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Be Active Aotearoa - das Land der langen weißen Wolke (Vorschau)

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2011 1<br />

<strong>Aotearoa</strong> – <strong>das</strong> <strong>Land</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>langen</strong> <strong>weißen</strong> <strong>Wolke</strong><br />

Was man AuSSergewöhnliches<br />

in Neuseeland unternehmen kann<br />

Speedklettern: Geht’s noch extremer?<br />

Eine <strong>Be</strong>schäftigung furchtloser und verrückter Menschen<br />

Sei wer du sein möchtest.<br />

Einfache Vorschläge zur Fortbewegung<br />

Schneemotorrä<strong>der</strong>.<br />

Was ist <strong>das</strong> für ein Ding und was kann man mit ihm machen<br />

Geh in die <strong>Be</strong>rge.<br />

Die Abenteuer eines Anfängers<br />

4 192254 703908<br />

Deutschland € 3,90<br />

NEUE<br />

NEUE<br />

NEUE<br />

NEUE


April 2011<br />

inhalt<br />

2011 1<br />

03 Wort des Redakteurs<br />

04 Sei wer du sein möchtest, o<strong>der</strong> die etwas an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Be</strong>schäftigungen <strong>der</strong> aktiven Lebensweise<br />

Einfache Vorschläge zur Fortbewegung auf dem Boden, auf dem<br />

Wasser und in <strong>der</strong> Luft<br />

06 BE BIKER<br />

Für BODENständige – die Kraft und Heiterkeit von Trikke<br />

14 BE SaILOR<br />

Für WASSERliebhaber - Bodyboarding<br />

24 BE EXPLORER<br />

Für diejenigen, die sich nach Herausfor<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong><br />

LUFT sehnen. Slacklining – was für ein Tier soll <strong>das</strong> sein?<br />

32 BE EXPLORER<br />

<strong>Aotearoa</strong>* – Das <strong>Land</strong> <strong>der</strong> <strong>langen</strong> weiSSen <strong>Wolke</strong><br />

Was man Außergewöhnliches in Neuseeland unternehmen kann<br />

56 BE CLIMBER<br />

Speedklettern: Geht’s noch extremer?<br />

Eine <strong>Be</strong>schäftigung furchtloser und verrückter Menschen<br />

68 BE PERSON<br />

Dan Osman – die Verkörperung <strong>der</strong> Idee<br />

des Speedkletterns<br />

74 BE DRIVER<br />

Schneemotorrä<strong>der</strong>. Sie stellen selbst<br />

James Bond zufrieden.<br />

Was ist <strong>das</strong> für ein Ding und was kann man mit ihm machen<br />

94 BE TREKER<br />

Geh in die <strong>Be</strong>rge<br />

Abenteuer eines Anfängers<br />

31 IMPRESSUM<br />

2011 1<br />

<strong>Be</strong>wertungsskala<br />

Erklärungen <strong>der</strong> <strong>Be</strong>wertungsskala<br />

Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />

Ziel zu erreichen.<br />

5000 Euro<br />

Zeit, die zum Erreichen des Ziels notwendig ist. 1 Tag Wochenendreise 7–10 Tage 10–21 Tage länger als 21 Tage<br />

Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />

Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />

Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />

die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />

10000 km<br />

250 kg<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

ohne<br />

Vorbereitung<br />

gute allgemeine<br />

Körperform<br />

aktiver, sportreiben<strong>der</strong><br />

Mensch<br />

perfekte<br />

Körperform<br />

<strong>Be</strong>rufs-sportler<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser. unbeeindruckend beachtens-wert empfehlenswert Teilnahme, wann nur<br />

möglich<br />

Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

nichts neues für den<br />

aktiven Menschen<br />

unbedeutende<br />

Neuigkeiten<br />

beachtenswert<br />

empfehlenswert<br />

Für die wie<strong>der</strong>holte<br />

Teilnahme sind neue<br />

Kräfte notwendig<br />

Teilnahme, wann<br />

nur möglich


© Thinkstock (9)<br />

Das Wort<br />

<strong>der</strong> Redaktion<br />

Je<strong>der</strong> wählt, wie er leben möchte.<br />

Manch einem genügt es vielleicht,<br />

es sich nach <strong>der</strong> Arbeit im Sessel vor<br />

dem Fernseher bequem zu machen,<br />

sich am Wochenende mit Freunden<br />

die Bäuche vollzuschlagen, Bier zu<br />

trinken und über die weiblichen Vorzüge<br />

<strong>der</strong> Nachbarin zu sprechen. An<strong>der</strong>en<br />

genügt es, einmal in <strong>der</strong> Woche<br />

im Sportclub eine Partie Fußball<br />

zu spielen.<br />

Und wie sieht es bei Ihnen aus?<br />

Braucht Ihre Seele vielleicht Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />

Schwierigkeiten, Strapazen<br />

und Angst, die Sie bewältigen<br />

könnten, um ans Ziel zu ge<strong>langen</strong>. Die<br />

schmerzenden Muskeln, <strong>das</strong> Zittern in<br />

<strong>der</strong> Herzgegend, wenn die Haare zu<br />

<strong>Be</strong>rge stehen und im Blut Adrenalin<br />

gebildet wird. Die wie ein Granitblock<br />

zu Boden ziehende Erschöpfung und<br />

die Worte, die aus Ihrem Innern herausbrechen<br />

– „Ei <strong>der</strong> Daus, ich habe<br />

es geschafft! Ich bin ein Sieger!“<br />

Am wichtigsten ist, <strong>das</strong>s Sie <strong>der</strong> Asche<br />

<strong>der</strong> Alltagslangweiligkeit entsteigen<br />

und selbst etwas Neues versuchen<br />

möchten und können. Und dabei<br />

ist es nicht so wichtig, was Sie unternehmen<br />

– ob Sie sich zum ersten Mal<br />

im Leben auf ein Fahrrad setzen und<br />

zehn Kilometer fahren o<strong>der</strong> mit einem<br />

Gleitschirm vom Mount Everest<br />

abspringen. Von einer <strong>Be</strong>schäftigung,<br />

die we<strong>der</strong> spezieller Vorbereitung,<br />

noch Ausgaben bedarf, bis hin zum<br />

Abenteuer Ihres Lebens, auf <strong>das</strong><br />

man sich mehrere Jahre vorbereiten<br />

muss.<br />

<strong>Be</strong> <strong>Active</strong> ist eine Zeitschrift für<br />

diejenigen, die auf <strong>der</strong> Suche und<br />

offen für Neuerungen sind. Neue<br />

aktive Tätigkeiten, die eine bereits<br />

ausgeübte Tätigkeit ergänzen. Sie<br />

haben bereits eine Zeitlang beobachtet<br />

und möchten selbst zu einem<br />

aktiven Teilnehmer werden.<br />

Je<strong>der</strong> wählt seine Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

selbst. Unsere Mission ist es<br />

zu helfen. Wir helfen Ihnen, sich zu<br />

trauen, sich vorzubereiten und Ihren<br />

Plan in die Tat umzusetzen.<br />

Jedes Mal, wenn Sie <strong>Be</strong> <strong>Active</strong> aufschlagen,<br />

finden Sie die wichtigsten<br />

Informationen, was zu tun ist,<br />

um Ihr <strong>Be</strong>gehren in die Tat umzusetzen.<br />

Wir sagen, <strong>das</strong>s man kein<br />

Schumacher sein muss, um in <strong>der</strong><br />

Formel 1 fahren zu können. Je<strong>der</strong><br />

kann seine Lebensqualität verbessern,<br />

und wir bieten Ihnen die Informationen,<br />

wie man dies am besten<br />

erreichen kann.<br />

Am wichtigsten ist es, sich zu trauen.<br />

Nehmen Sie deshalb die Zeitschrift<br />

<strong>Be</strong> <strong>Active</strong> in die Hand und schließen<br />

Sie sich uns an.<br />

3


Sei wer du sein<br />

möchtest, o<strong>der</strong> die<br />

etwas an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Be</strong>schäftigungen <strong>der</strong><br />

aktiven Lebensweise<br />

Text Viktorija Butautis


© Thinkstock (5)<br />

© Dreamstime (1)<br />

Ich bin ein<br />

eingeschworener<br />

<strong>Be</strong>rgskifahrer.<br />

Meine Lieblingsbeschäftigung hat<br />

nur lei<strong>der</strong> einen wesentlichen Mangel<br />

– man kann ihr nicht <strong>das</strong> ganze Jahr<br />

über nachgehen, weil <strong>der</strong> Schnee die<br />

schlechte Angewohnheit hat, selbst in<br />

hohen <strong>Be</strong>rgen zu schmelzen, und für<br />

eine Weltreise dem Winter hinterher<br />

habe ich we<strong>der</strong> Zeit noch Geld. Also<br />

musste ich mir eine an<strong>der</strong>e angenehme<br />

<strong>Be</strong>schäftigung zur warmen Jahreszeit<br />

suchen.<br />

Ich habe alle Stadien durchlaufen –<br />

Erstaunen, Abstreiten, Suggestion<br />

und Enttäuschung. Ich habe immer<br />

gehofft, <strong>das</strong>s ich beim Joggen am<br />

Strand o<strong>der</strong> im Park, o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>swo<br />

<strong>das</strong> versprochene Vergnügen entdecken<br />

werde. Schließlich ist es Sport,<br />

aktive Lebensweise, mit Kopfhörern<br />

und iPod. Ringsum gibt es viele solcher<br />

vorbeilaufenden Enthusiasten,<br />

und sie scheinen alle zufrieden zu<br />

sein. Warum ist es dann für mich so<br />

langweilig, heiß, schwer und ...?!<br />

Kennen Sie <strong>das</strong> Gefühl, wenn Sie eine<br />

aktive <strong>Be</strong>schäftigung beim Schopf packen<br />

möchten, <strong>der</strong> Versuch jedoch in<br />

einer Enttäuschung endet? Ich fühle<br />

mit Ihnen mit und verstehe Ihre Gefühle,<br />

außerdem kann ich Sie beruhigen<br />

und Ihnen versichern, <strong>das</strong>s eine<br />

aktive Lebensweise nicht unbedingt<br />

bedeutet, <strong>das</strong>s einem <strong>der</strong> Schweiß<br />

auf <strong>der</strong> Stirn steht. Es gibt wirklich <strong>Be</strong>schäftigungen,<br />

die für Genugtuung<br />

sorgen und die Muskeln trainieren.<br />

Ich kann voraussehen, wie Sie auf<br />

solche Versprechungen reagieren –<br />

Sie haben <strong>das</strong> viele Male gehört und<br />

reagieren skeptisch. Sie werden sich<br />

trotzdem auf mich verlassen müssen,<br />

da ich einer von Ihnen bin. Ich war<br />

dort! Dieses Mal möchte ich also meine<br />

erfolgreiche Erfahrung mit Ihnen<br />

teilen, wie ich letzten Endes für mich<br />

annehmbare aktive <strong>Be</strong>schäftigungen<br />

ausfindig gemacht habe, die mich<br />

täglich erheitern und „in Fahrt bringen“<br />

– in je<strong>der</strong> Hinsicht.<br />

Wenn auch Sie hin und her gerissen<br />

sind und keine lohnende Sportart<br />

finden, obwohl es Ihren Körper geradezu<br />

nach körperlicher Anstrengung<br />

dürstet, dann lesen Sie weiter.<br />

Erfahren Sie, wie man seine Freizeit<br />

aktiv und heiter auf dem Boden, zu<br />

Wasser o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Luft verbringen<br />

kann. Die Naturgewalt wählen Sie<br />

selbst. Es geht um erschwingliche,<br />

etwas ungewöhnliche <strong>Be</strong>schäftigungen,<br />

die Sie anstecken werden.<br />

<strong>Be</strong> active!<br />

5


iker<br />

Für diejenigen,<br />

die fest<br />

auf dem<br />

BODEN<br />

stehen –<br />

Kraft und<br />

Heiterkeit<br />

des Trikke<br />

© Dreamstime<br />

6


Ich habe mir lange den Kopf zerbrochen, wie man aktiv<br />

und ohne Langeweile einige Stunden verbringen kann,<br />

damit sich die steifen Muskeln erholen, und ich habe <strong>das</strong><br />

Trikke entdeckt.<br />

Nein, <strong>das</strong> ist kein Fahrrad, obwohl ich<br />

nichts gegen eine amüsante Fahrt<br />

mit diesem beliebten Fahrzeug auf<br />

zwei Rä<strong>der</strong>n habe. Es ist etwas Ähnliches<br />

wie ein großer Roller mit drei<br />

Rä<strong>der</strong>n, Bremsen und zwei Fußrasten.<br />

An einen Roller erinnert <strong>das</strong> Trikke<br />

nur durch seine Form. Nach den <strong>Be</strong>wegungen<br />

kommt einem eher <strong>das</strong><br />

Skifahren in den Sinn: Man lehnt sich<br />

zur Seite und dreht sich, man beugt<br />

und dreht sich, wobei man sein Gewicht<br />

von einem <strong>Be</strong>in auf <strong>das</strong> an<strong>der</strong>e<br />

verlagert. Es ist ein durch Menschenkraft<br />

betriebenes Fahrzeug und dabei<br />

arbeitet <strong>der</strong> ganze Körper, obwohl ich<br />

am nächsten Morgen nach <strong>der</strong> ersten<br />

Fahrt am meisten die <strong>Be</strong>in- und Gesäßmuskeln<br />

gespürt habe, und dieser<br />

Effekt regte mich noch mehr zum<br />

Trainieren an.<br />

Die einfache Konstruktion des Trikke<br />

besteht aus einer stabilen dreieckigen<br />

Plattform, die sich in <strong>der</strong> Kurve mit<br />

dem Fahrer neigt. Die <strong>Be</strong>ine balancieren<br />

und dämpfen aktiv, und die Hände<br />

treiben <strong>das</strong> Trikke intensiv nach<br />

vorn, steuern und halten die Stabilität.<br />

Nachdem ich mir den Werbeclip<br />

mit klarer Anleitung angesehen hatte<br />

(www.trikke.com), erschien auch mir<br />

alles supereinfach, also habe ich meinen<br />

eigenen T78 Convertible zusammengebaut<br />

(die Anleitung können<br />

Sie ebenfalls auf <strong>der</strong> offiziellen Internetseite<br />

finden) und bin hinausgeeilt,<br />

um loszurasen und die Menschen zu<br />

belustigen.<br />

Wenn man graziöse <strong>Be</strong>wegungen<br />

und flexible Kurven erreichen möchte,<br />

dann muss man in Wirklichkeit viel<br />

trainieren. Für einen Anfänger ist es<br />

am besten, einen Ort zu wählen, an<br />

dem sich weniger Menschen aufhalten,<br />

wo keine Autos fahren und <strong>der</strong><br />

Asphalt eben ist. Der Wind wird übrigens<br />

keine Hilfe sein und den ganzen<br />

Spaß ver<strong>der</strong>ben, deshalb bemühen<br />

Sie sich am Anfang an ruhigeren<br />

Tagen zu üben. Es ist wichtig, nicht<br />

zu vergessen, <strong>das</strong>s sich <strong>der</strong> leicht zu<br />

drehende Lenker harmonisch mit<br />

ihnen mitbewegen muss, man sollte<br />

es nicht zu intensiv zur Seite drehen,<br />

und in Kurven genügt es, leicht in die<br />

entsprechende Richtung zu drehen.<br />

Machen Sie auf keinen Fall plötzliche<br />

<strong>Be</strong>wegungen, denn wenn Sie zu sehr<br />

nach rechts o<strong>der</strong> links drehen, wird<br />

sich <strong>das</strong> Vor<strong>der</strong>rad in einem Winkel<br />

von 90° querstellen, wodurch alles<br />

zum Stillstand gebracht wird. Sie können<br />

nach vorn über den Lenker des<br />

Trikke stürzen o<strong>der</strong> einfach schmerzhaft<br />

auf die Seite fallen. Knie- und<br />

Ellenbogenschützer sowie ein Helm<br />

sind Pflicht. Ich habe Schützer zum<br />

Rollschuhfahren und einen Fahrradhelm<br />

benutzt.<br />

Wie erwähnt bin ich ein guter Skifahrer,<br />

aber die Feinheiten <strong>der</strong> <strong>Be</strong>wegung<br />

zum Steuern des Trikke<br />

habe ich mir nur langsam angeeignet.<br />

<strong>Be</strong>son<strong>der</strong>s angestrengt hat<br />

mich <strong>das</strong> <strong>Be</strong>wegen von <strong>der</strong> Stelle.<br />

Ich musste mich stets mit den <strong>Be</strong>inen<br />

abstoßen, obwohl man <strong>das</strong><br />

Trikke durch die richtige <strong>Be</strong>wegung<br />

leicht vom Fleck bekommen<br />

kann. Und für <strong>das</strong> Fahren <strong>der</strong> Kurven<br />

benötigte ich anfangs die gesamte<br />

Fläche des Platzes, obwohl<br />

für jede <strong>Be</strong>wegung mit dem Trikke<br />

nach offiziellen Angaben 1,5 Meter<br />

ausreichen sollten. Als ich bereits<br />

in Fahrt gekommen war und mich<br />

wie beim Slalom drehen und meinen<br />

Schwerpunkt von links nach<br />

rechts und umgekehrt verlagern<br />

musste, wobei <strong>das</strong> Trikke in die<br />

entsprechende Richtung zu lenken<br />

war, kam ich mit dem Fahren<br />

© Trikke (4)<br />

7


iker<br />

selbst ganz gut zurecht. Und als ich<br />

mich daran gewöhnt hatte, konnte<br />

ich mit Wind im Haar laut rufen „Oh<br />

yeahhhhh“.<br />

Nach Angaben <strong>der</strong> Hersteller kann<br />

man auf ebener Strecke eine Geschwindigkeit<br />

von ganzen 30 km/h<br />

erreichen, obwohl man sich im<br />

Durchschnitt mit 20 km/h begnügen<br />

muss und somit an einem Tag ca. 80<br />

Kilometer zurücklegen kann. Wenn<br />

man <strong>das</strong> Wesen <strong>der</strong> <strong>Be</strong>wegungen<br />

des Trikke verstanden hat, verspürt<br />

man ein herrliches Vergnügen, und<br />

die Tatsache, <strong>das</strong>s die Menschen <strong>der</strong><br />

Umgebung dich mit <strong>Be</strong>wun<strong>der</strong>ung<br />

anstarren, zwingt zu noch mehr Anstrengung,<br />

verleiht zusätzliche Energie<br />

und Kraft, und die <strong>Be</strong>wegungen<br />

werden beson<strong>der</strong>s leicht und graziös.<br />

Mein Gesicht, so rot wie Rote <strong>Be</strong>te, verriet<br />

allerdings die wahren Anstrengungen,<br />

die ich zu Anfang ins Fahren<br />

mit dem Trikke investieren musste. Ich<br />

möchte aber, <strong>das</strong>s Sie verstehen, <strong>das</strong>s<br />

ein solches Muskeltraining unheimlich<br />

viel Vergnügen mit sich bringt.<br />

Man selbst wird gesün<strong>der</strong> und beginnt<br />

sich neu zu bewerten und sich<br />

des Lebens zu freuen.<br />

Bis zur Entdeckung des Trikke verliefen<br />

alle meine <strong>Be</strong>mühungen, die<br />

Freizeit aktiv zu verbringen, erfolglos,<br />

denn was ich auch ausprobierte,<br />

wurde ich dessen schnell überdrüssig<br />

o<strong>der</strong> es verlangte mir zu viel Zeit o<strong>der</strong><br />

Willenskraft ab. Verstehen Sie mich<br />

richtig: Es braucht viel Willenskraft<br />

und Anstrengungen, um einer Fahrt<br />

mit dem Trikke Vergnügen und Nutzen<br />

abzugewinnen, aber <strong>der</strong> Prozess<br />

zum Erfolg selbst ist supertoll, deshalb<br />

bin ich auch dabei geblieben.<br />

Schritt für Schritt werden Sie den gesamten<br />

Körper einsetzen, so<strong>das</strong>s die<br />

Fahrt zu einer einzigen <strong>Be</strong>wegung<br />

wird und jede Kurve harmonisch mit<br />

<strong>der</strong> Körperbewegung verschmilzt.<br />

Je<strong>der</strong> Muskel wird zur Geschwindigkeitsgewinnung<br />

beitragen, dann<br />

können Sie auch <strong>Be</strong>rge und Hänge<br />

in Angriff nehmen. Anfängern wird<br />

empfohlen, viele Stunden auf ebener<br />

Strecke zuzubringen, weil man ein<br />

Gefühl für <strong>das</strong> Trikke bekommen, es<br />

und die Grenzen seiner Möglichkeiten<br />

verstehen, seine Bremsgewohnheiten<br />

erkunden und wissen muss,<br />

wie man frohen Mutes aber zugleich<br />

auch sicher auf einem Hang zum Stehen<br />

kommt.<br />

Um die Geschwindigkeit bei <strong>der</strong> Abfahrt<br />

vom <strong>Be</strong>rg zu kontrollieren,<br />

dürfen Sie nicht durchgehend die<br />

Bremsen betätigen – auf diese Weise<br />

werden sich ihre Bremsklötze augenblicklich<br />

abnutzen, son<strong>der</strong>n Sie<br />

müssen im Zickzack bergab fahren,<br />

so wie mit Skiern von einem steilen<br />

<strong>Be</strong>rg. Die Fahrt bergauf wird viel Kraft<br />

erfor<strong>der</strong>n und, glauben Sie mir, es ist<br />

eine hervorragende Entladung des<br />

Organismus und eine <strong>Be</strong>lastung für<br />

die Muskeln. Ich verspreche Ihnen,<br />

<strong>das</strong>s Ihr ganzer Körper arbeiten wird:<br />

Arme, <strong>Be</strong>ine, Hüfte, Gesäß – alles. Und<br />

<strong>der</strong> Gedanke, <strong>das</strong>s Sie nach dieser<br />

schweißtreibenden <strong>Be</strong>tätigung fröhlich<br />

hinuntersausen können, wird wie<br />

ein innerer Motor wirken. Nachdem<br />

Sie Anstrengungen investiert haben,<br />

werden Sie letzten Endes ihre eigene<br />

Trikke-Fahrweise entwickeln.<br />

Mir gefällt außerdem, <strong>das</strong>s man<br />

<strong>das</strong> Trikke leicht zusammenklappen<br />

und im Auto, Bus o<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

U-Bahn mitnehmen kann. Es ist<br />

ziemlich leicht und lässt sich bequem<br />

tragen. Man kann sogar einen<br />

speziellen Tragesack für <strong>das</strong><br />

Trikke (ca. 30 €) kaufen, wenn Sie<br />

dieses Fahrzeug als ständigen <strong>Be</strong>gleiter<br />

wählen.<br />

Das Fahren am Straßenrand o<strong>der</strong><br />

auf einer löcherigen Strecke sollte<br />

man am besten mit eigenen Augen<br />

sehen und es danach auch ausprobieren.<br />

<strong>Be</strong>schäftigen Sie sich damit<br />

8


© Trikke (3)<br />

aber erst etwas später, wenn Sie bereits<br />

etwas Erfahrung gemacht und<br />

Selbstvertrauen geschöpft haben. Es<br />

ist möglich, mit einem Hinterrad oben<br />

auf einem hohen Bordstein und mit<br />

dem an<strong>der</strong>en unten auf <strong>der</strong> Straße zu<br />

fahren. Es ist möglich, auf <strong>der</strong> Straße<br />

zu fahren und um parkende Autos<br />

herum zu manövrieren. Man kann<br />

1000 kcal pro Stunde (wenn man 20<br />

km/h fährt) verbrennen, wo hingegen<br />

leichtes Joggen lediglich 350<br />

kcal verbrennt. Ein solches Niveau im<br />

Trikke-Fahren muss man jedoch erst<br />

einmal erreichen. Also vorwärts, rock<br />

and roll!<br />

Modellbeschreibungen,<br />

technische<br />

Daten und Preise<br />

Trikke hat etwas für Enthusiasten aller<br />

Niveaus zu bieten, selbst für Kin<strong>der</strong>.<br />

Falls Sie also Nachkommen haben,<br />

können Sie alle gemeinsam Sport<br />

treiben, Trikke fahren und Passanten<br />

in Erstaunen versetzen. Das Gewicht<br />

des Trikke-Fahrers darf 114 kg nicht<br />

überschreiten. Das Alter, ab dem man<br />

Spaß an diesen Erfindungen haben<br />

kann, beträgt 6 Jahre (abhängig vom<br />

Modell). Die Durchschnittsgeschwindigkeit<br />

liegt bei 20 km/h, aber man<br />

kann auch bis zu 30 km/h aus dem<br />

Trikke herausholen.<br />

Für Anfänger –<br />

Modell T78<br />

Convertible<br />

Rä<strong>der</strong>: vorn 8“ (21,5 cm) aufpumpbar,<br />

hinten 7“ (17,5 cm) aus Polyurethan.<br />

Das ist die ideale Kombination<br />

zum Lernen. Nachdem Sie<br />

Fertigkeiten erworben haben, können<br />

die Hinterrä<strong>der</strong> leicht gegen<br />

aufpumpbare Rä<strong>der</strong> ausgetauscht<br />

werden.<br />

Rahmen: Stahl.<br />

Preis: ca. 193 €.<br />

Für groSSe Entfernungen<br />

und Sport<br />

– Modell T78 Air<br />

Rä<strong>der</strong>: alle drei 8“ (21,5 cm) aufpumpbar.<br />

Mit größerer Kraft können<br />

Sie die Rä<strong>der</strong> gegen den Straßenbelag<br />

drücken, wodurch die<br />

Fahrtgeschwindigkeit erhöht wird.<br />

Rahmen: Stahl.<br />

Preis: ca. 232 €.<br />

© Dreamstime (2)<br />

9


iker<br />

Für gröSSere<br />

Zufriedenheit –<br />

Modell T78 Deluxe<br />

Es ist eine verbesserte Mischung aus<br />

mehreren Modellen, die mit Extra-<br />

Teilen ausgestattet ist, welche Ihrer<br />

Fahrt mehr Kraft verleihen, die Bodenhaftung<br />

verbessern und Unebenheiten<br />

ausgleichen werden. Lackierte<br />

Felgen, Lenkergriffe aus Kunstle<strong>der</strong>,<br />

verbesserte Bremsseile, Bremshebel<br />

aus Aluminium, ein festschraubbarer<br />

Lenker und schwarze Fußrasten.<br />

Rä<strong>der</strong> und Rahmen wie beim Modell<br />

T78 Air.<br />

Preis: ca. 287 €.<br />

Für Fortgeschrittene<br />

– Modell T8 Air<br />

Möglich, <strong>das</strong>s dieses Modell für die<br />

Mehrheit <strong>der</strong> Trikke-Fans <strong>das</strong> beste<br />

Fortbewegungsmittel darstellt. Es<br />

ist leicht zu tragen, da dieses Modell<br />

von allen Modellen für Erwachsene<br />

<strong>das</strong> leichteste ist (knappe 10 kg). Die<br />

aufpumpbaren Reifen garantieren<br />

die Möglichkeit, auf den Bürgersteig<br />

zu springen, und <strong>das</strong> Fahren selbst ist<br />

sehr bequem, sanft und angenehm.<br />

Dieses Modell hält eine stabile Bodenhaftung<br />

aufrecht, also kann die<br />

gesamte Energie für Kurven genutzt<br />

werden. Technisch gesehen ist dieses<br />

Modell besser als die Modelle <strong>der</strong> Reihe<br />

T78.<br />

Rä<strong>der</strong>: alle drei 8“ (21,5 cm) aufpumpbar.<br />

Rahmen: Aluminium (al 6061 T6).<br />

Preis: ca. 388 €.<br />

Für Super-Trikker<br />

– Modell super T12<br />

Roadster<br />

Dieses Geschöpf ist nicht für einen<br />

Eigentümer mit schwachen Lungen<br />

und weichen Muskeln geeignet. Die<br />

speziell angepassten Hochdruck-<br />

Pneumatikreifen und die unabhängigen<br />

Scheibenbremsen gleichen alle<br />

Unebenheiten <strong>der</strong> Straße aus und<br />

verbessern <strong>das</strong> Fahren (carving) um<br />

den Faktor 10, verglichen mit dem<br />

Modell T8 Air. Mit diesem Trikke steht<br />

Ihrer Kraft nichts entgegen, Sie werden<br />

sich sicher fortbewegen und die<br />

körperlichen <strong>Be</strong>lastungen werden<br />

sich ideal zum Trainieren von Gleichgewicht,<br />

Kraft und Ausdauer eignen.<br />

Wegen <strong>der</strong> größeren Rä<strong>der</strong> und des<br />

schwereren Rahmens sind weniger<br />

Kurven zum Halten <strong>der</strong> Geschwindigkeit<br />

nötig. Also ist dieses Modell ideal<br />

für diejenigen geeignet, die sich für<br />

große Entfernungen interessieren.<br />

Es ist <strong>das</strong> beste Trikke, <strong>das</strong> man <strong>der</strong>zeit<br />

erwerben kann – für den eingefleischten<br />

Trikke-Fahrer.<br />

Erst ab 14+ Jahren.<br />

Rä<strong>der</strong>: 30,5 cm pneumatische Reifen.<br />

Rahmen: Flugzeugaluminium (Aircraft<br />

Grade Aluminum).<br />

Unabhängige Scheibenbremsen.<br />

Preis: ca. 466 €.<br />

Für Kin<strong>der</strong><br />

unter 10 Jahren gibt es <strong>das</strong> Modell<br />

Trikke T5 (ca. 93 €) und für ältere<br />

Kin<strong>der</strong> und Erwachsene schmächtigen<br />

Körperbaus – <strong>das</strong> Modell T67<br />

(ca. 155 €).<br />

Es ist <strong>das</strong> ideale Fahrzeug zum<br />

Dampfablassen und für Fahrspaß<br />

auf dem Hof. 2004 wurde <strong>das</strong> Trikke<br />

T5 mit dem Oppenheim-Platin-Preis<br />

für Spielzeuge und dem Auswahlstempel<br />

des Nationalen Elternzentrums<br />

ausgezeichnet.<br />

10<br />

© Trikke (3)<br />

© Dreamstime


Allgemeine Informationen<br />

über alle<br />

zuvor erwähnten<br />

Modelle (auSSer T5<br />

und T67)<br />

Maße (fahrbereit)<br />

Höhe: 119–140 cm<br />

Länge: 117–118 cm<br />

Breite: 58,7–67 cm<br />

Gewicht: 10–13,6 kg<br />

Maße (zusammengeklappt)<br />

Höhe: 29–30,5 cm<br />

Länge: 134,5–141 cm<br />

Breite: 34–37,5 cm<br />

Wissen Sie, was mich beson<strong>der</strong>s<br />

fasziniert? Die Tatsache, <strong>das</strong>s die<br />

Urheber dieses Fahrzeugs nicht auf<br />

<strong>der</strong> Stelle treten. Die Ideen sprießen<br />

und werden Wirklichkeit. Mit<br />

dem Trikke können Sie erfolgreich<br />

und heiter Sport treiben und Ihre<br />

Freizeit nicht nur auf dem harten<br />

Boden, son<strong>der</strong>n auch auf Schnee<br />

verbringen. Schlittschuhlaufen lernen<br />

ist leichter als Skifahren o<strong>der</strong><br />

Snowboarden, also sollten sich<br />

auch diejenigen, die bis jetzt stets<br />

eine Rechtfertigung parat hatten,<br />

nicht auf einen Hügel zu steigen,<br />

um von ihm fröhlich herunterzufahren,<br />

von einer weiteren Variante<br />

verlocken lassen. Das einfach<br />

zusammen zu klappende und hervorragend<br />

zu steuernde Modell<br />

Trikke Skki wurde zum Skifahren in<br />

den <strong>Be</strong>rgen entworfen.<br />

Es ist ein seltsam anmutendes und<br />

beson<strong>der</strong>s leicht zu steuerndes Skigerät.<br />

Es eignet sich für Anfänger<br />

und Profis. Dieses Fahrzeug können<br />

sich mehrere Personen teilen, weil<br />

es keine Einschränkungen in <strong>Be</strong>zug<br />

auf Schuh- o<strong>der</strong> Körpergröße gibt.<br />

Mit dem Trikke Skki können alle fahren,<br />

die 13 Jahre o<strong>der</strong> älter sind. Im<br />

Einfachen liegt die ganze Genialität.<br />

Stellen Sie sich vor – man braucht<br />

keine speziellen und schweren Skischuhe,<br />

normales, wasserfestes und<br />

bequemes Schuhwerk reicht völlig<br />

aus. Ergreifen Sie den Lenker, steigen<br />

Sie auf die speziellen Plattformen und<br />

lassen Sie Ihre <strong>Be</strong>ine beim Balancieren<br />

in den Kurven arbeiten. Das wilde Gerät<br />

mit drei Skiern wird Sie durch den<br />

Schnee tragen und dabei anmutig<br />

alle Hin<strong>der</strong>nisse bewältigen. Natürlich<br />

ist Übung erfor<strong>der</strong>lich, aber <strong>das</strong> ist ein<br />

einziges Vergnügen. Man kann dieses<br />

Skigerät auch leicht auf den <strong>Be</strong>rg hinauf<br />

beför<strong>der</strong>n, man braucht es nur<br />

leicht vor sich herzuschieben und<br />

selbst zwischen den Skiern zu laufen.<br />

Modell Trikke Skki:<br />

Gewicht: 13,6 kg<br />

Die Skier sind abnehmbar, und <strong>das</strong><br />

Trikke Skki selbst ist leicht und schnell<br />

zusammenklappbar.<br />

Länge: 125 cm<br />

Breite: 56 cm<br />

Preis: ca. 709 €<br />

Mir scheint, die einzige Frage ist<br />

jetzt – wann möchten Sie mit dem<br />

Trikke-Fahren anfangen? Ich würde<br />

vorschlagen, zuerst die durch Körperkraft<br />

angetriebenen Trikkes auszuprobieren<br />

und erst danach Feuer<br />

und Flamme zu sein für den elektrisch<br />

betriebenen Hybriden, für den<br />

ich spare. Wenn Sie die im Folgenden<br />

angegebenen Informationen gelesen<br />

haben, können Sie entscheiden,<br />

<strong>das</strong>s dieses Modell wie für Sie geschaffen<br />

ist und Sie haben vielleicht<br />

auch recht, aber ich bin dennoch <strong>der</strong><br />

Meinung, <strong>das</strong>s man zuerst einschlägige<br />

Erfahrungen mit den einfachen<br />

Modellen sammeln sollte, um einen<br />

tiefen Einblick zu gewinnen und <strong>das</strong><br />

süße Vergnügen des Trikke-Fahrens<br />

zu spüren. Ansonsten können Sie <strong>das</strong><br />

Wesen des Ganzen nicht verstehen<br />

und nach dem Einschalten des Motors<br />

träge werden. Es ist schließlich<br />

nicht irgendein Motorroller, son<strong>der</strong>n<br />

ein Gerät zur aktiven <strong>Be</strong>wegung.<br />

Das unglaubliche neue Modell<br />

Tribred PON-e (36 V o<strong>der</strong> 48 V) ist<br />

für diejenigen gedacht, die bereits<br />

ein Gefühl für <strong>das</strong> Trikke entwickelt<br />

haben. Sie haben also <strong>das</strong> moralische<br />

Recht auf dieses verbesserte Modell.<br />

Das Tribred PON-e ist eine tolle Erfindung,<br />

<strong>das</strong> beste Fahrzeug, wenn<br />

Sie größere Entfernungen zurücklegen<br />

o<strong>der</strong> eine Strecke mit vielen<br />

11


iker<br />

Hin<strong>der</strong>nissen bewältigen möchten,<br />

wo Ihre Körperbewegungen und Ihr<br />

Enthusiasmus zum erfolgreichen Erreichen<br />

des Ziels nicht ausreichen.<br />

Es ist ein elektrisch und durch Ihre<br />

Körperkraft betriebener Hybrid. Mit<br />

Ihren <strong>Be</strong>wegungen sorgen Sie für zusätzliche<br />

Energie und so ge<strong>langen</strong> Sie<br />

ohne große Mühe aber mit wildem<br />

Vergnügen ans Ziel: in <strong>der</strong> Stadt o<strong>der</strong><br />

in <strong>der</strong> Vorstadt, überall dort, wohin<br />

Ihr Weg Sie führt. Sie können ganz<br />

einfach auf <strong>das</strong> Trikke steigen und in<br />

<strong>der</strong> Kurve ein wenig die Handgelenke<br />

und <strong>Be</strong>ine bewegen o<strong>der</strong> mit Hilfe<br />

Ihres Tribred PON-e leicht Sport treiben,<br />

sich effizienter fortbewegen. Sie<br />

können auch bei voller Geschwindigkeit<br />

alle Muskeln trainieren, wodurch<br />

Sie für zusätzliche Geschwindigkeit<br />

sorgen und in die erfor<strong>der</strong>liche Richtung<br />

fahren.<br />

Technische Daten<br />

Zwei Geschwindigkeitsmodi<br />

Motor: 250 –350 W<br />

Motorisiertes Vor<strong>der</strong>rad<br />

Doppelte Hinterradbremsen<br />

Leichter Aluminiumrahmen<br />

Geschwindigkeit: 16–19 km/h<br />

Die geladene Li-Ion-Batterie (36 V<br />

o<strong>der</strong> 48 V) hält 32–45 km, abhängig<br />

vom ausgewählten Modell des<br />

Tribred, dem Gelände, Wind, Gewicht<br />

des Fahrers und seiner Fahrweise.<br />

Das vollständige Laden <strong>der</strong><br />

Batterie dauert etwa 5 Stunden.<br />

Alter: 12+<br />

Preis: 1327 €–1952 €<br />

Maße (fahrbereit)<br />

Höhe: 128–139 cm<br />

Länge: 125 cm<br />

Breite: 67 cm<br />

Gewicht: 18,7–20,5 kg<br />

Maße (zusammengeklappt)<br />

Höhe: 35 cm<br />

Länge: 140 cm<br />

Breite: 67 cm<br />

© Trikke (4)<br />

12


Über <strong>das</strong> Trikke<br />

Das heutige Erscheinungsbild des Trikke ist beinahe<br />

dem Zufall zu verdanken.<br />

Der brasilianische Ingenieur und Aktivsportliebhaber<br />

Gildo <strong>Be</strong>leski entwarf<br />

die anfängliche Variante des<br />

Trikke, um von hügeligen Orten <strong>der</strong><br />

Stadt herab zu fahren. Nach <strong>der</strong> Abfahrt<br />

mit seiner Erfindung bemerkte<br />

er, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Trikke durch dieselben<br />

Schwankungsbewegungen auch auf<br />

ebener Fläche weiter fährt. Damit begann<br />

auch die Geschichte des mo<strong>der</strong>nen<br />

Trikke.<br />

Ein weiterer Zufall brachte Gildo <strong>Be</strong>leski<br />

mit dem Kapitalanleger John Simpson<br />

zusammen, <strong>der</strong> nach dem <strong>Be</strong>such<br />

einer Sushi-Bar den Son<strong>der</strong>ling<br />

auf einem noch seltsameren Roller<br />

mit drei Rä<strong>der</strong>n bemerkte. Was Herrn<br />

Simpson dazu bewegte, dem davonfahrenden<br />

<strong>Be</strong>leski hinterher zu laufen,<br />

war die Tatsache, <strong>das</strong>s sich <strong>der</strong> Roller<br />

ohne Propeller, einzig durch die <strong>Be</strong>wegungen<br />

des Fahrers fortbewegte.<br />

Zu Anfang erschien dieses Erscheinungsbild<br />

John Simpson als komisch,<br />

aber nachdem er <strong>das</strong> Trikke ausprobiert<br />

hatte, wurde er im gleichen Jahr<br />

ein willkommener Kapitalanleger von<br />

Trikke Tech und wenig später auch<br />

Präsident des Unternehmens.<br />

Gemeinsam stellten Gildo und John<br />

den Roller mit drei Rä<strong>der</strong>n dem Publikum<br />

Amerikas vor und <strong>das</strong> Eis war<br />

gebrochen. Als die Zeitschrift Time<br />

2002 <strong>das</strong> Trikke den coolsten Erfindungen<br />

des Jahres zuordnete, stiegen<br />

Verkaufszahlen sprunghaft an.<br />

Damals interessierten sich manche<br />

Schauspieler für diese Erfindung und<br />

benutzten sie, darunter Brad Pitt, Jim<br />

<strong>Be</strong>lushi, Jennifer Aniston, Jim Carrey<br />

und <strong>Be</strong>n Affleck. Sie können sich vorstellen,<br />

welche Auswirkung dies auf<br />

die amerikanische Gesellschaft, die<br />

auf den Einfluss von <strong>Be</strong>rühmtheiten<br />

sensibel reagiert, hatte, – <strong>das</strong> Trikke<br />

wurde in je<strong>der</strong> Hinsicht zum Star.<br />

Die Gesellschaft Trikke Tech, die vom<br />

enthusiastischen Präsidenten und<br />

dem begabten Erfin<strong>der</strong> geführt wird,<br />

hat nicht vor, sich auf den Lorbeeren<br />

auszuruhen, sie entwirft und präsentiert<br />

auch weiter neue Modelle, die<br />

den Verbrauchern noch mehr Freiheit<br />

und Freude bereiten. Trikke Tech<br />

steht dank des Einfallsreichtums und<br />

<strong>der</strong> glücklichen Zufälle in Blüte.<br />

Der Amerikaner Jimmy Evans<br />

durchquerte 2003 mit dem Trikke<br />

(lediglich durch den Einsatz seiner<br />

Körperkraft) Amerika von <strong>der</strong><br />

Ost- bis zur Westküste (3000 Meilen<br />

– 4828 km von Santa Monica bis<br />

nach Florida Keys) und diese Reise<br />

wie<strong>der</strong>holte er von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite aus im Jahr 2007. Er beschloss,<br />

auch Europa in Erstaunen zu versetzen<br />

und legte 2004 auf Straßen<br />

und Wegen verschiedener Län<strong>der</strong><br />

3500 km zurück.<br />

Dieses bezaubernde, durch Menschenkraft<br />

angetriebene Fahrzeug<br />

sorgt für Freude und weckt bei tausenden<br />

Menschen auf <strong>der</strong> ganzen<br />

Welt den Wunsch nach einer aktiven<br />

Lebensweise. Sogar Menschen,<br />

die an <strong>der</strong> Parkinson-Krankheit<br />

und Multipler Sklerose leiden, auf<br />

<strong>Be</strong>in- und Fußprothesen angewiesen<br />

sind o<strong>der</strong> Gelenkbeschwerden<br />

haben, verleiht <strong>das</strong> Trikke erneut<br />

<strong>Be</strong>wegungsfreude.<br />

Score<br />

© Dreamstime<br />

Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />

Ziel zu erreichen.<br />

Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />

Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />

Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />

die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

13


sailor<br />

Für Verehrer<br />

des WASSERS –<br />

Bodyboarding<br />

14


Das Leben in <strong>der</strong> Nähe des Wassers bietet automatisch<br />

viele Arten <strong>der</strong> aktiven Lebensweise: Man kann Kajak<br />

und Wasserski fahren, segeln, mit Powerdrachen fliegen<br />

o<strong>der</strong> einfach nur schwimmen.<br />

Je<strong>der</strong> wählt nach dem Niveau seiner<br />

körperlichen Verfassung, Zeit und<br />

Geldbeutel aus. Dieses Mal über etwas,<br />

<strong>das</strong> für jeden erschwinglich ist,<br />

<strong>der</strong> sich bewegen kann, nicht wasserscheu<br />

und bereit ist, sich etwas anzustrengen.<br />

Viele Male habe ich mit Neid und<br />

Verehrung Surfboar<strong>der</strong> beobachtet,<br />

wie sie sicher auf Wellen reiten, und<br />

die Geschwindigkeit und <strong>das</strong> zu erwartende<br />

Vergnügen nahmen mir<br />

den Atem. Ich habe es jedoch selbst<br />

nicht ausprobiert. <strong>Be</strong>i einer Urlaubsreise<br />

habe ich auf <strong>der</strong> Suche nach<br />

Vergnügungen auf dem Wasser ein<br />

Bodyboard ausgeliehen, <strong>das</strong> leichter<br />

zu beherrschen ist als <strong>das</strong> viel längere<br />

Surfbrett. Und nach dem Ausprobieren<br />

habe ich verstanden, <strong>das</strong>s ich im<br />

Wasser mehr fertigbringe, als ich erhofft<br />

hatte.<br />

Zuallererst werde ich denjenigen, die<br />

verrückt nach Wellenreiten sind, sagen,<br />

<strong>das</strong>s Bodyboarding (auch bekannt<br />

unter <strong>der</strong> <strong>Be</strong>zeichnung Boogie<br />

Boarding) ein Sport ist, für den man<br />

etwas Hartnäckigkeit mitbringen<br />

und nicht trainingsscheu sein muss.<br />

Und außerdem müssen Sie sehr gut<br />

schwimmen können, sonst ist dieses<br />

Vergnügen nicht für Sie. Ungeachtet<br />

<strong>der</strong> unschuldig anmutenden Wellen<br />

und des klaren Himmels sollten Sie<br />

wissen, <strong>das</strong>s man nach dem Eintauchen<br />

in <strong>das</strong> blaue Wasser seinen Atem<br />

manchmal länger anhalten muss, als<br />

einem lieb ist. Sie benötigen auch körperliche<br />

Kraft und Ausdauer, um an<br />

die Wasseroberfläche zu ge<strong>langen</strong>.<br />

Aber beginnen wir am Anfang.<br />

<strong>Be</strong>vor Sie sich ins Wasser stürzen, sollten<br />

Sie sich um die angemessene Kleidung<br />

und ein Bodyboard passen<strong>der</strong><br />

Größe bemühen, denn davon hängt<br />

ab, ob <strong>das</strong> Erreichen <strong>der</strong> süß brechenden<br />

Wellen schwierig sein wird,<br />

und mit welcher Geschwindigkeit Sie<br />

von diesen Wellen herabsausen. Zu<br />

Anfang würde ich vorschlagen, sich<br />

einige Male ein Bodyboard und passende<br />

<strong>Be</strong>kleidung auszuleihen, denn<br />

bevor man in gute und zuverlässige<br />

Ausrüstung investiert, sollte man die<br />

Sportart selbst ausprobieren. Dann<br />

werden Sie auch wirklich wissen, ob<br />

diese <strong>Be</strong>schäftigung für Sie geeignet<br />

ist. Das Leihinventar ist allerdings<br />

meistens etwas abgenutzt und die<br />

neuesten Modelle werden Sie nicht<br />

vorfinden.<br />

Und wenn Sie sich dazu entschieden<br />

haben, <strong>das</strong>s die Zeit für die Auswahl<br />

neuer Waren gekommen ist, dann<br />

sind blutige Anfänger am besten<br />

beraten, wenn sie in spezialisierten<br />

Wassersportgeschäften nachfragen.<br />

Und ideal wäre es, wenn <strong>der</strong> beratende<br />

Mitarbeiter in seiner Freizeit selbst<br />

mit dem Bodyboard auf Wellen reitet.<br />

Nun folgen Informationen und einige<br />

Ratschläge, damit Sie sich beim Kauf<br />

nicht wie ein Volltrottel fühlen.<br />

© Thinkstock (3)<br />

Konstruktion und<br />

Materialien<br />

Bodyboards bestehen aus einem<br />

Schaumkern, einem Boden aus<br />

Plastik und einer weicheren Oberfläche<br />

– dem Deck.<br />

Schaumkern<br />

Der Kern <strong>der</strong> neuesten, besten und<br />

teuersten Boards besteht aus Polypropylen.<br />

Polypropylen ist ein leichtes,<br />

flexibles und starkes Material.<br />

Polyethylen ist seit alters <strong>das</strong> Material,<br />

aus dem <strong>der</strong> Kern <strong>der</strong> Bodyboards<br />

hergestellt wird. Es ist<br />

schwerer und nicht so beständig<br />

wie Polypropylen.<br />

Boden o<strong>der</strong> „the Slick“<br />

Hier liegen Stärke und Geschwindigkeit<br />

des Boards. Der Boden<br />

kann aus Surlyn o<strong>der</strong> HDPE (High<br />

Density Polyethylene) bestehen.<br />

Letzteres Material ist billiger und<br />

bedeutet eine geringere <strong>Be</strong>lastung<br />

für den Geldbeutel. Man sagt, <strong>das</strong>s<br />

viele Wassersportler nicht in <strong>der</strong><br />

Lage wären, ein Board mit Surlyn-<br />

Boden von einem Board mit HDPE-<br />

Boden zu unterscheiden, aber in<br />

Wirklichkeit ist Surlyn flexibler und<br />

garantiert höhere Haltbarkeit, Einheitlichkeit<br />

und <strong>das</strong> angemessene<br />

Herausragen aus dem Wasser (projection).<br />

Die Oberfläche o<strong>der</strong> „the Deck“ wird<br />

aus speziellem Schaumstoff hergestellt,<br />

<strong>der</strong> beim Bodyboar<strong>der</strong> für<br />

Weichheit und Komfort sorgt, gute<br />

Haftung gewährleistet und beson<strong>der</strong>s<br />

wasserbeständig ist, d. h. kein<br />

Wasser aufnimmt.<br />

15


sailor<br />

Längsstrebe (Stringer)<br />

Meistens enthält <strong>der</strong> Schaumkern einen<br />

o<strong>der</strong> zwei Längsstreben aus Kohlefaser<br />

o<strong>der</strong> Grafit. Das verleiht dem Board<br />

Stabilität, Haltbarkeit und verringert<br />

die Möglichkeit von Verformungen. Ein<br />

Board ohne Längsstreben ist leichter<br />

und billiger.<br />

Man kann also folgenden Schluss ziehen:<br />

die beste und zugleich teuerste<br />

Wahl wäre ein Board aus Polypropylen<br />

mit zwei Längsstreben. Um den<br />

Preis zu reduzieren, können Sie die<br />

Variante mit nur einer Längsstrebe<br />

wählen.<br />

Länge<br />

Die Länge des Boards wird nach Größe<br />

und Gewicht <strong>der</strong> Person gewählt.<br />

Allgemein gilt – <strong>das</strong> passende Board,<br />

auf dem Hinterteil (nicht dem Vor<strong>der</strong>teil)<br />

aufgestellt, muss bis 2,5 cm über<br />

Ihren Bauchnabel reichen, wenn Sie<br />

planen, auf kleinen Wellen zu reiten,<br />

und wenn Sie sofort größere Wellen<br />

ansteuern möchten, muss <strong>das</strong> Board<br />

bis zu 2,5 cm unter Ihrem Bauchnabel<br />

reichen. Fülligeren Personen wird<br />

empfohlen, ein kürzeres und breiteres<br />

Board zu wählen.<br />

Breite<br />

Sie ist ebenfalls vom Körperbau abhängig.<br />

Wenn Sie Ihr neues Spielzeug<br />

unter den Arm klemmen, sollten Sie<br />

keinen großen Abstand zwischen<br />

Achselhöhle und dem Rand des Bodyboards<br />

spüren. Übrigens ist ein<br />

schmaleres Board in <strong>der</strong> Regel für<br />

größere Wellen und ein breiteres –<br />

für kleinere Wellen gedacht.<br />

Design<br />

Es gibt einige Dinge, die man bei <strong>der</strong><br />

Wahl des geeigneten Board-Designs<br />

beachten sollte, denn davon hängt<br />

ab, wie und wo <strong>das</strong> Board ab besten<br />

„funktioniert“.<br />

Spitze des Boards – <strong>das</strong> ist <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>e<br />

