Be Active Aotearoa - das Land der langen weißen Wolke (Vorschau)
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
2011 1<br />
<strong>Aotearoa</strong> – <strong>das</strong> <strong>Land</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>langen</strong> <strong>weißen</strong> <strong>Wolke</strong><br />
Was man AuSSergewöhnliches<br />
in Neuseeland unternehmen kann<br />
Speedklettern: Geht’s noch extremer?<br />
Eine <strong>Be</strong>schäftigung furchtloser und verrückter Menschen<br />
Sei wer du sein möchtest.<br />
Einfache Vorschläge zur Fortbewegung<br />
Schneemotorrä<strong>der</strong>.<br />
Was ist <strong>das</strong> für ein Ding und was kann man mit ihm machen<br />
Geh in die <strong>Be</strong>rge.<br />
Die Abenteuer eines Anfängers<br />
4 192254 703908<br />
Deutschland € 3,90<br />
NEUE<br />
NEUE<br />
NEUE<br />
NEUE
April 2011<br />
inhalt<br />
2011 1<br />
03 Wort des Redakteurs<br />
04 Sei wer du sein möchtest, o<strong>der</strong> die etwas an<strong>der</strong>en<br />
<strong>Be</strong>schäftigungen <strong>der</strong> aktiven Lebensweise<br />
Einfache Vorschläge zur Fortbewegung auf dem Boden, auf dem<br />
Wasser und in <strong>der</strong> Luft<br />
06 BE BIKER<br />
Für BODENständige – die Kraft und Heiterkeit von Trikke<br />
14 BE SaILOR<br />
Für WASSERliebhaber - Bodyboarding<br />
24 BE EXPLORER<br />
Für diejenigen, die sich nach Herausfor<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong><br />
LUFT sehnen. Slacklining – was für ein Tier soll <strong>das</strong> sein?<br />
32 BE EXPLORER<br />
<strong>Aotearoa</strong>* – Das <strong>Land</strong> <strong>der</strong> <strong>langen</strong> weiSSen <strong>Wolke</strong><br />
Was man Außergewöhnliches in Neuseeland unternehmen kann<br />
56 BE CLIMBER<br />
Speedklettern: Geht’s noch extremer?<br />
Eine <strong>Be</strong>schäftigung furchtloser und verrückter Menschen<br />
68 BE PERSON<br />
Dan Osman – die Verkörperung <strong>der</strong> Idee<br />
des Speedkletterns<br />
74 BE DRIVER<br />
Schneemotorrä<strong>der</strong>. Sie stellen selbst<br />
James Bond zufrieden.<br />
Was ist <strong>das</strong> für ein Ding und was kann man mit ihm machen<br />
94 BE TREKER<br />
Geh in die <strong>Be</strong>rge<br />
Abenteuer eines Anfängers<br />
31 IMPRESSUM<br />
2011 1<br />
<strong>Be</strong>wertungsskala<br />
Erklärungen <strong>der</strong> <strong>Be</strong>wertungsskala<br />
Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />
Ziel zu erreichen.<br />
5000 Euro<br />
Zeit, die zum Erreichen des Ziels notwendig ist. 1 Tag Wochenendreise 7–10 Tage 10–21 Tage länger als 21 Tage<br />
Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />
Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />
Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />
die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />
10000 km<br />
250 kg<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
ohne<br />
Vorbereitung<br />
gute allgemeine<br />
Körperform<br />
aktiver, sportreiben<strong>der</strong><br />
Mensch<br />
perfekte<br />
Körperform<br />
<strong>Be</strong>rufs-sportler<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser. unbeeindruckend beachtens-wert empfehlenswert Teilnahme, wann nur<br />
möglich<br />
Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
nichts neues für den<br />
aktiven Menschen<br />
unbedeutende<br />
Neuigkeiten<br />
beachtenswert<br />
empfehlenswert<br />
Für die wie<strong>der</strong>holte<br />
Teilnahme sind neue<br />
Kräfte notwendig<br />
Teilnahme, wann<br />
nur möglich
© Thinkstock (9)<br />
Das Wort<br />
<strong>der</strong> Redaktion<br />
Je<strong>der</strong> wählt, wie er leben möchte.<br />
Manch einem genügt es vielleicht,<br />
es sich nach <strong>der</strong> Arbeit im Sessel vor<br />
dem Fernseher bequem zu machen,<br />
sich am Wochenende mit Freunden<br />
die Bäuche vollzuschlagen, Bier zu<br />
trinken und über die weiblichen Vorzüge<br />
<strong>der</strong> Nachbarin zu sprechen. An<strong>der</strong>en<br />
genügt es, einmal in <strong>der</strong> Woche<br />
im Sportclub eine Partie Fußball<br />
zu spielen.<br />
Und wie sieht es bei Ihnen aus?<br />
Braucht Ihre Seele vielleicht Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />
Schwierigkeiten, Strapazen<br />
und Angst, die Sie bewältigen<br />
könnten, um ans Ziel zu ge<strong>langen</strong>. Die<br />
schmerzenden Muskeln, <strong>das</strong> Zittern in<br />
<strong>der</strong> Herzgegend, wenn die Haare zu<br />
<strong>Be</strong>rge stehen und im Blut Adrenalin<br />
gebildet wird. Die wie ein Granitblock<br />
zu Boden ziehende Erschöpfung und<br />
die Worte, die aus Ihrem Innern herausbrechen<br />
– „Ei <strong>der</strong> Daus, ich habe<br />
es geschafft! Ich bin ein Sieger!“<br />
Am wichtigsten ist, <strong>das</strong>s Sie <strong>der</strong> Asche<br />
<strong>der</strong> Alltagslangweiligkeit entsteigen<br />
und selbst etwas Neues versuchen<br />
möchten und können. Und dabei<br />
ist es nicht so wichtig, was Sie unternehmen<br />
– ob Sie sich zum ersten Mal<br />
im Leben auf ein Fahrrad setzen und<br />
zehn Kilometer fahren o<strong>der</strong> mit einem<br />
Gleitschirm vom Mount Everest<br />
abspringen. Von einer <strong>Be</strong>schäftigung,<br />
die we<strong>der</strong> spezieller Vorbereitung,<br />
noch Ausgaben bedarf, bis hin zum<br />
Abenteuer Ihres Lebens, auf <strong>das</strong><br />
man sich mehrere Jahre vorbereiten<br />
muss.<br />
<strong>Be</strong> <strong>Active</strong> ist eine Zeitschrift für<br />
diejenigen, die auf <strong>der</strong> Suche und<br />
offen für Neuerungen sind. Neue<br />
aktive Tätigkeiten, die eine bereits<br />
ausgeübte Tätigkeit ergänzen. Sie<br />
haben bereits eine Zeitlang beobachtet<br />
und möchten selbst zu einem<br />
aktiven Teilnehmer werden.<br />
Je<strong>der</strong> wählt seine Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
selbst. Unsere Mission ist es<br />
zu helfen. Wir helfen Ihnen, sich zu<br />
trauen, sich vorzubereiten und Ihren<br />
Plan in die Tat umzusetzen.<br />
Jedes Mal, wenn Sie <strong>Be</strong> <strong>Active</strong> aufschlagen,<br />
finden Sie die wichtigsten<br />
Informationen, was zu tun ist,<br />
um Ihr <strong>Be</strong>gehren in die Tat umzusetzen.<br />
Wir sagen, <strong>das</strong>s man kein<br />
Schumacher sein muss, um in <strong>der</strong><br />
Formel 1 fahren zu können. Je<strong>der</strong><br />
kann seine Lebensqualität verbessern,<br />
und wir bieten Ihnen die Informationen,<br />
wie man dies am besten<br />
erreichen kann.<br />
Am wichtigsten ist es, sich zu trauen.<br />
Nehmen Sie deshalb die Zeitschrift<br />
<strong>Be</strong> <strong>Active</strong> in die Hand und schließen<br />
Sie sich uns an.<br />
3
Sei wer du sein<br />
möchtest, o<strong>der</strong> die<br />
etwas an<strong>der</strong>en<br />
<strong>Be</strong>schäftigungen <strong>der</strong><br />
aktiven Lebensweise<br />
Text Viktorija Butautis
© Thinkstock (5)<br />
© Dreamstime (1)<br />
Ich bin ein<br />
eingeschworener<br />
<strong>Be</strong>rgskifahrer.<br />
Meine Lieblingsbeschäftigung hat<br />
nur lei<strong>der</strong> einen wesentlichen Mangel<br />
– man kann ihr nicht <strong>das</strong> ganze Jahr<br />
über nachgehen, weil <strong>der</strong> Schnee die<br />
schlechte Angewohnheit hat, selbst in<br />
hohen <strong>Be</strong>rgen zu schmelzen, und für<br />
eine Weltreise dem Winter hinterher<br />
habe ich we<strong>der</strong> Zeit noch Geld. Also<br />
musste ich mir eine an<strong>der</strong>e angenehme<br />
<strong>Be</strong>schäftigung zur warmen Jahreszeit<br />
suchen.<br />
Ich habe alle Stadien durchlaufen –<br />
Erstaunen, Abstreiten, Suggestion<br />
und Enttäuschung. Ich habe immer<br />
gehofft, <strong>das</strong>s ich beim Joggen am<br />
Strand o<strong>der</strong> im Park, o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>swo<br />
<strong>das</strong> versprochene Vergnügen entdecken<br />
werde. Schließlich ist es Sport,<br />
aktive Lebensweise, mit Kopfhörern<br />
und iPod. Ringsum gibt es viele solcher<br />
vorbeilaufenden Enthusiasten,<br />
und sie scheinen alle zufrieden zu<br />
sein. Warum ist es dann für mich so<br />
langweilig, heiß, schwer und ...?!<br />
Kennen Sie <strong>das</strong> Gefühl, wenn Sie eine<br />
aktive <strong>Be</strong>schäftigung beim Schopf packen<br />
möchten, <strong>der</strong> Versuch jedoch in<br />
einer Enttäuschung endet? Ich fühle<br />
mit Ihnen mit und verstehe Ihre Gefühle,<br />
außerdem kann ich Sie beruhigen<br />
und Ihnen versichern, <strong>das</strong>s eine<br />
aktive Lebensweise nicht unbedingt<br />
bedeutet, <strong>das</strong>s einem <strong>der</strong> Schweiß<br />
auf <strong>der</strong> Stirn steht. Es gibt wirklich <strong>Be</strong>schäftigungen,<br />
die für Genugtuung<br />
sorgen und die Muskeln trainieren.<br />
Ich kann voraussehen, wie Sie auf<br />
solche Versprechungen reagieren –<br />
Sie haben <strong>das</strong> viele Male gehört und<br />
reagieren skeptisch. Sie werden sich<br />
trotzdem auf mich verlassen müssen,<br />
da ich einer von Ihnen bin. Ich war<br />
dort! Dieses Mal möchte ich also meine<br />
erfolgreiche Erfahrung mit Ihnen<br />
teilen, wie ich letzten Endes für mich<br />
annehmbare aktive <strong>Be</strong>schäftigungen<br />
ausfindig gemacht habe, die mich<br />
täglich erheitern und „in Fahrt bringen“<br />
– in je<strong>der</strong> Hinsicht.<br />
Wenn auch Sie hin und her gerissen<br />
sind und keine lohnende Sportart<br />
finden, obwohl es Ihren Körper geradezu<br />
nach körperlicher Anstrengung<br />
dürstet, dann lesen Sie weiter.<br />
Erfahren Sie, wie man seine Freizeit<br />
aktiv und heiter auf dem Boden, zu<br />
Wasser o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Luft verbringen<br />
kann. Die Naturgewalt wählen Sie<br />
selbst. Es geht um erschwingliche,<br />
etwas ungewöhnliche <strong>Be</strong>schäftigungen,<br />
die Sie anstecken werden.<br />
<strong>Be</strong> active!<br />
5
iker<br />
Für diejenigen,<br />
die fest<br />
auf dem<br />
BODEN<br />
stehen –<br />
Kraft und<br />
Heiterkeit<br />
des Trikke<br />
© Dreamstime<br />
6
Ich habe mir lange den Kopf zerbrochen, wie man aktiv<br />
und ohne Langeweile einige Stunden verbringen kann,<br />
damit sich die steifen Muskeln erholen, und ich habe <strong>das</strong><br />
Trikke entdeckt.<br />
Nein, <strong>das</strong> ist kein Fahrrad, obwohl ich<br />
nichts gegen eine amüsante Fahrt<br />
mit diesem beliebten Fahrzeug auf<br />
zwei Rä<strong>der</strong>n habe. Es ist etwas Ähnliches<br />
wie ein großer Roller mit drei<br />
Rä<strong>der</strong>n, Bremsen und zwei Fußrasten.<br />
An einen Roller erinnert <strong>das</strong> Trikke<br />
nur durch seine Form. Nach den <strong>Be</strong>wegungen<br />
kommt einem eher <strong>das</strong><br />
Skifahren in den Sinn: Man lehnt sich<br />
zur Seite und dreht sich, man beugt<br />
und dreht sich, wobei man sein Gewicht<br />
von einem <strong>Be</strong>in auf <strong>das</strong> an<strong>der</strong>e<br />
verlagert. Es ist ein durch Menschenkraft<br />
betriebenes Fahrzeug und dabei<br />
arbeitet <strong>der</strong> ganze Körper, obwohl ich<br />
am nächsten Morgen nach <strong>der</strong> ersten<br />
Fahrt am meisten die <strong>Be</strong>in- und Gesäßmuskeln<br />
gespürt habe, und dieser<br />
Effekt regte mich noch mehr zum<br />
Trainieren an.<br />
Die einfache Konstruktion des Trikke<br />
besteht aus einer stabilen dreieckigen<br />
Plattform, die sich in <strong>der</strong> Kurve mit<br />
dem Fahrer neigt. Die <strong>Be</strong>ine balancieren<br />
und dämpfen aktiv, und die Hände<br />
treiben <strong>das</strong> Trikke intensiv nach<br />
vorn, steuern und halten die Stabilität.<br />
Nachdem ich mir den Werbeclip<br />
mit klarer Anleitung angesehen hatte<br />
(www.trikke.com), erschien auch mir<br />
alles supereinfach, also habe ich meinen<br />
eigenen T78 Convertible zusammengebaut<br />
(die Anleitung können<br />
Sie ebenfalls auf <strong>der</strong> offiziellen Internetseite<br />
finden) und bin hinausgeeilt,<br />
um loszurasen und die Menschen zu<br />
belustigen.<br />
Wenn man graziöse <strong>Be</strong>wegungen<br />
und flexible Kurven erreichen möchte,<br />
dann muss man in Wirklichkeit viel<br />
trainieren. Für einen Anfänger ist es<br />
am besten, einen Ort zu wählen, an<br />
dem sich weniger Menschen aufhalten,<br />
wo keine Autos fahren und <strong>der</strong><br />
Asphalt eben ist. Der Wind wird übrigens<br />
keine Hilfe sein und den ganzen<br />
Spaß ver<strong>der</strong>ben, deshalb bemühen<br />
Sie sich am Anfang an ruhigeren<br />
Tagen zu üben. Es ist wichtig, nicht<br />
zu vergessen, <strong>das</strong>s sich <strong>der</strong> leicht zu<br />
drehende Lenker harmonisch mit<br />
ihnen mitbewegen muss, man sollte<br />
es nicht zu intensiv zur Seite drehen,<br />
und in Kurven genügt es, leicht in die<br />
entsprechende Richtung zu drehen.<br />
Machen Sie auf keinen Fall plötzliche<br />
<strong>Be</strong>wegungen, denn wenn Sie zu sehr<br />
nach rechts o<strong>der</strong> links drehen, wird<br />
sich <strong>das</strong> Vor<strong>der</strong>rad in einem Winkel<br />
von 90° querstellen, wodurch alles<br />
zum Stillstand gebracht wird. Sie können<br />
nach vorn über den Lenker des<br />
Trikke stürzen o<strong>der</strong> einfach schmerzhaft<br />
auf die Seite fallen. Knie- und<br />
Ellenbogenschützer sowie ein Helm<br />
sind Pflicht. Ich habe Schützer zum<br />
Rollschuhfahren und einen Fahrradhelm<br />
benutzt.<br />
Wie erwähnt bin ich ein guter Skifahrer,<br />
aber die Feinheiten <strong>der</strong> <strong>Be</strong>wegung<br />
zum Steuern des Trikke<br />
habe ich mir nur langsam angeeignet.<br />
<strong>Be</strong>son<strong>der</strong>s angestrengt hat<br />
mich <strong>das</strong> <strong>Be</strong>wegen von <strong>der</strong> Stelle.<br />
Ich musste mich stets mit den <strong>Be</strong>inen<br />
abstoßen, obwohl man <strong>das</strong><br />
Trikke durch die richtige <strong>Be</strong>wegung<br />
leicht vom Fleck bekommen<br />
kann. Und für <strong>das</strong> Fahren <strong>der</strong> Kurven<br />
benötigte ich anfangs die gesamte<br />
Fläche des Platzes, obwohl<br />
für jede <strong>Be</strong>wegung mit dem Trikke<br />
nach offiziellen Angaben 1,5 Meter<br />
ausreichen sollten. Als ich bereits<br />
in Fahrt gekommen war und mich<br />
wie beim Slalom drehen und meinen<br />
Schwerpunkt von links nach<br />
rechts und umgekehrt verlagern<br />
musste, wobei <strong>das</strong> Trikke in die<br />
entsprechende Richtung zu lenken<br />
war, kam ich mit dem Fahren<br />
© Trikke (4)<br />
7
iker<br />
selbst ganz gut zurecht. Und als ich<br />
mich daran gewöhnt hatte, konnte<br />
ich mit Wind im Haar laut rufen „Oh<br />
yeahhhhh“.<br />
Nach Angaben <strong>der</strong> Hersteller kann<br />
man auf ebener Strecke eine Geschwindigkeit<br />
von ganzen 30 km/h<br />
erreichen, obwohl man sich im<br />
Durchschnitt mit 20 km/h begnügen<br />
muss und somit an einem Tag ca. 80<br />
Kilometer zurücklegen kann. Wenn<br />
man <strong>das</strong> Wesen <strong>der</strong> <strong>Be</strong>wegungen<br />
des Trikke verstanden hat, verspürt<br />
man ein herrliches Vergnügen, und<br />
die Tatsache, <strong>das</strong>s die Menschen <strong>der</strong><br />
Umgebung dich mit <strong>Be</strong>wun<strong>der</strong>ung<br />
anstarren, zwingt zu noch mehr Anstrengung,<br />
verleiht zusätzliche Energie<br />
und Kraft, und die <strong>Be</strong>wegungen<br />
werden beson<strong>der</strong>s leicht und graziös.<br />
Mein Gesicht, so rot wie Rote <strong>Be</strong>te, verriet<br />
allerdings die wahren Anstrengungen,<br />
die ich zu Anfang ins Fahren<br />
mit dem Trikke investieren musste. Ich<br />
möchte aber, <strong>das</strong>s Sie verstehen, <strong>das</strong>s<br />
ein solches Muskeltraining unheimlich<br />
viel Vergnügen mit sich bringt.<br />
Man selbst wird gesün<strong>der</strong> und beginnt<br />
sich neu zu bewerten und sich<br />
des Lebens zu freuen.<br />
Bis zur Entdeckung des Trikke verliefen<br />
alle meine <strong>Be</strong>mühungen, die<br />
Freizeit aktiv zu verbringen, erfolglos,<br />
denn was ich auch ausprobierte,<br />
wurde ich dessen schnell überdrüssig<br />
o<strong>der</strong> es verlangte mir zu viel Zeit o<strong>der</strong><br />
Willenskraft ab. Verstehen Sie mich<br />
richtig: Es braucht viel Willenskraft<br />
und Anstrengungen, um einer Fahrt<br />
mit dem Trikke Vergnügen und Nutzen<br />
abzugewinnen, aber <strong>der</strong> Prozess<br />
zum Erfolg selbst ist supertoll, deshalb<br />
bin ich auch dabei geblieben.<br />
Schritt für Schritt werden Sie den gesamten<br />
Körper einsetzen, so<strong>das</strong>s die<br />
Fahrt zu einer einzigen <strong>Be</strong>wegung<br />
wird und jede Kurve harmonisch mit<br />
<strong>der</strong> Körperbewegung verschmilzt.<br />
Je<strong>der</strong> Muskel wird zur Geschwindigkeitsgewinnung<br />
beitragen, dann<br />
können Sie auch <strong>Be</strong>rge und Hänge<br />
in Angriff nehmen. Anfängern wird<br />
empfohlen, viele Stunden auf ebener<br />
Strecke zuzubringen, weil man ein<br />
Gefühl für <strong>das</strong> Trikke bekommen, es<br />
und die Grenzen seiner Möglichkeiten<br />
verstehen, seine Bremsgewohnheiten<br />
erkunden und wissen muss,<br />
wie man frohen Mutes aber zugleich<br />
auch sicher auf einem Hang zum Stehen<br />
kommt.<br />
Um die Geschwindigkeit bei <strong>der</strong> Abfahrt<br />
vom <strong>Be</strong>rg zu kontrollieren,<br />
dürfen Sie nicht durchgehend die<br />
Bremsen betätigen – auf diese Weise<br />
werden sich ihre Bremsklötze augenblicklich<br />
abnutzen, son<strong>der</strong>n Sie<br />
müssen im Zickzack bergab fahren,<br />
so wie mit Skiern von einem steilen<br />
<strong>Be</strong>rg. Die Fahrt bergauf wird viel Kraft<br />
erfor<strong>der</strong>n und, glauben Sie mir, es ist<br />
eine hervorragende Entladung des<br />
Organismus und eine <strong>Be</strong>lastung für<br />
die Muskeln. Ich verspreche Ihnen,<br />
<strong>das</strong>s Ihr ganzer Körper arbeiten wird:<br />
Arme, <strong>Be</strong>ine, Hüfte, Gesäß – alles. Und<br />
<strong>der</strong> Gedanke, <strong>das</strong>s Sie nach dieser<br />
schweißtreibenden <strong>Be</strong>tätigung fröhlich<br />
hinuntersausen können, wird wie<br />
ein innerer Motor wirken. Nachdem<br />
Sie Anstrengungen investiert haben,<br />
werden Sie letzten Endes ihre eigene<br />
Trikke-Fahrweise entwickeln.<br />
Mir gefällt außerdem, <strong>das</strong>s man<br />
<strong>das</strong> Trikke leicht zusammenklappen<br />
und im Auto, Bus o<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
U-Bahn mitnehmen kann. Es ist<br />
ziemlich leicht und lässt sich bequem<br />
tragen. Man kann sogar einen<br />
speziellen Tragesack für <strong>das</strong><br />
Trikke (ca. 30 €) kaufen, wenn Sie<br />
dieses Fahrzeug als ständigen <strong>Be</strong>gleiter<br />
wählen.<br />
Das Fahren am Straßenrand o<strong>der</strong><br />
auf einer löcherigen Strecke sollte<br />
man am besten mit eigenen Augen<br />
sehen und es danach auch ausprobieren.<br />
