihrer signifikanten Rolle ist<br />
die Eisenbahn stets Ziel von Angriffen<br />
und Sabotage. Als komplexes System<br />
ist sie höchst verwundbar und kann<br />
besonders Attacken aus der Luft nur wenig<br />
entgegensetzen. Gerade in diesem Zusammenhang<br />
ist es sowohl faszinierend als auch<br />
makaber zu sehen, wie die Reichsbahn bis in<br />
die letzten Tage des Krieges hinein „funktioniert“.<br />
Die Eisenbahn ist aber nicht nur Vollstrecker<br />
militärischer Bedürfnisse. Sie ist<br />
auch ein Repräsentationsmittel des Staates:<br />
Hitler z.B. reist in feudalen Sonderwagen<br />
durchs Land oder empfängt hohen Besuch<br />
direkt am Bahnsteig. Vor diesem Hintergrund<br />
wird die Eisenbahn zum probaten<br />
„Zeugen“ des Krieges und dokumentiert Logistik,<br />
Zerstörung, hohe Politik und menschliches<br />
Schicksal auf und neben den Schienen.<br />
Mit einer packenden Auswahl seltener Bilder<br />
(kombiniert mit kenntnisreichen Texten)<br />
zeichnen die Autoren Andreas Knipping und<br />
Brian Rampp in ihrem Buch „Eisenbahn im<br />
Zweiten Weltkrieg“ ein Panorama des Krieges<br />
̶ exemplifiziert an der Rolle der Eisenbahn.<br />
Chronologisch voran schreitend vom<br />
Weg in den Krieg bis zum Ende des „Dritten<br />
Reiches“ öffnet es einen umfassenden Blick<br />
auf einen besonders spannenden Abschnitt<br />
der Technikgeschichte. Es wird offensichtlich,<br />
wie sehr die Bahn in den Krieg involviert<br />
war. Dies mag zunächst banal klingen,<br />
doch das schiere Ausmaß erstaunt selbst<br />
Kenner der Materie immer wieder aufs<br />
Neue. Fazit: Die nationalsozialistische<br />
Kriegspolitik unterschätzt die Bedeutung der<br />
Eisenbahn anfangs und überfordert ihre Kapazitäten<br />
anschließend massiv. CLAUSE-<br />
WITZ präsentiert auf den folgenden Seiten<br />
eine kleine Auswahl der faszinierenden Bilder<br />
aus der modernen Gesamtdarstellung<br />
„Eisenbahn im Zweiten Weltkrieg“.<br />
Clausewitz 3/2013<br />
45
Der Zeitzeuge<br />
ERBEUTET: Alliierten Soldaten fällt ein<br />
Transportzug mit deutschen Panzern<br />
vom Typ „Tiger“ in die Hände.<br />
Foto: U.S. National Archives<br />
GLEISTRANSPORT: Ein leicht gepanzertes<br />
Aufklärungsfahrzeug auf einem Güterwagen<br />
irgendwo im eroberten Osten.<br />
Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp<br />
BOMBEN AUF DIE BAHN: Das völlig zerstörte und mit Kratern übersäte Gleisfeld des<br />
Verteilerbahnhofes Friedberg (Hessen) nach einem Fliegerangriff im Dezember 1944.<br />
Der Krieg ist längst in Deutschland angekommen.<br />
Foto: U.S. National Archives<br />
DIE EISENBAHN ALS KULISSE: Reichsmarschall<br />
Göring hält auf dem Bahnsteig Mönichkirchen (Niederösterreich)<br />
eine Ansprache zu Ehren Hitlers. Im Hintergrund<br />
der Sonderzug zu „Führers Geburtstag“.<br />
Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp<br />
OSTFRONT 1942: Deutsche Truppen auf einem<br />
Umgehungsgleis, das um eine beschädigte<br />
russische Lok angelegt ist.<br />
Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp<br />
ABSCHIED AM ZUG: Hitler und Mussolini<br />
beim Händeschütteln auf dem<br />
Bahnhof von Salzburg 1942 oder<br />
1943. Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp<br />
FASZINIEREND UND FESSELND<br />
Andreas Knipping/Brian Rampp:<br />
Eisenbahn im Zweiten Weltkrieg. Vom<br />
Blitzkrieg bis zum Untergang. München<br />
2013. Hardcover mit Schutzumschlag,<br />
159 Seiten, mit vielen<br />
Fotoraritäten aus amerikanischen<br />
Archiven und bisher unveröffentlichten<br />
Aufnahmen.<br />
46
12x <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
+ Geschenk<br />
Gratis für Sie !<br />
Buch »Große Feldherren der Weltgeschichte«<br />
Eine spannende Kulturgeschichte der Kriegskunst – von<br />
der Antike bis heute! Lesen Sie von siegreichen Schlachten<br />
und Niederlagen der größten Feldherren der Geschichte,<br />
vorgestellt von renommierten Historikern.<br />
<br />
<br />
Ja, ich möchte <strong>CLAUSEWITZ</strong> regelmäßig lesen!<br />
Vorname/Nachname<br />
Straße/Hausnummer<br />
PLZ/Ort<br />
Telefon<br />
Mein Vorteilspaket<br />
Ich spare 10% (bei Bankeinzug sogar 12%)!<br />
Ich erhalte mein Heft 2 Tage vor dem<br />
Erstverkaufstag bequem nach Hause (nur im<br />
Inland) und verpasse keine Ausgabe mehr!<br />
Ich kann nach dem zweiten Jahr jederzeit<br />
abbestellen und erhalte zuviel bezahltes<br />
Geld zurück!<br />
Bitte schicken sie mir <strong>CLAUSEWITZ</strong> ab sofort für 2 Jahre druckfrisch mit 10% Preisvorteil für nur € 4,95* (statt € 5,50) pro Heft (Jahrespreis € 29,70*) sechs Mal im Jahr nach Hause. Zusätzlich erhalte<br />
ich gratis das Buch »Große Feldherren der Weltgeschichte«**. Der Versand erfolgt nach Bezahlung der Rechnung. Ich kann das Abo nach dem zweiten Bezugsjahr jederzeit kündigen.<br />
Bitte informieren Sie mich künftig gern per E-Mail, Telefon oder Post über interessante<br />
Neuigkeiten und Angebote (bitte ankreuzen).<br />
E-Mail (für Rückfragen und weitere Infos)<br />
Datum/Unterschrift<br />
<br />
Sie möchten noch mehr sparen?<br />
Dann zahlen Sie per Bankab bu chung (nur im Inland möglich)<br />
und Sie sparen zusätzlich 2 % des Abopreises!<br />
Ja, ich will sparen und zahle künftig per Bankabbuchung<br />
Kreditinstitut<br />
Kontonummer<br />
<br />
Bankleitzahl<br />
WA-Nr. 620CW60241-62381725<br />
Datum/Unterschrift<br />
Bitte ausfüllen, ausschneiden oder kopieren und gleich senden an:<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong> Leserservice, Postfach 1280, 82197 Gilching<br />
oder per Fax an 0180-532 16 20 (14 ct/min.)<br />
www.clausewitz-magazin.de/abo<br />
Ihr Geschenk<br />
* Preise inkl. Mwst, im Ausland zzgl. Versandkosten<br />
** Solange Vorrat reicht, sonst gleichwertige Prämie
Schlachten der Weltgeschichte<br />
Krimkrieg 1853-1856<br />
Der erste „moderne“<br />
Stellungskrieg<br />
28. März 1854: England und Frankreich greifen militärisch in den blutigen Konflikt zwischen<br />
Russland und dem Osmanischen Reich ein. Besonders um die Festung Sewastopol<br />
entbrennt ein Stellungskrieg, wie ihn die Welt bisher nicht kannte... Von Carsten Walczok<br />
Russland<br />
Befehlshaber: Fürst Michael Dimitrijewitsch Gortschakow<br />
(1792–1861) / Fürst Menschikow (1787–1869)<br />
Truppenstärke: 107.000<br />
Verluste: 73.000<br />
48
Dicht gedrängt greifen am 5. November<br />
des Jahres 1854 rund 35.000 russische<br />
Soldaten die schwachen britischen<br />
Stellungen vor der Stadt und Festung Sewastopol<br />
auf der Halbinsel Krim an. Das Ziel der<br />
russischen Angreifer sind die Hügel am<br />
nördlichen Ende der britischen Linien. Aber<br />
der russische Angriff bleibt im mörderischen<br />
Abwehrfeuer der Verteidiger stecken. Die<br />
dicht gedrängten russischen Angriffskolonnen<br />
erleiden ungeahnte Verluste im deckenden<br />
Feuer der britischen Infanterie. Diese ist<br />
im Gegensatz zu ihren russischen Gegnern<br />
bereits mit den Gewehren mit gezogenen<br />
Läufen nach dem System Minié ausgerüstet.<br />
Der Krieg auf der Krim erlebt den ersten<br />
massenhaften Einsatz dieses neuen Systems<br />
bei den Infanteriegewehren und beweist sofort<br />
deren Überlegenheit über die altbewährten<br />
glattläufigen Vorderlader. Doch das ist<br />
nicht die einzige Besonderheit, durch die<br />
sich dieser Konflikt in der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
auszeichnet. Neben eisengepanzerten<br />
Schiffen mit Dampfantrieb ist dies<br />
auch der erste Krieg, über den die Medien<br />
dank des Telegrafen direkt berichten. Sogar<br />
Zar Nikolaus soll gesagt haben, er würde<br />
keine Spione brauchen, da er ja die „Times“<br />
lesen könne.<br />
Doch wo liegt der Anlass für diesen Konflikt?<br />
Russlands Eintreten für die Interessen<br />
der orthodoxen Christen ruft den Widerstand<br />
der anderen christlichen Konfessionen hervor.<br />
Die eigentliche Ursache für den Krieg<br />
liegt aber im inneren Zerfall des Osmanischen<br />
Reiches, das von Spöttern gerne als der<br />
„Kranke Mann am Bosporus“ bezeichnet<br />
wird.<br />
Russland hofft, bedingt durch die Schwäche<br />
der Türken, endlich die Kontrolle über die<br />
Meerenge des Bosporus zu erreichen. Das<br />
wiederum liegt nicht im Interesse Großbritanniens,<br />
denn London will nicht zulassen, dass<br />
eine solche Schlüsselposition wie die Dardanellen<br />
unter russische Kontrolle gerät.<br />
Der lange Weg auf die Krim<br />
Nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen<br />
besetzen am 3. Juli 1853 rund<br />
80.000 russische Soldaten unter dem Befehl<br />
von Fürst Michail Gortschakow die Donau-<br />
Alliierte<br />
FRANKREICH<br />
Befehlshaber: Armand-Jacques Achille Leroy de<br />
Saint-Arnaud (1798-1854)/ François Canrobert<br />
(1809–1895) /Aimable Pélissier (1794–1864)<br />
Truppenstärke: 100.000<br />
Verluste: 70.000<br />
GROßBRITANNIEN<br />
Befehlshaber: Fitzroy James Henry Somerset,<br />
Lord Raglan (1788–1855)<br />
Truppenstärke: 35.000<br />
Verluste: 22.000<br />
SARDINIEN-PIEMONT<br />
Befehlshaber: Alfonso La Marmora<br />
(1804–1878)<br />
Truppenstärke: 14.000<br />
Verluste: k. A.<br />
OSMANISCHES REICH (TÜRKEI)<br />
Befehlshaber: Omar Pascha (Michael Latas)<br />
(1806–1871)<br />
Truppenstärke: 55.000<br />
Verluste: k. A.<br />
MARTIALISCH: Darstellung<br />
der Belagerung von Sewastopol<br />
von Franz A. Roubaud<br />
(Ausschnitt aus einem<br />
Panoramagemälde).<br />
Foto: picture-alliance/Prisma Archivo<br />
Clausewitz 3/2013<br />
49
Schlachten der Weltgeschichte | Krimkrieg<br />
BELAGERT: Blick auf die<br />
Befestigungsanlagen von<br />
Sewastopol.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
HINTERGRUND<br />
Deutsche Legionäre für die Krim<br />
fürstentümer Walachei und Moldau. Am<br />
16. Oktober erklärt das Osmanische Reich<br />
Russland den Krieg und General Omar Pascha<br />
beginnt seine <strong>Operation</strong>en gegen die<br />
russische Armee an der Donau. Die türkischen<br />
Truppen schlagen sich – nicht zuletzt<br />
dank der deutschen Militärberater – erheblich<br />
besser als in früheren Kriegen.<br />
Am 30. November 1853 greift die russische<br />
Schwarzmeerflotte den osmanischen<br />
Hafen von Sinope an und schießt sämtliche<br />
Schiffe der Türken in Brand. Etwa 4.000 Soldaten<br />
verlieren dabei ihr Leben.<br />
Österreich hatte sich zwar für neutral erklärt,<br />
fordert aber am 3. Juni 1854 den Zaren<br />
zu dessen Überraschung auf, seine Truppen<br />
aus den Donaufürstentümern abzuziehen.<br />
Zwar bleibt Wien auch weiterhin neutral, besetzt<br />
aber die Donaufürstentümer selber. Die<br />
Alliierten landen Ende Mai 1854 ihrerseits<br />
eine britisch-französische Expeditionsarmee<br />
bei Warna im heutigen Bulgarien. Kaiser Napoleon<br />
III. entsendet 30.000 Mann und 68<br />
Geschütze und die Briten 26.000 Mann und<br />
60 Geschütze auf den Balkan.<br />
Auch als sich die Russen wieder hinter<br />
die Donau zurückziehen, wollen die Alliierten<br />
den Kampf fortsetzen. Napoleon braucht<br />
nämlich zur Untermauerung seiner Großmachtambitionen<br />
einen militärischen Erfolg.<br />
Den soll stattdessen eine Expedition in die<br />
Dobruschda im August 1854 liefern, doch es<br />
kommt anders.<br />
Im französischen Lager im bulgarischen<br />
Warna bricht im Juli die Cholera aus. Kurz<br />
darauf treten auch bei den Briten in Gallipo-<br />
Die britische Armee besteht nur aus wenigen<br />
und schlecht bezahlten Berufssoldaten,<br />
die zudem meist in den Kolonien eingesetzt<br />
werden. Die hohen Verluste auf der Krim<br />
verlangen aber nach schnellem Ersatz. Deshalb<br />
beschließt das Parlament, mit Fremdenlegionären<br />
Ersatz zu beschaffen. 9.000<br />
deutsche Legionäre werden in der „British-<br />
German Legion“ zusammengefasst und ab<br />
Mai 1855 in die Türkei verschifft. Durch das<br />
baldige Kriegsende kommen die Legionäre<br />
aber nicht mehr auf der Krim zum Einsatz.<br />
li (in der heutigen Türkei) die ersten Cholerafälle<br />
auf. Um den 20. August beklagen die<br />
Franzosen bereits 5.000 Opfer.<br />
Damit sind alle militärischen <strong>Operation</strong>en<br />
der Alliierten auf dem Balkan gescheitert.<br />
Obwohl es jetzt eigentlich keinen Grund<br />
mehr zu weiteren militärischen <strong>Operation</strong>en<br />
gibt, wollen die Alliierten ihren Krieg gegen<br />
Russland fortsetzen. Während Lord<br />
Aberdeen auf Sympathiegewinne<br />
bei der anti-russisch eingestellten<br />
Öffentlichkeit hofft,<br />
möchte Napoleon III. das<br />
1814 schwer geschlagene<br />
Frankreich zurück zu alter<br />
Stärke führen.<br />
Ein direkter Marsch<br />
vom Balkan in das Innere<br />
Russlands ist zwar unter<br />
diesen Umständen kaum<br />
sinnvoll, aber eine begrenzte<br />
Militäroperation<br />
gegen die russische Marinebasis<br />
Sewastopol auf der<br />
Krim würde obendrein den<br />
Vorteil bringen, die russische<br />
Schwarzmeerflotte zu schwächen. Das<br />
wiederum würde die britische, die französische<br />
und auch osmanische Position im Mittelmeer<br />
und im Schwarzen Meer stärken.<br />
Der Kampf um die Krim beginnt<br />
Am 12. September 1854 erscheint die alliierte<br />
Flotte vor der russischen Halbinsel und<br />
landet in der Bucht von Jewpatorija nördlich<br />
von Sewastopol die Truppen an.<br />
Die Festung von Sewastopol ist von den<br />
Russen nach ihrer Übernahme der Halbinsel<br />
Krim von den Türken im Jahre 1783 angelegt<br />
worden. Den Namen Sewastopol haben<br />
die Russen aus dem Griechischen übernommen<br />
und er bedeutet „Stadt des<br />
Ruhms“.<br />
Zwischen 1833 und 1851 werden die Verteidigungsanlagen<br />
der Hafenstadt ausgebaut.<br />
Insgesamt werden acht Forts, drei auf<br />
der Nordseite der Bucht und fünf auf der<br />
Südseite, errichtet. 1854 folgen drei weitere,<br />
insgesamt verfügt die Festung über<br />
571 Kanonen.<br />
Allerdings hat die zur See<br />
hin gut gesicherte Festung ihre<br />
Achillesferse an der<br />
AN DER SEITE FRANKREICHS<br />
UND GROßBRITANNIENS:<br />
1855 befehligte Alfonso La<br />
Marmora das piemontesische<br />
Expeditionskorps im<br />
Krimkrieg.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Landseite, denn diese ist nahezu<br />
ungeschützt. Seit dem<br />
Frühjahr 1854 wird zwar zügig<br />
an der Fertigstellung der Verteidigungswerke<br />
zur Landseite hin gearbeitet,<br />
aber bis zum September 1854 sind<br />
noch immer drei Viertel der Verteidigungslinie<br />
offen.<br />
Laut dem deutschstämmigen Ingenieur<br />
Eduard von Totleben, der eigens zum Festungsbau<br />
nach Sewastopol gesandt wurde,<br />
erwartet der Oberkommandierende Fürst<br />
Menschikow für 1854 keinen Angriff auf die<br />
Festung mehr.<br />
50
Cholera wütet<br />
Die Alliierten ihrerseits stehen nach dem<br />
Anlanden mit 61.000 Mann zum Sturm auf<br />
Sewastopol bereit. Fürst Menschikow hat<br />
immerhin 50.000 Soldaten unter seinem Befehl,<br />
doch davon sind 12.000 zur Sicherung<br />
der Halbinsel Kertsch abgestellt.<br />
TRIUMPH: Gemälde zur Erstürmung<br />
des Forts Malakoff<br />
durch französische Truppen<br />
unter Patrice de Mac-Mahon<br />
am 8. September 1855, von<br />
Horace Vernet.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Alma, Balaklawa und Inkerman<br />
Am 20. September greifen die Alliierten<br />
schließlich an. Die russischen Soldaten wehren<br />
sich entschlossen, aber die französischen<br />
Zuaven, nordafrikanische Söldner, dringen<br />
auf der linken Flanke dennoch erfolgreich<br />
vor. De Saint-Arnauds Divisionen treffen dagegen<br />
im Zentrum auf heftigen Widerstand.<br />
Doch das überlegene Feuer der mit den<br />
Minié-Gewehren ausgerüsteten Franzosen<br />
zwingt die Russen zum Rückzug.<br />
Auf dem linken Flügel greifen die Briten<br />
immer wieder an und werden dennoch zurückgeworfen.<br />
Erst als später französische<br />
Truppen die Briten unterstützen, ziehen die<br />
Russen sich geordnet zurück.<br />
„… das ist großartig,<br />
aber kein Krieg. Das ist<br />
Wahnsinn.“<br />
General Bosquet nach der Attacke<br />
der leichten Brigade bei Balaklawa<br />
KARTE<br />
Belagerung von Sewastopol 1854/55<br />
Dieses erste Aufeinandertreffen moderner<br />
europäischer Armeen seit dem Ende der<br />
Kriege Napoleons kostet die Russen 6.300<br />
Mann (Tote, Verwundete und Vermisste), die<br />
Briten insgesamt 2.000 Soldaten und die<br />
Franzosen 1.600 Soldaten.<br />
Die Alliierten haben aber noch ein weiteres<br />
schweres Opfer zu beklagen. Der Kommandeur<br />
der französischen Expeditionstruppen,<br />
De Saint-Arnaud, wird ein Opfer<br />
der Cholera.<br />
Darum weichen die Alliierten von dessen<br />
Plan, unverzüglich Sewastopol anzugreifen,<br />
ab und belagern stattdessen die Hafenstadt.<br />
TECHNIK<br />
Das Minié-System<br />
Anders als die Russen haben<br />
die Briten und Franzosen ihre<br />
Truppen bereits mit Gewehren<br />
mit gezogenen Läufen ausgerüstet.<br />
Der Hauptmann der Jäger,<br />
Claude Etienne Minié, hat 1849<br />
ein System vorgeschlagen, das<br />
es ermöglicht, Gewehre mit gezogenem<br />
Lauf auszustatten, die<br />
aber dennoch genauso leicht zu<br />
laden waren wie die Waffen mit<br />
glattem Lauf. Während bei diesen<br />
die Kugel ein deutlich kleineres<br />
Kaliber aufweist als der<br />
Laufinnendurchmesser, ist das<br />
beim System Minié anders. Hier<br />
wird das Geschoss durch die<br />
Zündung der Pulverladung<br />
künstlich vergrößert und in die<br />
Züge des Laufes getrieben. Dies<br />