Teil, an dem Sie sich festhalten. Einem<br />

Anfänger wird eine schmalere Spitze<br />

beim Wenden und bei <strong>der</strong> <strong>Be</strong>wältigung<br />

holpriger Wellen helfen.<br />

Heck des Boards – <strong>das</strong> ist <strong>der</strong> hintere<br />

Teil des Boards. Ein breites Heck liegt<br />

besser auf den Wellen und bringt<br />

mehr Geschwindigkeit. Die Heckform<br />

ist eine sehr persönliche Wahl. Am beliebtesten<br />

sind abgerundete und flügelförmige<br />

Hecke. Ein Anfänger sollte<br />

jedoch nicht zu sehr auf die Heckform<br />

des Boards achten.<br />

Biegung des Boards (Rocker)<br />

Einfach gesagt, es ist <strong>der</strong> Indikator<br />

für die Ebenheit eines Boards. Legen<br />

Sie <strong>das</strong> Board auf den Boden und<br />

beobachten Sie, ob es schaukelnde<br />

<strong>Be</strong>wegungen ausführt. Je stärker die<br />

bananenförmige Biegung des Boards,<br />

umso größer ist sein Rocker. <strong>Be</strong>obachten<br />

Sie nicht die Spitze, die dem<br />

Design gemäß etwas vom Boden absteht,<br />

son<strong>der</strong>n beachten Sie <strong>das</strong> Heck,<br />

<strong>das</strong> in den meisten Fällen gediegen<br />

auf dem Boden liegen muss. Je kleiner<br />

<strong>der</strong> Rocker, umso mehr Geschwindigkeit<br />

können Sie aus Ihrem Board herausholen.<br />

Man muss hinzufügen, <strong>das</strong>s<br />

ein Board sich über lange Zeit etwas<br />

krümmt und <strong>das</strong> meistens in die entgegengesetzte<br />

Richtung. Das liegt an<br />

den Materialien, aus denen <strong>das</strong> Board<br />

hergestellt ist, und natürlich auch an<br />

<strong>der</strong> Pflege.<br />

Rail – <strong>der</strong> Saum <strong>der</strong> Boardkante<br />

<strong>Be</strong>i Herstellern und Käufern ist <strong>das</strong> Verhältnis<br />

60/40 am beliebtesten, da dem<br />

Bodyboar<strong>der</strong> dadurch mehr Kontrolle<br />

verliehen wird. Das Verhältnis 50/50<br />

sorgt für mehr Geschwindigkeit.<br />

Sicherung o<strong>der</strong> Leine (Leash)<br />

Dem Board liegt meist eine Leine bei,<br />

die mit einem Ende am Board selbst<br />

befestigt wird, und <strong>das</strong> an<strong>der</strong>e Ende<br />

bringt <strong>der</strong> Bodyboar<strong>der</strong> an seinem<br />

Arm über dem Ellenbogen an. Das ist<br />

notwendig, damit Sie Ihr neues „Spielzeug“<br />

nach dem Abrutschen ins Wasser<br />

nicht verlieren, denn es wird nicht<br />

immer möglich sein, <strong>das</strong> Board fest in<br />

den Händen zu halten. Es gibt Leinen<br />

in Spiralenform o<strong>der</strong> einfache gerade<br />

Leinen. Es ist besser, eine spiralenförmige<br />

Leine zu verwenden, da sie sich<br />

nicht verhed<strong>der</strong>t.<br />

16


Pflege des<br />

Bodyboards<br />

Eigentlich ist <strong>das</strong> Bodyboard ein<br />

recht beständiger Gegenstand,<br />

aber <strong>das</strong> bedeutet natürlich nicht,<br />

<strong>das</strong>s es unzerstörbar ist. Wenn Sie<br />

einige einfache Regeln befolgen,<br />

dann werden Sie lange Freude an<br />

ihrem Kauf haben:<br />

.. Nach <strong>Be</strong>nutzung in Salzwasser<br />

– abspülen.<br />

.. Nicht direkter Sonnenstrahlung<br />

aussetzen.<br />

.. Vor extremer Hitze schützen<br />

und nicht an Kaminen o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Hitzequellen aufstellen.<br />

Wenn Sie <strong>das</strong> Board an einem<br />

heißen Tag im Auto lassen<br />

müssen, decken Sie es ab.<br />

.. Nicht mit schweren Gegenständen<br />

beladen und sich vergewissern,<br />

<strong>das</strong>s keine spitzen<br />

Ecken auf <strong>das</strong> Board drücken,<br />

denn wenn die Schutzschicht<br />

verletzt wird, findet <strong>das</strong> Wasser<br />

einen Weg hinein.<br />

.. Das Board außerhalb <strong>der</strong><br />

Reichweite vor kleinen Kin<strong>der</strong>n<br />

und lieben Haustieren<br />

aufbewahren. Katzen würden<br />

gern ihre Krallen in <strong>das</strong> Deck<br />

Ihres neuen Boards versenken,<br />

und Hunde würden manchmal<br />

gern daran kauen. Und <strong>das</strong><br />

Vergnügen beim Zerreißen eines<br />

Gegenstands ist gefährlich<br />

ansteckend.<br />

Der Preis für Boards schwankt zwischen<br />

35 € und 380 €.<br />

Zusatzzubehör<br />

Flossen (ca. 35 €)<br />

Sie helfen beim Manövrieren im Wasser,<br />

um rechtzeitig vor brechenden<br />

Wellen davonzukommen und bei <strong>der</strong><br />

Jagd nach den geeigneten Wellen<br />

die erfor<strong>der</strong>liche Geschwindigkeit zu<br />

erreichen. Die Flossen sollten bequem<br />

und flexibel sein. Sie müssen gut am<br />

Fuß sitzen, aber auf keinen Fall sollten<br />

nach längerem Tragen Schmerzen<br />

auftreten. Zu harte Flossen können<br />

unbequem sein und die Fußknöchel<br />

bei <strong>Be</strong>nutzung reizen, und zu flexible<br />

Flossen werden Ihnen nicht helfen,<br />

sich effizient zu bewegen. Investieren<br />

Sie auch in die Flossensicherung,<br />

denn sie helfen die Flosse zu bewahren,<br />

falls beim Sturz von einer Welle<br />

eine Flosse abfallen sollte, und diese<br />

Möglichkeit ist wirklich nicht auszuschließen.<br />

Hydroanzug (ab 40 €)<br />

Es ist eine gute Idee, <strong>Be</strong>kleidung zu<br />

kaufen, die für Wohlbefinden im<br />

Wasser sorgt, beson<strong>der</strong>s, wenn Sie in<br />

kalten Gewässern auf Wellen reiten<br />

möchten. Dicke und Design des Hydroanzugs<br />

hängt davon ab, unter welchen<br />

<strong>Be</strong>dingungen Sie Sport treiben<br />

werden. Manche Wasserbekleidung<br />

schränkt die <strong>Be</strong>wegungen weniger<br />

ein als an<strong>der</strong>e, deshalb sollten Sie<br />

nicht gleich den dicksten Anzug mit<br />

<strong>langen</strong> Hosen und Ärmeln kaufen.<br />

© Thinkstock (4)<br />

Überlegen Sie gut, wo Sie am meisten<br />

auf Wellenjagd gehen werden und<br />

lassen Sie sich von einem Verkäufer<br />

beraten. Ein Hydroanzug muss eng<br />

anliegen. Aber übertreiben Sie es<br />

nicht, Sie müssen frei atmen können.<br />

Rash Guard Shirts (ca. 40 €)<br />

Die Hauptaufgabe dieses Kleidungsstücks<br />

ist es, Sie vor Schürfwunden<br />

und Ausschlag, verursacht durch die<br />

ständige Reibung mit dem Board und<br />

Sand, dem Sie nirgendwo aus dem<br />

Weg gehen können, zu schützen. Die<br />

Haut wird schnell bis zu einem scharfen<br />

Rot gereizt. Außerdem schützen<br />

Sie die Shirts vor Wind und schädlicher<br />

Sonnenstrahlung. Dieses Kleidungsstück<br />

wird in warmen Gewässern<br />

getragen.<br />

Aus eigener Erfahrung weiß ich, <strong>das</strong>s<br />

ein Anfänger unbedingt seinen Körper<br />

verhüllen muss. Nach dem Tag meiner<br />

ersten intensiven Wellenjagd konnte<br />

ich meinen Bauch nicht berühren, so<br />

sehr hatte ich ihn abgerieben, als ich<br />

von den Wellen stürzte und mehrmals<br />

durch den Sand gezogen wurde. Ich<br />

verspürte keinen Schmerz, solange ich<br />

wie im Rausch von den Wellen rutschte.<br />

Aber am Abend sah mein vor<strong>der</strong>er<br />

Körperteil so aus, als hätte er eine missglückte<br />

Peeling-Prozedur über sich<br />

ergehen lassen, wobei anstelle von<br />

kosmetischen Körnern zur sanften Exfoliation<br />

raues Schleifpapier angewendet<br />

wurde.<br />

17


sailor<br />

Und jetzt<br />

in die Wellen!<br />

Einige Verhaltenshinweise,<br />

damit die erste Welle nicht<br />

die Freude nimmt<br />

18


Erkundung des<br />

Geländes.<br />

Ich weiß, <strong>das</strong>s es ein sehr erregen<strong>der</strong><br />

Moment ist, wenn Sie bereit sind, ins<br />

Wasser zu stürmen. Aber warten Sie<br />

noch eine Sekunde und erkunden<br />

Sie in Ruhe <strong>das</strong> Gelände, in <strong>das</strong> Sie<br />

hineinwaten möchten, beobachten<br />

Sie die Wellen, <strong>der</strong>en Größe, die Sicht.<br />

Schätzen Sie <strong>das</strong> Risiko möglicher<br />

Strömungen und Unterströmungen<br />

sowie die <strong>Be</strong>schäftigungen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Wassersportliebhaber und die<br />

dafür vorgesehenen Orte ein. Nein,<br />

<strong>das</strong> soll Sie nicht erschrecken. Sie<br />

müssen alles klar analysieren, denn<br />

Wellen sind gefährlich, wenn man<br />

nichts über sie weiß. Und Sie müssen<br />

unbedingt Ausschau halten, ob sich<br />

an Ihrer auserwählten Welle kein an<strong>der</strong>er<br />

Bodyboard-Kollege versucht,<br />

denn so können Sie sich ernste Feinde<br />

machen und einen schlechten Ruf<br />

er<strong>langen</strong>. Und glauben Sie mir, <strong>das</strong> ist<br />

sehr wichtig, wenn man zu den Bodyboar<strong>der</strong>n<br />

gehören möchte.<br />

Auf ins Wasser.<br />

© Thinkstock (2)<br />

Nach dem Sie sich umgeschaut haben,<br />

gehen Sie ans Wasser, und legen<br />

Sie im Sitzen die Flossen und <strong>der</strong>en<br />

Sicherungen an o<strong>der</strong> tragen Sie die<br />

Flossen in <strong>der</strong> Hand und legen Sie sie<br />

an, wenn <strong>das</strong> Wasser bereits bis an<br />

die Knie reicht. Legen Sie sich auf Ihr<br />

Board, so<strong>das</strong>s Ihre Hüften <strong>das</strong> Heck<br />

des Boards berühren, und beginnen<br />

Sie zu paddeln. Wenn Sie mit den <strong>Be</strong>inen<br />

vorwärts paddeln wollen, dann<br />

halten Sie beide Hände am vor<strong>der</strong>en<br />

Teil des Boards eng aneinan<strong>der</strong> und<br />

arbeiten Sie mit den Flossen unter<br />

Wasser. Neueinsteiger haben die witzige<br />

Angewohnheit, über dem Wasser<br />

herumzuplanschen und sich darüber<br />

aufzuregen, <strong>das</strong>s sie nicht von<br />

<strong>der</strong> Stelle kommen. O<strong>der</strong> halten Sie<br />

die <strong>Be</strong>ine eng aneinan<strong>der</strong> im Wasser<br />

und paddeln Sie nur mit den Armen.<br />

<strong>Be</strong>vor Sie sich ins Wasser wagen, können<br />

Sie auf dem Sand trainieren, und<br />

<strong>das</strong> ist gar nicht lächerlich, son<strong>der</strong>n<br />

ganz gewöhnlich und von Nutzen. Im<br />

Wasser werden Sie nach je<strong>der</strong> erfolgreichen<br />

o<strong>der</strong> erfolglosen Welle aus Ihren<br />

Fehlern lernen, aber nach einem<br />

Probedurchlauf im Sand können Sie<br />

einige Enttäuschungen vermeiden.<br />

Die Wahl <strong>der</strong><br />

Wellen.<br />

Wählen Sie nicht die größte Welle,<br />

auf die sie direkt vor dem Brechen<br />

aufspringen könnten, wenn weißes<br />

Wasser (white water) aufschäumt.<br />

Das wäre die ideale Variante, aber<br />

Sie müssen nachdenken und auf<br />

eine Welle vorbereitet sein, die<br />

Sie hinters Licht führen und „o<br />

Schreck“ gleich mit ihrer gesamten<br />

Masse auf Sie einstürzen wird. Es<br />

bleibt keine Zeit zum Jagen <strong>der</strong> Welle<br />

mehr, Sie haben sich verrechnet.<br />

Die Welle wird früher brechen, als<br />

Sie die erfor<strong>der</strong>liche Stelle erreicht<br />

haben werden, und dann wird die<br />

Welle Sie ganz einfach einwickeln,<br />

nach unten auf den Grund drücken<br />

und noch einige Zeit hinter sich<br />

herziehen, bis Sie sich letzten Endes<br />

an die Oberfläche durchschlagen<br />

und Luft holen können. Aber<br />

Situationen, wo keine Zeit mehr zur<br />

Flucht vor <strong>der</strong> Welle besteht, sind<br />

selten. Man darf nicht unachtsam<br />

sein und wenn man vor sich bereits<br />

gebrochene schäumende Wellen<br />

o<strong>der</strong> Wellen an <strong>der</strong> Bruchgrenze<br />

entdeckt, dann sollte man mutig<br />

auf sie zusteuern. Und wenn man<br />

an <strong>der</strong> richtigen Stelle ist, muss<br />

man die Spitze des Boards mit den<br />

Händen stark nach unten drücken,<br />

als ob man Liegestütze machen<br />

wollte, gleichzeitig legt man ein<br />

Knie auf <strong>das</strong> Heck des Boards und<br />

taucht tief ab wie eine Ente. Auf<br />

diese Weise werden Sie unter <strong>der</strong><br />

Welle hinwegtauchen und wie ein<br />

echter Profi wie<strong>der</strong> zum Vorschein<br />

kommen. Diese wun<strong>der</strong>bare Methode<br />

zum Untertauchen von Wellen<br />

ist bei Bodyboar<strong>der</strong>n alltäglich<br />

und wird „duck diving“ genannt.<br />

Es wäre allerdings am klügsten,<br />

ein wenig auf kleinen Wellen o<strong>der</strong><br />

einfach auf ruhigem Wasser zu trainieren,<br />

damit Sie später in <strong>der</strong> realen<br />

Situation nicht verwirrt werden<br />

und genau wissen, was zu tun ist.<br />

19


sailor<br />

Hurra! Endlich<br />

wird es geschehen!<br />

Wenn Sie den süßen Punkt erreichen,<br />

wo die Wellen relativ reif sind, aber<br />

noch nicht brechen, dann bemühen<br />

Sie sich, die richtige Wahl zu treffen.<br />

Nur keine Hast, Sie benötigen lediglich<br />

eine geeignete, nicht zu große<br />

Welle. Wenn Sie sich dafür entschieden<br />

haben, <strong>das</strong>s die vor Ihnen anrollende<br />

Welle genau diejenige ist, drehen<br />

Sie sich auf Ihrem Board zur Küste<br />

und beginnen Sie mit aller Kraft mit<br />

den Flossen zu arbeiten, vergessen Sie<br />

nicht, <strong>das</strong>s sie unter Wasser strampeln<br />

müssen. Falls Sie die erfor<strong>der</strong>liche Geschwindigkeit<br />

erreichen, wird die Welle<br />

Sie einfach graziös erfassen und Sie<br />

werden erfolgreich auf ihr reiten. Sie<br />

müssen jedoch wissen, welche Richtung<br />

Sie beim Wellenreiten einschlagen<br />

werden: nach rechts o<strong>der</strong> nach<br />

links. Davon hängt Ihre Körperposition<br />

auf dem Board ab. Und ansonsten<br />

ist es ständige Arbeit und nicht nur<br />

unter Körpereinsatz, Sie werden ständig<br />

nachdenken und blitzartige Entscheidungen<br />

treffen müssen.<br />

Nehmen wir an, Sie entscheiden sich,<br />

nach links zu reiten, dann halten Sie<br />

sich auf <strong>der</strong> linken Seite des Boards<br />

und drücken Sie mit <strong>der</strong> linken Hüfte<br />

die Ecke des Boards. Halten Sie sich<br />

mit <strong>der</strong> linken Hand stark an <strong>der</strong> linken<br />

Vor<strong>der</strong>ecke des Boards fest und<br />

kontrollieren Sie mit dem Ellenbogen<br />

die Seite, damit <strong>das</strong> Board sich auf <strong>der</strong><br />

Welle hält. Während dessen befindet<br />

sich <strong>der</strong> rechte Arm, etwas am Ellenbogen<br />

gekrümmt, am rechten Rand<br />

des Boards, womit Sie Ihre Gleitgeschwindigkeit<br />

kontrollieren. Wollen<br />

Sie mehr Geschwindigkeit er<strong>langen</strong>,<br />

rutschen Sie einfach etwas auf dem<br />

Brett nach vorn. Theorie bleibt Theorie<br />

und alles muss man am eigenen<br />

Leib ausprobieren.<br />

Lassen Sie den Kopf nicht hängen.<br />

Sie werden viele Male verschiedene<br />

Methoden ausprobieren müssen, um<br />

mit <strong>der</strong> Situation unter Kontrolle ideal<br />

auf Wellen reiten zu können. Seien<br />

Sie nicht enttäuscht, wenn Sie einen<br />

Fehler gemacht haben. Glauben Sie<br />

mir, Sie werden nicht darum herumkommen.<br />

Seien Sie vorbereitet auf <strong>das</strong><br />

Unerwartete und große „Verwicklungen“,<br />

so nenne ich <strong>das</strong> Gefühl, wenn<br />

man nichts mehr machen kann, die<br />

Welle mit voller Wucht auf einen einstürzt<br />

und man umhergewirbelt wird.<br />

Der einzige Ausweg besteht dann darin,<br />

sich in ihre Gnade zu begeben. In<br />

solchen Fällen rate ich – entspannen<br />

Sie sich. Ich weiß, es klingt zum Lachen<br />

und ein wenig dumm, aber glauben<br />

Sie mir – Sie werden mit <strong>der</strong> Welle nicht<br />

kämpfen können, wenn Sie versuchen,<br />

an die Oberfläche zu ge<strong>langen</strong>. Sie verschwenden<br />

Ihre Kräfte und verlieren<br />

Luft, aber die Oberfläche erreichen Sie<br />

dadurch nicht. Schließen Sie einfach<br />

die Augen, lassen Sie Ihren Körper zu<br />

Gelee im Cocktailmixer werden und<br />

letzten Endes werden Sie die Oberfläche<br />

erreichen, wo Sie gierig nach Luft<br />

schnappen – Sie werden wirklich überleben.<br />

Im Wasser ist es sehr wichtig,<br />

nicht in Panik zu geraten und sich zu<br />

konzentrieren. Es ist ein gefährlicher,<br />

aber auch sehr heiterer Ort, um seine<br />

Freizeit aktiv zu verbringen.<br />

20


Lassen Sie den Kopf<br />

nicht hängen.<br />

Sie werden viele Male verschiedene<br />

Methoden ausprobieren müssen, um<br />

mit <strong>der</strong> Situation unter Kontrolle ideal<br />

auf Wellen reiten zu können. Seien<br />

Sie nicht enttäuscht, wenn Sie einen<br />

Fehler gemacht haben. Glauben Sie<br />

mir, Sie werden nicht darum herumkommen.<br />

Seien Sie vorbereitet auf <strong>das</strong><br />

Unerwartete und große „Verwicklungen“,<br />

so nenne ich <strong>das</strong> Gefühl, wenn<br />

man nichts mehr machen kann, die<br />

Welle mit voller Wucht auf einen einstürzt<br />

und man umhergewirbelt wird.<br />

Der einzige Ausweg besteht dann darin,<br />

sich in ihre Gnade zu begeben. In<br />

solchen Fällen rate ich – entspannen<br />

Sie sich. Ich weiß, es klingt zum Lachen<br />

und ein wenig dumm, aber glauben<br />

Sie mir – Sie werden mit <strong>der</strong> Welle nicht<br />

kämpfen können, wenn Sie versuchen,<br />

an die Oberfläche zu ge<strong>langen</strong>. Sie verschwenden<br />

Ihre Kräfte und verlieren<br />

Luft, aber die Oberfläche erreichen Sie<br />

dadurch nicht. Schließen Sie einfach<br />

die Augen, lassen Sie Ihren Körper zu<br />

Gelee im Cocktailmixer werden und<br />

letzten Endes werden Sie die Oberfläche<br />

erreichen, wo Sie gierig nach Luft<br />

schnappen – Sie werden wirklich überleben.<br />

Im Wasser ist es sehr wichtig,<br />

nicht in Panik zu geraten und sich zu<br />

konzentrieren. Es ist ein gefährlicher,<br />

aber auch sehr heiterer Ort, um seine<br />

Freizeit aktiv zu verbringen.<br />

Das ist erst <strong>der</strong><br />

Anfang.<br />

noch mehr Reiz. Ich denke, <strong>das</strong>s Sie<br />

dann endgültig auf den Geschmack<br />

gekommen sind. Sie werden immer<br />

neue und zierlichere Kunststücke<br />

ausprobieren, nach geeigneteren<br />

Wellen suchen, vielleicht werden<br />

Sie sogar <strong>das</strong> romantische Leben<br />

eines Bodyboar<strong>der</strong>s beginnen. Wohin<br />

die neue Leidenschaft für diese<br />

<strong>Be</strong>schäftigung führt, bleibt ungewiss,<br />

aber im Unerwarteten liegt<br />

auch <strong>das</strong> ganze Vergnügen.<br />

Was halten Sie davon, haben Sie<br />

Lust bekommen, sich in die Wellen<br />

zu stürzen? O<strong>der</strong> träumen Sie von<br />

etwas hoch oben im blauen Himmel?<br />

Sehen Sie, so sind wir alle – die<br />

einen verzaubert die Unbeständigkeit<br />

des Wassers, die an<strong>der</strong>en ziehen<br />

Höhe o<strong>der</strong> Geschwindigkeit an.<br />

Ich selbst wurde seit Kindesalter im<br />

Geist des Ausprobierens erzogen –<br />

wenn du nichts ausprobierst, wirst<br />

du auch nichts erfahren. Ich habe<br />

mich aber auch davon überzeugt,<br />

<strong>das</strong>s man in einigen Fällen auch<br />

aufhören können muss. Meine<br />

nächste Erprobung bezieht sich auf<br />

die Vergnügungen, die Luft, Höhe<br />

und Raum bieten. Erinnern Sie sich,<br />

hier geht es um ungewöhnliche<br />

aktive Lebensweisen, also habe ich<br />

lange unter den verschiedensten<br />

Möglichkeiten, sich <strong>das</strong> Genick zu<br />

brechen, gesucht. Da ich aber von<br />

Grund auf unter Höheangst leide,<br />

habe ich mich entschlossen, mit einem<br />

kleinen Schritt nach oben zu<br />

beginnen. Ich hoffe, <strong>das</strong>s mich <strong>das</strong><br />

bis an die <strong>Wolke</strong>n bringt!<br />

Weiter, tiefer, heiterer; wenn Sie die<br />

Grundlagen beherrschen, einige<br />

Misserfolge erfahren und freudig<br />

auf vielen Wellen geritten sind, dann<br />

werden Sie zu neuen Taten schreiten.<br />

Früher o<strong>der</strong> später werden Sie sich<br />

für mehr als nur <strong>das</strong> saubere Wellenreiten<br />

interessieren, <strong>der</strong> Hunger nach<br />

Kunststücken wird kommen und Sie<br />

sollten sich auf gar keinen Fall bremsen.<br />

Eine gelungene Drehung in <strong>der</strong><br />

Luft verleiht dem Bodyboar<strong>der</strong><br />

© Thinkstock (3)<br />

21


sailor<br />

Über Bodyboarding / Boogie Boarding<br />

Wenn man von Bodyboards spricht, muss man<br />

zwangsläufig bei Tom Morley beginnen, da niemand<br />

an<strong>der</strong>s als er 1971 <strong>das</strong> erste Brett zusammengeklebt<br />

(im wahrsten Sinne des Wortes) und getestet hat.<br />

Der damalige Surfboard-Schöpfer<br />

mit Ingenieurbildung machte in Hawaii<br />

Urlaub und entwarf neue Surfboard-Designs.<br />

Eines Tages dachte<br />

er beim Blick auf die idealen Wellen,<br />

<strong>das</strong>s er sie gern ausprobieren würde.<br />

Er hatte allerdings nur ein kaputtes<br />

Surfbrett dabei, eine nicht geglückte<br />

Erfindung, die zu lang war und beim<br />

Test im Wasser beschädigt wurde. Von<br />

<strong>der</strong> Idee eingenommen und von <strong>der</strong><br />

Inspiration erfasst, schnitt er <strong>das</strong> Brett<br />

mit einem elektrischen Messer entzwei<br />

und erhitzte mit einem Bügeleisen<br />

den Schaumkunststoff, aus dem<br />

<strong>das</strong> Surfbrett bestand, bis <strong>das</strong> Brett<br />

die gewünschte Form erhielt. Zur<br />

Aufnahme <strong>der</strong> Hitze verwendete er<br />

Zeitungen. Danach ging er mit dem<br />

kurzen Brett von ungesehener Form<br />

unter dem Arm zum Strand, um es<br />

in den Wellen zu testen. So entstand<br />

<strong>der</strong> Bodyboarding-Sport. Ich würde<br />

sagen, Gott sei Dank, <strong>das</strong>s es auf <strong>der</strong><br />

Welt solche erstaunlichen „Verrückten“<br />

wie Tom Morley gibt, dank <strong>der</strong>er<br />

wir uns an solchen erfolgreichen<br />

Erfindungen wie dem Bodyboard erfreuen<br />

können.<br />

Die ersten Bodyboards waren billig<br />

und erschwinglich, weshalb dieser<br />

Wassersport viele Enthusiasten um<br />

sich scharte: erfahrene und eher<br />

unerfahrene, die sich in die heranrollenden<br />

Wellen stürzen wollten.<br />

Das gefiel den Surfern nicht sehr<br />

und sie brachten auf verschiedene<br />

Art und Weise ihren Unmut und<br />

ihre Verachtung gegenüber den<br />

ihrer Meinung nach nicht gleichwertigen<br />

Wellenräubern zum Ausdruck.<br />

Bodyboarding als Sportart<br />

war jedoch auf dem Vormarsch<br />

und erblühte, und 1979 fand <strong>der</strong><br />

erste professionelle Wettbewerb<br />

am Huntington <strong>Be</strong>ach in Kalifornien<br />

(USA) statt.<br />

22


Score<br />

© Thinkstock (3)<br />

Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />

Ziel zu erreichen.<br />

Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />

die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

23


explorer<br />

24<br />

Für diejenigen,<br />

die sich nach<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

in <strong>der</strong><br />

LUFT sehnen.<br />

Slacklining –<br />

was soll <strong>das</strong><br />

sein?<br />

© Thinkstock (3)


In <strong>der</strong> Kindheit haben wir es alle gemocht, über schmale<br />

Stege, Stämme o<strong>der</strong> sogar über Gelän<strong>der</strong> zu laufen.<br />

Warum sollte man<br />

sich mit Slacklining<br />

beschäftigen?<br />

Ich bin auf alle nicht zu hohen Mauern<br />

geklettert und die Hände zu den<br />

Seiten ausgestreckt bin ich auf ihnen<br />

balanciert, bloß ein falscher Schritt<br />

zwang mich, herunterzuspringen<br />

o<strong>der</strong> die ausgestreckte Hand meiner<br />

Mutter zu ergreifen. Das war eines<br />

von vielen Spielen, die ich mochte,<br />

die ich aber einfach vergessen habe.<br />

Zwei erwachsene Felsenkletterer aus<br />

Kalifornien haben diese kindlichen<br />

Vergnügungen jedoch nicht vergessen<br />

und mögen es, auf schwingenden<br />

Ketten, die zum Absperren von<br />

Plätzen verwendet werden, zu gehen<br />

und zu balancieren. Man kann sich<br />

fragen, was hier so erstaunlich ist, wer<br />

von uns ist denn noch nicht auf eine<br />

solche Kette geklettert. Aber ist es<br />

Ihnen gelungen, sie von Anfang bis<br />

Ende zu beschreiten, mit <strong>der</strong> richtigen<br />

Balance und ohne <strong>das</strong> Gleichgewicht<br />

zu verlieren?!<br />

Die beiden Kalifornier, die von <strong>der</strong><br />

Erfahrung ihrer Spiele so entzückt<br />

waren, haben sich entschlossen, die<br />

neu entdeckte <strong>Be</strong>schäftigung zu perfektionieren.<br />

Dafür haben sie Webegurte<br />

benutzt, die zum Felsenklettern<br />

eingesetzt werden, sie zwischen zwei<br />

stützenden Punkten angebracht und<br />

so wurde ein neuer Sport ins Leben<br />

gerufen – <strong>das</strong> mo<strong>der</strong>ne Slacklining,<br />

<strong>das</strong> sich später in <strong>der</strong> ganzen Welt<br />

verbreitete.<br />

Wie Sie bereits verstanden haben, ist<br />

es ein Balanciersport, eine Art des Gehens<br />

auf einem Seil. Nur in diesem Fall<br />

ist <strong>das</strong> spezifische Nylonband flach<br />

und nicht rund wie ein Seil. Es ist weniger<br />

gespannt, sehr elastisch und<br />

dynamisch. Die Fortbewegung auf einem<br />

solchen Band ist nicht einfach, da<br />

es auf Gewicht und die kleinste <strong>Be</strong>wegung<br />

reagiert, indem es sich spannt<br />

und schwankt, als wäre es ein langes<br />

schmales Trampolin. Ungeachtet dessen<br />

sind erfahrene <strong>Be</strong>nutzer in <strong>der</strong><br />

Lage, nicht nur von einem Ende des<br />

Bandes zum an<strong>der</strong>en zu ge<strong>langen</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n auf ihm auch die schwierigsten<br />

Kunststücke auszuführen, beispielsweise<br />

ein Rad zu schlagen o<strong>der</strong><br />

einen Spagat zu machen, o<strong>der</strong> einen<br />

doppelten Salto zu vollziehen, ohne<br />

dabei den Boden zu berühren.<br />

Man sollte natürlich bei kleineren<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen beginnen, und<br />

nachdem man Selbstvertrauen und<br />

Verständnis davon erlangt hat, wie<br />

<strong>das</strong> auf den ersten Blick nicht zu bändigende<br />

Band sich verhält, kann man<br />

zu solchen Dingen wie dem Balancieren<br />

auf einem <strong>Be</strong>in, dem Rückwärtsgehen,<br />

<strong>der</strong> Drehung, <strong>der</strong> Hüpfbewegung<br />

u. Ä. übergehen. Am meisten<br />

hat mich <strong>das</strong> Kunststück des Surfens<br />

interessiert, <strong>das</strong> jedem Anfänger als<br />

totaler Kosmos erscheint, aber nun<br />

bin ich fast am Ziel und nach dem Filmen<br />

scheint es, <strong>das</strong>s mein Oberkörper<br />

in <strong>der</strong> Luft hängt und mein Unterkörper<br />

sich wild zu den Seiten bewegt, so<br />

als ob ich auf Wellen reiten würde. Ich<br />

würde sagen, <strong>das</strong> ist <strong>der</strong> <strong>Be</strong>weis, <strong>das</strong>s<br />

ich ein durchschnittliches Slacklining-<br />

Niveau erreicht habe.<br />

Weil es eine beson<strong>der</strong>s heitere <strong>Be</strong>schäftigung<br />

ist, die jedem, <strong>der</strong> in<br />

<strong>der</strong> Lage ist sich zu bewegen, zugänglich<br />

ist. Diese <strong>Be</strong>schäftigung<br />

erfor<strong>der</strong>t keine großen Investitionen,<br />

viel Zeit o<strong>der</strong> Vorbereitung<br />

– lediglich den Willen dazu. Man<br />

muss es nur einmal probieren und<br />

man wird immer wie<strong>der</strong> auf dieses<br />

seltsame schwingende Band<br />

steigen wollen. Ich weiß nicht, wo<br />

hier die Magie versteckt ist, aber<br />

diese <strong>Be</strong>schäftigung hat mich vollständig<br />

in ihren Bann gezogen. Es<br />

ist ein anstecken<strong>der</strong> Sport, dessen<br />

positive Energie sich auf alle alltäglichen<br />

<strong>Be</strong>schäftigungen überträgt,<br />

und <strong>das</strong> ist ein riesiger Ansporn<br />

zum Fortschreiten und zur Verbesserung.<br />

Zu Anfang wird allein <strong>der</strong> Versuch,<br />

auf <strong>das</strong> Seil zu steigen, sicher in<br />

einem Fiasko enden, aber nach einiger<br />

Zeit wird sich Ihr Körper entspannen,<br />

und es sind praktisch nur<br />

einige Probedurchgänge nötig, um<br />

sich zu kontrollieren und auf <strong>das</strong><br />

Band zu steigen. Danach erfor<strong>der</strong>t<br />

es einige Stunden, um zu stehen,<br />

länger und länger, bis es letzten<br />

Endes möglich sein wird, sich zu<br />

bewegen und auf diesem instabil<br />

erscheinenden Ding zu gehen.<br />

Der Gleichgewichtssinn ist dem Menschen<br />

angeboren, aber im Laufe des<br />

Lebens schwächt diese Eigenschaft<br />

aus verschiedenen Gründen in uns<br />

ab. <strong>Be</strong>reits nach einigen Wochen<br />

kurzer Probedurchgänge auf <strong>der</strong><br />

Slackline werden Sie beobachten,<br />

wie Ihre Haltung sich verbessert hat.<br />

Sogar mein Rückenschmerz (ein altes<br />

Trauma), <strong>der</strong> mich abends im<br />

<strong>Be</strong>tt gequält hat, war verschwunden.<br />

Das Wichtigste ist, <strong>das</strong>s alle<br />

Verän<strong>der</strong>ungen geschahen, ohne<br />

<strong>das</strong>s ich einen Tropfen Schweiß vergießen<br />

musste.<br />

25


explorer<br />

Eine gefährliche<br />

<strong>Be</strong>schäftigung<br />

Wenn Sie sich psychologisch mit dem<br />

Band anfreunden, dann verstehen<br />

Sie, <strong>das</strong>s Sie mit angespanntem Verstand<br />

Ihren Körper nicht kontrollieren<br />

können, und <strong>das</strong> überträgt sich auch<br />

automatisch auf <strong>das</strong> Band – dann bewegt<br />

es sich unkontrolliert und nichts<br />

klappt. Nach und nach wird <strong>der</strong><br />

Wunsch, sich auf dem Band zu halten,<br />

alle an<strong>der</strong>en Sorgen überlagern, die<br />

Ihnen im Kopf herumgegangen sind,<br />

und dann kommt die Entspannung.<br />

Sie werden flexibler, können sich kontrollieren<br />

und im Ergebnis wird Ihnen<br />

<strong>das</strong> ein erstaunliches Gefühl von Freiheit<br />

geben. Sie werden auf die Slackline<br />

steigen und wissen, <strong>das</strong>s sie die<br />

Situation voll im Griff haben, denn wie<br />

Sie eine Vibration o<strong>der</strong> ein Schwanken<br />

verursacht haben, so können Sie<br />

beides wie<strong>der</strong> stoppen. Der Verstand<br />

wird mit <strong>der</strong> Muskulatur zusammenarbeiten.<br />

Es ist eine ungewöhnlich<br />

harmonische <strong>Be</strong>schäftigung, insofern<br />

spontan, wie sie es wünschen, und beruhigend<br />

und inspirierend wie Yoga<br />

o<strong>der</strong> Meditation.<br />

Wo soll ich<br />

anfangen?<br />

Eine Ausrüstung für Anfänger können<br />

Sie in jedem beliebigen Sportgeschäft<br />

kaufen, wo es Ausrüstung für Alpinisten<br />

gibt, und dort finden Sie alles,<br />

was benötigt wird, einschließlich <strong>der</strong><br />

einfachen Vorrichtung zum Anspannen<br />

des Bandes. <strong>Be</strong>ginnen können<br />

Sie auch auf dem eigenen Hof (<strong>der</strong><br />

beliebteste Ort für <strong>das</strong> Slacklining),<br />

es werden nur zwei feste Gebilde<br />

benötigt, zwischen denen <strong>das</strong> Band<br />

aufgespannt werden kann. Das können<br />

Bäume, Pfosten o<strong>der</strong> etwas Ähnliches<br />

sein. Die Länge <strong>der</strong> Slackline ist<br />

unterschiedlich – von 3 bis 30 Metern<br />

(für den Anfang sind 5–10 Meter ideal),<br />

abhängig vom Ort. Die Breite des<br />

Bandes beträgt 25 mm, eine Industrienorm,<br />

aber es gibt auch an<strong>der</strong>weitige<br />

Maße. Es besteht aus Nylon und <strong>der</strong><br />

Preis für ein Set liegt bei 50 € aufwärts.<br />

Das wars, weiter nichts!<br />

Wie man es auch sieht – Gefährlichkeit,<br />

wie auch Schönheit, sind eine<br />

sehr subjektive Angelegenheit. Die<br />

meisten Enthusiasten dieser <strong>Be</strong>schäftigung<br />

balancieren und führen<br />

ihre Kunststücke in einer Höhe<br />

von nur 50–60 Zentimetern aus.<br />

Natürlich kann man auch in einer<br />

Suppenschüssel ertrinken und Sie<br />

können sicher sein, <strong>das</strong>s Sie beim<br />

Lernen den Boden mehrmals berühren<br />

werden, und <strong>das</strong> nicht auf<br />

die angenehmste Art und Weise.<br />

Aber meiner Meinung nach ist dies<br />

ein Sport, <strong>der</strong> nicht viel Gefahr bedeutet.<br />

Am Wichtigsten ist es, am<br />

Anfang, wenn Ihr Körper noch völlig<br />

aus Gelee ist und wenn Sie oben<br />

auf dem Band stehen, Ihre Arme die<br />

Luft durchrühren, als wären sie Flügel<br />

einer Windmühle, <strong>das</strong>s Sie auf<br />

den unangenehmen Fall angemessen<br />

vorbereitet wären. Spannen Sie<br />

<strong>das</strong> Band wenigstens über Gras auf,<br />

Sie können auch Heu darunter verteilen,<br />

falls Sie darüber verfügen,<br />

ansonsten genügen auch Matratzen<br />

o<strong>der</strong> etwas, <strong>das</strong> Ihnen sowohl<br />

psychologisch, als auch körperlich<br />

ein Sicherheitsgefühl gibt. Sehr<br />

heiter ist <strong>das</strong> Slacklining am Strand<br />

auf Sand, aber dann dürfen Sie<br />

sich nicht von probierfreudigen<br />

Neugierigen o<strong>der</strong> einfach nur von<br />

Zuschauern aus <strong>der</strong> Ruhe bringen<br />

lassen. Die Anspannung des Bandes<br />

können Sie auch nach ihrem<br />

Niveau an Professionalität regulieren,<br />

und die gesamte Herrichtung<br />

des Trainingsgeländes wird nur<br />

einige Minuten dauern. Überlegen<br />

Sie, ob es nicht toll wäre, Liegestützen<br />

nicht langweilig auf dem Boden,<br />

son<strong>der</strong>n auf einem Seil zu machen<br />

o<strong>der</strong> Lotossitz einen halben<br />

Meter in <strong>der</strong> Luft aufzuführen? Es<br />

klingt unglaublich, aber <strong>das</strong> sind<br />

ganz und gar mögliche Dinge. Man<br />

muss nur wollen und am wichtigsten<br />

– es tun.<br />

26


Freestyle-<br />

Slacklining o<strong>der</strong><br />

Rodeo-Slacklining<br />

Für diese <strong>Be</strong>schäftigung wird <strong>das</strong><br />

gleiche Band verwendet, es wird<br />

nur nicht angespannt. In <strong>der</strong> Mitte<br />

hängt es in einer Höhe von etwa<br />

einem halben Meter und seine Länge<br />

beträgt meistens von 4,5 bis 9<br />

Metern. Diese Freiheit des Bandes<br />

verleiht eine neue Dynamik für<br />

Kunststücke, <strong>das</strong> Band kann in großer<br />

Amplitude schwingen und es<br />

ist wesentlich schwieriger, die Kontrolle<br />

zu er<strong>langen</strong>.<br />

© Thinkstock (2)<br />

© Dreamstime (2)<br />

Variationen des<br />

Slacklining<br />

Tricklining o<strong>der</strong> Lowlining ist die berühmteste<br />

Art des Slacklining, wo die<br />

Kunststücke auf einem in geringer<br />

Höhe aufgespannten Band ausgeführt<br />

werden. Genau über diese Art<br />

haben Sie zuvor gelesen. Ich beschäftige<br />

mich selbst damit und biete auch<br />

Ihnen an, <strong>das</strong> zu tun.<br />

Yoga-Slacklining<br />

Ich denke, <strong>das</strong>s die <strong>Be</strong>zeichnung alles<br />

erklären sollte. Es handelt sich um traditionelles<br />

Yoga übertragen auf ein<br />

elastisches Band. Oh ja, die korrekte<br />

Ausführung <strong>der</strong> Yogapositionen wird<br />

viel schwieriger, und <strong>der</strong> Gleichgewichtssinn<br />

und die Konzentration<br />

erhalten einen neuen Sinn. Es ist wirklich<br />

eine Ausweitung <strong>der</strong> Grenzen <strong>der</strong><br />

eigenen Möglichkeiten.<br />

Waterling<br />

ist eine sehr lustige Art und Weise<br />

über dem Wasser zu balancieren. So<br />

ist es sicherer, neue Kunststücke auszuprobieren,<br />

beson<strong>der</strong>s bei verschiedenen<br />

Saltos in <strong>der</strong> Luft. Wenn man<br />

dabei die Slackline verfehlt hat und<br />

abstürzt, dann ist es recht heiter, natürlich,<br />

wenn <strong>das</strong> Wasser warm ist.<br />

27


explorer<br />

Highlining<br />

ist bereits eine gefährliche Angelegenheit.<br />

Hierbei handelt es sich um<br />

Slacklining, <strong>das</strong> nicht nur in <strong>Be</strong>zug auf<br />

die Entfernung, die es zu bewältigen<br />

gilt, als auch auf die Höhe, in <strong>der</strong> <strong>das</strong><br />

Band gespannt wird, eindrucksvoll<br />

ist. Meistens ist es keine einfache, son<strong>der</strong>n<br />

eine speziell befestigte Slackline.<br />

Und die Orte, die bei denjenigen, die<br />

sich auf diese extreme Weise ausprobieren<br />

wollen, liegen meisten hoch<br />

in den <strong>Be</strong>rgen, wo es viele Schluchten<br />

gibt o<strong>der</strong> neben <strong>Be</strong>rgmassiven<br />

ein einsamer Felsen aufragt, und <strong>das</strong><br />

Band wird benutzt, um sie zu verbinden<br />

(z. B. Lost Arrow Spire in Kalifornien<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Be</strong>rg Kjerag in Norwegen).<br />