<strong>Be</strong>schäftigen Sie sich damit<br />
8
© Trikke (3)<br />
aber erst etwas später, wenn Sie bereits<br />
etwas Erfahrung gemacht und<br />
Selbstvertrauen geschöpft haben. Es<br />
ist möglich, mit einem Hinterrad oben<br />
auf einem hohen Bordstein und mit<br />
dem an<strong>der</strong>en unten auf <strong>der</strong> Straße zu<br />
fahren. Es ist möglich, auf <strong>der</strong> Straße<br />
zu fahren und um parkende Autos<br />
herum zu manövrieren. Man kann<br />
1000 kcal pro Stunde (wenn man 20<br />
km/h fährt) verbrennen, wo hingegen<br />
leichtes Joggen lediglich 350<br />
kcal verbrennt. Ein solches Niveau im<br />
Trikke-Fahren muss man jedoch erst<br />
einmal erreichen. Also vorwärts, rock<br />
and roll!<br />
Modellbeschreibungen,<br />
technische<br />
Daten und Preise<br />
Trikke hat etwas für Enthusiasten aller<br />
Niveaus zu bieten, selbst für Kin<strong>der</strong>.<br />
Falls Sie also Nachkommen haben,<br />
können Sie alle gemeinsam Sport<br />
treiben, Trikke fahren und Passanten<br />
in Erstaunen versetzen. Das Gewicht<br />
des Trikke-Fahrers darf 114 kg nicht<br />
überschreiten. Das Alter, ab dem man<br />
Spaß an diesen Erfindungen haben<br />
kann, beträgt 6 Jahre (abhängig vom<br />
Modell). Die Durchschnittsgeschwindigkeit<br />
liegt bei 20 km/h, aber man<br />
kann auch bis zu 30 km/h aus dem<br />
Trikke herausholen.<br />
Für Anfänger –<br />
Modell T78<br />
Convertible<br />
Rä<strong>der</strong>: vorn 8“ (21,5 cm) aufpumpbar,<br />
hinten 7“ (17,5 cm) aus Polyurethan.<br />
Das ist die ideale Kombination<br />
zum Lernen. Nachdem Sie<br />
Fertigkeiten erworben haben, können<br />
die Hinterrä<strong>der</strong> leicht gegen<br />
aufpumpbare Rä<strong>der</strong> ausgetauscht<br />
werden.<br />
Rahmen: Stahl.<br />
Preis: ca. 193 €.<br />
Für groSSe Entfernungen<br />
und Sport<br />
– Modell T78 Air<br />
Rä<strong>der</strong>: alle drei 8“ (21,5 cm) aufpumpbar.<br />
Mit größerer Kraft können<br />
Sie die Rä<strong>der</strong> gegen den Straßenbelag<br />
drücken, wodurch die<br />
Fahrtgeschwindigkeit erhöht wird.<br />
Rahmen: Stahl.<br />
Preis: ca. 232 €.<br />
© Dreamstime (2)<br />
9
iker<br />
Für gröSSere<br />
Zufriedenheit –<br />
Modell T78 Deluxe<br />
Es ist eine verbesserte Mischung aus<br />
mehreren Modellen, die mit Extra-<br />
Teilen ausgestattet ist, welche Ihrer<br />
Fahrt mehr Kraft verleihen, die Bodenhaftung<br />
verbessern und Unebenheiten<br />
ausgleichen werden. Lackierte<br />
Felgen, Lenkergriffe aus Kunstle<strong>der</strong>,<br />
verbesserte Bremsseile, Bremshebel<br />
aus Aluminium, ein festschraubbarer<br />
Lenker und schwarze Fußrasten.<br />
Rä<strong>der</strong> und Rahmen wie beim Modell<br />
T78 Air.<br />
Preis: ca. 287 €.<br />
Für Fortgeschrittene<br />
– Modell T8 Air<br />
Möglich, <strong>das</strong>s dieses Modell für die<br />
Mehrheit <strong>der</strong> Trikke-Fans <strong>das</strong> beste<br />
Fortbewegungsmittel darstellt. Es<br />
ist leicht zu tragen, da dieses Modell<br />
von allen Modellen für Erwachsene<br />
<strong>das</strong> leichteste ist (knappe 10 kg). Die<br />
aufpumpbaren Reifen garantieren<br />
die Möglichkeit, auf den Bürgersteig<br />
zu springen, und <strong>das</strong> Fahren selbst ist<br />
sehr bequem, sanft und angenehm.<br />
Dieses Modell hält eine stabile Bodenhaftung<br />
aufrecht, also kann die<br />
gesamte Energie für Kurven genutzt<br />
werden. Technisch gesehen ist dieses<br />
Modell besser als die Modelle <strong>der</strong> Reihe<br />
T78.<br />
Rä<strong>der</strong>: alle drei 8“ (21,5 cm) aufpumpbar.<br />
Rahmen: Aluminium (al 6061 T6).<br />
Preis: ca. 388 €.<br />
Für Super-Trikker<br />
– Modell super T12<br />
Roadster<br />
Dieses Geschöpf ist nicht für einen<br />
Eigentümer mit schwachen Lungen<br />
und weichen Muskeln geeignet. Die<br />
speziell angepassten Hochdruck-<br />
Pneumatikreifen und die unabhängigen<br />
Scheibenbremsen gleichen alle<br />
Unebenheiten <strong>der</strong> Straße aus und<br />
verbessern <strong>das</strong> Fahren (carving) um<br />
den Faktor 10, verglichen mit dem<br />
Modell T8 Air. Mit diesem Trikke steht<br />
Ihrer Kraft nichts entgegen, Sie werden<br />
sich sicher fortbewegen und die<br />
körperlichen <strong>Be</strong>lastungen werden<br />
sich ideal zum Trainieren von Gleichgewicht,<br />
Kraft und Ausdauer eignen.<br />
Wegen <strong>der</strong> größeren Rä<strong>der</strong> und des<br />
schwereren Rahmens sind weniger<br />
Kurven zum Halten <strong>der</strong> Geschwindigkeit<br />
nötig. Also ist dieses Modell ideal<br />
für diejenigen geeignet, die sich für<br />
große Entfernungen interessieren.<br />
Es ist <strong>das</strong> beste Trikke, <strong>das</strong> man <strong>der</strong>zeit<br />
erwerben kann – für den eingefleischten<br />
Trikke-Fahrer.<br />
Erst ab 14+ Jahren.<br />
Rä<strong>der</strong>: 30,5 cm pneumatische Reifen.<br />
Rahmen: Flugzeugaluminium (Aircraft<br />
Grade Aluminum).<br />
Unabhängige Scheibenbremsen.<br />
Preis: ca. 466 €.<br />
Für Kin<strong>der</strong><br />
unter 10 Jahren gibt es <strong>das</strong> Modell<br />
Trikke T5 (ca. 93 €) und für ältere<br />
Kin<strong>der</strong> und Erwachsene schmächtigen<br />
Körperbaus – <strong>das</strong> Modell T67<br />
(ca. 155 €).<br />
Es ist <strong>das</strong> ideale Fahrzeug zum<br />
Dampfablassen und für Fahrspaß<br />
auf dem Hof. 2004 wurde <strong>das</strong> Trikke<br />
T5 mit dem Oppenheim-Platin-Preis<br />
für Spielzeuge und dem Auswahlstempel<br />
des Nationalen Elternzentrums<br />
ausgezeichnet.<br />
10<br />
© Trikke (3)<br />
© Dreamstime
Allgemeine Informationen<br />
über alle<br />
zuvor erwähnten<br />
Modelle (auSSer T5<br />
und T67)<br />
Maße (fahrbereit)<br />
Höhe: 119–140 cm<br />
Länge: 117–118 cm<br />
Breite: 58,7–67 cm<br />
Gewicht: 10–13,6 kg<br />
Maße (zusammengeklappt)<br />
Höhe: 29–30,5 cm<br />
Länge: 134,5–141 cm<br />
Breite: 34–37,5 cm<br />
Wissen Sie, was mich beson<strong>der</strong>s<br />
fasziniert? Die Tatsache, <strong>das</strong>s die<br />
Urheber dieses Fahrzeugs nicht auf<br />
<strong>der</strong> Stelle treten. Die Ideen sprießen<br />
und werden Wirklichkeit. Mit<br />
dem Trikke können Sie erfolgreich<br />
und heiter Sport treiben und Ihre<br />
Freizeit nicht nur auf dem harten<br />
Boden, son<strong>der</strong>n auch auf Schnee<br />
verbringen. Schlittschuhlaufen lernen<br />
ist leichter als Skifahren o<strong>der</strong><br />
Snowboarden, also sollten sich<br />
auch diejenigen, die bis jetzt stets<br />
eine Rechtfertigung parat hatten,<br />
nicht auf einen Hügel zu steigen,<br />
um von ihm fröhlich herunterzufahren,<br />
von einer weiteren Variante<br />
verlocken lassen. Das einfach<br />
zusammen zu klappende und hervorragend<br />
zu steuernde Modell<br />
Trikke Skki wurde zum Skifahren in<br />
den <strong>Be</strong>rgen entworfen.<br />
Es ist ein seltsam anmutendes und<br />
beson<strong>der</strong>s leicht zu steuerndes Skigerät.<br />
Es eignet sich für Anfänger<br />
und Profis. Dieses Fahrzeug können<br />
sich mehrere Personen teilen, weil<br />
es keine Einschränkungen in <strong>Be</strong>zug<br />
auf Schuh- o<strong>der</strong> Körpergröße gibt.<br />
Mit dem Trikke Skki können alle fahren,<br />
die 13 Jahre o<strong>der</strong> älter sind. Im<br />
Einfachen liegt die ganze Genialität.<br />
Stellen Sie sich vor – man braucht<br />
keine speziellen und schweren Skischuhe,<br />
normales, wasserfestes und<br />
bequemes Schuhwerk reicht völlig<br />
aus. Ergreifen Sie den Lenker, steigen<br />
Sie auf die speziellen Plattformen und<br />
lassen Sie Ihre <strong>Be</strong>ine beim Balancieren<br />
in den Kurven arbeiten. Das wilde Gerät<br />
mit drei Skiern wird Sie durch den<br />
Schnee tragen und dabei anmutig<br />
alle Hin<strong>der</strong>nisse bewältigen. Natürlich<br />
ist Übung erfor<strong>der</strong>lich, aber <strong>das</strong> ist ein<br />
einziges Vergnügen. Man kann dieses<br />
Skigerät auch leicht auf den <strong>Be</strong>rg hinauf<br />
beför<strong>der</strong>n, man braucht es nur<br />
leicht vor sich herzuschieben und<br />
selbst zwischen den Skiern zu laufen.<br />
Modell Trikke Skki:<br />
Gewicht: 13,6 kg<br />
Die Skier sind abnehmbar, und <strong>das</strong><br />
Trikke Skki selbst ist leicht und schnell<br />
zusammenklappbar.<br />
Länge: 125 cm<br />
Breite: 56 cm<br />
Preis: ca. 709 €<br />
Mir scheint, die einzige Frage ist<br />
jetzt – wann möchten Sie mit dem<br />
Trikke-Fahren anfangen? Ich würde<br />
vorschlagen, zuerst die durch Körperkraft<br />
angetriebenen Trikkes auszuprobieren<br />
und erst danach Feuer<br />
und Flamme zu sein für den elektrisch<br />
betriebenen Hybriden, für den<br />
ich spare. Wenn Sie die im Folgenden<br />
angegebenen Informationen gelesen<br />
haben, können Sie entscheiden,<br />
<strong>das</strong>s dieses Modell wie für Sie geschaffen<br />
ist und Sie haben vielleicht<br />
auch recht, aber ich bin dennoch <strong>der</strong><br />
Meinung, <strong>das</strong>s man zuerst einschlägige<br />
Erfahrungen mit den einfachen<br />
Modellen sammeln sollte, um einen<br />
tiefen Einblick zu gewinnen und <strong>das</strong><br />
süße Vergnügen des Trikke-Fahrens<br />
zu spüren. Ansonsten können Sie <strong>das</strong><br />
Wesen des Ganzen nicht verstehen<br />
und nach dem Einschalten des Motors<br />
träge werden. Es ist schließlich<br />
nicht irgendein Motorroller, son<strong>der</strong>n<br />
ein Gerät zur aktiven <strong>Be</strong>wegung.<br />
Das unglaubliche neue Modell<br />
Tribred PON-e (36 V o<strong>der</strong> 48 V) ist<br />
für diejenigen gedacht, die bereits<br />
ein Gefühl für <strong>das</strong> Trikke entwickelt<br />
haben. Sie haben also <strong>das</strong> moralische<br />
Recht auf dieses verbesserte Modell.<br />
Das Tribred PON-e ist eine tolle Erfindung,<br />
<strong>das</strong> beste Fahrzeug, wenn<br />
Sie größere Entfernungen zurücklegen<br />
o<strong>der</strong> eine Strecke mit vielen<br />
11
iker<br />
Hin<strong>der</strong>nissen bewältigen möchten,<br />
wo Ihre Körperbewegungen und Ihr<br />
Enthusiasmus zum erfolgreichen Erreichen<br />
des Ziels nicht ausreichen.<br />
Es ist ein elektrisch und durch Ihre<br />
Körperkraft betriebener Hybrid. Mit<br />
Ihren <strong>Be</strong>wegungen sorgen Sie für zusätzliche<br />
Energie und so ge<strong>langen</strong> Sie<br />
ohne große Mühe aber mit wildem<br />
Vergnügen ans Ziel: in <strong>der</strong> Stadt o<strong>der</strong><br />
in <strong>der</strong> Vorstadt, überall dort, wohin<br />
Ihr Weg Sie führt. Sie können ganz<br />
einfach auf <strong>das</strong> Trikke steigen und in<br />
<strong>der</strong> Kurve ein wenig die Handgelenke<br />
und <strong>Be</strong>ine bewegen o<strong>der</strong> mit Hilfe<br />
Ihres Tribred PON-e leicht Sport treiben,<br />
sich effizienter fortbewegen. Sie<br />
können auch bei voller Geschwindigkeit<br />
alle Muskeln trainieren, wodurch<br />
Sie für zusätzliche Geschwindigkeit<br />
sorgen und in die erfor<strong>der</strong>liche Richtung<br />
fahren.<br />
Technische Daten<br />
Zwei Geschwindigkeitsmodi<br />
Motor: 250 –350 W<br />
Motorisiertes Vor<strong>der</strong>rad<br />
Doppelte Hinterradbremsen<br />
Leichter Aluminiumrahmen<br />
Geschwindigkeit: 16–19 km/h<br />
Die geladene Li-Ion-Batterie (36 V<br />
o<strong>der</strong> 48 V) hält 32–45 km, abhängig<br />
vom ausgewählten Modell des<br />
Tribred, dem Gelände, Wind, Gewicht<br />
des Fahrers und seiner Fahrweise.<br />
Das vollständige Laden <strong>der</strong><br />
Batterie dauert etwa 5 Stunden.<br />
Alter: 12+<br />
Preis: 1327 €–1952 €<br />
Maße (fahrbereit)<br />
Höhe: 128–139 cm<br />
Länge: 125 cm<br />
Breite: 67 cm<br />
Gewicht: 18,7–20,5 kg<br />
Maße (zusammengeklappt)<br />
Höhe: 35 cm<br />
Länge: 140 cm<br />
Breite: 67 cm<br />
© Trikke (4)<br />
12
Über <strong>das</strong> Trikke<br />
Das heutige Erscheinungsbild des Trikke ist beinahe<br />
dem Zufall zu verdanken.<br />
Der brasilianische Ingenieur und Aktivsportliebhaber<br />
Gildo <strong>Be</strong>leski entwarf<br />
die anfängliche Variante des<br />
Trikke, um von hügeligen Orten <strong>der</strong><br />
Stadt herab zu fahren. Nach <strong>der</strong> Abfahrt<br />
mit seiner Erfindung bemerkte<br />
er, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Trikke durch dieselben<br />
Schwankungsbewegungen auch auf<br />
ebener Fläche weiter fährt. Damit begann<br />
auch die Geschichte des mo<strong>der</strong>nen<br />
Trikke.<br />
Ein weiterer Zufall brachte Gildo <strong>Be</strong>leski<br />
mit dem Kapitalanleger John Simpson<br />
zusammen, <strong>der</strong> nach dem <strong>Be</strong>such<br />
einer Sushi-Bar den Son<strong>der</strong>ling<br />
auf einem noch seltsameren Roller<br />
mit drei Rä<strong>der</strong>n bemerkte. Was Herrn<br />
Simpson dazu bewegte, dem davonfahrenden<br />
<strong>Be</strong>leski hinterher zu laufen,<br />
war die Tatsache, <strong>das</strong>s sich <strong>der</strong> Roller<br />
ohne Propeller, einzig durch die <strong>Be</strong>wegungen<br />
des Fahrers fortbewegte.<br />
Zu Anfang erschien dieses Erscheinungsbild<br />
John Simpson als komisch,<br />
aber nachdem er <strong>das</strong> Trikke ausprobiert<br />
hatte, wurde er im gleichen Jahr<br />
ein willkommener Kapitalanleger von<br />
Trikke Tech und wenig später auch<br />
Präsident des Unternehmens.<br />
Gemeinsam stellten Gildo und John<br />
den Roller mit drei Rä<strong>der</strong>n dem Publikum<br />
Amerikas vor und <strong>das</strong> Eis war<br />
gebrochen. Als die Zeitschrift Time<br />
2002 <strong>das</strong> Trikke den coolsten Erfindungen<br />
des Jahres zuordnete, stiegen<br />
Verkaufszahlen sprunghaft an.<br />
Damals interessierten sich manche<br />
Schauspieler für diese Erfindung und<br />
benutzten sie, darunter Brad Pitt, Jim<br />
<strong>Be</strong>lushi, Jennifer Aniston, Jim Carrey<br />
und <strong>Be</strong>n Affleck. Sie können sich vorstellen,<br />
welche Auswirkung dies auf<br />
die amerikanische Gesellschaft, die<br />
auf den Einfluss von <strong>Be</strong>rühmtheiten<br />
sensibel reagiert, hatte, – <strong>das</strong> Trikke<br />
wurde in je<strong>der</strong> Hinsicht zum Star.<br />
Die Gesellschaft Trikke Tech, die vom<br />
enthusiastischen Präsidenten und<br />
dem begabten Erfin<strong>der</strong> geführt wird,<br />
hat nicht vor, sich auf den Lorbeeren<br />
auszuruhen, sie entwirft und präsentiert<br />
auch weiter neue Modelle, die<br />
den Verbrauchern noch mehr Freiheit<br />
und Freude bereiten. Trikke Tech<br />
steht dank des Einfallsreichtums und<br />
<strong>der</strong> glücklichen Zufälle in Blüte.<br />
Der Amerikaner Jimmy Evans<br />
durchquerte 2003 mit dem Trikke<br />
(lediglich durch den Einsatz seiner<br />
Körperkraft) Amerika von <strong>der</strong><br />
Ost- bis zur Westküste (3000 Meilen<br />
– 4828 km von Santa Monica bis<br />
nach Florida Keys) und diese Reise<br />
wie<strong>der</strong>holte er von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Seite aus im Jahr 2007. Er beschloss,<br />
auch Europa in Erstaunen zu versetzen<br />
und legte 2004 auf Straßen<br />
und Wegen verschiedener Län<strong>der</strong><br />
3500 km zurück.<br />
Dieses bezaubernde, durch Menschenkraft<br />
angetriebene Fahrzeug<br />
sorgt für Freude und weckt bei tausenden<br />
Menschen auf <strong>der</strong> ganzen<br />
Welt den Wunsch nach einer aktiven<br />
Lebensweise. Sogar Menschen,<br />
die an <strong>der</strong> Parkinson-Krankheit<br />
und Multipler Sklerose leiden, auf<br />
<strong>Be</strong>in- und Fußprothesen angewiesen<br />
sind o<strong>der</strong> Gelenkbeschwerden<br />
haben, verleiht <strong>das</strong> Trikke erneut<br />
<strong>Be</strong>wegungsfreude.<br />
Score<br />
© Dreamstime<br />
Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />
Ziel zu erreichen.<br />
Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />
Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />
Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />
die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
13
sailor<br />
Für Verehrer<br />
des WASSERS –<br />
Bodyboarding<br />
14
Das Leben in <strong>der</strong> Nähe des Wassers bietet automatisch<br />
viele Arten <strong>der</strong> aktiven Lebensweise: Man kann Kajak<br />
und Wasserski fahren, segeln, mit Powerdrachen fliegen<br />
o<strong>der</strong> einfach nur schwimmen.<br />
Je<strong>der</strong> wählt nach dem Niveau seiner<br />
körperlichen Verfassung, Zeit und<br />
Geldbeutel aus. Dieses Mal über etwas,<br />
<strong>das</strong> für jeden erschwinglich ist,<br />
<strong>der</strong> sich bewegen kann, nicht wasserscheu<br />
und bereit ist, sich etwas anzustrengen.<br />
Viele Male habe ich mit Neid und<br />
Verehrung Surfboar<strong>der</strong> beobachtet,<br />
wie sie sicher auf Wellen reiten, und<br />
die Geschwindigkeit und <strong>das</strong> zu erwartende<br />
Vergnügen nahmen mir<br />
den Atem. Ich habe es jedoch selbst<br />
nicht ausprobiert. <strong>Be</strong>i einer Urlaubsreise<br />
habe ich auf <strong>der</strong> Suche nach<br />
Vergnügungen auf dem Wasser ein<br />
Bodyboard ausgeliehen, <strong>das</strong> leichter<br />
zu beherrschen ist als <strong>das</strong> viel längere<br />
Surfbrett. Und nach dem Ausprobieren<br />
habe ich verstanden, <strong>das</strong>s ich im<br />
Wasser mehr fertigbringe, als ich erhofft<br />
hatte.<br />
Zuallererst werde ich denjenigen, die<br />
verrückt nach Wellenreiten sind, sagen,<br />
<strong>das</strong>s Bodyboarding (auch bekannt<br />
unter <strong>der</strong> <strong>Be</strong>zeichnung Boogie<br />
Boarding) ein Sport ist, für den man<br />
etwas Hartnäckigkeit mitbringen<br />
und nicht trainingsscheu sein muss.<br />
Und außerdem müssen Sie sehr gut<br />
schwimmen können, sonst ist dieses<br />
Vergnügen nicht für Sie. Ungeachtet<br />
<strong>der</strong> unschuldig anmutenden Wellen<br />
und des klaren Himmels sollten Sie<br />
wissen, <strong>das</strong>s man nach dem Eintauchen<br />
in <strong>das</strong> blaue Wasser seinen Atem<br />
manchmal länger anhalten muss, als<br />
einem lieb ist. Sie benötigen auch körperliche<br />
Kraft und Ausdauer, um an<br />
die Wasseroberfläche zu ge<strong>langen</strong>.<br />
Aber beginnen wir am Anfang.<br />
<strong>Be</strong>vor Sie sich ins Wasser stürzen, sollten<br />
Sie sich um die angemessene Kleidung<br />
und ein Bodyboard passen<strong>der</strong><br />
Größe bemühen, denn davon hängt<br />
ab, ob <strong>das</strong> Erreichen <strong>der</strong> süß brechenden<br />
Wellen schwierig sein wird,<br />
und mit welcher Geschwindigkeit Sie<br />
von diesen Wellen herabsausen. Zu<br />
Anfang würde ich vorschlagen, sich<br />
einige Male ein Bodyboard und passende<br />
<strong>Be</strong>kleidung auszuleihen, denn<br />
bevor man in gute und zuverlässige<br />
Ausrüstung investiert, sollte man die<br />
Sportart selbst ausprobieren. Dann<br />
werden Sie auch wirklich wissen, ob<br />
diese <strong>Be</strong>schäftigung für Sie geeignet<br />
ist. Das Leihinventar ist allerdings<br />
meistens etwas abgenutzt und die<br />
neuesten Modelle werden Sie nicht<br />