gibt dem Geschoss den notwendigen<br />
Drall (Drehung), um mit erheblich<br />
größerer Präzision auf<br />
sein Ziel zuzustreben.<br />
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />
Clausewitz 3/2013<br />
51
Schlachten der Weltgeschichte | Krimkrieg<br />
Diese Entscheidung rettet die Stadt vor der<br />
raschen Erstürmung. Der spätere Kommandeur<br />
der Garnison, General Dimitrij von der<br />
Osten-Sacken, schreibt später: „Hätte der<br />
Feind entschlossen gehandelt, dann hätte die<br />
ganze Armee auf der Krim für die Verteidigung<br />
von Sewastopol nicht genügt ...“<br />
Briten wie Franzosen beschließen, zuerst<br />
ihre Positionen zu festigen und weitere Verstärkungen<br />
aus Warna und Konstantinopel<br />
abzuwarten. Die Verteidiger von Sewastopol<br />
nutzen diese Phase des alliierten Zögerns und<br />
bauen unter der Führung von Admiral Kornilow<br />
und Oberst Totleben hastig ihre Verteidigungspositionen<br />
aus. Neben den Soldaten<br />
und Seeleuten hilft praktisch die ganze russische<br />
Bevölkerung bei diesen Arbeiten.<br />
„Angriff der leichten Brigade“<br />
Den russischen 118 Geschützen stehen 53<br />
französische und 73 britische gegenüber. Allerdings<br />
ist die Situation auf der Seite zur See<br />
für die Alliierten weniger günstig. Zwar<br />
wird im ersten Bombardement keines ihrer<br />
30 Schiffe versenkt, doch das Feuer der russischen<br />
Geschütze hat zahlreiche Opfer unter<br />
den Seeleuten gefordert – 74 darunter Tote<br />
und über 400 Verwundete. Die Russen dagegen<br />
haben kaum Ausfälle zu beklagen. Es<br />
bleibt den Alliierten die Erkenntnis, dass sie<br />
mit hölzernen Schiffen gegen moderne Geschütze<br />
kaum mehr bestehen können.<br />
Am 25. Oktober 1854 versuchen die Russen,<br />
ihrerseits anzugreifen. Ziel ist der briti-<br />
BERÜHMT: Porträtaufnahme von Leo<br />
Tolstoi, der am Krimkrieg teilnimmt.<br />
Seine dort gewonnenen Eindrücke<br />
verarbeitet der<br />
Schriftsteller wenig später<br />
in drei Erzählungen.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
kommt es zu keinen effektiven<br />
feindlichen Aktivitäten. Die<br />
Schlacht von Balaklawa endet,<br />
ohne dass die Russen<br />
ihr Ziel erreicht haben oder<br />
die Alliierten den Abwehrerfolg<br />
nutzen können.<br />
Die Alliierten beginnen<br />
zu erkennen, dass sie<br />
sich trotz ihrer Erfolge an<br />
der Alma und bei Balaklawa<br />
auf eine lange Belagerung<br />
von Sewastopol einstellen<br />
müssen.<br />
Mittlerweile erreichen zwei<br />
weitere Divisionen, aus Bessarabien<br />
kommend, die Krim. Da Menschikow nun<br />
über insgesamt 107.000 Soldaten in und um<br />
Sewastopol verfügt und somit die numerische<br />
Überzahl gegenüber den 71.000 alliierten<br />
Soldaten besitzt, entschließt er sich zum<br />
Handeln.<br />
Die Inkerman Höhenzüge, die bis zu einer<br />
Höhe von 130 Metern ansteigen, sind das<br />
östliche Ende der alliierten Belagerungslinie<br />
und stellen einen Schwachpunkt dar. Insgesamt<br />
stehen hier 8.600 Mann – rund ein Drittel<br />
der gesamten britischen Armee.<br />
An dieser schwachen Position der Alliierten<br />
will Fürst Menschikow den Belagerungsring<br />
durchbrechen und zugleich die britischen<br />
Streitkräfte weitgehend zertrümmern.<br />
Mit einem Durchbruch auf die Sapun-Höhen<br />
und die Ebene von Cherson würde sich die<br />
militärische Lage schlagartig zu Russlands<br />
Gunsten verändern. Für diesen Plan setzt er<br />
57.000 Soldaten ein.<br />
General Gortschakow bindet mit 22.000<br />
Mann die Franzosen, während die Generale<br />
Soimonow und Paulow mit insgesamt<br />
35.000 Soldaten direkt die Inkerman-Höhen<br />
angreifen. Am frühen Morgen des 5. Novemsche<br />
Versorgungshafen<br />
Balaklawa. Die dort eingesetzten<br />
türkischen Soldaten<br />
weichen vor der russischen<br />
Übermacht von 25.000 Soldaten<br />
zurück.<br />
Dabei zögert General Liprandi,<br />
der den Angriff führt, nachdem er die Höhen<br />
besetzt hat, mit seinem weiteren Vordringen<br />
auf Balaklawa. Lord Lucans schwerer<br />
Kavalleriebrigade gelingt es, die russische<br />
Reiterei zu schlagen. Der anschließende<br />
Einsatz der leichten Kavalleriebrigade von<br />
Lord Cardigan führt zu einem Desaster. Erst<br />
zögert er, den Befehl auszuführen, da er sich<br />
weigert, seinen Schwager und Intimfeind<br />
Lord Lucan als Oberbefehlshaber der Reiterei<br />
anzuerkennen. Er folgt ihm schließlich<br />
doch auf Druck seiner Offiziere.<br />
Was nun folgt, ist seitdem als der „Angriff<br />
der leichten Brigade“ in die britische Militärgeschichte<br />
eingegangen. Von 658 Reitern kehren<br />
nur 200 zurück. General Bosquet ruft entsetzt<br />
aus: „Das ist großartig, aber kein Krieg.<br />
Das ist Wahnsinn.“ Nach dieser Attacke<br />
„Hätte der Feind entschlossen gehandelt, dann hätte<br />
die ganze Armee auf der Krim für die Verteidigung<br />
von Sewastopol nicht genügt …“<br />
General Dimitrij von der Osten-Sacken nach der Schlacht an der Alma<br />
UNTER BESCHUSS: Bombardement der Festung Sewastopol durch die französische und englische Flotte 1854.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
52
Sewastopol fällt<br />
HINTERGRUND<br />
Cholera – die geheimnisvolle Seuche<br />
Die Cholera ist in Europa eine „neue“<br />
Krankheit. Ihren Ursprung hat sie in der<br />
Gangesregion in Indien. Sie erreicht<br />
während der 1820er-Jahre über Zentralasien<br />
auch Europa. Zwischen 1830<br />
und 1837 schwappt eine erste Welle<br />
über den europäischen Kontinent. Die<br />
Ursachen für diese massenhaft auftretende<br />
Krankheit sind auf unhygienische<br />
Lebensumstände und ganz besonders<br />
auf verseuchtes Trinkwasser zurückzuführen.<br />
Die große Choleraepidemie von<br />
London im Sommer 1854 fordert fast<br />
12.000 Opfer.<br />
ber ersteigen Soimonows Kolonnen die westliche<br />
Seite der Inkerman-Höhen und werden<br />
sofort von den Briten unter Feuer genommen.<br />
Dort muss Soimonow feststellen, dass General<br />
Paulow, anders als befohlen, noch nicht<br />
zum Angriff angetreten ist. Erst gegen 08:00<br />
Uhr beginnen seine 16.000 Mann mit dem<br />
Aufstieg. Die Briten können sich dank ihrer<br />
überlegenen Feuerkraft gegen die russische<br />
Übermacht behaupten. Die mangelnde Koordinierung<br />
der Angriffskolonnen und der Umstand,<br />
dass General Soimonow gleich zu Beginn<br />
des Kampfes fällt, lässt den russischen<br />
Angriff ins Stocken geraten. Doch erst der<br />
Flankenangriff der französischen Fremdenlegionäre<br />
und der Zuaven bringt die Wende.<br />
Nach drei Stunden heftiger Kämpfe haben<br />
die russischen Angreifer rund ein Drittel<br />
ihrer Soldaten verloren und müssen sich zurückziehen.<br />
Die Verluste der Briten belaufen<br />
sich auf etwa 2.500 Tote und Verwundete.<br />
Die Franzosen haben knapp über 1.700 Männer<br />
verloren.<br />
Sturm auf Sewastopol<br />
Ein schwerer Sturm, der Mitte November<br />
durch das schwarze Meer fegt, trifft besonders<br />
die Alliierten in ihrem Feldlager. Mehrere<br />
Schiffe gehen vor der Krim verloren<br />
und mit ihnen auch wichtige Güter für die<br />
Truppen an Land. Dort werden Zelte und<br />
Baracken vom Sturm zerstört und provisorische<br />
Lazarette zerschlagen. Was folgt,<br />
MANN GEGEN MANN: In der Schlacht an der Alma am<br />
20. September 1854 Treffen Alliierte und Russen auf der<br />
Krim erstmals aufeinander. Foto: picture-alliance/akg-images<br />
sind kalte und hungrige Wintermonate in<br />
den Gräben vor oder in den Trümmern von<br />
Sewastopol.<br />
Da der Beschuss der Verteidigungsanlagen<br />
im Oktober 1854 trotz der nie gekannten<br />
Intensität kaum Wirkung gezeigt hat, müssen<br />
die Alliierten von einem schnellen Sturm<br />
auf Sewastopol Abstand nehmen. Als Zentrum<br />
des russischen Widerstandes haben sie<br />
mittlerweile das Fort Malakow (auch: Malakoff)<br />
ausgemacht und konzentrieren nun ihr<br />
Feuer darauf.<br />
Im Mai des Jahres 1855 werden die Belagerer<br />
durch 14.000 italienische Soldaten des<br />
Königreichs Sardinien verstärkt.<br />
Zwei Expeditionen der Alliierten gegen<br />
Kertsch im Südosten führen zu keinen echten<br />
Erfolgen. General Aimable Pélissier hat<br />
inzwischen Canrobert als Oberbefehlshaber<br />
der Franzosen abgelöst. Was zu tun bleibt, ist<br />
ganz klar: Der Sturm auf die Festung und<br />
hier auf das Zentrum, Malakow.<br />
Am 6. Juni 1855 starten sie ein neues Bombardement.<br />
Ziel ist die Zerstörung der drei<br />
Festungswerke im Vorfeld Malakows, die<br />
Literaturtipps<br />
Orlando Figes: Krimkrieg – Der letzte Kreuzzug,<br />
Berlin 2011<br />
Wilhelm Treue: Die Entstehung der modernen<br />
Flotten, Göttingen 1954<br />
am 7. Juni von den Franzosen gestürmt werden.<br />
Von August bis September wiederholen<br />
die Alliierten immer wieder ihre Bombardements<br />
der russischen Stellungen. Die Russen<br />
erleiden heftige Verluste, allein in den letzten<br />
drei Tagen verlieren sie 7.500 Männer.<br />
Am Mittag des 8. September stürmen drei<br />
französische und zwei britische Divisionen<br />
die Festung. Da die Gesamtsituation durch<br />
die Eroberung des Forts Malakow kaum<br />
noch haltbar ist, befiehlt General Gortschakow<br />
die Räumung der Stadt.<br />
Ostsee, Kaukasus und Fernost<br />
Neben den Kämpfen auf der Krim wird<br />
auch an anderer Stelle gekämpft. So läuft<br />
bereits im März 1854 ein Verband britischer<br />
Schiffe unter Admiral Napier in die Ostsee,<br />
um russische Häfen zu blockieren. Da sich<br />
die russische Flotte zurückhält, bleibt es bei<br />
der Beschießung russischer Häfen und<br />
Werften.<br />
Im August 1854 kommt es auch zu Kämpfen<br />
auf der sibirischen Halbinsel Kamtschatka,<br />
hier kann sich aber die schwache russische<br />
Garnison erfolgreich gegen die Alliierten<br />
behaupten. Auch die Kämpfe im Bereich<br />
des Kaukasus verlaufen für die Russen erfolgreich,<br />
so können sie Militäroperationen<br />
1853, 1854 und 1855 siegreich abschließen.<br />
Letztlich bringt dies den Russen die Möglichkeit,<br />
trotz der Niederlage bei Sewastopol<br />
einen annehmbaren Friedensvertrag zu unterzeichnen.<br />
Am Ende zeichnet sich der alliierte Gesamterfolg<br />
dadurch aus, dass Briten und<br />
Franzosen sich dank ihrer überlegenen Wirtschaft<br />
und der damit verbundenen modernen<br />
Rüstung gegenüber Russland durchsetzen<br />
können. In St. Petersburg muss der neue<br />
Zar Alexander II. Russlands Rückständigkeit<br />
in diesem Punkt anerkennen. In der Folge<br />
führt er verschiedene Reformen, wie die<br />
Abschaffung der Leibeigenschaft, durch.<br />
Dr. Carsten Walczok, Jg. 1962, Dienst im Bundesgrenzschutz,<br />
Geschichtsstudium, Tätigkeit als Archivar.<br />
Verschiedene Publikationen zur Technik-, Kriegs- und<br />
Regionalgeschichte.<br />
Clausewitz 3/2013<br />
53
Das historische Dokument<br />
MARTIALISCH: Brückenlegepanzer<br />
während eines Manövers des<br />
Warschauer Paktes.<br />
Geheimes NVA-Kartenmaterial<br />
Streng<br />
vertraulich<br />
Ende der 1980er-Jahre: Das Ministerium für Nationale<br />
Verteidigung der DDR lässt Karten von NATO-Staaten<br />
für den „Angriffsfall“ erstellen.... Von Eberhard Kliem<br />
Obwohl der Bundeswehr mit Übernahme<br />
der Befehlsgewalt über die NVA-<br />
Truppenteile nach 1990 nahezu 25.000<br />
militärische Dokumente zugefallen sind,<br />
sind die originären <strong>Operation</strong>spläne der<br />
sowjetischen Streitkräfte und ihrer Verbündeten<br />
bis heute nicht auffindbar.<br />
Aufgrund des fehlenden Zugangs zu<br />
den Archiven des ehemaligen Warschauer<br />
Paktes müssen Erkenntnisse über die militärischen<br />
Pläne des östlichen Militärbündnisses<br />
auf indirektem Weg entwickelt werden.<br />
Dies ist möglich, da Manöver- und<br />
Übungsbefehle – auch von Großmanövern<br />
der verbündeten Streitkräfte – ausgewertet<br />
werden können.<br />
Grundsätzlich ergibt sich aus diesen Dokumenten,<br />
dass der Warschauer Pakt während<br />
des Kalten Krieges an eine ständige<br />
aggressive Bedrohung durch die Streitkräfte<br />
der NATO glaubt. Sollte diese in ihren<br />
Augen zu groß werden oder sollte sich eine<br />
günstige politische Situation ergeben, so<br />
will man die westlichen Staaten auf ihrem<br />
eigenen Territorium überraschend angreifen,<br />
in Kesselschlachten ihr Angriffspotential<br />
vernichten und in schnellen <strong>Operation</strong>en<br />
in circa 30 bis 35 Tagen bis an die Biskaya<br />
vordringen.<br />
Die NVA ist als Koalitionsarmee in jeder<br />
Beziehung in die Streitkräfte des Warschauer<br />
Paktes eingegliedert. An der Entwicklung<br />
eigener operativer Pläne hinsichtlich<br />
einer Kriegführung auf dem westlichen<br />
Kriegsschauplatz ist sie folgerichtig nicht<br />
beteiligt und nur wenige ihrer Generale<br />
haben offensichtlich Kenntnis vom<br />
militärischen Gesamtplan des Warschauer<br />
Paktes.<br />
Der Einsatz der NVA ist aber – im Zusammenwirken<br />
mit der Polnischen<br />
Volksarmee – ohne jeden Zweifel in<br />
Nord- und Mitteldeutschland vorgesehen.<br />
Hier ist ein Durchbruch in die Norddeutsche<br />
Tiefebene vorgesehen, der schnell bis<br />
zur deutschen und holländischen Nordseeküste<br />
vorangetragen werden soll. Begleitet<br />
werden die Angriffe durch Landungen an<br />
der Ostseeküste zwischen Lübeck und<br />
Flensburg. Die notwendigen Unterlagen in<br />
Form von Karten, Plänen, Luftaufnahmen<br />
werden sorgfältig und in bester Generalstabsarbeit<br />
vorbereitet.<br />
Talsperren im Visier<br />
Ein eindrucksvolles Beispiel dafür stellt die<br />
„Karte der Passierbarkeit und des Pionierausbaus<br />
1:200.000 BRD“ dar. Das 45 x 45 cm<br />
große Kartenwerk ist in deutscher und russischer<br />
Sprache verfasst. Gemäß Deckblatt<br />
ist für die Erarbeitung des Inhaltes des Spezialkartenwerkes<br />
das „Ministerium für Nationale<br />
Verteidigung, Chef Pionierwesen“<br />
verantwortlich. Eingestuft ist das vorliegende<br />
Dokument als „Geheime Verschlusssache“<br />
GVS – Nr. A 545 060, 85. Ausfertigung,<br />
188 Blatt, Ausgabe 1988.<br />
Seite 2 des Dokumentes zeigt in einer<br />
farbigen Übersicht die Bundesrepublik,<br />
wobei die Darstellung nicht exakt deren<br />
STRENG GEHEIM: Deckblatt der Karte mit<br />
wichtigen Angaben zur geographischen Beschaffenheit<br />
und zur Infrastruktur der Bundesrepublik<br />
Deutschland.<br />
territorialen Grenzen folgt, sondern im<br />
Norden und Westen auch Teilgebiete der<br />
angrenzenden Staaten Dänemark und der<br />
Benelux-Länder darstellt.<br />
Im Osten sind darüber hinaus Gebiete<br />
der DDR bis zu 100 Kilometern Tiefe kartographiert.<br />
Dies trifft besonders auf die<br />
Norddeutsche Tiefebene und das Gebiet<br />
östlich von Kassel und Fulda zu. Das dargestellte<br />
Territorium ist in einzelne numerierte<br />
Quadrate unterteilt, um das Auffinden<br />
der Detaildarstellung auf den folgenden<br />
Seiten zu erleichtern.<br />
Die Übersichtskarte enthält laut Legende<br />
ein nicht nur aus heutiger Sicht erschreckendes<br />
Detail: Mit blauen Dreiecken sind<br />
„Talsperren mit einem Stauvolumen von 10<br />
Millionen m 3 “ markiert, gefolgt von einer<br />
blauen Linie, die „Durch Flutwellen bedrohte<br />
Flussabschnitte (bei Zerstörung von<br />
Talsperren mit einem Stauvolumen von<br />
über 10 Millionen m 3 )“ aufzeigt. In der<br />
Übersichtskarte sind allein für das Ruhrgebiet<br />
15 solcher Talsperren mit den entspre-<br />
Alle Fotos: Eberhard Kliem<br />
54
WICHTIGE ZIELE: Kartenblatt mit dem bedeutenden Marinestützpunkt<br />
Wilhelmshaven und den Nordseehäfen Cuxhaven und<br />
Bremerhaven.<br />
chenden Überflutungsgebieten dargestellt.<br />
Nach der Übersichtskarte folgen sieben Seiten<br />
mit der Erläuterung der Legende der<br />
verwendeten farbigen Symbole – wieder in<br />
Deutsch und Russisch. Insbesondere fließende<br />
Gewässer werden detailliert dargestellt<br />
hinsichtlich Breite, Tiefe, Beschaffenheit<br />
des Grundes, geeigneter Stellen zum<br />
Übersetzen und zum Anlanden von Truppen.<br />
Nahezu jede einzelne Brücke, Schleuse<br />
oder Furt ist erfasst. Darüber hinaus ist<br />
jeder Hafen kenntlich gemacht.<br />
ÜBERSICHT:<br />
In nummerierte<br />
Quadrate aufgeteilte<br />
Karte der Bundesrepublik<br />
Deutschland mit<br />
eingezeichneten<br />
Talsperren.<br />
Detaillierte Angaben<br />
Die Beschaffenheit der Küstengebiete an<br />
Ost- und Nordsee ist hinsichtlich der Möglichkeit<br />
der Anlandung von Truppen von<br />
See her beschrieben. Nahezu sämtliche<br />
Straßen-, Eisenbahn- und sonstige Brückenanlagen<br />
einschließlich der entsprechenden<br />
Tunnelanlagen sind erfasst und werden<br />
hinsichtlich ihrer Abmessungen, Baumaterialen<br />
und Nutzung, aber auch vorbereiteter<br />
Sprengmöglichkeiten und Sprengschächte<br />
erläutert. Wichtige Industrie- und<br />
Rüstungsbetriebe sind farblich gekennzeichnet.<br />
Der Hauptteil des Dokuments besteht<br />
aus insgesamt 68 quadratischen farbigen<br />
Kartenblättern, die im Maßstab<br />
1:200.000 die gesamte Bundesrepublik kartographisch<br />
erfassen. Auf der Rückseite jeder<br />
Karte befinden sich unter den Einzelüberschriften<br />
• Allgemeine Angaben<br />
• Klimatische Bedingungen<br />
• Straßenetz<br />
• Geländeeinschätzung<br />
• Bodenbewachsung<br />
• Gewässer<br />
• Angaben zu den wichtigsten Flüssen<br />
• Passierbarkeit des Geländes<br />
• Bedingungen zum Bau von Feldbefestigungen<br />