Kennen Sie einen ähnlichen<br />

Ort? Bitte, dann ist <strong>der</strong> Spaziergang<br />

über dem Abgrund vorbereitet!<br />

Der längste bewältigte Rekord im<br />

Highlining wurde im vorigen Jahr aufgestellt<br />

und beträgt 86 Meter, und <strong>der</strong><br />

Rekord im Slacklining beträgt sogar<br />

306,8 Meter. Am höchsten wurde <strong>das</strong><br />

Band in einer Höhe von 1000 Metern<br />

aufgespannt und überquert. Nein,<br />

<strong>das</strong> sind nicht zu viele Nullen, übrigens<br />

ist es ein Rekord aus dem Jahr 2007.<br />

Fehlt es Ihnen vielleicht an Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

im Leben und möchten Sie<br />

es verbessern? Haben Sie keine Angst,<br />

meistens leinen sich diese verrückten<br />

Deardevils mit Spezialseilen an. Es gibt<br />

aber auch Slackliner, die in unglaublicher<br />

Höhe ohne Sicherungsvorrichtung<br />

unterwegs sind.<br />

Enthusiasten mögen übrigens auch<br />

hohe Gebäude, was man als Urbanistic<br />

Highlining bezeichnet, und bekommen<br />

es ab und zu mit den Rechtsbehörden<br />

zu tun. Na, es ist ja auch nicht<br />

ganz legal, sein Band zwischen <strong>Wolke</strong>nkratzern<br />

aufzuspannen, in Sprüngen<br />

darauf zu balancieren und damit<br />

die kleinen Bürger am Boden zu erschrecken,<br />

obwohl die „Hooligans“<br />

selbst darin keinen Kriminalfall sehen.<br />

Wie Sie also verstanden haben, kennt<br />

Perfektion keine Grenzen. Sie können<br />

nach oben streben o<strong>der</strong> Ihre Technik<br />

am Boden perfektionieren, je<strong>der</strong>, wie<br />

er es wünscht.<br />

Zeit sich zu<br />

bewegen<br />

Ich denke, Sie haben jetzt zu <strong>Land</strong>,<br />

auf dem Wasser und in <strong>der</strong> Luft die<br />

Wahl. Alle <strong>Be</strong>schäftigungen, über<br />

die Sie gerade gelesen haben, sind<br />

heiter und erschwinglich. Aber<br />

bevor Sie nicht am eigenen Leib<br />

ausprobieren, was es bedeutet,<br />

harmonisch mit einer brechenden<br />

Welle zu gleiten, o<strong>der</strong> mit einem<br />

Trikke zur Arbeit zu fahren, anstatt<br />

einer langweiligen Fahrt mit dem<br />

Bus o<strong>der</strong> mit dem Auto, o<strong>der</strong> sicher<br />

auf einem sich gefährlich bewegenden<br />

Band umherzuspringen und<br />

von Ihren Freunden vor Entzücken<br />

beklatscht zu werden – solange Sie<br />

Ihren Hintern nicht in <strong>Be</strong>wegung<br />

versetzen, wird die Harmonie und<br />

<strong>das</strong> echte Vergnügen Ihnen fremd<br />

sein.<br />

Am Wichtigsten ist es, sich die geeignete<br />

<strong>Be</strong>schäftigung auszusuchen,<br />

sie auszuprobieren, nicht<br />

den Kopf hängen zu lassen und fest<br />

daran zu glauben, <strong>das</strong>s Ihre Augen<br />

eines Tages erleuchtet werden, und<br />

dann benötigen Sie keine <strong>Be</strong>weise<br />

mehr. Sie werden wissen, <strong>das</strong>s dies<br />

genau für sie geeignet ist.<br />

Und jetzt ist es für mich an <strong>der</strong> Zeit,<br />

meine steife Muskulatur in <strong>Be</strong>wegung<br />

zu versetzen. Nur was soll ich<br />

wählen: Trikke o<strong>der</strong> Slacklining?<br />

Zu den Wellen muss man etwas<br />

fahren und heute schaffe ich <strong>das</strong><br />

nicht mehr. Na, dann soll es Slacklining<br />

zum Aufwärmen und Trikke<br />

zum Entladen sein.<br />

Auf Wie<strong>der</strong>sehen und viel Erfolg!<br />

28


29<br />

© Dreamstime (2)


explorer<br />

Über Slacklining<br />

Das Gehen auf einem gespannten Seil (tightrope walking) besteht in <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Form schon mehrere tausend Jahre, aber <strong>das</strong> Slacklining – <strong>das</strong> Balancieren<br />

und Ausführen von Kunststücken auf einem elastischen Nylonband, <strong>das</strong> zwischen<br />

zwei Punkten aufgespannt ist, entstand vor gerade einmal dreißig Jahren.<br />

Diese <strong>Be</strong>schäftigung haben viele<br />

Menschen lieb gewonnen, die auf<br />

<strong>der</strong> Suche nach einer ausdrucksstarken,<br />

heiteren und erschwinglichen<br />

Sportart sind. Und wer die Höhe liebt,<br />

passte Slackline an, um sich in halsbrecherischer<br />

Höhe auf die Probe zu<br />

stellen (highlining). Meistens leinen<br />

sich diese Höhen- und Adrenalinfanatiker<br />

beim Balancieren auf dem Band<br />

über einem Abgrund <strong>der</strong> Welt zur Sicherheit<br />

an, aber es gibt auch solche<br />

wie Dean Potter. Dieser einzigartige<br />

verwegene Mann spürt den unbesiegbaren<br />

Wunsch, in hun<strong>der</strong>ten Metern<br />

Höhe zu gehen – frei, unbeengt<br />

von Kleidung o<strong>der</strong> Sicherungsvorrichtungen<br />

– einfach barfuß, ohne<br />

Shirt, nur mit einer Jeans bekleidet.<br />

Er setzt einen Fuß nach dem an<strong>der</strong>en<br />

auf <strong>der</strong> Slackline und jagt dabei<br />

vielen Menschen einen Schauer über<br />

den Rücken: nicht nur einfachen<br />

Menschen, für die ein solch exzentrisches<br />

<strong>Be</strong>nehmen und Wahnsinn<br />

<strong>das</strong> Gleiche bedeuten, son<strong>der</strong>n auch<br />

eingeschworenen Höhenfliegern,<br />

von denen die meisten <strong>der</strong> Meinung<br />

sind, <strong>das</strong>s solche Unachtsamkeit (<strong>das</strong><br />

Gehen auf <strong>der</strong> Slackline ohne Schutzvorrichtung)<br />

einen Schatten auf den<br />

im Prinzip sicheren Highlining-Sport<br />

wirft. Der siebenunddreißig Jahre<br />

alte Amerikaner selbst behauptet,<br />

<strong>das</strong>s er nie die Kontrolle verliert und<br />

darauf vorbereitet ist, <strong>das</strong> Band zu ergreifen,<br />

wenn er nur etwas mehr zur<br />

einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite schwanken<br />

sollte. Wenn man seine „Auftritte“ betrachtet,<br />

dann scheint es, als würde<br />

er beim Balancieren meditieren o<strong>der</strong><br />

gar spielen.<br />

Dean lebt als Einsiedler in <strong>der</strong> wilden<br />

Natur: in Felsen o<strong>der</strong> unter Bäumen,<br />

und obwohl er ständig von Nachahmern<br />

und Neugierigen beobachtet<br />

wird, scheint es, <strong>das</strong> ihn dieses Verhalten<br />

nicht einengt o<strong>der</strong> interessiert.<br />

Unter Extremsportlern ist Dean Potter<br />

als talentierter Alpinist, B.A.S.E.-Springer,<br />

Felsenkletterer und Highliner<br />

weltweit bekannt. Ansonsten sagt er,<br />

<strong>das</strong>s seine Wertvorstellungen denen<br />

<strong>der</strong> meisten Menschen ähnlich sind,<br />

d. h. für ihn zählen Liebe, Wahrheit,<br />

Respekt und <strong>der</strong> Wunsch nach Vergnügen.<br />

Man muss jedoch eingestehen,<br />

<strong>das</strong>s <strong>der</strong> <strong>Be</strong>griff Vergnügen sehr<br />

weit gefasst ist.<br />

Score<br />

Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />

Ziel zu erreichen.<br />

Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />

Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />

Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />

die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

30


Impressum<br />

Verlag<br />

Extreme Media House GmbH<br />

Vingriu ,13-19<br />

01141 Vilnius<br />

info@extrememh.eu<br />

Redaktion<br />

Arūnas Butkus (Chefredakteur)<br />

Tel. +370687 57732<br />

arunas@extrememh.eu<br />

Laurynas Rimeikis<br />

laurynas@extrememh.eu<br />

Dalius Rakutis<br />

dalius@extrememh.eu<br />

Autoren<br />

Viktorija Butautis<br />

Gediminas Galkauskas<br />

Ovidijus Ruškys<br />

Übersetzer<br />

Christian Ricardo Fedeler<br />

Vida Kaluza<br />

Text Herausgeber<br />

Giedra Zokaitytė<br />

Layout<br />

RZidea<br />

Algirdo str. 31-503<br />

LT-03219 Vilnius, Lithuania<br />

Tel./fax +370 5 26 16 922<br />

Mob. +370 676 07 257<br />

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www.rzidea.lt<br />

Lina Petrovaitė (designer)<br />

Bil<strong>der</strong><br />

Anzeigenverkauf<br />

info@extrememh.eu<br />

Diese Zeitschrift und alle in ihr enthalten einzelnen <strong>Be</strong>iträge und<br />

Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb<br />

<strong>der</strong> engen Grenzen des Uhrheberrechtsgesetzes bedarf <strong>der</strong><br />

Zustimmung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />

und Fotos wird keine Haftung übernommen.<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

© Thinkstock (4)<br />

31


explorer<br />

<strong>Aotearoa</strong>* –<br />

<strong>das</strong> <strong>Land</strong> <strong>der</strong> <strong>langen</strong><br />

weiSSen <strong>Wolke</strong><br />

Text Viktorija Butautis<br />

32


Wie alles begann<br />

Es gibt viele Wege, sich <strong>der</strong> Anspannung, bekommenen<br />

Stimmung und sogar Depression zu entledigen.<br />

Man kann einfach Medikamente nehmen<br />

o<strong>der</strong> mit Freunden feiern, man<br />

kann sich auch Yoga, Meditation o<strong>der</strong><br />

Tai Chi zuwenden. Das hat mir jedoch<br />

nicht mehr genügt, eine grundlegende<br />

Verän<strong>der</strong>ung in meinem gesamten<br />

Umfeld musste geschehen.<br />

Eines Abends, als ich die Tür des Büros<br />

schloss, habe ich verstanden, <strong>das</strong>s ich<br />

so einfach nicht mehr leben kann. Der<br />

Motor war ausgegangen, ich wollte<br />

rennen, <strong>das</strong> „Rattenrennen“, die Hast<br />

und ständige Anspannung vergessen.<br />

Ich wollte <strong>das</strong> Leben und seine<br />

erfrischende Kraft spüren. Ich bekam<br />

keine Luft – in je<strong>der</strong> Hinsicht.<br />

Ich bin Derek Rock, über vierzig, und<br />

jetzt fühle ich mich hervorragend. <strong>Be</strong>i<br />

<strong>der</strong> Entscheidung kam mir <strong>der</strong> Zufall<br />

zu Hilfe. Ich denke, <strong>das</strong>s es im Leben<br />

oft so geschieht, wenn die Situation<br />

völlig hoffnungslos wird, dann taucht<br />

<strong>der</strong> Ausweg direkt vor <strong>der</strong> Nase auf<br />

und man muss ihn nur nutzen. <strong>Be</strong>im<br />

abendlichen Durchschalten <strong>der</strong> Fernsehprogramme<br />

habe ich jemanden<br />

gesehen, <strong>der</strong> durch die Luft fliegt. Er<br />

hatte keine Flügel, saß in keinem Apparat<br />

und nichts hat ihn aufgehalten,<br />

– er flog durch die Luft, die Arme zu<br />

den Seiten ausgestreckt, und in seinem<br />

Gesicht wi<strong>der</strong>spiegelte sich ein<br />

<strong>der</strong>artiges Gefühl von Freiheit, <strong>das</strong>s<br />

ich hypnotisiert von diesem Anblick<br />

erstarrte. Plötzlich wurde mir klar,<br />

auch ich brauche etwas Ähnliches:<br />

Von einer Brücke springen, diese Freiheit<br />

und emotionelle Entladung spüren,<br />

die ein solcher Sprung mit sich<br />

bringen kann. Ich hatte nicht vor, mir<br />

<strong>das</strong> Leben zu nehmen, schnappte mir<br />

den Globus und habe mir irgendwo<br />

von Europa entfernt liegende Inseln<br />

gesucht.<br />

Neuseeland ist ein Ort <strong>der</strong> extremen<br />

und völlig bizarren Vergnügungen,<br />

die Welthauptstadt <strong>der</strong> Abenteuer,<br />

ein <strong>Land</strong>, <strong>das</strong> Tausenden nach Adrenalin<br />

dürstenden Menschen die<br />

Möglichkeit gegeben hat, dieses einmalige<br />

Gefühl zu verspüren, wenn<br />

<strong>das</strong> Herz scheinbar vor Überlastung<br />

stillsteht, die Sekunde, nach <strong>der</strong> Leben<br />

einen neuen Pulsschlag erhält.<br />

Freiheit, Energie, LEBEN.<br />

Meine Augen strahlten auf und nach<br />

einigen Tagen saß ich im Flugzeug,<br />

bis ich nach dreimaligem Umsteigen<br />

dort ankam, wo mich eine Ladung<br />

schockieren<strong>der</strong> Emotionen erwartete.<br />

Die Reise dauerte an<strong>der</strong>thalb Tage,<br />

was nicht zu den angenehmsten Dingen<br />

gehört, aber glauben Sie mir, für<br />

die Sorgen ist es auch ein langer Weg<br />

und sie haben sich irgendwo unterwegs<br />

verirrt. Die furchtbare Entfernung<br />

kam mir zu Gute. Ich bin auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite des Planeten gelandet,<br />

auf <strong>der</strong> Südhalbkugel, wo sogar <strong>der</strong><br />

Himmel und die Sternbil<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s<br />

sind. Eben so einen Ausbruch hatte<br />

ich nötig.<br />

New Zealand<br />

(NZ) aus <strong>der</strong> Nähe<br />

Auf meiner Reise nach Neuseeland<br />

wusste ich nur so viel, <strong>das</strong>s ich mich<br />

dort in atemberaubende Vergnügungen<br />

verlieben kann und <strong>das</strong>s<br />

es dort mehr Schafe als Menschen<br />

gibt. Genaueren Angaben zufolge<br />

bezeichnen etwa 39 Millionen Schafe<br />

und nur vier Millionen Menschen<br />

die grünen Hügel <strong>der</strong> Insel als ihr<br />

Zuhause, und <strong>das</strong> bedeutet, <strong>das</strong>s<br />

dieses <strong>Land</strong> eines <strong>der</strong> am dünnsten<br />

besiedelten Gebiete <strong>der</strong> Welt ist.<br />

Schon seit dem Ersten Weltkrieg<br />

werden die Einwohner von NZ auf<br />

<strong>der</strong> Welt Kiwis genannt, obwohl<br />

dies eigentlich <strong>der</strong> Name des neuseeländischen<br />

Nationalsymbols<br />

– eines Vogels ist. Der Kiwi fliegt<br />

nicht und hat ungefähr die Größe<br />

eines Huhns. Seinen Namen erhielt<br />

er durch die Laute, die er ausstößt,<br />

welche für die ersten Einwohner,<br />

die Maori, ähnlich k<strong>langen</strong> wie<br />

„kiwi kiwi kiwi“.<br />

© Thinkstock (3)<br />

33


explorer<br />

Es wurde nicht genau festgestellt,<br />

wann die ersten Einwohner <strong>der</strong> Ostpolynesischen<br />

Inseln, die später zu Maori<br />

wurden, auf diesem fruchtbaren<br />

Kontinent auftauchten. Man ist <strong>der</strong><br />

Meinung, <strong>das</strong>s dies ungefähr im Jahr<br />

1200 geschehen ist. Die Entstehung<br />

des Kontinents selbst ist von Mythen<br />

und Legenden umwoben, die davon<br />

sprechen, <strong>das</strong>s vor langer Zeit, nachdem<br />

die Welt geschaffen wurde, <strong>der</strong><br />

Halbgott Maui gemeinsam mit seinen<br />

fünf Brü<strong>der</strong>n auf Fischfang ging. Weit,<br />

weit draußen auf dem Ozean zückte<br />

Maui seinen Wun<strong>der</strong>haken, <strong>der</strong> aus<br />

dem Kiefer <strong>der</strong> Großmutter gefertigt<br />

war, und anstelle des Kö<strong>der</strong>s bestrich<br />

er den Haken mit dem Blut aus seiner<br />

Nase, befestigte den Haken an einem<br />

beson<strong>der</strong>s dicken Strick, warf ihn<br />

über den Rand des Kanus ins Wasser<br />

und wartete auf den Fang. Kurz darauf<br />

fing Maui einen ungewöhnlich<br />

großen Fisch, den er dank großer<br />

<strong>Be</strong>mühungen an die Oberfläche zog.<br />

Dieser Fisch wurde zur Nordinsel Neuseelands,<br />

von den Maori des Altertums<br />

„Te Ika a Maui“ (Fisch von Maui)<br />

genannt, und <strong>das</strong> Kanu des Halbgottes<br />

wurde zur Südinsel, die „Te Waka<br />

o Maui“ (Kanu von Maui) genannt<br />

wurde.<br />

Heutzutage machen die Maori etwa<br />

14 % <strong>der</strong> Einwohner Neuseelands aus<br />

und ihre <strong>Be</strong>völkerung wächst. Im <strong>Land</strong><br />

gibt es zwei offizielle Sprachen – Englisch<br />

und Maori, wobei jedoch nur 10–<br />

20 % <strong>der</strong> Maori ihre Sprache fließend<br />

beherrschen, obwohl alle Englisch<br />

sprechen. Die Traditionen <strong>der</strong> Maori<br />

sind lebendig, im Gebrauch und auch<br />

in <strong>der</strong> Gegenwart sichtbar. Die auf<br />

<strong>der</strong> Nordinsel befindliche Stadt Rotorua<br />

zeichnet sich durch eine hohe<br />

Maori-<strong>Be</strong>völkerung aus und ist <strong>der</strong><br />

beste Ort, um sich mit dieser reichen<br />

und höchst interessanten Kultur aus<br />

<strong>der</strong> Nähe vertraut zu machen. Trotz<br />

eines kommerziellen <strong>Be</strong>igeschmacks<br />

lohnt es sich wirklich zu investieren<br />

(ab 90 NZD) in <strong>das</strong> „Hangi“-Fest und<br />

den Auftritt <strong>der</strong> Maori, wobei Sie <strong>das</strong><br />

traditionelle Maori-Dorf „marae“ besuchen<br />

und „haka“, einen erstaunlichen<br />

Tanz, erleben werden. Es hat<br />

keine Ähnlichkeit mit dem, was Sie sich<br />

unter einem Tanz vorstellen, son<strong>der</strong>n<br />

es ist eher ein recht erschreckendes<br />

Schauspiel, <strong>das</strong> traditionell mit einer<br />

<strong>Be</strong>schwörung vor dem Kontakt mit<br />

dem Feind o<strong>der</strong> nach dem Sieg in <strong>der</strong><br />

Schlacht vollzogen wird. Sogar die<br />

Rugby-Mannschaft von NZ, die „All<br />

Blacks“ (www.allblacks.com), vollziehen<br />

vor ihren Wettkämpfen einen beson<strong>der</strong>en<br />

„haka“. Sie wollen dadurch<br />

Kraft und Stärke sammeln und zugleich<br />

auch die Gegner erschrecken.<br />

Es ist ein sagenhafter Anblick, an den<br />

Sie sich lange erinnern werden: Große<br />

und mächtige Männer, zum Teil Maori,<br />

schreien Ihnen aus ganzer Kraft<br />

unverständliche, aber viel bedeutende,<br />

Worte zu und führen synchron<br />

bedrohliche <strong>Be</strong>wegungen aus. Und<br />

all dies vollenden sie mit einer Handbewegung,<br />

die mit nichts zu verwechseln<br />

ist – sie zeigt <strong>das</strong> Durchschneiden<br />

<strong>der</strong> Kehle, also möchte man ihnen<br />

so schnell wie möglich aus dem Weg<br />

gehen. Ich denke, <strong>das</strong>s viele gegnerische<br />

Mannschaften auf die eine o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e Weise unter Stress leiden,<br />

wenn sie diesen sehr aggressiv eingestellten<br />

Gegnern gegenüber stehen,<br />

die auf mystische Weise den Sieg<br />

heraufbeschwören. Die Menschen in<br />

Neuseeland sind völlig verrückt nach<br />

Rugby und jede Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong> „All<br />

Blacks“ in <strong>der</strong> Weltarena kommt einer<br />

Nationaltrauer gleich.<br />

34


Wann man reisen<br />

sollte<br />

Es gibt einige Dinge, die Sie bei<br />

<strong>der</strong> Reise nach Neuseeland wissen<br />

sollten: Das Meeresklima <strong>der</strong> Insel<br />

bewirkt plötzliche Wetterverän<strong>der</strong>ungen.<br />

Was am Morgen aussieht<br />

wie ein schöner sonniger Tag, kann<br />

bereits am Nachmittag in grollenden<br />

Regen umschlagen, weshalb<br />

Sie immer etwas wärmere Kleidung<br />

bei sich haben sollten, ungeachtet<br />

<strong>der</strong> Jahreszeit und Ihrer wichtigen<br />

persönlichen Meinung. <strong>Be</strong>son<strong>der</strong>s<br />

wichtig ist dies bei einer Wan<strong>der</strong>ung<br />

in den <strong>Be</strong>rgen.<br />

Die warme Jahreszeit beginnt im<br />

November und besteht bis April,<br />

aber falls Sie den Wunsch nach<br />

Erholung haben und sich nicht in<br />

<strong>langen</strong> Sch<strong>langen</strong> von Wohnwagen<br />

mit kriegerisch gesinnten Eltern<br />

und ihren kreischenden Nachkommen<br />

herumdrängeln wollen,<br />

würde ich raten, den Dezember<br />

und die erste Hälfte des Januars<br />

an<strong>der</strong>swo zu verbringen, denn zu<br />

dieser Zeit haben die Kin<strong>der</strong> von<br />

NZ Sommerferien. Glauben Sie mir,<br />

die Kiwis bleiben nicht zuhause, sie<br />

mögen es zu reisen, Sport zu treiben<br />

und sich auf Erkenntnisreisen<br />

durch ihr <strong>Land</strong> zu erholen, weshalb<br />

man den Kalen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Nationalfeiertage<br />

und den Ferienkalen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong> vor <strong>der</strong> Planung <strong>der</strong> Reise<br />

im Auge behalten sollte.<br />

Meiner Meinung nach sind die etwas<br />

kälteren aber weniger belebten Monate<br />

für die Erforschung Neuseelands<br />

besser geeignet: Oktober / November<br />

im Frühjahr und April / Mai im Herbst.<br />

Zu dieser Zeit liegt die Lufttemperatur<br />

bei 15–21 oC, abhängig von dem Ort,<br />

an dem Sie sich aufhalten, jedoch können<br />

Sie mit mehr Regentagen als zur<br />

Sommersaison rechnen, wo die Temperatur<br />

zwischen 20–30 oC schwankt.<br />

Für gewöhnlich liegt die Temperatur<br />

auf <strong>der</strong> Nordinsel um ein paar Grad<br />

höher als auf <strong>der</strong> Südinsel.<br />

Der Winter (Juni, Juli, August) ist die<br />

ideale Zeit für Schneesportliebhaber.<br />

NZ ist einer <strong>der</strong> beliebtesten Orte des<br />

Ski-Sports auf <strong>der</strong> Südhalbkugel. Abhängig<br />

vom Ort kann man bis zum<br />

November Wintersport treiben.<br />

© Thinkstock (6)<br />

35


explorer<br />

Gefahren<br />

Neuseeland ist, wenn man die Welt<br />

betrachtet, kein gefährliches <strong>Land</strong>,<br />

und eine <strong>der</strong> größten Gefahren<br />

kann sein, <strong>das</strong>s Sie nach Ihrem Urlaub<br />

beschließen, dort zu bleiben.<br />

Wahrlich vergessen einige Urlaubsreisende,<br />

die von den schönen<br />

Ansichten und zuvorkommenden<br />

Ortsansässigen eingelullt sind, die<br />

einfachsten Vorsichtsmaßnahmen.<br />

Ich würde dazu raten, stets <strong>das</strong><br />

Auto abzuschließen und alles Vermögen<br />

sowie Wertgegenstände<br />

bei sich zu führen, im schlimmsten<br />

Fall im Kofferraum zu verstauen.<br />

Auf keinen Fall sollten Sie auch<br />

den Ersatzschlüssel im Auto selbst<br />

aufbewahren. Urlauber fallen oft<br />

Dieben zum Opfer, also seien Sie<br />

wachsam und sichern Ihre teuren<br />

Kameras und Fotoapparate.<br />

Das Fahren in Neuseeland ist nicht<br />

schwer, jedoch ist es wichtig, <strong>das</strong>s<br />

man sich auf <strong>der</strong> richtigen Seite befindet<br />

– auf <strong>der</strong> Insel herrscht nicht<br />

Rechts-, son<strong>der</strong>n Linksverkehr,<br />

weshalb unerfahrene Fahrer oft mit<br />

den Scheibenwischern blinken und<br />

ziemlich lange nach dem Rückspiegel<br />

suchen. Die <strong>Be</strong>rgstraßen sind<br />

schmal und steil, deshalb sollten<br />

Sie eine sichere Geschwindigkeit<br />

wählen und sich selbst genügend<br />

Zeit zum Erreichen des Ziels nehmen.<br />

Lastwagen, mit denen man die Straße<br />

teilen muss, können <strong>der</strong> Reise einen<br />

bitteren <strong>Be</strong>igeschmack verleihen,<br />

beson<strong>der</strong>s wenn Sie sich entschieden<br />

haben, einen Teil <strong>der</strong> Strecken mit<br />

dem Fahrrad zu fahren. Wun<strong>der</strong>n<br />

Sie sich nicht, wenn die Fahrer dieser<br />

mächtigen Autos Ihnen buchstäblich<br />

am Hinterrad kleben, Sie offensichtlich<br />

zerquetschen wollen und ständig<br />

die Hupe betätigen, damit Sie taub<br />

werden. Einige PKW-Fahrer können<br />

sich ebenfalls <strong>der</strong> Fahrradfahrer bedienen,<br />

um ihrem Stress und ihrer<br />

Anspannung Luft zu machen, indem<br />

sie den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Gegenstand<br />

in Richtung des, ihrer Meinung<br />

nach, langsam rollenden Fahrzeugs<br />

werfen. Schafe gehören auch zu den<br />

Unfallursachen; sie ignorieren die<br />

Straßenverkehrsordnung völlig und<br />

vergessen Sie nicht, <strong>das</strong>s es viele von<br />

ihnen gibt, weshalb Sie auf den Straßen<br />

außerhalb <strong>der</strong> Stadt beson<strong>der</strong>s<br />

Acht geben müssen.<br />

Das schnell umschlagende Klima<br />

und ein trotteliger, unvorbereiteter<br />

Urlauber kann eine beson<strong>der</strong>s gefährliche<br />

Kombination bedeuten. Ich<br />

möchte betonen, <strong>das</strong>s Ihre persönliche<br />

Wettervorhersage in Neuseeland<br />

im besten Fall für fünfzehn Minuten<br />

Gültigkeit besitzt – merken Sie sich<br />

<strong>das</strong>. Haben Sie immer <strong>das</strong> Handy bei<br />

sich und hoffen Sie darauf, <strong>das</strong>s Sie,<br />

falls notwendig, Netzempfang haben.<br />

Wählen Sie 111 bei je<strong>der</strong> Art von<br />

Notfall.<br />

Gefährliche Geschöpfe wie Giftsch<strong>langen</strong>,<br />

Spinnen, Quallen und AFL-Fußball-Fans<br />

mit seltsamen Regeln strapazieren<br />

Neuseeland nicht und sind<br />

nicht verbreitet wie im benachbarten<br />

Australien. Die Haie bekommen im<br />

reichen Ozean genug zu fressen und<br />

wählen deshalb beson<strong>der</strong>s selten<br />

Menschen als Leckerei aus. Wichtiger<br />

ist es, auf die Warnschil<strong>der</strong> an den<br />

Stränden zu achten, die über gefährliche<br />

Unterwasserströme und die Gefahr<br />

von Wellen hinweisen.<br />

Sandflies (dt. Sandfliegen) und Blackflies<br />

(dt. Kriebelmücken) sind kleine<br />

Biester, die Ihnen den Urlaub ver<strong>der</strong>ben<br />

können, beson<strong>der</strong>s wenn Sie allergisch<br />

reagieren. Von ihnen gibt es<br />

viele und sie stechen beson<strong>der</strong>s früh<br />

morgens und abends. Ein Rat: Fragen<br />

Sie die ortsansässigen Ärzte nach <strong>der</strong><br />

Ausbreitung dieser Insekten, setzen<br />

Sie unbedingt die dafür gedachten<br />

Sprays ein und kratzen Sie sich nicht,<br />

wenn Sie gestochen wurden, denn<br />

<strong>das</strong> verschlimmert die Situation um<br />

ein Vielfaches. Eine solche Selbstbeherrschung<br />

ist meiner Meinung nach<br />

fast unmöglich. Ich habe mich wie<br />

verrückt gekratzt, weil ich einfach<br />

nicht an<strong>der</strong>s konnte. Es war eine echte<br />

<strong>Be</strong>währungsprobe und mir haben lediglich<br />

Antihistaminika geholfen. „In<br />

jedem Paradies gibt es eigene Probleme“,<br />

so haben mir Ortsansässige, die<br />

übrigens über lange Zeit gegen <strong>das</strong><br />

Gift dieser kleinen Monster resistent<br />

geworden sind, die Situation erklärt.<br />

36


Die Heiterkeit beginnt<br />

Mein Ziel war Queenstown,<br />

eine Stadt auf <strong>der</strong> Südinsel.<br />

Mein Ziel war Queenstown, eine Stadt<br />

auf <strong>der</strong> Südinsel. Die Hauptstadt <strong>der</strong><br />

verrückten Bungee-Sprünge empfing<br />

mich mit solch erstaunlichen Ansichten,<br />

<strong>das</strong>s ich spürte, wie mein Herz<br />

in <strong>der</strong> Brust schlägt. Der unglaublich<br />

schöne Wakatipu-See, an dessen Nordufer<br />

diese superaktive Stadt liegt,<br />

ist von <strong>Be</strong>rgketten umgeben, welche<br />

die Namen „The Remarkables“ und<br />

„Eyre Mountains“ tragen. Im Winter<br />

ist es <strong>das</strong> Schneesportzentrum und<br />

im Sommer ein wun<strong>der</strong>barer Ort, um<br />

seine Sorgen zu vergessen und sich<br />

vollständig in die verschiedensten<br />

Vergnügungen zu stürzen: Wer sich<br />

erfrischen und sich vom kalten Wasser<br />

des Sees kneifen lassen möchte,<br />

kann sich für Wildwasser-Rafting, Kanufahrten<br />

unterschiedlichen Niveaus,<br />

Wasserski o<strong>der</strong> Jetboot entscheiden;<br />

letztere werden Ihnen beim Dahinsausen,<br />

Umherdrehen und Verspritzen<br />

des blauen Wassers den Atem<br />

rauben und selbst den größten Faulpelz<br />

aufwecken.<br />

Mich hat jedoch zuerst die Höhe gereizt.<br />

Mit einem leichten Lächeln,<br />

und <strong>das</strong> war bereits ein Anzeichen<br />

für die Verän<strong>der</strong>ung meines inneren<br />

Zustands, bin ich direkt zum Bungee-<br />

Sprungzentrum gegangen. Die Gesellschaft<br />

AJ Hackett Bungy (www.<br />

bungy.co.nz), <strong>Be</strong>grün<strong>der</strong>in dieses<br />

Extremvergnügens und bis heute in<br />

Führungsposition, hat Neuseeland zu<br />

einem Son<strong>der</strong>status in <strong>der</strong> internationalen<br />

Abenteuerarena verholfen.<br />

Dieses <strong>Land</strong> wird jetzt verdient Welthauptstadt<br />

<strong>der</strong> Abenteuer genannt.<br />

Ich musste nur die Höhe wählen, von<br />

<strong>der</strong> aus ich abspringen wollte, o<strong>der</strong><br />

genauer gesagt – von <strong>der</strong> ich mich<br />

zu zwingen konnte abzuspringen:<br />

43 Meter im freien Fall – die Kawarau-Brücke<br />

(175 NZD), die 1988 zum<br />

ersten kommerziellen Ort für Bungee-Springen<br />

auf <strong>der</strong> Welt wurde, 47<br />

Meter – The Ledge (175 NZD), 102<br />

Meter – Pipeline (Preis für Gruppen<br />

nach Vereinbarung), 134 Meter – Nevis<br />

Highwire (250 NZD). Glauben Sie<br />

es mir, Bungee-Sprünge sind nichts<br />

© Thinkstock (4)<br />

37


explorer<br />

für Menschen mit schwachen Nerven<br />

und nicht einmal etwas für Menschen<br />

mit normalen Nerven. Es ist kein Einzelfall,<br />

<strong>das</strong>s ein mutiger Draufgänger,<br />

anstatt mit einem sorglosen Lächeln<br />

nach unten zu sausen, umgekehrt<br />

und mit gesenktem Kopf davongeschlichen<br />

ist, ohne gegen seine Angst<br />

zu kämpfen.<br />

Ich konnte es mir nicht einmal leisten,<br />

über solch eine Variante nachzudenken,<br />

ich musste springen und <strong>das</strong> so<br />

schnell wie möglich. Also habe ich<br />

nicht gezweifelt und nachdem ich mit<br />

dem Finger auf Nevis Highwire, den<br />

höchsten Bungee-Sprung in Australasien<br />

gezeigt hatte, <strong>der</strong> auch noch als<br />

irrsinnigster <strong>der</strong> Welt gilt, wurde ich<br />

am selben Tag an den Ort gebracht.<br />

Mit einer kleinen Seilbahn, die teilweise<br />

mit Glasboden ausgestattet war,<br />

damit die irrsinnige Höhe ersichtlich<br />

ist, fuhr ich <strong>der</strong> Bungee-Sprung-Plattform<br />

entgegen. Es war eine kleine Kabine,<br />

die an einem Seil in schwindelerregen<strong>der</strong><br />

Höhe über dem Abgrund<br />

hing. Ich stand dort völlig berauscht,<br />

habe mir die kurzen Anweisungen<br />

des Bungee-Instrukteurs angehört<br />

und meine Konzentration wurde von<br />

keinem nebensächlichen Gedanken<br />

mehr gestört. Alles geschah schnell<br />

und professionell, ohne Missverständnisse<br />

o<strong>der</strong> Zweifel. Ich habe keine<br />

Angst o<strong>der</strong> Panik gespürt, da die<br />

emotionale Überlastung so groß war,<br />

<strong>das</strong>s ich tatsächlich gar nichts mehr<br />

gespürt habe. Ich weiß nicht einmal,<br />

ob ich geblinzelt habe. Ich bin einen<br />

Schritt nach vorn getreten und am<br />

Ende des schmalen Stegs stehen geblieben<br />

wie auf dem Sprungbrett ins<br />

Schwimmbecken. Um mich herum<br />

gab es keine schützenden Wände,<br />

die Illusion, <strong>das</strong>s ich auf festem Boden<br />

stehe, verschwand. Ich erinnere mich<br />

an den freien Raum und die Luft, ich<br />

habe sie tief eingeatmet, wollte sie<br />

ganz in mich aufsaugen. Dann hörte<br />

ich <strong>das</strong> Kommando „fünf, vier, drei,<br />

zwei, eins“, habe mich abgestoßen<br />

und bin gesprungen. Mein befreiter<br />

Körper fiel nach unten und ich habe<br />

geschrien, vor Glück und noch wegen<br />

etwas an<strong>der</strong>em, was schwer zu beschreiben<br />

ist, – man muss es erleben.<br />

Unten habe ich <strong>das</strong> schmale Flussbett<br />

des Nevis und seine sich unheimlich<br />

schnell nähernden rauen, steinigen<br />

Ufer gesehen. 8,5 Sekunden freier Fall<br />

aus 134 Metern direkt in die Freiheit<br />

und die rasende Freude in <strong>der</strong> Brust<br />

– etwas <strong>Be</strong>sseres konnte mir nicht passieren.<br />

Wie<strong>der</strong> unten am Boden wusste<br />

ich, <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> Richtige gefunden<br />

hatte. Die konzentrierten Adrenalin-Injektionen<br />

waren <strong>das</strong>, was<br />

meine müde Seele und mein Körper<br />

brauchten, und ich hatte einen<br />

Weg, genauer gesagt – ein ganzes<br />

<strong>Land</strong>, gefunden, wo es dieses Medikament<br />

im Überfluss gibt. Endlich<br />

erstrahlte mein Gesicht in einem<br />

breiten Lächeln, <strong>das</strong> Entdeckung<br />

und Errungenschaft bedeutete.<br />

Der Appetit stieg mit dem Essen<br />

und innerhalb <strong>der</strong> nächsten zwei<br />

Tage habe ich den historischen<br />

Kawarau-Bungy ausprobiert, wo<br />

ich zwischen Rückwärts- und Vorwärtssprung<br />

wählen, den Fluss<br />

beim Absprung berühren und sogar<br />

ins Wasser eintauchen konnte,<br />

bevor mich die beson<strong>der</strong>s elastischen<br />

Seile wie<strong>der</strong> in die Luft reißen.<br />

Ich habe mich in <strong>der</strong> höchsten<br />

Wiege <strong>der</strong> Welt – dem Nevis Arc<br />

(170 NZD), einer Kombination aus<br />

70 Metern freiem Fall und einem<br />

irrsinnigen Flug mit unheimlicher<br />

Geschwindigkeit, „gewiegt“. Ich<br />

38


konnte es nicht lassen, die engen<br />

Canyons des Shotover-Flusses mit einem<br />

Adrenalin steigernden Jetboot<br />

(119 NZD), <strong>das</strong> vom Kiwi Sir William Hamilton<br />

erfunden wurde, entlang zu<br />

sausen. Diese unheimlich verschmitzte<br />

Erfindung ist ein Boot mit 500 PS,<br />

<strong>das</strong> nicht von einem herkömmlichen<br />

Unterwassermotor, son<strong>der</strong>n von<br />

mehreren kleinen Düsenmotoren angetrieben<br />

wird, die Wasser ansaugen<br />

und es mit großer Leistung wie<strong>der</strong><br />

ausstoßen. Das Jetboot kann in schmalen<br />

und beson<strong>der</strong>s seichten Flüssen<br />

manövrieren, es benötigt eine<br />

Wassertiefe von lediglich 10 Zentimetern.<br />

Dank dieser Erfindung wurden<br />

die zuvor nicht zugänglichen Flüsse<br />

Neuseelands für die breitere Nutzung<br />

erschlossen.<br />

Die Jetboote „Big Reds“ des Queenstowner<br />

Unternehmens Shotover Jet,<br />

<strong>das</strong> nach Kugeln von Schusswaffen<br />

benannt wurde, können bis zu 85<br />

km/h fahren, sich plötzlich um 360o<br />

drehen und weitersausen, ohne an<br />

<strong>Be</strong>schleunigung zu verlieren. Als ich<br />

auf dem wild dahinsausenden Jetboot<br />

saß, habe ich es nicht geschafft,<br />

meine Gedanken einzuholen. Stu<br />

(Stewart), unser Fahrer, drehte meisterhaft<br />

Kreise, wobei er Wasserstrudel<br />

erzeugte, und manövrierte im schmalen<br />

Flussbett zwischen den hoch<br />

hinaufragenden mächtigen Wänden<br />

des Canyons umher. Das Gefühl, <strong>das</strong>s<br />

wir gleich in einen Felsen hineinrasen<br />

und <strong>das</strong> Zeitliche segnen verging<br />

nicht, bis wir wie<strong>der</strong> zur Anlegestelle<br />

zurückkamen. Bis auf die Haut vom<br />

Wasser durchnässt, mit von Wind und<br />

Panik rot gefärbten Gesichtern sowie<br />

nervlich angespanntem Lächeln betraten<br />

wir wie<strong>der</strong> festen Boden. Alle<br />

vierzehn Fahrgäste, die einen Adrenalinschub<br />

erhalten hatten, darunter<br />

auch ich, wollten wie<strong>der</strong> in <strong>das</strong><br />

Jetboot zurücksteigen. Am nächsten<br />

Morgen habe ich diese amüsante<br />

Fahrt wie<strong>der</strong>holt und diesmal habe<br />

ich mich neben den Fahrer gesetzt,<br />

was meiner Meinung nach <strong>der</strong> beste<br />

Platz für jemanden ist, <strong>der</strong> nach vollständiger<br />

Entladung sucht. Ich habe<br />

mit dem Fahrer des Jetboots einige<br />

© Thinkstock (4)<br />

Score<br />

Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />

Ziel zu erreichen.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

Worte gewechselt und ganz klar<br />

ein wenig Neid verspürt, <strong>das</strong>s Stu<br />

dieser amüsanten Arbeit grinsend<br />

drei Tage in <strong>der</strong> Woche nachgeht.<br />

Damals hatte ich wirklich den Eindruck,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Gras auf seiner Seite<br />

des Planeten grüner ist.<br />

Nach dem Ende <strong>der</strong> zweiten Fahrt<br />

mit dem Jetboot verspürte ich eine<br />

kurzzeitige Sättigung im Hinblick<br />

auf die Entladungen durch Adrenalinschübe.<br />

Ich habe verstanden,<br />

<strong>das</strong>s ich eine Pause einlegen muss,<br />

und bin mit einem Mietwagen den<br />

schillernden Wakatipu-See entlang<br />

gefahren, in Richtung <strong>der</strong> kleinen<br />

Ortschaft Glenorchy (45 km von<br />

Queenstown), und danach noch<br />

weiter – ins surreale Paradies von<br />

Kinloch (weitere 27 km).<br />

39


explorer<br />

Kinloch und<br />

Angeln in 5 0 C<br />

kaltem Wasser<br />

Ich kam in <strong>der</strong> Kinloch<br />

Lodge unter, wo die<br />

Zimmerpreise von <strong>der</strong><br />

gewünschten Privatsphäre<br />

und Komfort abhängig<br />

sind (<strong>der</strong> Preis für eine<br />

Übernachtung schwankt<br />

zwischen 30 NZD für ein<br />

<strong>Be</strong>tt und 195 NZD für ein<br />

Zimmer).<br />

Ich kam in <strong>der</strong> Kinloch Lodge unter,<br />

wo die Zimmerpreise von <strong>der</strong><br />

gewünschten Privatsphäre und<br />

Komfort abhängig sind (<strong>der</strong> Preis<br />

für eine Übernachtung schwankt<br />

zwischen 30 NZD für ein <strong>Be</strong>tt und<br />

195 NZD für ein Zimmer). Ich wollte<br />

mich ausruhen und war sehr zufrieden<br />

mit meinem ordentlichen,<br />

wenn auch nicht luxuriös eingerichteten,<br />

Zimmer. Schon lange<br />

habe ich davon geträumt zu angeln,<br />

und wo kann man sich diesem<br />

Hobby besser widmen als in<br />

Neuseeland, dessen Seen von Forellen<br />

und Lachsen überfüllt sind.<br />

Eine Angelgenehmigung (von 21<br />

NZD bis 105 NZD, abhängig von <strong>der</strong><br />

Saison und <strong>der</strong> Dauer des Angelns)<br />

hatte ich mir im Voraus besorgt; es<br />

soll gesagt sein, <strong>das</strong>s diese Art <strong>der</strong><br />

Erholung in NZ sehr streng geregelt<br />

und beschrieben ist (www.nzfishing.com).<br />

Ich hatte nicht vor,<br />

gegen die Regeln zu verstoßen<br />

o<strong>der</strong> mich nicht an die Angleretikette<br />

zu halten. Die Umgebung<br />

selbst hat mich verpflichtet, ein<br />

besserer und verantwortungsvollerer<br />

Mensch zu sein.<br />

© Dreamstime<br />

40


Die Anlegestelle von Kinloch schien<br />

kein schlechter Platz für einen so unerfahrenen<br />

Enthusiasten wie mich zu<br />

sein, also habe ich nach einem satten<br />

Frühstück im Hof eine Angel gemietet,<br />

mit Blinkern, die mir ein ortsansässiger<br />

Verkäufer empfohlen hatte,<br />

und so habe ich mich auf dem Steg<br />

im angenehmen Sonnenschein eingerichtet.<br />

Ich weiß nicht, was diese<br />

Wohltat verursacht hat: die Tatsache,<br />

<strong>das</strong>s ich endlich Zeit zum Angeln gefunden<br />

habe, o<strong>der</strong> die Aussicht um<br />

mich herum. Ich befand mich in <strong>der</strong><br />

natürlichsten Natur an einem See,<br />

den ich nur im Fernsehen o<strong>der</strong> in<br />

meinen Träumen zu sehen bekam,<br />

am Himmel spielten ein paar Wölkchen<br />

und ich hielt die Spinnangel fest<br />

in den Händen. Es schien, als würde<br />

mir <strong>das</strong> Herz aus <strong>der</strong> Brust springen,<br />

solche Erquickung und Freude riefen<br />

die <strong>Be</strong>rge, die den See umgaben,<br />

und <strong>das</strong> klare blaugrüne Wasser in<br />

mir hervor. „Das Leben ist schön“,<br />

dachte ich grinsend und diese Phrase<br />

erschien mir nicht einmal banal.<br />

So verbrachte ich einige Stunden<br />

mit dem Angeln, Fische haben nicht<br />

angebissen. Die Tatsache, <strong>das</strong>s ich<br />

nichts gefangen hatte, stimmte mich<br />

nicht traurig. Mir kam nur <strong>der</strong> leichte<br />

Verdacht, <strong>das</strong>s ich irgendetwas nicht<br />

weiß, da ich nicht einmal leichte Zuckungen<br />

gespürt habe, die gezeigt<br />

hätten, <strong>das</strong>s sich Forellen für meinen<br />

Kö<strong>der</strong> interessieren. Ich beschloss zu<br />

baden, obwohl ich niemanden um<br />

mich herum sah, <strong>der</strong> <strong>das</strong> auch tat. Eigentlich<br />

sah ich keine Menschen um<br />

mich herum, nur einige von ihnen<br />

habe ich beim Frühstück getroffen<br />

und <strong>das</strong> hat mich umso mehr entzückt,<br />

denn es schien so, als würde ich<br />

in dieser fantastischen Umgebung<br />

ganz allein König sein: Niemand hat<br />

gedrängelt o<strong>der</strong> etwas verlangt, wie<br />

ich es aus <strong>der</strong> Großstadt, in <strong>der</strong> ich<br />

wohne, gewohnt war.<br />

Damals, als ich mutig dem einladenden<br />

Wasser entgegenschritt, wusste<br />

ich noch nicht, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Wakatipu-<br />