vorfinden.<br />
Und wenn Sie sich dazu entschieden<br />
haben, <strong>das</strong>s die Zeit für die Auswahl<br />
neuer Waren gekommen ist, dann<br />
sind blutige Anfänger am besten<br />
beraten, wenn sie in spezialisierten<br />
Wassersportgeschäften nachfragen.<br />
Und ideal wäre es, wenn <strong>der</strong> beratende<br />
Mitarbeiter in seiner Freizeit selbst<br />
mit dem Bodyboard auf Wellen reitet.<br />
Nun folgen Informationen und einige<br />
Ratschläge, damit Sie sich beim Kauf<br />
nicht wie ein Volltrottel fühlen.<br />
© Thinkstock (3)<br />
Konstruktion und<br />
Materialien<br />
Bodyboards bestehen aus einem<br />
Schaumkern, einem Boden aus<br />
Plastik und einer weicheren Oberfläche<br />
– dem Deck.<br />
Schaumkern<br />
Der Kern <strong>der</strong> neuesten, besten und<br />
teuersten Boards besteht aus Polypropylen.<br />
Polypropylen ist ein leichtes,<br />
flexibles und starkes Material.<br />
Polyethylen ist seit alters <strong>das</strong> Material,<br />
aus dem <strong>der</strong> Kern <strong>der</strong> Bodyboards<br />
hergestellt wird. Es ist<br />
schwerer und nicht so beständig<br />
wie Polypropylen.<br />
Boden o<strong>der</strong> „the Slick“<br />
Hier liegen Stärke und Geschwindigkeit<br />
des Boards. Der Boden<br />
kann aus Surlyn o<strong>der</strong> HDPE (High<br />
Density Polyethylene) bestehen.<br />
Letzteres Material ist billiger und<br />
bedeutet eine geringere <strong>Be</strong>lastung<br />
für den Geldbeutel. Man sagt, <strong>das</strong>s<br />
viele Wassersportler nicht in <strong>der</strong><br />
Lage wären, ein Board mit Surlyn-<br />
Boden von einem Board mit HDPE-<br />
Boden zu unterscheiden, aber in<br />
Wirklichkeit ist Surlyn flexibler und<br />
garantiert höhere Haltbarkeit, Einheitlichkeit<br />
und <strong>das</strong> angemessene<br />
Herausragen aus dem Wasser (projection).<br />
Die Oberfläche o<strong>der</strong> „the Deck“ wird<br />
aus speziellem Schaumstoff hergestellt,<br />
<strong>der</strong> beim Bodyboar<strong>der</strong> für<br />
Weichheit und Komfort sorgt, gute<br />
Haftung gewährleistet und beson<strong>der</strong>s<br />
wasserbeständig ist, d. h. kein<br />
Wasser aufnimmt.<br />
15
sailor<br />
Längsstrebe (Stringer)<br />
Meistens enthält <strong>der</strong> Schaumkern einen<br />
o<strong>der</strong> zwei Längsstreben aus Kohlefaser<br />
o<strong>der</strong> Grafit. Das verleiht dem Board<br />
Stabilität, Haltbarkeit und verringert<br />
die Möglichkeit von Verformungen. Ein<br />
Board ohne Längsstreben ist leichter<br />
und billiger.<br />
Man kann also folgenden Schluss ziehen:<br />
die beste und zugleich teuerste<br />
Wahl wäre ein Board aus Polypropylen<br />
mit zwei Längsstreben. Um den<br />
Preis zu reduzieren, können Sie die<br />
Variante mit nur einer Längsstrebe<br />
wählen.<br />
Länge<br />
Die Länge des Boards wird nach Größe<br />
und Gewicht <strong>der</strong> Person gewählt.<br />
Allgemein gilt – <strong>das</strong> passende Board,<br />
auf dem Hinterteil (nicht dem Vor<strong>der</strong>teil)<br />
aufgestellt, muss bis 2,5 cm über<br />
Ihren Bauchnabel reichen, wenn Sie<br />
planen, auf kleinen Wellen zu reiten,<br />
und wenn Sie sofort größere Wellen<br />
ansteuern möchten, muss <strong>das</strong> Board<br />
bis zu 2,5 cm unter Ihrem Bauchnabel<br />
reichen. Fülligeren Personen wird<br />
empfohlen, ein kürzeres und breiteres<br />
Board zu wählen.<br />
Breite<br />
Sie ist ebenfalls vom Körperbau abhängig.<br />
Wenn Sie Ihr neues Spielzeug<br />
unter den Arm klemmen, sollten Sie<br />
keinen großen Abstand zwischen<br />
Achselhöhle und dem Rand des Bodyboards<br />
spüren. Übrigens ist ein<br />
schmaleres Board in <strong>der</strong> Regel für<br />
größere Wellen und ein breiteres –<br />
für kleinere Wellen gedacht.<br />
Design<br />
Es gibt einige Dinge, die man bei <strong>der</strong><br />
Wahl des geeigneten Board-Designs<br />
beachten sollte, denn davon hängt<br />
ab, wie und wo <strong>das</strong> Board ab besten<br />
„funktioniert“.<br />
Spitze des Boards – <strong>das</strong> ist <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>e<br />
Teil, an dem Sie sich festhalten. Einem<br />
Anfänger wird eine schmalere Spitze<br />
beim Wenden und bei <strong>der</strong> <strong>Be</strong>wältigung<br />
holpriger Wellen helfen.<br />
Heck des Boards – <strong>das</strong> ist <strong>der</strong> hintere<br />
Teil des Boards. Ein breites Heck liegt<br />
besser auf den Wellen und bringt<br />
mehr Geschwindigkeit. Die Heckform<br />
ist eine sehr persönliche Wahl. Am beliebtesten<br />
sind abgerundete und flügelförmige<br />
Hecke. Ein Anfänger sollte<br />
jedoch nicht zu sehr auf die Heckform<br />
des Boards achten.<br />
Biegung des Boards (Rocker)<br />
Einfach gesagt, es ist <strong>der</strong> Indikator<br />
für die Ebenheit eines Boards. Legen<br />
Sie <strong>das</strong> Board auf den Boden und<br />
beobachten Sie, ob es schaukelnde<br />
<strong>Be</strong>wegungen ausführt. Je stärker die<br />
bananenförmige Biegung des Boards,<br />
umso größer ist sein Rocker. <strong>Be</strong>obachten<br />
Sie nicht die Spitze, die dem<br />
Design gemäß etwas vom Boden absteht,<br />
son<strong>der</strong>n beachten Sie <strong>das</strong> Heck,<br />
<strong>das</strong> in den meisten Fällen gediegen<br />
auf dem Boden liegen muss. Je kleiner<br />
<strong>der</strong> Rocker, umso mehr Geschwindigkeit<br />
können Sie aus Ihrem Board herausholen.<br />
Man muss hinzufügen, <strong>das</strong>s<br />
ein Board sich über lange Zeit etwas<br />
krümmt und <strong>das</strong> meistens in die entgegengesetzte<br />
Richtung. Das liegt an<br />
den Materialien, aus denen <strong>das</strong> Board<br />
hergestellt ist, und natürlich auch an<br />
<strong>der</strong> Pflege.<br />
Rail – <strong>der</strong> Saum <strong>der</strong> Boardkante<br />
<strong>Be</strong>i Herstellern und Käufern ist <strong>das</strong> Verhältnis<br />
60/40 am beliebtesten, da dem<br />
Bodyboar<strong>der</strong> dadurch mehr Kontrolle<br />
verliehen wird. Das Verhältnis 50/50<br />
sorgt für mehr Geschwindigkeit.<br />
Sicherung o<strong>der</strong> Leine (Leash)<br />
Dem Board liegt meist eine Leine bei,<br />
die mit einem Ende am Board selbst<br />
befestigt wird, und <strong>das</strong> an<strong>der</strong>e Ende<br />
bringt <strong>der</strong> Bodyboar<strong>der</strong> an seinem<br />
Arm über dem Ellenbogen an. Das ist<br />
notwendig, damit Sie Ihr neues „Spielzeug“<br />
nach dem Abrutschen ins Wasser<br />
nicht verlieren, denn es wird nicht<br />
immer möglich sein, <strong>das</strong> Board fest in<br />
den Händen zu halten. Es gibt Leinen<br />
in Spiralenform o<strong>der</strong> einfache gerade<br />
Leinen. Es ist besser, eine spiralenförmige<br />
Leine zu verwenden, da sie sich<br />
nicht verhed<strong>der</strong>t.<br />
16
Pflege des<br />
Bodyboards<br />
Eigentlich ist <strong>das</strong> Bodyboard ein<br />
recht beständiger Gegenstand,<br />
aber <strong>das</strong> bedeutet natürlich nicht,<br />
<strong>das</strong>s es unzerstörbar ist. Wenn Sie<br />
einige einfache Regeln befolgen,<br />
dann werden Sie lange Freude an<br />
ihrem Kauf haben:<br />
.. Nach <strong>Be</strong>nutzung in Salzwasser<br />
– abspülen.<br />
.. Nicht direkter Sonnenstrahlung<br />
aussetzen.<br />
.. Vor extremer Hitze schützen<br />
und nicht an Kaminen o<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Hitzequellen aufstellen.<br />
Wenn Sie <strong>das</strong> Board an einem<br />
heißen Tag im Auto lassen<br />
müssen, decken Sie es ab.<br />
.. Nicht mit schweren Gegenständen<br />
beladen und sich vergewissern,<br />
<strong>das</strong>s keine spitzen<br />
Ecken auf <strong>das</strong> Board drücken,<br />
denn wenn die Schutzschicht<br />
verletzt wird, findet <strong>das</strong> Wasser<br />
einen Weg hinein.<br />
.. Das Board außerhalb <strong>der</strong><br />
Reichweite vor kleinen Kin<strong>der</strong>n<br />
und lieben Haustieren<br />
aufbewahren. Katzen würden<br />
gern ihre Krallen in <strong>das</strong> Deck<br />
Ihres neuen Boards versenken,<br />
und Hunde würden manchmal<br />
gern daran kauen. Und <strong>das</strong><br />
Vergnügen beim Zerreißen eines<br />
Gegenstands ist gefährlich<br />
ansteckend.<br />
Der Preis für Boards schwankt zwischen<br />
35 € und 380 €.<br />
Zusatzzubehör<br />
Flossen (ca. 35 €)<br />
Sie helfen beim Manövrieren im Wasser,<br />
um rechtzeitig vor brechenden<br />
Wellen davonzukommen und bei <strong>der</strong><br />
Jagd nach den geeigneten Wellen<br />
die erfor<strong>der</strong>liche Geschwindigkeit zu<br />
erreichen. Die Flossen sollten bequem<br />
und flexibel sein. Sie müssen gut am<br />
Fuß sitzen, aber auf keinen Fall sollten<br />
nach längerem Tragen Schmerzen<br />
auftreten. Zu harte Flossen können<br />
unbequem sein und die Fußknöchel<br />
bei <strong>Be</strong>nutzung reizen, und zu flexible<br />
Flossen werden Ihnen nicht helfen,<br />
sich effizient zu bewegen. Investieren<br />
Sie auch in die Flossensicherung,<br />
denn sie helfen die Flosse zu bewahren,<br />
falls beim Sturz von einer Welle<br />
eine Flosse abfallen sollte, und diese<br />
Möglichkeit ist wirklich nicht auszuschließen.<br />
Hydroanzug (ab 40 €)<br />
Es ist eine gute Idee, <strong>Be</strong>kleidung zu<br />
kaufen, die für Wohlbefinden im<br />
Wasser sorgt, beson<strong>der</strong>s, wenn Sie in<br />
kalten Gewässern auf Wellen reiten<br />
möchten. Dicke und Design des Hydroanzugs<br />
hängt davon ab, unter welchen<br />
<strong>Be</strong>dingungen Sie Sport treiben<br />
werden. Manche Wasserbekleidung<br />
schränkt die <strong>Be</strong>wegungen weniger<br />
ein als an<strong>der</strong>e, deshalb sollten Sie<br />
nicht gleich den dicksten Anzug mit<br />
<strong>langen</strong> Hosen und Ärmeln kaufen.<br />
© Thinkstock (4)<br />
Überlegen Sie gut, wo Sie am meisten<br />
auf Wellenjagd gehen werden und<br />
lassen Sie sich von einem Verkäufer<br />
beraten. Ein Hydroanzug muss eng<br />
anliegen. Aber übertreiben Sie es<br />
nicht, Sie müssen frei atmen können.<br />
Rash Guard Shirts (ca. 40 €)<br />
Die Hauptaufgabe dieses Kleidungsstücks<br />
ist es, Sie vor Schürfwunden<br />
und Ausschlag, verursacht durch die<br />
ständige Reibung mit dem Board und<br />
Sand, dem Sie nirgendwo aus dem<br />
Weg gehen können, zu schützen. Die<br />
Haut wird schnell bis zu einem scharfen<br />
Rot gereizt. Außerdem schützen<br />
Sie die Shirts vor Wind und schädlicher<br />
Sonnenstrahlung. Dieses Kleidungsstück<br />
wird in warmen Gewässern<br />
getragen.<br />
Aus eigener Erfahrung weiß ich, <strong>das</strong>s<br />
ein Anfänger unbedingt seinen Körper<br />
verhüllen muss. Nach dem Tag meiner<br />
ersten intensiven Wellenjagd konnte<br />
ich meinen Bauch nicht berühren, so<br />
sehr hatte ich ihn abgerieben, als ich<br />
von den Wellen stürzte und mehrmals<br />
durch den Sand gezogen wurde. Ich<br />
verspürte keinen Schmerz, solange ich<br />
wie im Rausch von den Wellen rutschte.<br />
Aber am Abend sah mein vor<strong>der</strong>er<br />
Körperteil so aus, als hätte er eine missglückte<br />
Peeling-Prozedur über sich<br />
ergehen lassen, wobei anstelle von<br />
kosmetischen Körnern zur sanften Exfoliation<br />
raues Schleifpapier angewendet<br />
wurde.<br />
17
sailor<br />
Und jetzt<br />
in die Wellen!<br />
Einige Verhaltenshinweise,<br />
damit die erste Welle nicht<br />
die Freude nimmt<br />
18
Erkundung des<br />
Geländes.<br />
Ich weiß, <strong>das</strong>s es ein sehr erregen<strong>der</strong><br />
Moment ist, wenn Sie bereit sind, ins<br />
Wasser zu stürmen. Aber warten Sie<br />
noch eine Sekunde und erkunden<br />
Sie in Ruhe <strong>das</strong> Gelände, in <strong>das</strong> Sie<br />
hineinwaten möchten, beobachten<br />
Sie die Wellen, <strong>der</strong>en Größe, die Sicht.<br />
Schätzen Sie <strong>das</strong> Risiko möglicher<br />
Strömungen und Unterströmungen<br />
sowie die <strong>Be</strong>schäftigungen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Wassersportliebhaber und die<br />
dafür vorgesehenen Orte ein. Nein,<br />
<strong>das</strong> soll Sie nicht erschrecken. Sie<br />
müssen alles klar analysieren, denn<br />
Wellen sind gefährlich, wenn man<br />
nichts über sie weiß. Und Sie müssen<br />
unbedingt Ausschau halten, ob sich<br />
an Ihrer auserwählten Welle kein an<strong>der</strong>er<br />
Bodyboard-Kollege versucht,<br />
denn so können Sie sich ernste Feinde<br />
machen und einen schlechten Ruf<br />
er<strong>langen</strong>. Und glauben Sie mir, <strong>das</strong> ist<br />
sehr wichtig, wenn man zu den Bodyboar<strong>der</strong>n<br />
gehören möchte.<br />
Auf ins Wasser.<br />
© Thinkstock (2)<br />
Nach dem Sie sich umgeschaut haben,<br />
gehen Sie ans Wasser, und legen<br />
Sie im Sitzen die Flossen und <strong>der</strong>en<br />
Sicherungen an o<strong>der</strong> tragen Sie die<br />
Flossen in <strong>der</strong> Hand und legen Sie sie<br />
an, wenn <strong>das</strong> Wasser bereits bis an<br />
die Knie reicht. Legen Sie sich auf Ihr<br />
Board, so<strong>das</strong>s Ihre Hüften <strong>das</strong> Heck<br />
des Boards berühren, und beginnen<br />
Sie zu paddeln. Wenn Sie mit den <strong>Be</strong>inen<br />
vorwärts paddeln wollen, dann<br />
halten Sie beide Hände am vor<strong>der</strong>en<br />
Teil des Boards eng aneinan<strong>der</strong> und<br />
arbeiten Sie mit den Flossen unter<br />
Wasser. Neueinsteiger haben die witzige<br />
Angewohnheit, über dem Wasser<br />
herumzuplanschen und sich darüber<br />
aufzuregen, <strong>das</strong>s sie nicht von<br />
<strong>der</strong> Stelle kommen. O<strong>der</strong> halten Sie<br />
die <strong>Be</strong>ine eng aneinan<strong>der</strong> im Wasser<br />
und paddeln Sie nur mit den Armen.<br />
<strong>Be</strong>vor Sie sich ins Wasser wagen, können<br />
Sie auf dem Sand trainieren, und<br />
<strong>das</strong> ist gar nicht lächerlich, son<strong>der</strong>n<br />
ganz gewöhnlich und von Nutzen. Im<br />
Wasser werden Sie nach je<strong>der</strong> erfolgreichen<br />
o<strong>der</strong> erfolglosen Welle aus Ihren<br />
Fehlern lernen, aber nach einem<br />
Probedurchlauf im Sand können Sie<br />
einige Enttäuschungen vermeiden.<br />
Die Wahl <strong>der</strong><br />
Wellen.<br />
Wählen Sie nicht die größte Welle,<br />
auf die sie direkt vor dem Brechen<br />
aufspringen könnten, wenn weißes<br />
Wasser (white water) aufschäumt.<br />
Das wäre die ideale Variante, aber<br />
Sie müssen nachdenken und auf<br />
eine Welle vorbereitet sein, die<br />
Sie hinters Licht führen und „o<br />
Schreck“ gleich mit ihrer gesamten<br />
Masse auf Sie einstürzen wird. Es<br />
bleibt keine Zeit zum Jagen <strong>der</strong> Welle<br />
mehr, Sie haben sich verrechnet.<br />
Die Welle wird früher brechen, als<br />
Sie die erfor<strong>der</strong>liche Stelle erreicht<br />
haben werden, und dann wird die<br />
Welle Sie ganz einfach einwickeln,<br />
nach unten auf den Grund drücken<br />
und noch einige Zeit hinter sich<br />
herziehen, bis Sie sich letzten Endes<br />
an die Oberfläche durchschlagen<br />
und Luft holen können. Aber<br />
Situationen, wo keine Zeit mehr zur<br />
Flucht vor <strong>der</strong> Welle besteht, sind<br />
selten. Man darf nicht unachtsam<br />
sein und wenn man vor sich bereits<br />
gebrochene schäumende Wellen<br />
o<strong>der</strong> Wellen an <strong>der</strong> Bruchgrenze<br />
entdeckt, dann sollte man mutig<br />
auf sie zusteuern. Und wenn man<br />
an <strong>der</strong> richtigen Stelle ist, muss<br />
man die Spitze des Boards mit den<br />
Händen stark nach unten drücken,<br />
als ob man Liegestütze machen<br />
wollte, gleichzeitig legt man ein<br />
Knie auf <strong>das</strong> Heck des Boards und<br />
taucht tief ab wie eine Ente. Auf<br />
diese Weise werden Sie unter <strong>der</strong><br />
Welle hinwegtauchen und wie ein<br />
echter Profi wie<strong>der</strong> zum Vorschein<br />
kommen. Diese wun<strong>der</strong>bare Methode<br />
zum Untertauchen von Wellen<br />
ist bei Bodyboar<strong>der</strong>n alltäglich<br />
und wird „duck diving“ genannt.<br />
Es wäre allerdings am klügsten,<br />
ein wenig auf kleinen Wellen o<strong>der</strong><br />
einfach auf ruhigem Wasser zu trainieren,<br />
damit Sie später in <strong>der</strong> realen<br />
Situation nicht verwirrt werden<br />
und genau wissen, was zu tun ist.<br />
19
sailor<br />
Hurra! Endlich<br />
wird es geschehen!<br />
Wenn Sie den süßen Punkt erreichen,<br />
wo die Wellen relativ reif sind, aber<br />
noch nicht brechen, dann bemühen<br />
Sie sich, die richtige Wahl zu treffen.<br />
Nur keine Hast, Sie benötigen lediglich<br />
eine geeignete, nicht zu große<br />
Welle. Wenn Sie sich dafür entschieden<br />
haben, <strong>das</strong>s die vor Ihnen anrollende<br />
Welle genau diejenige ist, drehen<br />
Sie sich auf Ihrem Board zur Küste<br />
und beginnen Sie mit aller Kraft mit<br />
den Flossen zu arbeiten, vergessen Sie<br />
nicht, <strong>das</strong>s sie unter Wasser strampeln<br />
müssen. Falls Sie die erfor<strong>der</strong>liche Geschwindigkeit<br />
erreichen, wird die Welle<br />
Sie einfach graziös erfassen und Sie<br />
werden erfolgreich auf ihr reiten. Sie<br />
müssen jedoch wissen, welche Richtung<br />
Sie beim Wellenreiten einschlagen<br />
werden: nach rechts o<strong>der</strong> nach<br />
links. Davon hängt Ihre Körperposition<br />
auf dem Board ab. Und ansonsten<br />
ist es ständige Arbeit und nicht nur<br />
unter Körpereinsatz, Sie werden ständig<br />
nachdenken und blitzartige Entscheidungen<br />
treffen müssen.<br />
Nehmen wir an, Sie entscheiden sich,<br />
nach links zu reiten, dann halten Sie<br />
sich auf <strong>der</strong> linken Seite des Boards<br />
und drücken Sie mit <strong>der</strong> linken Hüfte<br />
die Ecke des Boards. Halten Sie sich<br />
mit <strong>der</strong> linken Hand stark an <strong>der</strong> linken<br />
Vor<strong>der</strong>ecke des Boards fest und<br />
kontrollieren Sie mit dem Ellenbogen<br />
die Seite, damit <strong>das</strong> Board sich auf <strong>der</strong><br />
Welle hält. Während dessen befindet<br />
sich <strong>der</strong> rechte Arm, etwas am Ellenbogen<br />
gekrümmt, am rechten Rand<br />
des Boards, womit Sie Ihre Gleitgeschwindigkeit<br />
kontrollieren. Wollen<br />
Sie mehr Geschwindigkeit er<strong>langen</strong>,<br />
rutschen Sie einfach etwas auf dem<br />
Brett nach vorn. Theorie bleibt Theorie<br />
und alles muss man am eigenen<br />
Leib ausprobieren.<br />
Lassen Sie den Kopf nicht hängen.<br />
Sie werden viele Male verschiedene<br />
Methoden ausprobieren müssen, um<br />
mit <strong>der</strong> Situation unter Kontrolle ideal<br />
auf Wellen reiten zu können. Seien<br />
Sie nicht enttäuscht, wenn Sie einen<br />
Fehler gemacht haben. Glauben Sie<br />
mir, Sie werden nicht darum herumkommen.<br />
Seien Sie vorbereitet auf <strong>das</strong><br />
Unerwartete und große „Verwicklungen“,<br />
so nenne ich <strong>das</strong> Gefühl, wenn<br />
man nichts mehr machen kann, die<br />
Welle mit voller Wucht auf einen einstürzt<br />
und man umhergewirbelt wird.<br />