• Bedingungen zur Wassergewinnung<br />
und Aufbereitung<br />
weitere detailliere Angaben. Besonders die<br />
Angaben zum Straßenetz sind militärischer<br />
Natur. So wird angegeben, wie breit die sogenannten<br />
Hauptmarschstraßen sind und<br />
aus welchem Material diese gebaut sind.<br />
Davon abhängig wird dann die Vormarschmöglichkeit<br />
in Regiments- oder Bataillonskolonne<br />
erläutert.<br />
Im letzten Teil des Kartenwerkes finden<br />
sich auf insgesamt 80 Seiten „Bildwerke<br />
ausgewählter Objekte“. Jede Seite enthält<br />
zwischen drei und vier Schwarz-weiß-Aufnahmen,<br />
die jeweils in deutscher und russischer<br />
Sprache beschrieben und einer geographischen<br />
Karte des Hauptteils zugeordnet<br />
sind. Es handelt sich bei den meisten<br />
Aufnahmen um Luftbilder von Objekten,<br />
die aus militärischer Sicht von Bedeutung<br />
sind – Autobahnkreuzungen, Brücken, Eisenbahnknotenpunkte,<br />
Industrieanlagen,<br />
Häfen und Kraftwerke. Dazu kommen Aufnahmen,<br />
die in großem Maßstab landschaftliche<br />
Gegebenheiten erkennen lassen,<br />
die für Truppenbewegungen von Bedeutung<br />
sind: Flußquerungen, Waldgebiete,<br />
Kanalgebiete etc.<br />
Veraltetes Bildmaterial<br />
Es muss jedoch erwähnt werden, dass die<br />
große Mehrzahl der Bilder in einem Kartenwerk,<br />
das den Stand des Jahres 1988 widerspiegeln<br />
soll, in Teilen mehr als veraltet<br />
ist. So wird zum Beispiel der Hafen von<br />
Bremerhaven – im Jahr 1988 bereits einer<br />
der größten Containerhäfen Europas – an<br />
Hand eines Fotos erläutert, der noch die alte<br />
Auswandereranlage zeigt.<br />
Dieses Kartenwerk und andere nach<br />
1990 zugänglich gewordene Manöverunterlagen<br />
machen deutlich, wo das geplante<br />
<strong>Operation</strong>sgebiet der NVA lag.<br />
Eberhard Kliem, Jg. 1941, Fregattenkapitän a.D., zuletzt<br />
tätig im NATO-Hauptquartier Brüssel. Anschließend<br />
drei Jahre Geschäftsführer des Deutschen Marinemuseums<br />
in Wilhelmshaven. Mitarbeit an verschiedenen<br />
Museumsprojekten; zahlreiche maritime<br />
Fachbeiträge.<br />
Clausewitz 3/2013<br />
55
Militär und Technik | Marineflieger<br />
Deutsche Marineflieger nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
„Fliegen, wo die<br />
NEUES MODELL: Ab 1975 werden die<br />
Sikorski H-34 (hinten) durch Westland<br />
„Sea King“-Hubschrauber abgelöst.<br />
Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte<br />
Ende der 1950er-Jahre: Die Bundeswehr beginnt mit der Einführung von Marinefliegergruppen.<br />
Wenige Jahre später wird in der DDR eine erste Marinehubschrauberstaffel zur<br />
Unterstützung der Seestreitkräfte in Dienst gestellt...<br />
Von Werner Fischbach<br />
Die Anfänge der bundesdeutschen Marineflieger<br />
reichen in das Jahr 1949 zurück.<br />
Vier Jahre nach dem Ende des<br />
Zweiten Weltkriegs ruft die US-Marine das<br />
„Naval Historical Team“ zusammen, das unter<br />
die Zuständigkeit der „Naval Intelligence“<br />
fällt. Dabei geht es den Amerikanern<br />
in erster Linie um die Erfahrungen, die die<br />
deutsche Kriegsmarine im letzten Weltkrieg<br />
insbesondere in Nord- und Ostsee, sowie in<br />
Norwegen und dem Atlantik gesammelt hat.<br />
Das Team umfasst fünf fest angestellte<br />
hohe Marineoffiziere und tritt unter der<br />
Leitung von Generaladmiral a. D. Otto<br />
Schniewind am 9. April 1949 in Bremerhaven<br />
zum ersten Mal zusammen. Es gilt als<br />
Keimzelle der späteren Bundesmarine.<br />
Mit von der Partie ist auch der ehemalige<br />
Oberst i.G. Walter Gaul, der als Marine-<br />
VIELSEITIG EINSETZBAR: Ein Hubschrauber<br />
vom Typ Mil Mi-4 beim Bergungsdienst.<br />
Foto: BArch, Bild 183-C0229-0001-002, Fotograf: Karnitzki<br />
offizier 1934 zur Luftwaffe wechselte und<br />
während des Krieges – unterbrochen von<br />
Seeaufklärereinsätzen – im Stab der Seekriegsleitung<br />
tätig war.<br />
Anfänge der Bw-Marineflieger<br />
Marineflieger sind also schon beim „Naval<br />
Historical Team“ ein Thema. Wesentlich konkreter<br />
wird die Angelegenheit in der Himmeroder<br />
Denkschrift, die im Oktober 1950<br />
vor dem Hintergrund der konventionellen<br />
Überlegenheit sowjetischer Streitkräfte und<br />
des am 25. Juni desselben Jahres ausgebrochenen<br />
Koreakriegs hinter den Mauern des<br />
Klosters Himmerod erstellt wird. Thema ist<br />
der militärische Beitrag der Bundesrepublik<br />
an der Seite ihrer westlichen Partner, wobei<br />
auch auf die Rolle zukünftiger Marinefliegerverbände<br />
eingegangen wird.<br />
56
RESPEKTEINFLÖßEND:<br />
Bewaffneter Mi-8T-Hubschrauber<br />
beim Einsatz über der Ostsee.<br />
Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte<br />
Flotte fährt“<br />
Angesichts der aus Sicht der Marine negativen<br />
Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg<br />
werden eigene Marinefliegerkräfte als<br />
notwendig angesehen. Die entsprechende<br />
Empfehlung geht auf den ehemaligen<br />
Oberst und späteren Kapitän zur See und<br />
ersten Kommandeur der bundesdeutschen<br />
Marineflieger, Walter Gaul, zurück. Vorgeschlagen<br />
werden 84 Jagd-, 30 Aufklärungssowie<br />
30, später sogar 60 Kampf- bzw. U-<br />
Jagdflugzeuge. Allerdings ist diese Forderung<br />
nicht einfach umzusetzen. Da die Marine<br />
Bestandteil der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft<br />
(EVG) werden soll,<br />
leisten Frankreich und Großbritannien heftigen<br />
Widerstand gegen eigenständige deutsche<br />
Marinefliegerverbände.<br />
Nur durch die Intervention der USA<br />
werden der bundesdeutschen Marine im<br />
Mai 1952 30 Hubschrauber und 24 Aufklärer<br />
zugestanden.<br />
Als der EVG-Vertrag schließlich am Widerstand<br />
Frankreichs scheitert, werden der<br />
Marine bei den Verhandlungen über einen<br />
NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland<br />
infolge einer massiven Unterstützung<br />
durch die USA neben 58 Flugzeugen (24<br />
Aufklärer, 24 Angriffs- und zehn U-Jagdflugzeuge)<br />
eine unbestimmte Anzahl von<br />
Hubschraubern zugestanden. Dazu kommt<br />
noch eine Reserve von 30 Prozent.<br />
Mit dem Aufstellungsbefehl Nr. 41 vom<br />
26. Juni 1956 bildet Kpt.z.S. Gaul das Kommando<br />
der Marineflieger und bezieht mit<br />
sechs weiteren Soldaten eine Baracke in<br />
Kiel-Holtenau. Im April 1957 wird die<br />
I. Marinefliegergruppe in Dienst gestellt.<br />
Am 1. Januar folgt die Seenotstaffel und am<br />
1. April 1958 die II. Marinefliegergruppe.<br />
Als einmaliger Vorgang in der deutschen<br />
Militärgeschichte kann die Indienststellung<br />
der Mehrzweckstaffel am 19. Mai<br />
1958 im schottischen Lossiemouth bezeichnet<br />
werden. Einen Tag darauf wird<br />
dort die U-Jagd-Staffel in Dienst gestellt.<br />
Luftfahrzeuge der Geschwader<br />
„Fliegen, wo die Flotte fährt“, lautet das<br />
Motto der Marineflieger. Und das beschreibt<br />
ihre Aufgabe genau. Sie sind, der<br />
direkten Kommandogewalt der Marine unterstellt,<br />
ein Seekriegsmittel und dienen dazu,<br />
Seekrieg aus der Luft und eben nicht,<br />
Luftkrieg über der See zu führen.<br />
IN BEGLEITUNG: Nach ihrer letzten Landung wird<br />
die „Atlantic“ der SIGINT-Version von zwei<br />
„Sea Lynx“ eskortiert.<br />
Foto: PIZ Marine<br />
Die Aufgabe der Angriffs- bzw. Kampfflugzeuge<br />
(Marinejagdbomber) liegt im Schutz<br />
der Ostsee und ihrer Zugänge, um im Fall<br />
eines Angriffs des Warschauer Pakts den<br />
sowjetischen Streitkräften und ihren Verbündeten<br />
den Zugriff auf diese Seegebiete<br />
zu verwehren und eine Landung auf bundesdeutschem<br />
Territorium zu verhindern.<br />
Die beiden dafür in Jagel bzw. ab März<br />
1965 in Eggebek in Schleswig-Holstein beheimateten,<br />
zunächst als Marinefliegergruppen<br />
aufgestellten Marinefliegergeschwader<br />
1 und 2 (MFG 1 und 2) werden,<br />
da die USA nicht bereit sind, moderne<br />
Kampfflugzeuge wie die Grumman F9F-8P<br />
„Cougar“ an Deutschland zu liefern, zunächst<br />
mit Armstrong Whitworth „Seahawk“<br />
ausgerüstet. Dabei handelt es sich<br />
hierbei um ein für die Royal Navy entwickeltes<br />
und dort eingesetztes robustes<br />
Clausewitz 3/2013<br />
57
Militär und Technik | Marineflieger<br />
BILD AUS VERGANGENEN TAGEN: „Tornados“<br />
der Bundesmarine auf ihrer Basis in<br />
Eggebek. Foto: picture-alliance/YPS collection<br />
Flugzeugmuster, das – wie die späteren<br />
Nachfolgemodelle – auch als Aufklärer eingesetzt<br />
werden kann.<br />
Insgesamt werden 68 Maschinen beschafft,<br />
34 Jagdbomber und 34 Aufklärer.<br />
Die Grundausbildung der Piloten erfolgt<br />
bei der U.S. Navy; die nachfolgende Mustereinweisung<br />
wird bei der Royal Navy<br />
durchgeführt.<br />
Einführung neuer Jets<br />
Die Ablösung des britischen Jets wird bereits<br />
am 10. September 1963 eingeläutet, als<br />
die erste F-104G „Starfighter“ auf dem Fliegerhorst<br />
Jagel landet. Dabei wollen die Marineflieger<br />
den „Starfighter“ eigentlich gar<br />
nicht haben. Sie wünschen sich die NA 39<br />
„Bucaneer“ vom britischen Hersteller<br />
Hawker Siddeley. Denn dabei handelt es<br />
sich im Gegensatz zur F-104G um ein zweistrahliges<br />
und zweisitziges Flugzeug. Diese<br />
Tatsache bietet für Einsätze über See<br />
deutliche Vorteile. Doch die Bundesmarine<br />
muss, wenn auch zähneknirschend, der Beschaffung<br />
des „Starfighters“ zustimmen.<br />
LANGE IM EINSATZ: Das MFG 5 verwendet<br />
Do 28-D2 „Skyservant“ für Verbindungs- und<br />
Transportflüge. Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte<br />
Obwohl es zunächst Probleme mit der Ersatzteilbeschaffung<br />
gibt – zu Beginn sind<br />
im Jahresdurchschnitt nur 20% der Maschinen<br />
einsatzbereit – und eine Absturzserie<br />
die „fliegende Rakete“ in die sogenannte<br />
Starfighter-Krise führt, können die Marineflieger<br />
mit der F-104 ihre Aufgabe wesentlich<br />
besser erfüllen als mit der „Seahawk“.<br />
Zudem kann Ende der 1970er-Jahre die<br />
Kampfkraft mit der Einführung des Luft-<br />
Schiff-Flugkörpers Kormoran I deutlich erhöht<br />
werden.<br />
Im Jahr 1982 erhalten die Marineflieger<br />
mit dem PA-200 „Tornado“ endlich ihr<br />
Wunschflugzeug. Denn der „Tornado“ ist<br />
von vorneherein als Jagdbomber konstruiert.<br />
Und die Maschine ist zweisitzig und<br />
zweistrahlig. Das MFG 1 ist der erste Verband<br />
der Bundeswehr, der mit dem<br />
neuen Kampfflugzeug ausgerüstet<br />
wird. Beide Geschwader setzen den<br />
„Tornado“ bis zu ihrer Außerdienststellung<br />
ein.<br />
Neben dem Schutz der westlichen<br />
Ostsee und ihrer Zugänge<br />
ÜBERFLIEGER: Mit dem „Tornado“ (rechts)<br />
erhalten die Marineflieger endlich ihr<br />
„Wunschflugzeug“.<br />
Foto: PIZ Marine<br />
gehört auch der Schutz bzw. die Überwachung<br />
der Seeverbindungen zu den Aufgaben<br />
der Marineflieger. Deshalb wird eine<br />
U-Boot-Jagdstaffel eingerichtet, die zunächst<br />
mit Fairey AS4/T15 „Gannet“ ausgerüstet<br />
wird. Nach der Indienststellung in<br />
Schottland verlegt die Staffel zum MFG 2<br />
nach Jagel. Das Geschwader verlegt im<br />
April 1963 nach Nordholz und Ende desselben<br />
Jahres nach Eggebek, wobei die U-<br />
Jagd-Staffel in Nordholz verbleibt. Sie bildet<br />
die Keimzelle für das 1964 aufgestellte<br />
MFG 3 und übernimmt zum Jahreswechsel<br />
1964/65 auf dem ehemaligen Luftschiffhafen<br />
die Verantwortung vom MFG 2.<br />
Vielseitige Aufgaben<br />
Bundespräsident Heinrich Lübke verleiht<br />
dem Geschwader am 9. Juli 1967 den Traditionsnamen<br />
„Graf Zeppelin“. Mit der Landung<br />
der ersten von insgesamt 20 Breguet<br />
BR1150 „Atlantic“ am 26. Januar 1966 wird<br />
die Ablösung der „Gannet“ eingeläutet; das<br />
Flugzeugmuster wird am 30. Juni 1966 außer<br />
Dienst gestellt. Fünf „Atlantics“ erhal-<br />
IM ANFLUG: Die Volksmarine<br />
setzte ihre Hubschrauber<br />
auch zum Personentransport<br />
ein – hier zu einem Küstenschutzschiff.<br />
Foto: BArch, Bild 183-H1004-0001-<br />
035, Fotograf: Jürgen Sindermann<br />
58
Wunschflugzeug „Tornado“<br />
ten in den USA ab 1969 unter der Bezeichnung<br />
„Peace Peek“ eine Spezialausrüstung<br />
zur elektronischen Aufklärung (SIGINT)<br />
und leisten für die NATO damit einen<br />
wichtigen Beitrag zur Aufklärung.<br />
Zur U-Bootjagd werden jedoch auch<br />
Hubschrauber eingesetzt. Diese Aufgaben<br />
sollen zunächst von Sikorsky H-34 des<br />
MFG 4 wahrgenommen werden, die zusätzlich<br />
auch für Minensuch- und Minenräumaufgaben<br />
vorgesehen sind. Knappe<br />
Haushaltsmittel und die Erkenntnis, dass<br />
die beschränkte Reichweite der H-34 einen<br />
effektiven U-Jagdeinsatz nicht zulässt,<br />
zwingen zur Einstellung dieser Pläne. Heute<br />
werden Hubschrauber des Typs Westland<br />
„Sea Lynx“ zur U-Boot-Jagd verwendet,<br />
die dem MFG 3 angehören und als<br />
Bordhubschrauber auf den Fregatten eingesetzt<br />
werden. Seit Beginn der 1980er-Jahre<br />
werden die Seefernaufklärer und in geringerem<br />
Maße auch die Hubschrauber der<br />
Marine in verschiedenen Einsätzen auch<br />
außerhalb des NATO-Gebiets eingesetzt. So<br />
zum Beispiel im Jugoslawienkonflikt oder<br />
am Horn von Afrika.<br />
Für Transport- und Verbindungsflüge<br />
sowie für Search-and-Rescue (SAR)-Aufgaben<br />
wird bereits am 1. Januar 1958 in Kiel-<br />
Holtenau die Seenotstaffel in Dienst gestellt,<br />
die später zum Marinedienst- und<br />
Seenotgeschwader aufgewertet wird und<br />
schließlich in MFG 5 umbenannt wird. Die<br />
Erstausstattung besteht aus sechs Verbindungsflugzeugen<br />
vom Typ Hunting Percival<br />
P.66 „Pembroke“ und vier SAR-Hubschraubern<br />
vom Typ Bristol B 171 „Syca-<br />
VORFALL<br />
AUS BESONDEREM BLICKWINKEL:<br />
Hubschrauber vom Typ Mil Mi-8 und<br />
Mil Mi-14 der Volksmarine während<br />
eines Manövers in den 1970er-Jahren.<br />
Foto: ullstein bild – ddrbildarchivde/Willmann<br />
more“. Allerdings erweist sich dieser Hubschrauber<br />
aufgrund seiner geringen Reichweite<br />
und Tragfähigkeit für SAR-Aufgaben<br />
als wenig geeignet, so dass 1959 zusätzlich<br />
fünf Grumman HU-16D „Albatros“-Amphibienflugzeuge<br />
beschafft werden. Als<br />
weitere Verbindungsflugzeuge werden<br />
Der Flug des Hauptgefreiten Metzger<br />
Bis gegen 9:00 Uhr des 5. Dezember 1963<br />
ist eigentlich nicht besonders viel los auf<br />
dem Marinefliegerhorst Jagel. Doch das ändert<br />
sich schnell, als eine Seahawk ohne<br />
Flugauftrag und ohne Freigabe des Towers<br />
auf die Piste rollt und startet. Der erste Verdacht,<br />
ein russischer Agent hätte sich des<br />
Flugzeugs bemächtigt und wolle es gen Osten<br />
entführen, wird schnell entkräftet. Denn<br />
im Cockpit sitzt der Hauptgefreite Metzger,<br />
der als Flugzeugwart im Geschwader arbeitet.<br />
In seiner Freizeit ist er als Segelflieger<br />
tätig, befindet sich in der Ausbildung zum<br />
Privatpiloten und will sich nun wohl den lang<br />
ersehnten Wunsch erfüllen, endlich ein „richtiges“<br />
Flugzeug zu fliegen. Am Vortag hat er<br />
sich das Flughandbuch einer Seahawk ausgeliehen<br />
und für sein Vorhaben in der Nacht<br />
ordentlich gebüffelt.<br />
Schnell wird eine Rotte startklar gemacht,<br />
die den Ausreißer bald einholt. Das<br />
Problem ist jedoch, den Hauptgefreiten mit<br />
seinem „geliehenen“ Marinejagdbomber<br />
wieder sicher auf den Boden zu bringen. Das<br />
muss einigermaßen schnell gehen, denn die<br />
Maschine hat lediglich für 45 Minuten Treibstoff<br />
in den Tanks. Drei Versuche benötigt<br />
Metzger, um die Seahawk auf den Boden zu<br />
bringen. Beim ersten Anflug ist er für eine<br />
Landung viel zu schnell, der zweite endet in<br />
einem „Touch-and-Go“ (Aufsetzen und Durchstarten).<br />
Beim dritten Versuch gelingt ihm<br />
eine einigermaßen saubere Landung.<br />
Beim Geschwader ist man erleichtert –<br />
die Maschine hat noch Sprit für fünf Minuten<br />
an Bord. Die ersten, die Metzger zu seinem<br />
ersten Flug mit einem Marinejagdbomber<br />
gratulieren, sind die Piloten der verfolgenden<br />
Rotte.<br />
Die Maschine dient danach für viele Jahre<br />
als „Gate Guard“ an der Hauptwache des<br />
Fliegerhorstes und wird erst nach der Außerdienststellung<br />
des MFG 1 entfernt. Über das<br />
weitere Schicksal des Hauptgefreiten Metzger,<br />
der disziplinarisch bestraft und aus der<br />
Marine entlassen wird, ist nichts bekannt.<br />
Do 27 und Piaggio P.149D<br />
verwendet. Als Nachfolger für<br />
den nicht gerade leistungsstarken „Sycamore“-Hubschrauber<br />
werden ab 1963 Modelle<br />
der Typen Sikorski H-34G und ab 1975<br />
Westland „Sea King“ Mk.41 eingesetzt.<br />
Nach der Einrüstung mit dem britischen<br />
„Sea Skua“-Raketensystem können die<br />
„Sea King“ zusätzliche Aufgaben wahrnehmen.<br />
Ab 1972 werden die Transport- und<br />
Verbindungsflugzeuge durch Do 28-D2<br />
„Skyservant“ ersetzt, die bis 1995 betrieben<br />
werden.<br />
Marineflieger der Volksmarine<br />
Obwohl die Volksmarine der DDR der ersten<br />
strategischen Staffel des Warschauer<br />
Paktes angehört, scheinen ihre Wünsche<br />
nach eigenen Luftstreitkräften zunächst auf<br />
taube Ohren zu stoßen. Grund hierfür mögen<br />
unzureichende finanzielle Mittel, die<br />
personelle Begrenzung zugunsten des Heeres<br />
und der Luftwaffe sowie die Tatsache,<br />
dass die Volksmarine von der Sowjetunion<br />
lediglich als Hilfsverband der Baltischen<br />
Flotte angesehen wird, sein.<br />
Dabei hat die Führung der Seestreitkräfte<br />