See äußerst kalt ist und sich selbst im<br />

Sommer nur bis auf maximal 10 °C<br />

erwärmt, weil er ständig aus den Abflüssen<br />

<strong>der</strong> schmelzenden Gletscher<br />

und den <strong>Be</strong>rgflüssen gespeist wird.<br />

Und die Sommersaison war noch<br />

nicht einmal ins Rollen gekommen.<br />

<strong>Be</strong>schämt von meiner Unbesonnenheit<br />

zog ich mich schnell wie<strong>der</strong><br />

an. Der Himmel trübte sich ein wenig,<br />

aber ich war noch nicht bereit,<br />

schnell aufzugeben, und machte<br />

mich auf den Weg zum Ufer, <strong>das</strong> mit<br />

Kieselsteinen übersät war, in Richtung<br />

<strong>der</strong> weiß schimmernden Sandbänke,<br />

die weiter auf den See hinausführten.<br />

Eine Stelle zog beson<strong>der</strong>s mein Augenmerk<br />

auf sich: Wie eine längliche<br />

schmale kleine Insel for<strong>der</strong>te sie mich<br />

zum Angeln auf. Ich sah, <strong>das</strong>s ich von<br />

dieser Insel aus stromabwärts angeln<br />

könnte, wozu mir auch die Ortsansässigen<br />

geraten haben. Deshalb habe<br />

ich nicht lange nachgedacht, meine<br />

Shorts ausgezogen und bin mit <strong>der</strong><br />

Spinnangel und den an<strong>der</strong>en Sachen<br />

in <strong>der</strong> Hand mutig ins eiskalte Wasser<br />

gewatet. Allerdings musste ich nach<br />

ein paar Schrit<br />

© Thinkstock (2)<br />

41


explorer<br />

ten die Zähne zusammenbeißen und<br />

mit großen Willensanstrengungen<br />

Schritt für Schritt vorwärts gehen. Ich<br />

stand tiefer im Wasser, als ich dachte,<br />

war fast bis zur Hüfte nass und als ich<br />

letztendlich die Insel erklommen hatte,<br />

fühlte ich meine steifen <strong>Be</strong>ine nicht<br />

mehr. Das Wasser hatte wirklich nicht<br />

seine Maximaltemperatur von zehn<br />

Grad erreicht, es kam mir völlig eisig<br />

vor. Trotzdem fühlte ich mich wun<strong>der</strong>bar,<br />

und <strong>der</strong> Wunsch, eine Forelle<br />

zu fangen, wuchs umso mehr.<br />

Ich bemühte mich, nicht stehen zu<br />

bleiben, warf die Angel mal näher,<br />

mal weiter entfernt auf <strong>der</strong> einen<br />

und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite des schmalen<br />

Kiesstreifens aus. Ich war unruhig wie<br />

ein Teenager beim Date und <strong>das</strong> hat<br />

wahrscheinlich alle Fische des Wakatipu-Sees<br />

verscheucht. Letztendlich<br />

habe ich die Hoffnung verloren, etwas<br />

zu fangen, legte die Angel ab und<br />

setzte mich auf den steinigen Grund.<br />

Eine Weile saß ich mit gesenktem Kopf<br />

da, bis ich mich mit dem erfolglosen<br />

Fischfang abgefunden hatte, und<br />

begann zu lachen. Zuerst kicherte<br />

ich um die Nase vor mich hin, danach<br />

wurde <strong>das</strong> Lachen lauter, bis es<br />

schallend aus mir herausbrach, den<br />

Kopf geradewegs in den bewölkten<br />

Himmel, und die Emotionen ergossen<br />

sich ungehin<strong>der</strong>t in den Raum. Wie<br />

ich mich kenne, war ich immer beherrscht<br />

und zurückhaltend, deshalb<br />

fühlte ich mich beson<strong>der</strong>s seltsam,<br />

<strong>das</strong>s ich <strong>der</strong>artig auf den Misserfolg<br />

reagiert habe. Ich habe über mich<br />

selbst gelacht, was wohl ein Ausdruck<br />

des Glücks war, <strong>das</strong> in einer Welle des<br />

Lachens aus mir herausbrach. Auf diesem<br />

schmalen Fleckchen Erde, umspült<br />

von dem eisigen Wakatipu-See,<br />

habe ich mich als völlig freier Mensch<br />

gefühlt. In diesem Moment waren mir<br />

sogar die Forellen egal.<br />

Abends, als ich in einem Bottich mit<br />

warmem Wasser saß, <strong>der</strong> auf einem<br />

Hügel unweit <strong>der</strong> Herberge von Kinloch<br />

aufgestellt war, habe ich auf<br />

den in <strong>der</strong> Dämmerung versinkenden<br />

mächtigen 80 Kilometer <strong>langen</strong><br />

und 300 Meter tiefen See geschaut<br />

und kein unnötiger Gedanke ärgerte<br />

mich. Ich wusste, <strong>das</strong>s ich am<br />

nächsten Tag wie<strong>der</strong> angeln gehen<br />

werde, nur diesmal zusammen mit<br />

dem ortsansässigen Jungen Chris,<br />

<strong>der</strong> mir seine Hilfe angeboten hat,<br />

als er von meinem Misserfolg beim<br />

Angeln hörte. Jeden Morgen auf<br />

dem Weg mit dem Motorboot über<br />

den Wakatipu-See von Glenorchy<br />

zur Herberge von Kinloch, wo er arbeitete,<br />

hat Chris mehrere Spinnangeln<br />

ausgeworfen und <strong>der</strong> Hotelküche<br />

mehrmals frische Lachse o<strong>der</strong><br />

Forellen geliefert. Ich fühlte, <strong>das</strong>s<br />

ich ins Schwarze getroffen hatte. Die<br />

Schlichtheit und Freundlichkeit <strong>der</strong><br />

ortsansässigen Menschen erfreute<br />

mich während meiner ganzen Reise.<br />

Letztendlich verließ ich Kinloch<br />

mit gefangener <strong>Be</strong>ute im Bauch; die<br />

zwei <strong>der</strong> drei gefangenen Lachse<br />

habe ich <strong>der</strong> Küche überlassen und<br />

den dritten beschloss ich selbst zu<br />

grillen. Abends habe ich am See ein<br />

Feuer gemacht und beim Ausnehmen<br />

des selbst gefangenen Fisches<br />

schmiedete ich bereits irre Pläne für<br />

die kommenden Tage.<br />

42


43<br />

© Thinkstock (3)


explorer<br />

Der Fox-Gletscher<br />

Ich bin den ganzen Tag gefahren, bis ich nach mehr als<br />

400 Kilometern mein nächstes Reiseziel erreicht hatte<br />

– den lebendigen und sich bewegenden Te Moeka o<br />

Tuawe, was übersetzt aus <strong>der</strong> Sprache <strong>der</strong> Maori <strong>der</strong> Fox-<br />

Gletscher ist.<br />

Ich erwartete mindestens, auf dieser<br />

erstaunlichen Schöpfung <strong>der</strong> Natur<br />

umherklettern zu können. Der Gletscher<br />

erstreckt sich über 13 Kilometer<br />

und fällt 2600 Meter von seinem<br />

Ursprung in den Südalpen. Wie auch<br />

<strong>der</strong> in Nachbarschaft befindliche<br />

Franz-Josef-Gletscher (Ka Roimata o<br />

Hinehukatere) ist <strong>der</strong> Fox-Gletscher<br />

einer <strong>der</strong> für den Menschen zugänglichsten<br />

Gletscher, weshalb es hier<br />

viele <strong>Be</strong>sucher gibt, beson<strong>der</strong>s zur<br />

Saison. Es ist ein sich bewegendes Gebilde,<br />

<strong>das</strong> sich jede Woche um einen<br />

Meter verschiebt. Deshalb ist es verboten,<br />

auf eigene Faust die Risse und<br />

Höhlen des Gletschers zu erkunden,<br />

auch wenn einige Draufgänger <strong>das</strong><br />

Verbot missachten, um gute Bil<strong>der</strong> zu<br />

machen. Im Jahr 2009 wurden zwei<br />

Touristen aus Australien unter mehr<br />

als einhun<strong>der</strong>t Tonnen Eis begraben,<br />

da sie die Warnschil<strong>der</strong> missachteten<br />

und den Gletscher im Alleingang,<br />

ohne einen speziell geschulten Führer,<br />

betreten hatten.<br />

Ich habe unverzüglich die Foxguides<br />

(www.foxguides.co.nz) aufgesucht<br />

und nachdem ich die angebotenen<br />

Kennenlern-Touren des Gletschers<br />

studiert hatte, habe ich mich für die<br />

Variante Heli Hike entschieden. Dabei<br />

handelt es sich um einen vierstündigen<br />

Ausflug (399 NZD) und mich<br />

lockte <strong>das</strong> Versprechen, <strong>das</strong>s wir mit<br />

einem Hubschrauber dorthin aufsteigen<br />

werden, wo die Kräfte des Gletschers<br />

am intensivsten „arbeiten“,<br />

und wir also die Möglichkeit haben<br />

werden, unsere Nase in tiefe Eishöhlen<br />

zu stecken und Eisbögen von unglaublicher<br />

Form zu erforschen. All<br />

<strong>das</strong> war nicht nur ein Werbetrick und<br />

den nächsten halben Tag verbrachte<br />

ich in einer Welt von atemberauben<strong>der</strong><br />

Schönheit. Zuerst umkreiste <strong>der</strong><br />

Hubschrauber den unteren Teil des<br />

Gletschers, wo sich die riesigen Eiszapfen<br />

in ständiger <strong>Be</strong>wegung befinden;<br />

dort kommt es oft zu unvorhersehbaren<br />

Eisabstürzen. Danach umflogen<br />

wir den oberen Teil des Gletschers<br />

und den Victoria-Wasserfall, <strong>der</strong> sich<br />

geradewegs in die Hänge des erstarrten<br />

Eises ergießt. Der Wunsch<br />

zum Baden bestand nicht, und als wir<br />

44


gelandet waren, teilte man uns sogenannte<br />

„Katzen“ aus, die wir über<br />

unsere Schuhe stülpen mussten, um<br />

uns auf <strong>der</strong> rutschigen Oberfläche<br />

des Gletschers stabil bewegen zu<br />

können. Die Gruppe bestand aus nur<br />

vier Personen, weshalb diese Art den<br />

Eisriesen kennenzulernen mir beson<strong>der</strong>s<br />

gefiel. Das Wetter war ziemlich<br />

gut. Obwohl man den blauen Himmel<br />

nicht sehen konnte, doch die <strong>Wolke</strong>n<br />

hin<strong>der</strong>ten uns nicht daran, die engsten<br />

Gletscherspalten zu besichtigen,<br />

die in leblosem Blau leuchteten, in<br />

tropfende rutschige Löcher abzusteigen,<br />

durch niedrige Eistunnel zu<br />

kriechen und steile, von den Führern<br />

täglich ins Eis geschlagene, Treppen<br />

hinaufzusteigen. Die Farben, Formen<br />

und die Größe haben mich völlig eingenommen,<br />

ich wollte mehr körperlichen<br />

Kontakt zum Gletscher selbst<br />

und deshalb habe ich auf dem Rückflug<br />

im Hubschrauber beschlossen,<br />

mich am nächsten Tag dem Eisklettern<br />

zu widmen.<br />

Das Eisklettern ist von allen angebotenen<br />

Aktivitäten diejenige,<br />

welche die meiste körperliche Kraft<br />

erfor<strong>der</strong>t, obwohl für <strong>das</strong> Erklimmen<br />

<strong>der</strong> Eiswände keine Erfahrung<br />

notwendig ist. Der Tagesausflug<br />

von 8–9 Stunden kostet 245 NZD.<br />

Alle Werkzeuge, die Schule und die<br />

Kletterausrüstung wie auch eine<br />

ausführliche Anleitung und die Hilfestellung<br />

während des Kletterns<br />

sind im Preis inbegriffen. Es ist kein<br />

Spaziergang, son<strong>der</strong>n Klettern<br />

an steilen Eisfelsen, Arbeit mit Eisaxt<br />

und „Katzen“. Ich konnte den<br />

nächsten Morgen kaum erwarten.<br />

In einer Bar habe ich den emotionellen<br />

<strong>Be</strong>richten von Reisenden<br />

gelauscht, die von verschiedenen<br />

Ausflügen zurückgekehrt sind,<br />

und ich fühlte, <strong>das</strong>s sich mein Körper<br />

wie<strong>der</strong> nach Adrenalin sehnte.<br />

© Thinkstock (6)<br />

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explorer<br />

Lei<strong>der</strong> musste ich länger darauf warten,<br />

als ich es mir erhofft hatte. Sehr<br />

früh am Morgen setzte <strong>der</strong> Regen<br />

ein und ich wurde von lautem Wasserrauschen<br />

geweckt, und <strong>das</strong> bedeutete,<br />

<strong>das</strong>s mein gewählter Ausflug<br />

zu gefährlich war. Ich saß im<br />

Dunkeln und hoffte töricht darauf,<br />

<strong>das</strong>s <strong>der</strong> Regen aufhört und ich, trotz<br />

des schlecht gelaunten Himmels, die<br />

rutschigen Flanken des Eisbergs besteigen<br />

werde, aber <strong>das</strong> waren naive<br />

Gedanken. Die Gletscherregion ist für<br />

sein kontrastreiches Wetter bekannt.<br />

Hier fallen innerhalb von 178 Tagen<br />

durchschnittlich 4700 mm Regen,<br />

wohingegen es in <strong>Be</strong>rlin o<strong>der</strong> Rom<br />

im ganzen Jahr durchschnittlich 570<br />

mm regnet. Enttäuscht verbrachte<br />

ich den Tag mit einem Buch und hoffte,<br />

<strong>das</strong>s sich <strong>der</strong> Erfolg nicht von mir<br />

abwendet und <strong>der</strong> nächste Tag an<strong>der</strong>s<br />

anfängt. Die Wettervorhersage<br />

versprach jedoch keinen Trost und<br />

unter unaufhörlichem schwerem Regen<br />

verließ ich den erstarrten Eisfluss,<br />

<strong>der</strong> mir auf ewig zwischen zwei mächtigen<br />

<strong>Be</strong>rgen festzusitzen schien.<br />

Unter besseren Umständen lässt<br />

sich <strong>der</strong> Fox-Gletscher noch auf<br />

an<strong>der</strong>e Art erforschen: Eine Gletscherwan<strong>der</strong>ung,<br />

ein halb- o<strong>der</strong><br />

ganztätiger Ausflug, <strong>der</strong> durchschnittliche<br />

körperliche Fitness<br />

erfor<strong>der</strong>t, ist eine ziemlich interessante<br />

und aktive Art, den Gletscher<br />

kennenzulernen (99 / 149 NZD). Der<br />

Ganztagsausflug erfor<strong>der</strong>t ein höheres<br />

Maß an körperlicher Fitness<br />

und die Teilnehmer verbringen<br />

mehr Zeit auf dem Gletscher selbst,<br />

genau dort, wo sich tiefe Spalten<br />

und Eiszapfen bilden und <strong>das</strong> Eis<br />

sich aktiv bis zu zwei Metern pro<br />

Tag bewegt. Eine Wan<strong>der</strong>ung bis<br />

zur „Endstation“ des Gletschers<br />

(49 NZD) ist für fast je<strong>der</strong>mann geeignet.<br />

Es ist ein leichter zweistündiger<br />

Weg bis zu <strong>der</strong> Stelle, wo <strong>der</strong><br />

eisige Fox-Fluss den Eismassen entspringt.<br />

Weiter unten am Gletscher<br />

kann man oft Geräusche brechenden<br />

Eises hören und es brechen<br />

sehen. Es gibt noch eine Variante<br />

für diejenigen, die sich nicht für<br />

die körperliche <strong>Be</strong>rührung des<br />

Gletschers, son<strong>der</strong>n eher für die<br />

unübertreffliche Aussicht <strong>der</strong> Südalpen<br />

und <strong>das</strong> <strong>Be</strong>steigen des 2000<br />

Meter hohen Gipfels interessieren,<br />

von dem aus sich ein fantastisches<br />

Panorama <strong>der</strong> höchsten Gipfel und<br />

<strong>der</strong> Schneefel<strong>der</strong> bildet. Der Chansellor<br />

Dome Heli-Trek (599 NZD)<br />

ist ein schwieriger Ausflug von<br />

8–9 Stunden und ein Flug mit dem<br />

Hubschrauber, <strong>der</strong> körperliche<br />

Ausdauer und Fitness erfor<strong>der</strong>t.<br />

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47<br />

© Thinkstock (2)


explorer<br />

Fortsetzung <strong>der</strong> <strong>Be</strong>währungsproben –<br />

Whitewater Kayking<br />

Mein Weg führte mich weiter an die Westküste <strong>der</strong><br />

Südinsel, nach oben, bis die Straße letztendlich an<br />

<strong>der</strong> Kleinstadt Karamea endet.<br />

Nein, ich hatte nicht vor zu angeln<br />

o<strong>der</strong> zu wan<strong>der</strong>n und mich an den<br />

Aussichten, für welche diese Einöde<br />

berühmt ist, zu erfreuen. Das Ziel<br />

meines <strong>Be</strong>suchs war <strong>das</strong> Wildwasser-<br />

Kajakfahren.<br />

Die Flüsse <strong>der</strong> Westküste Neuseelands<br />

werden sehr klipp und klar charakterisiert<br />

– als „kayaking nirvana“,<br />

deshalb drängeln sich Enthusiasten<br />

dieses Sports aus aller Welt, um die<br />

Gewalt <strong>der</strong> reißenden Flüsse zu erfahren<br />

und auf ihnen ihre Kräfte zu<br />

messen. Ich war kein Profi-Sportler,<br />

aber auch kein Anfänger, obwohl<br />

meine bisherigen Kajakfahrten vergleichsweise<br />

sicher waren und man<br />

dazu keine beson<strong>der</strong>e Technik o<strong>der</strong><br />

Fertigkeiten benötigte. Im Wissen um<br />

meine Schwächen und Stärken habe<br />

ich beschlossen, <strong>das</strong>s ich zumindest<br />

für die Schwellen <strong>der</strong> Stufe 4, die mir<br />

<strong>der</strong> Karamea-Fluss bieten kann, reif<br />

bin. Die einzige Art und Weise, zu diesen<br />

<strong>Be</strong>währungsproben zu ge<strong>langen</strong>,<br />

ist <strong>der</strong> Hubschrauber. Je höher hinauf<br />

du geflogen wirst, umso steiler wird<br />

<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>gang, den man zu erwarten<br />

hat. Die Gesellschaft Rivers Wild<br />

(www.rivers-wild.com) organisiert<br />

Ausflüge verschiedenen Niveaus mit<br />

Kajaks und Flößen. Ich wollte etwas<br />

mehr Informationen und individuelle<br />

Aufmerksamkeit. Zuerst einigten wir<br />

uns auf einen Tag zur Probefahrt im<br />

Kajak, während <strong>der</strong> Steve – mein Führer<br />

und Schutzengel, <strong>der</strong> später auch<br />

ein Freund wurde, beson<strong>der</strong>e Anweisungen<br />

gab und mir bei <strong>der</strong> Überwindung<br />

mehrerer Schwellen half,<br />

damit wir entscheiden konnten, wie<br />

lang die Reise sein müsste, <strong>das</strong>s ich<br />

sie aus eigenen Kräften mit dem Kajak<br />

bewältigen kann (400 NZD/Tag für<br />

eine Person mit persönlichem Führer,<br />

Preissenkung, abhängig von <strong>der</strong> Personenanzahl,<br />

+ Hubschrauberkosten<br />

von 160 bis 600 NZD, abhängig von<br />

<strong>der</strong> gewählten Route). Ich plante ein<br />

dreitägiges Extremabenteuer, aber<br />

letztendlich beschlossen wir, uns besser<br />

mit zwei Tagen zu begnügen, nicht<br />

wegen <strong>der</strong> Ausdauer, son<strong>der</strong>n wegen<br />

<strong>der</strong> irrsinnig steilen Schwellen, die ich<br />

noch nicht bewältigen konnte.<br />

Nachdem wir aus dem Hubschrauber<br />

ausgestiegen waren, blieben<br />

ich und Steve zu zweit in <strong>der</strong> wilden<br />

Natur <strong>der</strong> Alpen zurück, am<br />

kalten Fluss mit seiner tollwütig dahineilenden<br />

Strömung. Wir hatten<br />

Glück mit dem Wetter. Einige <strong>Wolke</strong>n<br />

verdeckten die Sonne, aber<br />

die Wahrscheinlichkeit auf Regen<br />

war meinem Erachten nach sehr<br />

niedrig. Sehr schnell war ich von<br />

meinen Fähigkeiten als Wettervorhersage-Spezialist<br />

enttäuscht. Mein<br />

großes Abenteuer in NZ setzte sich<br />

fort. Steve und ich bestiegen unsere<br />

Kajaks und die zweitägige Reise<br />

begann reibungslos, in einem<br />

Flussabschnitt, wo <strong>das</strong> Grün zu<br />

den Seiten bis ans Wasser reichte<br />

und wo die verschiedensten Arten<br />

von Enten schwammen. Darauf<br />

folgten einige amüsante und tatsächlich<br />

überwindbare Schwellen,<br />

die ich unter Steves Anleitung, wie<br />

ich mich richtig verhalten muss,<br />

erfolgreich bewältigte. Ich wusste,<br />

<strong>das</strong>s meine Augen brannten,<br />

ich fühlte, wie mein Herz <strong>das</strong> Blut<br />

pumpte, und voller Energie drang<br />

ich mit dem Wasser weiter und steil<br />

voran. Dann begann es zu regnen.<br />

48


Ich konnte es nicht glauben, aber <strong>der</strong><br />

Himmel zog sich vollständig zu, und<br />

sofort än<strong>der</strong>te sich die Umgebung<br />

und bekam eine bedrohliche Nuance.<br />

Fast überall im Flussbett kamen<br />

Steine zum Vorschein. Ich war kaum<br />

in <strong>der</strong> Lage, mit den Paddeln zu arbeiten,<br />

um abzubremsen, ich drehte<br />

mich und paddelte vor- und zurück,<br />

um nicht von <strong>der</strong> Strömung und von<br />

den Strudeln erfasst zu werden und<br />

so zu kentern. Die Konzentration war<br />

auf dem Höhepunkt angelangt, als<br />

ich vor mir meinen Führer bemerkte,<br />

<strong>der</strong> signalisierte, <strong>das</strong>s ich mich auf die<br />

linke Seite bewegen soll, was mir eigenartig<br />

vorkam. Als ich letztendlich<br />

auf dem Wasser in <strong>der</strong> angegebenen<br />

Richtung dahinbrauste, verstand ich,<br />

<strong>das</strong>s auf <strong>der</strong> rechten Seite ein riesiges<br />

Loch klaffte, in welches von allen Seiten<br />

reißende Wasserflüsse über angehäufte<br />

Steine hinweg hineinstürzten.<br />

Ich wagte es nicht, weiterhin an den<br />

Anweisungen von Steve zu zweifeln<br />

und bemühte mich, ihn nicht aus<br />

den Augen zu verlieren. Nachdem<br />

wir eine weitere amüsante Schwelle,<br />

<strong>der</strong>en Steilheit bei Stufe drei und<br />

vier lag, bewältigt hatten, erreichten<br />

wir noch eine ruhige Wasseroase. In<br />

allen Seen, die wir auf unserem Weg<br />

durchquerten, ragte eine Vielzahl<br />

abgestorbener Baumreste aus dem<br />

dunklen Wasser heraus. Das war <strong>das</strong><br />

Erbe des alten Waldes, <strong>der</strong> hier vor<br />

dem großen Murchison-Erdbeben<br />

von 1929 wucherte. Ich fühlte mich<br />

sehr angespannt und ich sagte zu<br />

Steve, <strong>das</strong>s ich so bald wie möglich<br />

Rast machen möchte. Er nickte und<br />

sagte: „Wir müssen schon bald auf<br />

Erkundungstour gehen“, und tatsächlich<br />

waren wir bald dazu gezwungen<br />

haltzumachen, weil die<br />

vor uns liegende Ansammlung von<br />

Steinen einen eigentümlichen Staudamm<br />

darstellte, den wir in unseren<br />

Kajaks nicht überwinden konnten.<br />

Im Gegenteil, wir mussten einen<br />

Weg finden, um sie herüber zu tragen,<br />

um weiter paddeln zu können.<br />

Zu diesem Zeitpunkt liefen Flusswasser<br />

und Schweiß an mir herunter,<br />

wie wahrscheinlich auch <strong>der</strong><br />

Regen, den ich schon nicht mehr<br />

wahrnahm; so stark konzentrierte<br />

ich mich auf Steves Anweisungen.<br />

Ich muss sagen, <strong>das</strong>s die folgenden<br />

zwei Stunden mich völlig erschöpft<br />

haben. Ich war wohl an meine<br />

Leistungsgrenze gestoßen und in<br />

einem Augenblick habe ich den<br />

<strong>Be</strong>igeschmack <strong>der</strong> Panik verspürt.<br />

Das weitere Flussbett schien keiner<br />

Ordnung zu gehorchen, fiel in<br />

einen steinigen und steilen Mischmasch<br />

ab. Hier paddelten wir, dort<br />

trugen wir die Kajaks, bis letztendlich<br />

Steves breites Lächeln mein erstarrtes<br />

Gesicht erhellte.<br />

© Thinkstock (4)<br />

49


explorer<br />

Der Lagerplatz tauchte unvermutet<br />

auf. Ich habe mich wirklich gefreut,<br />

aber <strong>der</strong> plötzliche Spannungsabfall<br />

hatte heftige Kopfschmerzen zur Folge.<br />

Am Ufer setzte ich mich auf den<br />

Boden und hielt mir den Kopf. Es goss<br />

immer noch in Strömen und <strong>das</strong> bedeutete,<br />

<strong>das</strong>s einige Stellen, an <strong>der</strong>en<br />

wir vorhatten, am nächsten Tag zu<br />

paddeln, für mich nicht zu bewältigen<br />

sein könnten. Steve setzte sich neben<br />

mich und klopfte mir freundschaftlich<br />

auf die Schulter: „Das war etwas<br />

extrem, mein Freund, <strong>das</strong> Wasser<br />

verän<strong>der</strong>t sich, wenn es regnet, aber<br />

du hast dich großartig gehalten“. Ich<br />

war nicht in <strong>der</strong> Lage zu lächeln, mein<br />

Kopf drohte zu zerbersten, aber in<br />

Wirklichkeit fühlte ich mich als totaler<br />

Gewinner. Ich wusste wirklich, <strong>das</strong>s ich<br />

viel mehr ausgehalten hatte, als ich es<br />

mir selbst zugetraut hätte.<br />

Letztendlich hörte es auf zu regnen<br />

und wir hatten die Möglichkeit, unsere<br />

Habe zu trocknen und ein warmes<br />

Abendessen zuzubereiten. Der Abend<br />

in <strong>der</strong> wilden Natur nach solch einem<br />

intensiven Tag war einer von wenigen,<br />

den ich mein Leben lang nicht<br />

vergessen werde. Der unbekannte<br />

Führer Steve wurde mein Mitstreiter<br />

und Kumpel. Am Morgen warteten<br />

neue Herausfor<strong>der</strong>ungen auf mich<br />

und ich habe meine Wahl nicht eine<br />

Sekunde lang bereut.<br />

Der Morgen des nächsten Tages war<br />

wun<strong>der</strong>bar hell, es regnete nicht und<br />

<strong>der</strong> Himmel klarte letztendlich völlig<br />

auf und wurde blau. Der Wasserstand<br />

des Flusses sank in <strong>der</strong> Nacht und <strong>das</strong><br />

war ein guter Anfang. Wir stürzten<br />

uns ins gewaltige Wasser und setzten<br />

unsere Fahrt fort. Diesmal war ich<br />

nicht so angespannt, obwohl ich aufmerksam<br />

auf Steve achtete und mich<br />

bemühte, nicht hinter ihm zurückzubleiben.<br />

Der „Dreh- und Angelpunkt“<br />

des zweiten Tages war eine lange, sich<br />

über etwa 400 Meter erstreckende<br />

Schwelle <strong>der</strong> Stufe vier mit dem tollen<br />

Namen „Holy Shit“, <strong>der</strong>en ersten Teil<br />

ich nach <strong>der</strong> Erkundung fast ideal bewältigt<br />

habe. Wir beschlossen jedoch,<br />

<strong>das</strong>s es ein Wagnis wäre, ein weiteres<br />

Risiko einzugehen. Zwangsläufig fühlte<br />

ich mich etwas enttäuscht, obwohl<br />

ich wusste, <strong>das</strong>s selbst erfahrene Kajakfahrer<br />

bei Idealbedingungen ihre<br />

Kajaks in dieser irrsinnigen Strömung,<br />

die in einem schmalen Kanal zwischen<br />

großen Steinen fließt, nur schwer unter<br />

Kontrolle halten. Steve war überzeugt,<br />

<strong>das</strong>s wir mit <strong>der</strong> Umgehung<br />

<strong>der</strong> gefährlichen Stelle die richtige<br />

Entscheidung getroffen haben, und<br />

ich musste ihm beipflichten.<br />

Weiterhin erwarteten uns noch einige<br />

amüsante Schwellen <strong>der</strong> Stufe drei<br />

und plötzlich war <strong>das</strong> Abenteuer vorbei,<br />

wie immer viel zu schnell. Ich bin<br />

in viel ruhigeren Gewässern gepaddelt<br />

und noch nicht einmal an <strong>Land</strong><br />

gegangen wollte ich wie<strong>der</strong> zurück.<br />

Im Leben erfährt man selten eine Situation,<br />

wo du dich selbst beneidest,<br />

und ich habe mich damals eben genau<br />

so gefühlt.<br />

50


Es soll gesagt sein, <strong>das</strong>s die enge<br />

Freundschaft mit einer V i e l z a<br />

h l (und <strong>das</strong> ist vielleicht nicht <strong>das</strong><br />

treffendste Wort) aufdringlicher<br />

Sandfliegen eine bittere Erinnerung<br />

und ein Unmaß an Juckreiz<br />

und Hautbrennen am Körper hinterlassen<br />

hat; also ist ein entsprechendes<br />

Spray an diesen Orten in<br />

NZ einfach ein Muss.<br />

Der Hubschrauber beför<strong>der</strong>te uns<br />

zurück in die Kleinstadt Karamea.<br />

Mir blieben noch ein paar Tage bis<br />

zu meiner Rückkehr nach Hause<br />

auf den alten Kontinent. Steve sagte<br />

zum Scherz, <strong>das</strong>s ich mich nun<br />

entspannen und <strong>das</strong> ganze irre<br />

Neuseeland-Abenteuer mit einer<br />

ultra-blödsinnigen <strong>Be</strong>schäftigung<br />

abrunden sollte, wie zum <strong>Be</strong>ispiel<br />

mit Zorbing. Ich hatte keine Ahnung,<br />

was <strong>das</strong> ist, und dachte, <strong>das</strong>s<br />

es sich hierbei um einen örtlichen<br />

Slang für die <strong>Be</strong>zeichnung eines ordentlichen<br />

Trinkgelages handelt,<br />

aber ich habe mich kräftig geirrt.<br />

Score<br />

Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />

Ziel zu erreichen.<br />

Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />

Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />

Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />

die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

© Thinkstock (3)<br />

51


explorer<br />

Zorbing, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> seltsamste Sport <strong>der</strong> Welt<br />

Trotz <strong>der</strong> zusätzlichen Reise per Flugzeug machte ich<br />

mich, ohne zu zweifeln, auf den Weg zur Nordinsel,<br />

denn <strong>das</strong> Zorbing (engl. ZorbR globe riding) ist in<br />

Neuseeland nur im Ort Rotorua möglich.<br />

Und am selben Tag war ich vorbereitet<br />

auf die seltsamste Freizeitbeschäftigung,<br />

die ich je gesehen hatte. Der<br />

Zorb o<strong>der</strong> <strong>das</strong> Zorbing wurde ebenfalls<br />

von verrückten Adrenalin-Fanatikern<br />

unter den Kiwis erfunden und<br />

ist jetzt auf <strong>der</strong> ganzen Welt als Freizeitabwechslung<br />

mit Adrenalinschub<br />

verbreitet. Einige bezeichnen es als<br />

Sport, genauer gesagt gilt die Devise:<br />

Wer nicht als Astronaut angenommen<br />

wird, <strong>der</strong> wird ein Zorbonaut.<br />

Als ich diese riesige Gummikugel mit<br />

einem Durchmesser von drei Metern<br />

gesehen hatte, war ich positiv überrascht<br />

und fühlte, <strong>das</strong>s ich sie unbedingt<br />

ausprobieren möchte. Es ist<br />

eine durchsichtige Kugel, in <strong>der</strong>en Innerem<br />

sich eine kleinere Kugel befindet,<br />

und zwischen ihnen gibt es einen<br />

Luftraum und eine Vielzahl von Spezialbefestigungen.<br />

In den Innenraum<br />

<strong>der</strong> Kugel gelangt man durch einen<br />

schmalen Tunnel, in den einem die<br />

Zorb-Fanatiker, die auf <strong>der</strong> Zorbing-<br />

Basis von Rotorua (www.zorb.com)<br />

arbeiten, hineinhelfen. Man kann zwischen<br />

mehreren amüsanten Rollprogrammen<br />

wählen: die trockene Zorbing-Variante<br />

– ZORBIT (59 NZD) o<strong>der</strong><br />

die nasse Zorbing-Variante – ZYDRO<br />

(49 NZD). Der Unterschied ist sehr offensichtlich<br />

– bei ZORBIT rollt man wie<br />

wild allein und gut festgeschnallt in<br />

<strong>der</strong> Kugel auf gera<strong>der</strong> Trasse den Hügel<br />

herab, und bei ZYDRO wird Wasser<br />

in die Kugel gelassen; nicht so viel,<br />

<strong>das</strong>s man schwimmt, aber genügend,<br />

um völlig durchnässt zu werden. Des<br />

Weiteren kann man sich die ZYDRO-<br />

Kugel mit ein paar Freunden teilen,<br />

mit denen man viel Körperkontakt<br />

haben möchte, <strong>der</strong> beim Rollen mit<br />

großer Geschwindigkeit in <strong>der</strong> sich<br />

überschlagenden Kugel zustande<br />

kommt, denn in ihm bewegt man sich<br />

uneingeschränkt frei.<br />

An diesem Tag schien die Sonne<br />

und ich beschloss, beide Arten des<br />

Zorbings auszuprobieren, wobei<br />

ich mir aber die nasse Variante für<br />

den Schluss aufhob. Ich muss sagen,<br />

<strong>das</strong>s ich oben auf dem <strong>Be</strong>rg,<br />

wo mich zwei passionierte Adrenalin-Fanatiker<br />

und Mitarbeiter von<br />

Zorb Rotorua erwarteten, fühlte,<br />

wie mein Herz schneller schlug.<br />

Dies war keine so atemberaubende<br />

<strong>Be</strong>währungsprobe wie <strong>der</strong><br />

Bungee-Sprung, wo mein Denken<br />

völlig aussetzte, o<strong>der</strong> wie eine <strong>Be</strong>schäftigung<br />

wie <strong>das</strong> Kajakfahren,<br />

die einem Technik und Konzentration<br />

abverlangt, aber es war eine<br />

leichte und beson<strong>der</strong>s angenehme<br />

Aufregung und ich konnte den<br />

bevorstehenden Adrenalinschub<br />

riechen. Ich zwänge mich in den<br />

Tunnel, wobei ich die Randbemerkung<br />

<strong>der</strong> beiden Jungs, <strong>das</strong>s die<br />

Zorb-Kugeln <strong>das</strong> offizielle Symbol<br />

<strong>der</strong> nächsten Olympischen<br />

Winterspiele in Sotschi (Russland)<br />

sein werden, im Kopf verarbeite.<br />

52


Laut dem Präsidenten des Organisationsausschusses<br />

„wi<strong>der</strong>spiegeln die<br />

durchsichtigen Zorbs die offene, zugängliche<br />

und harmonische Gesellschaft,<br />

bei <strong>der</strong>en Schaffen die Olympischen<br />

Winterspiele 2014 in Sotschi<br />

versuchen werden, behilflich zu sein.“<br />

Meine intellektuellen Gedankengänge<br />

wurden unterbrochen, als mein<br />

Zorb sich in <strong>Be</strong>wegung setzte, und ich<br />

rollte mit „aaaa, oooooo, uuuuuuuuuuuu<br />

yeahhhhhh...“ Kopf nach unten,<br />

Kopf nach oben, Kopf nach unten und<br />

wie<strong>der</strong> umgekehrt, und Himmel und<br />

Erde vermischten sich in einem herrlichen<br />

Mosaik aus Grün, Blau und Grünblau<br />

und keine Ahnung was sonst für<br />

Farben. Es ging so schnell voran, <strong>das</strong>s<br />

ich mich ziemlich beneeeebelt fühlte.<br />

Nachdem die Kugel zum Stillstand<br />

gekommen war, schnallte ich mich ab<br />

und schaffte es gerade so heraus auf<br />

den Boden, wo ich einige Sekunden<br />

lang taumelte und mein irrsinniges<br />

Lachen nicht kontrollieren konnte.<br />

Alles geschah so schnell, <strong>das</strong>s ich,<br />

nachdem ich endlich zu lachen und<br />

schwanken aufgehört hatte, dem<br />

Kiwi, <strong>der</strong> mir beim Aussteigen behilflich<br />

war, auf die Schulter klopfte und<br />

etwas zu laut rief, <strong>das</strong>s ich nochmals<br />

will, NOCHMALS, NOCHMALS. Der<br />

Junge nickte verständnisvoll, weil er<br />

<strong>das</strong> sicher schon tausendmal gehört<br />

hat, und sagte nur ein Wort – „ansteckend“.<br />

Ich ließ mir zehn Minuten zum Verschnaufen,<br />

aber länger hielt ich es<br />

nicht aus und eilte zum nächsten<br />

Durchgang, diesmal zur Zig Zag-Trasse.<br />

In <strong>der</strong> Kugel wurde ich nicht festgeschnallt,<br />

son<strong>der</strong>n um mich herum<br />

gluckerten ein paar Eimer Wasser.<br />

Der Gedanke, <strong>das</strong>s man mich vom<br />

<strong>Be</strong>rg herab frei in dieser seltsamen<br />

Angelegenheit herab lassen wird, war<br />

unglaublich, denn es schien zweifellos<br />

die große Möglichkeit auf einen<br />

Genickbruch zu geben, es war jedoch<br />

schon zu spät, um Fragen zu stellen.<br />

Ich beruhigte mich zumindest damit,<br />

<strong>das</strong>s ich nicht zu viel gegessen hatte.<br />

Der Zorb setzte sich in <strong>Be</strong>wegung und<br />

die genauste <strong>Be</strong>schreibung von dem,<br />

was ich fühlte, als ich unkontrolliert in<br />

alle Richtungen geschleu<strong>der</strong>t wurde,<br />

ist eine Waschmaschine. Völlig ohne<br />

Kontrolle über meine Situation prallte<br />

ich gegen die Wände des Zorbs und<br />

konnte nicht vorahnen, wohin mich<br />

die Zig Zag-Trasse danach werfen<br />

wird, und vergessen Sie <strong>das</strong> Wasser<br />

nicht. An diesem Tag war es kalt und<br />

erfrischte mich ordentlich. Im Winter<br />

o<strong>der</strong> an einem Regentag kann man<br />

wohl einen Waschgang mit warmem<br />

Wasser wählen.<br />

Im Wissen darum, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Zorbing<br />

meine letzte Möglichkeit zum Toben<br />

in Neuseeland ist, ließ ich mich<br />

noch einmal in einem trockenen<br />

Zorb herabrollen. <strong>Be</strong>im zweiten Mal<br />

war es nicht weniger eindrucksvoll<br />

als beim ersten Mal, und da ich<br />

wusste, was mich erwartet, konnte<br />

ich mich mehr auf die durch die<br />

irre Drehung hervorgerufenen Reaktionen<br />

meines Körpers konzentrieren.<br />

Dieses Mal stieg ich ohne<br />

Hilfe aus und wurde zum echtesten<br />

eingeschworenen Zorbonauten.<br />

© Thinkstock (4)<br />

53


explorer<br />

Kia ora & Ka kite ano! –<br />

Danke und auf Wie<strong>der</strong>sehen<br />

Das wars?! Der lange Flug zurück in die gut vertraute<br />

Welt stand bevor. Dort warteten Arbeit, Zuhause und<br />

Alltag auf mich.<br />

Und ich lächelte, denn Neuseeland<br />

mit seiner frischen Luft und seinen<br />

Räumen hat mich zu neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

und Erfahrungen inspiriert.<br />

Ich wusste, <strong>das</strong>s ich nur einen<br />

kleinen Teil von dem, was dieses <strong>Land</strong><br />

<strong>der</strong> verrückten Einwohner anzubieten<br />

hat, erforscht und ausprobiert<br />

habe. In Gedanken schmiedete ich<br />

Pläne für eine Rückkehr nach Karamea.<br />

Ich war mir sicher, <strong>das</strong>s die noch<br />

nicht bewältigte Schwelle „Holy Shit“<br />

mich nochmals hier herführen wird.<br />

Außerdem wollte ich unbedingt den<br />

besten Schnee auf <strong>der</strong> Südhalbkugel<br />

spüren, denn ich war kein schlechter<br />

Skifahrer und Neuseeland ist <strong>der</strong> ideale<br />

Ort zum Skifahren, wenn in Europa<br />

Sommer ist, wo <strong>der</strong> Hubschrauber<br />

dabei hilft, die höchsten Punkte mit<br />

sauberem unberührtem Schnee zu<br />

erreichen.<br />

„Oh ja“, <strong>das</strong> sind Paradies, Heimat und<br />

Lebensort <strong>der</strong> Liebhaber von Extremvergnügungen<br />

und -sport. Während<br />

<strong>der</strong> Reise habe ich viele Geschichten<br />

davon gehört, wie viele Draufgänger,<br />

die wegen einer Adrenalindosis nach<br />

NZ gekommen sind, nie wie<strong>der</strong> von<br />

hier abgereist sind. Ich fühlte, <strong>das</strong>s<br />

auch ich zu einem Anhänger geworden<br />

bin, wie bereits ein Kiwi zu mir<br />

sagte, – es ist ansteckend.<br />

Schlüsselinformationen<br />

<strong>Land</strong>: Neuseeland<br />

Hauptstadt: Wellington –<br />

südlichste Hauptstadt <strong>der</strong> Welt<br />

Küstenlänge von NZ: etwa 15,134 km<br />

Einwohnerzahl: ca. 4 Millionen<br />

Sprache: Englisch, Maori (Te reo Maori)<br />

Flugticket-Preise: ab 1300 € (London –<br />

Christchurch (NZ) – London)<br />

Flugdauer (in eine Richtung): etwa<br />

28–30 Stunden<br />

54


© Thinkstock (9)<br />

Tatsachen und Heiteres<br />

.. In Wellington gibt es mehr Plätze<br />

im Restaurant pro Person als in<br />

New York.<br />

.. An staatlichen Feiertagen berechnen<br />

Restaurants und Cafés<br />

einen Aufschlag von 20 %.<br />

.. Die Vögel Kea und Weka sind sehr<br />

neugierig und kräftig. Seien Sie<br />

wachsam, wenn Sie Ihre Handtaschen<br />

geöffnet lassen, und<br />

haben Sie auch auf abgelegte<br />

Schuhe ein Auge – Sie könnten<br />

sie verlieren.<br />

.. Wasser aus dem Hahn kann ohne<br />

<strong>Be</strong>denken getrunken werden.<br />

..<br />

Vor einer Reise nach NZ sind keine<br />

zusätzlichen Impfungen notwendig.<br />

.. Respektieren Sie die Privatsphäre<br />

und bitten Sie die Maori um<br />

Erlaubnis, bevor Sie sie fotografieren.<br />

.. Edmund Hillary, <strong>der</strong> erste<br />

Mensch, <strong>der</strong> den Mount Everest<br />

erklommen hat, ist Bürger von<br />

NZ.<br />

..<br />

..<br />

..<br />

Neuseeland nennen ihr Zuhause:<br />

die größten nicht fliegenden<br />

Papageien (Kakapo), die ältesten<br />

Reptilien (Tuatara), die größten<br />

Erdwürmer (Earthworms),<br />

die kleinsten Fle<strong>der</strong>mäuse, <strong>das</strong><br />

schwerste Insekt (a weta), einige<br />

<strong>der</strong> ältesten Bäume und seltensten<br />

Vögel, Insekten und Pflanzenarten<br />

<strong>der</strong> Welt.<br />

Eine Reiseversicherung bei einem<br />

<strong>Be</strong>such von NZ ist ein absolutes<br />

Muss.<br />

Neuseeland hält 54 % des Hammelfleischexports<br />

auf dem Weltmarkt.<br />

Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />

Ziel zu erreichen.<br />

Zeit, die zum Erreichen des Ziels notwendig ist.<br />

..<br />

..<br />

..<br />

..<br />

Score<br />

Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />

Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />

Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />

die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

Der Vater <strong>der</strong> Atomphysik und<br />

Nobelpreisträger Ernest Rutherford<br />

war auch ein Kiwi.<br />

NZ hat mehr Golfplätze und Buchläden<br />

als jedes an<strong>der</strong>e <strong>Land</strong> <strong>der</strong><br />