Der einzige Ausweg besteht dann darin,<br />
sich in ihre Gnade zu begeben. In<br />
solchen Fällen rate ich – entspannen<br />
Sie sich. Ich weiß, es klingt zum Lachen<br />
und ein wenig dumm, aber glauben<br />
Sie mir – Sie werden mit <strong>der</strong> Welle nicht<br />
kämpfen können, wenn Sie versuchen,<br />
an die Oberfläche zu ge<strong>langen</strong>. Sie verschwenden<br />
Ihre Kräfte und verlieren<br />
Luft, aber die Oberfläche erreichen Sie<br />
dadurch nicht. Schließen Sie einfach<br />
die Augen, lassen Sie Ihren Körper zu<br />
Gelee im Cocktailmixer werden und<br />
letzten Endes werden Sie die Oberfläche<br />
erreichen, wo Sie gierig nach Luft<br />
schnappen – Sie werden wirklich überleben.<br />
Im Wasser ist es sehr wichtig,<br />
nicht in Panik zu geraten und sich zu<br />
konzentrieren. Es ist ein gefährlicher,<br />
aber auch sehr heiterer Ort, um seine<br />
Freizeit aktiv zu verbringen.<br />
20
Lassen Sie den Kopf<br />
nicht hängen.<br />
Sie werden viele Male verschiedene<br />
Methoden ausprobieren müssen, um<br />
mit <strong>der</strong> Situation unter Kontrolle ideal<br />
auf Wellen reiten zu können. Seien<br />
Sie nicht enttäuscht, wenn Sie einen<br />
Fehler gemacht haben. Glauben Sie<br />
mir, Sie werden nicht darum herumkommen.<br />
Seien Sie vorbereitet auf <strong>das</strong><br />
Unerwartete und große „Verwicklungen“,<br />
so nenne ich <strong>das</strong> Gefühl, wenn<br />
man nichts mehr machen kann, die<br />
Welle mit voller Wucht auf einen einstürzt<br />
und man umhergewirbelt wird.<br />
Der einzige Ausweg besteht dann darin,<br />
sich in ihre Gnade zu begeben. In<br />
solchen Fällen rate ich – entspannen<br />
Sie sich. Ich weiß, es klingt zum Lachen<br />
und ein wenig dumm, aber glauben<br />
Sie mir – Sie werden mit <strong>der</strong> Welle nicht<br />
kämpfen können, wenn Sie versuchen,<br />
an die Oberfläche zu ge<strong>langen</strong>. Sie verschwenden<br />
Ihre Kräfte und verlieren<br />
Luft, aber die Oberfläche erreichen Sie<br />
dadurch nicht. Schließen Sie einfach<br />
die Augen, lassen Sie Ihren Körper zu<br />
Gelee im Cocktailmixer werden und<br />
letzten Endes werden Sie die Oberfläche<br />
erreichen, wo Sie gierig nach Luft<br />
schnappen – Sie werden wirklich überleben.<br />
Im Wasser ist es sehr wichtig,<br />
nicht in Panik zu geraten und sich zu<br />
konzentrieren. Es ist ein gefährlicher,<br />
aber auch sehr heiterer Ort, um seine<br />
Freizeit aktiv zu verbringen.<br />
Das ist erst <strong>der</strong><br />
Anfang.<br />
noch mehr Reiz. Ich denke, <strong>das</strong>s Sie<br />
dann endgültig auf den Geschmack<br />
gekommen sind. Sie werden immer<br />
neue und zierlichere Kunststücke<br />
ausprobieren, nach geeigneteren<br />
Wellen suchen, vielleicht werden<br />
Sie sogar <strong>das</strong> romantische Leben<br />
eines Bodyboar<strong>der</strong>s beginnen. Wohin<br />
die neue Leidenschaft für diese<br />
<strong>Be</strong>schäftigung führt, bleibt ungewiss,<br />
aber im Unerwarteten liegt<br />
auch <strong>das</strong> ganze Vergnügen.<br />
Was halten Sie davon, haben Sie<br />
Lust bekommen, sich in die Wellen<br />
zu stürzen? O<strong>der</strong> träumen Sie von<br />
etwas hoch oben im blauen Himmel?<br />
Sehen Sie, so sind wir alle – die<br />
einen verzaubert die Unbeständigkeit<br />
des Wassers, die an<strong>der</strong>en ziehen<br />
Höhe o<strong>der</strong> Geschwindigkeit an.<br />
Ich selbst wurde seit Kindesalter im<br />
Geist des Ausprobierens erzogen –<br />
wenn du nichts ausprobierst, wirst<br />
du auch nichts erfahren. Ich habe<br />
mich aber auch davon überzeugt,<br />
<strong>das</strong>s man in einigen Fällen auch<br />
aufhören können muss. Meine<br />
nächste Erprobung bezieht sich auf<br />
die Vergnügungen, die Luft, Höhe<br />
und Raum bieten. Erinnern Sie sich,<br />
hier geht es um ungewöhnliche<br />
aktive Lebensweisen, also habe ich<br />
lange unter den verschiedensten<br />
Möglichkeiten, sich <strong>das</strong> Genick zu<br />
brechen, gesucht. Da ich aber von<br />
Grund auf unter Höheangst leide,<br />
habe ich mich entschlossen, mit einem<br />
kleinen Schritt nach oben zu<br />
beginnen. Ich hoffe, <strong>das</strong>s mich <strong>das</strong><br />
bis an die <strong>Wolke</strong>n bringt!<br />
Weiter, tiefer, heiterer; wenn Sie die<br />
Grundlagen beherrschen, einige<br />
Misserfolge erfahren und freudig<br />
auf vielen Wellen geritten sind, dann<br />
werden Sie zu neuen Taten schreiten.<br />
Früher o<strong>der</strong> später werden Sie sich<br />
für mehr als nur <strong>das</strong> saubere Wellenreiten<br />
interessieren, <strong>der</strong> Hunger nach<br />
Kunststücken wird kommen und Sie<br />
sollten sich auf gar keinen Fall bremsen.<br />
Eine gelungene Drehung in <strong>der</strong><br />
Luft verleiht dem Bodyboar<strong>der</strong><br />
© Thinkstock (3)<br />
21
sailor<br />
Über Bodyboarding / Boogie Boarding<br />
Wenn man von Bodyboards spricht, muss man<br />
zwangsläufig bei Tom Morley beginnen, da niemand<br />
an<strong>der</strong>s als er 1971 <strong>das</strong> erste Brett zusammengeklebt<br />
(im wahrsten Sinne des Wortes) und getestet hat.<br />
Der damalige Surfboard-Schöpfer<br />
mit Ingenieurbildung machte in Hawaii<br />
Urlaub und entwarf neue Surfboard-Designs.<br />
Eines Tages dachte<br />
er beim Blick auf die idealen Wellen,<br />
<strong>das</strong>s er sie gern ausprobieren würde.<br />
Er hatte allerdings nur ein kaputtes<br />
Surfbrett dabei, eine nicht geglückte<br />
Erfindung, die zu lang war und beim<br />
Test im Wasser beschädigt wurde. Von<br />
<strong>der</strong> Idee eingenommen und von <strong>der</strong><br />
Inspiration erfasst, schnitt er <strong>das</strong> Brett<br />
mit einem elektrischen Messer entzwei<br />
und erhitzte mit einem Bügeleisen<br />
den Schaumkunststoff, aus dem<br />
<strong>das</strong> Surfbrett bestand, bis <strong>das</strong> Brett<br />
die gewünschte Form erhielt. Zur<br />
Aufnahme <strong>der</strong> Hitze verwendete er<br />
Zeitungen. Danach ging er mit dem<br />
kurzen Brett von ungesehener Form<br />
unter dem Arm zum Strand, um es<br />
in den Wellen zu testen. So entstand<br />
<strong>der</strong> Bodyboarding-Sport. Ich würde<br />
sagen, Gott sei Dank, <strong>das</strong>s es auf <strong>der</strong><br />
Welt solche erstaunlichen „Verrückten“<br />
wie Tom Morley gibt, dank <strong>der</strong>er<br />
wir uns an solchen erfolgreichen<br />
Erfindungen wie dem Bodyboard erfreuen<br />
können.<br />
Die ersten Bodyboards waren billig<br />
und erschwinglich, weshalb dieser<br />
Wassersport viele Enthusiasten um<br />
sich scharte: erfahrene und eher<br />
unerfahrene, die sich in die heranrollenden<br />
Wellen stürzen wollten.<br />
Das gefiel den Surfern nicht sehr<br />
und sie brachten auf verschiedene<br />
Art und Weise ihren Unmut und<br />
ihre Verachtung gegenüber den<br />
ihrer Meinung nach nicht gleichwertigen<br />
Wellenräubern zum Ausdruck.<br />
Bodyboarding als Sportart<br />
war jedoch auf dem Vormarsch<br />
und erblühte, und 1979 fand <strong>der</strong><br />
erste professionelle Wettbewerb<br />
am Huntington <strong>Be</strong>ach in Kalifornien<br />
(USA) statt.<br />
22
Score<br />
© Thinkstock (3)<br />
Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />
Ziel zu erreichen.<br />
Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />
die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
23
explorer<br />
24<br />
Für diejenigen,<br />
die sich nach<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
in <strong>der</strong><br />
LUFT sehnen.<br />
Slacklining –<br />
was soll <strong>das</strong><br />
sein?<br />
© Thinkstock (3)
In <strong>der</strong> Kindheit haben wir es alle gemocht, über schmale<br />
Stege, Stämme o<strong>der</strong> sogar über Gelän<strong>der</strong> zu laufen.<br />
Warum sollte man<br />
sich mit Slacklining<br />
beschäftigen?<br />
Ich bin auf alle nicht zu hohen Mauern<br />
geklettert und die Hände zu den<br />
Seiten ausgestreckt bin ich auf ihnen<br />
balanciert, bloß ein falscher Schritt<br />
zwang mich, herunterzuspringen<br />
o<strong>der</strong> die ausgestreckte Hand meiner<br />
Mutter zu ergreifen. Das war eines<br />
von vielen Spielen, die ich mochte,<br />
die ich aber einfach vergessen habe.<br />
Zwei erwachsene Felsenkletterer aus<br />
Kalifornien haben diese kindlichen<br />
Vergnügungen jedoch nicht vergessen<br />
und mögen es, auf schwingenden<br />
Ketten, die zum Absperren von<br />
Plätzen verwendet werden, zu gehen<br />
und zu balancieren. Man kann sich<br />
fragen, was hier so erstaunlich ist, wer<br />
von uns ist denn noch nicht auf eine<br />
solche Kette geklettert. Aber ist es<br />
Ihnen gelungen, sie von Anfang bis<br />
Ende zu beschreiten, mit <strong>der</strong> richtigen<br />
Balance und ohne <strong>das</strong> Gleichgewicht<br />
zu verlieren?!<br />
Die beiden Kalifornier, die von <strong>der</strong><br />
Erfahrung ihrer Spiele so entzückt<br />
waren, haben sich entschlossen, die<br />
neu entdeckte <strong>Be</strong>schäftigung zu perfektionieren.<br />
Dafür haben sie Webegurte<br />
benutzt, die zum Felsenklettern<br />
eingesetzt werden, sie zwischen zwei<br />
stützenden Punkten angebracht und<br />
so wurde ein neuer Sport ins Leben<br />
gerufen – <strong>das</strong> mo<strong>der</strong>ne Slacklining,<br />
<strong>das</strong> sich später in <strong>der</strong> ganzen Welt<br />
verbreitete.<br />
Wie Sie bereits verstanden haben, ist<br />
es ein Balanciersport, eine Art des Gehens<br />
auf einem Seil. Nur in diesem Fall<br />
ist <strong>das</strong> spezifische Nylonband flach<br />
und nicht rund wie ein Seil. Es ist weniger<br />
gespannt, sehr elastisch und<br />
dynamisch. Die Fortbewegung auf einem<br />
solchen Band ist nicht einfach, da<br />
es auf Gewicht und die kleinste <strong>Be</strong>wegung<br />
reagiert, indem es sich spannt<br />
und schwankt, als wäre es ein langes<br />
schmales Trampolin. Ungeachtet dessen<br />
sind erfahrene <strong>Be</strong>nutzer in <strong>der</strong><br />
Lage, nicht nur von einem Ende des<br />
Bandes zum an<strong>der</strong>en zu ge<strong>langen</strong>,<br />
son<strong>der</strong>n auf ihm auch die schwierigsten<br />
Kunststücke auszuführen, beispielsweise<br />
ein Rad zu schlagen o<strong>der</strong><br />
einen Spagat zu machen, o<strong>der</strong> einen<br />
doppelten Salto zu vollziehen, ohne<br />
dabei den Boden zu berühren.<br />
Man sollte natürlich bei kleineren<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen beginnen, und<br />
nachdem man Selbstvertrauen und<br />
Verständnis davon erlangt hat, wie<br />
<strong>das</strong> auf den ersten Blick nicht zu bändigende<br />
Band sich verhält, kann man<br />
zu solchen Dingen wie dem Balancieren<br />
auf einem <strong>Be</strong>in, dem Rückwärtsgehen,<br />
<strong>der</strong> Drehung, <strong>der</strong> Hüpfbewegung<br />
u. Ä. übergehen. Am meisten<br />
hat mich <strong>das</strong> Kunststück des Surfens<br />
interessiert, <strong>das</strong> jedem Anfänger als<br />
totaler Kosmos erscheint, aber nun<br />
bin ich fast am Ziel und nach dem Filmen<br />
scheint es, <strong>das</strong>s mein Oberkörper<br />
in <strong>der</strong> Luft hängt und mein Unterkörper<br />
sich wild zu den Seiten bewegt, so<br />
als ob ich auf Wellen reiten würde. Ich<br />
würde sagen, <strong>das</strong> ist <strong>der</strong> <strong>Be</strong>weis, <strong>das</strong>s<br />
ich ein durchschnittliches Slacklining-<br />
Niveau erreicht habe.<br />
Weil es eine beson<strong>der</strong>s heitere <strong>Be</strong>schäftigung<br />
ist, die jedem, <strong>der</strong> in<br />
<strong>der</strong> Lage ist sich zu bewegen, zugänglich<br />
ist. Diese <strong>Be</strong>schäftigung<br />
erfor<strong>der</strong>t keine großen Investitionen,<br />
viel Zeit o<strong>der</strong> Vorbereitung<br />
– lediglich den Willen dazu. Man<br />
muss es nur einmal probieren und<br />
man wird immer wie<strong>der</strong> auf dieses<br />
seltsame schwingende Band<br />
steigen wollen. Ich weiß nicht, wo<br />
hier die Magie versteckt ist, aber<br />
diese <strong>Be</strong>schäftigung hat mich vollständig<br />
in ihren Bann gezogen. Es<br />
ist ein anstecken<strong>der</strong> Sport, dessen<br />
positive Energie sich auf alle alltäglichen<br />
<strong>Be</strong>schäftigungen überträgt,<br />
und <strong>das</strong> ist ein riesiger Ansporn<br />
zum Fortschreiten und zur Verbesserung.<br />
Zu Anfang wird allein <strong>der</strong> Versuch,<br />
auf <strong>das</strong> Seil zu steigen, sicher in<br />
einem Fiasko enden, aber nach einiger<br />
Zeit wird sich Ihr Körper entspannen,<br />
und es sind praktisch nur<br />
einige Probedurchgänge nötig, um<br />
sich zu kontrollieren und auf <strong>das</strong><br />
Band zu steigen. Danach erfor<strong>der</strong>t<br />
es einige Stunden, um zu stehen,<br />
länger und länger, bis es letzten<br />
Endes möglich sein wird, sich zu<br />
bewegen und auf diesem instabil<br />
erscheinenden Ding zu gehen.<br />
Der Gleichgewichtssinn ist dem Menschen<br />
angeboren, aber im Laufe des<br />
Lebens schwächt diese Eigenschaft<br />
aus verschiedenen Gründen in uns<br />
ab. <strong>Be</strong>reits nach einigen Wochen<br />
kurzer Probedurchgänge auf <strong>der</strong><br />
Slackline werden Sie beobachten,<br />
wie Ihre Haltung sich verbessert hat.<br />
Sogar mein Rückenschmerz (ein altes<br />
Trauma), <strong>der</strong> mich abends im<br />
<strong>Be</strong>tt gequält hat, war verschwunden.<br />
Das Wichtigste ist, <strong>das</strong>s alle<br />
Verän<strong>der</strong>ungen geschahen, ohne<br />
<strong>das</strong>s ich einen Tropfen Schweiß vergießen<br />
musste.<br />
25
explorer<br />
Eine gefährliche<br />
<strong>Be</strong>schäftigung<br />
Wenn Sie sich psychologisch mit dem<br />
Band anfreunden, dann verstehen<br />
Sie, <strong>das</strong>s Sie mit angespanntem Verstand<br />
Ihren Körper nicht kontrollieren<br />
können, und <strong>das</strong> überträgt sich auch<br />
automatisch auf <strong>das</strong> Band – dann bewegt<br />
es sich unkontrolliert und nichts<br />
klappt. Nach und nach wird <strong>der</strong><br />
Wunsch, sich auf dem Band zu halten,<br />
alle an<strong>der</strong>en Sorgen überlagern, die<br />
Ihnen im Kopf herumgegangen sind,<br />
und dann kommt die Entspannung.<br />
Sie werden flexibler, können sich kontrollieren<br />
und im Ergebnis wird Ihnen<br />
<strong>das</strong> ein erstaunliches Gefühl von Freiheit<br />
geben. Sie werden auf die Slackline<br />
steigen und wissen, <strong>das</strong>s sie die<br />
Situation voll im Griff haben, denn wie<br />
Sie eine Vibration o<strong>der</strong> ein Schwanken<br />
verursacht haben, so können Sie<br />
beides wie<strong>der</strong> stoppen. Der Verstand<br />
wird mit <strong>der</strong> Muskulatur zusammenarbeiten.<br />
Es ist eine ungewöhnlich<br />
harmonische <strong>Be</strong>schäftigung, insofern<br />
spontan, wie sie es wünschen, und beruhigend<br />
und inspirierend wie Yoga<br />
o<strong>der</strong> Meditation.<br />
Wo soll ich<br />
anfangen?<br />
Eine Ausrüstung für Anfänger können<br />
Sie in jedem beliebigen Sportgeschäft<br />
kaufen, wo es Ausrüstung für Alpinisten<br />
gibt, und dort finden Sie alles,<br />
was benötigt wird, einschließlich <strong>der</strong><br />
einfachen Vorrichtung zum Anspannen<br />
des Bandes. <strong>Be</strong>ginnen können<br />
Sie auch auf dem eigenen Hof (<strong>der</strong><br />
beliebteste Ort für <strong>das</strong> Slacklining),<br />
es werden nur zwei feste Gebilde<br />
benötigt, zwischen denen <strong>das</strong> Band<br />
aufgespannt werden kann. Das können<br />
Bäume, Pfosten o<strong>der</strong> etwas Ähnliches<br />
sein. Die Länge <strong>der</strong> Slackline ist<br />
unterschiedlich – von 3 bis 30 Metern<br />
(für den Anfang sind 5–10 Meter ideal),<br />
abhängig vom Ort. Die Breite des<br />
Bandes beträgt 25 mm, eine Industrienorm,<br />
aber es gibt auch an<strong>der</strong>weitige<br />
Maße. Es besteht aus Nylon und <strong>der</strong><br />
Preis für ein Set liegt bei 50 € aufwärts.<br />
Das wars, weiter nichts!<br />
Wie man es auch sieht – Gefährlichkeit,<br />
wie auch Schönheit, sind eine<br />
sehr subjektive Angelegenheit. Die<br />
meisten Enthusiasten dieser <strong>Be</strong>schäftigung<br />
balancieren und führen<br />
ihre Kunststücke in einer Höhe<br />
von nur 50–60 Zentimetern aus.<br />
Natürlich kann man auch in einer<br />
Suppenschüssel ertrinken und Sie<br />
können sicher sein, <strong>das</strong>s Sie beim<br />
Lernen den Boden mehrmals berühren<br />
werden, und <strong>das</strong> nicht auf<br />
die angenehmste Art und Weise.<br />
Aber meiner Meinung nach ist dies<br />
ein Sport, <strong>der</strong> nicht viel Gefahr bedeutet.<br />
Am Wichtigsten ist es, am<br />
Anfang, wenn Ihr Körper noch völlig<br />
aus Gelee ist und wenn Sie oben<br />
auf dem Band stehen, Ihre Arme die<br />
Luft durchrühren, als wären sie Flügel<br />
einer Windmühle, <strong>das</strong>s Sie auf<br />
den unangenehmen Fall angemessen<br />
vorbereitet wären. Spannen Sie<br />
<strong>das</strong> Band wenigstens über Gras auf,<br />
Sie können auch Heu darunter verteilen,<br />
falls Sie darüber verfügen,<br />
ansonsten genügen auch Matratzen<br />
o<strong>der</strong> etwas, <strong>das</strong> Ihnen sowohl<br />
psychologisch, als auch körperlich<br />
ein Sicherheitsgefühl gibt. Sehr<br />
heiter ist <strong>das</strong> Slacklining am Strand<br />
auf Sand, aber dann dürfen Sie<br />
sich nicht von probierfreudigen<br />
Neugierigen o<strong>der</strong> einfach nur von<br />
Zuschauern aus <strong>der</strong> Ruhe bringen<br />
lassen. Die Anspannung des Bandes<br />
können Sie auch nach ihrem<br />
Niveau an Professionalität regulieren,<br />
und die gesamte Herrichtung<br />
des Trainingsgeländes wird nur<br />
einige Minuten dauern. Überlegen<br />
Sie, ob es nicht toll wäre, Liegestützen<br />
nicht langweilig auf dem Boden,<br />
son<strong>der</strong>n auf einem Seil zu machen<br />
o<strong>der</strong> Lotossitz einen halben<br />
Meter in <strong>der</strong> Luft aufzuführen? Es<br />
klingt unglaublich, aber <strong>das</strong> sind<br />
ganz und gar mögliche Dinge. Man<br />
muss nur wollen und am wichtigsten<br />
– es tun.<br />
26
Freestyle-<br />
Slacklining o<strong>der</strong><br />
Rodeo-Slacklining<br />
Für diese <strong>Be</strong>schäftigung wird <strong>das</strong><br />
gleiche Band verwendet, es wird<br />
nur nicht angespannt. In <strong>der</strong> Mitte<br />
hängt es in einer Höhe von etwa<br />
einem halben Meter und seine Länge<br />
beträgt meistens von 4,5 bis 9<br />
Metern. Diese Freiheit des Bandes<br />
verleiht eine neue Dynamik für<br />
Kunststücke, <strong>das</strong> Band kann in großer<br />
Amplitude schwingen und es<br />
ist wesentlich schwieriger, die Kontrolle<br />
zu er<strong>langen</strong>.<br />
© Thinkstock (2)<br />
© Dreamstime (2)<br />
Variationen des<br />
Slacklining<br />
Tricklining o<strong>der</strong> Lowlining ist die berühmteste<br />
Art des Slacklining, wo die<br />
Kunststücke auf einem in geringer<br />