(SSK) zunächst lediglich Hubschrauber<br />
für die U-Boot-Abwehr vorgesehen. Für<br />
den Zeitraum von 1956 bis 1960 sollen zwei<br />
Regimenter der Jagdluftwaffe und ein Regiment<br />
von Aufklärungsflugzeugen bei der<br />
Clausewitz 3/2013<br />
59
Militär und Technik | Marineflieger<br />
Luftwaffe geschaffen werden, die jedoch<br />
den Seestreitkräften operationell unterstellt<br />
werden sollen.<br />
Für die Zeit nach 1960 werden eigene<br />
Seeluftstreitkräfte gefordert, die eine Staffel<br />
düsengetriebene Aufklärungsflugzeuge, eine<br />
Staffel propellergetriebene Aufklärungsflugzeuge<br />
und eine Hubschrauberstaffel<br />
zur U-Boot-Jagd sowie für den Seenotrettungsdienst<br />
umfassen sollen. Doch es dauert<br />
bis zum Dezember 1962 bis eine Hubschrauberkette<br />
mit einer Personalstärke<br />
von 123 Mann genehmigt wird.<br />
Marinehubschraubergeschwader<br />
Bereits drei Jahre zuvor, im Juli 1959, nahmen<br />
Hubschrauber des Hubschraubergeschwaders<br />
34 an einer Marineübung teil.<br />
Sie werden dabei zum Kommando der Seestreitkräfte<br />
nach Rostock-Gehlsdorf verlegt.<br />
Allerdings vergeht danach noch viel Zeit<br />
ehe am 1. Mai 1963 eine mit vier Mi-4-Hubschraubern<br />
ausgerüstete Staffel in Dienst<br />
gestellt wird. Dies wird als offizieller Gründungstag<br />
der Marineflieger der DDR angesehen.<br />
Wichtigste Aufgabe dieser als<br />
18. Hubschrauberstaffel bezeichneten Einheit<br />
ist die U-Bootjagd und der Lufttransport.<br />
Nach dem Vorschlag des Chefs der<br />
Seestreitkräfte, die Staffel mit neuen W-14<br />
(Mil Mi-14)-Hubschraubern zu verstärken,<br />
beginnt ab August 1974 die Ablösung der<br />
Mi-4-Hubschrauber durch Transporthubschrauber<br />
vom Typ Mi-8T.<br />
Dagegen verzögert sich die Beschaffung<br />
von moderneren U-Jagd-Hubschraubern,<br />
was vom sowjetischen Marschall Kulikow<br />
kritisiert wird. Daraufhin erklärt sich die<br />
INFO<br />
Technische Daten<br />
Typ Mil Mi-14 Westland Sea King Mk41<br />
Besatzung<br />
2 Piloten,<br />
Operator, Mechaniker<br />
2 Piloten, 1 <strong>Operation</strong>soffizier,<br />
1 Mechaniker<br />
+ 19 Passagiere<br />
Triebwerk<br />
2 x Klimov TW3-117MT<br />
bzw. TV3-117MT<br />
2 x Rolls-Royce<br />
Gnome H 1400-1<br />
Startleistung je Triebwerk 1.435 kW/1.924 PS 1.238 kW/1.660 PS<br />
Maximale Geschwindigkeit 124 kn/230 km/h 113 kn/209 km/h<br />
Marschgeschwindigkeit 89 – 113 kt/165 – 210 km/h k.A.<br />
Dienstgipfelhöhe 13.123 ft/4.000 m 10.000 ft/3.048 m<br />
Reichweite 432 NM/800 km 664 NM/1.230 km<br />
Leergewicht 8.900 kg 6.207 kg<br />
Max. Startmasse 14.000 kg 9.525 kg<br />
Rotorblätter (Haupt/Heck) 5/3 5/5<br />
Rotordurchmesser (Haupt/Heck) 21,29 m/3,91 m 18,90 m/3,23 m<br />
Rotorkreisfläche 356,0 m 2 280,6 m 2<br />
Länge 25,32 m 22,15 m<br />
Höhe 6,93 m 4,72 m<br />
Bewaffnung<br />
Wasserbomben, Torpedos,<br />
Sonarbojen<br />
Sea Skua, Flare-Anlage M-130:<br />
Keine Bewaffnung bei<br />
SAR-Einsatz<br />
VORFÜHRUNG: Hubschrauber Mil Mi-14 des<br />
Marinehubschraubergeschwaders 18 beim<br />
Absetzen von Kampfschwimmern im Rahmen<br />
einer Flottenparade im Jahr 1979 anlässlich<br />
des 30. Jahrestages der Gründung der DDR.<br />
Foto: BArch, Bild 183-U1007-050, Fotograf: Jürgen Sindermann<br />
Sowjetunion bereit, der Nationalen Volksarmee<br />
im Zeitraum von 1981 bis 1985 modernstes<br />
Kriegsgerät in erheblichem Umfang<br />
zu übergeben. Als Folge davon landen<br />
bereits im Oktober 1979 die ersten drei U-<br />
Jagd-Hubschrauber vom Typ Mi-14PL auf<br />
dem Fliegerhorst von Parow bei Stralsund;<br />
sechs weitere folgen in den nächsten Jahren.<br />
Obwohl von der Volksmarine mit Skepsis<br />
betrachtet, werden auch Minenabwehrhubschrauber<br />
vom Typ Mi-14BT geliefert, so<br />
dass die Einheit, die seit dem Dezember 1981<br />
als Hubschraubergeschwader 18 bezeichnet<br />
wird, 1985 aus zwölf Kampf-, neun U-Jagdund<br />
sechs Minenräumhubschraubern besteht.<br />
Ende 1990 verfügt das Geschwader<br />
60
Schmerzhafte Auflösungen<br />
VERPFLICHTUNG: Seit Juli 1967 trägt<br />
das MFG 3 den Traditionsnamen „Graf<br />
Zeppelin“, was diese Maschine auf dem<br />
Seitenleitwerk zeigt. Foto: PIZ Marine<br />
AUSGEDIENT: Ein Teil der Volksmarine-Hubschrauber<br />
wird noch bis 1994 bei der Hubschraubergruppe<br />
Parow eingesetzt.<br />
Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte<br />
Nach der Wiedervereinigung<br />
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion<br />
entfällt die Bedrohung durch die Baltische<br />
Flotte, so dass die wichtigste Aufgabe<br />
der beiden Jagdbombergeschwader gewissermaßen<br />
über Nacht entfallen ist. Die Zahl<br />
der Jagdbomber muss reduziert werden, so<br />
dass das MFG 1 mit seinen Flugzeugen und<br />
Liegenschaften sukzessive an die Luftwaffe<br />
übergeben und das Geschwader am 31. Deüber<br />
eine Staffel von zwölf Mi-8TB/T, eine<br />
U-Jagdstaffel mit acht Mi-14PL und eine Minenräumstaffel<br />
mit sechs Mi-14BT. Zusätzlich<br />
wird noch im März 1990 eine SAR-Staffel<br />
mit sechs Hubschraubern vom Typ<br />
Mi-14BT und zwei Mi-8BT gebildet.<br />
Geplante Erweiterung<br />
Neben den Hubschraubern stehen auch<br />
Marinejagdbomber und die Einrichtung eines<br />
entsprechenden Geschwaders auf der<br />
Wunschliste der Führung der Volksmarine.<br />
Dies wird von der Sowjetunion unterstützt,<br />
wobei führende Militärs die Beschaffung<br />
von Su-7B-Jagdbombern empfehlen.<br />
Allerdings wird dieses Luftfahrzeugmuster<br />
abgelehnt, da die NVA einheitliche Jagdbombertypen<br />
sowohl für Luftwaffe (LSK/<br />
LV) als auch für die Marine beschaffen<br />
möchte. Die Flugzeuge sollen im in Rostock-<br />
Laage stationierten Marinefliegergeschwader<br />
28 zusammengefasst und mit Jagdbombern<br />
vom Typ MiG-23BN und Aufklärern<br />
vom Typ Su-22M ausgerüstet werden.<br />
Die Führung der NVA entscheidet sich<br />
jedoch, der Marine lediglich die Su-22 zuzuteilen.<br />
Allerdings soll das Marinefliegergeschwader<br />
28 zunächst bei den Luftstreitkräften<br />
verbleiben. Dass das Geschwader<br />
am 1. März 1988 dennoch der Marine unter-<br />
stellt wird, liegt wohl an den KSZE-Verhandlungen.<br />
Dort werden die Waffensysteme<br />
der Luftwaffe separat von jenen der Marine<br />
gezählt; mit der Unterstellung des<br />
MFG 28 an die Marine kann die NVA die<br />
beiden Staffeln mit insgesamt 24 Su-22 auf<br />
elegante Weise aus den Beständen ihrer<br />
Luftstreitkräfte „verschwinden“ lassen.<br />
Weitere Planungen der DDR-Marineflieger<br />
(Bildung einer Su-22 -Aufklärungsstaffel<br />
sowie einer Transporthubschrauberstaffel)<br />
können nach der Wiedervereinigung der<br />
beiden deutschen Staaten am 3. Oktober<br />
1990 nicht mehr realisiert werden. Ein Teil<br />
der Hubschrauber wird von der Bundesmarine<br />
bis September 1994 bei der Marine-<br />
Hubschraubergruppe Parow eingesetzt.<br />
MIT BREMSFALLSCHIRM: Eine Rotte von<br />
Suchoi Su-22 bei der Landung auf dem Militärstützpunkt<br />
in Rostock-Laage im Jahr<br />
1981. Foto: ullstein bild – EUROLUFTBILD.DE<br />
zember 1993 aufgelöst wird. Zehn Tornadoflugzeuge<br />
gehen an das MFG 2. Im Januar<br />
2005 wird auch dieses Geschwader aufgelöst.<br />
Ein schmerzhafter Einschnitt, denn damit<br />
verliert die Marine zumindest teilweise<br />
die Fähigkeit, „Seekrieg aus der Luft“ in eigener<br />
Regie durchzuführen und muss sie<br />
diese an die Luftwaffe abgeben. Und dies<br />
sollte eigentlich durch die Schaffung eigener<br />
Seefliegerverbände vermieden werden.<br />
1995 stellt das MFG 5 die mit Do-28D<br />
ausgerüstete Staffel 1994 außer Dienst, wodurch<br />
die Marine ihre Lufttransportkapazität<br />
einbüßt. Die Hubschraubergruppe in<br />
Parow wird im selben Jahr aufgelöst. Die<br />
verbliebenen 21 „Sea King“-Hubschrauber<br />
werden 2012 im Rahmen der Strukturreformen<br />
von ihrem Standort Kiel-Holtenau<br />
nach Nordholz verlegt. Damit wird der<br />
ehemalige Luftschiffhafen bei Cuxhaven<br />
nicht nur Heimat für die beiden verbleibenden<br />
Marinefliegergeschwader 3 und 5, sondern<br />
ist fortan der einzige Standort der Marineflieger<br />
und gleichzeitig der größte Fliegerhorst<br />
der Bundeswehr insgesamt.<br />
PRAKTISCH: Für den Einsatz auf Flugzeugträgern können die Tragflächen der „Seahawk“<br />
geklappt werden – Startvorbereitungen auf dem Fliegerhorst in Jagel.<br />
Foto: PIZ Marine<br />
Werner Fischbach, Jg. 1945, acht Jahre Dienst in der<br />
Bundesmarine; danach Ausbildung und Einsatz als ziviler<br />
Fluglotse, seit den 1980er-Jahren freier Luftfahrtjournalist.<br />
Clausewitz 3/2013<br />
61
Militär und Technik | FlaK 8,8 cm<br />
Gefürchtete Allzweckwaffe<br />
Die „Acht-Acht“<br />
1941–1943: „Anti-Aircraft, Anti-Tank and Anti-Social!“ Mit grimmiger<br />
Anerkennung zollen die Engländer in Nordafrika ihrem vielleicht<br />
gefährlichsten Gegner Respekt. Was hat es mit der erfolgreichen<br />
deutschen 8,8 cm FlaK auf sich?<br />
Von Thomas Anderson<br />
Der Erste Weltkrieg stellt eine Zäsur in<br />
der Weltgeschichte dar. Was bereits<br />
während des US-Bürgerkrieges und<br />
im Krieg von 1870/71 im Ansatz erkennbar<br />
war, beeinflusst den neuen Konflikt gewaltig:<br />
Die industrielle Leistungsfähigkeit der<br />
Kriegsteilnehmer bestimmt Art, Dauer und<br />
Ausgang dieses Konfliktes.<br />
Die rasante Entwicklung der Rüstungstechnik<br />
im Ersten Weltkrieg bringt viele<br />
technische Neuerungen auf das Schlachtfeld,<br />
darunter moderne Entwicklungen wie<br />
gepanzerte Kampffahrzeuge und Flugzeuge.<br />
Luftgestützte Angriffe werden früh als<br />
potentielle Bedrohung angesehen. Schon 40<br />
Jahre vor dem Weltkrieg werden erste Geschütze<br />
zur Abwehr französischer Ballons<br />
entwickelt. Daraus entstehen<br />
noch vor 1910 brauchbare Fliegerabwehrgeschütze<br />
vom Kaliber 7,5 cm.<br />
1916 entwickelt Krupp ein Flugabwehrgeschütz<br />
vom Kaliber 8,8 cm,<br />
welches als Urahn der späteren 8,8 cm<br />
Flak L/56 gelten darf (Das Kürzel L/56<br />
beschreibt die Kaliberlänge des Geschützes<br />
und umfasst sowohl die 8,8 cm FlaK 18, 36<br />
und 37).<br />
Verborgene Entwicklung<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg ergeben sich<br />
aus dem Versailler Vertrag für das deutsche<br />
Heer starke Einschränkungen bezüglich<br />
der Entwicklung und Einführung moderner<br />
Waffen. Die harten Bedingungen dieses<br />
Vertragswerkes werden von deutscher Seite<br />
jedoch unterlaufen, die Entwicklung moderner<br />
Waffen läuft im Geheimen weiter.<br />
Zum Ende der 1920er-Jahre ergibt sich in<br />
Deutschland wieder die Notwendigkeit einer<br />
Fliegerabwehrwaffe, um der steigenden<br />
Gefährdung aus der Luft Rechnung zu<br />
tragen. Die Hauptforderung an das zu entwickelnde<br />
Geschütz ist die Bekämpfung<br />
feindlicher Aufklärungs- und Bomberflugzeuge<br />
auf mittleren und großen Flughöhen<br />
(500 bis 6.000 m).<br />
Die Entscheidung für das Kaliber 8,8 cm<br />
der Flak ist praktischen Gesichtspunkten<br />
geschuldet. Firmen wie Krupp haben da-<br />
ERFOLGREICHE KOMBINATION:<br />
Eine 8,8 cm FlaK L/56 auf einem<br />
gepanzerten s ZgKw 12 t<br />
(SdKfz. 8). Schnell und auch<br />
im Gelände beweglich, können<br />
die wertvollen Waffen<br />
an Brennpunkten<br />
eingesetzt werden.<br />
Foto: Sammlung Anderson<br />
62
EINDRUCKSVOLLES SCHAUSPIEL:<br />
Eine 8,8 cm FlaK L/56 auf einem<br />
der riesigen Faun-Lastwagen beim<br />
Feuern in der Nacht. Die Feuerleitung<br />
obliegt einem Kommandogerät<br />
(ebenfalls auf Lkw verlastet).<br />
Foto: Sammlung Anderson<br />
INFO<br />
Vergleich schwerer Flakgeschütze<br />
Waffe<br />
8,8 cm<br />
FlaK 18<br />
8,8 cm<br />
FlaK 41<br />
10,5 cm<br />
FlaK 38<br />
88 mm FlaK<br />
M 1939<br />
QF 3,7 inch<br />
AA gun<br />
90 mm Gun<br />
M1A1<br />
Herkunft Deutsches Reich Deutsches Reich Deutsches Reich Russland England USA<br />
Kaliber 8,8 cm 8,8 cm 10,5 cm 8,5 cm 9,4 cm 9 cm<br />
Kaliberlänge L/56 L/74 L/63 L/55 -- --<br />
Gewicht 7,2 t 11,2 t 14 t 4,2 t 9,3 t 8,6 t<br />
Anfangsgeschwindigkeit<br />
(Vo)<br />
850 m/s 1.000 m/s 900 m/s 792 m/s 722 bis 1.044<br />
m/s<br />
823 m/s<br />
Max. Schussweite 16.300 m 19.800 m 17.700 m 15.000 m 18.800 m 17.800 m<br />
Effektive Reichweite/max.<br />
Schusshöhe<br />
11.300 m 14.700 m 12.800 m 10.500 m 12.000 m 10.300 m<br />
mit entsprechende Erfahrungen, sowohl<br />
Rasanz als auch Waffenwirkung im Ziel erfüllen<br />
die gesetzten Parameter.<br />
Am 13. Dezember 1930 verzeichnet die<br />
Kommission für das streng geheime Entwicklungsprogramm<br />
unter anderem:<br />
„Es wird eine Flugabwehrkanone mit<br />
größtmöglicher Geschosswirkung benötigt.<br />
Die Reichweite muss zwischen 2.500 bis<br />
8.000 m bis zu einer Flughöhe von 6.000 betragen.<br />
Die Flugdauer des Geschosses sollte<br />
für eine Flugbahn von 8.000 m und einer<br />
Flughöhe von 6.000 m nicht länger als 25<br />
Sekunden dauern. Das Geschütz muss im<br />
Einsatzgebiet der Artillerie auf dem Gefechtsfeld<br />
einsetzbar sein. Die 8,8 cm FlaK<br />
ist das kleinste Kaliber mit ausreichender<br />
Wirkung, das für den Einsatz mit unseren<br />
Kommandogeräten geeignet ist.“<br />
Die Firma Krupp hat bereits 1928 begonnen,<br />
eine 8,8 cm FlaK auf Kraftzug-Anhänger<br />
zu entwickeln. Das Geschütz selbst soll<br />
auf einer Sockellafette montiert sein, die<br />
seitlich im 360° Vollkreis geschwenkt und<br />
in der Höhe von minus 3 bis plus 85° gerichtet<br />
werden kann. Für den Einsatz als<br />
Flugabwehrgeschütz ist eine Richtgeschwindigkeit<br />
von 6° pro Sekunde in der<br />
Höhe und 16° pro Sekunde nach der Seite<br />
gefordert.<br />
Eine höchstmögliche Anfangsgeschwindigkeit<br />
(Vo) ist entscheidend, um die Waffenwirkung<br />
schnell in das Zielgebiet zu<br />
Clausewitz 3/2013<br />
63
Militär und Technik | Flak 8,8 cm<br />
Bedienungs- und Feuerleitgerät der 8,8 cm FlaK L/56<br />
FERNGESTEUERT: Bei der Bekämpfung hochfliegender Bomberverbände<br />
übernimmt das Kommandogerät die Steuerung der Fla-Geschütze.<br />
Aufsatz für Rundblickfernrohr<br />
für artilleristischen Einsatz<br />
Empfangsgerät für Höhe, hier<br />
Lampenempfänger der Flak 18<br />
Flak-Zielfernrohr<br />
20<br />
Gestänge zum<br />
Höhengradbogen<br />
Flansch für Fla-<br />
Zielfernrohr 20<br />
Federausgleicher<br />
Empfangsgerät für<br />
Höhenrichtung<br />
Empfangsgerät für<br />
Seitenrichtung<br />
Höhengradbogen<br />
Seitenrichtmaschine<br />
Höhenrichtmaschine<br />
K2 auf dem Sitz der<br />
Seitenrichtmaschine<br />
Kreuzlafette der<br />
8,8 cm Flak 18<br />
Fotos: Sammlung Anderson<br />
bringen. Die Sprenggranate erreicht 850<br />
m/s, die Panzergranate 810 m/s.<br />
Das ursprünglich geforderte Gewicht in<br />
Fahrstellung von 7 t wird nur um 200 kg<br />
überstiegen und somit erfüllt die 8,8 cm<br />
FlaK 18 auch eine weitere Forderung der<br />
Kommission: die nach höchstmöglicher Beweglichkeit.<br />
Ab 1933 wird das Geschütz, nun 8,8 cm<br />
FlaK 18 genannt, in die Bestände der<br />
Reichswehr übernommen. Zweck der Waffe<br />
ist zunächst lediglich die Bekämpfung<br />
von Flugzeugen. Das Geschütz besteht aus<br />
dem Rohr mit Verschluss, der Oberlafette<br />
und dem Lafettenkreuz. Die Oberlafette<br />
trägt das Rohr in der Wiege, sowie Rohrbremse,<br />
Ausgleicher und Luftvorholer. Geschütz<br />
und Oberlafette sind auf einem Sockel<br />
auf der Kreuzlafette montiert. Die<br />
Kreuzlafette dient dem festen Stand des Geschützes,<br />
sie erlaubt ein Seitenrichtfeld von<br />
360°. Zur Verlegung kann die Kreuzlafette<br />
auf einem zweiachsigen Sonderanhänger<br />
verladen werden.<br />
Als Zugmittel dienen anfangs Lkw, die<br />
im Gelände völlig überfordert sind. Nach<br />
Anlauf der Produktion der Halbkettenzugmaschinen<br />
ist der m ZgKw 8 t verfügbar.<br />
Bekämpfung von Luftzielen<br />
Die 8,8 cm Flak L/56 wird in Batterien zu<br />
vier Geschützen eingesetzt.<br />
Im indirekten Richten wird die Batterie<br />
durch ein Kommandogerät in der Befehlsstelle<br />
I geleitet. Dieses errechnet Schusswerte<br />
(Entfernungen, Beobachtungswinkel)<br />
für die anfliegenden Flugzeuge. Die<br />
Werte werden per Kabel an die mehrere 100<br />
Meter entfernten Geschütze in den Feuerstellungen<br />
geleitet. Hier bekommen die<br />
Richtkanoniere (an der rechten Seite des<br />
Geschützes) über ihre Empfänger Daten für<br />
die Höhenrichtung (K1) und Seitenrichtung<br />
(K2), die sie mit ihren Richtmaschinen<br />
einstellen. Gleichzeitig stellt der K6 (an der<br />
linken Seite) die Werte seines Empfängers<br />
an der Zünderstellmaschine ein, die die<br />
Zeitzünder von jeweils zwei Sprenggranaten<br />
dann automatisch justiert.<br />
Bei Ausfall der Befehlsstelle I tritt das<br />
Kommandohilfsgerät in der Befehlsstelle II<br />
(in der direkten Nähe der Feuerstellungen)<br />
in Aktion.<br />
Im direkten Richten nimmt der K2 das<br />
Ziel mithilfe des Flakzielfernrohrs 20, das<br />
vor dem Empfangsgerät für die Seitenrichtung<br />
montiert wird, ins Visier. Der K2 stellt<br />
die seitliche Richtung selbst ein, die Höhenrichtung<br />
wird durch ein Gestänge zum Höhengradbogen<br />
übertragen. Hier richtet der<br />
K1 das Geschütz nach diesen Angaben. Die<br />
Zünderstellmaschine wird nach einer<br />
Schusstafel justiert.<br />
Nach Eröffnen des Feuers detonieren die<br />
Granaten im Idealfall im Bomberpulk nahe<br />
einzelner Flugzeuge. Volltreffer sind die<br />