Welt, was heißt, <strong>das</strong>s die <strong>Be</strong>wohner<br />

sehr belesen und zugleich<br />

sportlich sind.<br />

Die gesamte Trilogie vom „Herr<br />

<strong>der</strong> Ringe“ (The Lord of the Rings)<br />

wurde in Neuseeland gefilmt.<br />

1 EUR = 1.8705 NZD<br />

1 NZD = 0.5346 EUR<br />

Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

55


climber<br />

Speedklettern:<br />

Geht’s noch<br />

extremer?<br />

Text Gediminas Galkauskas<br />

56


Wenn Sie auf <strong>der</strong> Reise durch den Bundesstaat Kalifornien<br />

<strong>der</strong> USA sind, dann sollten Sie unbedingt<br />

die Lovers Leap-Felsen in <strong>der</strong> Nähe des Lake Tahoe<br />

besuchen.<br />

Das sollten Sie nicht nur tun, um sich<br />

eine weitere abgedroschene Geschichte<br />

im Stil von Romeo und Julia<br />

anzuhören, laut <strong>der</strong>er zwei Verliebte<br />

aus zwei unterschiedlichen Stämmen<br />

sich <strong>das</strong> Leben genommen haben,<br />

indem sie sich vom mehr als 125 m<br />

hohen Felsen stürzten. Ein viel wichtigerer<br />

Grund ist, <strong>das</strong>s man genau<br />

hier begreifen kann, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Mensch<br />

vom Affen abstammt, und <strong>das</strong> verschollene<br />

Glied zwischen Homo sapiens<br />

und den Primaten <strong>der</strong> Gegenwart<br />

lässt sich hier in voller Schönheit mit<br />

den eigenen Augen betrachten. Und<br />

<strong>das</strong> ist hun<strong>der</strong>t Mal echter als die Suche<br />

nach irgendeinem mystischen<br />

Schneemenschen.<br />

Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor<br />

dem Lovers Leap-Felsen, <strong>der</strong> direkt<br />

vor Ihren Augen ganz vertikal nach<br />

oben schießt. Sie denken, <strong>das</strong>s man<br />

nur durch Überfliegen auf die an<strong>der</strong>e<br />

Seite des Felsens ge<strong>langen</strong> kann,<br />

also ziehen Sie die <strong>Land</strong>karte aus dem<br />

Rucksack und suchen nach einer Umgehung.<br />

Schauen Sie genauer hin<br />

– plötzlich taucht von irgendwo ein<br />

Geschöpf auf, <strong>das</strong> auf den ersten Blick<br />

an einen Menschen erinnert und<br />

schnell beginnt, am Felsen nach oben<br />

zu klettern. Sie versuchen Genaueres<br />

zu erkennen – es scheint ein Mensch<br />

zu sein, aber Menschen können so<br />

etwas doch nicht! Das können nur<br />

Affen. Für <strong>der</strong>artige Gedankengänge<br />

über Evolution bleiben Ihnen gerade<br />

einmal 4 min 25 s, denn in dieser Zeit<br />

hat <strong>das</strong> Geschöpf den Gipfel erreicht,<br />

und laut den von oben erklingenden<br />

unartikulierten Freu<strong>der</strong>ufen sind Sie<br />

schon fast überzeugt, <strong>das</strong>s Sie es mit<br />

einem Primaten zu tun haben.<br />

Genau dieses verschollene Glied <strong>der</strong><br />

Evolution zwischen Homo sapiens<br />

und den Primaten wird hier „speed<br />

climbers“ (engl. Speedkletterer) genannt.<br />

Das sind Menschen, die überall<br />

klettern, wo sich nur die Möglichkeit<br />

dazu bietet. Umso schwieriger<br />

und gefährlicher, desto größer ist<br />

die <strong>Be</strong>friedigung für sie. Ihr Ziel ist<br />

es, nicht nur am Leben zu bleiben,<br />

son<strong>der</strong>n auch am schnellsten einen<br />

konkreten Gipfel o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>es<br />

Objekt zu erklimmen. Das erwähnte<br />

Erklimmen des Lovers Leap-Gipfels ist<br />

kein Science-Fiction – die Koryphäe<br />

<strong>der</strong> Speedkletterer, Dan Osman, hat<br />

im wirklichen Leben tatsächlich diese<br />

kurze aber eindrucksvolle Aktion<br />

durchgeführt. Sie können sich davon<br />

selbst überzeugen, indem Sie die<br />

Webseite http://www.verficktescheisse.com/dan-osman-free-climbinglovers-leap/<br />

besuchen, o<strong>der</strong> sich den<br />

Werbeclip über Dan Osman unter <strong>der</strong><br />

Adresse http://www.indipipe.com/<br />

videos/141/extreme-climbing-denosman<br />

ansehen.<br />

Schneller als alles<br />

an<strong>der</strong>e<br />

Speedklettern entstand aus dem<br />

einfachen <strong>Be</strong>rgsteigen und dem<br />

Klettern. Wenn Sie jedes Wochenende<br />

in die Alpen fahren, um dort<br />

einen Spaziergang zu machen,<br />

und in <strong>der</strong> Lage sind, schneller zu<br />

gehen als die Damen und Herren<br />

im gesetzten Alter, die wegen <strong>der</strong><br />

frischen Luft angereist sind, dann<br />

denken Sie nicht, <strong>das</strong>s Sie sich bereits<br />

als Speedkletterer bezeichnen<br />

können. An irgendeinem Punkt<br />

vor langer Zeit sahen sich die Vorläufer<br />

<strong>der</strong> letzteren <strong>Be</strong>schäftigung<br />

zu sehr gelangweilt vom einfachen<br />

Aufstieg zum Gipfel, sie wollten es<br />

schneller als die an<strong>der</strong>en schaffen.<br />

Außerdem sind in solchen<br />

Alpinisten-Paradiesen wie dem<br />

Mount Everest, den Alpengipfeln,<br />

den <strong>Be</strong>rgen des Yosemite Nationalparks<br />

u. Ä. die Wege zum <strong>Be</strong>steigen<br />

allen bis ins Detail bekannt. Für<br />

die „coolsten“ <strong>Be</strong>rgsteiger ist es<br />

uninteressant dort aufzusteigen,<br />

wo so viele Menschen waren, wie<br />

eine gut aussehende Prostituierte<br />

im Jahr Kundschaft empfängt.<br />

Sie möchten einzigartig sein und<br />

lechzen nach Rekorden. Ihr Motto<br />

lautet: Wenn du nicht <strong>der</strong> erste sein<br />

kannst, dann sei <strong>der</strong> schnellste.<br />

© Thinkstock (3)<br />

57


climber<br />

Das systematisierte <strong>Be</strong>rgsteigen entstand<br />

noch im 18./19. Jh., als man<br />

damit begann, dort nach wenig bekannten<br />

Tieren o<strong>der</strong> Pflanzen zu suchen.<br />

Und als Sportart bildete sich <strong>das</strong><br />

<strong>Be</strong>rgsteigen am Ende des 19. Jh. heraus.<br />

Trotzdem haben sich die Menschen<br />

schnell an den höchsten und<br />

rausten <strong>Be</strong>rgen zu schaffen gemacht,<br />

weshalb es einfach keine Möglichkeit<br />

mehr gibt, in <strong>das</strong> Buch <strong>der</strong> Rekorde<br />

eingetragen zu werden, wie dies dem<br />

ersten, <strong>der</strong> einen eindrucksvollen<br />

Gipfel erklommen hatte, vergönnt<br />

war. Deshalb fanden sich solche, die<br />

sich entschlossen haben, in die Geschichte<br />

einzugehen, indem Sie einen<br />

Gipfel schneller erklimmen als dies jemandem<br />

zuvor gelungen ist.<br />

In den 60er Jahren des 20. Jh. begannen<br />

die Amerikaner mit dem Praktizieren<br />

des Geschwindigkeitsbergsteigens.<br />

Sie zogen zum Freiklettern<br />

wenig technische Hilfe zu Rate – lediglich<br />

Haken und Seile. Diese Ausrüstung<br />

sollte nur in den Situationen<br />

helfen, wo <strong>der</strong> Aufstieg zu gefährlich<br />

o<strong>der</strong> ansonsten unmöglich ist.<br />

Seitdem wurde diese <strong>Be</strong>schäftigung<br />

perfektioniert, die Menschen evolutionierten<br />

und schnell war die Grenze<br />

erreicht, wo man beim <strong>Be</strong>rgsteigen<br />

nur seine Arme und <strong>Be</strong>ine einsetzt,<br />

ohne jegliche Sicherungen, weil... diese<br />

zweifellos nur stören und unnötiges<br />

Gewicht darstellen.<br />

Ein echter Speedkletterer, <strong>der</strong> nur<br />

den Rekord vor Augen hat, zerbricht<br />

sich nicht den Kopf mit solchen banalen<br />

Fragen wie Sicherheit o<strong>der</strong> Wert<br />

des Lebens. Wenn man <strong>der</strong> schnellste<br />

sein möchte, dann muss man Risiken<br />

in Kauf nehmen. Das ist wie beim Kauf<br />

einer beliebigen Dienstleistung – sie<br />

kann nicht schnell, billig und qualitativ<br />

zugleich sein. Man kann nur 2 Varianten<br />

wählen. Der Schweizer Ueli Steck<br />

beispielsweise hat vor ein paar Jahren<br />

in einer Rekordzeit von 2 h 47 min 33<br />

s den Gipfel des Eigers in den Alpen<br />

bestiegen und hatte lediglich ein 30<br />

m langes Seil (<strong>das</strong> er nicht einmal einsetzte),<br />

eine einzige Schneeschraube,<br />

2 Eispickel und 4 Karabinerhaken im<br />

Gepäck. Für gewöhnlich wird für <strong>das</strong><br />

<strong>Be</strong>steigen des Eigers die folgende Ausrüstung<br />

empfohlen: zwei 60 m lange<br />

Seile, ein Schlafsack, ein Kocher und<br />

die dazu gehörige Brennstoffreserve,<br />

verschiedene Werkzeuge, welche die<br />

Sicherheit garantieren, Eispickel und<br />

Verpflegung für wenigstens 3 Tage...<br />

Diese Zusammenstellung ist natürlich<br />

für blutige Anfänger gedacht, denn<br />

„eingefleischte“ Speedkletterer sind<br />

von Natur aus bemüht, unnötige Last,<br />

Körpergewicht sowie unpassende<br />

Gedanken zu vermeiden, da dieser<br />

unnötige Ballast nur den Aufstieg erschwert.<br />

Geschmackssache<br />

(auf Wahnsinnsniveau)<br />

Die extremsten Speedkletterer<br />

sind Vertreter des sogenannten<br />

„Free soloing“. Hier beruft sich <strong>der</strong><br />

Mensch lediglich auf seine Körperdaten,<br />

Fähigkeiten und seine psychologische<br />

Einstellung. Hilfsmittel<br />

werden nur benutzt, um den Aufstieg<br />

zu erleichtern, jedoch nicht<br />

dazu, um den Absturz zu vermeiden.<br />

Aus diesem Grund endeten<br />

die Überschätzung <strong>der</strong> eigenen<br />

Kraft und die Waghalsigkeit für viele<br />

Koryphäen des <strong>Be</strong>rgsteigens mit<br />

dem Tod. Die Asse im Free Soloing<br />

besteigen <strong>Be</strong>rge auf diese Weise<br />

nicht nur, weil sie neue Rekorde<br />

zum Ziel haben, son<strong>der</strong>n weil sie<br />

auch auf <strong>der</strong> Jagd nach einer neuen<br />

Adrenalindosis sind und mit ihrer<br />

Angst kämpfen wollen.<br />

58


Natürlich kann man auch einer sichereren<br />

Alternative des Free Soloing<br />

nachgehen, die von den Assen in diesem<br />

<strong>Be</strong>reich ebenfalls verächtlich beäugt<br />

wird, wie Snobs, denen gerade<br />

anstelle eines Luxus-Restaurants eine<br />

schäbige Bierbar angeboten wurde.<br />

Das ist <strong>das</strong> Boul<strong>der</strong>n. Auch hier werden<br />

keinerlei Sicherungsmaßnahmen<br />

gegen <strong>das</strong> Abstürzen getroffen, man<br />

besteigt jedoch nur kleine Felsen, von<br />

denen ein Absturz nicht gefährlich ist,<br />

da <strong>der</strong> Abstieg auf Sand o. Ä. erfolgt.<br />

Eine weitere Variante, ein echter Macho<br />

zu sein, jedoch nicht sein Leben<br />

aufs Spiel zu setzen ist <strong>das</strong> sogenannte<br />

„Deep water soloing“. Hierbei besteigt<br />

man Felsen, die sich direkt am<br />

Wasser befinden, weshalb ein Absturz<br />

im schlimmsten Fall mit einem Bauchklatscher<br />

aus großer Höhe endet. Unangenehm,<br />

aber nicht lebensgefährlich.<br />

An<strong>der</strong>erseits wird man in diesen<br />

beiden Fällen beim Klettern nicht an<br />

die Grenze <strong>der</strong> Extremerfahrungen<br />

herangeführt, weil Sie sogar bei Misserfolg<br />

noch eine Alternative haben.<br />

Es gibt auch eine sportliche Art des<br />

Speedkletterns, die es wert ist, den<br />

Namen Speedklettern lediglich <strong>der</strong><br />

Geschwindigkeit wegen zu tragen,<br />

weil sie völlig ungefährlich ist. Hier<br />

gibt es auch keine große Höhe, die<br />

Felsen sind künstlich, und es gibt eine<br />

Menge Sicherheitsmaßnahmen, welche<br />

die Sicherheit des Sportlers garantieren.<br />

Der einzige Vorteil ist <strong>der</strong>,<br />

<strong>das</strong>s man seine Fähigkeiten im Speedklettern<br />

wohl schon in naher Zukunft<br />

<strong>der</strong> breiten Welt präsentieren können<br />

wird. Das Internationale Olympische<br />

Komitee erwägt die Möglichkeit, <strong>das</strong><br />

Speedklettern zu einer vollwertigen<br />

Sportart zu erklären. Die Koryphäen<br />

des traditionellen Speedkletterns betrachten<br />

diese Alternative wie den<br />

Sex mit einer Gummipuppe, noch zusätzlich<br />

mit Kondom, denn was kann<br />

es für ein Vergnügen sein, einer solchen<br />

Tätigkeit mit maximaler Sicherung<br />

und noch dazu auf Kunstfelsen<br />

nachzugehen?<br />

Mit solchen „kastrierten“ Alternativen<br />

beschäftigen sich nur diejenigen, die<br />

vor einer echten Adrenalindosis zurückschrecken<br />

o<strong>der</strong> sich davor fürchten,<br />

bis aufs Äußerste an den Tunnel,<br />

an dessen Ende <strong>das</strong> Licht blendet,<br />

heranzukommen. Echte Meister des<br />

Speedkletterns überbieten heutzutage<br />

nicht nur unglaubliche Rekorde<br />

in den <strong>Be</strong>rgen, son<strong>der</strong>n entdecken<br />

auch an<strong>der</strong>e Objekte, die man besteigen<br />

kann. Der am besten umworbene<br />

„urban climber“ (engl. Stadtkletterer)<br />

<strong>der</strong> Gegenwart, <strong>der</strong> Franzose Alain<br />

© Thinkstock (5)<br />

59


climber<br />

AuSSergewöhnliche<br />

Fähigkeiten<br />

Will man schnell einen <strong>Be</strong>rg besteigen,<br />

genügt es nicht, jemand zu<br />

sein, <strong>der</strong> keine Angst um sein Leben<br />

hat. Eine beson<strong>der</strong>s gute körperliche<br />

Verfassung ist erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Speedklettern erfor<strong>der</strong>t nicht nur,<br />

<strong>das</strong>s die <strong>Be</strong>wegungen in maximaler<br />

Geschwindigkeit, son<strong>der</strong>n auch<br />

sehr effizient ausgeführt werden.<br />

Um eine hohe Klettergeschwindigkeit<br />

zu erreichen, müssen Kraft und<br />

Ausdauer in Einklang gebracht<br />

werden, und am wichtigsten ist es,<br />

sich die Technik des Geschwindigkeitskletterns<br />

anzueignen.<br />

Robert, ist <strong>der</strong> breiten Öffentlichkeit<br />

eher unter dem Spitznamen „S “ bekannt.<br />

Er besteigt hohe Gebäude o<strong>der</strong><br />

populär ausgedrückt – er beschäftigt<br />

sich mit dem Boul<strong>der</strong>n. Er wird stets<br />

zu den Eröffnungsfeiern <strong>der</strong> höchsten<br />

o<strong>der</strong> fast höchsten Gebäude <strong>der</strong><br />

Welt eingeladen, man bietet ihm an,<br />

<strong>das</strong> neue Gebäude zu besteigen. Es<br />

ist nur etwas seltsam, <strong>das</strong>s die Organisatoren<br />

keine Angst vor einem Unfall<br />

haben: Denn wer möchte schon <strong>der</strong><br />

Verwalter eines Gebäudes sein, von<br />

dem Spi<strong>der</strong>man selbst abstürzte und<br />

ums Leben kam?<br />

Es kann den Anschein haben, <strong>das</strong>s<br />

die urbanistische Art des Speedkletterns<br />

erst nach <strong>der</strong> Errichtung hoher<br />

Gebäude entstehen konnte, was jedoch<br />

nicht <strong>der</strong> Wahrheit entspricht<br />

– die Ursprünge dieser <strong>Be</strong>schäftigung<br />

sind ebenso alt wie die ihres „Cousins“,<br />

<strong>der</strong> in natürlicher Umgebung<br />

kultiviert wird. <strong>Be</strong>reits am Ende des<br />

19. Jh. hat Geoffrey Winthrop Young,<br />

ein Student in Cambridge, die Dächer<br />

<strong>der</strong> Universitätsstadt bestiegen<br />

und im Jahre 1890 gab er einen<br />

Führer heraus, wie man einen Turm<br />

besteigt. Heutzutage überlässt man<br />

die vergleichsweise niedrigen Dächer<br />

von Cambridge den romantisch<br />

gestimmten Studenten, und echte<br />

Boul<strong>der</strong>n-Asse, wie beispielsweise A.<br />

Robert, Dan Goodwin, George Polley,<br />

George Willig, Harry Gardiner, Whipplesnaith<br />

und an<strong>der</strong>e, stürmen solche<br />

gigantischen Gebäude wie <strong>das</strong> Empire<br />

State Building (381 m), den Sears<br />

Tower (442 m), Taipei 101 (450 m), die<br />

Petronas Towers (379 m) u. Ä.<br />

60


Eine gute körperliche Verfassung,<br />

die man sich im Fitness-Studio aneignet,<br />

stellt für <strong>das</strong> Speedklettern<br />

lediglich die primitivste Grundlage<br />

dar. Die am Geschwindigkeitsklettern<br />

„teilnehmenden“ Hauptmuskeln<br />

sind <strong>der</strong> Vierkopf-, die<br />

Oberschenkel- und Unterschenkelmuskeln,<br />

weshalb diese also zuerst<br />

zu trainieren sind. Schlecht wäre<br />

natürlich auch nicht, wenigstens<br />

drei Mal in <strong>der</strong> Woche ernsthaft zu<br />

joggen. Trotzdem sind Sie dann<br />

immer noch so weit von einem<br />

echten Speedkletterer entfernt<br />

wie die Quelle des Amazonas von<br />

seiner Mündung, wenn Sie es nicht<br />

fertig bringen, Explosivkraft aufzubauen.<br />

© Thinkstock (5)<br />

Um schneller als die Frischluftrentner<br />

in den Alpen den <strong>Be</strong>rg zu besteigen,<br />

müssen Sie Ihr gesamtes Training mit<br />

Maximalkraft absolvieren, jedoch in<br />

kurzen Zeitabschnitten. Nur dann<br />

können Ihre Muskeln sich an große<br />

Momentbelastungen anpassen, denen<br />

man beim Speedklettern ständig<br />

ausgesetzt ist.<br />

Wir haben hier über den einfachsten<br />

Teil <strong>der</strong> Vorbereitungen auf <strong>das</strong><br />

Speedklettern – die körperliche Verfassung<br />

– gesprochen. Zum Aufbau<br />

von Muskelmasse braucht es keinen<br />

viel Verstand, es genügt, wenn man<br />

hartnäckig ist und über längere Zeit<br />

im Fitness-Studio Gewichte stemmt.<br />

Viel wichtiger als die körperliche Verfassung<br />

beim Speedklettern ist die<br />

Klettertechnik selbst. Hier „investieren“<br />

die Speedkletterer für gewöhnlich<br />

in zwei Dinge: <strong>Be</strong>weglichkeit (lernen,<br />

wie man einzelne <strong>Be</strong>wegungen<br />

so schnell wie möglich ausführt) und<br />

Schnelligkeit (lernen, wie man einzelne<br />

<strong>Be</strong>wegungen mit maximaler Geschwindigkeit<br />

zu einem Gefüge verbindet).<br />

Die 2006 von Konstantin Fuss<br />

und Gunther Niegl durchgeführte<br />

Studie im Speedklettern hat gezeigt,<br />

<strong>das</strong>s bei sportlichen Wettkämpfen<br />

meistens die Speedkletterer gewinnen,<br />

<strong>der</strong>en Arme bei Kontakt mit <strong>der</strong><br />

Oberfläche die Maximalbelastung erreichen,<br />

aber nur so kurz wie möglich<br />

in diesem Kontakt verbleiben. Das ist<br />

ein völliger Gegensatz zum gewöhnlichen<br />

<strong>Be</strong>rgsteigen, wo <strong>das</strong> Schonen<br />

<strong>der</strong> Kräfte und die Ausdauer <strong>das</strong><br />

Wichtigste sind. Das Gleiche gilt auch<br />

für die <strong>Be</strong>ine.<br />

61


climber<br />

<strong>Be</strong>im Perfektionieren <strong>der</strong> Klettertechnik<br />

ist es notwendig, sich auf vier Aspekte<br />

zu konzentrieren: Reaktion,<br />

<strong>Be</strong>schleunigung <strong>der</strong> <strong>Be</strong>wegungen<br />

und Steigerung von <strong>der</strong>en Häufigkeit<br />

sowie die Fähigkeit, <strong>das</strong> Anfangstempo<br />

zu halten. Dies sind die wichtigsten<br />

Aspekte, die einen einfachen <strong>Be</strong>rgsteiger<br />

zu einem guten Speedkletterer<br />

machen.<br />

Aber so gut Sie auch technisch vorbereitet<br />

sind, in von nach Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

dürstende Muskeln wird <strong>das</strong><br />

Blut strömen und es wird nichts Gutes<br />

dabei herauskommen, wenn Sie sich<br />

mit zu vielen Gedanken beschäftigen<br />

o<strong>der</strong> <strong>das</strong> Chaos herrscht. Das kann<br />

man lei<strong>der</strong> nicht trainieren. Entwe<strong>der</strong><br />

hat man die Neigung und den<br />

Wunsch, auf <strong>der</strong> Lebensgrenze zu<br />

balancieren, o<strong>der</strong> eben nicht. Wenn<br />

nicht, dann sind Boul<strong>der</strong>n und Deep<br />

Water Soloing nicht weniger „sexy“<br />

Alternativen. Falls Sie sich, trotz allem,<br />

schon für ernsthaftes Speedklettern<br />

o<strong>der</strong> Free Soloing entschieden<br />

haben, dann werden Sie mit sich ins<br />

Reine kommen müssen, was Sie vom<br />

Leben erwarten, und dieses so sinnvoll<br />

wie möglich führen, denn... man<br />

weiß nie, wann es zu Ende ist. Sie müssen<br />

auf Ihre eigenen Kräfte vertrauen.<br />

An<strong>der</strong>enfalls können Ihnen bei dem<br />

Versuch, in 150 m Höhe mit <strong>der</strong> Hand<br />

den Rand des Felsens zu erreichen,<br />

Gedanken wie „was passiert, wenn<br />

ich nicht rankomme“, ein <strong>Be</strong>in stellen.<br />

„Nur Sie und <strong>das</strong> Ziel“ – <strong>das</strong> sollte die<br />

einzige Information zwischen Ihren<br />

beiden Ohren sein. Einen an<strong>der</strong>en<br />

Weg gibt es einfach nicht.<br />

Auf kontinentalen<br />

<strong>Be</strong>rgrücken in<br />

Rekordgeschwindigkeit<br />

Einen Speedkletterer kann man<br />

überall erblicken, wenn es nur etwas<br />

gibt, <strong>das</strong> man besteigen kann.<br />

Für den Kletterer ist es unwichtig,<br />

ob es ein <strong>Be</strong>rg ist, <strong>der</strong> zuvor eine<br />

Million Mal bestiegen wurde, ein<br />

steiler Fels o<strong>der</strong> ein neu errichtetes<br />

Gebäude. Sein einziges Ziel liegt<br />

darin, schneller als alle an<strong>der</strong>en zu<br />

sein. Manchmal kämpfen Speedkletterer<br />

sogar mit ihren selbst<br />

aufgestellten Rekorden, da sie <strong>der</strong><br />

Überzeugung sind, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> eine<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Gipfel noch schneller<br />

erobert werden kann. Die bereits<br />

erwähnte Rekordbesteigung des<br />

Eigers durch Ueli Steck war die<br />

zweite. Zuvor hatte <strong>der</strong> Schweizer<br />

den gleichen Gipfel in knappen 4<br />

Stunden bestiegen.<br />

62


Der Gipfel des Mount Everest<br />

zieht als „Dach“ <strong>der</strong> Welt die Augen<br />

aller <strong>Be</strong>rgfreunde auf sich. Für einen<br />

echten Speedkletterer besitzt<br />

die olympische Regel „Hauptsache<br />

daran teilnehmen“ jedoch keine<br />

Gültigkeit. Solche edlen <strong>Be</strong>schäftigungen<br />

überlässt er den Menschen,<br />

die versuchen, die Lebensfreude<br />

zu finden, die Majestät <strong>der</strong><br />

Natur zu begreifen o<strong>der</strong> denen, die<br />

im Alter einfach etwas für ihre Enkel<br />

zum Erzählen haben möchten.<br />

Den Mount Everest am schnellsten<br />

zu besteigen versuchen ständig<br />

nicht etwa Weltstars des Speedkletterns,<br />

son<strong>der</strong>n 2 Sherpa: Pemba<br />

Dorji und Lakpa Gheylu. Falls Sie<br />

also auf Ihrem Weg auf den Everest<br />

von einem seltsam aussehenden<br />

Weggefährten überholt werden<br />

müssten, dann wird es höchstwahrscheinlich<br />

einer von den beiden<br />

sein. Seien Sie vorsichtig und<br />

stören Sie nicht <strong>der</strong>en Kampf, <strong>der</strong><br />

bereits seit 2003 andauert. Wenn<br />

normale Menschen den Everest in<br />

durchschnittlich 2–3 Wochen besteigen,<br />

so benötigen Pemba und<br />

Lakpa weniger als einen halben<br />

Tag. Vor 7 Jahren schaffte P. Dorji<br />

die Strecke auf den Gipfel in 12 h 43<br />

min, und bereits nach 3 Tagen hat<br />

L. Gheylu den Rekord auf 10 h 46<br />

min verbessert. Im Jahre 2004 hat<br />

Pemba den Titel des schnellsten<br />

Eroberers des Mount Everest zurückerlangt,<br />

wobei er den Rekord<br />

seines ewigen Konkurrenten sogar<br />

um 2 h 36 min geschlagen hat<br />

© Thinkstock (4)<br />

63


climber<br />

Der Yosemite Nationalpark in<br />

Kalifornien, USA, ist <strong>der</strong> Ort, wo<br />

Speedkletterer von Weltniveau<br />

einfach leben, sich perfektionieren<br />

und vermehren. Obwohl es<br />

hier neun besteigbare Gipfel gibt,<br />

schätzen die Speedkletterer, abhängig<br />

von <strong>der</strong> Tiefgründigkeit<br />

ihrer Fähigkeiten, am meisten den<br />

Weg Nose Route des Felsens El Capitan,<br />

wo ständig ein Kampf nach<br />

dem Motto „Geht es schneller und<br />

cooler?“ stattfindet. Vor einigen<br />

Jahren haben die Weltstars im<br />

Speedklettern Hans Florine und<br />

Yuji Hirayama den Felsen, mit dem<br />

sich <strong>Be</strong>rgsteiger-Laien 3 Tage o<strong>der</strong><br />

länger herumplagen, innerhalb<br />

von 2 h 43 min 33 s bewältigt.<br />

Wenn es ein Paradies für Speedkletterer<br />

gibt, dann würde es zweifellos<br />

dem Yosemite Nationalpark ähneln.<br />

Hier gibt es einen weiteren prestigeträchtigen<br />

Gipfel, dessen <strong>Be</strong>steigung<br />

einfach ein Muss ist, wenn man sich<br />

selbst als Speedkletterer bezeichnen<br />

möchte – den Half Dome. Zu seinem<br />

Gipfel führen zwei Wege. Den ersten<br />

mit dem Namen Regular Northwest<br />

Route haben unsere <strong>Be</strong>kannten Hans<br />

Florine und Jim Herson in 1 h 53 min<br />

25 s bewältigt, den an<strong>der</strong>en – die<br />

Snake-Dike-Route – kann Dean Potter<br />

sein Eigentum nennen, da er sie in genau<br />

3 h bewältigt hat.<br />

<strong>Be</strong>i <strong>der</strong> Reise in den USA von Westen<br />

nach Osten, irgendwo auf dem Weg<br />

nach Las Vegas, sollten Sie einmal<br />

anhalten und sich ansehen, wie die<br />

Menschen im geschützten Territorium<br />

des Red Rock Canyons ihr Leben<br />

aufs Spiel setzen. Obwohl es hier unendlich<br />

viele einfachere Felsen gibt,<br />

die den Red Rock Canyon zu einem<br />

hervorragenden Trainingsplatz für<br />

<strong>Be</strong>rgsteiger-Laien machen, wird Sie<br />

<strong>der</strong> auf dem Felsen Epinephrine kletternde<br />

Speedkletterer zwingen einzusehen,<br />

<strong>das</strong>s die 1000 USD, die Sie im<br />

Casino von Las Vegas eingetauscht<br />

und verspielt haben, nur eine unbedeutende<br />

Summe für einen Einsatz<br />

darstellen.<br />

Wenn Sie bei Ihrer Reise durch die USA<br />

nicht nur die Speedkletterer selbst,<br />

son<strong>der</strong>n auch etwas mehr sehen<br />

möchten, dann fällt die Wahl sehr einfach<br />

aus – alle von Speedkletterern<br />

geschätzten Gipfel befinden sich in irgendeinem<br />

Nationalpark. Der Eldorado<br />

Canyon State Park im Bundesstaat<br />

Colorado hat 2 von Speedkletterern<br />

geschätzte Gipfel: Bastille Crack und<br />

Third Flatiron.<br />

An<strong>der</strong>erseits, wenn man sich in den<br />

USA aufhält und daran denkt, <strong>das</strong>s<br />

die Natur nicht eindrucksvoller als<br />

die Stadt New York sein kann, dann<br />

kann man sich die Fahrt in die Tiefe<br />

<strong>der</strong> USA auch schenken. Es genügt,<br />

vom Big Apple etwa 130 km weit zu<br />

fahren, und Sie werden die Shawangunk-<strong>Be</strong>rge<br />

zu sehen bekommen, die<br />

von den Ortsansässigen einfach „The<br />

Gunks“ genannt werden. Dort gibt es<br />

4 Gipfel, die unter <strong>der</strong> von den Speedkletterern<br />

verursachten Erosion leiden:<br />

Millbrook, The Near Trapps, The<br />

Trapps und Skytop.<br />

64


In Europa befinden sich die bei<br />

Speedkletterern beliebten Felsen in<br />

Kroatien, im Nationalpark Paklenica.<br />

Hier findet ständig die Big Wall<br />

Climbing-Meisterschaft statt, was<br />

eine Mischung aus Speedklettern<br />

und einer mit ihm „verwandten“ <strong>Be</strong>schäftigung<br />

– dem Big Wall-Klettern<br />

– darstellt. In <strong>der</strong> Nähe dieses Ortes in<br />

Kroatien gibt es in <strong>der</strong> Region Istrien<br />

auch an<strong>der</strong>e Felsen, die <strong>das</strong> Ego eines<br />

Speedkletterers wert sind, unweit <strong>der</strong><br />

Städte Rijeka, Zagreb und Split.<br />

Die höchsten <strong>Be</strong>rge Europas, die Alpen,<br />

besitzen auch Abhänge, welche<br />

die Aufmerksamkeit von Speedkletterern<br />

verdient haben. Grandes Jorasses<br />

und Eiger Nordwand sind die<br />

Orte, wo selbst die größten Asse von<br />

Grund auf schwitzen können, ungeachtet<br />

dessen, <strong>das</strong>s dort immer Minustemperaturen<br />

herrschen. Die Eiger<br />

Nordwand, die auch als Götterquergang<br />

bezeichnet wird, hat es fast 50<br />

potentiellen Kandidaten nicht gestattet,<br />

den „Götterstatus“ zu erreichen.<br />

Seit 1938 haben hier genau so viele<br />

Speedkletterer bei ihrem Versuch,<br />

den Gipfel zu erobern, ihr Leben gelassen.<br />

Der größte <strong>Be</strong>rg des südamerikanischen<br />

Kontinents und <strong>der</strong> höchste<br />

<strong>Be</strong>rgrücken <strong>der</strong> Welt außerhalb<br />

Asiens, Aconcagua (6958 m), ist<br />

auch mit den Fingerabdrücken von<br />

Speedkletterern übersät. Der Ortsansässige<br />

Guillermo „Willie“ <strong>Be</strong>negas<br />

hat diesen <strong>Be</strong>rgrücken in 16 h 10 min<br />

bewältigt, aber als ob <strong>das</strong> noch nicht<br />

genug wäre, hat er den Abstieg auch<br />

noch in <strong>der</strong> Rekordzeit von 6 h 50 min<br />

geschafft. Um einen Vergleich anzustellen<br />

– für Gruppen von einfachen<br />

Laien werden zur <strong>Be</strong>wältigung dieser<br />

87 km <strong>langen</strong> Distanz meist 3 Wochen<br />

benötigt, und etwas erfahrenere Alpinisten<br />

schaffen es in bedauernswerten<br />

zwei Wochen.<br />

Ein weiteres Schmuckstück Südamerikas<br />

– die Region Patagonien<br />

– stellt für <strong>das</strong> Paradies <strong>der</strong><br />

Speedkletterer, den Yosemite Nationalpark,<br />

eine ernsthafte Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

dar. Das ist <strong>der</strong> Cochamo.<br />

Hier gibt es unendlich viele<br />

Felsen, wo man sich an den eigenen<br />

Rekorden und den Rekorden<br />

an<strong>der</strong>er messen kann. In <strong>der</strong> Nähe<br />

des Cochamo in Patagonien gibt es<br />

eine Vielzahl an<strong>der</strong>er besteigbarer<br />

Felsen, die jedoch nicht so extrem<br />

sind, weshalb echte Speedkletterer<br />

scherzen, <strong>das</strong>s eine Reise nach Patagonien<br />

ohne <strong>das</strong> <strong>Be</strong>steigen des<br />

Cochamo-Felsens mit Masturbation<br />

in einem Bordell vergleichbar<br />

wäre.<br />

© Thinkstock (6)<br />

65


climber<br />

In Afrika gibt es nichts <strong>Be</strong>sseres, als<br />

<strong>das</strong> als Wiege <strong>der</strong> Menschheit bezeichnete<br />

Kenia zu besuchen. Die<br />

größte Herausfor<strong>der</strong>ung für Speedkletterer<br />

bietet hier <strong>der</strong> Katz- und<br />

Mausfelsen (Cat and Mouse Crag).<br />

Im Sudan gibt es den Felsen El Jabal<br />

Torteel, <strong>der</strong> als afrikanischer El Capitan<br />

angesehen wird. Dieses Naturhin<strong>der</strong>nis<br />

schießt 213 m senkrecht empor.<br />

Wenn Sie nur angereist sind, um<br />

<strong>das</strong> Speedklettern zu beobachten,<br />

dann können Sie auch so zu Ihrer guten<br />

Adrenalindosis kommen. El Jabal<br />

Torteel liegt nämlich an <strong>der</strong> Grenze<br />

von Sudan und Eritrea, wo es ständig<br />

zu militärischen Unruhen kommt,<br />

deshalb sollte man sich über die eine<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Kalaschnikow-Kugel, die<br />

über dem Kopf hinwegsaust, nicht<br />

son<strong>der</strong>lich wun<strong>der</strong>n.<br />

Wenn Sie nach Australien reisen,<br />

bieten wir Ihnen an, einen Flug nach<br />

Neuseeland zu buchen, weil sich die<br />

Speedkletterer genau hier gern austoben,<br />

wobei sie die Felsen Australiens<br />

den Dilettanten und <strong>Be</strong>rgkängurus<br />

überlassen. Erinnern Sie sich an die<br />

Trilogie „Der Herr <strong>der</strong> Ringe“, als <strong>der</strong><br />

Hobbit Frodo den Ring zum Schmelzen<br />

in die Feuer von Mordor brachte<br />

und den <strong>Be</strong>rg bestieg? Als Speedkletterer<br />

kann man ihn nicht bezeichnen,<br />

aber <strong>das</strong>s <strong>das</strong> <strong>Be</strong>steigen <strong>der</strong> Felsen<br />

Neuseelands genau so schwer ist, wie<br />

es auf dem Gesicht des Hobbits geschrieben<br />

ist, <strong>das</strong> ist eine Tatsache. Das<br />

Problem ist nur, <strong>das</strong>s in diesem Winkel<br />

<strong>der</strong> Welt alle bei den Speedkletterern<br />

beliebten Orte recht weit voneinan<strong>der</strong><br />

entfernt sind. Es gibt jedoch auch<br />

Vorteile: Die meisten Felsen wurden<br />

wegen ihrer schweren Zugänglichkeit<br />

wenig bestiegen und die Mehrheit<br />

<strong>der</strong> Speedkletterer-Anfänger kann<br />

hier Rekorde verfolgen auch wenn sie<br />

nicht zu den Assen zählt.<br />

Ist es wirklich ein<br />

ernst zu nehmen<strong>der</strong><br />

Gipfel?<br />

Felsen, auf denen geklettert wird,<br />

unterscheiden sich durch ihre Kompliziertheit<br />

und für Speedkletterer<br />

sind die am interessantesten, die<br />

sich am schwersten bewältigen lassen.<br />

Wenn man jedoch verstehen<br />

will, wie kompliziert <strong>das</strong> <strong>Be</strong>steigen<br />

des einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Gipfels<br />

ist, können gewöhnliche körperliche<br />

Fähigkeiten unzureichend<br />

sein – manchmal scheint es, <strong>das</strong>s<br />

man wenigstens einen Magister in<br />

Quantenmechanik benötigt.<br />

Es gibt ganze 9 Schwierigkeitssysteme<br />

für Felsen, die regionsabhängig<br />

angewendet werden: <strong>das</strong> britische,<br />

amerikanische, auch Yosemite-Zehnersystem<br />

genannt, <strong>das</strong> französische,<br />

Ewbank, angewendet in Australien,<br />

Neuseeland und Südafrika,<br />

<strong>das</strong> System <strong>der</strong> Internationalen<br />

Union <strong>der</strong> Alpinismusvereinigungen<br />

UIAA (Union Internationale<br />

des Associations d’Alpinisme), <strong>das</strong><br />

sächsische, finnische, norwegische<br />

und brasilianische.<br />

66


Der Grundzug <strong>der</strong> <strong>Be</strong>wertungsskala<br />

für die Schwierigkeit <strong>der</strong> Felsen<br />

ist prinzipiell <strong>der</strong> Gleiche: Die Felsen<br />

werden aufgeteilt nach <strong>der</strong> Schwierigkeit,<br />

<strong>der</strong> Möglichkeit zum Einsatz<br />

von Sicherungen sowie nach den für<br />

<strong>das</strong> <strong>Be</strong>steigen erfor<strong>der</strong>lichen technischen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen. Je größer die<br />

Zahl, desto schwerer ist <strong>der</strong> Felsen<br />

zu bewältigen und umgekehrt. Für<br />

gewöhnlich stellt diese <strong>Be</strong>wertung<br />

eine Vereinbarung verschiedener<br />

Kletterer bezüglich <strong>der</strong> Schwierigkeit<br />

des Felsens dar. Mit an<strong>der</strong>en Worten,<br />

wenn man einen wenig bestiegenen<br />

Felsen erklimmt, sollte man die <strong>Be</strong>wertung<br />

reserviert betrachten. Denn<br />

hier verhält es sich wie mit <strong>der</strong> Filmbewertungs-Website<br />

imdb.com: Der<br />

Film hat vielleicht 9,3 Sterne erhalten,<br />

aber es haben nur 3 Personen ihre<br />

Meinung bekundet, was ganz und<br />

gar nicht bedeutet, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Film gut<br />

ist.<br />

Zu den populärsten und am meisten<br />

verbreiteten <strong>Be</strong>wertungssystemen<br />

für die Schwierigkeit <strong>der</strong> Felsen ist <strong>das</strong><br />

australische, <strong>das</strong> Zahlen bis 36 zuteilt.<br />

Je höher, desto furchtbarer. Die Amerikaner<br />

hingegen arbeiten nur mit<br />

einer Skala von 1 bis 5. Hier bedeutet<br />

nur die 5, <strong>das</strong>s man auf Felsen klettert.<br />

Das Klettern <strong>der</strong> Stufe 5 wird in Unterstufen<br />

unterteilt, die durch Zahlen<br />

hinter dem Komma zum Ausdruck<br />

gebracht werden, z. B. 5,5 o<strong>der</strong> 5,12.<br />

Im Zuge des Anstiegs <strong>der</strong> Zahl von<br />

Felsenkletterern und des Wachsens<br />

ihrer Professionalität, kommt eine Zusatzmarkierung<br />

zur Anwendung: Der<br />

Zahl werden Buchstaben von a (am<br />

leichtesten) bis d (am schwersten)<br />

hinzugefügt. Wenn man die <strong>Be</strong>rgsteigerführer<br />

betrachtet, dann wird die<br />

Zahl 5 für gewöhnlich nicht erwähnt,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Wert nach dem Komma<br />

angegeben, d. h. ein Felsen <strong>der</strong><br />

Schwierigkeitsstufe 5,10a wird als 10a<br />

erwähnt. Das amerikanische System<br />

unterscheidet sich ein wenig von den<br />

an<strong>der</strong>en, denn <strong>der</strong> Schwierigkeitsgrad<br />

enthält keine Informationen<br />

über <strong>das</strong> Fehlen von Sicherungen.<br />

Score<br />

Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />

Ziel zu erreichen.<br />

Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />

Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />

Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />

die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

<strong>Be</strong>ispielsweise ist es nach dem australischen<br />

System so, <strong>das</strong>s wenn <strong>der</strong><br />

Felsen weniger schwierig erscheint,<br />

es jedoch keine Möglichkeit zur<br />

angemessenen Absicherung gibt,<br />

<strong>der</strong> Schwierigkeitsgrad für dessen<br />

<strong>Be</strong>wältigung sofort steigt. Im<br />

amerikanischen System wird <strong>der</strong><br />

Schwierigkeitsgrad nur für <strong>das</strong><br />

Klettern selbst vergeben, und über<br />

die Möglichkeit zur Absicherung<br />

beim Klettern auf einem konkreten<br />

Felsen informieren zusätzliche<br />

Buchstaben neben <strong>der</strong> Zahl: G, PG,<br />

PG13, R und X. Die ersten drei Markierungen<br />

werden bei Felsen meist<br />

überhaupt nicht erwähnt, aber R<br />

und X gelten als Warnung, <strong>das</strong>s es<br />

sich hierbei um einen Gipfel handelt,<br />

<strong>der</strong> gefährlich ist und keine<br />

angemessene Absicherung beim<br />

Klettern zulässt.<br />

Die UIAA verwendete früher eine<br />

Abstufung in römischen Zahlen<br />

von I bis X, aber <strong>das</strong> war noch vor<br />

<strong>der</strong> Sintflut. Gegenwärtig werden<br />

nach dem System <strong>der</strong> UIAA auf<br />

Grund <strong>der</strong> gestiegenen Meisterhaftigkeit<br />

<strong>der</strong> Kletterer auch Felsen<br />

<strong>der</strong> Stufe XII bestiegen.<br />

© Thinkstock (5)<br />

67


person<br />

Dan Osman – die Verkörperung <strong>der</strong> Idee des<br />

Speedkletterns<br />

Dan Osman wurde in Nevada, USA, am 11. Februar 1963<br />

geboren.<br />

Dan Osman wurde in Nevada, USA, am<br />

11. Februar 1963 geboren. Er ist <strong>der</strong><br />

Jesus Christus und Kurt Cobain des<br />

Speedkletterns in einer Person. D. Osman<br />

balancierte stets auf <strong>der</strong> Grenze<br />

zwischen Leben und Tod, und obwohl<br />

er niemals auch nur die geringste<br />

Chance hatte, am dritten Tag von den<br />

Toten aufzuerstehen, so hat er dennoch<br />

einen eigentümlichen neuen<br />

Glauben geschaffen. Er war <strong>der</strong> wirkliche<br />

Prophet des Speedkletterns, von<br />

den einen bedingungslos vergöttert,<br />

von den an<strong>der</strong>en verflucht und einfach<br />

als verrückt bezeichnet. Gleichzeitig<br />

war er <strong>der</strong> Kurt Cobain des Free<br />

Soloing – unglaublich talentiert, aber<br />

zu früh verbrannt und durch seine<br />

großen Wünsche hat er fast selbst seinen<br />

Weg ins Jenseits gewählt.<br />

Dan Osman begann in Kalifornien<br />

auf dem Cave Rock am Lake Tahoe zu<br />

klettern, später wechselte er zum Yosemite<br />

Nationalpark, wo er gemeinsam<br />

mit Naturliebhabern und Felsenkletterern<br />

lebte. Er hatte kein Geld,<br />

ging lediglich Saisonarbeiten nach,<br />

und alles, was er verdiente, gab er für<br />

Alpinismus-Ausrüstung aus.<br />

Er interessierte sich stets mehr dafür,<br />

was man in den <strong>Be</strong>rgen unternehmen<br />

kann, und alle an<strong>der</strong>en eher irdischen<br />

und nicht so majestätischen<br />

Dinge haben in seinem Kopf nicht lange<br />

Platz gefunden. Die Freunde von D.<br />

Osman scherzten ständig über „Dans<br />

Zeit“, wenn er sich um einige Stunden<br />

o<strong>der</strong> sogar einige Tage zu vereinbarten<br />

Treffen verspätete. Seine<br />

Mutter nannte ihn schon in <strong>der</strong> Kindheit<br />

„Danny I Forgot“ (engl. „Danny<br />

vergesslich“). Im Leben vergaß er<br />

ständig, Autos zuzulassen, Strafen<br />

zu zahlen, und die Treppe zu seinem<br />

mit Gerümpel voll gestopften Haus<br />

war stets kaputt, obwohl D. Osman<br />

selbst ein guter Bauarbeiter war und<br />

genügend „Mumm in den Knochen“<br />

hatte, ein Baumhaus zu errichten, in<br />

dem er von Zeit zu Zeit auch wohnte.<br />

Ungeachtet seiner Schwächen und<br />

Seltsamkeiten wurde D. Osman von<br />

allen einfach nur vergöttert, da sie<br />

ihn für einen herzlichen und netten<br />

Menschen hielten.<br />

Mit an<strong>der</strong>en Worten, echte Genies<br />

sorgen sich nicht um solche unwichtigen<br />

Kleinigkeiten, denn sie<br />

wissen auch so, wo sie ihre Energie<br />

einsetzen können. Aber <strong>das</strong>, was er<br />

verdiente, gab er nicht nur für die<br />

<strong>Be</strong>friedigung seiner Leidenschaft<br />

o<strong>der</strong> in Krankenhäusern für die <strong>Be</strong>seitigung<br />