Höhe aufgespannten Band ausgeführt<br />
werden. Genau über diese Art<br />
haben Sie zuvor gelesen. Ich beschäftige<br />
mich selbst damit und biete auch<br />
Ihnen an, <strong>das</strong> zu tun.<br />
Yoga-Slacklining<br />
Ich denke, <strong>das</strong>s die <strong>Be</strong>zeichnung alles<br />
erklären sollte. Es handelt sich um traditionelles<br />
Yoga übertragen auf ein<br />
elastisches Band. Oh ja, die korrekte<br />
Ausführung <strong>der</strong> Yogapositionen wird<br />
viel schwieriger, und <strong>der</strong> Gleichgewichtssinn<br />
und die Konzentration<br />
erhalten einen neuen Sinn. Es ist wirklich<br />
eine Ausweitung <strong>der</strong> Grenzen <strong>der</strong><br />
eigenen Möglichkeiten.<br />
Waterling<br />
ist eine sehr lustige Art und Weise<br />
über dem Wasser zu balancieren. So<br />
ist es sicherer, neue Kunststücke auszuprobieren,<br />
beson<strong>der</strong>s bei verschiedenen<br />
Saltos in <strong>der</strong> Luft. Wenn man<br />
dabei die Slackline verfehlt hat und<br />
abstürzt, dann ist es recht heiter, natürlich,<br />
wenn <strong>das</strong> Wasser warm ist.<br />
27
explorer<br />
Highlining<br />
ist bereits eine gefährliche Angelegenheit.<br />
Hierbei handelt es sich um<br />
Slacklining, <strong>das</strong> nicht nur in <strong>Be</strong>zug auf<br />
die Entfernung, die es zu bewältigen<br />
gilt, als auch auf die Höhe, in <strong>der</strong> <strong>das</strong><br />
Band gespannt wird, eindrucksvoll<br />
ist. Meistens ist es keine einfache, son<strong>der</strong>n<br />
eine speziell befestigte Slackline.<br />
Und die Orte, die bei denjenigen, die<br />
sich auf diese extreme Weise ausprobieren<br />
wollen, liegen meisten hoch<br />
in den <strong>Be</strong>rgen, wo es viele Schluchten<br />
gibt o<strong>der</strong> neben <strong>Be</strong>rgmassiven<br />
ein einsamer Felsen aufragt, und <strong>das</strong><br />
Band wird benutzt, um sie zu verbinden<br />
(z. B. Lost Arrow Spire in Kalifornien<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Be</strong>rg Kjerag in Norwegen).<br />
Kennen Sie einen ähnlichen<br />
Ort? Bitte, dann ist <strong>der</strong> Spaziergang<br />
über dem Abgrund vorbereitet!<br />
Der längste bewältigte Rekord im<br />
Highlining wurde im vorigen Jahr aufgestellt<br />
und beträgt 86 Meter, und <strong>der</strong><br />
Rekord im Slacklining beträgt sogar<br />
306,8 Meter. Am höchsten wurde <strong>das</strong><br />
Band in einer Höhe von 1000 Metern<br />
aufgespannt und überquert. Nein,<br />
<strong>das</strong> sind nicht zu viele Nullen, übrigens<br />
ist es ein Rekord aus dem Jahr 2007.<br />
Fehlt es Ihnen vielleicht an Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
im Leben und möchten Sie<br />
es verbessern? Haben Sie keine Angst,<br />
meistens leinen sich diese verrückten<br />
Deardevils mit Spezialseilen an. Es gibt<br />
aber auch Slackliner, die in unglaublicher<br />
Höhe ohne Sicherungsvorrichtung<br />
unterwegs sind.<br />
Enthusiasten mögen übrigens auch<br />
hohe Gebäude, was man als Urbanistic<br />
Highlining bezeichnet, und bekommen<br />
es ab und zu mit den Rechtsbehörden<br />
zu tun. Na, es ist ja auch nicht<br />
ganz legal, sein Band zwischen <strong>Wolke</strong>nkratzern<br />
aufzuspannen, in Sprüngen<br />
darauf zu balancieren und damit<br />
die kleinen Bürger am Boden zu erschrecken,<br />
obwohl die „Hooligans“<br />
selbst darin keinen Kriminalfall sehen.<br />
Wie Sie also verstanden haben, kennt<br />
Perfektion keine Grenzen. Sie können<br />
nach oben streben o<strong>der</strong> Ihre Technik<br />
am Boden perfektionieren, je<strong>der</strong>, wie<br />
er es wünscht.<br />
Zeit sich zu<br />
bewegen<br />
Ich denke, Sie haben jetzt zu <strong>Land</strong>,<br />
auf dem Wasser und in <strong>der</strong> Luft die<br />
Wahl. Alle <strong>Be</strong>schäftigungen, über<br />
die Sie gerade gelesen haben, sind<br />
heiter und erschwinglich. Aber<br />
bevor Sie nicht am eigenen Leib<br />
ausprobieren, was es bedeutet,<br />
harmonisch mit einer brechenden<br />
Welle zu gleiten, o<strong>der</strong> mit einem<br />
Trikke zur Arbeit zu fahren, anstatt<br />
einer langweiligen Fahrt mit dem<br />
Bus o<strong>der</strong> mit dem Auto, o<strong>der</strong> sicher<br />
auf einem sich gefährlich bewegenden<br />
Band umherzuspringen und<br />
von Ihren Freunden vor Entzücken<br />
beklatscht zu werden – solange Sie<br />
Ihren Hintern nicht in <strong>Be</strong>wegung<br />
versetzen, wird die Harmonie und<br />
<strong>das</strong> echte Vergnügen Ihnen fremd<br />
sein.<br />
Am Wichtigsten ist es, sich die geeignete<br />
<strong>Be</strong>schäftigung auszusuchen,<br />
sie auszuprobieren, nicht<br />
den Kopf hängen zu lassen und fest<br />
daran zu glauben, <strong>das</strong>s Ihre Augen<br />
eines Tages erleuchtet werden, und<br />
dann benötigen Sie keine <strong>Be</strong>weise<br />
mehr. Sie werden wissen, <strong>das</strong>s dies<br />
genau für sie geeignet ist.<br />
Und jetzt ist es für mich an <strong>der</strong> Zeit,<br />
meine steife Muskulatur in <strong>Be</strong>wegung<br />
zu versetzen. Nur was soll ich<br />
wählen: Trikke o<strong>der</strong> Slacklining?<br />
Zu den Wellen muss man etwas<br />
fahren und heute schaffe ich <strong>das</strong><br />
nicht mehr. Na, dann soll es Slacklining<br />
zum Aufwärmen und Trikke<br />
zum Entladen sein.<br />
Auf Wie<strong>der</strong>sehen und viel Erfolg!<br />
28
29<br />
© Dreamstime (2)
explorer<br />
Über Slacklining<br />
Das Gehen auf einem gespannten Seil (tightrope walking) besteht in <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Form schon mehrere tausend Jahre, aber <strong>das</strong> Slacklining – <strong>das</strong> Balancieren<br />
und Ausführen von Kunststücken auf einem elastischen Nylonband, <strong>das</strong> zwischen<br />
zwei Punkten aufgespannt ist, entstand vor gerade einmal dreißig Jahren.<br />
Diese <strong>Be</strong>schäftigung haben viele<br />
Menschen lieb gewonnen, die auf<br />
<strong>der</strong> Suche nach einer ausdrucksstarken,<br />
heiteren und erschwinglichen<br />
Sportart sind. Und wer die Höhe liebt,<br />
passte Slackline an, um sich in halsbrecherischer<br />
Höhe auf die Probe zu<br />
stellen (highlining). Meistens leinen<br />
sich diese Höhen- und Adrenalinfanatiker<br />
beim Balancieren auf dem Band<br />
über einem Abgrund <strong>der</strong> Welt zur Sicherheit<br />
an, aber es gibt auch solche<br />
wie Dean Potter. Dieser einzigartige<br />
verwegene Mann spürt den unbesiegbaren<br />
Wunsch, in hun<strong>der</strong>ten Metern<br />
Höhe zu gehen – frei, unbeengt<br />
von Kleidung o<strong>der</strong> Sicherungsvorrichtungen<br />
– einfach barfuß, ohne<br />
Shirt, nur mit einer Jeans bekleidet.<br />
Er setzt einen Fuß nach dem an<strong>der</strong>en<br />
auf <strong>der</strong> Slackline und jagt dabei<br />
vielen Menschen einen Schauer über<br />
den Rücken: nicht nur einfachen<br />
Menschen, für die ein solch exzentrisches<br />
<strong>Be</strong>nehmen und Wahnsinn<br />
<strong>das</strong> Gleiche bedeuten, son<strong>der</strong>n auch<br />
eingeschworenen Höhenfliegern,<br />
von denen die meisten <strong>der</strong> Meinung<br />
sind, <strong>das</strong>s solche Unachtsamkeit (<strong>das</strong><br />
Gehen auf <strong>der</strong> Slackline ohne Schutzvorrichtung)<br />
einen Schatten auf den<br />
im Prinzip sicheren Highlining-Sport<br />
wirft. Der siebenunddreißig Jahre<br />
alte Amerikaner selbst behauptet,<br />
<strong>das</strong>s er nie die Kontrolle verliert und<br />
darauf vorbereitet ist, <strong>das</strong> Band zu ergreifen,<br />
wenn er nur etwas mehr zur<br />
einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite schwanken<br />
sollte. Wenn man seine „Auftritte“ betrachtet,<br />
dann scheint es, als würde<br />
er beim Balancieren meditieren o<strong>der</strong><br />
gar spielen.<br />
Dean lebt als Einsiedler in <strong>der</strong> wilden<br />
Natur: in Felsen o<strong>der</strong> unter Bäumen,<br />
und obwohl er ständig von Nachahmern<br />
und Neugierigen beobachtet<br />
wird, scheint es, <strong>das</strong> ihn dieses Verhalten<br />
nicht einengt o<strong>der</strong> interessiert.<br />
Unter Extremsportlern ist Dean Potter<br />
als talentierter Alpinist, B.A.S.E.-Springer,<br />
Felsenkletterer und Highliner<br />
weltweit bekannt. Ansonsten sagt er,<br />
<strong>das</strong>s seine Wertvorstellungen denen<br />
<strong>der</strong> meisten Menschen ähnlich sind,<br />
d. h. für ihn zählen Liebe, Wahrheit,<br />
Respekt und <strong>der</strong> Wunsch nach Vergnügen.<br />
Man muss jedoch eingestehen,<br />
<strong>das</strong>s <strong>der</strong> <strong>Be</strong>griff Vergnügen sehr<br />
weit gefasst ist.<br />
Score<br />
Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />
Ziel zu erreichen.<br />
Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />
Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />
Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />
die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
30
Impressum<br />
Verlag<br />
Extreme Media House GmbH<br />
Vingriu ,13-19<br />
01141 Vilnius<br />
info@extrememh.eu<br />
Redaktion<br />
Arūnas Butkus (Chefredakteur)<br />
Tel. +370687 57732<br />
arunas@extrememh.eu<br />
Laurynas Rimeikis<br />
laurynas@extrememh.eu<br />
Dalius Rakutis<br />
dalius@extrememh.eu<br />
Autoren<br />
Viktorija Butautis<br />
Gediminas Galkauskas<br />
Ovidijus Ruškys<br />
Übersetzer<br />
Christian Ricardo Fedeler<br />
Vida Kaluza<br />
Text Herausgeber<br />
Giedra Zokaitytė<br />
Layout<br />
RZidea<br />
Algirdo str. 31-503<br />
LT-03219 Vilnius, Lithuania<br />
Tel./fax +370 5 26 16 922<br />
Mob. +370 676 07 257<br />
info@RZidea.lt<br />
www.rzidea.lt<br />
Lina Petrovaitė (designer)<br />
Bil<strong>der</strong><br />
Anzeigenverkauf<br />
info@extrememh.eu<br />
Diese Zeitschrift und alle in ihr enthalten einzelnen <strong>Be</strong>iträge und<br />
Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb<br />
<strong>der</strong> engen Grenzen des Uhrheberrechtsgesetzes bedarf <strong>der</strong><br />
Zustimmung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />
und Fotos wird keine Haftung übernommen.<br />
Alle Rechte vorbehalten.<br />
© Thinkstock (4)<br />
31
explorer<br />
<strong>Aotearoa</strong>* –<br />
<strong>das</strong> <strong>Land</strong> <strong>der</strong> <strong>langen</strong><br />
weiSSen <strong>Wolke</strong><br />
Text Viktorija Butautis<br />
32
Wie alles begann<br />
Es gibt viele Wege, sich <strong>der</strong> Anspannung, bekommenen<br />
Stimmung und sogar Depression zu entledigen.<br />
Man kann einfach Medikamente nehmen<br />
o<strong>der</strong> mit Freunden feiern, man<br />
kann sich auch Yoga, Meditation o<strong>der</strong><br />
Tai Chi zuwenden. Das hat mir jedoch<br />
nicht mehr genügt, eine grundlegende<br />
Verän<strong>der</strong>ung in meinem gesamten<br />
Umfeld musste geschehen.<br />
Eines Abends, als ich die Tür des Büros<br />
schloss, habe ich verstanden, <strong>das</strong>s ich<br />
so einfach nicht mehr leben kann. Der<br />
Motor war ausgegangen, ich wollte<br />
rennen, <strong>das</strong> „Rattenrennen“, die Hast<br />
und ständige Anspannung vergessen.<br />
Ich wollte <strong>das</strong> Leben und seine<br />
erfrischende Kraft spüren. Ich bekam<br />
keine Luft – in je<strong>der</strong> Hinsicht.<br />
Ich bin Derek Rock, über vierzig, und<br />
jetzt fühle ich mich hervorragend. <strong>Be</strong>i<br />
<strong>der</strong> Entscheidung kam mir <strong>der</strong> Zufall<br />
zu Hilfe. Ich denke, <strong>das</strong>s es im Leben<br />
oft so geschieht, wenn die Situation<br />
völlig hoffnungslos wird, dann taucht<br />
<strong>der</strong> Ausweg direkt vor <strong>der</strong> Nase auf<br />
und man muss ihn nur nutzen. <strong>Be</strong>im<br />
abendlichen Durchschalten <strong>der</strong> Fernsehprogramme<br />
habe ich jemanden<br />
gesehen, <strong>der</strong> durch die Luft fliegt. Er<br />
hatte keine Flügel, saß in keinem Apparat<br />
und nichts hat ihn aufgehalten,<br />
– er flog durch die Luft, die Arme zu<br />
den Seiten ausgestreckt, und in seinem<br />
Gesicht wi<strong>der</strong>spiegelte sich ein<br />
<strong>der</strong>artiges Gefühl von Freiheit, <strong>das</strong>s<br />
ich hypnotisiert von diesem Anblick<br />
erstarrte. Plötzlich wurde mir klar,<br />
auch ich brauche etwas Ähnliches:<br />
Von einer Brücke springen, diese Freiheit<br />
und emotionelle Entladung spüren,<br />
die ein solcher Sprung mit sich<br />
bringen kann. Ich hatte nicht vor, mir<br />
<strong>das</strong> Leben zu nehmen, schnappte mir<br />
den Globus und habe mir irgendwo<br />
von Europa entfernt liegende Inseln<br />
gesucht.<br />
Neuseeland ist ein Ort <strong>der</strong> extremen<br />
und völlig bizarren Vergnügungen,<br />
die Welthauptstadt <strong>der</strong> Abenteuer,<br />
ein <strong>Land</strong>, <strong>das</strong> Tausenden nach Adrenalin<br />
dürstenden Menschen die<br />
Möglichkeit gegeben hat, dieses einmalige<br />
Gefühl zu verspüren, wenn<br />
<strong>das</strong> Herz scheinbar vor Überlastung<br />
stillsteht, die Sekunde, nach <strong>der</strong> Leben<br />
einen neuen Pulsschlag erhält.<br />
Freiheit, Energie, LEBEN.<br />
Meine Augen strahlten auf und nach<br />
einigen Tagen saß ich im Flugzeug,<br />
bis ich nach dreimaligem Umsteigen<br />
dort ankam, wo mich eine Ladung<br />
schockieren<strong>der</strong> Emotionen erwartete.<br />
Die Reise dauerte an<strong>der</strong>thalb Tage,<br />
was nicht zu den angenehmsten Dingen<br />
gehört, aber glauben Sie mir, für<br />
die Sorgen ist es auch ein langer Weg<br />
und sie haben sich irgendwo unterwegs<br />
verirrt. Die furchtbare Entfernung<br />
kam mir zu Gute. Ich bin auf <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Seite des Planeten gelandet,<br />
auf <strong>der</strong> Südhalbkugel, wo sogar <strong>der</strong><br />
Himmel und die Sternbil<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s<br />
sind. Eben so einen Ausbruch hatte<br />
ich nötig.<br />
New Zealand<br />
(NZ) aus <strong>der</strong> Nähe<br />
Auf meiner Reise nach Neuseeland<br />
wusste ich nur so viel, <strong>das</strong>s ich mich<br />
dort in atemberaubende Vergnügungen<br />
verlieben kann und <strong>das</strong>s<br />
es dort mehr Schafe als Menschen<br />
gibt. Genaueren Angaben zufolge<br />
bezeichnen etwa 39 Millionen Schafe<br />
und nur vier Millionen Menschen<br />
die grünen Hügel <strong>der</strong> Insel als ihr<br />
Zuhause, und <strong>das</strong> bedeutet, <strong>das</strong>s<br />
dieses <strong>Land</strong> eines <strong>der</strong> am dünnsten<br />
besiedelten Gebiete <strong>der</strong> Welt ist.<br />
Schon seit dem Ersten Weltkrieg<br />
werden die Einwohner von NZ auf<br />
<strong>der</strong> Welt Kiwis genannt, obwohl<br />
dies eigentlich <strong>der</strong> Name des neuseeländischen<br />
Nationalsymbols<br />
– eines Vogels ist. Der Kiwi fliegt<br />
nicht und hat ungefähr die Größe<br />
eines Huhns. Seinen Namen erhielt<br />
er durch die Laute, die er ausstößt,<br />
welche für die ersten Einwohner,<br />
die Maori, ähnlich k<strong>langen</strong> wie<br />
„kiwi kiwi kiwi“.<br />
© Thinkstock (3)<br />
33
explorer<br />
Es wurde nicht genau festgestellt,<br />
wann die ersten Einwohner <strong>der</strong> Ostpolynesischen<br />
Inseln, die später zu Maori<br />
wurden, auf diesem fruchtbaren<br />
Kontinent auftauchten. Man ist <strong>der</strong><br />
Meinung, <strong>das</strong>s dies ungefähr im Jahr<br />
1200 geschehen ist. Die Entstehung<br />
des Kontinents selbst ist von Mythen<br />
und Legenden umwoben, die davon<br />
sprechen, <strong>das</strong>s vor langer Zeit, nachdem<br />
die Welt geschaffen wurde, <strong>der</strong><br />
Halbgott Maui gemeinsam mit seinen<br />
fünf Brü<strong>der</strong>n auf Fischfang ging. Weit,<br />
weit draußen auf dem Ozean zückte<br />
Maui seinen Wun<strong>der</strong>haken, <strong>der</strong> aus<br />
dem Kiefer <strong>der</strong> Großmutter gefertigt<br />
war, und anstelle des Kö<strong>der</strong>s bestrich<br />
er den Haken mit dem Blut aus seiner<br />
Nase, befestigte den Haken an einem<br />
beson<strong>der</strong>s dicken Strick, warf ihn<br />
über den Rand des Kanus ins Wasser<br />
und wartete auf den Fang. Kurz darauf<br />
fing Maui einen ungewöhnlich<br />
großen Fisch, den er dank großer<br />
<strong>Be</strong>mühungen an die Oberfläche zog.<br />
Dieser Fisch wurde zur Nordinsel Neuseelands,<br />
von den Maori des Altertums<br />
„Te Ika a Maui“ (Fisch von Maui)<br />
genannt, und <strong>das</strong> Kanu des Halbgottes<br />
wurde zur Südinsel, die „Te Waka<br />
o Maui“ (Kanu von Maui) genannt<br />
wurde.<br />
Heutzutage machen die Maori etwa<br />
14 % <strong>der</strong> Einwohner Neuseelands aus<br />
und ihre <strong>Be</strong>völkerung wächst. Im <strong>Land</strong><br />
gibt es zwei offizielle Sprachen – Englisch<br />
und Maori, wobei jedoch nur 10–<br />
20 % <strong>der</strong> Maori ihre Sprache fließend<br />
beherrschen, obwohl alle Englisch<br />
sprechen. Die Traditionen <strong>der</strong> Maori<br />
sind lebendig, im Gebrauch und auch<br />
in <strong>der</strong> Gegenwart sichtbar. Die auf<br />
<strong>der</strong> Nordinsel befindliche Stadt Rotorua<br />
zeichnet sich durch eine hohe<br />
Maori-<strong>Be</strong>völkerung aus und ist <strong>der</strong><br />
beste Ort, um sich mit dieser reichen<br />
und höchst interessanten Kultur aus<br />
<strong>der</strong> Nähe vertraut zu machen. Trotz<br />
eines kommerziellen <strong>Be</strong>igeschmacks<br />
lohnt es sich wirklich zu investieren<br />
(ab 90 NZD) in <strong>das</strong> „Hangi“-Fest und<br />
den Auftritt <strong>der</strong> Maori, wobei Sie <strong>das</strong><br />
traditionelle Maori-Dorf „marae“ besuchen<br />
und „haka“, einen erstaunlichen<br />
Tanz, erleben werden. Es hat<br />
keine Ähnlichkeit mit dem, was Sie sich<br />
unter einem Tanz vorstellen, son<strong>der</strong>n<br />
es ist eher ein recht erschreckendes<br />
Schauspiel, <strong>das</strong> traditionell mit einer<br />
<strong>Be</strong>schwörung vor dem Kontakt mit<br />
dem Feind o<strong>der</strong> nach dem Sieg in <strong>der</strong><br />
Schlacht vollzogen wird. Sogar die<br />
Rugby-Mannschaft von NZ, die „All<br />
Blacks“ (www.allblacks.com), vollziehen<br />
vor ihren Wettkämpfen einen beson<strong>der</strong>en<br />
„haka“. Sie wollen dadurch<br />
Kraft und Stärke sammeln und zugleich<br />
auch die Gegner erschrecken.<br />
Es ist ein sagenhafter Anblick, an den<br />
Sie sich lange erinnern werden: Große<br />
und mächtige Männer, zum Teil Maori,<br />
schreien Ihnen aus ganzer Kraft<br />
unverständliche, aber viel bedeutende,<br />
Worte zu und führen synchron<br />
bedrohliche <strong>Be</strong>wegungen aus. Und<br />
all dies vollenden sie mit einer Handbewegung,<br />
die mit nichts zu verwechseln<br />
ist – sie zeigt <strong>das</strong> Durchschneiden<br />
<strong>der</strong> Kehle, also möchte man ihnen<br />
so schnell wie möglich aus dem Weg<br />
gehen. Ich denke, <strong>das</strong>s viele gegnerische<br />