Ausnahme und auch nicht angestrebt. Vielmehr<br />
sollen die Geschosse aufgrund ihrer<br />
Menge und der Splitterwirkung die Maschinen<br />
beschädigen und zum Absturz<br />
bringen.<br />
EINSATZ ZU WASSER: Siebelfähren wurden ebenfalls mit 8,8 cm FlaK L/56 ausgestattet.<br />
Diese Flakfähre ist mit einer 8,8 cm FlaK, einem 2-cm-FlaK-Vierling und zwei 3,7 cm FlaK 36<br />
ausgerüstet. Viele dieser Fähren leisten ihren Dienst im Schwarzen Meer. Foto: Sammlung Anderson<br />
Bekämpfung von Erdzielen<br />
Das direkte Richten gegen Erdziele erfolgt<br />
ebenfalls über das Fla-Zielfernrohr 20.<br />
Nachdem der Geschützführer das Ziel zugewiesen<br />
hat, richtet der K2 das Geschütz<br />
mithilfe seines Zielfernrohrs nach Seite und<br />
Höhe ein. Der K1 bringt sodann Erhö-<br />
64
Steigerung der Leistung<br />
hungs- und Rohrzeiger zur Deckung. Nach<br />
Einstellung des Seitenvorhaltes kann gefeuert<br />
werden.<br />
Für das indirekte Richten gegen Erdziele<br />
steht ein Rundblickfernrohr zur Verfügung,<br />
das auf dem Luftvorholer montiert<br />
werden kann.<br />
Weiterentwicklung<br />
Gegen 1939 wird die 8,8 cm FlaK 36 eingeführt.<br />
Es werden folgende Änderungen<br />
vorgenommen:<br />
• Das einteilige Seelenrohr der 8,8 cm FlaK<br />
18 wird durch ein vereinfachtes mehrteiliges<br />
ersetzt. Man verspricht sich dadurch<br />
Einsparungen, da der größte Verschleiß<br />
im unteren Teil des Rohres auftritt. So<br />
können die verbrauchten Teile separat<br />
ausgetauscht werden. Auch fertigungstechnisch<br />
ergeben sich Vorteile.<br />
• Der augenfälligste Unterschied besteht in<br />
der Einführung einer Kreuzlafette mit<br />
größerer seitlicher Ausladung. Diese Lafette<br />
bedingt die Entwicklung eines neuen<br />
Sonderanhängers (des SdAnh 202).<br />
• Die Rohre der verschiedenen Geschütze<br />
sind austauschbar, es kann vorkommen,<br />
dass FlaK 36 aus Lagerbeständen mit einteiligen<br />
Rohren versehen werden.<br />
• Die Modellbezeichnung ist nur durch den<br />
Typ des Lafettenkreuzes bestimmt. Unabhängig<br />
von der Art des Geschützrohres<br />
ist eine 8,8 cm FlaK L/56 mit SdAnh 202<br />
immer eine Flak 36.<br />
• Sowohl 8,8 cm FlaK 18 als auch 36 haben<br />
Lampenempfänger für die Übermittlung<br />
der Schusswerte vom Kommandogerät,<br />
deren Bedienung recht umständlich ist.<br />
Aus diesem Grund werden beim Nachfolgemodell<br />
FlaK 37 Folgezeigerempfänger<br />
eingeführt.<br />
Aufgrund der guten ballistischen Leistungen<br />
werden Geschütze vom Kaliber 8,8<br />
cm auch von der Marine genutzt, sowohl<br />
auf U-Booten als auch auf anderen Schiffen.<br />
Die 8,8 cm FlaK 18 steht den gesamten<br />
Krieg über im Einsatz. Insgesamt werden<br />
mehr als 15.000 8,8 cm FlaK L/56 gebaut.<br />
Bedienungs- und Feuerleitgerät der 8,8 cm FlaK L/56<br />
OPTISCHES HILFSMITTEL: Mit dem<br />
Fla-Zielfernrohr 20 können Ziele direkt<br />
anvisiert werden.<br />
Flansch für<br />
Fla-Zielfernrohr<br />
20<br />
Sitz des K2<br />
Empfangsgerät<br />
für Zünderstellung,<br />
hier Folgezeiger<br />
einer<br />
FlaK 37<br />
Sitz des K6<br />
Luftvorholer<br />
Zünderstellmaschine mit<br />
zwei Sprenggranaten<br />
Feuerglocke zur<br />
Alarmierung<br />
Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges beginnen<br />
Bestrebungen, die Leistungen der 8,8<br />
cm FlaK L/56 den aktuellen technischen<br />
Herausforderungen anzupassen. Durch eine<br />
Verlängerung des Rohres auf eine Kaliberlänge<br />
von L/74 können alle ballistischen<br />
Daten deutlich verbessert werden (siehe Tabelle<br />
1). Feuerhöhe und Gesamtaufzug<br />
werden drastisch verringert, damit ist das<br />
Geschütz weniger auffällig und leichter zu<br />
tarnen. Das Gesamtgewicht in Fahrstellung<br />
steigt auf 11,2 t.<br />
Die Produktion der 8,8 cm FlaK 41 läuft ab<br />
August 1942 langsam an. Im Januar 1943<br />
meldet die Luftwaffe einen Bestand von gerade<br />
einmal 26 FlaK 41 gegenüber 6.607<br />
Flak L/56. Das Verhältnis dieser Zahlen<br />
wird sich nicht wesentlich verschieben.<br />
1936 ziehen deutsche Freiwillige mit der<br />
Legion Condor zur Unterstützung der spanischen<br />
Nationalisten in den Spanischen<br />
Bürgerkrieg.<br />
Der erste scharfe Einsatz!<br />
Das Oberkommando der Wehrmacht wird<br />
durch Hitler angewiesen, diese „Gelegenheit“<br />
zur kriegsmäßigen Erprobung neuer<br />
Waffen und Taktiken zu nutzen. Unter anderem<br />
werden auch vier 8,8 cm Flak-Batterien<br />
nach Spanien verlegt.<br />
Hier sollen die Fliegerabwehrkanonen<br />
erstmals offensiv im Erdeinsatz eingesetzt<br />
werden. Die Geschütze unterstützen die<br />
spanischen Truppen wirkungsvoll mit indirektem<br />
Feuer. Erkannte Punktziele wie<br />
Feldstellungen, Bunker und möglicherweise<br />
auch Feindpanzer werden im direkten<br />
Beschuss bekämpft.<br />
Die Auswertung dieser Erfahrungen<br />
macht den Verantwortlichen die tatsächli-<br />
SAUBERES GESPANN: Ein ZgKw 8 t (SdKfz 7, frühes<br />
Baulos) vor einer 8,8 cm FlaK 18. Die Fahrzeuge<br />
tragen den Reichswehr-Buntfarben-Tarnanstrich,<br />
haben aber schon eine Luftwaffenkennung.<br />
Foto: Sammlung Anderson<br />
Fotos: Sammlung Anderson<br />
Clausewitz 3/2013<br />
65
Militär und Technik | Flak 8,8 cm<br />
INFO<br />
Durchschlagsdaten der 8,8 cm FlaK<br />
Geschütz auf 100 m auf 500 m auf 1.000 m auf 1.500 m Munbestand<br />
zum 1.12.42<br />
8,8 cm FlaK<br />
18/36/37<br />
8,8 cm FlaK<br />
41<br />
128 mm 118 mm 106 mm 98 mm 619.200<br />
Schuss<br />
202 mm 185 mm 165 mm 147 mm 7.800<br />
Schuss<br />
TREFFER: Diese 8,8 cm FlaK 36 in Afrika<br />
feuert vom Sonderanhänger, was eigentlich<br />
verboten ist. Die leere Hülse springt heraus,<br />
das nächste Ziel kann aufgenommen werden.<br />
Foto: Kadari<br />
chen Möglichkeiten des Fliegerabwehr-Geschützes<br />
bewusst.<br />
Kurz vor Ausbruch des Krieges verfügt<br />
das Heereswaffenamt die Verwendung der<br />
8,8 cm Flak 18 auch für den Einsatz gegen<br />
Bodenziele. Die militärischen Planer verlangen<br />
die sichere Bekämpfung befestigter<br />
Feindstellungen und Bunker. Die verfügbaren<br />
Panzer sind zur Bekämpfung dieser<br />
Ziele nur bedingt geeignet. Die Wirkung<br />
der 7,5 cm Sprenggeschosse des PzKpfw IV<br />
wird als zu schwach erachtet.<br />
Kampf gegen Panzer<br />
Es soll nun eine Waffe geschaffen werden,<br />
die Panzer- und Infanterieeinheiten im Angriff<br />
schwere Feuerunterstützung geben<br />
kann. Die Waffenwirkung der 8,8 cm FlaK<br />
L/56 ist derart überzeugend, dass diese<br />
Waffe hinzugezogen wird. 1938 beginnt die<br />
Entwicklung einer Selbstfahrlafette auf Basis<br />
des s ZgKw 12 t (SdKfz 8). Die schwere<br />
Zugmaschine wird mit einer umgebauten<br />
8,8 cm Flak 18 versehen, Motor und Fahrerstand<br />
werden teilgepanzert. Diese Lösung<br />
erweist sich während des Polen-Feldzuges<br />
als überraschend leistungsfähig.<br />
Parallel dazu werden einige 8,8 cm FlaK<br />
18 derart umgebaut, dass das Feuer direkt<br />
vom Sonderanhänger aus eröffnet werden<br />
kann. Die Zugmaschinen werden teilgepanzert,<br />
um den Einsatz in der Nähe der<br />
Hauptkampflinie zu ermöglichen. Der<br />
Grund für diese schnelle Lösung liegt vermutlich<br />
darin, dass die Auslandsaufklärung<br />
ernsthafte Hinweise auf die Einsatzbereitschaft<br />
schwerer französische Panzer<br />
bekommen hat.<br />
In Nordafrika sind die Flakbatterien ein<br />
wichtiger Teil von Rommels Kriegführung.<br />
Das Afrikakorps ist immer unterversorgt,<br />
Nachschub kommt nur sporadisch. Daher<br />
werden alle verfügbaren Waffen auch offensiv<br />
eingesetzt. Viele zeitgenössische Fotos<br />
zeigen den gemeinsamen Vormarsch<br />
von Panzer und 8,8 cm FlaK. Letztere sind<br />
das einzige Mittel im Kampf gegen den britischen<br />
Infantry Tank Mk. 2 Mathilda.<br />
Verheizt in Russland<br />
Im Osten müssen die Flakbatterien bereits<br />
früh in den Bodenkampf eingreifen. Das<br />
Auftreten der modernen russischen Panzer<br />
KW-1 und 2 sowie T 34 stellt die eigenen<br />
Panzer und Panzerabwehrkanonen des<br />
Jahres 1941 vor kaum lösbare Aufgaben.<br />
Die angreifenden deutschen Truppen sind<br />
gezwungen, leichte und mittlere Artillerie<br />
oder eben 8,8 cm FlaK nach vorne zu ziehen.<br />
Gerade die FlaK mit ihrer hohen Rasanz<br />
und Feuergeschwindigkeit erweist<br />
sich als sehr erfolgreich gegen Panzer (Panzergranaten)<br />
sowie halbharte und weiche<br />
Ziele (Sprenggranaten). Der Erfolg der Fla-<br />
Geschütze ermöglicht so auch in kritischen<br />
Situationen eine Fortsetzung des Vormarsches.<br />
Die euphorischen Meldungen der<br />
Propaganda verstellen jedoch den Blick auf<br />
die Realitäten. Der Einsatz der ungepanzerten<br />
Geschütze ist riskant. Die Fla-Artillerie<br />
zahlt für diesen konsequenten Einsatz einen<br />
hohen Preis.<br />
Eine Akte des Heereswaffenamtes liefert<br />
eine Reihe aufschlussreicher Fakten. Die<br />
Durchschlagsdaten zeigen, wie leistungsfähig<br />
die 8,8 cm Fla-Geschütze sind (siehe Tabelle<br />
2). Verschossen wird jeweils die 8,8 cm<br />
PzGrPatr 39. Die absolute Überlegenheit<br />
der FlaK 41 ist offensichtlich. Die Mun-Bestände<br />
belegen, wie gering die Zahl der<br />
vorhandenen FlaK 41 ist.<br />
Die Legende – ein Resümee<br />
Waffentechnisch ist die 8,8 cm FlaK L/56<br />
keine herausragende Entwicklung! Fast jede<br />
Nation hat Geschütze mit vergleichbaren<br />
Leistungen (siehe Tabelle 1). Als Beispiel<br />
mag die russische 85 mm M 1939 gelten,<br />
deren ballistische Daten kaum schlechter<br />
sind. Die Qualität der deutschen Munition<br />
ist gewiss wesentlich besser, das gilt<br />
für alle deutschen Geschütze. Dafür wiegt<br />
die M 39 in Fahrstellung nur 4,2 t gegenüber<br />
7,2 t – im beweglichen Einsatz ein<br />
überzeugendes Argument. Mehr als 7.000<br />
Batterien der FlaK-Artillerie werden im<br />
Reichsgebiet stationiert. Die weitaus meisten<br />
Geschütze sind aus Materialmangel<br />
nicht mehr mobil (wie anfangs gefordert),<br />
sondern fest versockelt. Stellungswechsel<br />
ist nur unter großem Aufwand möglich.<br />
Die Fliegerabwehr holt zwar eine große<br />
Zahl von Flugzeugen vom Himmel, doch<br />
die Alliierten gleichen diese Verluste<br />
schnell aus. Auch steigt die Einsatzhöhe der<br />
feindlichen Bomber deutlich, was die Bekämpfung<br />
erschwert. Im Einsatz gegen die<br />
Tag und Nacht angreifenden Bomberpulks<br />
zeigen sich die FlaK-Batterien (8,8 cm, 10,5<br />
cm und 12,8 cm FlaK) bald als hoffnungslos<br />
überfordert. Hatte man vor dem Kriege<br />
noch naive Vorstellungen bezüglich der<br />
Wirksamkeit der FlaK (man ging von einem<br />
Abschuss je 47 Schuss aus), so muss man<br />
sich im Krieg der Realität stellen. Tatsächlich<br />
sind 4.000 Schuss nötig (Stand 1943),<br />
um einen vernichtenden Treffer zu landen.<br />
Erfolgsrezept: Flexibilität<br />
Woher nun rührt die außergewöhnliche Reputation,<br />
die die 8,8 cm FlaK immer noch<br />
hat? Die zahlreichen Erfahrungsberichte<br />
belegen, dass es oft der unkonventionelle<br />
Einsatz des Fliegerabwehrgeschützes ist,<br />
der deutschen Spitzeneinheiten auch in<br />
ausweglosen Situationen Erfolg bringt.<br />
Also doch eine Ehrenrettung für das<br />
breite Einsatzprofil der 8,8 cm FlaK? Vielleicht.<br />
Die 8,8 cm FlaK ist das Ergebnis einer<br />
zweckorientierten Entwicklung, verdient<br />
aber aufgrund ihres oft halsbrecherischen<br />
Einsatzes fernab der ihr zugedachten<br />
Aufgaben den Zusatz „Allzweckwaffe“.<br />
Thomas Anderson, Jg. 1958, ist als freier Autor tätig<br />
und unterstützt namhafte Modellbau-Hersteller als<br />
Fachberater.<br />
66
Legende und Meilenstein der deutschen Luftwaff e<br />
8,8-CM FLAK<br />
Flugabwehrkanone<br />
Ø 30 mm<br />
PORTOFREI<br />
EUR 16,95<br />
Wirkungsvolle Allzweckwaffe<br />
Neben der legendären „Stalinorgel“ ist kein anderes Geschütz des<br />
2. Weltkriegs heute noch so bekannt wie die deutsche 8,8-cm Flak.<br />
In den Ausführungen 18, 36 und 37 bildete sie das Rückgrat der<br />
deutschen Luftverteidigung. Ihren legendären Ruf erwarb sich die<br />
„Acht-Acht“ jedoch erst im Laufe des Krieges. Als wirkungsvolle<br />
Allzweckwaffe kam sie an allen Brennpunkten zum Fronteinsatz.<br />
Neben der panzerbrechenden Wirkung der waffentechnisch idealen<br />
8,8-cm Granaten waren Robustheit, die relativ einfache Bedienung<br />
sowie die recht hohe Kadenz die entscheidenden Parameter dieses<br />
wegweisenden Waffensystems.<br />
Dokumentation der Extraklasse<br />
Die vorliegende Sammlerausgabe in der höchsten Münzqualität<br />
„Polierte Platte“ (PP) dokumentiert in Verbindung mit einer<br />
informativen Themenkarte die Entstehungsund<br />
Einsatzgeschichte der legendären 8,8-cm<br />
Flugabwehrkanone auf besonders brillante<br />
und anschauliche Weise. Vorbildlich ist auch<br />
die strenge Limitierung auf nur 5.000 Stück<br />
weltweit, die diese Sammlerausgabe schon<br />
heute zu einer gesuchten Rarität von morgen<br />
macht.<br />
Sichern Sie sich Ihre persönliche Sammlerausgabe<br />
zum Vorzugspreis!<br />
Ja, bitte senden Sie mir Stück der streng limitierten<br />
Sammlerausgabe „8,8-cm Flak“ mit Themenkarte zum Vorzugspreis<br />
von 16,95. Die Lieferung erfolgt portofrei gegen Rechnung und<br />
mit 14 - tägigem Rückgaberecht. Ich gehe mit dieser Bestellung<br />
keine weiteren Verpflichtungen ein.<br />
Reservierungs-Zertifi kat ausfüllen, abtrennen und umgehend einsenden!<br />
Meine Adresse:<br />
Vorname, Name<br />
Frau Herr<br />
Fax<br />
Mail<br />
0 86 49-3 93<br />
0 86 49-6 20<br />
order@mintmaster.de<br />
Straße, Nr.<br />
Clausewitz 3/2013<br />
Brandlstraße 30 D - 83259 Schleching<br />
PLZ, Ort<br />
CL<br />
67
Spurensuche<br />
„Spielball“ der Weltgeschichte<br />
Helgoland<br />
Helgoland ist einzigartig. Zum einen durch die exponierte Lage im Herzen der Deutschen<br />
Bucht, vor allem aber durch die wechselvolle Historie. Ein Mikrokosmos. Mehrfach<br />
wurde der kleine rote Felsen zum Spielball der Weltgeschichte. Von Ulf Kaack<br />
Seit dem 7. Jahrhundert ist das Eiland<br />
von Friesen bewohnt. Im 12. und 13.<br />
Jahrhundert untersteht es der Dänischen<br />
Krone, anschließend dem Herzogtum<br />
Schleswig. 1807 wird der sturmumtobte Felsen<br />
von den Briten als Kolonie in das Vereinte<br />
Königreich integriert. Während der Kontinentalsperre,<br />
die 1814 durch den Kieler Frieden<br />
beendet wird, erleben die Helgoländer<br />
eine Hochzeit als Blockadebrecher und<br />
Schmuggler. Die Zeiten bleiben friedlich – lediglich<br />
1849 und 1864 kommt es zu deutschdänischen<br />
Seegefechten in Sichtweite von<br />
Helgoland.<br />
„Im Tausch gegen Handelsrechte in Ost-<br />
Afrika, im sogenannten Helgoland-Sansibar-<br />
Vertrag, kam Helgoland am 10. August 1890<br />
unter die Regentschaft des deutschen Kaiserreiches“,<br />
erklärt Jörg Andres, Insel-Histo-<br />
riker und Leiter des Museums Helgoland,<br />
die wechselvolle Inselgeschichte. „Die Preußen<br />
maßen Helgoland eine hohe strategische<br />
Bedeutung zu. Als Artillerievorposten zum<br />
Schutze der Nordseeküste sowie den Zugängen<br />
zum Nord-Ostsee-Kanal, zur Elbe, Weser<br />
und Jade. Vor allem aber als dauerhaft<br />
eisfreier Kriegshafen in vorgeschobener Lage.“<br />
Aufrüstung im Kaiserreich<br />
Zügig geht Wilhelm II. daran, die Insel zu<br />
einer Festung auszubauen und einen Marinehafen<br />
anzulegen. 1891 entstehen erste<br />
Gebäude, ein Jahr später wird an der Nordund<br />
Südspitze je ein Kanonenstand mit<br />
zwei 21-cm-Geschützen errichtet. Es folgt<br />
eine Haubitzenbatterie auf dem Oberland<br />
mit acht schweren 28-cm-Geschützen.<br />
1906 nimmt das Projekt gewaltige Formen<br />
an: Ein großdimensioniertes Stollensystem<br />
wird in den Kreidefelsen der Insel getrieben.<br />
Räume, Verzweigungen sowie Schächte<br />
für Aufzüge und zur Belüftung werden<br />
gebaut. Bis 1914 werden der Nordsee 86<br />
Hektar abgetrotzt. Es entstehen der Torpedo-,<br />
Scheiben- und U-Boothafen. Außerdem<br />
ein Seefliegerstützpunkt mit Hangar,<br />
Flugzeugaufschleppe, Kraftwerk und den<br />
erforderlichen Versorgungseinrichtungen.<br />
Im Mai 1908 beginnt die Neuarmierung<br />
der Festungsartillerie. Die Nord- und Südgruppe<br />
erhalten jeweils zwei moderne 30,5-<br />
cm-Krupp-Doppeldrehtürme und zwei 21-<br />
cm-Geschützstände. Dazwischen liegen besagte<br />
acht Haubitzenbatterien sowie diverse<br />
kleinere Anlagen mit leichten und mittleren<br />
Geschützen, Kommando- und Peilständen,<br />
68
HELGOLAND HEUTE: Ein<br />
friedliches Eiland mitten<br />
in der Nordsee. Foto: U. Kaack<br />
MILITÄRISCHE ASPEKTE: Diese 1714 (unter dänischer<br />
Regentschaft) entstandene Abbildung zeigt<br />
nicht nur die Insel, sondern ist auch eine Studie<br />
über mögliches Artilleriefeuer. Abb.: Archiv U. Kaack<br />
„BIG BANG“ AUF HELGOLAND: In der bis<br />
heute weltweit größten nichtnuklearen<br />
Explosion detonieren am 18. April 1947<br />
6.700 Tonnen Sprengstoff.<br />
Foto: Archiv Museum Helgoland<br />
Beobachtungs- und Scheinwerfereinrichtungen.<br />
Auf dem Unterland befindet sich eine<br />
Batterie mit zwei 8,8-cm-Geschützen, vier<br />
3,7-cm-Revolverkanonen und Maschinengewehren.<br />
Die Düne (Name der östlich gelegenen<br />
Nebeninsel) wird von einer Flak-Batterie<br />
mit vier 8,8-cm-Geschützen und einer<br />
weiteren Stellung mit drei 3,7-cm-Revolverkanonen<br />
sowie Maschinengewehren geschützt.<br />
Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges am<br />