<strong>der</strong> Folgen seiner Leidenschaft<br />

aus, son<strong>der</strong>n er sorgte sich<br />

auch um seine Tochter Emma, die<br />

für D. Osman wahrscheinlich <strong>der</strong><br />

einzige Mensch war, <strong>der</strong> wichtiger<br />

war als die <strong>Be</strong>rge.<br />

68


Anfang <strong>der</strong> 70er wurde er als talentierter<br />

Felsen- und Eiskletterer<br />

sowie Spezialist des Free Solo ohne<br />

jegliche Sicherungsseile bekannt.<br />

Obwohl er unglaubliche Rekorde<br />

im Speedklettern aufgestellt<br />

hat – <strong>Be</strong>steigen des Lovers Leap<br />

in 4 min 25 s, Middle Triple Peak in<br />

Alaska sowie The Gun Club im New<br />

River Gorge Nationalpark, – hat er<br />

ironischerweise den Gipfel seiner<br />

<strong>Be</strong>rühmtheit nicht durch <strong>das</strong> wun<strong>der</strong>bare<br />

und verrückte Klettern auf<br />

Felsen, son<strong>der</strong>n durch <strong>das</strong> Abspringen<br />

von ihnen erlangt. Noch ironischer<br />

ist, <strong>das</strong>s er sein Talent zum<br />

Sturz vom Felsen durch erfolglose<br />

Versuche beim <strong>Be</strong>steigen des<br />

Cave Rock in sich entdeckte. Hier<br />

versuchte er etwa 50 Mal erfolglos<br />

eine Schraube zu montieren, die<br />

für <strong>das</strong> Klettern unabdingbar war,<br />

und stürzte mehrmals vom Felsen,<br />

nachdem es ihm nicht gelungen<br />

war, die Sicherung zu befestigen.<br />

Genau bei diesen Stürzen hat er<br />

wohl verstanden, <strong>das</strong>s nicht <strong>der</strong><br />

Aufstieg, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Fall für ihn<br />

mehr Adrenalin und „schärfere Rasierklingen“<br />

bedeutet.<br />

Genau danach gab D. Osman <strong>das</strong><br />

Speedklettern auf und beschloss, sich<br />

nur noch den Sprüngen von Felsen<br />

zu widmen. Sein langjähriger Freund<br />

und Arzt Roger Rogalski sagte: „Wir<br />

haben alle gedacht, <strong>das</strong>s es dumm ist,<br />

sein Leben einem Seil anzuvertrauen,<br />

aber er war ein leidenschaftlicher<br />

Mann, und als seine Leidenschaft für<br />

<strong>das</strong> Klettern verblasste, musste er diese<br />

Leidenschaft durch etwas ersetzen.<br />

Und <strong>das</strong> konnte natürlich kein Backgammon-Spiel<br />

sein“.<br />

Zuerst begann D. Osman mit traditionellen<br />

Sprüngen mit einem Seil und<br />

gewöhnlichen Sicherungen, nach<br />

und nach konstruierte er dann kompliziertere<br />

Geräte mit einem beson<strong>der</strong>s<br />

intelligenten Sicherheitssystem,<br />

<strong>das</strong> es ihm gestattete, sehr seltsame<br />

Sprünge im „kontrollierten freien<br />

Fall“ durchzuführen. Selbst den treusten<br />

Weggefährten von D. Osman, die<br />

seine Erfindungen ausprobierten,<br />

standen danach die Haare zu <strong>Be</strong>rge.<br />

Und einer von ihnen, Bobby Tarver,<br />

verunglückte sogar tödlich beim Aufprall<br />

auf einen Felsen, als er <strong>das</strong> neue<br />

Sprungsystem von D. Osman testete,<br />

<strong>das</strong> viel mehr war als Skydiving o<strong>der</strong><br />

einfach nur Bungee-Sprung. Die von<br />

Dan Osman geplanten Sprünge ließen<br />

den Menschen mit maximaler<br />

Geschwindigkeit dem Boden extrem<br />

nahekommen, bis <strong>das</strong> Seil den weiteren<br />

Fall stoppte.<br />

Die Leidenschaft, die ihn zu seinen<br />

großen Feldzügen führte, ließ auch<br />

dem Tod ins Auge lachen, und die<br />

Menschen waren gezwungenermaßen<br />

fasziniert, wie viel Mut er zum<br />

Führen eines solchen Lebens hat, so<br />

wie er es wollte, und letzten Endes hat<br />

es ihn auch <strong>das</strong> Leben gekostet. Da er<br />

sich dem innigen Wunsch nach einem<br />

seiner vielen Sprünge nicht wi<strong>der</strong>setzen<br />

konnte, verunglückte D. Osman<br />

am 23. November 1998 im Yosemite<br />

Nationalpark im Alter von 35 Jahren<br />

tödlich, weil während seines Sprungs<br />

<strong>das</strong> Seil riss.<br />

Der Tod von D. Osman hat seine engsten<br />

Freunde nie<strong>der</strong>geschlagen, aber<br />

wohl nur völlige Naivlinge konnten<br />

hoffen, <strong>das</strong>s D. Osman bis zur Rente<br />

überlebt. Nicht umsonst war er neben<br />

seinem Talent nicht weniger bekannt<br />

als unverantwortlicher und verrückter<br />

Typ, und ein Magazin hatte D.<br />

Osman einmal einen ganzen Artikel<br />

gewidmet unter dem Titel „Really<br />

Quite Stupid“ (engl. Wirklich ziemlich<br />

dumm). Wir sind geneigt, uns<br />

dieser Wertung anzuschließen, denn<br />

die Art, wie D. Osman auf <strong>Be</strong>rge kletterte<br />

und von ihnen absprang, kann<br />

© Thinkstock (3)<br />

69


person<br />

schon nicht mehr als Sport, son<strong>der</strong>n<br />

nur noch als Spiel mit dem Leben bezeichnet<br />

werden. Das betonte auch<br />

R. Rogalski, dieselbe Einsicht konnte<br />

man auch aus dem Interview mit<br />

D. Osman, veröffentlicht kurz vor<br />

seinem Tod, er<strong>langen</strong>. Er bedauerte,<br />

<strong>das</strong>s er nicht genügend Zeit für<br />

seine zwölfjährige Tochter hat und<br />

<strong>das</strong>s seine Schutzengel Überstunden<br />

arbeiten. Nach diesem Interview fuhr<br />

er zum Yosemite Nationalpark, wollte<br />

dort seine Sprungausrüstung abbauen.<br />

Als er aber noch einmal den Gipfel<br />

seines Schaffens erblickte, konnte er<br />

<strong>der</strong> Versuchung nicht wi<strong>der</strong>stehen<br />

und entschloss sich, noch einmal die<br />

Freude des Sprungs zu verspüren.<br />

Zum letzten Mal in seinem Leben.<br />

Tragisch ironisch ist, <strong>das</strong>s obwohl<br />

die meisten dachten, <strong>das</strong>s D. Osman<br />

ständig irrsinnig viel riskiert, zeigte es<br />

sich, <strong>das</strong>s er nur durch Hast und Verleugnung<br />

seines eigenen Systems die<br />

Grenze überschritt. Sicher wusste er,<br />

wo sich die Schwelle zum Tod befindet,<br />

aber vor dem Urlaub entschloss<br />

er sich, es zu riskieren und einen Fuß<br />

in den Vorhof des Todes zu setzen.<br />

Nach dem Sprung ins Jenseits hatte<br />

D. Osman nicht nur gegen seine<br />

selbst aufgestellten Regeln verstoßen,<br />

son<strong>der</strong>n auch <strong>das</strong> getan, was er<br />

unbedingt vermeiden wollte. Im letzten<br />

Interview vor seinem Tod sagte<br />

er: „Wenn ich sterbe, würde ich alle<br />

enttäuschen: meine Familie, Freunde.<br />

Meine Tochter würde zurechtkommen,<br />

aber sie wäre beraubt“. Wegen<br />

seiner großen Leidenschaft hat D.<br />

Osman jedoch selbst seine Emma beraubt,<br />

da er nicht in <strong>der</strong> Lage war, sich<br />

selbst zu berauben.<br />

7 Jahre nach dem Tod ihres Vaters<br />

schrieb Emma, <strong>das</strong>s obwohl D. Osman<br />

ihr nicht viel hinterlassen konnte,<br />

auch dieses kleine Vermögen sowohl<br />

von „Freunden“, as auch „Familie“<br />

erfolgreich einverleibt wurde. Sie<br />

freute sich, <strong>das</strong>s sie immer noch die<br />

Gitarre ihres Vaters, eine Fülle von Fotos<br />

und den roten Anzug besaß, mit<br />

dem D. Osman meistens seine Sprünge<br />

vollführte. Für sie war es jedoch<br />

am wichtigsten, <strong>das</strong>s ihr Vater <strong>das</strong> tat,<br />

was er am liebsten tun wollte.<br />

D. Osman hatte Auftritte in einigen<br />

Filmen über <strong>das</strong> <strong>Be</strong>rgsteigen:<br />

Eric Perlmans „Masters of Stone“,<br />

„Atlantis“, „The Sorcerer in Needles“,<br />

„Airy Interlude“. Die <strong>Be</strong>zahlung<br />

aber fiel stets sehr mager aus,<br />

vielleicht deshalb, weil D. Osman<br />

sich mehr darum sorgte, seine Lebensfreude,<br />

so wie er sie verstand,<br />

so weit wie möglich in <strong>der</strong> Welt zu<br />

verbreiten, und große Honorare<br />

interessierten ihn nicht. An<strong>der</strong>erseits<br />

war er von Natur aus ein<br />

eingefleischter Künstler, kein Geschäftsmann,<br />

und er ähnelte eher<br />

den Kunsttalenten des 19. Jh., die<br />

ihr ganzes Leben lang Meisterwerke<br />

malten, aber niemand kaufte<br />

sie, und die Anerkennung erlangten<br />

sie erst lange Zeit nach ihrem<br />

Tod. Er war niemals ein postmo<strong>der</strong>ner<br />

Künstler, die heutzutage bessere<br />

Geschäftsleute als Künstler sind<br />

und für Millionen Form ohne Inhalt<br />

verkaufen. Hätte D. Osman bis<br />

heute überlebt, hätte sich wohl ein<br />

Manager seiner angenommen und<br />

aus ihm einen Megastar gemacht,<br />

obwohl <strong>das</strong> D. Osman, wenn er<br />

diesen Manager nicht in die Wüste<br />

geschickt hätte, völlig gleichgültig<br />

gewesen wäre.<br />

70


71<br />

© Thinkstock (3)


climber<br />

Entscheiden Sie selbst:<br />

Götter o<strong>der</strong> Verrückte<br />

Wenn man nicht Christoph Columbus sein kann, dann<br />

muss man wohl Usain Bolt werden.<br />

Genau so arbeitet <strong>das</strong> Gehirn <strong>der</strong><br />

meisten Speedkletterer. Es ist stets<br />

erfreulich, wenn die möglichen<br />

Grenzen des Menschen ausgedehnt<br />

werden und nach neuen Arten des<br />

Herumalberns gesucht wird. Der Extremsport<br />

hat jedoch seine dunkle Seite.<br />

Wenn man maximal an die Grenze<br />

herangetreten ist, beginnt man nach<br />

<strong>der</strong> Erholung und dem Sinken des<br />

Adrenalinspiegels zu denken, <strong>das</strong>s<br />

man noch einen weiteren ganz kleinen<br />

Schritt nach vorn schreiten kann.<br />

Also sind es zwei völlig unterschiedliche<br />

Dinge, ob man Usain Bolt in <strong>der</strong><br />

Leichtathletik o<strong>der</strong> sein Pendant im<br />

Speedklettern sein möchte. <strong>Be</strong>im 100<br />

m-Lauf kann Usain Bolt sich im Extremfall<br />

nur dann verletzen, wenn er<br />

vergisst zu stoppen und gegen die<br />

Wand läuft. Der Speedkletterer hingegen<br />

kann schon allein wegen einer<br />

unzureichend stabilen Felskante ums<br />

Leben kommen.<br />

Es wäre nicht Furcht einflößend,<br />

wenn Sie von mehreren Seilen gehalten<br />

würden, so würden Sie beim Fall<br />

nach missglückten Einhaken noch die<br />

Möglichkeit haben, den Adrenalinschub<br />

zu genießen, und nach dem<br />

Abstieg könnten Sie einen neuen Plan<br />

schmieden, wie dieser Felsen, <strong>der</strong> sich<br />

Ihnen nicht ergeben möchte, zu bewältigen<br />

wäre. Das Hauptproblem<br />

des Speedkletterns ist die Opferung<br />

<strong>der</strong> persönlichen Sicherheit im Namen<br />

von Rekorden. Wir sehen schon,<br />

wie Sie mit dem Finger auf uns zeigen<br />

und sagen, <strong>das</strong>s es doch schließlich<br />

keine Extremalität ohne Risiko gibt,<br />

aber Speedklettern, und insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>das</strong> Free Soloing, gehört zweifellos<br />

zu den extremsten und gefährlichsten<br />

<strong>Be</strong>schäftigungen auf <strong>der</strong> Welt.<br />

Wenn wir <strong>der</strong> Statistik Glauben<br />

schenken, dann geschehen die<br />

meisten Unfälle bei <strong>der</strong> Arbeit nicht<br />

durch technische Pannen, son<strong>der</strong>n<br />

wegen menschlichen Versagens.<br />

Die Weltstars des Speedkletterns<br />

schauen verächtlich auf Sicherheitsanlagen<br />

– diese behin<strong>der</strong>n sie<br />

nur bei <strong>der</strong> Jagd nach Rekorden.<br />

Höhere Gewalt, zu <strong>der</strong>en Grund<br />

im Speedklettern ungünstig o<strong>der</strong><br />

am falschen Ort abgebrochenes<br />

Felsgestein werden kann, macht<br />

immer nur einen kleinen Teil aller<br />

Unfälle aus. Das Wichtigste ist hier<br />

nur <strong>der</strong> menschliche Faktor und<br />

menschliche Fehler, die lei<strong>der</strong> öfter<br />

vorkommen, als man sich wünscht.<br />

72


Viele Speedkletterer haben ihr Leben<br />

gelassen, indem sie <strong>das</strong> getan haben,<br />

was sie am besten konnten, einfach<br />

nur deshalb, weil sie nur Menschen<br />

sind und Menschen Fehler begehen.<br />

Selbst <strong>der</strong> legendäre Dan Osman<br />

starb nicht, weil seine Sprungvorrichtung<br />

und <strong>das</strong> System nicht funktionierten,<br />

son<strong>der</strong>n weil er bei <strong>der</strong>en<br />

Verwendung gegen fast alle wichtigsten<br />

Sicherheitsvorschriften verstoßen<br />

hat. Man kann mit dem Fallschirm<br />

abspringen, man kann sich<br />

mit Skydiving o<strong>der</strong> Bungee Jumping<br />

beschäftigen, aber bei allen diesen<br />

<strong>Be</strong>schäftigungen gibt es neben den<br />

zweifellos erfor<strong>der</strong>lichen Fähigkeiten<br />

auch technische Hilfsmittel, die nicht<br />

nur die Arbeit erleichtern, son<strong>der</strong>n<br />

auch eine Sicherheitsfunktion besitzen.<br />

Dan Osman, die Koryphäe des Speedkletterns,<br />

hat diesem Sport zweifellos<br />

sehr viel Gutes getan, aber seine<br />

mangelnde Umsicht, seine Sorglosigkeit<br />

um die eigene Sicherheit und <strong>das</strong><br />

überschätzte Risiko haben ihm ein<br />

<strong>Be</strong>in gestellt. Einige seiner aufgestellten<br />

Rekorde lassen sich unter dem<br />

Einsatz von Sicherungen nicht übertreffen,<br />

und beim Speedklettern stellt<br />

<strong>das</strong> Übertreffen alter Rekorde <strong>das</strong><br />

Grundprinzip dar. Einer großen Schar<br />

von Speedkletterern, die Dan Osman<br />

bis heute verehren, kann je<strong>der</strong>zeit<br />

<strong>der</strong> Gedanke kommen, dessen Rekorde<br />

zu übertreffen, aber wer <strong>das</strong> tun<br />

möchte, <strong>der</strong> muss die Worte „Sicherheit“<br />

und „langes Leben“ unbedingt<br />

aus seinem Wortschatz löschen.<br />

Wenn wir an<strong>der</strong>e Personen betrachten,<br />

die heute den Ton angeben – die<br />

Koryphäen des Speedkletterns Ueli<br />

Steck und Hans Florine, dann gibt es<br />

Hoffnung, <strong>das</strong>s bei dieser irrsinnigen<br />

<strong>Be</strong>schäftigung <strong>der</strong> gesunde Verstand<br />

noch nicht vollständig abhandengekommen<br />

ist. H. Florine gibt sogar Vorlesungen<br />

zum Thema, wie Geschwindigkeit<br />

in den <strong>Be</strong>rgen Sicherheit<br />

verleiht. Wir können erleichtert aufatmen,<br />

nachdem wir erfahren haben,<br />

<strong>das</strong>s selbst für solche Asse <strong>das</strong> Wort<br />

„Sicherheit“ kein Schimpfwort ist.<br />

Wir sind <strong>der</strong> Meinung, <strong>das</strong>s bei allem<br />

selbst im Extremsport die Devise<br />

„Safety comes first“ gilt. Es mag<br />

ironisch klingen, aber wir raten<br />

dazu, die Philosophie des Speedkletterns<br />

nicht von seiner verrückten<br />

Koryphäe Dan Osman, son<strong>der</strong>n<br />

von seinen vergleichsweise weniger<br />

umworbenen Vertretern Ueli<br />

Steck und Hans Florine zu übernehmen.<br />

Außerdem sollte man wohl eher<br />

mit den sichereren Varianten des<br />

Speedkletterns wie Boul<strong>der</strong>n o<strong>der</strong><br />

Deep Water Soloing beginnen. An<br />

<strong>der</strong> Schönheit <strong>der</strong> Natur werden<br />

Sie sich genauso erfreuen, außerdem<br />

werden Sie auch Ihre eigenen<br />

Schwachstellen erkennen, die beim<br />

ernsthaften Speedklettern einfach<br />

nicht vorkommen dürfen.<br />

© Thinkstock (9)<br />

73


driver<br />

Schneemobile.<br />

Sie stellen selbst<br />

James Bond<br />

zufrieden.<br />

Text Gediminas Galkauskas<br />

74


Agent 007 setzt sich im Film „Die Another Day“ (2002)<br />

auf ein Schneemobil und es zeigt sich, <strong>das</strong>s dieses<br />

Fahrzeug genauso sexy wie „Aston Martin“ o<strong>der</strong> ein<br />

BMW Z3 sein kann.<br />

Bis dahin waren Schneemobile unter<br />

Arktisforschern, <strong>Be</strong>wohnern abgelegener<br />

Regionen, in denen an 365 Tagen<br />

im Jahr Schnee herrscht, Jägern<br />

und einem kleinen Kreis von Schneespaßliebhabern<br />

weithin bekannt.<br />

Nachdem James Bond <strong>das</strong> Ski-Doo MX<br />

Z-REV gefahren hatte, wurde deutlich,<br />

<strong>das</strong>s sich viele Menschen finden<br />

werden, die ausprobieren möchten,<br />

was es bedeutet, mit hoher Geschwindigkeit<br />

durch den Schnee zu sausen.<br />

Gegenwärtig werden Schneemobile<br />

nicht nur für solche edlen Zwecke wie<br />

Logistik, die <strong>Be</strong>för<strong>der</strong>ung eines verendeten<br />

Hirsches o<strong>der</strong> die Rettung<br />

von Menschen, son<strong>der</strong>n auch für völlig<br />

hedonistische Zwecke eingesetzt,<br />

d. h. um die Freiheit, den Adrenalinstoß<br />

und die Kraft zu spüren. Allein<br />

2009 wurden in Nordamerika auf dem<br />

Hauptmarkt für Schneemobile 102<br />

000 Fahrzeuge verkauft. Das Journal<br />

„<strong>Be</strong> <strong>Active</strong>“ bietet an, sich in <strong>der</strong> Welt<br />

<strong>der</strong> Schneemobile umzusehen und<br />

eine solide Menge Schnee zu „essen“,<br />

wenn man in den endlosen Schneeweiten<br />

mit einer Geschwindigkeit von<br />

mindestens 100 km/h dahinsaust.<br />

<strong>Be</strong>reits am Ende des 19. Jh. haben<br />

die Menschen experimentiert, indem<br />

sie Fahrzeuge geschaffen haben, die<br />

sich auf dem Schnee schneller als<br />

Skier fortbewegen können. Die ersten<br />

Schneemobile waren Mehrsitzer<br />

und wurden ausschließlich zur <strong>Be</strong>för<strong>der</strong>ung<br />

militärischer Fracht o<strong>der</strong><br />

zu an<strong>der</strong>en Zwecken in verschneiten<br />

Gebieten verwendet. Aber bereits am<br />

Anfang des 20. Jh. entstand etwas<br />

Ähnliches wie persönliche Schneemobile.<br />

Obwohl dieses Gerät im Vergleich<br />

zu den jetzigen Transportmitteln im<br />

Schnee nicht nur von seiner Leistung,<br />

son<strong>der</strong>n auch von seinem Aussehen<br />

her an eine erstickte Stute erinnerte,<br />

war es doch eine wirkliche Revolution<br />

im Vergleich zu den alten Zeiten,<br />

zumindest im <strong>Be</strong>reich <strong>der</strong> Individualreisen<br />

durch verschneites Gebiet.<br />

Nach hun<strong>der</strong>t Jahren hat sich die<br />

Situation radikal verän<strong>der</strong>t. Wo <strong>das</strong><br />

Schneemobil zuvor lediglich ein logistisches<br />

und Frachttransportmittel<br />

war, ist es heutzutage oft nur ein<br />

Freizeitfahrzeug. Es wurde berechnet,<br />

<strong>das</strong>s in den USA sogar 80 %<br />

<strong>der</strong> Schneemobile für Freizeitzwecke<br />

gedacht sind und lediglich ein<br />

Fünftel für die Ausführung einer<br />

bestimmten Arbeit eingesetzt wird.<br />

In manchen verschneiten Gebieten<br />

haben die Haushalte jetzt sogar je 5<br />

Schneemobile, ähnlich wie mo<strong>der</strong>ne<br />

in <strong>der</strong> Stadt wohnende Familien<br />

Autos besitzen.<br />

Die mo<strong>der</strong>nen Schneemobile sind<br />

ernsthafte Fahrzeuge, und wenn<br />

man ein solches fahren möchte,<br />

muss man ziemlich ins Schwitzen<br />

kommen. Als die Schneemobile<br />

auftauchten, lag ihre Leistung bei<br />

gerade einmal 5 Pferdestärken,<br />

und die Höchstgeschwindigkeit betrug<br />

bestenfalls 35 km pro Stunde.<br />

Aber seit 1960, als leichtere Innenverbrennungsmotoren<br />

entworfen<br />

wurden, bewegte sich die Evolution<br />

<strong>der</strong> Schneemobile in Sieben-<br />

Meilen-Schritten. Die <strong>der</strong>zeitige<br />

Motorleistung von Schneemobilen<br />

erreicht auch die Grenze von 180<br />

Pferdestärken, und ein Auto kann<br />

sogar bis auf 300 km/h o<strong>der</strong> mehr<br />

beschleunigen.<br />

© Thinkstock (2)<br />

75


driver<br />

Auf den ersten Blick ist die Welt <strong>der</strong><br />

Schneemobile nicht sehr kompliziert.<br />

Hier gibt es nämlich neben BMW,<br />

Mercedes, Toyota und an<strong>der</strong>en führenden<br />

Herstellern wirklich keinen<br />

Fiat und Dacia. Es gibt gerade einmal<br />

vier große Hersteller von Schneemobilen<br />

auf <strong>der</strong> Welt: die Autoren des<br />

„Bond-Schneemobils“ Ski-Doo, Arctic<br />

Cat, Polaris und Yamaha. Es gibt auch<br />

einen berühmteren fünften Namen<br />

– Alpina. Dieses Unternehmen stellt<br />

jedoch lediglich Schneemobile für<br />

den Frachttransport her, weshalb<br />

man seine Freizeit mit <strong>der</strong> Produktion<br />

von Alpina wohl nicht sehr abwechslungsreich<br />

gestalten kann – es sei<br />

denn, Ihr Hobby ist es, Frachtgut von<br />

Punkt A nach Punkt B zu beför<strong>der</strong>n.<br />

Und falls Sie ein Schneemobil mit einer<br />

an<strong>der</strong>en <strong>Be</strong>zeichnung erblicken,<br />

dann ist es wahrscheinlich nicht ernst<br />

zu nehmen, also lassen Sie auch den<br />

Gedanken zum Erwerb eines solchen<br />

Fahrzeugs schnellstens links liegen.<br />

Nicht zufällig liegen die Firmensitze<br />

aller großen Hersteller von Schneemobilen<br />

nirgendwo an<strong>der</strong>s als in<br />

Nordamerika. Genau hier gibt es den<br />

größten Schneemobil-Markt und es<br />

ist <strong>der</strong> Kontinent, <strong>der</strong> die meisten Vergnügungen<br />

im Schnee bietet. Allein in<br />

den USA sind über 1,6 Mio. Schneemobile<br />

zugelassen. An zweiter Stelle, laut<br />

<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Fahrzeuge, steht Kanada<br />

mit offiziell fast 800 000 zugelassenen<br />

Fahrzeugen. Allein in den USA verschafft<br />

die Schneemobil-Industrie <strong>der</strong><br />

Wirtschaft 22 Mrd. USD, in Kanada sind<br />

es 6 Mrd., in Skandinavien – 1,6 Mrd.<br />

USD pro Jahr. Dieser Geografie <strong>der</strong><br />

Schneemobile lassen sich zumindest<br />

noch die schneereichen Regionen<br />

Japans und zum Teil <strong>das</strong> russische Karelien<br />

hinzufügen. An<strong>der</strong>enorts wird<br />

man auf Schneemobile wahrscheinlich<br />

reagieren wie auf Schnee auf den<br />

Straßen von Lagos.<br />

Das Schneemobil<br />

Das Schneemobil-Design, wie wir<br />

es heute kennen, entstand fast<br />

gleichzeitig mit dem Auftauchen<br />

des Innenverbrennungsmotors.<br />

Genau dann boten die Hersteller<br />

Bombardier und Ski-Doo ein Design<br />

an, dessen Wesen aus einem<br />

eigentümlichen offenen Cockpit<br />

zum Sitzen, einem durchsichtigen<br />

Windschutz aus Glas, zwei vor<strong>der</strong>en<br />

Skiern und einem Raupenkettensystem<br />

am Heck des Fahrzeugs<br />

bestand. Eben ein Fahrzeug mit<br />

diesem Aussehen wurde zum Sinnbild<br />

des Schneemobils. Außerdem<br />

ist dieses Fahrzeug zweifellos auch<br />

im <strong>Be</strong>sitz aller an<strong>der</strong>en traditionellen<br />

Mittel, die für jedes beliebige<br />

Fahrzeug erfor<strong>der</strong>lich sind (Früher<br />

wurden die Raupenketten des<br />

Schneemobils aus Gummi hergestellt,<br />

heute wird jedoch zu Kevlar<br />

übergegangen, da dieses Material<br />

viel zuverlässiger und angenehmer<br />

ist.).<br />

© Thinkstock (2)<br />

76


Bis vor Kurzem waren alle Schneemobil-Motoren<br />

Zweitakter, aber heute<br />

tauchen auf dem Markt immer häufiger<br />

Viertaktmotoren auf, die sparsamer<br />

sind und die Umwelt besser<br />

schonen.<br />

Dank neuer Technologien wurde es<br />

möglich, <strong>das</strong> Schneemobil auch dort<br />

einzusetzen, wo man zuvor nicht<br />

fahren konnte. Neue technologische<br />

Verbesserungen, ein niedrigeres Gesamtgewicht<br />

des Fahrzeugs, eine bessere<br />

Gewichtsverteilung und auch die<br />

gestiegene Motorleistung lassen es<br />

zu, <strong>das</strong>s man die Orte erreichen kann,<br />

an denen zuvor höchstens Elche galoppieren<br />

konnten.<br />

Ungeachtet <strong>der</strong> gemeinsamen Eigenschaften<br />

unterscheiden sich Schneemobile<br />

untereinan<strong>der</strong> genauso wie<br />

Autos. Die Schneewelt hat ihre Limousinen,<br />

ihren Ferrari, Opel Movano<br />

sowie einfache „haushaltsmäßige“<br />

Volkswagen.<br />

Performance-<br />

Schneemobile<br />

Schneemobile dieser Klasse zeichnen<br />

sich aus durch große Leistung<br />

und Geschwindigkeit, die Fähigkeit<br />

blitzartig zu bremsen und plötzliche<br />

Kurven zu fahren. Das sind wahrhafte<br />

Rennpferde, die in jedem<br />

Extremsportler großes Vergnügen<br />

wecken, wenn er blitzschnell durch<br />

verschneite Ortschaften saust.<br />

Die Motoren von High Performance-Schneemobilen<br />

haben viele<br />

Pferdestärken sowie ein beson<strong>der</strong>s<br />

stabiles Fahrgestell, und ihre Aufhängung<br />

lässt <strong>das</strong> plötzliche und<br />

schnelle Überwinden plötzlicher<br />

Kurven zu. Die in Schneemobilen<br />

dieses Typs eingebauten Bremsen<br />

gehören zu den leistungsstärksten<br />

und am meisten verbreiteten im<br />

Autosport. Natürlich ist es schwer,<br />

hier Anzeichen von Komfort zu<br />

finden, da dies eine unnötige Last<br />

für <strong>das</strong> Fahrzeug darstellt. Es hat<br />

lediglich einen Zweck – so viel wie<br />

möglich Vergnügen und Adrenalin<br />

zu erzeugen. Es ist ein geradezu<br />

nackter aber sehr starker Rennsklave,<br />

<strong>der</strong> Ihnen auf <strong>der</strong> Piste jeden<br />

Wunsch erfüllen wird.<br />

Experten geben in dieser Kategorie<br />

den Schneemobilen <strong>der</strong> Arctic Cat F-<br />

Series, Sno Pro 500, CFR 1000, CFR 800,<br />

Z1 und Z1 Turbo die beste <strong>Be</strong>wertung.<br />

Der Motor des Letzten zeichnet sich in<br />

<strong>der</strong> gesamten Welt <strong>der</strong> Schneemobile<br />

durch die größte Pferdestärke aus.<br />

Die CFR-Modelle sind zum <strong>Be</strong>fahren<br />

vereister Seen gedacht. Alle hergestellten<br />

Performance-Schneemobile<br />

besitzen ein „intelligentes“ Fahrgestell<br />

vom Typ IQ, mit Ausnahme eines<br />

einzigen Modells – des 600 Rush.<br />

Gerade die IQ-Aufhängung wird von<br />

allen Verehrern <strong>der</strong> Performance-<br />

Schneemobile beson<strong>der</strong>s für ihre Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit<br />

und Zuverlässigkeit<br />

geschätzt. Für <strong>das</strong> Ski-Doo ist es<br />

wohl ausreichend, <strong>das</strong>s es von James<br />

Bond gefahren wurde, jedoch wurde<br />

die Produktion dieser Firma sicher<br />

nicht umsonst gewählt, da Ski-Doo die<br />

XP-Aufhängung verwendet, die <strong>das</strong><br />

unglaublich leichte <strong>Be</strong>wältigen <strong>der</strong><br />

halsbrecherischsten Kurven zulässt.<br />

Yamaha bietet in dieser Kategorie die<br />

Modelle Apex und Nytro an.<br />

© Arcticcat<br />

77


driver<br />

Cross-over-<br />

Schneemobile<br />

Das sind Schneemobile, mit denen<br />

man sowohl auf <strong>der</strong> Straße, als auch<br />

Offroad fahren kann. Diese Fahrzeuge<br />

haben einen hervorragenden<br />

Windschutz, sind sowohl für die Fahrt<br />

im Flachland, als auch für hügeliges<br />

Gelände konzipiert.<br />

Arctic Cat kann in dieser Kategorie<br />

Crossfire 8 Sno Pro, Crossfire 8 und<br />

Crossfire 6 anbieten, die sich am<br />

besten für <strong>das</strong> Offroad-Fahren eignen.<br />

Polaris hat als Antwort für die<br />

Konkurrenz die Modelle Dragon und<br />

Dragon Switchback im Angebot. Ski-<br />

Doo bietet Renegade-Modelle in den<br />

verschiedensten Modifikationen. Abhängig<br />

vom Geschmack kann man<br />

hier zwischen 4 Motortypen wählen.<br />

Yamaha hat in diesem Segment wohl<br />

die wenigste Fantasie, weil <strong>das</strong> Unternehmen<br />

einzig und allein <strong>das</strong> Nytro<br />

XTX anbietet. Dafür ist es <strong>das</strong> längste<br />

Crossover-Modell auf dem Markt, und<br />

gemeinsam mit dem leistungsstarken<br />

und sparsamen Viertaktmotor ist <strong>das</strong><br />

Nytro XTX ein Schneemobil, <strong>das</strong> selbst<br />

vor dem tiefsten Schnee nicht zurückschreckt.<br />

Sport/Trail<br />

Diese Schneemobile sind billiger<br />

und für <strong>das</strong> <strong>Be</strong>fahren von angelegten<br />

Straßen, wie die <strong>Be</strong>zeichnung<br />

<strong>der</strong> Kategorie verlauten lässt, gedacht.<br />

Es ist <strong>der</strong> „Anpasser“ <strong>der</strong><br />

Schneemobilwelt, dessen Eigenschaften<br />

den Performance-Schneemobilen<br />

entnommen wurden. Was<br />

nicht übernommen werden konnte,<br />

wurde den Touring-Fahrzeugen<br />

entliehen. Trail-Schneemobile haben<br />

Motoren mit geringerer Leistungsstärke<br />

als ihre älteren Brü<strong>der</strong><br />

aus <strong>der</strong> Kategorie Performance,<br />

sind jedoch weitaus aggressiver<br />

als die Schneelimousinen. An<strong>der</strong>erseits<br />

fehlen ihnen viele Vorzüge,<br />

die für Touring-Schneemobile<br />

üblich sind. Immerhin kann man<br />

auf den Trails sehr bequem fahren,<br />

und wenn man <strong>das</strong> ruhige Leben<br />

zu langweilig findet, kann man sich<br />

einfach aus dem Sitz erheben und<br />

wie ein richtiges As bei <strong>Be</strong>schleunigung<br />

plötzlich wenden.<br />

Obwohl Sport-Schneemobile auch<br />

Motoren mit geringerer Kubatur besitzen,<br />

sind sie leichter und kommen<br />

dank <strong>der</strong> besseren Gewichtsverteilung<br />

und an<strong>der</strong>en technischen Raffiniertheiten<br />

schnell in Fahrt und erreichen<br />

schneller eine hohe Geschwindigkeit.<br />

Da diese Schneemobile für <strong>das</strong> <strong>Be</strong>fahren<br />

angelegter und gepflegter<br />

Straßen gedacht sind, ist es selbstverständlich,<br />

<strong>das</strong>s an sie nicht so strenge<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen in <strong>Be</strong>zug auf Geländegängigkeit<br />

wie für Fahrzeuge <strong>der</strong><br />

Typen Performance, Crossover o<strong>der</strong><br />

Mountain gestellt werden. Das Fehlen<br />

von vielerlei technologischen Verbesserungen<br />

zieht auch den geringeren<br />

Preis für dieses Schneemobil nach<br />

sich, <strong>der</strong> auch noch durch den mit<br />

Ventilatorkühlung versehenen Zweitaktmotor<br />

gesenkt wird. Falls Sie für<br />

ein Schneemobil dieses Typs zu viel<br />

bezahlen möchten, können Sie dies<br />

je<strong>der</strong>zeit tun, indem Sie ein Fahrzeug<br />

vom Typ Trail Luxury erwerben. Es ist<br />

komfortabel, bequem, vollgestopft<br />

mit nützlichen und nicht sehr nützlichen<br />

Geräten, ist jedoch trotzdem<br />

nicht so schnell und manövrierfähig<br />

wie die Performance-Schneemobile.<br />

78


Die Klasse Trail Luxury ist unter den<br />

Schneemobilherstellern beliebter.<br />

Vielleicht deshalb, weil die nicht immer<br />

nützlichen Geräte von Schneemobilen<br />

es ermöglichen, die Fahrzeuge<br />

wesentlich teurer zu verkaufen.<br />

Arctic Cat hat vier solcher Modelle, die<br />

man an den Buchstaben LXR erkennen<br />

kann. Polaris verfügt über noch<br />

weniger Fantasie und kennzeichnet<br />

solche Modelle mit den Buchstaben<br />

LX. Ski-Doo ist hier ein wenig kreativer<br />

und die <strong>Be</strong>zeichnungen weisen nicht<br />

direkt auf die Luxusklasse hin: GSX SE,<br />

GSX LE 4-TEC, GSX LE 600 H.O. E-TEC.<br />

Yamaha hält sich in <strong>Be</strong>zug auf diese<br />

Frage mittelmäßig und bietet <strong>das</strong><br />

Apex LTX GT und LTX, RS Vector LTX<br />

GT, RS Vector GT.<br />

Einfache Trail-Schneemobile sind dahingegen<br />

nicht zahlreich auf dem<br />

Markt vertreten, da es offensichtlich<br />

ist, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Fahren auf Schneemobilen<br />

für viele nicht nur aus dem ordentlichen<br />

und kultivierten <strong>Be</strong>wältigen<br />

<strong>der</strong> Runden auf <strong>der</strong> Rennstrecke<br />

besteht. Arctic Cat bietet hier <strong>das</strong><br />

F570, Polaris – <strong>das</strong> 550 IQ Shift, Ski-Doo<br />

– <strong>das</strong> TNT550F, GSX Sport, o Yamaha –<br />

zwei Phazer-Modelle.<br />

Mountain<br />

Schneemobile dieses Typs zeichnen<br />

sich durch eine leichte Aufhängung<br />

und lange Raupenketten aus,<br />

was die Leistungsfähigkeit nicht<br />

reduziert. Genau diese Eigenschaften<br />

lassen <strong>das</strong> Fahrzeug „auf <strong>Be</strong>rge<br />

steigen“, fast schon bis auf die von<br />

den Alpinisten geliebten Gipfel.<br />

Das Fahrgestell eines für <strong>das</strong> „<strong>Be</strong>rgsteigen“<br />

geeigneten Schneemobils<br />

spielt, wenn man erfolgreich auf<br />

den <strong>Be</strong>rg hinauffahren möchte,<br />

die größte Rolle. D. h. es ist notwendig,<br />

<strong>das</strong>s die vor<strong>der</strong>e Aufhängung<br />

des Schneemobils sich maximal an<br />

Oberflächenverän<strong>der</strong>ungen anpasst,<br />

und die hintere Aufhängung<br />

an den Raupenketten muss <strong>das</strong> Gewicht<br />

gleichmäßig verteilen und<br />

die Spannung <strong>der</strong> Raupenketten<br />

verringern. Es ist selbstverständlich,<br />

<strong>das</strong>s die Stoßdämpfer solcher<br />

Schneemobile auf einmal sowohl<br />

riesigen <strong>Be</strong>lastungen standhalten,<br />

als auch gleichzeitig sehr flexibel<br />

sein müssen.<br />

Arctic Cat „schlägt“ in dieser Kategorie<br />

meist alle. Die Mannschaft, die sich mit<br />

<strong>der</strong> Symbolik dieser Firma schmückt,<br />

gewinnt für gewöhnlich ständig die<br />

höchsten Auszeichnungen in den<br />

<strong>Be</strong>rgkategorien für Schneemobile,<br />

weshalb es nicht verwun<strong>der</strong>lich ist,<br />

<strong>das</strong>s Arctic Cat die besten Modelle<br />

dieses Typs anbieten kann, die mit<br />

dem Buchstaben M gekennzeichnet<br />

werden. Von solchen Modellen gibt<br />

es sogar 7. Die Schneemobile <strong>der</strong> Kategorie<br />

M sind ebenfalls sehr leicht,<br />

und Arctic Cat bietet außerdem an,<br />

einen von drei Motortypen auszuwählen.<br />

Eines <strong>der</strong> sieben Modelle, <strong>das</strong><br />

M8 HCR 153, ist vollständig auf Wettkämpfe<br />

vorbereitet, deshalb kann<br />

man sich nach seinem Erwerb ohne<br />

zu zögern zu einem <strong>Be</strong>rgwettkampf<br />

anmelden. Polaris bietet <strong>Be</strong>rgschneemobile<br />

mit Motoren mit 800, 700 und<br />

600 Kubikzentimetern. Genau diese<br />

Zahlen bezeichnen die Schneemobile<br />

<strong>der</strong> <strong>Be</strong>rgklasse im Katalog <strong>der</strong> Firma.<br />

Ski-Doo scheint es dieses Mal einfach<br />

an Fantasie gefehlt zu haben, da <strong>das</strong><br />

Unternehmen die gesamte Serie von<br />

<strong>Be</strong>rgschneemobilen Summit genannt<br />

hat. Das ist jedoch nicht so schlimm<br />

wie im Fall von Yamaha, da dieses Unternehmen<br />

auch seine berggängigen<br />

Modelle mit den Namen seiner an<strong>der</strong>en<br />

Kategorien versehen hat: Apex,<br />

Nytro, Phazer: Apex MTX, FX Nytro<br />

MTX SE, FX Nytro MTX SE 153, FX Nytro<br />

MTX, Phazer MTX.<br />

© Arcticcat (2)<br />

© Polarisindustries<br />

79


driver<br />

© Arcticcat (2) © Arcticcat<br />

Touring<br />

Wie <strong>der</strong> Name sagt, sind diese Schneemobile<br />

für Reisen ausgelegt. Sie sind<br />

komfortabel, mit ihnen kann man,<br />

ohne Schwielen an <strong>der</strong> weichsten<br />

Körperstelle zu bekommen, Hun<strong>der</strong>te<br />

von Kilometern per Tag zurücklegen.<br />

Man könnte sie kühn als Geländewagen<br />

<strong>der</strong> Schneemobilwelt<br />

bezeichnen. <strong>Be</strong>heizbare Sitze, wie<br />

auch an<strong>der</strong>er minimaler Luxus sind<br />

hier selbstverständlich, und wie viel<br />

Sie mehr wünschen, ist abhängig von<br />

Ihren <strong>Be</strong>dürfnissen und <strong>der</strong> Dicke Ihrer<br />

Brieftasche.<br />

Die Schneemobile dieses Typs haben<br />

auch einen wuchtigeren Bru<strong>der</strong> – <strong>das</strong><br />

2 UP Touring. Dieses Fahrzeug kann<br />

auch von zwei Personen gefahren<br />

werden. Mit an<strong>der</strong>en Worten, es ist ein<br />

eigenwilliges Werkzeug, um Frauen<br />

im Schnee „aufzugabeln“. Mit einem<br />

solchen Fahrzeug kann man je<strong>der</strong>zeit<br />

würdig an ein bezauberndes durch<br />

die Schneewehen watendes „Schneewittchen“<br />

herangleiten und ihr anbieten,<br />

mit ihr auf dem Rücksitz, den<br />

Fahrer rücklings umarmend, über<br />

den Schnee hinweg zu sausen.<br />

Arctic Cat bietet mit seinen Modellen<br />

und den fast wie in <strong>der</strong> Sauna beheizbaren<br />

Sitzen wohl den größten<br />

Komfort. Falls Sie genau <strong>das</strong> wollen,<br />

dann müssen sie eines <strong>der</strong> Modelle<br />

TZ1 Turbo LXR, TZ1 LXR, TZ1, T570 dieser<br />

Firma ergattern. Polaris verfügt<br />

über eine Son<strong>der</strong>serie dieser Schneemobile,<br />

die mit dem Wort „Touring“<br />

gekennzeichnet wird, genau wie<br />

<strong>das</strong> Unternehmen Ski-Doo, <strong>das</strong> diese<br />

Fahrzeuge etwas klangvoller „Grand<br />

Touring“ genannt hat. Yamaha ist<br />

sich wenigstens bei <strong>der</strong> Schaffung <strong>der</strong><br />

<strong>Be</strong>zeichnungen treu geblieben und<br />

bietet die Serie „Venture“ an.<br />

Utility<br />

Es ist wie ein eigentümliches mechanisches<br />

Gespann von Huskys.<br />

O<strong>der</strong>, falls wir schon einen Vergleich<br />

mit <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> „<strong>Land</strong>fahrzeuge“<br />

anstellen wollen – <strong>der</strong><br />

„Opel Movano“. Genau <strong>das</strong>, was<br />

man von diesen beiden Geschöpfen<br />

auf <strong>der</strong> Straße erwarten kann,<br />

können auch die Schneemobile<br />

vom Typ Utility im Schnee leisten.<br />

Ihre Raupenketten sind breiter<br />

und genau <strong>das</strong> gestattet ihnen,<br />

großes Gewicht zu transportieren.<br />

Setzt man sich jedoch auf solch ein<br />

Schneemobil und versucht man,<br />

ohne zusätzliches Gewicht auf <strong>der</strong><br />

Straße zu fahren, dann ist es ein<br />

ähnliches Gefühl, als würde man<br />

versuchen, mit einem Schlüssel<br />

vom Türschloss eine Flasche guten<br />

Wein zu öffnen.<br />

In dieser Kategorie gesellt sich<br />

zu den vier „großen Spielern des<br />

Marktes“ auch <strong>das</strong> europäische<br />

Unternehmen Alpina, <strong>das</strong> die verschiedensten<br />

Schneemobile für den<br />

Frachttransport herstellt. Arctic Cat<br />

besitzt dazu eine Son<strong>der</strong>serie unter<br />

<strong>der</strong> <strong>Be</strong>zeichnung <strong>Be</strong>arcat, die den<br />

Enthusiasmus jedes geschwindigkeitsbesessenen<br />

Extremfahrers<br />

bremst, Polaris bietet <strong>das</strong> Widetrak,<br />

Ski-Doo – die Modelle Expedition<br />

und Scandic. Yamaha hat lediglich<br />

ein „Kamel“ im Angebot – <strong>das</strong> RS<br />

Viking Professional.<br />

80


Vorbereitung<br />

Für eine Fahrt durch unbekanntes<br />

Gebiet kann ein einfaches Schneemobil<br />

mit herkömmlichen Mitteln<br />

eventuell nicht genügen. „Der Kleine“<br />

muss unbedingt vervollkommnet<br />

werden. Dazu werden spezielle<br />

Heber für Steuerhebel, Handschützer,<br />

leichte Motorschutzhauben, ein<br />

Windschutz, Stützen und Fußbrettzubehör<br />

verwendet. Metallkonstruktionen<br />

werden an den Raupenketten<br />

des Schneemobils angebracht, um<br />

die Manövrierfähigkeit zu erleichtern,<br />

Bremsweg und -zeit zu verkürzen.<br />

Für Kin<strong>der</strong><br />

Das sind die leistungsschwächsten<br />

Schneemobile, die dafür ausgelegt<br />

sind, <strong>das</strong>s Ihr Kind letzten Endes mit<br />

Ihnen gemeinsam fahren kann und<br />

Ihnen nicht in den Ohren liegt mit<br />

Fragen wie „Vati, Vati, wo warst du<br />

denn?“, wenn Sie von einer Fahrt<br />

auf dem Schnee zurückkehren.<br />

Die Kin<strong>der</strong>fahrzeuge zeichnen sich<br />

durch sparsame Motoren aus, also<br />

falls Sie wünschen, <strong>das</strong>s Ihr Sprössling<br />

nur für kurze Zeit aus dem<br />

Haus verschwindet, dann sollten<br />

Sie auf keinen Fall volltanken.<br />

Diese Schneemobile haben eine eigenwillige<br />

„Kin<strong>der</strong>sicherung“, die<br />

es den Eltern ermöglicht, ein Tempolimit<br />

einzustellen sowie ferngesteuert<br />

den Motor des Fahrzeugs<br />

abzuschalten, nachdem <strong>das</strong> Kind<br />

von ihm heruntergefallen ist. Kin<strong>der</strong>schneemobile<br />

werden von 2<br />

<strong>der</strong> 4 großen Hersteller produziert,<br />

und in diesem Segment taucht<br />

auch <strong>der</strong> ungehörte Name Premier<br />

Industries auf. Dieses Unternehmen<br />

bietet zwei Arten von Schneemobilen<br />

für Kin<strong>der</strong> an: Enforcer 200 und<br />

300. Die „alten Wölfe“ von Arctic<br />

Cat haben <strong>das</strong> Sno Pro 120, und Polaris<br />

– <strong>das</strong> Dragon 120 im Angebot.<br />

© Thinkstock (2)<br />

81


driver<br />

Was kann man denn mit dem Schneemobil<br />

unternehmen?<br />

Die primitivste Art <strong>der</strong> Verwendung<br />

eines Schneemobils ist nach Meinung<br />

von „<strong>Be</strong> <strong>Active</strong>“ <strong>das</strong> „Schneiden“ von<br />