Mannschaften auf die eine o<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>e Weise unter Stress leiden,<br />
wenn sie diesen sehr aggressiv eingestellten<br />
Gegnern gegenüber stehen,<br />
die auf mystische Weise den Sieg<br />
heraufbeschwören. Die Menschen in<br />
Neuseeland sind völlig verrückt nach<br />
Rugby und jede Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong> „All<br />
Blacks“ in <strong>der</strong> Weltarena kommt einer<br />
Nationaltrauer gleich.<br />
34
Wann man reisen<br />
sollte<br />
Es gibt einige Dinge, die Sie bei<br />
<strong>der</strong> Reise nach Neuseeland wissen<br />
sollten: Das Meeresklima <strong>der</strong> Insel<br />
bewirkt plötzliche Wetterverän<strong>der</strong>ungen.<br />
Was am Morgen aussieht<br />
wie ein schöner sonniger Tag, kann<br />
bereits am Nachmittag in grollenden<br />
Regen umschlagen, weshalb<br />
Sie immer etwas wärmere Kleidung<br />
bei sich haben sollten, ungeachtet<br />
<strong>der</strong> Jahreszeit und Ihrer wichtigen<br />
persönlichen Meinung. <strong>Be</strong>son<strong>der</strong>s<br />
wichtig ist dies bei einer Wan<strong>der</strong>ung<br />
in den <strong>Be</strong>rgen.<br />
Die warme Jahreszeit beginnt im<br />
November und besteht bis April,<br />
aber falls Sie den Wunsch nach<br />
Erholung haben und sich nicht in<br />
<strong>langen</strong> Sch<strong>langen</strong> von Wohnwagen<br />
mit kriegerisch gesinnten Eltern<br />
und ihren kreischenden Nachkommen<br />
herumdrängeln wollen,<br />
würde ich raten, den Dezember<br />
und die erste Hälfte des Januars<br />
an<strong>der</strong>swo zu verbringen, denn zu<br />
dieser Zeit haben die Kin<strong>der</strong> von<br />
NZ Sommerferien. Glauben Sie mir,<br />
die Kiwis bleiben nicht zuhause, sie<br />
mögen es zu reisen, Sport zu treiben<br />
und sich auf Erkenntnisreisen<br />
durch ihr <strong>Land</strong> zu erholen, weshalb<br />
man den Kalen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Nationalfeiertage<br />
und den Ferienkalen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong> vor <strong>der</strong> Planung <strong>der</strong> Reise<br />
im Auge behalten sollte.<br />
Meiner Meinung nach sind die etwas<br />
kälteren aber weniger belebten Monate<br />
für die Erforschung Neuseelands<br />
besser geeignet: Oktober / November<br />
im Frühjahr und April / Mai im Herbst.<br />
Zu dieser Zeit liegt die Lufttemperatur<br />
bei 15–21 oC, abhängig von dem Ort,<br />
an dem Sie sich aufhalten, jedoch können<br />
Sie mit mehr Regentagen als zur<br />
Sommersaison rechnen, wo die Temperatur<br />
zwischen 20–30 oC schwankt.<br />
Für gewöhnlich liegt die Temperatur<br />
auf <strong>der</strong> Nordinsel um ein paar Grad<br />
höher als auf <strong>der</strong> Südinsel.<br />
Der Winter (Juni, Juli, August) ist die<br />
ideale Zeit für Schneesportliebhaber.<br />
NZ ist einer <strong>der</strong> beliebtesten Orte des<br />
Ski-Sports auf <strong>der</strong> Südhalbkugel. Abhängig<br />
vom Ort kann man bis zum<br />
November Wintersport treiben.<br />
© Thinkstock (6)<br />
35
explorer<br />
Gefahren<br />
Neuseeland ist, wenn man die Welt<br />
betrachtet, kein gefährliches <strong>Land</strong>,<br />
und eine <strong>der</strong> größten Gefahren<br />
kann sein, <strong>das</strong>s Sie nach Ihrem Urlaub<br />
beschließen, dort zu bleiben.<br />
Wahrlich vergessen einige Urlaubsreisende,<br />
die von den schönen<br />
Ansichten und zuvorkommenden<br />
Ortsansässigen eingelullt sind, die<br />
einfachsten Vorsichtsmaßnahmen.<br />
Ich würde dazu raten, stets <strong>das</strong><br />
Auto abzuschließen und alles Vermögen<br />
sowie Wertgegenstände<br />
bei sich zu führen, im schlimmsten<br />
Fall im Kofferraum zu verstauen.<br />
Auf keinen Fall sollten Sie auch<br />
den Ersatzschlüssel im Auto selbst<br />
aufbewahren. Urlauber fallen oft<br />
Dieben zum Opfer, also seien Sie<br />
wachsam und sichern Ihre teuren<br />
Kameras und Fotoapparate.<br />
Das Fahren in Neuseeland ist nicht<br />
schwer, jedoch ist es wichtig, <strong>das</strong>s<br />
man sich auf <strong>der</strong> richtigen Seite befindet<br />
– auf <strong>der</strong> Insel herrscht nicht<br />
Rechts-, son<strong>der</strong>n Linksverkehr,<br />
weshalb unerfahrene Fahrer oft mit<br />
den Scheibenwischern blinken und<br />
ziemlich lange nach dem Rückspiegel<br />
suchen. Die <strong>Be</strong>rgstraßen sind<br />
schmal und steil, deshalb sollten<br />
Sie eine sichere Geschwindigkeit<br />
wählen und sich selbst genügend<br />
Zeit zum Erreichen des Ziels nehmen.<br />
Lastwagen, mit denen man die Straße<br />
teilen muss, können <strong>der</strong> Reise einen<br />
bitteren <strong>Be</strong>igeschmack verleihen,<br />
beson<strong>der</strong>s wenn Sie sich entschieden<br />
haben, einen Teil <strong>der</strong> Strecken mit<br />
dem Fahrrad zu fahren. Wun<strong>der</strong>n<br />
Sie sich nicht, wenn die Fahrer dieser<br />
mächtigen Autos Ihnen buchstäblich<br />
am Hinterrad kleben, Sie offensichtlich<br />
zerquetschen wollen und ständig<br />
die Hupe betätigen, damit Sie taub<br />
werden. Einige PKW-Fahrer können<br />
sich ebenfalls <strong>der</strong> Fahrradfahrer bedienen,<br />
um ihrem Stress und ihrer<br />
Anspannung Luft zu machen, indem<br />
sie den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Gegenstand<br />
in Richtung des, ihrer Meinung<br />
nach, langsam rollenden Fahrzeugs<br />
werfen. Schafe gehören auch zu den<br />
Unfallursachen; sie ignorieren die<br />
Straßenverkehrsordnung völlig und<br />
vergessen Sie nicht, <strong>das</strong>s es viele von<br />
ihnen gibt, weshalb Sie auf den Straßen<br />
außerhalb <strong>der</strong> Stadt beson<strong>der</strong>s<br />
Acht geben müssen.<br />
Das schnell umschlagende Klima<br />
und ein trotteliger, unvorbereiteter<br />
Urlauber kann eine beson<strong>der</strong>s gefährliche<br />
Kombination bedeuten. Ich<br />
möchte betonen, <strong>das</strong>s Ihre persönliche<br />
Wettervorhersage in Neuseeland<br />
im besten Fall für fünfzehn Minuten<br />
Gültigkeit besitzt – merken Sie sich<br />
<strong>das</strong>. Haben Sie immer <strong>das</strong> Handy bei<br />
sich und hoffen Sie darauf, <strong>das</strong>s Sie,<br />
falls notwendig, Netzempfang haben.<br />
Wählen Sie 111 bei je<strong>der</strong> Art von<br />
Notfall.<br />
Gefährliche Geschöpfe wie Giftsch<strong>langen</strong>,<br />
Spinnen, Quallen und AFL-Fußball-Fans<br />
mit seltsamen Regeln strapazieren<br />
Neuseeland nicht und sind<br />
nicht verbreitet wie im benachbarten<br />
Australien. Die Haie bekommen im<br />
reichen Ozean genug zu fressen und<br />
wählen deshalb beson<strong>der</strong>s selten<br />
Menschen als Leckerei aus. Wichtiger<br />
ist es, auf die Warnschil<strong>der</strong> an den<br />
Stränden zu achten, die über gefährliche<br />
Unterwasserströme und die Gefahr<br />
von Wellen hinweisen.<br />
Sandflies (dt. Sandfliegen) und Blackflies<br />
(dt. Kriebelmücken) sind kleine<br />
Biester, die Ihnen den Urlaub ver<strong>der</strong>ben<br />
können, beson<strong>der</strong>s wenn Sie allergisch<br />
reagieren. Von ihnen gibt es<br />
viele und sie stechen beson<strong>der</strong>s früh<br />
morgens und abends. Ein Rat: Fragen<br />
Sie die ortsansässigen Ärzte nach <strong>der</strong><br />
Ausbreitung dieser Insekten, setzen<br />
Sie unbedingt die dafür gedachten<br />
Sprays ein und kratzen Sie sich nicht,<br />
wenn Sie gestochen wurden, denn<br />
<strong>das</strong> verschlimmert die Situation um<br />
ein Vielfaches. Eine solche Selbstbeherrschung<br />
ist meiner Meinung nach<br />
fast unmöglich. Ich habe mich wie<br />
verrückt gekratzt, weil ich einfach<br />
nicht an<strong>der</strong>s konnte. Es war eine echte<br />
<strong>Be</strong>währungsprobe und mir haben lediglich<br />
Antihistaminika geholfen. „In<br />
jedem Paradies gibt es eigene Probleme“,<br />
so haben mir Ortsansässige, die<br />
übrigens über lange Zeit gegen <strong>das</strong><br />
Gift dieser kleinen Monster resistent<br />
geworden sind, die Situation erklärt.<br />
36
Die Heiterkeit beginnt<br />
Mein Ziel war Queenstown,<br />
eine Stadt auf <strong>der</strong> Südinsel.<br />
Mein Ziel war Queenstown, eine Stadt<br />
auf <strong>der</strong> Südinsel. Die Hauptstadt <strong>der</strong><br />
verrückten Bungee-Sprünge empfing<br />
mich mit solch erstaunlichen Ansichten,<br />
<strong>das</strong>s ich spürte, wie mein Herz<br />
in <strong>der</strong> Brust schlägt. Der unglaublich<br />
schöne Wakatipu-See, an dessen Nordufer<br />
diese superaktive Stadt liegt,<br />
ist von <strong>Be</strong>rgketten umgeben, welche<br />
die Namen „The Remarkables“ und<br />
„Eyre Mountains“ tragen. Im Winter<br />
ist es <strong>das</strong> Schneesportzentrum und<br />
im Sommer ein wun<strong>der</strong>barer Ort, um<br />
seine Sorgen zu vergessen und sich<br />
vollständig in die verschiedensten<br />
Vergnügungen zu stürzen: Wer sich<br />
erfrischen und sich vom kalten Wasser<br />
des Sees kneifen lassen möchte,<br />
kann sich für Wildwasser-Rafting, Kanufahrten<br />
unterschiedlichen Niveaus,<br />
Wasserski o<strong>der</strong> Jetboot entscheiden;<br />
letztere werden Ihnen beim Dahinsausen,<br />
Umherdrehen und Verspritzen<br />
des blauen Wassers den Atem<br />
rauben und selbst den größten Faulpelz<br />
aufwecken.<br />
Mich hat jedoch zuerst die Höhe gereizt.<br />
Mit einem leichten Lächeln,<br />
und <strong>das</strong> war bereits ein Anzeichen<br />
für die Verän<strong>der</strong>ung meines inneren<br />
Zustands, bin ich direkt zum Bungee-<br />
Sprungzentrum gegangen. Die Gesellschaft<br />
AJ Hackett Bungy (www.<br />
bungy.co.nz), <strong>Be</strong>grün<strong>der</strong>in dieses<br />
Extremvergnügens und bis heute in<br />
Führungsposition, hat Neuseeland zu<br />
einem Son<strong>der</strong>status in <strong>der</strong> internationalen<br />
Abenteuerarena verholfen.<br />
Dieses <strong>Land</strong> wird jetzt verdient Welthauptstadt<br />
<strong>der</strong> Abenteuer genannt.<br />
Ich musste nur die Höhe wählen, von<br />
<strong>der</strong> aus ich abspringen wollte, o<strong>der</strong><br />
genauer gesagt – von <strong>der</strong> ich mich<br />
zu zwingen konnte abzuspringen:<br />
43 Meter im freien Fall – die Kawarau-Brücke<br />
(175 NZD), die 1988 zum<br />
ersten kommerziellen Ort für Bungee-Springen<br />
auf <strong>der</strong> Welt wurde, 47<br />
Meter – The Ledge (175 NZD), 102<br />
Meter – Pipeline (Preis für Gruppen<br />
nach Vereinbarung), 134 Meter – Nevis<br />
Highwire (250 NZD). Glauben Sie<br />
es mir, Bungee-Sprünge sind nichts<br />
© Thinkstock (4)<br />
37
explorer<br />
für Menschen mit schwachen Nerven<br />
und nicht einmal etwas für Menschen<br />
mit normalen Nerven. Es ist kein Einzelfall,<br />
<strong>das</strong>s ein mutiger Draufgänger,<br />
anstatt mit einem sorglosen Lächeln<br />
nach unten zu sausen, umgekehrt<br />
und mit gesenktem Kopf davongeschlichen<br />
ist, ohne gegen seine Angst<br />
zu kämpfen.<br />
Ich konnte es mir nicht einmal leisten,<br />
über solch eine Variante nachzudenken,<br />
ich musste springen und <strong>das</strong> so<br />
schnell wie möglich. Also habe ich<br />
nicht gezweifelt und nachdem ich mit<br />
dem Finger auf Nevis Highwire, den<br />
höchsten Bungee-Sprung in Australasien<br />
gezeigt hatte, <strong>der</strong> auch noch als<br />
irrsinnigster <strong>der</strong> Welt gilt, wurde ich<br />
am selben Tag an den Ort gebracht.<br />
Mit einer kleinen Seilbahn, die teilweise<br />
mit Glasboden ausgestattet war,<br />
damit die irrsinnige Höhe ersichtlich<br />
ist, fuhr ich <strong>der</strong> Bungee-Sprung-Plattform<br />
entgegen. Es war eine kleine Kabine,<br />
die an einem Seil in schwindelerregen<strong>der</strong><br />
Höhe über dem Abgrund<br />
hing. Ich stand dort völlig berauscht,<br />
habe mir die kurzen Anweisungen<br />
des Bungee-Instrukteurs angehört<br />
und meine Konzentration wurde von<br />
keinem nebensächlichen Gedanken<br />
mehr gestört. Alles geschah schnell<br />
und professionell, ohne Missverständnisse<br />
o<strong>der</strong> Zweifel. Ich habe keine<br />
Angst o<strong>der</strong> Panik gespürt, da die<br />
emotionale Überlastung so groß war,<br />
<strong>das</strong>s ich tatsächlich gar nichts mehr<br />
gespürt habe. Ich weiß nicht einmal,<br />
ob ich geblinzelt habe. Ich bin einen<br />
Schritt nach vorn getreten und am<br />
Ende des schmalen Stegs stehen geblieben<br />
wie auf dem Sprungbrett ins<br />
Schwimmbecken. Um mich herum<br />
gab es keine schützenden Wände,<br />
die Illusion, <strong>das</strong>s ich auf festem Boden<br />
stehe, verschwand. Ich erinnere mich<br />
an den freien Raum und die Luft, ich<br />
habe sie tief eingeatmet, wollte sie<br />
ganz in mich aufsaugen. Dann hörte<br />
ich <strong>das</strong> Kommando „fünf, vier, drei,<br />
zwei, eins“, habe mich abgestoßen<br />
und bin gesprungen. Mein befreiter<br />
Körper fiel nach unten und ich habe<br />
geschrien, vor Glück und noch wegen<br />
etwas an<strong>der</strong>em, was schwer zu beschreiben<br />
ist, – man muss es erleben.<br />
Unten habe ich <strong>das</strong> schmale Flussbett<br />
des Nevis und seine sich unheimlich<br />
schnell nähernden rauen, steinigen<br />
Ufer gesehen. 8,5 Sekunden freier Fall<br />
aus 134 Metern direkt in die Freiheit<br />
und die rasende Freude in <strong>der</strong> Brust<br />
– etwas <strong>Be</strong>sseres konnte mir nicht passieren.<br />
Wie<strong>der</strong> unten am Boden wusste<br />
ich, <strong>das</strong>s ich <strong>das</strong> Richtige gefunden<br />
hatte. Die konzentrierten Adrenalin-Injektionen<br />
waren <strong>das</strong>, was<br />
meine müde Seele und mein Körper<br />
brauchten, und ich hatte einen<br />
Weg, genauer gesagt – ein ganzes<br />
<strong>Land</strong>, gefunden, wo es dieses Medikament<br />
im Überfluss gibt. Endlich<br />
erstrahlte mein Gesicht in einem<br />
breiten Lächeln, <strong>das</strong> Entdeckung<br />
und Errungenschaft bedeutete.<br />
Der Appetit stieg mit dem Essen<br />
und innerhalb <strong>der</strong> nächsten zwei<br />
Tage habe ich den historischen<br />
Kawarau-Bungy ausprobiert, wo<br />
ich zwischen Rückwärts- und Vorwärtssprung<br />
wählen, den Fluss<br />
beim Absprung berühren und sogar<br />
ins Wasser eintauchen konnte,<br />
bevor mich die beson<strong>der</strong>s elastischen<br />
Seile wie<strong>der</strong> in die Luft reißen.<br />
Ich habe mich in <strong>der</strong> höchsten<br />
Wiege <strong>der</strong> Welt – dem Nevis Arc<br />
(170 NZD), einer Kombination aus<br />
70 Metern freiem Fall und einem<br />
irrsinnigen Flug mit unheimlicher<br />
Geschwindigkeit, „gewiegt“. Ich<br />
38
konnte es nicht lassen, die engen<br />
Canyons des Shotover-Flusses mit einem<br />
Adrenalin steigernden Jetboot<br />
(119 NZD), <strong>das</strong> vom Kiwi Sir William Hamilton<br />
erfunden wurde, entlang zu<br />
sausen. Diese unheimlich verschmitzte<br />
Erfindung ist ein Boot mit 500 PS,<br />
<strong>das</strong> nicht von einem herkömmlichen<br />
Unterwassermotor, son<strong>der</strong>n von<br />
mehreren kleinen Düsenmotoren angetrieben<br />
wird, die Wasser ansaugen<br />
und es mit großer Leistung wie<strong>der</strong><br />
ausstoßen. Das Jetboot kann in schmalen<br />
und beson<strong>der</strong>s seichten Flüssen<br />
manövrieren, es benötigt eine<br />
Wassertiefe von lediglich 10 Zentimetern.<br />
Dank dieser Erfindung wurden<br />
die zuvor nicht zugänglichen Flüsse<br />
Neuseelands für die breitere Nutzung<br />
erschlossen.<br />
Die Jetboote „Big Reds“ des Queenstowner<br />
Unternehmens Shotover Jet,<br />
<strong>das</strong> nach Kugeln von Schusswaffen<br />
benannt wurde, können bis zu 85<br />
km/h fahren, sich plötzlich um 360o<br />
drehen und weitersausen, ohne an<br />
<strong>Be</strong>schleunigung zu verlieren. Als ich<br />
auf dem wild dahinsausenden Jetboot<br />
saß, habe ich es nicht geschafft,<br />
meine Gedanken einzuholen. Stu<br />
(Stewart), unser Fahrer, drehte meisterhaft<br />
Kreise, wobei er Wasserstrudel<br />
erzeugte, und manövrierte im schmalen<br />
Flussbett zwischen den hoch<br />
hinaufragenden mächtigen Wänden<br />
des Canyons umher. Das Gefühl, <strong>das</strong>s<br />
wir gleich in einen Felsen hineinrasen<br />
und <strong>das</strong> Zeitliche segnen verging<br />
nicht, bis wir wie<strong>der</strong> zur Anlegestelle<br />
zurückkamen. Bis auf die Haut vom<br />
Wasser durchnässt, mit von Wind und<br />
Panik rot gefärbten Gesichtern sowie<br />
nervlich angespanntem Lächeln betraten<br />
wir wie<strong>der</strong> festen Boden. Alle<br />
vierzehn Fahrgäste, die einen Adrenalinschub<br />
erhalten hatten, darunter<br />
auch ich, wollten wie<strong>der</strong> in <strong>das</strong><br />
Jetboot zurücksteigen. Am nächsten<br />
Morgen habe ich diese amüsante<br />
Fahrt wie<strong>der</strong>holt und diesmal habe<br />
ich mich neben den Fahrer gesetzt,<br />
was meiner Meinung nach <strong>der</strong> beste<br />
Platz für jemanden ist, <strong>der</strong> nach vollständiger<br />
Entladung sucht. Ich habe<br />
mit dem Fahrer des Jetboots einige<br />
© Thinkstock (4)<br />
Score<br />
Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />
Ziel zu erreichen.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
Worte gewechselt und ganz klar<br />
ein wenig Neid verspürt, <strong>das</strong>s Stu<br />
dieser amüsanten Arbeit grinsend<br />
drei Tage in <strong>der</strong> Woche nachgeht.<br />
Damals hatte ich wirklich den Eindruck,<br />
<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Gras auf seiner Seite<br />
des Planeten grüner ist.<br />
Nach dem Ende <strong>der</strong> zweiten Fahrt<br />
mit dem Jetboot verspürte ich eine<br />
kurzzeitige Sättigung im Hinblick<br />
auf die Entladungen durch Adrenalinschübe.<br />
Ich habe verstanden,<br />
<strong>das</strong>s ich eine Pause einlegen muss,<br />
und bin mit einem Mietwagen den<br />
schillernden Wakatipu-See entlang<br />
gefahren, in Richtung <strong>der</strong> kleinen<br />
Ortschaft Glenorchy (45 km von<br />
Queenstown), und danach noch<br />
weiter – ins surreale Paradies von<br />
Kinloch (weitere 27 km).<br />
39
explorer<br />
Kinloch und<br />
Angeln in 5 0 C<br />
kaltem Wasser<br />
Ich kam in <strong>der</strong> Kinloch<br />
Lodge unter, wo die<br />
Zimmerpreise von <strong>der</strong><br />
gewünschten Privatsphäre<br />
und Komfort abhängig<br />
sind (<strong>der</strong> Preis für eine<br />
Übernachtung schwankt<br />
zwischen 30 NZD für ein<br />
<strong>Be</strong>tt und 195 NZD für ein<br />
Zimmer).<br />
Ich kam in <strong>der</strong> Kinloch Lodge unter,<br />
wo die Zimmerpreise von <strong>der</strong><br />
gewünschten Privatsphäre und<br />
Komfort abhängig sind (<strong>der</strong> Preis<br />
für eine Übernachtung schwankt<br />
zwischen 30 NZD für ein <strong>Be</strong>tt und<br />
195 NZD für ein Zimmer). Ich wollte<br />
mich ausruhen und war sehr zufrieden<br />
mit meinem ordentlichen,<br />
wenn auch nicht luxuriös eingerichteten,<br />
Zimmer. Schon lange<br />
habe ich davon geträumt zu angeln,<br />
und wo kann man sich diesem<br />