1. August 1914 müssen alle Helgoländer ihre<br />
Insel verlassen und werden im Umland<br />
Hamburgs untergebracht. Familien, die<br />
nach der Übergabe 1890 englisch geblieben<br />
waren, kommen in das Internierungslager<br />
Ruhleben bei Berlin. Britisch geborene Insulaner<br />
werden unter Polizeiaufsicht gestellt<br />
und vom Kriegsdienst befreit.<br />
Deutschstämmige hingegen werden zur<br />
Marine eingezogen. Helgoländer in Diensten<br />
des Militärs – das hat es bislang noch<br />
nicht gegeben. Zurück auf der Insel bleibt<br />
eine 4.000 Mann starke militärische Besatzung<br />
für die Bedienung der Festungsartillerie<br />
und den Betrieb des Hafens.<br />
Seegefecht bei Helgoland<br />
Der Erste Weltkrieg beginnt für den roten<br />
Felsen mit einem dramatischen Paukenschlag.<br />
Mit einer List locken überlegene britische<br />
Seestreitkräfte am Morgen des 18.<br />
August 1914 die Einheiten des V. Torpedobootgeschwaders<br />
sowie mehrere kleine<br />
Kreuzer in die Deutsche Bucht. Es kommt<br />
zu einer ersten Feindberührung, bei der das<br />
deutsche Torpedoboot „V 187“ versenkt<br />
und der britische Kreuzer „HMS Arethusa“<br />
erheblich beschädigt werden.<br />
Clausewitz 3/2013<br />
69
Spurensuche | Helgoland<br />
IM ERSTEN<br />
WELTKRIEG:<br />
U-Boote im<br />
Kriegshafen<br />
von Helgoland.<br />
Foto: Archiv Museum<br />
Helgoland<br />
Nach einer kurzen Gefechtspause treffen<br />
die Gegner erneut aufeinander. Zunächst<br />
entbrennt ein harter Kampf um den manövrierunfähigen<br />
Kreuzer „Mainz“. Dieser<br />
kann im Abwehrkampf noch drei englische<br />
Zerstörer schwer beschädigen, bevor er<br />
selbst zusammengeschossen auf Tiefe geht.<br />
Auch der kleine Kreuzer „Ariadne“ wird<br />
binnen einer Viertelstunde in ein brennendes<br />
Wrack verwandelt. Eine Stunde später<br />
wird die „Cöln“ von dem Schlachtkreuzer<br />
„HMS Lion“ gesichtet und trotz erbitterter<br />
Gegenwehr versenkt. Nur ein Mitglied der<br />
Besatzung überlebt den Untergang. Die<br />
Seefestung Helgoland kann aufgrund<br />
schlechter Sicht nicht mit Artilleriebeschuss<br />
eingreifen. Im weiteren Verlauf des Krieges<br />
erlangt die Insel dann lediglich als Stützpunkt<br />
für U-Boote und Seeflieger noch strategische<br />
Bedeutung.<br />
Turbulenzen<br />
Ab dem 6. Dezember 1918 dürfen die Insulaner<br />
nach vier Jahren der Heimatlosigkeit<br />
wieder zurückkehren. Sie finden ihre Häuser<br />
und die Infrastruktur in desolatem Zustand<br />
wieder. Es beginnen politisch turbulente<br />
Zeiten: Verhandlungen über eine Entschädigung<br />
der Helgoländer mit dem<br />
preußischen Innenministerium laufen ins<br />
Leere. Verschiedene Bemühungen, sich von<br />
Deutschland loszusagen und den Anschluss<br />
an Großbritannien oder Dänemark<br />
zu finden, scheitern. Mir diesen Aktionen<br />
verspielen die „Halbengländer“ viele Sympathien<br />
in Deutschland.<br />
Gemäß dem Vertrag von Versailles beginnen<br />
die Schleifungsarbeiten am Kriegshafen<br />
UNVOLLENDET: Das<br />
gigantische Projekt<br />
„Hummerschere“<br />
sieht vor, Helgoland<br />
bis 1948 zu einem riesigen<br />
Kriegshafen auszubauen.<br />
Tatsächlich<br />
werden nur Teile davon<br />
realisiert, die aber<br />
heute noch auf der Insel<br />
zu sehen sind.<br />
Foto: Archiv Museum<br />
Helgoland<br />
und an dem Festungsbauwerk. Diese werden<br />
von verschiedenen deutschen Baufirmen<br />
vorgenommen, die von einer 40-köpfigen<br />
britischen Kontrollkommission überwacht<br />
werden. Von 1921 bis 1924 wird<br />
Schritt für Schritt der Torpedo-Boot- und<br />
U-Boot-Hafen gesprengt. Das sehr weitläufige<br />
Tunnelsystem wird hingegen lediglich<br />
verplombt. Die Haupteingänge zu den<br />
Nord- und Südkasematten bleiben komplett<br />
erhalten.<br />
Gigantische Pläne<br />
So hat es das NS-Regime ab 1933 im Zuge<br />
seiner Aufrüstungspolitik leicht, Helgoland<br />
erneut in einen waffenstarrenden Felsen zu<br />
verwandeln. Museumschef Andres: „Plan<br />
war es im Jahr 1935, Helgoland zu einer gigantischen<br />
Festung mit einem Hochseehafen<br />
für die Marine zu machen. Durch Aufschüttung,<br />
Trockenlegung und Errichtung<br />
von Betonmolen sollte die Insel bis 1948 in<br />
nördlicher Richtung um ein Vielfaches ihrer<br />
Größe erweitert werden. Die Bauarbeiten<br />
fanden unter dem Tarnnamen ‚<strong>Operation</strong><br />
Hummerschere’ statt.“<br />
Geplant ist die schrittweise Erweiterung<br />
des Südhafens, vor allem aber die Schaffung<br />
eines großflächigen Kriegshafens in<br />
Richtung Norden für Schlachtschiffe, Kreuzer<br />
und Zerstörer. Das Projekt Hummerschere<br />
kommt allerdings nicht über die notwendigen<br />
Vorarbeiten hinaus und wird<br />
1941 eingestellt.<br />
Festungsbau unter Tage<br />
Zügig vorangetrieben wird hingegen die<br />
Rearmierung und Erweiterung des kaiserlichen<br />
Festungssystems. Ein weitläufiges<br />
Stollensystem – insgesamt 13,7 Kilometer<br />
lang – mit Schutzräumen, einem Lazarett,<br />
verschiedenen Depots und Versorgungseinrichtungen,<br />
Werkstätten, ein Kraftwerk<br />
und diversen Räumen zur militärischen<br />
Nutzung wird wieder verwendbar gemacht<br />
oder neu in den Felsen getrieben.<br />
Das Stollensystem umfasst vier Bereiche:<br />
Die Raumanlage mit Zugang im südlichen<br />
Unterland in den Felssockel, das obere Tunnelsystem<br />
relativ dicht unter der Oberfläche<br />
des Unterlandes und der Kabelbahntunnel<br />
zum Transport von schweren Lasten zwi-<br />
70
Bau des U-Boot-Bunkers<br />
GEWALTIG: Geschütze der<br />
„Falm“-Batterie vor dem Leuchtturm<br />
und der Signalstelle.<br />
Foto: Archiv Museum Helgoland<br />
NACH DEM INFERNO: Wehrmachtsangehörige beim<br />
Aufräumen in den Trümmern. Die Zerstörung ist das Ergebnis<br />
eines Bombenangriffs vom 15. Oktober 1944.<br />
Foto: Archiv Museum Helgoland<br />
schen Ober- und Unterland. Der Zugang zu<br />
den zivilen Luftschutzanlagen auf der Südund<br />
Ostseite der Insel erfolgt über die sogenannte<br />
„Spirale“ im Bereich des heutigen<br />
Fahrstuhls.<br />
Die Hauptbewaffnung Helgolands besteht<br />
aus den stark und tief verbunkerten<br />
Seezielbatterien „von Schröder“ an der<br />
Nordspitze sowie „Jacobsen“ im Süden. Dazu<br />
kommen drei schwere FlaK-Batterien.<br />
Hauptbefehlsstand und zentraler Leitstand<br />
für die Insel-FlaK ist der Rote Turm in<br />
der Mitte des Oberlandes, der heutige<br />
Leuchtturm. Das 1941 aus massivem Stahlbeton<br />
errichtete Bauwerk dient außerdem als<br />
Beobachtungsstand und Lagezentrum. Bis<br />
heute ist unter dem Turm ein dreistöckiger<br />
Bunkerkomplex mit ehemaligen Mannschaftsunterkünften<br />
für zwei Unteroffiziere<br />
und drei Mannschaftsdienstgrade erhalten<br />
geblieben.<br />
Hafen und U-Bootbunker<br />
Der Festungsbau setzt entsprechend große<br />
Hafenanlagen zur Anlandung des Materials<br />
voraus. Außerdem soll Helgoland<br />
schnellstmöglich als<br />
Marinestützpunkt<br />
wieder hergestellt<br />
werden. Darum<br />
wird 1936 mit der Trümmerbergung der gemäß<br />
Versailler-Vertrag gesprengten Anlagen<br />
begonnen. Ab 1937 entstehen die Ost-,<br />
West- und Südmole, außerdem der Nordost-<br />
und der Dünenhafen.<br />
Im Winter 1939 beginnt der Bau eines U-<br />
Boot-Bunkers im nordwestlichen Bereich des<br />
Osthafens – offiziell als „UBB Nordsee III“<br />
bezeichnet. Das Bauwerk ist 156 Meter lang<br />
und 16,5 Meter hoch. Die Wandstärke beträgt<br />
zwei Meter, die der Decke drei Meter.<br />
Im Sommer 1942 ist der Betonklotz fertig gestellt,<br />
auf seinem Dach befindet sich eine<br />
leichte FlaK-Stellung. Die drei Boxen innerhalb<br />
des Bunkers bieten Platz für bis zu neun<br />
U-Boote. Angelaufen wird das Bauwerk<br />
überwiegend von Schnell- und Minenräumbooten.<br />
Ab Mitte 1944 sind hier außerdem<br />
Einheiten der Kleinstkampfmittelverbände<br />
stationiert: Zunächst Sprengboote vom Typ<br />
„Linse“ und kurz vor Kriegsende Kleinst-U-<br />
Boote der Baureihe „Seehund“.<br />
NARBEN DES<br />
KRIEGES: Drei<br />
Bombenkrater unmittelbar<br />
am westlichen<br />
Klippenrand<br />
zeugen von der<br />
konfliktreichen<br />
Vergangenheit der<br />
Insel. Foto: U. Kaack<br />
Dreimal versuchen die Alliierten, den Helgoländer<br />
U-Boot-Bunker mit ferngesteuerten<br />
Bombern zu vernichten. Die Angriffe<br />
finden unter dem Decknamen „Aphrodite“<br />
statt. In allen drei Fällen gelingt es der Marine-FlaK<br />
die Flugzeuge – eine „Liberator“<br />
und zwei B-17 „Flying Fortress“ abzuschießen.<br />
Die mit Sprengstoff beladenen Bomber<br />
explodieren jeweils in einer mächtigen Detonation.<br />
Jagdflieger auf der Düne<br />
Der Ende Januar 1942 auf der Düne fertig<br />
gestellte Flugplatz mit zwei x-förmig angelegten<br />
Pisten ist Stützpunkt von Jagd- und<br />
Aufklärungsfliegern der Luftwaffe. Er hat<br />
allerdings nur geringe militärische Bedeutung.<br />
Gesichert werden Flugplatz und die<br />
dazugehörigen Anlagen durch die FlaK-<br />
Batterien „Wittekliff“ und die Sperrbatterie<br />
„Düne“. Noch im April 1945 werden die<br />
Strandabschnitte der Düne gegen gegnerische<br />
Landungsunternehmen vermint.<br />
Während des Zweiten Weltkrieges dürfen<br />
die 3.000 Insulaner auf ihrer Insel bleiben.<br />
Zu ihnen gesellen sich bis zu 4.000 Offiziere,<br />
Soldaten, Arbeiter und Kriegsgefangene. Ab<br />
1943 werden die zur Bedienung der Artillerie<br />
vorgesehenen Soldaten in großen Teilen<br />
zum Einsatz an der Front abgezogen. Ihre<br />
Aufgaben übernehmen Marinehelfer – blutjunge<br />
Lehrlinge, Ober- und Realschüler. Neben<br />
dem militärischen Dienst geht ihre<br />
Schulausbildung auf Helgoland weiter.<br />
Die ersten beiden Kriegsjahre verlaufen<br />
relativ ruhig. Ein Bombenangriff – der erste<br />
überhaupt auf deutschen Boden – erfolgt<br />
ohne größere Schäden am 3. Dezember 1939.<br />
Das ändert sich mit den zunehmenden<br />
Clausewitz 3/2013<br />
71
Spurensuche | Helgoland<br />
LETZTE AUGENBLICKE: Untergang des kleinen<br />
Kreuzers „Mainz“ bei der Seeschlacht<br />
vor Helgoland zu Beginn des Ersten Weltkriegs.<br />
Foto: Archiv U. Kaack<br />
AUßER GEFECHT GESETZT: Die Batterie „von Schröder“ im<br />
August 1945.<br />
Foto: Archiv Museum Helgoland<br />
Luftattacken auf das Reichsgebiet, denn die<br />
alliierten Piloten nutzen Helgoland als Markierungspunkt<br />
für ihre Flugnavigation. Am<br />
13. Mai 1941 erfolgt der erste direkte Fliegerangriff<br />
auf die Insel mit mehr als einem Dutzend<br />
Toten, ausnahmslos Zivilisten. In immer<br />
kürzeren Abständen folgen nun kleinere<br />
und größere Luftattacken.<br />
„Wir Kinder empfanden das damals als<br />
normal, nicht als störend“, erinnert sich James<br />
Müller, der 1938 auf Helgoland geboren<br />
wird. „Unter dem offenen Fenster meiner<br />
Großmutter imitierten wir die Luftschutzsirene,<br />
sammelten Patronenhülsen aus Messing<br />
als Spielzeug und entwendeten sogar<br />
Bänke aus dem Bunker. In den letzten<br />
Kriegstagen war dann fast ständig Alarm –<br />
wenn die Bomber im Anflug auf ihre Festlandziele<br />
waren und einige Stunden später,<br />
wenn es zurück nach England ging.“<br />
Das Bomben-Inferno<br />
Eine Armada von Bombern formiert sich<br />
am Morgen des 18. April 1945 über der südwestlichen<br />
Nordsee. Nahezu 1.000 britische<br />
Kampfflugzeuge nehmen Kurs auf die<br />
Deutsche Bucht. Sonor dröhnen die Motoren,<br />
Kondensstreifen sind weithin sichtbar<br />
am Himmel. Es ist kurz vor 12 Uhr, als auf<br />
Helgoland Vollalarm gegeben wird.<br />
„Ich erinnere mich noch genau, es war ein<br />
warmer sonniger Frühlingstag, dieser unglückliche<br />
18. April“, so James Müller. „Wie<br />
immer gingen meine Schwester und ich mit<br />
meinen Großeltern in den zivilen Schutzraum.<br />
Jeder hatte einen festen Platz, wodurch<br />
leicht kontrolliert werden konnte, ob<br />
jemand fehlte. Auf den langen Bänken im<br />
Gang mussten wir auf Kommando des Bunkerwartes<br />
Platz nehmen. Die schweren Gasschutztüren<br />
wurden verschlossen, und das<br />
Inferno brach los.“<br />
Nach zwei Stunden ist der Angriff vorbei.<br />
James Müller: „Oben in den Stellungen wurden<br />
nun die Verletzten geborgen. Wir mussten<br />
immer wieder aufstehen, wenn die verwundeten<br />
Soldaten durch die Gänge in Richtung<br />
Lazarett getragen wurden. Aus manchen<br />
Uniformen tropfte Blut. Es war<br />
grausam.“<br />
Die Bilanz des Luftangriffes ist verheerend:<br />
969 Maschinen sind daran beteiligt, darunter<br />
617 Lancaster- und 332 Halifax-Bomber<br />
sowie 20 „Mosquitos“ als Begleitjäger.<br />
Drei Bomber gehen dabei verloren. Zwölf<br />
Helgoländer und 128 Soldaten werden getötet,<br />
13 Menschen bleiben vermisst. Es gibt<br />
zahlreiche Verletzte. 95 Prozent der Gebäude<br />
sind dem Erdboden gleich gemacht, zerstört<br />
auch die militärischen Einrichtungen. Bei einem<br />
weiteren Luftangriff am folgenden Tag<br />
werden auch der bis dahin noch intakte U-<br />
Bootbunker sowie die nach wie vor einsatzbereite<br />
schwere Seezielbatterie an der Nordspitze<br />
vernichtet.<br />
DAMALS UND HEUTE<br />
DAMALS: Der ehemalige FlaK-Turm wird 1952<br />
(nach der Rückgabe an die Insulaner) als provisorisches<br />
Leuchtfeuer in Betrieb genommen. Noch<br />
trägt das Gebäude die Zeichen des Krieges.<br />
Foto: Archiv Nordseemuseum Helgoland<br />
HEUTE: Der ehemalige<br />
FlaK-Turm und<br />
Feuerleitstand<br />
übersteht als einziges<br />
Gebäude auf<br />
Helgoland sämtliche<br />
Bombardements<br />
und den „Big<br />
Bang“. Heute zeigt<br />
der Leuchtturm den<br />
Seeleuten den Weg<br />
durch die Nacht.<br />
Foto: U. Kaack<br />
In der Nacht vom 19. auf den 20. April 1945<br />
erfolgt die Evakuierung von rund 2.500 Zivilisten.<br />
Beschwerlich ist der Weg durch die<br />
unwirtliche Trümmerwüste. Kaum mehr<br />
als einen Koffer und Handgepäck dürfen<br />
die nun Heimatlosen mit an Bord der drei<br />
Dampfer – die „Kehrwieder“, die „Düsseldorf“<br />
und die „Rugia“ – nehmen, die sie<br />
auf das Festland bringen. „Nahezu geschlossen<br />
fanden die evakuierten Helgoländer<br />
Aufnahme im Landkreis Pinneberg und<br />
wurden später sukzessive im norddeutschen<br />
Raum untergebracht“, berichtet Inselhistoriker<br />
Jörg Andres.<br />
<strong>Operation</strong> „Big Bang“<br />
Am 11. Mai 1945 besetzen britische Streitkräfte<br />
den roten Felsen in der Nordsee. Zügig<br />
beginnen sie mit der totalen Demilitari-<br />
72
Helgoland fliegt in die Luft<br />
APOKALYPTISCH: Das restlos zerstörte<br />
Unterland am späten Nachmittag des 18.<br />
April 1945. Foto: Archiv Museum Helgoland<br />
VOGELPERSPEKTIVE: Aufnahme<br />
der britischen Luftaufklärung vom<br />
18. April 1945.<br />
Foto: Archiv Museum Helgoland<br />
sierung, wie sie das „Potsdamer Abkommen“<br />
vorschreibt. 4.300 Tonnen Material<br />
werden auf das Festland transportiert.<br />
Unter dem Decknamen „Big Bang“ beginnen<br />
die Engländer im Sommer 1946 mit den<br />
Vorbereitungen zur Sprengung Helgolands.<br />
Als Ziel werden die Vernichtung aller militärischen<br />
Einrichtungen und der deutschen<br />
Munitionsbestände definiert. Der Inselhafen,<br />
die Uferschutzbebauung und der Zivilbunker<br />
sind von der direkten Sprengung ausgenommen.<br />
Die Briten haben nicht vor, Helgoland<br />
komplett auf der Landkarte auszuradieren,<br />
nehmen dies aber als Restrisiko in Kauf.<br />
18. April 1947: Mit dem dritten Ton des<br />
11-Uhr Zeitsignals der BBC löst der britische<br />
Navy-Offizier E.C Jellis die Sprengung von<br />
Bord des britischen Kabellegers „Lasso“ mittels<br />
Kabelzündung aus. 4.000 Torpedoköpfe,<br />
fast 9.000 Wasserbomben und über 91.000<br />
Granaten verschiedener Kaliber – insgesamt<br />
6.700 Tonnen Sprengstoff – sind im U-Boot-<br />
Bunker und im Tunnellabyrinth gestapelt<br />
DAMALIGER ZUFLUCHTSORT: Der gebürtige<br />
Helgoländer James Müller (Jahrgang 1938)<br />
im Stollen des zivilen Luftschutzbunkers. Als<br />
Fünfjähriger erlebt er an dieser Stelle den<br />
schweren Luftangriff vom 18. April 1945 und<br />
wird am Tag danach evakuiert. Erst 1954<br />
kann er zurückkehren.<br />
Foto: U. Kaack<br />
und detonieren in der bis heute weltweit<br />
größten nichtnuklearen Explosion.<br />
BUNDESWEHRPRÄSENZ: Ein SAR-Marinehubschrauber<br />
vom Typ „Sea King“ bei<br />
der Landung auf dem Militärgelände<br />
(Unterland). Foto: Archiv Nordseemuseum Helgoland<br />
Die Wiederfreigabe<br />
Nach dem „Big Bang“ kehrt Ruhe ein. Unterbrochen<br />
wird die Stille dabei regelmäßig<br />
durch Detonationen, denn die Briten nutzen<br />
das militärische Sperrgebiet nun als<br />
Ziel- und Übungsgelände für ihre Bomberpiloten.<br />
Am 26. Februar 1952 übergibt der<br />
britische Hohe Kommissar Sir Ivone Kirkpatrick<br />
die offizielle Nachricht an Bundeskanzler<br />
Konrad Adenauer, dass Helgoland<br />
am 1. März 1952 an die Bundesrepublik<br />
zurückgegeben wird und frei ist zur<br />
Wiederbesiedlung durch die Insulaner. Der<br />
Aufbau nimmt ein ganzes Jahrzehnt in Anspruch.<br />
Erneute Militärpräsenz<br />
In den 1960er-Jahren ist auch die Marine<br />
wieder auf Helgoland präsent. Der kleine<br />
Kasernenkomplex auf dem Oberland passt<br />
sich stilistisch der neuen Inselarchitektur<br />
an. Kein hoher Zaun, keine patrouillierenden<br />
Wachen – optisch weist kaum etwas<br />
auf die Anwesenheit der Soldaten hin. Direkt<br />
am südlichen Klippenrand befindet<br />