Schnee. Wir haben nie <strong>das</strong> Malen von<br />

Sonnen auf dem Asphalt mit dem<br />

Auto verstanden, <strong>das</strong> Gleiche gilt auch<br />

für die verschiedenen Formen <strong>der</strong><br />

Erscheinungen, die man mit einem<br />

Transportmittel im Schnee erzeugen<br />

kann. Dann ist es schon besser, seinen<br />

Namen in den <strong>weißen</strong> Schnee zu pinkeln.<br />

Es hat denselben Effekt und man<br />

vergeudet weniger Zeit.<br />

Eine wesentlich interessantere <strong>Be</strong>schäftigung<br />

ist <strong>das</strong> Trailblazing, wobei<br />

die Schneemobilfahrer <strong>das</strong> Gelände<br />

jenseits <strong>der</strong> Straßen und wenig<br />

erschlossene Gebiete erforschen.<br />

Diese <strong>Be</strong>schäftigung geht oft in <strong>das</strong><br />

Boondocking über. Enthusiasten dieser<br />

<strong>Be</strong>schäftigung mögen Ausflüge in<br />

die Natur, können aber beliebte Orte<br />

nicht ausstehen o<strong>der</strong> bei ihnen verursachen<br />

bereits erschlossene Camping-<br />

und Lagerplätze eine Allergie.<br />

Deshalb versuchen sie, beson<strong>der</strong>s abgelegene<br />

Orte zu erreichen, an denen<br />

sie selbst ein Lager aufschlagen können.<br />

Winter-Boondocking ist unter<br />

Schneemobil-Enthusiasten sehr beliebt,<br />

da es nicht nur die Möglichkeit<br />

zur Erprobung des eigenen „Tieres“<br />

unter wirklichen „wilden“ <strong>Be</strong>dingungen,<br />

son<strong>der</strong>n auch zur <strong>Be</strong>wun<strong>der</strong>ung<br />

unberührter Natur bietet.<br />

Offroad lieben auch die Verehrer des<br />

High Marking. Zwischen ihre <strong>Be</strong>ine<br />

kommt nichts an<strong>der</strong>es als ein Schneemobil<br />

vom Typ Mountain und sie<br />

vergöttern verschneite Erhebungen.<br />

Das Ziel des High Marking ist es, mit<br />

dem Schneemobil so hoch wie möglich<br />

zu ge<strong>langen</strong> und herabzufahren,<br />

ohne stecken zu bleiben. In diesem<br />

Fall muss <strong>der</strong> Schneemobilfahrer maximalen<br />

Schwung bekommen, um<br />

den <strong>Be</strong>rggipfel o<strong>der</strong> zumindest den<br />

höchsten zu bewältigenden Punkt zu<br />

erreichen, und danach muss er <strong>das</strong><br />

Schneemobil wenden und erfolgreich<br />

herabfahren. Für diese <strong>Be</strong>schäftigung<br />

wählen die Schneemobilfahrer<br />

meistens einen Anstieg von 30–45<br />

Grad, wo <strong>das</strong> <strong>Be</strong>fahren nur nach dem<br />

Erreichen <strong>der</strong> Höchstgeschwindigkeit<br />

des Schneemobils möglich ist. Der<br />

Erste, <strong>der</strong> den <strong>Be</strong>rg erklommen hat,<br />

hinterlässt stets Spuren im Schnee,<br />

und <strong>das</strong> ist eine Herausfor<strong>der</strong>ung für<br />

die an<strong>der</strong>en, die bemüht sind, sie zu<br />

„vertiefen“ und ihre eigenen Spuren<br />

einzudrücken.<br />

Das Offroad-Fahren hat auch komische<br />

Formen erlangt. In Nordamerika<br />

ist <strong>das</strong> Ditchbanging, mit<br />

an<strong>der</strong>en Worten – <strong>das</strong> Fahren in<br />

Straßengräben, sehr beliebt. Obwohl<br />

die Orte, an denen <strong>das</strong> Fahren<br />

mit Schneemobilen gestattet<br />

ist, meistens strenger Regulierung<br />

unterliegen, lassen einige Staaten<br />

<strong>der</strong> USA Schneemobilfahrer im<br />

Straßengraben neben den Autobahnen<br />

fahren. Snowditchen kann<br />

man am besten in Kanada, in <strong>der</strong><br />

Provinz Saskatchewan, wo man<br />

ohne Gewissensbisse die Gräben an<br />

den Autobahnen „vertiefen“ kann<br />

und überhaupt keine Angst haben<br />

muss, dafür bestraft zu werden.<br />

82


Im Zuge <strong>der</strong> Vervollkommnung von<br />

Schneemobilen und <strong>der</strong> Fertigkeiten<br />

<strong>der</strong> Fahrer selbst entsteht eine weitere<br />

extreme Art des Schneemobilsports<br />

– <strong>der</strong> Freestyle. Hier werden verschiedene<br />

Tricks mit Schneemobilen in <strong>der</strong><br />

Luft vollführt, wobei die Fahrzeuge<br />

auf die unterschiedlichste Art und<br />

Weise gezwungen werden, sich in die<br />

Lüfte zu erheben.<br />

Der berühmteste Vertreter des<br />

Schneemobilsports ist <strong>der</strong> Amerikaner<br />

Levi LaValle, <strong>der</strong> immer irgendetwas<br />

mit seinem Schneemobil bei<br />

jeden X Games gewinnt, seit dem<br />

Augenblick, als Schneemobile in <strong>das</strong><br />

Veranstaltungsprogramm aufgenommen<br />

wurden. 2009 hat L. LaValle<br />

<strong>das</strong> versucht, was vielen so schwierig<br />

erscheint wie eine Reise des Menschen<br />

zum Mars – die Durchführung<br />

einer doppelten Endumdrehung mit<br />

dem Schneemobil. Der Abschluss des<br />

Tricks gelang nicht, aber es war ein so<br />

atemberaubendes Schauspiel, <strong>das</strong>s<br />

er trotz seines nicht gelungenen Abschlusses<br />

von den Organisatoren <strong>der</strong><br />

X Games mit einem Preis für den besten<br />

Trick auszeichnet wurde.<br />

Schneemobile werden auch für konventionellere<br />

<strong>Be</strong>schäftigungen eingesetzt,<br />

die <strong>der</strong>zeit als ernsthafte<br />

Sportarten gelten.<br />

Snocross<br />

In <strong>der</strong> High Performance wetteifert<br />

man mit Schneemobilen meist im<br />

Snocrossing. Wenn man ein großes<br />

und mächtiges Pferd besitzt, dann<br />

möchte man sich schließlich immer<br />

mit an<strong>der</strong>en messen – ob sie wohl<br />

mehr können und besser sind als du.<br />

Im Snocross bewegen sich die Rennfahrer<br />

auf einer Kreisbahn, die voller<br />

scharfer Kurven, verschiedener Hin<strong>der</strong>nisse<br />

und Sprungschanzen ist. Diese,<br />

wie es scheint, klobigen Fahrzeuge<br />

sind in <strong>der</strong> Lage, zu einer Schanze in<br />

Höhe von 9 Metern aufzusteigen, von<br />

wo aus sie etwa 30 m durch die Luft<br />

fliegen und bei <strong>der</strong> <strong>Land</strong>ung nicht<br />

nur heil bleiben, son<strong>der</strong>n <strong>das</strong> Rennen<br />

auch noch fortsetzen, als ob nichts<br />

geschehen wäre.<br />

Hillcross<br />

Die Liebhaber von Mountain-<br />

Schneemobilen nehmen an Hillcross-Kämpfen<br />

teil. Dabei handelt<br />

es sich auch um ein Rennen, nur<br />

wird wettgeeifert, wer schneller<br />

auf den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en <strong>Be</strong>rg<br />

fährt. Wie bei jedem Auto- bzw. Motorsport<br />

werden die Schneemobile<br />

hier auch nach ihrer Motorleistung<br />

sowie an<strong>der</strong>en Modifikationen des<br />

Fahrzeugs in Klassen unterteilt. Die<br />

weltweit bekannteste und angesehenste<br />

Veranstaltung dieser Art ist<br />

King of Snow aus den USA. Während<br />

ihr messen sich die Schneemobile<br />

bei dem Versuch, einen fast<br />

einen halben Kilometer hohen steilen<br />

Abhang hinaufzufahren.<br />

© Thinkstock (5)<br />

83


driver<br />

Snowmobile<br />

Skipping<br />

Es ist bekannt, <strong>das</strong>s Schnee lediglich<br />

noch eine weitere Form des Wassers<br />

ist. Es ist also nicht ungewöhnlich,<br />

<strong>das</strong>s jemandem <strong>der</strong> Gedanke kam,<br />

<strong>das</strong>s es recht amüsant wäre, mit einem<br />

Schneemobil auch über Wasser<br />

zu sausen. Dies wird möglich durch<br />

die Leistungsfähigkeit des Schneemobilmotors,<br />

die Breite <strong>der</strong> Raupenketten<br />

und die Gesamtanpassung des<br />

Fahrzeugs auf <strong>das</strong> Ru<strong>der</strong>n durch den<br />

Schnee. Nachdem man ins Wasser gefahren<br />

ist, muss man unbedingt Vollgas<br />

geben, dann bewegen sich die<br />

Raupenketten auf <strong>der</strong> Wasseroberfläche<br />

und <strong>das</strong> Schneemobil versinkt<br />

nicht. Lässt man jedoch nur ein wenig<br />

die „Zügel locker“, sinkt es wie Blei herunter<br />

auf den Boden.<br />

Zur Verherrlichung dieser seltsamen<br />

<strong>Be</strong>schäftigung finden seit 1977 sogar<br />

Weltmeisterschaften im Snowmobile<br />

Skipping statt. Nach dem anfänglichen<br />

„Wer kommt weiter ohne<br />

abzusaufen“, hat die Meisterschaft<br />

mehrere Formen erlangt: Es finden<br />

Drag-Meisterschaften und Ringrennen<br />

statt. Für gewöhnlich kommen<br />

bei solchen Rennen stark demontierte<br />

und an<strong>der</strong>weitig leichter gemachte<br />

Standard-Schneemobile zum Einsatz.<br />

Sitze bekommt man auf solchen<br />

Schneemobilen wirklich nicht zu sehen.<br />

Gras-Drag<br />

Man braucht keine Worte zu verlieren<br />

– echte Schneemobil-Enthusiasten<br />

benötigen nicht einmal<br />

Schnee. Das ist wohl so, weil<br />

sie mehr in <strong>das</strong> Fahrzeug selbst<br />

als in die Fahrbedingungen verliebt<br />

sind. Deshalb ist es ihnen sehr<br />

wichtig, ihr liebstes Stück unter<br />

noch extremeren <strong>Be</strong>dingungen zu<br />

testen. Eine Grasoberfläche kann<br />

ebenfalls ein hervorragendes Testpolygon<br />

sein, um die Coolness <strong>der</strong><br />

Fähigkeiten von Schneemobilen<br />

und ihren „Reitern“ festzustellen.<br />

Es ist deshalb nicht verwun<strong>der</strong>lich,<br />

<strong>das</strong>s Meisterschaften im Gras-Drag<br />

stattfinden.<br />

Diese Art des Fahrens mit Schneemobilen<br />

erfor<strong>der</strong>t am wenigsten<br />

Fertigkeiten, weshalb sie unter den<br />

Anfängern sehr beliebt ist. Die simple<br />

Anmutung kann jedoch täuschen,<br />

da die angemessene Vorbereitung<br />

eines Schneemobils auf<br />

ein solches Rennen und die Verhin<strong>der</strong>ung<br />

von <strong>Be</strong>schädigungen gute<br />

technische Fertigkeiten erfor<strong>der</strong>n.<br />

© Arcticcat<br />

84


Was ist notwendig, wenn man mit dem<br />

Schneemobil fahren möchte?<br />

Falls Sie sich zum Ausprobieren eines<br />

Schneemobils entscheiden, dann können<br />

Sie in Skandinavien in fast allen<br />

Touristenführern lesen – „Snowmobiling<br />

is extremely easy“. Das ist auch<br />

wahr, wenn man bedenkt, <strong>das</strong>s dort<br />

<strong>das</strong> Fahren bei niedriger Geschwindigkeit<br />

auf hervorragend gepflegten<br />

Straßen angeboten wird und jede<br />

Art <strong>der</strong> Offroad-<strong>Be</strong>schäftigung als<br />

respektloser Ausfall angesehen wird.<br />

Wenn man jedoch die wirkliche Leistungsfähigkeit<br />

eines Schneemobils<br />

und <strong>das</strong> Vergnügen erfahren möchte,<br />

muss man bei hoher Geschwindigkeit<br />

mehrere scharfe Kurven bewältigen,<br />

in wil<strong>der</strong> Geschwindigkeit<br />

Offroad fahren o<strong>der</strong> versuchen, sein<br />

Fahrzeug auf den Gipfel zu bewegen.<br />

Dann erst wird sich zeigen, <strong>das</strong>s Snowmobiling<br />

gar nicht so einfach ist. Und<br />

es ist sogar gefährlich, da die Statistik<br />

sagt, <strong>das</strong>s es beim Fahren mit dem<br />

Schneemobil häufiger zu Unfällen<br />

kommt als auf <strong>der</strong> Straße.<br />

Ein allseitiger Schneemobilfahrer<br />

ist nicht nur in <strong>der</strong> Lage, <strong>das</strong> Lenkrad<br />

richtig zu drehen, son<strong>der</strong>n er<br />

kann sein „Pferd“ auch in <strong>der</strong> Wildnis<br />

schnell reparieren. Selbst wenn<br />

Sie also technically challenged sind,<br />

keinen blassen Schimmer davon haben,<br />

wie <strong>der</strong> Mechanismus eines Türschlosses<br />

funktioniert, dann werden<br />

Sie im Namen des Vergnügens trotzdem<br />

etwas Technik studieren müssen.<br />

Denn falls Sie nicht wissen, wie<br />

man ein Schneemobil repariert, und<br />

auf einem Gletscher 70 km von <strong>der</strong><br />

nächsten Siedlung entfernt eine Panne<br />

erleiden, dann kann alles ein nicht<br />

so angenehmes Ende haben.<br />

Das Fahren mit Schneemobilen<br />

ist keine so unschuldige <strong>Be</strong>schäftigung<br />

wie <strong>das</strong> Spazierengehen<br />

mit einem Vierbeiner im zentralen<br />

Stadtpark, deshalb ist es sehr wichtig,<br />

die Sicherheitsgrundlagen zu<br />

verstehen, unter einer Schneelawine,<br />

die eine häufige <strong>Be</strong>gleiterin<br />

des High Marking ist, zu überleben,<br />

o<strong>der</strong> nicht im eiskalten Wasser zu<br />

versinken, wenn <strong>das</strong> Schneemobil<br />

auf schwach tragendes Eis gelangt<br />

ist. Dies geschieht beson<strong>der</strong>s<br />

häufig in Alaska. Für gewöhnlich<br />

sind hier alle Gewässer den Großteil<br />

des Jahres über gefroren, aber<br />

die geniale Entscheidung, mit einem<br />

Schneemobil am Anfang o<strong>der</strong><br />

am Ende <strong>der</strong> Saison auf ihrem Eis<br />

dahinzusausen, kann nach dem<br />

Einbrechen nicht mehr so klug erscheinen.<br />

Schwere Winterkleidung<br />

macht es sehr schwer, sich aus<br />

dieser Situation zu befreien. <strong>Be</strong>vor<br />

man sich mit dem Trailblazing beschäftigt,<br />

muss man unbedingt seine<br />

„Hausaufgaben“ machen und<br />

die <strong>Land</strong>karte des Ortes so genau<br />

wie möglich studieren, denn in unbekanntem<br />

Gelände verletzen sich<br />

Schneemobilfahrer am häufigsten,<br />

wenn sie in aufgespannte Drähte<br />

und an<strong>der</strong>e von Menschenhand<br />

o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Natur geschaffene<br />

Hin<strong>der</strong>nisse hineinfahren.<br />

© Thinkstock (2)<br />

85


driver<br />

Um sich mit dem Schneemobil anzufreunden<br />

und es angemessen<br />

unter Kontrolle zu bekommen, benötigt<br />

man viel Praxis und Geduld.<br />

Hier läuft alles viel komplizierter<br />

ab als beim Erlernen des Fahrens<br />

mit dem Auto o<strong>der</strong> einem einfachen<br />

Motorrad. Drückt man den<br />

<strong>Be</strong>schleunigungshebel zu wenig,<br />

passiert nichts Interessantes, und<br />

drückt man zu viel, kann man zu<br />

einem weiteren Satelliten in <strong>der</strong><br />

Erdumlaufbahn werden. Hervorragende<br />

Fahrfertigkeiten sowie gute<br />

körperliche Kondition sind unerlässlich,<br />

da es zur maximalen effizienten<br />

Ausnutzung <strong>der</strong> Vorteile<br />

eines Schneemobils notwendig ist,<br />

nicht nur mit den Händen, son<strong>der</strong>n<br />

auch mit dem gesamten Körper zu<br />

fahren. Mit dem Steuer des Schneemobils<br />

in <strong>der</strong> Hand muss man ständig<br />

in <strong>Be</strong>wegung sein und lernen,<br />

sich an <strong>das</strong> Schneemobil anzupassen,<br />

und nicht ruhig wie ein Fahrgast<br />

im Schulbus auf dem Fahrzeug<br />

sitzen und nicht einmal den eigenen<br />

Hintern anheben. Die Fähigkeit,<br />

mit dem Körper im Sitzen auf<br />

dem Schneemobil zu manövrieren,<br />

ist einer <strong>der</strong> Grundsteine in dieser<br />

<strong>Be</strong>schäftigung.<br />

Außerdem muss man unbedingt Fertigkeiten<br />

für <strong>das</strong> Überleben in wil<strong>der</strong><br />

Natur und noch unter Extrembedingungen<br />

besitzen. Wenn man Offroad<br />

unterwegs ist, erscheint alles sehr<br />

eben und weiß. Dieses Bild nennt <strong>der</strong><br />

Schneemobilfahrer Whiteout. Unter<br />

diesem blendenden Weiß kann sich<br />

jedoch eine Grube, ein Baumstamm,<br />

ein gespannter Draht o<strong>der</strong> eine weitere<br />

„angenehme“ Überraschung<br />

verbergen. Trifft ein Schneemobil<br />

auf ein solches Hin<strong>der</strong>nis, stürzt <strong>der</strong><br />

Fahrer meistens, und <strong>das</strong> Fahrzeug<br />

fährt weiter, bis es aus den Augen<br />

verschwindet, von irgendeinem Steilhang<br />

fällt. Wenn Sie alles im Schneemobil<br />

mit sich führen, dann stehen<br />

Sie ohne alles mit leeren Händen da,<br />

also wäre es am besten, die wichtigsten<br />

Dinge immer bei sich zu tragen.<br />

Ein Schneemobil zu fahren ist vielleicht<br />

wirklich nicht so kompliziert,<br />

wie es nach dem Lesen dieses Artikels<br />

erscheinen mag. Aber nachdem man<br />

dort von ihm gefallen ist, wo Bären<br />

umherziehen, die monatelang gehungert<br />

haben, und die Temperatur<br />

in <strong>der</strong> Nacht so tief fällt, <strong>das</strong>s im Rucksack<br />

eine Flasche guter Brandy gefrieren<br />

kann, dann ist es schwierig zu<br />

überleben. Also sind Sicherheit und<br />

Fertigkeiten zum Überleben in wil<strong>der</strong><br />

Natur auf jeden Fall sehr wichtig. Der<br />

Sturz von einem Schneemobil ist <strong>der</strong><br />

häufigste Unfall bei dieser Form <strong>der</strong><br />

Erholung und geschieht meist, weil<br />

man seine eigenen Kräfte überschätzt,<br />

keine Fertigkeiten besitzt o<strong>der</strong> die<br />

Leistungsstärke des Fahrzeugs nicht<br />

begriffen hat. In einigen Schneemobilen<br />

ist ein Gerät eingebaut, <strong>das</strong> den<br />

Motor ausschaltet, wenn <strong>der</strong> Fahrer<br />

stürzt und die Steuerung loslässt. Das<br />

ist jedoch ein Zusatzgerät und nicht<br />

je<strong>der</strong> verwendet es.<br />

© Polarisindustries (3)<br />

86


Die besten Orte zum<br />

Fahren mit<br />

Schneemobilen<br />

Nach den Angaben des Schneemobil-Verbandes<br />

bestehen in Nordamerika<br />

über 370 000 km speziell<br />

für Schneefahrzeuge angelegte<br />

Straßen. Obwohl es in fast jedem<br />

Staat <strong>der</strong> USA, wo über einen bedeutsamen<br />

Teil des Jahres Schnee<br />

liegt, die einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en für<br />

Schneemobile angelegten Wege<br />

gibt, möchte „<strong>Be</strong> <strong>Active</strong>“ auf die<br />

besten Orte hinweisen. Übrigens<br />

gilt überall hinter dem Steuer die<br />

Grundregel wie für <strong>das</strong> Fahren eines<br />

beliebigen an<strong>der</strong>en Fahrzeugs<br />

– ein strenges Nein zum Alkohol.<br />

An jedem Ort ist es auch notwendig,<br />

sich zu informieren, welche<br />

Geschwindigkeitsbegrenzung auf<br />

<strong>der</strong> Piste besteht. Für gefährliche<br />

Fahrweise und Regelverstöße auf<br />

<strong>der</strong> Schneepiste werden oft härtere<br />

Strafen verhängt als für Vergehen<br />

auf einfachen Straßen am Steuer<br />

eines Autos.<br />

West Yellowstone,<br />

Montana<br />

Die Amerikaner nennen diesen Ort<br />

die Hauptstadt <strong>der</strong> Schneemobile. Zur<br />

Saison erreicht die Schneeschicht hier<br />

eine Dicke von bis zu 4 m. Falls man<br />

sich jedoch mehr als einen Familienausflug<br />

mit Schneemobilen wünscht<br />

und sich zur schnelleren Fahrt entscheidet,<br />

muss man immer damit<br />

rechnen, mit weidenden Bisons o<strong>der</strong><br />

Bären zusammenzustoßen, die hier<br />

zum Glück gefüttert werden und deshalb<br />

auch ohne große Angst durch<br />

<strong>das</strong> Gebiet des Yellowstone-Nationalparks<br />

schlen<strong>der</strong>n.<br />

Auf Grund <strong>der</strong> Vorschriften und Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

des Nationalparks, <strong>das</strong>s<br />

„Snowmobiling“ nur bei Anreise mit<br />

einer organisierten Gruppe gestattet<br />

ist, wählen die meisten Schneemobilfahrer<br />

zum Fahren nicht <strong>das</strong> Gelände<br />

des Nationalparks selbst, son<strong>der</strong>n die<br />

abgelegenen Winkel von West Yellowstone.<br />

Diese Region regiert stets in<br />

den Tops des SnoWest Magazine, einer<br />

Zeitschrift, die jedes Jahr die Top<br />

15 <strong>der</strong> besten Wege für Schneemobile<br />

© Arcticcat<br />

im Westen <strong>der</strong> USA bekannt gibt.<br />

Hier gibt es eindrucksvolle hügelige<br />

Orte, in denen <strong>der</strong> Schnee knirscht<br />

und funkelt. Hier kann man auf ungekennzeichneten<br />

Straßen dahinsausen,<br />

dem High Marking nachgehen<br />

o<strong>der</strong> einfach nur banal sein Trail-<br />

Schneemobil ausprobieren, denn<br />

sogar in den abgelegensten Winkeln<br />

von West Yellowstone gibt es wun<strong>der</strong>bar<br />

angelegte und an unterschiedliche<br />

Fertigkeiten von Schneemobilfahrern<br />

angepasste Wege.<br />

Der South Plateau-Weg ist für seine<br />

<strong>Be</strong>quemlichkeit für Schneemobilfahrer<br />

im Anfängerstadium bekannt,<br />

und weiter fortgeschrittenere Fahrer<br />

werden hier ständig verführt, vom<br />

Weg abzukommen, weil dieses Gelände<br />

sich durch fantastische Natur<br />

auszeichnet, an <strong>der</strong> man sich bei <strong>der</strong><br />

Fahrt auf einem „kultivierten“ und<br />

gepflegten Weg nicht immer erfreuen<br />

kann.<br />

© Thinkstock<br />

87


driver<br />

Der Two Top Trail direkt am Yellowstone-Nationalpark<br />

gilt als beste Piste <strong>der</strong><br />

Welt auf Grund <strong>der</strong> Unterschiedlichkeit<br />

<strong>der</strong> Oberfläche und <strong>der</strong> Möglichkeit<br />

auf einem <strong>Be</strong>rghang zu fahren,<br />

<strong>der</strong> in eine Höhe von mehr als 600<br />

m hinaufführt. Neben den hervorragend<br />

angelegten Wegen gibt es hier<br />

riesige Offroad-Flächen, die wegen<br />

ihrer beson<strong>der</strong>en Oberfläche und <strong>der</strong><br />

gefrorenen Schnee-Reservoire geradezu<br />

einen wahrgewordenen Traum<br />

für Offroad-Enthusiasten darstellen.<br />

An einem klaren Tag kann man die<br />

Teton-<strong>Be</strong>rge erkennen und sich auch<br />

an dem wun<strong>der</strong>vollen Panorama mit<br />

Blick auf den Yellowstone-Nationalpark<br />

erfreuen. Ständige starke Winde<br />

formen auf den Gipfeln dieses <strong>Be</strong>rges<br />

seltsame Eiszapfen, die in <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong><br />

Schneemobilfahrer unter dem Namen<br />

„Schneegeister“ bekannt sind.<br />

Für aggressive Schneemobilfahrer,<br />

die aus ihren Performance-Fahrzeugen<br />

<strong>das</strong> maximale Vergnügen herausholen<br />

möchten, gibt es keinen<br />

besseren Ort als The Big Sky Trail.<br />

Obwohl es hier auch angelegte Wege<br />

gibt, werden diese plötzlich durch<br />

Offroad ersetzt, wo es viel knirschenden<br />

und tiefen Schnee gibt. Die <strong>Land</strong>schaft<br />

ist hier sehr schön, aber wenn<br />

man mit mehreren Schneemobilfahrern<br />

zusammen fährt, kann man sie<br />

auch nicht sehen. Wenn viel Schnee<br />

liegt, ist es immer am besten, an erster<br />

Stelle zu fahren, weil die Sicht ansonsten<br />

noch schlechter wird als beim<br />

Fahren hinter einem an<strong>der</strong>en Auto<br />

auf <strong>der</strong> Straße bei starkem Regen.<br />

Falls es aber so geschehen ist, kann<br />

man sich damit trösten, <strong>das</strong>s man<br />

sich keine Sorgen mehr zu machen<br />

braucht, mit einem Bison o<strong>der</strong> einem<br />

an<strong>der</strong>en Vierbeiner zusammenzustoßen:<br />

Wegen des sehr<br />

tiefen Schnees und <strong>der</strong> dichten<br />

Wäl<strong>der</strong> gibt es hier fast keine großen<br />

Tiere. Dieser Ort zeichnet sich<br />

auch durch Hügel aus, und die Hill<br />

Climber bekommen bei dem Versuch<br />

die rauen <strong>Be</strong>rge zu erklimmen<br />

hier geradezu einen Orgasmus.<br />

Der extremste angelegte Weg im<br />

Yellowstone ist <strong>der</strong> Lionhead, <strong>der</strong><br />

vom Anfang <strong>der</strong> Piste bis zum Ende<br />

3 km aufsteigt. Dieser Weg ist eine<br />

ständige Prüfung für die Möglichkeiten<br />

des Schneemobils, und die<br />

letzten Kurven <strong>der</strong> Piste sind so<br />

heftig, <strong>das</strong>s man <strong>der</strong>en <strong>Be</strong>fahren<br />

nur Fahrern empfiehlt, die bereits<br />

viel Schnee „gegessen“ haben.<br />

Für diejenigen, die noch am Anfang<br />

ihrer Schneemobilfahrer-Karriere<br />

sind, stehen hier auch an<strong>der</strong>e<br />

Pisten zur Auswahl: <strong>der</strong> Horse Butte<br />

Loop, <strong>der</strong> Snowmobiling Island<br />

Park und The Continental Divide<br />

Trail. Obwohl es hier wenige extreme<br />

Kurven und gefährliche Anstiege<br />

gibt, sorgt die „firmeneigene“<br />

tiefe Schneeschicht dieser Region<br />

für große Heiterkeit bei jedem<br />

Schneemobil-Enthusiasten.<br />

88


Stanley, Idaho<br />

Hier kann die Schneedicke auch 6<br />

Meter betragen, und <strong>das</strong> Gelände ist<br />

sehr hügelig, besitzt etwa 40 Gipfel,<br />

die über 3 km hoch sind. Diese Piste<br />

verbinden mehr als 300 km eigens<br />

für Schneemobile angelegte Wege,<br />

aber Schneemobilfahrer schätzen<br />

diesen Ort beson<strong>der</strong>s wegen <strong>der</strong><br />

Möglichkeiten zum Boondocking<br />

und <strong>der</strong> unbegrenzten Möglichkeiten,<br />

mit dem Schneemobil Offroad<br />

zu fahren o<strong>der</strong> zu versuchen,<br />

so hoch wie möglich einen <strong>Be</strong>rg zu<br />

erklimmen. Die Ortsansässigen lieben<br />

den Kelly Creek Loop am meisten,<br />

einen <strong>Be</strong>rg, dessen Gipfel man<br />

mit einem Schneemobil erreichen<br />

kann, wenn man sich nicht fürchtet,<br />

<strong>das</strong> Gaspedal zu drücken.<br />

Bundesstaat Maine<br />

Wenn Sie kein Offroad benötigen,<br />

aber gut gepflegte, für Schneemobile<br />

angelegte Wege mögen, dann<br />

gibt es auf <strong>der</strong> Welt keinen besseren<br />

Ort als den Bundesstaat Maine. Hier<br />

gibt es fast 22 000 km für Schneemobile<br />

angelegte und hervorragend gepflegte<br />

Wege. Neben ihnen befinden<br />

sich 46 Gipfel für diejenigen, die <strong>das</strong><br />

High Marking ausprobieren wollen.<br />

Im letzten Jahr wurden die Schneewege<br />

von Maine von 102 000 Schneemobilfahrern<br />

zerfurcht. Das ist fast ein<br />

Zehntel aller Schneemobilfahrer aus<br />

den USA.<br />

Petersville, Alaska<br />

Es ist kein Geheimnis, <strong>das</strong>s hier <strong>das</strong><br />

Paradies für Trailblazing und Boondocking<br />

liegt. In Alaska gibt es mehrere<br />

ernst zu nehmende <strong>Be</strong>rge: den<br />

McKinley (von den Ortsansässigen<br />

Denali genannt), den Foraker und<br />

den Hunter. Außerdem muss man bei<br />

einem <strong>Be</strong>such mit dem Schneemobil<br />

in Alaska unbedingt bis zum Hatcher<br />

Pass fahren. Man sagt, <strong>das</strong>s wenn Sie<br />

kein Hillclimbing mochten und nach<br />

dem Überwinden <strong>der</strong> unzählbaren<br />

Vertikalen am Leben bleiben, Sie<br />

ihre Meinung wahrscheinlich än<strong>der</strong>n<br />

werden. Diese Oberfläche verlangt<br />

jedoch nach einem beson<strong>der</strong>s zuverlässigen<br />

Schneemobil mit hervorragen<strong>der</strong><br />

Aufhängung.<br />

Quebec, Kanada<br />

In Kanada ist es wohl schwer, einen<br />

besseren Ort für die Fahrt mit einem<br />

Schneemobil zu finden, als in dem<br />

Staat Quebec, in dem <strong>der</strong> „Ford“ <strong>der</strong><br />

Schneemobile Joseph Armand Bombardier<br />

geboren wurde. Dort ist je<strong>der</strong>mann<br />

überzeugt davon, <strong>das</strong>s man im<br />

Winter Freude haben und nicht nur<br />

überleben muss. Deshalb erwarten<br />

hier jeden Schneemobil-Enthusiasten<br />

mehr als 30 000 km hervorragend gepflegte<br />

Wege. Das Wichtigste ist, <strong>das</strong>s<br />

dieses System durchgängig ist und<br />

ganz Quebec durchläuft. Wenn man<br />

also nicht essen o<strong>der</strong> schlafen müsste,<br />

dann bräuchte man überhaupt nicht<br />

vom Schneemobil absteigen. Trotzdem<br />

gibt es verschiedene kleine Hin<strong>der</strong>nisse,<br />

so wie Brücken o<strong>der</strong> Fähren,<br />

die man gezwungenermaßen nutzen<br />

muss, um den Fluss Saint Lawrence<br />

zu überwinden. Aber die Kenntnis<br />

davon, <strong>das</strong>s die umliegenden Hotels<br />

liegen gebliebenen Schneemobilfahrern<br />

stets ihre Hilfe anbieten, macht<br />

jede Reise zu einer herrlichen Erfahrung,<br />

wo Sie nur noch eine Sache<br />

interessiert – was lässt sich noch aus<br />

Ihrem Schneemobil herausholen. Um<br />

alles an<strong>der</strong>e kümmern sich die französischsprachigen<br />

Kanadier.<br />

© Thinkstock (4)<br />

89


driver<br />

Britisch-Kolumbien,<br />

Kanada<br />

Das langweilige<br />

Skandinavien<br />

Für diejenigen, die es etwas weniger<br />

europäisch und wil<strong>der</strong> mögen, öffnet<br />

Britisch-Kolumbien seine nicht durch<br />

Zivilisation verschmutzten Arme. Es ist<br />

<strong>das</strong> Element für diejenigen, die High<br />

Marking, Hill Crossing und Trailblazing<br />

mögen. Hier befindet sich auch<br />

ein Ort auf <strong>der</strong> Welt, den die <strong>Be</strong>rgschneemobilfahrer<br />

beson<strong>der</strong>s lieben<br />

– die Kootenay Rockies. In Britisch-<br />

Kolumbien warten endlose Gipfel<br />

und eine unheimlich große Menge<br />

Schnee. Für Offroad-Liebhaber gibt<br />

es auch hier ein Paradies, man muss<br />

nur den Kootenay-See erreichen. Hier<br />

kann man seine Wege entdecken<br />

und schaffen, und für den Riesenspaß<br />

sorgen wahnsinnige Verän<strong>der</strong>ungen<br />

des Geländes, die zwischen 700 m<br />

und 2 km schwanken. Nach <strong>der</strong> Ankunft<br />

ist es am wichtigsten, <strong>das</strong>s <strong>der</strong><br />

Motor Ihres Schneemobils durchhält,<br />

denn hier wird er wirklich etwas zu<br />

tun haben. Der größte Konkurrent<br />

des Kootenay in Britisch-Kolumbien<br />

ist die Region Revelstoke, die ein einziges<br />

großes und unendliches Hügelland<br />

ist und in <strong>der</strong> ständig eine große<br />

Schicht aus lockerem Schnee besteht.<br />

Wenn man vom Schneemobil absteigt,<br />

kann man hier problemlos bis<br />

zu den Achseln eintauchen.<br />

Die Schneemobilwege Skandinaviens<br />

werden als herrliche Art, die<br />

Freizeit mit <strong>der</strong> Familie zu verbringen<br />

o<strong>der</strong> als Möglichkeit, die wun<strong>der</strong>schöne<br />

Natur zu bewun<strong>der</strong>n,<br />

aufgedrängt. Hier gibt es unendlich<br />

viele Herrlichkeiten im Angebot,<br />

die man leicht mit einem Schneemobil<br />

besichtigen kann, und es<br />

gibt auch eine Vielzahl an<strong>der</strong>er<br />

Attraktionen, die man mit dem<br />

Fahrzeug so unglaublich schnell<br />

wie die nächstgelegene Bar erreichen<br />

kann. Touring-Enthusiasten<br />

können hier mehrere Orgasmen<br />

bekommen, weil sie einen Anlass<br />

zu Teilnahme an einer mehrtätigen<br />

Safari durch drei Staaten teilnehmen<br />

können: durch Norwegen,<br />

Schweden und Finnland. Auf <strong>der</strong><br />

Internetseite von Visit Sweden liest<br />

man die folgende Zeile: „Manche<br />

meinen, <strong>das</strong>s die Geschwindigkeit<br />

alles ist, für die Mehrheit ist es jedoch<br />

eine Möglichkeit, die wilde<br />

Natur zu bewun<strong>der</strong>n“. Ach nein.<br />

Das skandinavische Streben nach<br />

Komfort und die Trägheit wi<strong>der</strong>spiegeln<br />

sich auch auf den Pisten<br />

für Schneemobile, die ordentlich,<br />

gepflegt und für einen aggressiv<br />

eingestellten Schneemobilfan hoffnungslos<br />

langweilig sind.<br />

Trotzdem möchte <strong>der</strong> berühmteste<br />

Ort für Schneemobilfahrer in Europa<br />

– <strong>das</strong> schwedische Kiruna – <strong>das</strong><br />

machen, was es noch nirgendwo auf<br />

<strong>der</strong> Welt gibt. Man will den Schneemobilen<br />

erlauben, auf den Straßen<br />

<strong>der</strong> Stadt als gleichberechtigtes Verkehrsmittel<br />

zu fahren. Dies ließe bei<br />

Schnee-Bikern zweifellos eine neue<br />

Erfahrung aufkommen – Urban<br />

Snowmobiling und <strong>das</strong> würde Kiruna<br />

zu einem Anziehungszentrum für alle<br />

Schneemobil-Enthusiasten machen.<br />

In Schweden liegt die Höchstgeschwindigkeit<br />

für Schneemobile<br />

bei 70 km pro Stunde. <strong>Be</strong>i dieser Geschwindigkeit<br />

kann man auf <strong>der</strong> Fahrt<br />

durch verschneites Gelände vor Langeweile<br />

zum Eiszapfen erstarren. Vielleicht<br />

gab es deswegen in Schweden<br />

einen Anstieg von Todesfällen durch<br />

Fahren von Schneemobilen unter<br />

Alkoholeinfluss. Es stellt sich die Frage,<br />

wie man sonst warm werden soll,<br />

wenn man auf einem herrlichen Weg<br />

auf mit einem offenen Fahrzeug fährt<br />

und sonst nichts weiter unternimmt?<br />

© Thinkstock<br />

90


91<br />

© Arcticcat


driver<br />

Ongajok, Norwegen<br />

Die beste Schneemobil-Safari in Europa,<br />

die extreme Züge besitzt, ist<br />

eine Fahrt auf Schneemobilen in <strong>der</strong><br />

Region Ongajok, im norwegischen<br />

Teil Lapplands. Neben <strong>der</strong> zweifellosen<br />

Schönheit <strong>der</strong> Natur erwartet Sie<br />

eine gar nicht so laienhafte Erfahrung<br />

beim Fahren mit dem Schneemobil.<br />

Fast die gesamte Piste über hat man<br />

mit Steigung zu kämpfen und ihr<br />

höchster sowie niedrigster Punkt liegen<br />

mehr als 650 m auseinan<strong>der</strong>. Hier<br />

ist nicht nur die Natur, son<strong>der</strong>n auch<br />

die Piste wild, also gibt es genügend<br />

Arbeit für <strong>das</strong> Schneemobil. Es kann<br />

sogar sein, <strong>das</strong>s nicht nur Sie, son<strong>der</strong>n<br />

auch Ihr Fahrzeug bei Tagesende die<br />

Sauna, die in ganz Skandinavien ständig<br />

angeboten wird, nötig haben<br />

wird.<br />

Finnland<br />

In Finnland kann man die beste Erfahrung<br />

mit Schneemobilen in Lappland<br />

machen, wo es Tausende gepflegter<br />

Wege gibt, von <strong>der</strong>en Verlassen eindringlich<br />

abgeraten wird. Schon wie<strong>der</strong><br />

diese skandinavische Vorsicht...<br />

Wer Offroad genießen möchte, wird<br />

sein Verhandlungsgeschick auffrischen<br />

müssen, denn über die Möglichkeit<br />

einer Offroad-Fahrt muss man<br />

mit dem Eigentümer des <strong>Land</strong>es, <strong>das</strong><br />

man mit dem Schneemobil zerfurchen<br />

möchte, verhandeln.<br />

Überall, wo man in Finnland hinfährt,<br />

wird einem zuerst angeboten, mit<br />

hoher Geschwindigkeit über vereiste<br />

Seen zu fegen, von denen es unzählbar<br />

viele gibt. „<strong>Be</strong> <strong>Active</strong>“ ist <strong>der</strong><br />

Meinung, <strong>das</strong>s dies eine sehr ähnliche<br />

Erfahrung wie die Verbesserung eines<br />

Geschwindigkeitsrekords mit dem<br />

Auto in irgendeiner Wüste ist. Der<br />

Adrenalinstoß ist garantiert, obwohl<br />

man vor <strong>der</strong> <strong>Be</strong>stellung eines solchen<br />

Abenteuers überprüfen sollte, ob die<br />

Höchstgeschwindigkeit nicht auf 80<br />

km/h beschränkt ist. <strong>Be</strong>i den Skandinaviern<br />

kann schließlich alles passieren,<br />

und die Wörter „High Speed“ in<br />

den Broschüren können für Ortsansässige<br />

etwas völlig an<strong>der</strong>es bedeuten<br />

als für Sie.<br />

Karelien, Russland<br />

Obwohl es scheinen kann, <strong>das</strong>s<br />

<strong>der</strong> Großteil Russlands unter ewigem<br />

Schnee liegt, so kann man an<br />

ernsthaftes Fahren mit Schneemobilen<br />

nur in Karelien denken. Die<br />

Nähe zu Skandinavien verleiht dieser<br />

Region viele Vorzüge. Karelien<br />

hat hervorragende Voraussetzungen<br />

für Offroad-Liebhaber, und<br />

nach dem langweiligen und konservativen<br />

Skandinavien kann ein<br />

<strong>Be</strong>such in Karelien zu einer echten<br />

Erfrischung für Körper und Seele<br />

werden.<br />

Hokkaido, Japan<br />

Außer Nordamerika und Skandinavien<br />

ist Japan wahrscheinlich <strong>der</strong><br />

einzige Ort, wo man sich ernsthafter<br />

mit dem Snowmobiling beschäftigen<br />

kann. Haruki Murakami hat<br />

die Mystik von Hokkaido hervorragend<br />

dargestellt, also falls es nicht<br />

die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Schneemobile<br />

ist, so wird wenigstens die<br />

<strong>Land</strong>schaft, <strong>der</strong>en Teil man mit<br />

dem Schneemobil erblicken kann,<br />

einen wun<strong>der</strong>baren Eindruck hinterlassen.<br />

Hier stehen nicht viele<br />

Wege zur Auswahl und auch die<br />

angebotenen Vergnügungen ähneln<br />

nicht <strong>der</strong> wilden Natur von<br />

Sapporo, son<strong>der</strong>n eher <strong>der</strong> Langeweile<br />

Skandinaviens. Trotzdem<br />

gibt es hier Möglichkeiten für High<br />

Marking o<strong>der</strong> Offroad. Das macht<br />

diese kurzen Wege recht attraktiv.<br />

Tatsachen<br />

© Polarisindustries<br />

Der durchschnittliche Marktpreis<br />

für ein neues Schneemobil liegt bei<br />

8800 USD.<br />

Der Altersdurchschnitt eines Schneemobilfahrers<br />

beträgt 43 Jahre.<br />

Wer sein Schneemobil angemessen<br />

warten möchte, hat im Jahr Kosten<br />

92


Score<br />

Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />

Ziel zu erreichen.<br />

Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />

Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />

© Thinkstock<br />

93


treker<br />

„Geh in die <strong>Be</strong>rge!“<br />

Text Ovidijus Ruškys<br />

94


Ich habe da so einen Freund, einen Arzt, und bin immer<br />

wie<strong>der</strong> erstaunt, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> nie krank ist. Nicht nur, <strong>das</strong>s er<br />

nie krank ist, son<strong>der</strong>n auch sonst über gar nichts klagt.<br />

Im Gegensatz zu ihm würde ich mich<br />

nicht in diese Kategorie einordnen:<br />

Ich halte mich – sowohl körperlich<br />

als auch seelisch gesehen – für ein<br />

Weichei. Mal schmerzt mir <strong>der</strong> Kopf,<br />

mal stresst mich <strong>der</strong> Job o<strong>der</strong> die Familie,<br />

im Winter erkälte ich mich, im<br />

Sommer trifft mich <strong>der</strong> Hitzschlag;<br />

so wie<strong>der</strong>holen sich diese Umstände<br />

unentwegt wie in einem Teufelskreis.<br />

Selbstverständlich unternehme ich<br />

etwas dagegen: Ich schlucke Medikamente,<br />

auch präventiv, sammle brav<br />

Vitaminfläschchen, versuche hin und<br />

wie<strong>der</strong> äußerlich – durchs Schwitzen<br />

im Club – und innerlich – durchs Trinken<br />

im Pub – Krankheiten vorzubeugen,<br />

bemühe mich, an Wochenenden<br />

dem Großstadtsmog zu entfliehen.<br />

Doch die Blüte des bereits erwähnten<br />

Doktors zu erreichen, schaffe ich<br />

trotzdem nicht. Das <strong>Be</strong>neidenswerteste<br />

jedoch ist, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> immer einen<br />

einfachen Ratschlag parat hat, <strong>der</strong><br />

helfen solle, die Wehwehchen je<strong>der</strong><br />

Lebenslage zu überwinden. Wenn<br />

man ihn fragt, was er bei dem einen<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Problem vorschlagen<br />

würde, erwi<strong>der</strong>t er lakonisch, mit <strong>der</strong><br />

Ruhe eines praktizierenden Buddhisten:<br />

„Geh in die <strong>Be</strong>rge!“<br />

So einfach also: Geh in die <strong>Be</strong>rge! Ich<br />

frage ihn, was man tun sollte, damit<br />

<strong>der</strong> Druck in <strong>der</strong> rechten Gehirnhälfte<br />

nachlässt. Seine Antwort lautet: „Geh<br />

in die <strong>Be</strong>rge!“ Ich erkundige mich, wie<br />

man die blutsaugenden Mückenviecher<br />

in <strong>der</strong> freien Natur vermeidet. Er<br />

antwortet wie<strong>der</strong>: „Geh in die <strong>Be</strong>rge!“<br />

Und so zigmal bei je<strong>der</strong> <strong>Be</strong>gegnung.<br />

Einmal platzte mir <strong>der</strong> Kragen, und<br />

ich warf ihm alles an den Kopf: Dass er<br />

eine eigene Praxis habe, seine Arbeitsund<br />

Urlaubszeit selbst regele, keinen<br />

Geldmangel kenne usw., so<strong>das</strong>s es für<br />

ihn ein Leichtes sei, über sein alpines<br />

Hobby zu schwadronieren. Der Kerl<br />

wurde etwas verlegen, erwi<strong>der</strong>te mir<br />

jedoch auf meinen Wortschwall mit<br />

<strong>der</strong> bekannten <strong>Be</strong>stimmtheit: „Geh in<br />

die <strong>Be</strong>rge!“ und fügte nach einer kurzen<br />

Pause hinzu: „Vor allem, wenn du<br />

kein Geld und keine Zeit hast.“<br />

So war also die Vorgeschichte meines<br />

„In-die-<strong>Be</strong>rge-Gehens“, worauf ich<br />

genau dorthin losgezogen bin. Sicherlich<br />

nicht auf die Art und Weise,<br />

wie sich Henry David Thoreau in den<br />

Wald am See Walden Pond zurückgezogen<br />

hatte, son<strong>der</strong>n langsam, Schritt<br />

für Schritt, mit einer detaillierten Vorbereitung<br />

glie<strong>der</strong>te ich mich in die<br />

Reihen <strong>der</strong> <strong>Be</strong>rgwan<strong>der</strong>freunde ein.<br />

Eine weitere, etwas eigenartige<br />

und am Anfang mir völlig unverständliche<br />

Nuance war, <strong>das</strong>s mein<br />

<strong>Be</strong>rgwan<strong>der</strong>freund mir keine nützlichen<br />

Informationen geben wollte<br />

und sich sogar weigerte, mir bei<br />

meinem ersten Mal Gesellschaft zu<br />

leisten. Die Erklärung fiel ungefähr<br />

so aus: Du musst selbst gehen, deswegen<br />

musst du dich auch selbst<br />

darum kümmern, selbst deinen<br />

<strong>Be</strong>rg finden, entscheiden, was du<br />

für die Reise brauchst, wie lange<br />

du gehst, was du dir anziehst, weil<br />

je<strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>er seine eigenen <strong>Be</strong>dürfnisse<br />

hat. Zum Teil musste ich<br />

ihm recht geben. Viel merkwürdiger<br />

erschien mir allerdings seine<br />

Weigerung mitzukommen; angeblich<br />

sei „<strong>der</strong> <strong>Be</strong>rg selbst die beste<br />

Gesellschaft“.<br />

© Thinkstock (6)<br />

95


treker<br />

Die ersten <strong>Be</strong>rge<br />

96


Von <strong>der</strong> Einsicht beflügelt, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> <strong>Be</strong>rg nicht zu mir<br />

kommen wird und <strong>das</strong>s mich niemand an <strong>der</strong> Hand<br />

dorthin führen wird, fing ich also an, meine eigene<br />

Reise zum <strong>Be</strong>rg zu organisieren.<br />

Das Erste, was ich machte, war Folgendes:<br />

Ich suchte mir meinen <strong>Be</strong>rg.<br />

Den Alpenbewohnern kann es ja<br />

merkwürdig vorkommen, aber in<br />

meiner Stadt sieht man sogar vom<br />

Dach eines <strong>Wolke</strong>nkratzers aus im gesamten<br />

Radius bis zum Horizont keine<br />

einzige Erhebung, deswegen setzte<br />

ich mich an den Computer und fand<br />

die nächste höher gelegene Gegend<br />

in den Internetkarten. Zugleich stieß<br />

ich auf psychologisch-medizinische<br />

Informationen, die meine Zuversicht<br />

bestärkten und <strong>der</strong>en folgende<br />

Schlagzeilen mir am besten gefielen:<br />

„<strong>Be</strong>sser als <strong>Be</strong>rge sind nur <strong>Be</strong>rge“,<br />