Hobby besser widmen als in<br />
Neuseeland, dessen Seen von Forellen<br />
und Lachsen überfüllt sind.<br />
Eine Angelgenehmigung (von 21<br />
NZD bis 105 NZD, abhängig von <strong>der</strong><br />
Saison und <strong>der</strong> Dauer des Angelns)<br />
hatte ich mir im Voraus besorgt; es<br />
soll gesagt sein, <strong>das</strong>s diese Art <strong>der</strong><br />
Erholung in NZ sehr streng geregelt<br />
und beschrieben ist (www.nzfishing.com).<br />
Ich hatte nicht vor,<br />
gegen die Regeln zu verstoßen<br />
o<strong>der</strong> mich nicht an die Angleretikette<br />
zu halten. Die Umgebung<br />
selbst hat mich verpflichtet, ein<br />
besserer und verantwortungsvollerer<br />
Mensch zu sein.<br />
© Dreamstime<br />
40
Die Anlegestelle von Kinloch schien<br />
kein schlechter Platz für einen so unerfahrenen<br />
Enthusiasten wie mich zu<br />
sein, also habe ich nach einem satten<br />
Frühstück im Hof eine Angel gemietet,<br />
mit Blinkern, die mir ein ortsansässiger<br />
Verkäufer empfohlen hatte,<br />
und so habe ich mich auf dem Steg<br />
im angenehmen Sonnenschein eingerichtet.<br />
Ich weiß nicht, was diese<br />
Wohltat verursacht hat: die Tatsache,<br />
<strong>das</strong>s ich endlich Zeit zum Angeln gefunden<br />
habe, o<strong>der</strong> die Aussicht um<br />
mich herum. Ich befand mich in <strong>der</strong><br />
natürlichsten Natur an einem See,<br />
den ich nur im Fernsehen o<strong>der</strong> in<br />
meinen Träumen zu sehen bekam,<br />
am Himmel spielten ein paar Wölkchen<br />
und ich hielt die Spinnangel fest<br />
in den Händen. Es schien, als würde<br />
mir <strong>das</strong> Herz aus <strong>der</strong> Brust springen,<br />
solche Erquickung und Freude riefen<br />
die <strong>Be</strong>rge, die den See umgaben,<br />
und <strong>das</strong> klare blaugrüne Wasser in<br />
mir hervor. „Das Leben ist schön“,<br />
dachte ich grinsend und diese Phrase<br />
erschien mir nicht einmal banal.<br />
So verbrachte ich einige Stunden<br />
mit dem Angeln, Fische haben nicht<br />
angebissen. Die Tatsache, <strong>das</strong>s ich<br />
nichts gefangen hatte, stimmte mich<br />
nicht traurig. Mir kam nur <strong>der</strong> leichte<br />
Verdacht, <strong>das</strong>s ich irgendetwas nicht<br />
weiß, da ich nicht einmal leichte Zuckungen<br />
gespürt habe, die gezeigt<br />
hätten, <strong>das</strong>s sich Forellen für meinen<br />
Kö<strong>der</strong> interessieren. Ich beschloss zu<br />
baden, obwohl ich niemanden um<br />
mich herum sah, <strong>der</strong> <strong>das</strong> auch tat. Eigentlich<br />
sah ich keine Menschen um<br />
mich herum, nur einige von ihnen<br />
habe ich beim Frühstück getroffen<br />
und <strong>das</strong> hat mich umso mehr entzückt,<br />
denn es schien so, als würde ich<br />
in dieser fantastischen Umgebung<br />
ganz allein König sein: Niemand hat<br />
gedrängelt o<strong>der</strong> etwas verlangt, wie<br />
ich es aus <strong>der</strong> Großstadt, in <strong>der</strong> ich<br />
wohne, gewohnt war.<br />
Damals, als ich mutig dem einladenden<br />
Wasser entgegenschritt, wusste<br />
ich noch nicht, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Wakatipu-<br />
See äußerst kalt ist und sich selbst im<br />
Sommer nur bis auf maximal 10 °C<br />
erwärmt, weil er ständig aus den Abflüssen<br />
<strong>der</strong> schmelzenden Gletscher<br />
und den <strong>Be</strong>rgflüssen gespeist wird.<br />
Und die Sommersaison war noch<br />
nicht einmal ins Rollen gekommen.<br />
<strong>Be</strong>schämt von meiner Unbesonnenheit<br />
zog ich mich schnell wie<strong>der</strong><br />
an. Der Himmel trübte sich ein wenig,<br />
aber ich war noch nicht bereit,<br />
schnell aufzugeben, und machte<br />
mich auf den Weg zum Ufer, <strong>das</strong> mit<br />
Kieselsteinen übersät war, in Richtung<br />
<strong>der</strong> weiß schimmernden Sandbänke,<br />
die weiter auf den See hinausführten.<br />
Eine Stelle zog beson<strong>der</strong>s mein Augenmerk<br />
auf sich: Wie eine längliche<br />
schmale kleine Insel for<strong>der</strong>te sie mich<br />
zum Angeln auf. Ich sah, <strong>das</strong>s ich von<br />
dieser Insel aus stromabwärts angeln<br />
könnte, wozu mir auch die Ortsansässigen<br />
geraten haben. Deshalb habe<br />
ich nicht lange nachgedacht, meine<br />
Shorts ausgezogen und bin mit <strong>der</strong><br />
Spinnangel und den an<strong>der</strong>en Sachen<br />
in <strong>der</strong> Hand mutig ins eiskalte Wasser<br />
gewatet. Allerdings musste ich nach<br />
ein paar Schrit<br />
© Thinkstock (2)<br />
41
explorer<br />
ten die Zähne zusammenbeißen und<br />
mit großen Willensanstrengungen<br />
Schritt für Schritt vorwärts gehen. Ich<br />
stand tiefer im Wasser, als ich dachte,<br />
war fast bis zur Hüfte nass und als ich<br />
letztendlich die Insel erklommen hatte,<br />
fühlte ich meine steifen <strong>Be</strong>ine nicht<br />
mehr. Das Wasser hatte wirklich nicht<br />
seine Maximaltemperatur von zehn<br />
Grad erreicht, es kam mir völlig eisig<br />
vor. Trotzdem fühlte ich mich wun<strong>der</strong>bar,<br />
und <strong>der</strong> Wunsch, eine Forelle<br />
zu fangen, wuchs umso mehr.<br />
Ich bemühte mich, nicht stehen zu<br />
bleiben, warf die Angel mal näher,<br />
mal weiter entfernt auf <strong>der</strong> einen<br />
und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite des schmalen<br />
Kiesstreifens aus. Ich war unruhig wie<br />
ein Teenager beim Date und <strong>das</strong> hat<br />
wahrscheinlich alle Fische des Wakatipu-Sees<br />
verscheucht. Letztendlich<br />
habe ich die Hoffnung verloren, etwas<br />
zu fangen, legte die Angel ab und<br />
setzte mich auf den steinigen Grund.<br />
Eine Weile saß ich mit gesenktem Kopf<br />
da, bis ich mich mit dem erfolglosen<br />
Fischfang abgefunden hatte, und<br />
begann zu lachen. Zuerst kicherte<br />
ich um die Nase vor mich hin, danach<br />
wurde <strong>das</strong> Lachen lauter, bis es<br />
schallend aus mir herausbrach, den<br />
Kopf geradewegs in den bewölkten<br />
Himmel, und die Emotionen ergossen<br />
sich ungehin<strong>der</strong>t in den Raum. Wie<br />
ich mich kenne, war ich immer beherrscht<br />
und zurückhaltend, deshalb<br />
fühlte ich mich beson<strong>der</strong>s seltsam,<br />
<strong>das</strong>s ich <strong>der</strong>artig auf den Misserfolg<br />
reagiert habe. Ich habe über mich<br />
selbst gelacht, was wohl ein Ausdruck<br />
des Glücks war, <strong>das</strong> in einer Welle des<br />
Lachens aus mir herausbrach. Auf diesem<br />
schmalen Fleckchen Erde, umspült<br />
von dem eisigen Wakatipu-See,<br />
habe ich mich als völlig freier Mensch<br />
gefühlt. In diesem Moment waren mir<br />
sogar die Forellen egal.<br />
Abends, als ich in einem Bottich mit<br />
warmem Wasser saß, <strong>der</strong> auf einem<br />
Hügel unweit <strong>der</strong> Herberge von Kinloch<br />
aufgestellt war, habe ich auf<br />
den in <strong>der</strong> Dämmerung versinkenden<br />
mächtigen 80 Kilometer <strong>langen</strong><br />
und 300 Meter tiefen See geschaut<br />
und kein unnötiger Gedanke ärgerte<br />
mich. Ich wusste, <strong>das</strong>s ich am<br />
nächsten Tag wie<strong>der</strong> angeln gehen<br />
werde, nur diesmal zusammen mit<br />
dem ortsansässigen Jungen Chris,<br />
<strong>der</strong> mir seine Hilfe angeboten hat,<br />
als er von meinem Misserfolg beim<br />
Angeln hörte. Jeden Morgen auf<br />
dem Weg mit dem Motorboot über<br />
den Wakatipu-See von Glenorchy<br />
zur Herberge von Kinloch, wo er arbeitete,<br />
hat Chris mehrere Spinnangeln<br />
ausgeworfen und <strong>der</strong> Hotelküche<br />
mehrmals frische Lachse o<strong>der</strong><br />
Forellen geliefert. Ich fühlte, <strong>das</strong>s<br />
ich ins Schwarze getroffen hatte. Die<br />
Schlichtheit und Freundlichkeit <strong>der</strong><br />
ortsansässigen Menschen erfreute<br />
mich während meiner ganzen Reise.<br />
Letztendlich verließ ich Kinloch<br />
mit gefangener <strong>Be</strong>ute im Bauch; die<br />
zwei <strong>der</strong> drei gefangenen Lachse<br />
habe ich <strong>der</strong> Küche überlassen und<br />
den dritten beschloss ich selbst zu<br />
grillen. Abends habe ich am See ein<br />
Feuer gemacht und beim Ausnehmen<br />
des selbst gefangenen Fisches<br />
schmiedete ich bereits irre Pläne für<br />
die kommenden Tage.<br />
42
43<br />
© Thinkstock (3)
explorer<br />
Der Fox-Gletscher<br />
Ich bin den ganzen Tag gefahren, bis ich nach mehr als<br />
400 Kilometern mein nächstes Reiseziel erreicht hatte<br />
– den lebendigen und sich bewegenden Te Moeka o<br />
Tuawe, was übersetzt aus <strong>der</strong> Sprache <strong>der</strong> Maori <strong>der</strong> Fox-<br />
Gletscher ist.<br />
Ich erwartete mindestens, auf dieser<br />
erstaunlichen Schöpfung <strong>der</strong> Natur<br />
umherklettern zu können. Der Gletscher<br />
erstreckt sich über 13 Kilometer<br />
und fällt 2600 Meter von seinem<br />
Ursprung in den Südalpen. Wie auch<br />
<strong>der</strong> in Nachbarschaft befindliche<br />
Franz-Josef-Gletscher (Ka Roimata o<br />
Hinehukatere) ist <strong>der</strong> Fox-Gletscher<br />
einer <strong>der</strong> für den Menschen zugänglichsten<br />
Gletscher, weshalb es hier<br />
viele <strong>Be</strong>sucher gibt, beson<strong>der</strong>s zur<br />
Saison. Es ist ein sich bewegendes Gebilde,<br />
<strong>das</strong> sich jede Woche um einen<br />
Meter verschiebt. Deshalb ist es verboten,<br />
auf eigene Faust die Risse und<br />
Höhlen des Gletschers zu erkunden,<br />
auch wenn einige Draufgänger <strong>das</strong><br />
Verbot missachten, um gute Bil<strong>der</strong> zu<br />
machen. Im Jahr 2009 wurden zwei<br />
Touristen aus Australien unter mehr<br />
als einhun<strong>der</strong>t Tonnen Eis begraben,<br />
da sie die Warnschil<strong>der</strong> missachteten<br />
und den Gletscher im Alleingang,<br />
ohne einen speziell geschulten Führer,<br />
betreten hatten.<br />
Ich habe unverzüglich die Foxguides<br />
(www.foxguides.co.nz) aufgesucht<br />
und nachdem ich die angebotenen<br />
Kennenlern-Touren des Gletschers<br />
studiert hatte, habe ich mich für die<br />
Variante Heli Hike entschieden. Dabei<br />
handelt es sich um einen vierstündigen<br />
Ausflug (399 NZD) und mich<br />
lockte <strong>das</strong> Versprechen, <strong>das</strong>s wir mit<br />
einem Hubschrauber dorthin aufsteigen<br />
werden, wo die Kräfte des Gletschers<br />
am intensivsten „arbeiten“,<br />
und wir also die Möglichkeit haben<br />
werden, unsere Nase in tiefe Eishöhlen<br />
zu stecken und Eisbögen von unglaublicher<br />
Form zu erforschen. All<br />
<strong>das</strong> war nicht nur ein Werbetrick und<br />
den nächsten halben Tag verbrachte<br />
ich in einer Welt von atemberauben<strong>der</strong><br />
Schönheit. Zuerst umkreiste <strong>der</strong><br />
Hubschrauber den unteren Teil des<br />
Gletschers, wo sich die riesigen Eiszapfen<br />
in ständiger <strong>Be</strong>wegung befinden;<br />
dort kommt es oft zu unvorhersehbaren<br />
Eisabstürzen. Danach umflogen<br />
wir den oberen Teil des Gletschers<br />
und den Victoria-Wasserfall, <strong>der</strong> sich<br />
geradewegs in die Hänge des erstarrten<br />
Eises ergießt. Der Wunsch<br />
zum Baden bestand nicht, und als wir<br />
44
gelandet waren, teilte man uns sogenannte<br />
„Katzen“ aus, die wir über<br />
unsere Schuhe stülpen mussten, um<br />
uns auf <strong>der</strong> rutschigen Oberfläche<br />
des Gletschers stabil bewegen zu<br />
können. Die Gruppe bestand aus nur<br />
vier Personen, weshalb diese Art den<br />
Eisriesen kennenzulernen mir beson<strong>der</strong>s<br />
gefiel. Das Wetter war ziemlich<br />
gut. Obwohl man den blauen Himmel<br />
nicht sehen konnte, doch die <strong>Wolke</strong>n<br />
hin<strong>der</strong>ten uns nicht daran, die engsten<br />
Gletscherspalten zu besichtigen,<br />
die in leblosem Blau leuchteten, in<br />
tropfende rutschige Löcher abzusteigen,<br />
durch niedrige Eistunnel zu<br />
kriechen und steile, von den Führern<br />
täglich ins Eis geschlagene, Treppen<br />
hinaufzusteigen. Die Farben, Formen<br />
und die Größe haben mich völlig eingenommen,<br />
ich wollte mehr körperlichen<br />
Kontakt zum Gletscher selbst<br />
und deshalb habe ich auf dem Rückflug<br />
im Hubschrauber beschlossen,<br />
mich am nächsten Tag dem Eisklettern<br />
zu widmen.<br />
Das Eisklettern ist von allen angebotenen<br />
Aktivitäten diejenige,<br />
welche die meiste körperliche Kraft<br />
erfor<strong>der</strong>t, obwohl für <strong>das</strong> Erklimmen<br />
<strong>der</strong> Eiswände keine Erfahrung<br />
notwendig ist. Der Tagesausflug<br />
von 8–9 Stunden kostet 245 NZD.<br />
Alle Werkzeuge, die Schule und die<br />
Kletterausrüstung wie auch eine<br />
ausführliche Anleitung und die Hilfestellung<br />
während des Kletterns<br />
sind im Preis inbegriffen. Es ist kein<br />
Spaziergang, son<strong>der</strong>n Klettern<br />
an steilen Eisfelsen, Arbeit mit Eisaxt<br />
und „Katzen“. Ich konnte den<br />
nächsten Morgen kaum erwarten.<br />
In einer Bar habe ich den emotionellen<br />
<strong>Be</strong>richten von Reisenden<br />
gelauscht, die von verschiedenen<br />
Ausflügen zurückgekehrt sind,<br />
und ich fühlte, <strong>das</strong>s sich mein Körper<br />
wie<strong>der</strong> nach Adrenalin sehnte.<br />
© Thinkstock (6)<br />
45
explorer<br />
Lei<strong>der</strong> musste ich länger darauf warten,<br />
als ich es mir erhofft hatte. Sehr<br />
früh am Morgen setzte <strong>der</strong> Regen<br />
ein und ich wurde von lautem Wasserrauschen<br />
geweckt, und <strong>das</strong> bedeutete,<br />
<strong>das</strong>s mein gewählter Ausflug<br />
zu gefährlich war. Ich saß im<br />
Dunkeln und hoffte töricht darauf,<br />
<strong>das</strong>s <strong>der</strong> Regen aufhört und ich, trotz<br />
des schlecht gelaunten Himmels, die<br />
rutschigen Flanken des Eisbergs besteigen<br />
werde, aber <strong>das</strong> waren naive<br />
Gedanken. Die Gletscherregion ist für<br />
sein kontrastreiches Wetter bekannt.<br />
Hier fallen innerhalb von 178 Tagen<br />
durchschnittlich 4700 mm Regen,<br />
wohingegen es in <strong>Be</strong>rlin o<strong>der</strong> Rom<br />
im ganzen Jahr durchschnittlich 570<br />
mm regnet. Enttäuscht verbrachte<br />
ich den Tag mit einem Buch und hoffte,<br />
<strong>das</strong>s sich <strong>der</strong> Erfolg nicht von mir<br />
abwendet und <strong>der</strong> nächste Tag an<strong>der</strong>s<br />
anfängt. Die Wettervorhersage<br />
versprach jedoch keinen Trost und<br />
unter unaufhörlichem schwerem Regen<br />
verließ ich den erstarrten Eisfluss,<br />
<strong>der</strong> mir auf ewig zwischen zwei mächtigen<br />
<strong>Be</strong>rgen festzusitzen schien.<br />
Unter besseren Umständen lässt<br />
sich <strong>der</strong> Fox-Gletscher noch auf<br />
an<strong>der</strong>e Art erforschen: Eine Gletscherwan<strong>der</strong>ung,<br />
ein halb- o<strong>der</strong><br />
ganztätiger Ausflug, <strong>der</strong> durchschnittliche<br />
körperliche Fitness<br />
erfor<strong>der</strong>t, ist eine ziemlich interessante<br />
und aktive Art, den Gletscher<br />
kennenzulernen (99 / 149 NZD). Der<br />
Ganztagsausflug erfor<strong>der</strong>t ein höheres<br />
Maß an körperlicher Fitness<br />
und die Teilnehmer verbringen<br />
mehr Zeit auf dem Gletscher selbst,<br />
genau dort, wo sich tiefe Spalten<br />
und Eiszapfen bilden und <strong>das</strong> Eis<br />
sich aktiv bis zu zwei Metern pro<br />
Tag bewegt. Eine Wan<strong>der</strong>ung bis<br />
zur „Endstation“ des Gletschers<br />
(49 NZD) ist für fast je<strong>der</strong>mann geeignet.<br />
Es ist ein leichter zweistündiger<br />
Weg bis zu <strong>der</strong> Stelle, wo <strong>der</strong><br />
eisige Fox-Fluss den Eismassen entspringt.<br />
Weiter unten am Gletscher<br />
kann man oft Geräusche brechenden<br />
Eises hören und es brechen<br />
sehen. Es gibt noch eine Variante<br />
für diejenigen, die sich nicht für<br />
die körperliche <strong>Be</strong>rührung des<br />
Gletschers, son<strong>der</strong>n eher für die<br />
unübertreffliche Aussicht <strong>der</strong> Südalpen<br />
und <strong>das</strong> <strong>Be</strong>steigen des 2000<br />
Meter hohen Gipfels interessieren,<br />
von dem aus sich ein fantastisches<br />
Panorama <strong>der</strong> höchsten Gipfel und<br />
<strong>der</strong> Schneefel<strong>der</strong> bildet. Der Chansellor<br />
Dome Heli-Trek (599 NZD)<br />
ist ein schwieriger Ausflug von<br />
8–9 Stunden und ein Flug mit dem<br />
Hubschrauber, <strong>der</strong> körperliche<br />
Ausdauer und Fitness erfor<strong>der</strong>t.<br />
46
47<br />
© Thinkstock (2)
explorer<br />
Fortsetzung <strong>der</strong> <strong>Be</strong>währungsproben –<br />
Whitewater Kayking<br />
Mein Weg führte mich weiter an die Westküste <strong>der</strong><br />
Südinsel, nach oben, bis die Straße letztendlich an<br />
<strong>der</strong> Kleinstadt Karamea endet.<br />
Nein, ich hatte nicht vor zu angeln<br />
o<strong>der</strong> zu wan<strong>der</strong>n und mich an den<br />
Aussichten, für welche diese Einöde<br />
berühmt ist, zu erfreuen. Das Ziel<br />
meines <strong>Be</strong>suchs war <strong>das</strong> Wildwasser-<br />
Kajakfahren.<br />
Die Flüsse <strong>der</strong> Westküste Neuseelands<br />
werden sehr klipp und klar charakterisiert<br />
– als „kayaking nirvana“,<br />
deshalb drängeln sich Enthusiasten<br />
dieses Sports aus aller Welt, um die<br />
Gewalt <strong>der</strong> reißenden Flüsse zu erfahren<br />
und auf ihnen ihre Kräfte zu<br />
messen. Ich war kein Profi-Sportler,<br />
aber auch kein Anfänger, obwohl<br />
meine bisherigen Kajakfahrten vergleichsweise<br />
sicher waren und man<br />
dazu keine beson<strong>der</strong>e Technik o<strong>der</strong><br />
Fertigkeiten benötigte. Im Wissen um<br />
meine Schwächen und Stärken habe<br />
ich beschlossen, <strong>das</strong>s ich zumindest<br />
für die Schwellen <strong>der</strong> Stufe 4, die mir<br />
<strong>der</strong> Karamea-Fluss bieten kann, reif<br />
bin. Die einzige Art und Weise, zu diesen<br />
<strong>Be</strong>währungsproben zu ge<strong>langen</strong>,<br />
ist <strong>der</strong> Hubschrauber. Je höher hinauf<br />
du geflogen wirst, umso steiler wird<br />
<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>gang, den man zu erwarten<br />
hat. Die Gesellschaft Rivers Wild<br />
(www.rivers-wild.com) organisiert<br />
Ausflüge verschiedenen Niveaus mit<br />
Kajaks und Flößen. Ich wollte etwas<br />
mehr Informationen und individuelle<br />
Aufmerksamkeit. Zuerst einigten wir<br />
uns auf einen Tag zur Probefahrt im<br />
Kajak, während <strong>der</strong> Steve – mein Führer<br />
und Schutzengel, <strong>der</strong> später auch<br />
ein Freund wurde, beson<strong>der</strong>e Anweisungen<br />
gab und mir bei <strong>der</strong> Überwindung<br />
mehrerer Schwellen half,<br />
damit wir entscheiden konnten, wie<br />
lang die Reise sein müsste, <strong>das</strong>s ich<br />
sie aus eigenen Kräften mit dem Kajak<br />
bewältigen kann (400 NZD/Tag für<br />
eine Person mit persönlichem Führer,<br />
Preissenkung, abhängig von <strong>der</strong> Personenanzahl,<br />