sich mit bester Rundumsicht auf die Nordsee<br />
die Marinesignalstelle. Von hier aus<br />
werden der militärische Schiffsverkehr beobachtet<br />
und entsprechende Meldungen an<br />
die Marineführung auf dem Festland weitergegeben.<br />
Der am nördlichen Ende des<br />
Oberlandes gelegene Radarturm dient der<br />
Luftraumüberwachung. Bis 1989 sitzen in<br />
dem komplett abgedunkelten Gebäude die<br />
Ortungsspezialisten der Bundesmarine, anschließend<br />
Soldaten der Luftwaffe.<br />
Heute ist das Radargerät vom Dach des<br />
Turmes entfernt. Die Marinesignalstelle wird<br />
ohne Personal als Relaisstation genutzt und<br />
das ehemalige Kasernengelände gehört nun<br />
zum Alfred-Wegener-Institut. Einzig der 1979<br />
in Betrieb genommene Hubschrauber-Landeplatz<br />
mit Hangar und Betankungsanlage ist<br />
noch in Betrieb. Die Basis auf dem Unterland<br />
wird heute unregelmäßig von SAR-Fliegern<br />
besetzt, könnte aber stets als vorgeschobener<br />
<strong>Operation</strong>sposten wieder aktiviert werden.<br />
Ulf Kaack, Jg. 1964, Verantwortlicher Redakteur von<br />
TRAKTOR CLASSIC. Autor zahlreicher Bücher, besonders<br />
zu technischen und maritimen Themen.<br />
Clausewitz 3/2013<br />
73
Feldherren<br />
Richard I. Löwenherz<br />
Der Krieger auf<br />
dem Königsthron<br />
Richard, der gar kein Englisch spricht,<br />
hält sich während seiner Regierungszeit<br />
nur einige Monate in England<br />
auf. Sein Kampf gegen Sultan Saladin im<br />
Verlauf des Dritten Kreuzzugs ist ebenso<br />
von zahlreichen Legenden umrankt wie die<br />
Zeit seiner daran anschließenden Gefangenschaft<br />
in Österreich und Deutschland. Selbst<br />
die Umstände seines Todes erhöhen ihn<br />
über das Maß anderer Sterblicher – vergibt<br />
er doch auf dem Totenbett dem französischen<br />
Armbrustschützen, der ihn tödlich<br />
verletzt hatte. Richard Löwenherz entstammt<br />
der Dynastie der Normannen, die<br />
seit 1066 die Herrschaft über England innehat.<br />
Er wird am 8. September 1157 in Oxford<br />
als dritter Sohn König Heinrichs II. geboren.<br />
Besonders die französische Abstammung seiner<br />
Mutter Eleonore von Aquitanien soll das<br />
zukünftige Leben Richards zu einem großen<br />
Teil bestimmen. Die aus der nach ihnen benannten<br />
Normandie stammenden Könige<br />
Englands sind nämlich durch vielfältige dynastische<br />
Beziehungen eng an ihre weitreichenden,<br />
im Westen Frankreichs gelegenen<br />
Besitzungen gebunden. Dieser gesamte Herrschaftskomplex<br />
wird zusammen mit England<br />
als das Angevinische Reich bezeichnet.<br />
Bereits 1172 erhält Richard im Alter von nur<br />
fünfzehn Jahren das Amt des Herzogs von<br />
Aquitanien, wo er sich während seiner Herr-<br />
FAKTEN<br />
Wichtige Kämpfe<br />
4.10.1190: Eroberung von Messina<br />
Frühjahr 1191: Eroberung von Zypern<br />
12.7.1191: Eroberung von Akkon<br />
7.9.1191: Schlacht bei Arsuf<br />
Anfang August 1192: Eroberung von Jaffa<br />
4.8.1192: Schlacht bei Jaffa<br />
4.7.1194: Fréteval<br />
28.9.1198: Gisors<br />
Bis heute: Richard Löwenherz ist eine der romantisch<br />
verklärtesten Figuren der Geschichte, und er gilt nach<br />
wie vor als einer der „englischsten“ Könige der<br />
britischen Geschichte…<br />
Von Otto Schertler<br />
schaftszeit in nicht endende Kämpfe mit<br />
widerspenstigen Vasallen, feindlichen<br />
Nachbarn und dem französischen Königtum<br />
verstrickt sieht.<br />
Bereits in jungen Jahren lernt er daher<br />
den Krieg aus eigener Erfahrung<br />
kennen, und seit<br />
dieser Zeit vergeht<br />
– bis auf die Phase<br />
seiner Gefangenschaft<br />
kein Jahr seines Lebens in dem er<br />
nicht im Feld steht. Er beteiligt sich an der<br />
von 1173–1174 währenden, vom französischen<br />
König unterstützten Rebellion gegen<br />
seinen Vater, mit dem er sich bis zu dessen<br />
Tod im Jahr 1189 nicht mehr versöhnen<br />
wird. Einer der Lehrmeister Richards in<br />
diesen frühen Jahren ist Graf Philipp von<br />
Flandern, der als einer der verschlagensten<br />
Krieger seiner Zeit gilt.<br />
Verbrannte Erde<br />
Größere Schlachten hat Richard hier – bis<br />
auf eine Ausnahme nicht zu bestehen,<br />
eher handelt es sich bei den zahlreichen<br />
Kämpfen um kleinere Gefechte oder Belagerungen.<br />
Große Feldschlachten versucht<br />
man nämlich während des Mittelalters<br />
so gut wie möglich zu vermeiden, zu<br />
hoch ist das Risiko, die eigene bewaffnete<br />
Macht zu verlieren. Schon der während<br />
des späten 4. Jahrhunderts n. Chr. lebende<br />
römische Militärschriftsteller Vegetius rät<br />
in seinem berühmten Handbuch „Epitoma<br />
rei militaris“, einer Kompilation älterer<br />
Schriften, in Bezug auf Feldschlachten:<br />
„Lass es sein!“ Das Werk des Vegetius ist<br />
während des Mittelalters an den Herrscherhöfen<br />
wohlbekannt, und diesem<br />
POPULÄR BIS HEUTE: Die faszinierende<br />
Aura des „guten Königs“ Richard Löwenherz<br />
ist bis heute ungebrochen. Hier eine<br />
Statue vor dem Parlamentsgebäude in<br />
London: Selbstbewusst und stolz sitzt<br />
Richard I. auf seinem Ross.<br />
Foto: picture-alliance<br />
74
IM HEILIGEN LAND: Richard I. und seine Armee beten<br />
vor einer Schlacht gemeinsam. Der König begibt<br />
sich schon kurz nach seiner Thronbesteigung auf den<br />
Kreuzzug und kämpft stets an der Seite seiner Truppe.<br />
Illustration von Gustave Doré aus dem 19. Jhd.<br />
Abb.: picture-alliance/Prisma Archivo<br />
Clausewitz 3/2013<br />
75
Feldherren<br />
militärischen Grundprinzip folgen selbst<br />
die kühnsten Befehlshaber, wie Richard,<br />
der in jedem Gefecht und bei jedem Aufklärungsritt<br />
rücksichtslosen Mut beweist. Viel<br />
wichtiger erscheint es, das feindliche Gebiet<br />
durch Streifzüge zu verwüsten oder<br />
Burgen zu erobern und zu halten, also die<br />
Anwendung einer Taktik der verbrannten<br />
Erde, die Heinrich V. später mit den Worten<br />
„Krieg ohne Feuer ist wie Würste ohne<br />
Senf“ rühmen sollte. Somit setzt man klugerweise<br />
auf einen langfristigen strategischen<br />
Vorteil gegenüber dem unberechenbaren<br />
Wagnis einer Feldschlacht, die selbst<br />
im Fall eines eigenen Sieges möglicherweise<br />
keine klaren Vorteile zu bringen vermag.<br />
Als Richard im Jahr 1187 von der katastrophalen<br />
Niederlage der Kreuzfahrer bei<br />
Hattin im Heiligen Land und dem damit<br />
verbundenen Verlust von Jerusalem hört,<br />
entschließt er sich sofort, das Kreuz zu nehmen.<br />
Doch erst nach dem Tod seines Vaters<br />
im Jahr 1189 und der folgenden Krönung in<br />
Westminster, kann der nun als König herrschende<br />
Richard sein Gelübde in die Tat<br />
umsetzen.<br />
„Saladin sollte sich als der größte Gegenspieler der<br />
Kreuzfahrer erweisen. Unter seiner Herrschaft wurden<br />
ab 1174 zum ersten Mal im 12. Jahrhundert alle<br />
großen muslimischen Nachbarherrschaften der Kreuzfahrer<br />
[…] in einem einzigen Reich zusammengefasst.“<br />
Dr. Martin Hoch in: Schlachten der Weltgeschichte. Von Salamis bis Sinai.<br />
Er begibt sich 1190 nach Tours, um dort Stab<br />
und Sack als Zeichen seiner Pilgerschaft anzunehmen.<br />
Dann vereinigt er seine Truppen<br />
mit denjenigen des französischen Königs<br />
Philipp II. Augustus.<br />
Die bewaffneten Pilger<br />
Das erste Ziel der Kreuzfahrer ist Sizilien,<br />
wo Richard den Familienzwist mit dem dortigen<br />
normannischen Herrscher Tankred<br />
von Lecce kurzerhand durch die Eroberung<br />
Messinas mit dem Schwert löst. 1191 setzt er<br />
seine Fahrt nach Osten fort und landet zunächst<br />
in Zypern, wohin das Schiff seiner<br />
Schwester Johanna durch einen Sturm verschlagen<br />
worden ist. Die Insel wird zu dieser<br />
Zeit von Isaak Dukas Komnenos, einem<br />
Mitglied des byzantinischen Kaiserhauses,<br />
wie ein unabhängiges Königreich regiert.<br />
Dieser hatte einen Teil der zusammen mit Johanna<br />
gestrandeten Kreuzfahrer gefangen<br />
genommen und überdies ein Bündnis mit<br />
Saladin geschlossen. Als sich Isaak weigert,<br />
die Gefangenen freizulassen, stürmt Richard<br />
kurzentschlossen mit seinen Kriegern den<br />
Strand nahe der Stadt Limassol und vertreibt<br />
die von Isaak dort in Stellung gebrachten<br />
Truppen. Die Kreuzfahrer nehmen an-<br />
LEGENDÄRER SIEG: Löwenherz und<br />
sein Heer vor Jaffa. Von See kommend,<br />
erobern sie die Stadt zurück.<br />
Jaffa ist während der Kreuzzüge heftig<br />
umkämpft. Die heutige Großstadt<br />
ist uns besser bekannt unter dem<br />
Namen Tel Aviv. Holzstich nach Gustave<br />
Doré, 19. Jhd.<br />
Abb.: picture-alliance/akg<br />
76
Kampf um Akkon<br />
HINTERGRUND<br />
Sultan Saladin – „Ritter des Morgenlandes“<br />
Das Leben Sultan Saladins ist ebenso von Legenden<br />
umrankt wie das seines Gegners Richard<br />
I. Löwenherz. Dabei<br />
genießt er besonders in<br />
der abendländischen Welt<br />
einen enormen Ruf als „edler<br />
Ritter des Morgenlandes“,<br />
der sein Wort niemals<br />
bricht und sich im<br />
Kampf stets ritterlich<br />
zeigt. Doch in der Realität<br />
ist auch er ganz ein<br />
Mensch seiner Zeit,<br />
und er hat als solcher<br />
keine Skrupel, nach<br />
der Schlacht von<br />
Hattin alle gefangenen<br />
Johanniter und<br />
Templer hinrichten<br />
zu lassen.<br />
Der 1138 in Tikrit im heutigen Irak geborene Saladin<br />
ist kurdischer Abstammung und dient zunächst<br />
dem über Syrien herrschenden Zengidenfürsten<br />
Nur ad-Din als Militärführer. In dessen<br />
Auftrag nimmt er an einer Militärexpedition<br />
nach Ägypten teil, die das Land vor den Kreuzfahrern<br />
schützen soll. Dort löst er schließlich<br />
die schwache Dynastie der Fatimiden ab und begründet<br />
seine eigene Herrschaft. Nach dem Tod<br />
Nur ad-Dins bringt er zunächst Damaskus und<br />
Syrien unter seine Herrschaft und nimmt 1175<br />
den Sultanstitel an. Als bedeutendster Herrscher<br />
der damaligen islamischen Welt stellt<br />
sich Saladin erfolgreich den Kreuzfahrern in den<br />
Weg und erobert von diesen Jerusalem zurück.<br />
Saladin stirbt, bald nachdem sein Widersacher<br />
Richard I. Palästina verlassen hatte, am 4. März<br />
1193, doch sein Ruhm überdauert sowohl in<br />
der islamischen als auch der christlichen Welt<br />
die Jahrhunderte bis heute.<br />
EBENBÜRTIGER GEGENSPIELER: Diese Darstellung aus dem 19. Jhd. zeigt Saladin als siegreichen<br />
Feldherren. Trotz erfolgreicher militärischer <strong>Operation</strong>en überlässt Richard I. in einem Vertrag<br />
seinem muslimischen Widersacher die Kontrolle von Jerusalem. Abb.: picture-alliance/Prisma Archivo<br />
schließend Limassol ein und plündern die<br />
dortigen Vorräte. Isaak rückt mit weiteren<br />
Truppen bis in die Nähe der Stadt vor und<br />
plant für den nächsten Tag eine Schlacht gegen<br />
die Kreuzfahrer, doch Richard lässt bereits<br />
in der Nacht die Pferde von den Schiffen<br />
holen und macht sich für einen Angriff<br />
im Morgengrauen fertig. Die Truppen Isaaks<br />
werden völlig überrascht und vernichtend<br />
geschlagen, während er selbst unter Zurücklassung<br />
seines gesamten Schatzes gerade<br />
noch zu entkommen vermag. Die Eroberung<br />
der Insel durch Richard kann er jedoch nicht<br />
mehr aufhalten und gerät schließlich in Gefangenschaft.<br />
Damit verfügen die Kreuzfahrer<br />
über eine strategisch überaus wichtige,<br />
gesicherte Nachschubstation für den Kampf<br />
im Heiligen Land, die als Basis für die dortigen<br />
christlichen Territorien dient.<br />
Das fallende Banner<br />
Dann macht sich Richard auf den Weg nach<br />
Palästina, wo die Dinge für die Christen seit<br />
Saladins Offensive nicht zum Besten stehen.<br />
Innerer Zwist, Machtkämpfe und die<br />
Bedrohung durch den großen muslimischen<br />
Herrscher haben die christlichen Gebiete<br />
an den Rand des Untergangs gedrängt.<br />
Am 8. Juni des Jahres 1191 trifft König<br />
Richard I. mit seiner Flotte vor Akkon<br />
ein und schließt sich dort dem vorausgeeilten<br />
französischen König an. Die Belagerung<br />
der Stadt ist bereits in vollem Gange, und<br />
beide Könige stehen nun miteinander im<br />
Wettstreit um die Führungsposition im Belagerungsheer.<br />
Am 12. Juli kapituliert Akkon,<br />
und als die Banner der beiden christlichen<br />
Könige auf den Stadtmauern aufgepflanzt<br />
werden, reißen einige Gefolgsleute<br />
König Richards das ebenfalls auf den Mauern<br />
wehende Banner Herzog Leopolds V.<br />
von Österreich herunter. Damit hat sich Richard<br />
einen Feind geschaffen, der nun auf<br />
die Gelegenheit zur Rache wartet. Während<br />
König Philipp von Frankreich, angeblich aus<br />
gesundheitlichen Gründen, Palästina vorzeitig<br />
verlässt, setzt Richard, der froh ist, seinen<br />
Rivalen los zu sein, den Kreuzzug fort. Zunächst<br />
lässt er wegen der von Sultan Saladin<br />
nicht eingehaltenen Übergabebedingungen<br />
von Akkon etwa 3.000 muslimische<br />
Gefangene hinrichten. Von Akkon aus marschieren<br />
die Kreuzfahrer dann auf der uralten<br />
Küstenstraße, auf der schon die Heere<br />
der Pharaonen und Assyrer entlang gezogen<br />
waren, in Richtung Süden.<br />
Sieg über Saladin<br />
Auf diesem Weg wird das taktische und<br />
strategische Können des Herrschers besonders<br />
deutlich. Das Kreuzfahrerheer formiert<br />
sich zu einem gewaltigen Karree, wobei die<br />
gepanzerten Fußkrieger die Seiten bilden,<br />
AUFRÜHRERISCHE VERWANDTSCHAFT:<br />
Während Löwenherz im Heiligen Land<br />
kämpft, organisiert sein Bruder Johann<br />
Ohneland (links) eine Rebellion. Richard I.<br />
schlägt diese nach seiner Heimkehr nieder.<br />
Abb.: picture-alliance/akg-images<br />
Clausewitz 3/2013<br />
77
Feldherren<br />
chen aus der Formation aus, um sich auf die<br />
Feinde zu stürzen. Dabei reißen sie einen<br />
Teil der anderen Ritter mit, die ebenfalls<br />
nach vorne in den Kampf stürmen. Dies ist<br />
der kritische Moment der Schlacht, Richard<br />
handelt sofort und geht mit seinen eigenen<br />
Rittern nun selbst zum Angriff über, und<br />
„da hieb der König, der grimmige, [...] die<br />
Türken in jeder Richtung nieder […]“. Das<br />
Ergebnis ist ein vollständiger Sieg über den<br />
bis dahin für unbesiegbar gehaltenen Saladin.<br />
Kurz darauf ziehen die siegreichen<br />
Kreuzfahrer in die Stadt Jaffa ein.<br />
Richard plant das weiter südlich gelegene<br />
Askalon zu besetzen, um es als Basis eines<br />
nach Ägypten das Herz von Saladins<br />
Reich gerichteten, großen strategischen<br />
Feldzugs zu nutzen. Doch im Kriegsrat wird<br />
er überstimmt, und nach ergebnislosen Verhandlungen<br />
mit Saladin bricht Richard am<br />
31. Oktober in Richtung Jerusalem auf.<br />
Saladins ergreift die Initiative<br />
Der Feldzug wird nicht zuletzt aus Witterungsgründen<br />
abgebrochen, und Richard<br />
zieht sich nach Askalon zurück, das er zur<br />
stärksten Festung Palästinas ausbauen<br />
lässt. Die folgenden Monate sind angefüllt<br />
mit internen Streitigkeiten um die Macht in<br />
Palästina, gleichzeitig treffen aus England<br />
beunruhigende Nachrichten über eine Verschwörung<br />
seines Bruders Johann mit dem<br />
französischen König ein. Richard entscheidet<br />
sich trotz aller Sorge um sein Reich für<br />
das Bleiben, doch sein Plan eines Feldzuges<br />
nach Ägypten wird von den anderen<br />
Kreuzfahrern erneut abgelehnt. Auch der<br />
Marsch nach Jerusalem kommt nicht zustande,<br />
stattdessen ergreift Saladin die Initiative<br />
und er kann Anfang August des Jahres<br />
1192 Jaffa, aber nicht dessen Zitadelle,<br />
erobern. Kurz darauf erscheint Richard von<br />
See her, und es gelingt ihm, die Stadt zurückzuerobern.<br />
Am 4. August kommt es vor den Mauern<br />
zu einer weiteren Schlacht zwischen Richard<br />
und Saladin. Der englische König<br />
TOD IN DER SCHLACHT: Bei der Belagerung von Châlus 1199 wird Löwenherz von einem<br />
Pfeil getroffen und stirbt kurz darauf. Der Legende nach hat er dem feindlichen Todesschützen<br />
noch auf dem Sterbebett vergeben.<br />
Abb.: picture-allianc/akg<br />
während die Ritter und der Tross sich innerhalb<br />
der Vierecksformation befinden. In der<br />
sommerlichen Hitze setzen die ständig unter<br />
dem Beschuss von Saladins berittenen<br />
Bogenschützen stehenden Kreuzfahrer ihren<br />
Weg unbeirrt fort.<br />
Ungestümer Angriff<br />
Am 7. September stellt sich Saladin schließlich<br />
bei Arsuf zur Schlacht. Richard hatte<br />
zwar befohlen, den feindlichen Angriffen so<br />
lange standzuhalten, bis er das Zeichen zum<br />
Gegenangriff geben würde, doch zwei der<br />
mittlerweile bis zur Weißglut gereizten Ritter<br />
verlieren schließlich die Nerven und bre-<br />
FARBENPRÄCHTIG: Diese Lithographie<br />
nach Zeichnungen von Albert Kretschmer<br />
(1825–1891) zeigt normannische Kostüme<br />
aus der Zeit Richards I. Der König selbst ist<br />
in der unteren Reihe ganz links als Krieger<br />
und daneben als König abgebildet.<br />
Abb.: picture-alliance/akg<br />
78
Lösegeld für den inhaftierten König<br />
und lässt den als Kreuzfahrer unter dem<br />
Schutz der Kirche stehenden Richard in der<br />
Burg Dürnstein inhaftieren. 1193 übergibt<br />
er den Gefangenen schließlich Heinrich VI.,<br />
Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.<br />
Dieser bringt Richard in die in der Pfalz gelegene<br />
Burg Trifels und entlässt ihn erst<br />
nach der Zahlung eines ungeheuren Lösegelds<br />
von 150.000 Silbermark sowie der<br />
Ableistung des Lehnseides. Kaum der<br />