„<strong>Be</strong>rgluft heilt Übergewicht“ (diese<br />

hat meinem Bierbäuchlein, na gut,<br />

sei’s drum, meinem Bierbauch am<br />

besten gefallen), „Kommunikation<br />

mit den <strong>Be</strong>rgen verän<strong>der</strong>t den Menschen“,<br />

„<strong>Be</strong>rge sind eine Rettung vor<br />

Herzerkrankungen“. Etwas demotivierend<br />

wirkte vielleicht nur die Tatsache,<br />

<strong>das</strong>s all die gesundheitsför<strong>der</strong>nden<br />

Aspekte erst dann funktionieren<br />

sollen, wenn man in den <strong>Be</strong>rgen lebt<br />

o<strong>der</strong> wenigstens für einen längeren<br />

Zeitraum mindestens in <strong>der</strong> Höhe<br />

von 2000 Metern verweilt. Angeblich<br />

solle die <strong>Be</strong>rgluft helfen, Körperfette<br />

deutlich schneller zu verbrennen,<br />

während die sauerstoffarme Luft den<br />

Stoffwechsel beschleunige und den<br />

Appetit sowie den Blutdruck senke.<br />

Dennoch blieb ich davon überzeugt,<br />

<strong>das</strong>s auch ein kurzweiliges amateurhaftes<br />

Herumstreunen in einer bergigen<br />

Gegend meinem Herzen eine<br />

gute <strong>Be</strong>lastung sein wird, während<br />

eine niedrigere Sauerstoffkonzentration<br />

in <strong>der</strong> Luft sich ebenfalls nur positiv<br />

auswirken wird. Bloß wegen <strong>der</strong><br />

Langlebigkeit auf Grund von guter<br />

<strong>Be</strong>rgluft war ich mir nicht so sicher.<br />

Doch dies erwähnte ich meiner Frau<br />

nicht, die sich meinen kurzen Vortrag<br />

über die positive Auswirkung <strong>der</strong> <strong>Be</strong>rge<br />

stillschweigend jedoch mit großen<br />

Augen anhörte. Ungefähr genauso,<br />

wie vor einigen Jahren bei meinem<br />

Versuch ihr weiszumachen, <strong>das</strong>s ein<br />

Abend in einer Kneipe mit Freunden<br />

ohne Frauenbegleitung unsere Ehe<br />

nur stärken wird. Immerhin wurde die<br />

Tatsache, <strong>das</strong>s wir am Wochenende in<br />

einer bergigen Gegend herumlaufen<br />

werden, nicht so gegnerisch empfangen,<br />

wie ich es befürchtete (anhand<br />

meiner Erfahrung mit <strong>der</strong> „Vorteilhaftigkeit“<br />

des frauenlosen Kneipenbesuchs).<br />

Es kam nur die Frage: „Was<br />

sollen wir mitnehmen?“ Meine stolze<br />

männliche Allwissenheit bewog mich<br />

dazu, die Sache mir zu überlassen.<br />

O<strong>der</strong> soll etwa eine Frau den Rucksack<br />

packen, wo sie bestimmt einen<br />

Haufen unnützes Zeug hineinstopfen<br />

wird? Selbstverständlich wurde<br />

mir dies später zum Verhängnis,<br />

denn <strong>das</strong> anfängliche Vorhaben,<br />

einen Tag lang uns die <strong>Be</strong>ine zum<br />

Wohle <strong>der</strong> Gesundheit zu vertreten,<br />

ist nicht ganz <strong>das</strong> geworden,<br />

was ich mir in meiner Fantasie ausgemalt<br />

hatte.<br />

Der Rucksack mit – meines Erachtens<br />

– nur dem Wesentlichen als<br />

Inhalt ist gar nicht so schwer geworden.<br />

Zumindest dachte ich so,<br />

während ich ihn vom Flur aus in<br />

den Kofferraum des Autos trug. Die<br />

wie<strong>der</strong>holte Frage meiner Frau,<br />

ob wir auch „wirklich alles haben,<br />

was wir brauchen“, winkte ich mit<br />

zusammengepressten Zähnen ab,<br />

und endlich fuhren wir los, in diese<br />

bergige Gegend.<br />

© Thinkstock (4)<br />

97


treker<br />

Kilometerlange Autofahrt und die<br />

Sonne des herannahenden Herbstes<br />

stimmten optimistisch. Es schien mir,<br />

als hätte mein Herz bereits vor dem<br />

Spaziergang angefangen, gesün<strong>der</strong><br />

zu schlagen. Wir stellten <strong>das</strong> Auto auf<br />

einem Parkplatz ab und liefen über<br />

einen ausgetretenen, früher befahrbaren,<br />

nunmehr zugewachsenen<br />

Pfad direkt in die Tiefe des Waldes hinein<br />

und den Hügel hoch. Das Laufen<br />

war nicht anstrengend, man musste<br />

sich nicht durch Gestrüpp und Geäst<br />

zwängen, wir trampelten bloß <strong>das</strong><br />

ziemlich hohe Gras und streiften hin<br />

und wie<strong>der</strong> Spinnweben. Der Weg<br />

führte auf und wie<strong>der</strong> ab. Wir plau<strong>der</strong>ten<br />

darüber, wie angenehm es ist, zu<br />

zweit in die Natur hinauszukommen,<br />

und <strong>das</strong>s es eine schöne Gewohnheit<br />

werden könnte, <strong>der</strong> sich später auch<br />

unser Sohn anschließen könnte.<br />

Die Sonne stieg immer höher und<br />

schien immer munterer und wärmer.<br />

Plötzlich (nach etwa einer halben<br />

Stunde Marschieren) merkte ich, <strong>das</strong>s<br />

<strong>der</strong> Rucksack mit dem nur Wesentlichen<br />

immer schwerer wird. Doch echte<br />

Männer klagen nicht laut! Wir hielten<br />

kurz an, ich zückte meine ziemlich<br />

große Nikon-Kamera aus dem Rucksack,<br />

machte ein paar Bil<strong>der</strong> und<br />

hängte sie mir um. Der Marsch ging<br />

weiter. Der Rucksack wurde definitiv<br />

nicht leichter, währenddessen fing<br />

die „Unentbehrlichkeit“ <strong>der</strong> Kamera<br />

am Nacken zu drücken. Den Duft <strong>der</strong><br />

reinen Luft konnte man tatsächlich<br />

riechen, doch zum Fotografieren gab<br />

es wirklich nichts.<br />

In Kürze schlug ich vor, zum ersten<br />

Mal eine längere Pause einzulegen.<br />

Wir leerten ein bisschen<br />

Tee aus <strong>der</strong> Thermosflasche, versch<strong>langen</strong><br />

je<strong>der</strong> ein belegtes Brot<br />

und liefen weiter, nachdem wir<br />

erst unsere Pullis ausgezogen hatten.<br />

Allerdings war die Stimmung<br />

nicht mehr so beseelt, <strong>der</strong> Schweiß<br />

lief mir übers Gesicht und den Rücken<br />

hinunter. Darüber hinaus verlangte<br />

meine Frau nach Klopapier.<br />

Wir hielten an und räumten den<br />

Rucksack aus, doch außer einer<br />

Packung marinierter Steaks, dem<br />

Gemüse, <strong>der</strong> Ketchupflasche, den<br />

Papptellern, dem Grillrost (ich hatte<br />

gehofft, mittags ein Feuerchen<br />

anzuzünden und <strong>das</strong> Fleisch darauf<br />

zu rösten), den Regencapes,<br />

<strong>der</strong> Wochenendzeitung mit allen<br />

<strong>Be</strong>ilagen, <strong>der</strong> Pfeife samt einem<br />

Tabakdöschen, dem Notizblock<br />

(falls gute Ideen kommen), einer<br />

Bierbüchse (Steak ohne Bier – undenkbar),<br />

den Kartoffelchips, <strong>der</strong><br />

Picknickdecke und an<strong>der</strong>en „notwendigen“<br />

Kleinigkeiten befand<br />

sich kein Klopapier. Ich schwor bei<br />

Gott, es eingepackt zu haben (<strong>der</strong><br />

Stolz eines Mannes ließ mir keine<br />

an<strong>der</strong>e Wahl), doch offensichtlich<br />

war unser Sprössling vor dem<br />

Verschließen des Rucksacks am<br />

Werk gewesen. Das Weib schwieg,<br />

ich spürte jedoch, sie glaubte kein<br />

Wort.<br />

98


Während es immer wärmer wurde,<br />

zogen wir eines erheblich langsameren<br />

Schrittes weiter. Die Thermosflasche<br />

leerte sich rasch. Die warme<br />

Flüssigkeit umspülte zwar für einen<br />

Moment angenehm den Rachen,<br />

kühlte jedoch überhaupt nicht. Einfaches<br />

Trinkwasser hatten wir aber nicht<br />

mit. „Komm schon, wir sind doch keine<br />

Waschlappen, die beim läppischen<br />

Durst einknicken!“ Immerhin haben<br />

wir noch Bier. Auf diese Art und Weise<br />

versuchte ich meine Frau und mich<br />

selbst aufzumuntern und zu trösten,<br />

nachdem <strong>der</strong> Tee versiegt war, doch<br />

die angespannte Atmosphäre verbesserte<br />

sich dadurch nicht.<br />

Irgendwie hatte ich mir vorgestellt,<br />

die vorgezogene Mittagspause mit<br />

dem Feuer und dem gerösteten<br />

Fleisch nach ungefähr 4 Stunden<br />

Fußmarsch einzulegen, so etwa wie<br />

bei einem gewöhnlichen Rhythmus<br />

des Arbeitstages. Praktisch war die<br />

Sache allerdings doppelt so schnell<br />

reif. Nicht etwa deswegen, weil unsere<br />

Mägen bereits die Trommeln<br />

geschlagen hätten, son<strong>der</strong>n weil <strong>der</strong><br />

Durst mit dem einzig gebliebenen<br />

Bier gelöscht werden musste, jedoch<br />

wollte man <strong>das</strong> Bier nicht ohne Steaks<br />

verplempern. Somit breiteten wir<br />

unsere Picknickdecke auf dem erstbesten<br />

sandigen Rastplatz aus, wo ich<br />

<strong>der</strong> weiblichen Person erlaubte, sich<br />

auszustrecken, während ich ans Feuermachen<br />

ging. Ich sammelte Zweige<br />

und Äste, die offensichtlich nicht<br />

fürs Lagerfeuer taugten, denn <strong>das</strong><br />

Feuermachen nahm eine gute halbe<br />

Stunde in Anspruch, in <strong>der</strong> <strong>das</strong> Essen<br />

und auch die Frau von Ameisen und<br />

an<strong>der</strong>en Insekten attackiert wurden.<br />

Ohne auf ihr Jammern einzugehen,<br />

konstruierte ich einen Stän<strong>der</strong> für<br />

den Grillrost und setzte mich daneben.<br />

Wir warteten ab, bis <strong>das</strong> Feuer<br />

glühende Kohle hinterlässt.<br />

© Thinkstock (4)<br />

Das Gespräch mit meiner besseren<br />

Hälfte wollte sich einfach nicht<br />

entwickeln, obwohl sie sonst gerne<br />

über dies und jenes quasselt. Jetzt<br />

las sie die Zeitung, und ich überlegte,<br />

warum dieser Trip, <strong>der</strong> unsere<br />

geistige und körperliche Gesundheit<br />

eigentlich för<strong>der</strong>n sollte, zu<br />

einem anstrengenden und die Reibung<br />

zwischen den beiden Wan<strong>der</strong>ern<br />

eher stärkenden Unterfangen<br />

wurde. Ich stellte folgende Gründe<br />

fest: falsch gepackter Rucksack<br />

(den Packer braucht man nicht<br />

laut zu nennen) und meine <strong>Be</strong>gleiterin,<br />

die <strong>das</strong> Recht hat, sich deswegen<br />

aufzuregen. In dem Moment<br />

ging mir durch den Kopf, <strong>das</strong>s ich<br />

den Rat des befreundeten Arztes<br />

völlig vergessen hatte, alleine in<br />

die <strong>Be</strong>rge zu gehen, und überschlug<br />

nüchtern <strong>das</strong> Szenario <strong>der</strong><br />

letzten zwei Stunden, diesmal jedoch<br />

ohne meine <strong>Be</strong>gleiterin, die<br />

erstens sich nicht am Tragen beteiligte,<br />

was auch hieß, <strong>das</strong>s ich für<br />

zwei schleppte, und zweitens auch<br />

noch keine moralische Unterstützung<br />

lieferte. Fazit: Alleine wäre es<br />

besser, einfacher und leichter (in<br />

jedem Sinne) gewesen.<br />

99


treker<br />

Während Feuerzungen um die<br />

grünen Zweige tanzten, notierte<br />

ich mir in meinem Notizblock all<br />

die Sachen, die wir heute mitgenommen<br />

hatten, dann schrieb<br />

ich die Sachen auf, die ich bei <strong>der</strong><br />

Wan<strong>der</strong>ung vermisst habe, und<br />

strich letztendlich all den unnötigen<br />

Krimskrams. Nach <strong>der</strong> Auswertung<br />

des Umfangs von dem übrig<br />

gebliebenen Zubehör wurde mir<br />

klar, <strong>das</strong>s man nicht mal so einen<br />

großen Rucksack bräuchte. Ehrlich<br />

gesagt, für eine Tagestour könnte<br />

man sich ohne Weiteres auf Trinkwasser<br />

und ein paar belegte Brote<br />

beschränken. Und natürlich – auf<br />

<strong>das</strong> verdammte Klopapier.<br />

Ich will mich nicht darüber ausbreiten,<br />

wie <strong>das</strong> erste sommerliche Herumwan<strong>der</strong>n<br />

in den „Quasi-<strong>Be</strong>rgen“<br />

geendet ist, ich möchte lediglich<br />

erwähnen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Bier die Kehle<br />

heruntergespült worden war, noch<br />

bevor die Steaks fertig waren, die<br />

wie<strong>der</strong>um ein paar Mal samt Grillrost<br />

in die Kohle hineingefallen<br />

waren, woraufhin <strong>das</strong> Bratgut ungenießbar<br />

wurde; darüber hinaus<br />

wurde irgendwann mal klar, <strong>das</strong>s<br />

ich kein Messer eingesteckt hatte,<br />

außerdem ging die Ketchupflasche<br />

rätselhafterweise auf und verschmierte<br />

alle Sachen im Rucksack.<br />

Abgesehen von ein paar weiteren<br />

Kleinigkeiten, die sich negativ auf<br />

die Stimmung auswirkten, gab es<br />

auch etwas Positives: Meine Frau<br />

erklärte, <strong>das</strong>s ich solche Touren <strong>das</strong><br />

nächste Mal alleine machen kann.<br />

100


101<br />

© Thinkstock (2)


treker<br />

Das nächste Mal:<br />

Winter<br />

102


Bis zum nächsten Trip in die <strong>Be</strong>rge (als ob man den ersten<br />

für den, hm, ersten halten könnte) sind viel Bier<br />

und an<strong>der</strong>e Flüssigkeiten den Fluss runtergeflossen,<br />

dennoch fand er statt.<br />

Die größten Verän<strong>der</strong>ungen waren<br />

allerdings folgende: Ich bekam<br />

die Gelegenheit, alleine zu gehen,<br />

und dazu im Winter. Es ist fraglich,<br />

ob meine Frau tatsächlich nicht mitgehen<br />

wollte, aber es ergab sich so,<br />

<strong>das</strong>s unser Kind während des von<br />

uns beiden geplanten Urlaubs krank<br />

wurde, demzufolge erlaubte ich mir<br />

(sie erlaubte es mir auch), egoistisch<br />

zu handeln und alleine in den Urlaub<br />

zu fahren. Alleine in den <strong>Be</strong>rgen. Der<br />

befreundete Doktor wies mich darauf<br />

hin, <strong>das</strong>s sich noch einer bei einem<br />

Wintertrip in die <strong>Be</strong>rge dazugeselle,<br />

und dann sei man zu dritt: du, die<br />

<strong>Be</strong>rge und <strong>der</strong> Winter. Um dieses semiotische<br />

Spielchen weiterzuspinnen,<br />

fügte ich noch einen <strong>Be</strong>gleiter hinzu:<br />

Übernachtung in den <strong>Be</strong>rgen.<br />

Also erfor<strong>der</strong>te <strong>das</strong> große Vorhaben<br />

meines Lebens eine lange und<br />

frühzeitige Vorbereitung, zumindest<br />

damit es nicht so ausgeht, wie es <strong>das</strong><br />

letzte Mal ausgegangen ist. Etliche<br />

Stunden verbrachte ich mit <strong>der</strong> Lektüre<br />

über <strong>das</strong> winterliche Wan<strong>der</strong>n.<br />

Eigenartig war nur, <strong>das</strong>s man haufenweise<br />

Informationen über <strong>das</strong> professionelle<br />

<strong>Be</strong>zwingen <strong>der</strong> <strong>Be</strong>rge bekam,<br />

während man für einen ungeübten<br />

Wan<strong>der</strong>er nichts Gescheites bzw. Konkreteres<br />

finden konnte. Also musste<br />

ich improvisieren, <strong>das</strong> Sparschwein<br />

bemühen und einige <strong>Be</strong>kannte aufsuchen,<br />

worüber ich etwas ausführlicher<br />

und systematischer berichten<br />

möchte.<br />

Kleidung<br />

Mein einziges Gebot war, die Kleidung<br />

muss unbedingt warm und<br />

wasserdicht sein. Angefangen<br />

von unten fanden sich zwei Paar<br />

Wollsocken an den Füßen: Ich habe<br />

irgendwo gelesen, <strong>das</strong>s zwei Paar<br />

einen deutlich besseren Schutz<br />

vor Druckstellen und Kälte bieten.<br />

Falls die doch nass werden sollten,<br />

habe ich ein zusätzliches Paar eingepackt.<br />

Anfangs hatte ich mir überlegt,<br />

meinen blauen Winterpyjama als<br />

Unterwäsche einzusetzen, ein befreundeter<br />

Jäger, von dem ich mir<br />

einen wasserdichten Camouflage-<br />

Anzug geliehen hatte, drückte mir<br />

auch noch eine Polartec-Jacke in<br />

die Hand (<strong>das</strong> ist so ein cleverer<br />

Thermostoff, wo die Sachen daraus<br />

gerne mal schweineteuer sind)<br />

mit den Worten, dies sei <strong>das</strong> <strong>Be</strong>ste,<br />

was man beim nasskalten Wetter<br />

tragen kann. Also zog ich nur noch<br />

ein T-Shirt drunter und schmückte<br />

mich mit <strong>der</strong> Militäruniform.<br />

© Thinkstock (3)<br />

103


treker<br />

Die Schuhe betreffend gab es verschiedene<br />

Überlegungen. Sollte man<br />

etwas Gebrauchtes kaufen o<strong>der</strong> doch<br />

lieber etwas ausleihen. Ich hatte sogar<br />

die Idee, mir selbst etwas zu basteln<br />

(wie so etwas aus einem Verkehrsschild<br />

hergestellt werden kann, kann<br />

man sich im Internet anschauen unter<br />

http://vimeo.com/4087750); letztendlich<br />

kaufte ich mir doch nagelneue alpine<br />

„La Sportiva Makalu“-Stiefel mit<br />

allen Schikanen: ein Schutzgummi<br />

vorne, irgendeine neue superschnieke<br />

Schnürtechnik, ein beson<strong>der</strong>es, so<br />

gut wie selbstatmendes Futter usw.<br />

Ich wurde schwach vor so einem<br />

Technikwun<strong>der</strong> in dem Outdoor-<br />

Fachgeschäft voller Hoffnung, <strong>das</strong>s<br />

die Stiefelchen nicht nur einmal am<br />

Fuß sitzen werden, immerhin hatte<br />

ich für die Dinger 120 € hingeblättert.<br />

Als unentbehrlich zu den Schuhen<br />

erwiesen sich noch bestimmte Gamaschen,<br />

eigenartige wasserabweisende<br />

Stulpen für die <strong>Be</strong>ine. Man<br />

befestigt sie am Unterschenkel, was<br />

<strong>das</strong> Eindringen von Schnee in <strong>das</strong><br />

Stiefelinnere verhin<strong>der</strong>n soll. Der Verkäufer<br />

behauptete, <strong>das</strong>s sie über die<br />

Knie gezogen hervorragend Abhilfe<br />

leisteten, wenn man „sich im Schnee<br />

kniend ausruhen möchte“. Seltsamerweise<br />

klang seine Äußerung<br />

keineswegs ironisch, also nahm ich<br />

diese auch mit, die billigsten für 15<br />

€. Ebenfalls wurden mir Wun<strong>der</strong>socken<br />

und -hosen angepriesen sowie<br />

verschiedene Schuhpflegemittel, ich<br />

beschloss jedoch, <strong>das</strong>s es genügend<br />

Einkäufe für meine erste Winterreise<br />

war. Zudem waren noch einige Ausgaben<br />

in Sicht.<br />

Weiter ging es mit einer alten<br />

Wintermütze, die meine Ohren<br />

abdeckte, und Handschuhen. Ich<br />

dachte auch kurz an die Brille, so<br />

eine, wie sie die <strong>Be</strong>rgsteiger gewöhnlich<br />

tragen, aber entschied<br />

mich doch dagegen, da ich nicht<br />

vorhatte, bei Eissturm zu wan<strong>der</strong>n<br />

o<strong>der</strong> die <strong>Be</strong>rggipfel mit beißendem<br />

Wind und stechen<strong>der</strong> Kälte aufzusuchen,<br />

so<strong>das</strong>s auch meine einfache<br />

Sommersonnenbrille ausreichen<br />

sollte.<br />

104


Hauptinventar<br />

Es sind ein Rucksack, ein Zelt und<br />

ein Schlafsack. Mein Rucksack ist<br />

zwar groß, aber nicht wasserfest,<br />

so mussten ein paar von <strong>der</strong> Größe<br />

her passende Müllsäcke aus Plastik<br />

hineingelegt werden, damit <strong>der</strong> Inhalt<br />

nicht nass wird.<br />

Das größte Kopfzerbrechen bereiteten<br />

mir <strong>das</strong> Zelt und <strong>der</strong> Schlafsack.<br />

Selbstverständlich hatte ich<br />

welche, aber ich hatte auch die<br />

Einsicht, <strong>das</strong>s sie nicht wirklich wintertauglich<br />

sind. Dabei konnte mir<br />

ein an<strong>der</strong>er Freund, <strong>der</strong> bereits<br />

mehrmals erwähnte Arzt, helfen.<br />

Ohne Kommentar brachte er mich<br />

in seine Garage und holte die erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Sachen aus einem Seitenschrank,<br />

eine Isomatte gab er auch<br />

noch dazu. Das Zelt und <strong>der</strong> Schlafsack<br />

wogen beide zusammen nur 5<br />

kg, was mich wahnsinnig freute.<br />

Verpflegung<br />

Nach <strong>der</strong> Lektion, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Rucksack<br />

möglichst leicht sein sollte, stellte ich<br />

folgende <strong>Be</strong>rechnung auf: Man sollte<br />

vor dem <strong>Be</strong>rgspaziergang maßvoll<br />

was zu sich nehmen, und einen<br />

Lebensmittelvorrat im Auto o<strong>der</strong> im<br />

Motel deponieren, damit man den<br />

Kohldampf nach <strong>der</strong> Rückkehr stillen<br />

kann. Zum Mitnehmen packte ich nur<br />

so viel ein, <strong>das</strong>s es ausreichen sollte, ca.<br />

24 Stunden ohne Quälereien durchzuhalten.<br />

Kein Bier, kein Ketschup<br />

und keine Steaks. Ich entschied mich<br />

generell, ohne etwas Warmes (abgesehen<br />

von einer Thermosflasche<br />

Tee) auszukommen und stattdessen<br />

einen Flachmann mit schottischem<br />

Whiskey mitzunehmen. Eigentlich fiel<br />

mein Proviant ziemlich karg aus: vier<br />

am Morgen vor <strong>der</strong> Reise geschmierte<br />

Stullen, etwas vom speckigen kalt<br />

geräucherten Schinken in Scheiben,<br />

eine ungeschälte Zwiebel dazu, einige<br />

Scheiben Brot, eine Packung Zwieback,<br />

eine Büchse Fischkonserve, ein<br />

Stück Käse und eine Tafel Schokolade.<br />

Zu alldem packte ich noch zwei Halbliterflaschen<br />

Mineralwasser, die hervorragend<br />

in die Seitentaschen des<br />

Rucksacks passten.<br />

Zusatzinventar<br />

Das Klopapier (diesmal konnte ich es<br />

nicht mehr vergessen), ein Schweizer<br />

Messer mit <strong>der</strong> ganzen Palette an<br />

Öffnern und einem Löffel, eine Dose<br />

Fettcreme fürs Gesicht (<strong>das</strong> ist meiner<br />

Frau eingefallen und erwies sich ehrlich<br />

gesagt als sehr nützlich) und eine<br />

Taschenlampe, um nicht im Dunkeln<br />

herumzukramen.<br />

Der volle Rucksack, mit dem ich erst<br />

einmal durch <strong>das</strong> Zimmer marschiert<br />

bin, drückte die Schultern nicht beson<strong>der</strong>s<br />

stark. Die Vorfreude auf<br />

die Wan<strong>der</strong>ung war groß. Fröhlich<br />

stimmte mich auch die Tatsache, <strong>das</strong>s<br />

ich durch <strong>das</strong> Ausleihen einiger Klamotten<br />

und des Zeltes samt Schlafsack<br />

bestimmt nicht weniger als 400<br />

€ gespart hatte. Sicherlich werde ich<br />

mich bei den Leihgebern zumindest<br />

mit einer Kneipensitzung bedanken<br />

müssen, dies ist aber auf jeden Fall<br />

günstiger, als die ganze Summe auf<br />

einmal für die Sachen auszugeben,<br />

die man vielleicht nur einmal im Leben<br />

benötigen wird. Nichtsdestotrotz<br />

sagte mir mein Bauchgefühl, <strong>das</strong>s so<br />

eine Ausrüstung in Kürze mir als Eigentum<br />

gehören wird.<br />

© Thinkstock (6)<br />

105


treker<br />

Wegen bestimmter persönlicher<br />

und geschäftlicher Umstände, die<br />

man des Öfteren „mit einer Klatsche<br />

zwei Fliegen schlagen“ nennt,<br />

stand mein <strong>Be</strong>rg im Süden Polens,<br />

in <strong>der</strong> Hohen Tatra. Nachdem ich<br />

also an einem frostigen Dezembertag<br />

einige geschäftliche Angelegenheiten<br />

in Ostrava erledigt<br />

hatte, erreichte ich gegen Abend<br />

Zakopane. Im Hotel blätterte ich in<br />

den Touriflyern und es schien mir,<br />

als würde bereits die Stadt selbst,<br />

die fast 1 km über dem Meeresspiegel<br />

liegt, positiv auf mein <strong>Be</strong>finden<br />

wirken. Es dämmerte früh,<br />

was mich jedoch nicht davon abhielt,<br />

einen kleinen Spaziergang<br />

(ich musste ja meine <strong>Be</strong>ine für <strong>das</strong><br />

morgige „<strong>Be</strong>rgsteigen“ schonen)<br />

durch <strong>das</strong> gemütliche Städtchen<br />

im Halbdunkeln zu wagen, und<br />

sicherzustellen, wann die <strong>Be</strong>rglifts<br />

ihre Arbeit aufnehmen. In dem<br />

Moment vermisste ich jemanden<br />

als <strong>Be</strong>gleitung. Die Aufregung vor<br />

einer unbekannten <strong>Be</strong>gegnung<br />

kribbelte dann doch in mir. So ein<br />

Gefühl kenne ich aus <strong>der</strong> Kindheit,<br />

wenn man schon abends weiß,<br />

<strong>das</strong>s morgen etwas Ungewöhnliches<br />

erwartet.<br />

Ich konnte schlecht einschlafen, legte<br />

mir unentwegt im Kopf meinen morgigen<br />

Tages- und Nachtplan zurecht,<br />

ging mehrmals die Liste mitgenommener<br />

Sachen durch, aus Angst etwas<br />

zu vergessen. Der Schlaf überwältigte<br />

mich irgendwann doch, und <strong>der</strong><br />

Morgen ohne Wecker (man sollte sich<br />

ja gebührend ausruhen) empfing<br />

mich am <strong>Be</strong>rglift mit weißem Sonnenlicht<br />

und leichtem Frost. Es war<br />

bereits nach 10 Uhr, und die Anzeigetafel<br />

verkündete, <strong>das</strong>s es oben 4 Grad<br />

minus sind und bis zu 80 cm Schnee<br />

liegt. Diese <strong>Be</strong>dingungen schienen<br />

mir ganz günstig zu sein, und ich ließ<br />

mich zusammen mit einer Gruppe<br />

Skifahrer hochbringen.<br />

Die Requisiten <strong>der</strong> Skifahrer öffneten<br />

mir die Augen darüber, <strong>das</strong>s ich doch<br />

etwas vergessen hatte, und zwar den<br />

<strong>Be</strong>rgsteigerstock. So musste ich für<br />

eine fe<strong>der</strong>leichte faltbare Stütze ganze<br />

20 € hinblättern. Ich hatte noch<br />

Glück, <strong>das</strong>s meine Karte akzeptiert<br />

wurde, weil ich so viele Zlotys nicht<br />

dabeihatte. Nun war ich vollkommen<br />

bereit, die <strong>Be</strong>rge im Sturm zu<br />

erobern.<br />

106


Allerdings traf ich keine Einzelwan<strong>der</strong>er<br />

meiner Sorte. Alle kreischten<br />

vergnügt in Grüppchen, lärmten,<br />

knipsten sich gegenseitig, nur ich<br />

zog entlang <strong>der</strong> markierten Wan<strong>der</strong>trasse<br />

geführt von einem Flyer<br />

in meiner Hand. Der menschengemachte<br />

Lärm entfernte sich immer<br />

mehr, und bald blieb ich alleine mit<br />

dem <strong>Be</strong>rg und dem Winter. In den<br />

Augen, obschon von <strong>der</strong> Sonnenbrille<br />

bedeckt, flimmerte es leicht<br />

vom Weiß ringsumher, allein die<br />

unten sichtbaren bereiften Fichtenreihen<br />

und die winzigen Dächer<br />

des Städtchens boten <strong>der</strong> erstaunlichen<br />

Reinheit etwas Gegengewicht.<br />

Ich schritt leichtfüßig entlang <strong>der</strong><br />

schneeverwehten <strong>Be</strong>rghänge, so<br />

viel Schnee gab es nicht, deshalb<br />

konnte ich mich immer wie<strong>der</strong> umschauen.<br />

In den <strong>Be</strong>rgen bin ich schon gewesen<br />

– in den österreichischen Alpen<br />

und auch in denselben Karpaten (die<br />

Hohe Tatra gehört ja zu den Karpaten),<br />

nur auf <strong>der</strong> kroatischen Seite<br />

und im Sommer. Angefasst habe ich<br />

sie ebenfalls, jedoch nur durch <strong>das</strong><br />

Autofenster. Es wird aber nicht gelogen,<br />

wenn ich behaupte, <strong>das</strong>s die<br />

<strong>Be</strong>rge im Winter ganz an<strong>der</strong>s sind.<br />

Ich werde hier keine <strong>Land</strong>schaftsmalerei<br />

betreiben, aber mein inneres<br />

Ver<strong>langen</strong> angesichts <strong>der</strong> schneebedeckten<br />

Gipfel war es, bergab zu<br />

steigen, während es mir im Sommer<br />

eher nach bergauf zumute war. Allerdings<br />

konnte ich ja auch nicht alles<br />

gleich am Anfang hinschmeißen. Ich<br />

bedauerte noch kurz, <strong>das</strong>s ich meine<br />

Kamera nicht mitgenommen hatte,<br />

sah aber immerhin schnell ein, <strong>das</strong>s<br />

sich meine <strong>Land</strong>schaftsbil<strong>der</strong> nicht<br />

viel von denjenigen unterscheiden<br />

würden, die man zuhauf im Internet<br />

finden kann.<br />

Vielleicht eine Stunde schritt ich ohne<br />

Hast voran. Wohin sollte man sich<br />

denn beeilen. Für einen Augenblick<br />

vertrieben vier Jugendliche, die mich<br />

überholten, <strong>das</strong> Gefühl, an einem von<br />

allen Lebewesen vergessenen Ort zu<br />

sein. Ich hatte nicht vor, die <strong>Be</strong>rghütte<br />

zu erreichen, also folgte ich einfach<br />

dem nach oben führenden Weg weiter.<br />

Ein leichter Wind kam auf, zarte<br />

Flocken fielen vom Himmel. Meine<br />

Augen gewöhnten sich langsam an<br />

die Erhabenheit <strong>der</strong> Natur, so<strong>das</strong>s<br />

ich anfing, ohne an die Schönheit<br />

zu denken, über verschiedene mehr<br />

o<strong>der</strong> weniger wichtige Angelegenheiten<br />

zu grübeln. Ich merkte, <strong>das</strong>s<br />

sich dies o<strong>der</strong> jenes aus meinem unsortierten<br />

Wissen bestätigen lässt.<br />

<strong>Be</strong>ispielsweise die Tatsache, <strong>das</strong>s<br />

die Temperatur alle Hun<strong>der</strong>t Meter<br />

höher um ungefähr 0,6 Grad fällt.<br />

© Thinkstock (4)<br />

107


treker<br />

Als ein Kreuzungsschild nach an<strong>der</strong>thalb<br />

Stunden Aufstieg informierte,<br />

<strong>das</strong>s ich 2 Kilometer Höhe erreicht<br />

hatte, spürte ich trotz innerer Wärme,<br />

wie meine Backen immer schärfere<br />

Windstöße abbekamen. Ich hielt an<br />

<strong>der</strong> Kreuzung an und schmierte mir<br />

alle unbedeckten Gesichtsteile mit<br />

<strong>der</strong> Fettcreme ein. Ohne Handschuhe<br />

merkte man erst recht, <strong>das</strong>s die Luft,<br />

wenn man sich nicht bewegt, richtig<br />

bissig ist, deswegen zog ich ohne lange<br />

abzuwarten weiter.<br />

Die Gedanken schwirrten in meinem<br />

Kopf umher und ließen mir immer<br />

noch keine Ruhe im Alleinsein mit dem<br />

<strong>Be</strong>rg und dem Winter. Immer wie<strong>der</strong><br />

überlegte ich, wo ich meine Notdurft<br />

verrichten sollte. Es beschäftigte mich,<br />

ob <strong>das</strong> Entblößen des Schrittes meiner<br />

Potenz nicht schaden wird. Es ist<br />

ja offensichtlich, <strong>das</strong>s die Sache nicht<br />

beson<strong>der</strong>s gesundheitsför<strong>der</strong>nd ist,<br />

allerdings tragen die <strong>Be</strong>rgsteiger <strong>das</strong><br />

auf ihrem wochen<strong>langen</strong> Marsch sicherlich<br />

auch nicht nach Hause.<br />

Darüber hinaus spielten sich verschiedene<br />

verheerende „Szenen“ in meinem<br />

Kopf ab, von denen es kein Entkommen<br />

gab: „Und wenn mich eine<br />

Schneelawine erfasst?“ „Und wenn<br />

ich in eine Schlucht falle, die sich völlig<br />

unerwartet vor mir auftut?“ „Würde<br />

mir jemand helfen, wenn ich mir<br />

ein <strong>Be</strong>in bräche?“ „Und falls ich von<br />

irgendwelchen Rowdys überfallen,<br />

ausgezogen und ausgeraubt werde,<br />

wie soll man denn die Polizei hierher<br />

holen?“ Mir fielen so viele dramatische<br />

Szenarien bezüglich meiner Rettung<br />

ein, <strong>das</strong>s sie für die ganze Staffel<br />

einer Fernsehserie über <strong>Be</strong>rgretter<br />

reichen würden.<br />

Ins Grübeln versunken erreichte<br />

ich die erste <strong>Be</strong>rghütte, die von den<br />

Einheimischen „chata“ genannt<br />

wird, wo ich mein Geschäft auf <strong>der</strong><br />

Toilette erledigen konnte sowie die<br />

belegten Brote verschlang und den<br />

noch heißen Tee trank. Ich fühlte<br />

mich nicht nur gut gesättigt son<strong>der</strong>n<br />

auch bereits genug gewan<strong>der</strong>t.<br />

Meine neuen, nichteingetretenen<br />

Stiefel drückten an manchen<br />

Stellen unangenehm ungeachtet<br />

doppelter Sockenlage. Die Nase<br />

lief ein bisschen. Der Rucksack wurde<br />

nach und nach schwerer und<br />

hinterließ schmerzende Striemen<br />

an den Schultern. Nur Kraft und<br />

Eifer gab es noch volle Kanne; <strong>der</strong><br />

Selbstversuch musste weiterlaufen.<br />

Nachdem ich den inneren Schweinehund<br />

und <strong>das</strong> Ver<strong>langen</strong> nach<br />

<strong>Be</strong>quemlichkeit überwunden und<br />

einen Schluck Whiskey zu mir genommen<br />

hatte, zog ich weiter.<br />

108


Ich werde keine Namen <strong>der</strong> <strong>Be</strong>rge<br />

auf meinem Weg und keine genauen<br />

Routen nennen, denn sie sind für<br />

diese Geschichte nicht ausschlaggebend.<br />

Ich möchte bloß alle davor<br />

warnen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Unglück eines <strong>Be</strong>rgwan<strong>der</strong>ers<br />

mit Kleinigkeiten anfängt.<br />

Meins war <strong>der</strong>art, <strong>das</strong>s ich schlicht<br />

und einfach auf dem ersten Rastplatz<br />

o<strong>der</strong> vielleicht auch bereits früher,<br />

möglicherweise aber auch später,<br />

meine Wan<strong>der</strong>karte verloren hatte.<br />

Diese Tatsache stellte sich heraus, als<br />

ich mit einem Abstand von gut 500<br />

Metern hinter einem vorne kaum<br />

sichtbaren Touristenhäufchen schritt,<br />

welches dann hinter einem Hügel verschwand<br />

und nicht wie<strong>der</strong> auftauchte,<br />

als ich bereits dort angekommen<br />

war. Ich hielt an und krempelte alle<br />

Taschen um, packte den Rucksack<br />

gar zweimal aus, alles vergebens. Die<br />

Karte war weg, und vor mit lag eine<br />

Kreuzung mit in beide Richtungen<br />

ausgetretenen Spuren.<br />

Genau in diesem Moment spürte ich<br />

zum ersten Mal ernsthaft meine beiden<br />

<strong>Be</strong>gleiter: den <strong>Be</strong>rg und den Winter.<br />

Sie umhüllten mich und flüsterten<br />

mir zu über meine <strong>Be</strong>deutungslosigkeit<br />

und ihre Größe. Der <strong>Be</strong>rg wuchs<br />

in den Augen, und <strong>der</strong> Winter drohte<br />

mit Kälte und Unberechenbarkeit.<br />

Wie ein völlig grüner Wan<strong>der</strong>er stand<br />

ich dort Auge in Auge mit meiner<br />

Unwissenheit und überlegte, was ich<br />

tun sollte. Ich könnte umkehren – ein<br />

Weg von ungefähr einer Stunde, o<strong>der</strong><br />

weiter vorwärtslaufen – Gott weiß, wie<br />

lange. Ich versuchte, mich an die Routen,<br />

die ich auf <strong>der</strong> Karte studiert hatte,<br />

zu erinnern, was lei<strong>der</strong> misslang.<br />

Ich besaß wirklich kein fotografisches<br />

Gedächtnis. Dennoch ging ich letzten<br />

Endes weiter, aber nur deswegen,<br />

weil <strong>der</strong> Weg nach unten führte: Aus<br />

unerklärlichen Gründen erschien<br />

es mir besser, mein Nachtlager auf<br />

einem tiefer gelegenen Areal aufzuschlagen.<br />

Etwa eine halbe Stunde ging es<br />

bergab, <strong>der</strong> Abstieg war jedoch<br />

zum Teil zu gefährlich. Der Stock<br />

half ungemein, ohne ihn läge ich<br />

bereits mit einem gebrochenen Genick,<br />

an den steileren Stellen hätte<br />

man sogar Pickel sehr gut gebrauchen<br />

können. Ich vermutete, <strong>das</strong>s<br />

ich von einem gekennzeichneten<br />

Weg abgekommen war, so<strong>das</strong>s ich<br />

entwe<strong>der</strong> umkehren o<strong>der</strong> mich für<br />

die Nacht fertig machen musste.<br />

Ich legte noch eine Stärkungspause<br />

ein, machte ein paar Kreisbewegungen<br />

mit den Armen, hüpfte ein<br />

bisschen, meditierte kurz und trat<br />

den Rückweg an. Als ich einen Weg<br />

erreichte, <strong>der</strong> mir bereits bekannt<br />

vorkam, traf ich auf einige mir<br />

entgegenlaufende Wan<strong>der</strong>grüppchen,<br />

die angeborene Schüchternheit<br />

erlaubte es mir jedoch nicht,<br />

sie anzusprechen o<strong>der</strong> nach einer<br />

überschüssigen Karte zu fragen.<br />

© Thinkstock (6)<br />

109


treker<br />

Während <strong>der</strong> zweiten Tourhälfte<br />

wurde <strong>der</strong> Schritt immer kleiner und<br />

langsamer, so<strong>das</strong>s ich bis zur Hütte im<br />

Vergleich zum Hinweg beinahe doppelt<br />

so lange gebraucht hatte. Ich bekam<br />

eine Wan<strong>der</strong>karte mit markierten<br />

Wegen und <strong>der</strong>en Wan<strong>der</strong>dauer.<br />

Aus <strong>der</strong> Länge <strong>der</strong> Route war ersichtlich,<br />

<strong>das</strong>s es keinen Sinn macht, jetzt<br />

noch bergauf zu steigen, <strong>das</strong> Klügste<br />

wäre, bergab zu gehen und dort<br />

nach einem Platz für <strong>das</strong> Nachtlager<br />

zu suchen. Das tat ich auch.<br />

Weit nach vier Uhr nachmittags versteckte<br />

sich die Sonne hin und wie<strong>der</strong><br />

hinter den höchsten <strong>Be</strong>rggipfeln; die<br />

Dämmerung nahte, so entschied ich<br />

mich, in einem etwas horizontaler<br />

gelegenen <strong>Be</strong>rgtal <strong>das</strong> Zelt aufzubauen.<br />

Das ist leichter gesagt als getan,<br />

denn <strong>der</strong> Aufbau eines zum ersten<br />

Mal angefassten und daheim nicht<br />

ausprobierten Zeltes erwies sich als<br />

eine Katastrophe, die beinahe eine<br />

Stunde in Anspruch nahm. In <strong>der</strong><br />

Zeit wurde es stockfinster, fing an zu<br />

winden, ein nasser Nebel zog auf, es<br />

wurde schlagartig kälter. Ich gab mir<br />

Licht mit meiner Taschenlampe und<br />

kramte im Dunkeln zwischen Steinen,<br />

Schnee und Eisklumpen. Schlussendlich<br />

beschwerte ich <strong>das</strong> aufgebaute<br />

Gerüst von innen mit meinem Rucksack<br />

und später mit mir selbst, eingemummt<br />

in den Schlafsack. Ich fühlte<br />

mich wie ein einsamer Krieger, <strong>der</strong><br />

sich hinter feindlichen Linien verirrt<br />

hatte. Alles umhüllende Finsternis<br />

und zivilisationslose Stille wirkten beängstigend<br />

und erschreckend.<br />

Ich lag lange so, zog hin und wie<strong>der</strong><br />

meine Hand mit dem am Körper<br />

warmgehaltenen Flachmann aus<br />

dem Kokon des Schlafsackes heraus,<br />

und <strong>der</strong> darin glucksende Whiskey<br />

schwand rapide. Als <strong>der</strong> Flachmann<br />

leer wurde, bedauerte ich, zu wenig<br />

Alkohol mitgenommen zu haben.<br />

Doch eigentlich war es gut, <strong>das</strong>s<br />

keins mehr da war, es wärmt nicht,<br />

son<strong>der</strong>n stumpft nur <strong>das</strong> Gespür für<br />

die Kälte ab. Son<strong>der</strong>lich kalt war es<br />

mir allerdings nicht. Zumindest am<br />

Anfang, als <strong>der</strong> Wind noch nicht zu<br />

toben begonnen hatte, denn später<br />

hatte ich <strong>das</strong> Gefühl, mit jedem<br />

Windstoß zusammen mit dem Zelt<br />

immer tiefer zu rutschen. Die Bil<strong>der</strong><br />

von Schneelawinen und von mir,<br />

wie ich am Rand einer Schlucht liege,<br />

spukten wie<strong>der</strong> in meinem Kopf<br />

herum. Ich kroch aus meinem warmen<br />

Gemach und durchleuchtete<br />

die Gegend mit <strong>der</strong> Taschenlampe.<br />

Dutzende Meter weit und breit um<br />

<strong>das</strong> Zelt gab es keine Schlucht.<br />

Score<br />

Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />

Ziel zu erreichen.<br />

Zeit, die zum Erreichen des Ziels notwendig ist.<br />

Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />

Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />

Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />

die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />

Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />

zum Erreichen des Ziels.<br />

Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />

110<br />

Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />

subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.


Dies sind also die Eindrücke aus<br />

meiner persönlichen Fibel des<br />

<strong>Be</strong>rgbezwingens. Ich könnte noch<br />

eine abenteuerliche <strong>Be</strong>rggeschichte<br />

erzählen, habe jedoch zum wie<strong>der</strong>holten<br />

Mal keine Zeit, die Zivilisation<br />

hat meine Kräfte ausgelaugt,<br />

die positiven Gedanken verdrängt<br />

und mich mit Krankheiten befallen,<br />

so<strong>das</strong>s ich zur Wie<strong>der</strong>erlangung<br />

meiner geistigen und physischen<br />

Gesundheit jetzt los muss, in die<br />

<strong>Be</strong>rge. Diesmal für eine Woche.<br />

In dieser Nacht schlief ich wenig. Sehr<br />

wenig. Ehrlich gesagt bin ich mir gar<br />

nicht sicher, ob ich überhaupt geschlafen<br />

hatte. Ich stand noch etliche<br />

Male auf um nachzuschauen, ob <strong>das</strong><br />

Zelt nicht wegrutscht, bis es mir einfiel,<br />

in <strong>der</strong> Nähe einen Stock in den<br />

Schnee zu rammen, und sich nach<br />

ihm zu richten. Immer wie<strong>der</strong> lag ich<br />

eine Zeitlang angespannt und mit gespitzten<br />

Ohren, weil <strong>der</strong> Wind scheinbar<br />

Bruchstücke von Menschenstimmen<br />

heran wehte. Vielleicht aber<br />

auch Geräusche eines Tieres?<br />

Das war definitiv die längste Nacht in<br />

meinem Leben. Eine Nacht, nach <strong>der</strong><br />

<strong>das</strong> Morgengrauen einen komplett<br />

neuen Menschen aus dem Schlafsack<br />

zog, einen Menschen voller Lebenslust,<br />

<strong>der</strong> die Sonne liebt, die Natur<br />

besiegt und die Freundschaft mit den<br />

<strong>Be</strong>rgen und mit dem Winter geschlossen<br />

hatte, einen Menschen auf dem<br />

Rückweg aus den <strong>Be</strong>rgen und von<br />

ihnen angesteckt.<br />

So in etwa war mein Weg zu <strong>der</strong> gefährlichen<br />

chronischen Krankheit, die<br />

man <strong>Be</strong>rge nennt. Sicherlich ist die<br />

Geschichte etwas übertrieben und<br />

wird mit je<strong>der</strong> neuen Erzählung beschönigt.<br />

Doch auch je<strong>der</strong> Angler verhält<br />

sich genauso, wenn er die Größe<br />

seines besten Fangs zeigt und erzählt,<br />

wie er den ans Ufer gezogen hat.<br />

Einige Jahre nach <strong>der</strong> Junggesellenreise<br />

in die Hohe Tatra kann ich nicht<br />

nur diese lustige Abenteuergeschichte<br />

vom „Wan<strong>der</strong>frischling“ erzählen.<br />

Ich kann jetzt aus eigener Erfahrung<br />

mitteilen, wie man <strong>Be</strong>rgflüsse überquert,<br />

ohne nass zu werden, wie man<br />

<strong>das</strong> Feuer in den Schneetälern anzündet,<br />

was man tun muss, wenn man von<br />

einem Schneesturm überrascht wird,<br />

mit welcher Technik man am schnellsten<br />

und am leichtesten einen zugefrorenen<br />

Wasserfall runterkommt.<br />

Kurz gesagt, in Sachen <strong>Be</strong>rgwan<strong>der</strong>n<br />

bin ich kein Neuling mehr. Mittlerweile<br />

macht auch meine Frau gerne mit<br />

mir eine Tour und fragt vor <strong>der</strong> Reise<br />

nicht mehr, ob ich nichts vergessen<br />

habe. Und doch, auch wenn es merkwürdig<br />

klingen mag, bereitet mir bis<br />

jetzt <strong>das</strong> Wan<strong>der</strong>n in den <strong>Be</strong>rgen die<br />

größte Glückseligkeit, wenn ich alleine<br />

gehe.<br />

© Thinkstock (4)<br />

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2011

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