Gefangenschaft entkommen, muss Richard<br />
in England die Rebellion seines Bruders<br />
Johann Ohneland unterdrücken. Danach<br />
kehrt er nach Frankreich zurück, um seine<br />
dortigen Besitzungen gegen die Angriffe<br />
Philipps II. zu schützen. Nachdem er mit<br />
diesem einen Waffenstillstand abgeschlossen<br />
hat, macht sich Richard daran, die Revolte<br />
eines Vasallen niederzuschlagen. Bei<br />
der Belagerung der Burg Châlus-Chabrol<br />
wird er jedoch von einem Armbrustbolzen<br />
tödlich verwundet. Er stirbt am 6. April 1199.<br />
IN GEFANGENSCHAFT: Auf der Burg Dürnstein<br />
(heute eine Ruine) in Österreich wird Löwenherz,<br />
mit französischem Einverständnis, festgehalten.<br />
Foto: picture-alliance<br />
stellt seine Truppen in einer festen Schlachtordnung<br />
auf, wobei die Frontlinie von lanzenbewehrten<br />
Schildträgern gebildet wird.<br />
Dahinter befinden sich Paare von Armbrustschützen,<br />
von denen einer die Waffe<br />
lädt, während der zweite schießt. Die Aufstellung<br />
derartiger Formationen ist keine<br />
Erfindung Richards, sie findet sich in ähnlicher<br />
Form bereits in der älteren byzantinischen<br />
Militärliteratur. Die Normannen, von<br />
denen Richard ja abstammt, bewegten sich<br />
bereits vor den Kreuzzügen als Söldner im<br />
östlichen Mittelmeerraum, und daher ist<br />
anzunehmen, dass auch Richard Kenntnis<br />
von derartigen Kampftaktiken hat. Der Hagel<br />
der durchschlagskräftigen Armbrustbolzen<br />
bleibt nicht ohne Wirkung, und die<br />
Formationen halten jedem Angriff stand.<br />
Erneut geht Richard mit seinen Rittern zum<br />
Gegenangriff über und „[...] war ein Gigant<br />
in der Schlacht [...]. An jenem Tag leuchtete<br />
sein Schwert wie der Blitz [...]“. Richards<br />
erneuter Sieg über Saladin bleibt jedoch ohne<br />
Folgen, beide Seiten sind erschöpft, zudem<br />
ist der König erkrankt, und am 9. Oktober<br />
1192 verlässt er schließlich Palästina.<br />
Die Rache des Herzogs<br />
Wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit ist<br />
eine Rückfahrt nach England über Gibraltar<br />
zur See nicht mehr möglich. Richard wählt<br />
daher mit einigen Begleitern den Seeweg<br />
nach Istrien, um von dort aus den Weg über<br />
Land in Richtung Böhmen einzuschlagen.<br />
Doch nahe Wien wird seine Tarnung durchschaut,<br />
und Herzog Leopold V. von Österreich<br />
sieht nun eine hervorragende Gelegenheit,<br />
sich für die Demütigung von Akkon<br />
zu rächen. Er zögert keine Sekunde<br />
„Wer fähig ist, mich, den König, zu töten, ist es wert,<br />
zum Ritter geschlagen zu werden.“<br />
Der Legende nach die letzten Worte von König Löwenherz. In Wirklichkeit<br />
dürfte dem Todesschützen ein anderes Los zuteil geworden sein…<br />
KÖNIGLICHE RUHESTÄTTE: Das Grabmal Richards<br />
I. liegt in der Abteikirche Notre-Damede-Fontevrauld.<br />
Auch sein Vater Heinrich II.<br />
ist hier beigesetzt zu Lebzeiten waren beide<br />
Gegner. Foto: picture-alliance/akg-images/Erich Lessing<br />
Abenteurer und König<br />
Zusammenfassend kann man über Richard<br />
Löwenherz sagen, dass er weniger ein zielstrebiger<br />
König als vielmehr ein abenteuerlustiger<br />
Ritter ist, der sozusagen „nebenbei“<br />
auch ein Herrscheramt ausübt. Persönlich<br />
außerordentlich mutig und immer im<br />
dichtesten Kampfgetümmel zu finden,<br />
führt er seine Truppen immer „von der<br />
Front“ aus: In Messina erstürmt Richard an<br />
der Spitze seiner Männer die Tore, in Jaffa<br />
springt er vom Schiff und bildet mit seinen<br />
Truppen einen wichtigen Brückenkopf,<br />
während er sich in den Schlachten von Arsuf<br />
und Jaffa ebenfalls inmitten des Kampfes<br />
befindet. Interessant ist dabei auch, was<br />
die „feindlichen“ islamischen Quellen über<br />
die Persönlichkeit Richards berichten. Sie<br />
rühmen seine „Weisheit, Erfahrung, Tapferkeit<br />
und Energie“, fürchten aber auch „die<br />
Schläue dieses verfluchten Mannes. Um<br />
seine Ziel zu erreichen, benutzt er manchmal<br />
sanfte Worte, manchmal gewaltsame<br />
Taten. Gott allein war fähig, uns vor seiner<br />
Bosheit zu retten. Niemals mussten wir einem<br />
scharfsinnigeren oder kühneren Gegner<br />
die Stirn bieten.“ Soweit der Chronist<br />
Baha ad-Din, einer der fähigsten Kommandeure<br />
Sultan Saladins, der hier ein wohl<br />
treffendes Bild König Richards I. zeichnet.<br />
Otto Schertler, Jg. 1962, studierte Vorderasiatische<br />
Archäologie, Ethnologie sowie Vor- und Frühgeschichte<br />
an der Universität München. Er lebt und arbeitet als<br />
Autor und Übersetzer in München.<br />
Clausewitz 3/2013<br />
79
Museum<br />
ANSCHAULICH: Blick in einen der<br />
ehemaligen Ställe, in denen bis zu<br />
72 Pferde unterkamen. Foto: Autor<br />
Das Garnisonsmuseum Wünsdorf<br />
An historischer Stätte<br />
Zossen-Wünsdorf zählt zu Deutschlands bedeutendsten ehemaligen Militärstandorten. Von<br />
dort aus wurde zeitweilig sogar die Weltgeschichte beeinflusst. Das Garnisonsmuseum<br />
Wünsdorf hält die Erinnerung an seine wechselvolle Geschichte wach. Von Thomas Gliesche<br />
Rund 40 Kilometer südlich von Berlin<br />
befindet sich die Ortschaft Wünsdorf.<br />
Ein Jahr vor Abzug des in Wünsdorf<br />
stationierten Oberkommandos der Gruppe<br />
der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland<br />
im Jahr 1994 trafen sich hier militärhistorisch<br />
Interessierte und gründeten den „Militärhistorischen<br />
Verein Zossen-Wünsdorf“,<br />
seit 1997 „Förderverein Garnisonsmuseum<br />
Wünsdorf e.V.“. Die Vereinsmitglieder erforschen<br />
seitdem die Militärgeschichte von Zossen<br />
und Wünsdorf.<br />
Wie kam es zur Errichtung der Garnison<br />
in Zossen-Wünsdorf? Um 1900 war das Tempelhofer<br />
Feld als Übungsgelände für das<br />
Berliner Gardekorps zu klein geworden. Aus<br />
diesem Grund entschied das preußische<br />
Kriegsministerium im Jahre 1906, an der von<br />
Zossen in Richtung Baruth führenden<br />
Chaussee einen Truppenübungsplatz mit<br />
Truppenlager einzurichten.<br />
Ein weiterer wesentlicher Grund für die<br />
Standortwahl war die seit 1875 bestehende<br />
Bahnstrecke der Königlich Preußischen Militär-Eisenbahn,<br />
die von Berlin über Zossen<br />
zum Artillerie-Schießplatz Kummersdorf<br />
verlief.<br />
Das 2001 eröffnete Garnisonsmuseum<br />
Wünsdorf befindet sich in einem sanierten,<br />
um 1911 erbauten Pferdestall. Hier werden<br />
die in langjähriger Forschungsarbeit gewonnenen<br />
Erkenntnisse in Wort und Bild präsentiert.<br />
Zahlreiche, zum Teil sehr unterschiedliche<br />
Exponate sind auf rund 400 Quadratmetern<br />
Ausstellungsfläche zu sehen. Die<br />
Dauerausstellung ist vornehmlich der Zeit<br />
EINLADEND: Blick auf den Eingangsbereich<br />
des Garnisonsmuseums Wünsdorf, das in einem<br />
sanierten Pferdestall untergebracht ist.<br />
Foto: Autor<br />
der Nutzung des Militärstandortes in den<br />
Jahren 1910 bis 1945 gewidmet.<br />
Im ersten Ausstellungsbereich wird die<br />
Entstehungsgeschichte des Truppenübungsplatzes<br />
und Truppenlagers („Stammlager<br />
Zossen“) gezeigt. Die Geschichte des heute<br />
nicht mehr existierenden Ortes Zehrensdorf<br />
wurde in diesem Zusammenhang aufgearbeitet.<br />
So erhält der Besucher vielfältige In-<br />
KONTAKT<br />
Förderverein Garnisonsmuseum Wünsdorf e.V.<br />
Gutenbergstraße 9, 15806 Zossen OT Wünsdorf<br />
Telefon: 033702 65451<br />
E-Mail:<br />
vorstand@garnisonsmuseum-wuensdorf.de<br />
Internet: www.garnisonsmuseum-wuensdorf.de<br />
Öffnungszeiten:<br />
April bis Oktober: tägl. 10.00 – 17.00 Uhr<br />
November bis März: Montag Ruhetag, ansonsten<br />
nur nach telefonischer Voranmeldung unter Tel.:<br />
033702 9600 (Bücherstadt Tourismus GmbH)<br />
80
ÜBERREST: Ruine eines Bunkerhauses der<br />
Bunkersiedlung „Maybach I“ im heutigen Zustand.<br />
Foto: Vereinsarchiv FV Garnisonsmuseum Wünsdorf<br />
TEILANSICHT: Blick auf das „Stammlager Zossen“.<br />
Foto: Vereinsarchiv FV Garnisonsmuseum Wünsdorf<br />
formationen über das einstige „Soldatendorf“<br />
sowie über die Schicksale von Bewohnern,<br />
die ihr Dorf verlassen mussten.<br />
Ein weiterer Bereich informiert über die<br />
Infanterieschießschule in Wünsdorf, die<br />
nach nur zweijähriger Bauzeit am 1. Oktober<br />
1913 zur Nutzung übergeben wurde. Hier<br />
wurden Offiziere und Unteroffiziere mit der<br />
Schießlehre vertraut gemacht, aber auch<br />
sämtliche Hand- und Maschinenfeuerwaffen<br />
erprobt.<br />
Ein weiteres Thema ist das im August<br />
1914 infolge des Ersten Weltkriegs errichtete<br />
Kriegslager in Wünsdorf. In diesem Barackenlager<br />
sorgten Ersatztruppenteile für den<br />
Personalersatz zum Ausgleich der hohen<br />
Menschenverluste der Stammregimenter an<br />
den Fronten.<br />
Im September 1914 entstand in Zossen ein<br />
Kriegsgefangenenlager, das sogenannte<br />
„Weinberglager“. Im Dezember 1914<br />
VIELFÄLTIGE EXPONATE:<br />
Auch Uniformen der<br />
Wehrmacht werden<br />
den Besuchern<br />
präsentiert.<br />
Foto: Autor<br />
folgte in Wünsdorf das „Halbmondlager“. In<br />
diesen Lagern waren ausschließlich muslimische<br />
Kriegsgefangene untergebracht, die<br />
aus den britischen und französischen Kolonien<br />
und aus Staaten des britischen Herrschaftsgebietes<br />
stammten.<br />
Da die Militärturnanstalt in Berlin veraltet<br />
war, wurde ein Neubau geplant und als<br />
Standort Wünsdorf bestimmt. So entstand<br />
die im Oktober 1916 fertig gestellte Militärturnanstalt<br />
Wünsdorf, die später in „Heeressportschule“<br />
umbenannt wurde. Über die<br />
damalige Sportausbildung, aber auch über<br />
die Vorbereitung von Militärsportlern auf<br />
die Olympischen Spiele 1936 informiert das<br />
Museum und zeigt vielfältige Exponate.<br />
1937 begannen in Zossen umfangreiche<br />
Baumaßnahmen zur Errichtung eines geheimen<br />
Nachrichtenbunkers mit Tarnnamen<br />
„Zeppelin“ sowie von zwölf Bunkerhäusern<br />
für das Hauptquartier des Oberkommandos<br />
des Heeres (OKH), die sogenannte Bunkersiedlung<br />
„Maybach I“. Die Arbeiten an einer<br />
zweiten, aus elf Bunkern bestehenden<br />
Siedlung „Maybach II“ begannen 1940.<br />
Im Ausstellungsbereich zur Geschichte<br />
der Garnison von den 1920er-Jahren<br />
bis 1945 wird die Entstehung weiterer<br />
Kasernenanlagen an diesem<br />
BLICK IN DIE VERGANGENHEIT: Aufnahme<br />
der Bunkersiedlung „Maybach I“, 1939/40.<br />
Foto: Vereinsarchiv FV Garnisonsmuseum Wünsdorf<br />
Standort dokumentiert. Ebenso spielt die<br />
Entwicklung der deutschen Panzertechnik<br />
eine große Rolle. Schon 1928 wurden erste<br />
Prototypen in Kasan (Russland) getestet.<br />
Mit der Stationierung der Panzertruppenschule<br />
und ihrer Lehrtruppen entstand ab<br />
1935 in Wünsdorf das organisatorisch-geistige<br />
Zentrum der Panzerwaffe des deutschen<br />
Heeres. Die Aufstellung der Panzer-Regimenter<br />
5, 6 und 8 erfolgte ebenfalls in Zossen<br />
und Wünsdorf. Viele Exponate und Erlebnisberichte<br />
konnte der Verein für das Museum<br />
von Zeitzeugen und ehemaligen Angehörigen<br />
des Panzer-Regiments 5 sammeln.<br />
Diese Einblicke in einige ausgewählte<br />
Ausstellungsbereiche können nur einen<br />
Ausschnitt dessen widerspiegeln, was den<br />
Besucher im Garnisonsmuseum Wünsdorf<br />
erwartet.<br />
ÜBERBLEIBSEL: Glasvitrine mit Relikten<br />
des Zweiten Weltkriegs.<br />
Foto: Autor<br />
ABWECHSLUNGSREICH: Blick in die verschiedenen<br />
Ausstellungsbereiche des Garnisonsmuseums.<br />
Foto: Autor<br />
Clausewitz 3/2013<br />
81
<strong>Vorschau</strong><br />
Nr. 13 | 3/2013 | Mai-Juni | 3.Jahrgang<br />
Internet: www.clausewitz-magazin.de<br />
„Völkerschlacht“ bei Leipzig 1813<br />
Der Triumph der „Koalition“ über Napoleon<br />
Oktober 1813: Vor 200 Jahren findet bei Leipzig eine der<br />
wichtigsten Entscheidungsschlachten der „Befreiungskriege“<br />
gegen Napoleons Fremdherrschaft statt. Sie geht schließlich<br />
als „Jahrhundertschlacht“ in die Geschichte ein.<br />
Redaktionsanschrift<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
Infanteriestr. 11a, 80797 München<br />
Tel. +49 (0) 89.130699.720<br />
Fax +49 (0) 89.130699.700<br />
redaktion@clausewitz-magazin.de<br />
Redaktion Dr. Tammo Luther (Verantw. Redakteur),<br />
Maximilian Bunk, M.A. (Redakteur),<br />
Markus Wunderlich (Redaktionsleiter)<br />
Berater der Redaktion Dr. Peter Wille<br />
Ständiger Mitarbeiter Dr. Joachim Schröder<br />
Layout Ralph Hellberg<br />
Leserservice<br />
Tel. 0180 – 532 16 17 (14 Cent/Min.)<br />
Fax 0180 – 532 16 20 (14 Cent/Min.)<br />
leserservice@geramond.de<br />
Gesamtanzeigenleitung<br />
Helmut Kramer<br />
Tel. +49 (0) 89.13 06 99.270<br />
helmut.kramer@verlagshaus.de<br />
Anzeigenleitung<br />
Helmut Gassner<br />
Tel. +49 (0) 89.13 06 99.520<br />
helmut.gassner@verlagshaus.de<br />
Anzeigenverkauf und Disposition<br />
Johanna Eppert<br />
Tel. +49 (0) 89.13 06 99.130<br />
johanna.eppert@verlagshaus.de<br />
Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 20 vom 1.1.2013.<br />
Litho ludwigmedia, Zell am See, Österreich<br />
Druck Quad/Graphics, Wyszków, Polen<br />
Verlag GeraMond Verlag GmbH,<br />
Infanteriestraße 11a,<br />
80797 München<br />
www.geramond.de<br />
Kampf um Charkow 1943<br />
Hitlers letzter Sieg im Osten<br />
Frühjahr 1943: Der Südflügel der<br />
deutschen Ostfront befindet sich<br />
auf dem Rückzug. Um die Front<br />
wieder zu stabilisieren, entscheidet<br />
sich Hitler für eine Gegenoffensive<br />
in Richtung Charkow...<br />
Geschäftsführung Clemens Hahn, Carsten Leininger<br />
Herstellungsleitung Zeitschriften Sandra Kho<br />
Vertriebsleitung Zeitschriften Dr. Regine Hahn<br />
Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel,<br />
Zeitschriftenhandel: MZV Moderner Zeitschriften<br />
Vertrieb GmbH & Co. KG, Unterschleißheim<br />
Im selben Verlag erscheinen außerdem:<br />
Fotos: picture-alliance/akg-images; ullstein bild; picture-alliance/dpa<br />
Messerschmitt Me 262<br />
Revolutionäre Entwicklung<br />
Ende 1944: Die Me 262 gilt<br />
als „Wunderwaffe“ der Luftwaffe.<br />
Das modernste Kampfflugzeug<br />
des Zweiten Weltkrieges<br />
beeinflusste die<br />
Flugzeugentwicklung nach<br />
Kriegsende weit über 1945<br />
hinaus...<br />
Außerdem im nächsten Heft:<br />
Kampf um Wien 1683. Sieg des „Abendlandes“. Joseph Wenzel Graf Radetzky von<br />
Radetz (1766–1858). Österreichs berühmter Feldherr.<br />
Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik.<br />
Lieber Leser,<br />
Sie haben Freunde, die sich ebenso für Militärgeschichte<br />
begeistern wie Sie? Dann empfehlen Sie uns<br />
doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser.<br />
Ihr verantwortlicher Redakteur<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
Dr. Tammo Luther<br />
Die nächste Ausgabe<br />
von<br />
erscheint<br />
am 10. Juni 2013<br />
Preise Einzelheft € 5,50 (D),<br />
€ 6,30 (A), € 6,50 (LUX), sFr. 11,00 (CH)<br />
(bei Einzelversand jeweils zzgl. Versandkosten)<br />
Jahresabonnement (6 Hefte) € 29,70 € incl. MwSt.,<br />
im Ausland zzgl. Versandkosten<br />
Erscheinen und Bezug <strong>CLAUSEWITZ</strong> erscheint zweimonatlich.<br />
Sie erhalten <strong>CLAUSEWITZ</strong> in Deutschland,<br />
in Österreich, in der Schweiz und in Luxemburg im<br />
Bahnhofsbuchhandel, an gut sortierten Zeitschriftenkiosken<br />
sowie direkt beim Verlag.<br />
ISSN 2193-1445<br />
© 2013 by GeraMond Verlag. Die Zeitschrift und alle<br />
in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />
geschützt. Durch Annahme eines Manuskripts<br />
erwirbt der Verlag das ausschließliche<br />
Recht zur Veröffentlichung. Für unverlangt eingesandte<br />
Fotos und Manuskripte wird keine Haftung übernommen.<br />
Gerichtsstand ist München. Verantwortlich<br />
für den redaktionellen Inhalt: Dr. Tammo Luther; verantwortlich<br />
für die Anzeigen: Helmut Kramer, beide:<br />
Infanteriestraße 11a, 80797 München.<br />
Hinweis zu §§ 86 und 86a StGB: Historische Originalfotos<br />
aus der Zeit des „Dritten Reiches“ können<br />
Hakenkreuze oder andere verfassungsfeindliche<br />
Symbole abbilden. Soweit solche Fotos in <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
veröffentlicht werden, dienen sie zur Berichterstattung<br />
über Vorgänge des Zeitgeschehens und dokumentieren<br />
die militärhistorische und wissenschaftliche<br />
Forschung. Wer solche Abbildungen aus diesem Heft<br />
kopiert und sie propagandistisch im Sinne von<br />
§ 86 und § 86a StGB verwendet, macht sich strafbar!<br />
Redaktion und Verlag distanzieren sich ausdrücklich<br />
von jeglicher nationalsozialistischer Gesinnung.<br />
82
Chronik des Untergangs:<br />
Mythos und Wirklichkeit<br />
Nur € 9,90!<br />
Exklusiv unter:<br />
www.clausewitz-magazin.de
Now Available<br />
on Kindle!<br />
The Quarterly<br />
Journal of<br />
Military History<br />
For only $2.99 a month, let MHQ: The Quarterly Journal of Military History<br />
take you on an exciting journey to the world’s greatest battles and campaigns over the past 5,000 years, from ancient warfare<br />
through modern Iraq. Written by distinguished authors and historians who bring the world of history alive, the magazine covers<br />
in vivid detail the soldiers, leaders, tactics, and weapons throughout military history.<br />
Available on the Kindle family of devices and apps.<br />
WHG<br />
L IVE THE HISTORY<br />
W EIDER HISTORY GROUP<br />
historynet.com<br />
Amazon, Kindle, Kindle Fire, and the AmazonKindle logo are trademarks of Amazon.com Inc. or its affiliates.