+ Hubschrauberkosten<br />
von 160 bis 600 NZD, abhängig von<br />
<strong>der</strong> gewählten Route). Ich plante ein<br />
dreitägiges Extremabenteuer, aber<br />
letztendlich beschlossen wir, uns besser<br />
mit zwei Tagen zu begnügen, nicht<br />
wegen <strong>der</strong> Ausdauer, son<strong>der</strong>n wegen<br />
<strong>der</strong> irrsinnig steilen Schwellen, die ich<br />
noch nicht bewältigen konnte.<br />
Nachdem wir aus dem Hubschrauber<br />
ausgestiegen waren, blieben<br />
ich und Steve zu zweit in <strong>der</strong> wilden<br />
Natur <strong>der</strong> Alpen zurück, am<br />
kalten Fluss mit seiner tollwütig dahineilenden<br />
Strömung. Wir hatten<br />
Glück mit dem Wetter. Einige <strong>Wolke</strong>n<br />
verdeckten die Sonne, aber<br />
die Wahrscheinlichkeit auf Regen<br />
war meinem Erachten nach sehr<br />
niedrig. Sehr schnell war ich von<br />
meinen Fähigkeiten als Wettervorhersage-Spezialist<br />
enttäuscht. Mein<br />
großes Abenteuer in NZ setzte sich<br />
fort. Steve und ich bestiegen unsere<br />
Kajaks und die zweitägige Reise<br />
begann reibungslos, in einem<br />
Flussabschnitt, wo <strong>das</strong> Grün zu<br />
den Seiten bis ans Wasser reichte<br />
und wo die verschiedensten Arten<br />
von Enten schwammen. Darauf<br />
folgten einige amüsante und tatsächlich<br />
überwindbare Schwellen,<br />
die ich unter Steves Anleitung, wie<br />
ich mich richtig verhalten muss,<br />
erfolgreich bewältigte. Ich wusste,<br />
<strong>das</strong>s meine Augen brannten,<br />
ich fühlte, wie mein Herz <strong>das</strong> Blut<br />
pumpte, und voller Energie drang<br />
ich mit dem Wasser weiter und steil<br />
voran. Dann begann es zu regnen.<br />
48
Ich konnte es nicht glauben, aber <strong>der</strong><br />
Himmel zog sich vollständig zu, und<br />
sofort än<strong>der</strong>te sich die Umgebung<br />
und bekam eine bedrohliche Nuance.<br />
Fast überall im Flussbett kamen<br />
Steine zum Vorschein. Ich war kaum<br />
in <strong>der</strong> Lage, mit den Paddeln zu arbeiten,<br />
um abzubremsen, ich drehte<br />
mich und paddelte vor- und zurück,<br />
um nicht von <strong>der</strong> Strömung und von<br />
den Strudeln erfasst zu werden und<br />
so zu kentern. Die Konzentration war<br />
auf dem Höhepunkt angelangt, als<br />
ich vor mir meinen Führer bemerkte,<br />
<strong>der</strong> signalisierte, <strong>das</strong>s ich mich auf die<br />
linke Seite bewegen soll, was mir eigenartig<br />
vorkam. Als ich letztendlich<br />
auf dem Wasser in <strong>der</strong> angegebenen<br />
Richtung dahinbrauste, verstand ich,<br />
<strong>das</strong>s auf <strong>der</strong> rechten Seite ein riesiges<br />
Loch klaffte, in welches von allen Seiten<br />
reißende Wasserflüsse über angehäufte<br />
Steine hinweg hineinstürzten.<br />
Ich wagte es nicht, weiterhin an den<br />
Anweisungen von Steve zu zweifeln<br />
und bemühte mich, ihn nicht aus<br />
den Augen zu verlieren. Nachdem<br />
wir eine weitere amüsante Schwelle,<br />
<strong>der</strong>en Steilheit bei Stufe drei und<br />
vier lag, bewältigt hatten, erreichten<br />
wir noch eine ruhige Wasseroase. In<br />
allen Seen, die wir auf unserem Weg<br />
durchquerten, ragte eine Vielzahl<br />
abgestorbener Baumreste aus dem<br />
dunklen Wasser heraus. Das war <strong>das</strong><br />
Erbe des alten Waldes, <strong>der</strong> hier vor<br />
dem großen Murchison-Erdbeben<br />
von 1929 wucherte. Ich fühlte mich<br />
sehr angespannt und ich sagte zu<br />
Steve, <strong>das</strong>s ich so bald wie möglich<br />
Rast machen möchte. Er nickte und<br />
sagte: „Wir müssen schon bald auf<br />
Erkundungstour gehen“, und tatsächlich<br />
waren wir bald dazu gezwungen<br />
haltzumachen, weil die<br />
vor uns liegende Ansammlung von<br />
Steinen einen eigentümlichen Staudamm<br />
darstellte, den wir in unseren<br />
Kajaks nicht überwinden konnten.<br />
Im Gegenteil, wir mussten einen<br />
Weg finden, um sie herüber zu tragen,<br />
um weiter paddeln zu können.<br />
Zu diesem Zeitpunkt liefen Flusswasser<br />
und Schweiß an mir herunter,<br />
wie wahrscheinlich auch <strong>der</strong><br />
Regen, den ich schon nicht mehr<br />
wahrnahm; so stark konzentrierte<br />
ich mich auf Steves Anweisungen.<br />
Ich muss sagen, <strong>das</strong>s die folgenden<br />
zwei Stunden mich völlig erschöpft<br />
haben. Ich war wohl an meine<br />
Leistungsgrenze gestoßen und in<br />
einem Augenblick habe ich den<br />
<strong>Be</strong>igeschmack <strong>der</strong> Panik verspürt.<br />
Das weitere Flussbett schien keiner<br />
Ordnung zu gehorchen, fiel in<br />
einen steinigen und steilen Mischmasch<br />
ab. Hier paddelten wir, dort<br />
trugen wir die Kajaks, bis letztendlich<br />
Steves breites Lächeln mein erstarrtes<br />
Gesicht erhellte.<br />
© Thinkstock (4)<br />
49
explorer<br />
Der Lagerplatz tauchte unvermutet<br />
auf. Ich habe mich wirklich gefreut,<br />
aber <strong>der</strong> plötzliche Spannungsabfall<br />
hatte heftige Kopfschmerzen zur Folge.<br />
Am Ufer setzte ich mich auf den<br />
Boden und hielt mir den Kopf. Es goss<br />
immer noch in Strömen und <strong>das</strong> bedeutete,<br />
<strong>das</strong>s einige Stellen, an <strong>der</strong>en<br />
wir vorhatten, am nächsten Tag zu<br />
paddeln, für mich nicht zu bewältigen<br />
sein könnten. Steve setzte sich neben<br />
mich und klopfte mir freundschaftlich<br />
auf die Schulter: „Das war etwas<br />
extrem, mein Freund, <strong>das</strong> Wasser<br />
verän<strong>der</strong>t sich, wenn es regnet, aber<br />
du hast dich großartig gehalten“. Ich<br />
war nicht in <strong>der</strong> Lage zu lächeln, mein<br />
Kopf drohte zu zerbersten, aber in<br />
Wirklichkeit fühlte ich mich als totaler<br />
Gewinner. Ich wusste wirklich, <strong>das</strong>s ich<br />
viel mehr ausgehalten hatte, als ich es<br />
mir selbst zugetraut hätte.<br />
Letztendlich hörte es auf zu regnen<br />
und wir hatten die Möglichkeit, unsere<br />
Habe zu trocknen und ein warmes<br />
Abendessen zuzubereiten. Der Abend<br />
in <strong>der</strong> wilden Natur nach solch einem<br />
intensiven Tag war einer von wenigen,<br />
den ich mein Leben lang nicht<br />
vergessen werde. Der unbekannte<br />
Führer Steve wurde mein Mitstreiter<br />
und Kumpel. Am Morgen warteten<br />
neue Herausfor<strong>der</strong>ungen auf mich<br />
und ich habe meine Wahl nicht eine<br />
Sekunde lang bereut.<br />
Der Morgen des nächsten Tages war<br />
wun<strong>der</strong>bar hell, es regnete nicht und<br />
<strong>der</strong> Himmel klarte letztendlich völlig<br />
auf und wurde blau. Der Wasserstand<br />
des Flusses sank in <strong>der</strong> Nacht und <strong>das</strong><br />
war ein guter Anfang. Wir stürzten<br />
uns ins gewaltige Wasser und setzten<br />
unsere Fahrt fort. Diesmal war ich<br />
nicht so angespannt, obwohl ich aufmerksam<br />
auf Steve achtete und mich<br />
bemühte, nicht hinter ihm zurückzubleiben.<br />
Der „Dreh- und Angelpunkt“<br />
des zweiten Tages war eine lange, sich<br />
über etwa 400 Meter erstreckende<br />
Schwelle <strong>der</strong> Stufe vier mit dem tollen<br />
Namen „Holy Shit“, <strong>der</strong>en ersten Teil<br />
ich nach <strong>der</strong> Erkundung fast ideal bewältigt<br />
habe. Wir beschlossen jedoch,<br />
<strong>das</strong>s es ein Wagnis wäre, ein weiteres<br />
Risiko einzugehen. Zwangsläufig fühlte<br />
ich mich etwas enttäuscht, obwohl<br />
ich wusste, <strong>das</strong>s selbst erfahrene Kajakfahrer<br />
bei Idealbedingungen ihre<br />
Kajaks in dieser irrsinnigen Strömung,<br />
die in einem schmalen Kanal zwischen<br />
großen Steinen fließt, nur schwer unter<br />
Kontrolle halten. Steve war überzeugt,<br />
<strong>das</strong>s wir mit <strong>der</strong> Umgehung<br />
<strong>der</strong> gefährlichen Stelle die richtige<br />
Entscheidung getroffen haben, und<br />
ich musste ihm beipflichten.<br />
Weiterhin erwarteten uns noch einige<br />
amüsante Schwellen <strong>der</strong> Stufe drei<br />
und plötzlich war <strong>das</strong> Abenteuer vorbei,<br />
wie immer viel zu schnell. Ich bin<br />
in viel ruhigeren Gewässern gepaddelt<br />
und noch nicht einmal an <strong>Land</strong><br />
gegangen wollte ich wie<strong>der</strong> zurück.<br />
Im Leben erfährt man selten eine Situation,<br />
wo du dich selbst beneidest,<br />
und ich habe mich damals eben genau<br />
so gefühlt.<br />
50
Es soll gesagt sein, <strong>das</strong>s die enge<br />
Freundschaft mit einer V i e l z a<br />
h l (und <strong>das</strong> ist vielleicht nicht <strong>das</strong><br />
treffendste Wort) aufdringlicher<br />
Sandfliegen eine bittere Erinnerung<br />
und ein Unmaß an Juckreiz<br />
und Hautbrennen am Körper hinterlassen<br />
hat; also ist ein entsprechendes<br />
Spray an diesen Orten in<br />
NZ einfach ein Muss.<br />
Der Hubschrauber beför<strong>der</strong>te uns<br />
zurück in die Kleinstadt Karamea.<br />
Mir blieben noch ein paar Tage bis<br />
zu meiner Rückkehr nach Hause<br />
auf den alten Kontinent. Steve sagte<br />
zum Scherz, <strong>das</strong>s ich mich nun<br />
entspannen und <strong>das</strong> ganze irre<br />
Neuseeland-Abenteuer mit einer<br />
ultra-blödsinnigen <strong>Be</strong>schäftigung<br />
abrunden sollte, wie zum <strong>Be</strong>ispiel<br />
mit Zorbing. Ich hatte keine Ahnung,<br />
was <strong>das</strong> ist, und dachte, <strong>das</strong>s<br />
es sich hierbei um einen örtlichen<br />
Slang für die <strong>Be</strong>zeichnung eines ordentlichen<br />
Trinkgelages handelt,<br />
aber ich habe mich kräftig geirrt.<br />
Score<br />
Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />
Ziel zu erreichen.<br />
Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />
Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />
Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />
die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
© Thinkstock (3)<br />
51
explorer<br />
Zorbing, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> seltsamste Sport <strong>der</strong> Welt<br />
Trotz <strong>der</strong> zusätzlichen Reise per Flugzeug machte ich<br />
mich, ohne zu zweifeln, auf den Weg zur Nordinsel,<br />
denn <strong>das</strong> Zorbing (engl. ZorbR globe riding) ist in<br />
Neuseeland nur im Ort Rotorua möglich.<br />
Und am selben Tag war ich vorbereitet<br />
auf die seltsamste Freizeitbeschäftigung,<br />
die ich je gesehen hatte. Der<br />
Zorb o<strong>der</strong> <strong>das</strong> Zorbing wurde ebenfalls<br />
von verrückten Adrenalin-Fanatikern<br />
unter den Kiwis erfunden und<br />
ist jetzt auf <strong>der</strong> ganzen Welt als Freizeitabwechslung<br />
mit Adrenalinschub<br />
verbreitet. Einige bezeichnen es als<br />
Sport, genauer gesagt gilt die Devise:<br />
Wer nicht als Astronaut angenommen<br />
wird, <strong>der</strong> wird ein Zorbonaut.<br />
Als ich diese riesige Gummikugel mit<br />
einem Durchmesser von drei Metern<br />
gesehen hatte, war ich positiv überrascht<br />
und fühlte, <strong>das</strong>s ich sie unbedingt<br />
ausprobieren möchte. Es ist<br />
eine durchsichtige Kugel, in <strong>der</strong>en Innerem<br />
sich eine kleinere Kugel befindet,<br />
und zwischen ihnen gibt es einen<br />
Luftraum und eine Vielzahl von Spezialbefestigungen.<br />
In den Innenraum<br />
<strong>der</strong> Kugel gelangt man durch einen<br />
schmalen Tunnel, in den einem die<br />
Zorb-Fanatiker, die auf <strong>der</strong> Zorbing-<br />
Basis von Rotorua (www.zorb.com)<br />
arbeiten, hineinhelfen. Man kann zwischen<br />
mehreren amüsanten Rollprogrammen<br />
wählen: die trockene Zorbing-Variante<br />
– ZORBIT (59 NZD) o<strong>der</strong><br />
die nasse Zorbing-Variante – ZYDRO<br />
(49 NZD). Der Unterschied ist sehr offensichtlich<br />
– bei ZORBIT rollt man wie<br />
wild allein und gut festgeschnallt in<br />
<strong>der</strong> Kugel auf gera<strong>der</strong> Trasse den Hügel<br />
herab, und bei ZYDRO wird Wasser<br />
in die Kugel gelassen; nicht so viel,<br />
<strong>das</strong>s man schwimmt, aber genügend,<br />
um völlig durchnässt zu werden. Des<br />
Weiteren kann man sich die ZYDRO-<br />
Kugel mit ein paar Freunden teilen,<br />
mit denen man viel Körperkontakt<br />
haben möchte, <strong>der</strong> beim Rollen mit<br />
großer Geschwindigkeit in <strong>der</strong> sich<br />
überschlagenden Kugel zustande<br />
kommt, denn in ihm bewegt man sich<br />
uneingeschränkt frei.<br />
An diesem Tag schien die Sonne<br />
und ich beschloss, beide Arten des<br />
Zorbings auszuprobieren, wobei<br />
ich mir aber die nasse Variante für<br />
den Schluss aufhob. Ich muss sagen,<br />
<strong>das</strong>s ich oben auf dem <strong>Be</strong>rg,<br />
wo mich zwei passionierte Adrenalin-Fanatiker<br />
und Mitarbeiter von<br />
Zorb Rotorua erwarteten, fühlte,<br />
wie mein Herz schneller schlug.<br />
Dies war keine so atemberaubende<br />
<strong>Be</strong>währungsprobe wie <strong>der</strong><br />
Bungee-Sprung, wo mein Denken<br />
völlig aussetzte, o<strong>der</strong> wie eine <strong>Be</strong>schäftigung<br />
wie <strong>das</strong> Kajakfahren,<br />
die einem Technik und Konzentration<br />
abverlangt, aber es war eine<br />
leichte und beson<strong>der</strong>s angenehme<br />
Aufregung und ich konnte den<br />
bevorstehenden Adrenalinschub<br />
riechen. Ich zwänge mich in den<br />
Tunnel, wobei ich die Randbemerkung<br />
<strong>der</strong> beiden Jungs, <strong>das</strong>s die<br />
Zorb-Kugeln <strong>das</strong> offizielle Symbol<br />
<strong>der</strong> nächsten Olympischen<br />
Winterspiele in Sotschi (Russland)<br />
sein werden, im Kopf verarbeite.<br />
52
Laut dem Präsidenten des Organisationsausschusses<br />
„wi<strong>der</strong>spiegeln die<br />
durchsichtigen Zorbs die offene, zugängliche<br />
und harmonische Gesellschaft,<br />
bei <strong>der</strong>en Schaffen die Olympischen<br />
Winterspiele 2014 in Sotschi<br />
versuchen werden, behilflich zu sein.“<br />
Meine intellektuellen Gedankengänge<br />
wurden unterbrochen, als mein<br />
Zorb sich in <strong>Be</strong>wegung setzte, und ich<br />
rollte mit „aaaa, oooooo, uuuuuuuuuuuu<br />
yeahhhhhh...“ Kopf nach unten,<br />
Kopf nach oben, Kopf nach unten und<br />
wie<strong>der</strong> umgekehrt, und Himmel und<br />
Erde vermischten sich in einem herrlichen<br />
Mosaik aus Grün, Blau und Grünblau<br />
und keine Ahnung was sonst für<br />
Farben. Es ging so schnell voran, <strong>das</strong>s<br />
ich mich ziemlich beneeeebelt fühlte.<br />
Nachdem die Kugel zum Stillstand<br />
gekommen war, schnallte ich mich ab<br />
und schaffte es gerade so heraus auf<br />
den Boden, wo ich einige Sekunden<br />
lang taumelte und mein irrsinniges<br />
Lachen nicht kontrollieren konnte.<br />
Alles geschah so schnell, <strong>das</strong>s ich,<br />
nachdem ich endlich zu lachen und<br />
schwanken aufgehört hatte, dem<br />
Kiwi, <strong>der</strong> mir beim Aussteigen behilflich<br />
war, auf die Schulter klopfte und<br />
etwas zu laut rief, <strong>das</strong>s ich nochmals<br />
will, NOCHMALS, NOCHMALS. Der<br />
Junge nickte verständnisvoll, weil er<br />
<strong>das</strong> sicher schon tausendmal gehört<br />
hat, und sagte nur ein Wort – „ansteckend“.<br />
Ich ließ mir zehn Minuten zum Verschnaufen,<br />
aber länger hielt ich es<br />
nicht aus und eilte zum nächsten<br />
Durchgang, diesmal zur Zig Zag-Trasse.<br />
In <strong>der</strong> Kugel wurde ich nicht festgeschnallt,<br />
son<strong>der</strong>n um mich herum<br />
gluckerten ein paar Eimer Wasser.<br />
Der Gedanke, <strong>das</strong>s man mich vom<br />
<strong>Be</strong>rg herab frei in dieser seltsamen<br />
Angelegenheit herab lassen wird, war<br />
unglaublich, denn es schien zweifellos<br />
die große Möglichkeit auf einen<br />
Genickbruch zu geben, es war jedoch<br />
schon zu spät, um Fragen zu stellen.<br />
Ich beruhigte mich zumindest damit,<br />
<strong>das</strong>s ich nicht zu viel gegessen hatte.<br />
Der Zorb setzte sich in <strong>Be</strong>wegung und<br />
die genauste <strong>Be</strong>schreibung von dem,<br />
was ich fühlte, als ich unkontrolliert in<br />
alle Richtungen geschleu<strong>der</strong>t wurde,<br />
ist eine Waschmaschine. Völlig ohne<br />
Kontrolle über meine Situation prallte<br />
ich gegen die Wände des Zorbs und<br />
konnte nicht vorahnen, wohin mich<br />
die Zig Zag-Trasse danach werfen<br />
wird, und vergessen Sie <strong>das</strong> Wasser<br />
nicht. An diesem Tag war es kalt und<br />
erfrischte mich ordentlich. Im Winter<br />
o<strong>der</strong> an einem Regentag kann man<br />
wohl einen Waschgang mit warmem<br />
Wasser wählen.<br />
Im Wissen darum, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Zorbing<br />
meine letzte Möglichkeit zum Toben<br />
in Neuseeland ist, ließ ich mich<br />
noch einmal in einem trockenen<br />
Zorb herabrollen. <strong>Be</strong>im zweiten Mal<br />
war es nicht weniger eindrucksvoll<br />
als beim ersten Mal, und da ich<br />
wusste, was mich erwartet, konnte<br />
ich mich mehr auf die durch die<br />
irre Drehung hervorgerufenen Reaktionen<br />
meines Körpers konzentrieren.<br />
Dieses Mal stieg ich ohne<br />
Hilfe aus und wurde zum echtesten<br />
eingeschworenen Zorbonauten.<br />
© Thinkstock (4)<br />
53
explorer<br />
Kia ora & Ka kite ano! –<br />
Danke und auf Wie<strong>der</strong>sehen<br />
Das wars?! Der lange Flug zurück in die gut vertraute<br />
Welt stand bevor. Dort warteten Arbeit, Zuhause und<br />
Alltag auf mich.<br />
Und ich lächelte, denn Neuseeland<br />
mit seiner frischen Luft und seinen<br />
Räumen hat mich zu neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
und Erfahrungen inspiriert.<br />
Ich wusste, <strong>das</strong>s ich nur einen<br />
kleinen Teil von dem, was dieses <strong>Land</strong><br />
<strong>der</strong> verrückten Einwohner anzubieten<br />
hat, erforscht und ausprobiert<br />
habe. In Gedanken schmiedete ich<br />
Pläne für eine Rückkehr nach Karamea.<br />
Ich war mir sicher, <strong>das</strong>s die noch<br />
nicht bewältigte Schwelle „Holy Shit“<br />
mich nochmals hier herführen wird.<br />
Außerdem wollte ich unbedingt den<br />
besten Schnee auf <strong>der</strong> Südhalbkugel<br />
spüren, denn ich war kein schlechter<br />
Skifahrer und Neuseeland ist <strong>der</strong> ideale<br />
Ort zum Skifahren, wenn in Europa<br />
Sommer ist, wo <strong>der</strong> Hubschrauber<br />
dabei hilft, die höchsten Punkte mit<br />
sauberem unberührtem Schnee zu<br />
erreichen.<br />
„Oh ja“, <strong>das</strong> sind Paradies, Heimat und<br />
Lebensort <strong>der</strong> Liebhaber von Extremvergnügungen<br />
und -sport. Während<br />
<strong>der</strong> Reise habe ich viele Geschichten<br />
davon gehört, wie viele Draufgänger,<br />
die wegen einer Adrenalindosis nach<br />
NZ gekommen sind, nie wie<strong>der</strong> von<br />
hier abgereist sind. Ich fühlte, <strong>das</strong>s<br />
auch ich zu einem Anhänger geworden<br />
bin, wie bereits ein Kiwi zu mir<br />
sagte, – es ist ansteckend.<br />
Schlüsselinformationen<br />
<strong>Land</strong>: Neuseeland<br />
Hauptstadt: Wellington –<br />
südlichste Hauptstadt <strong>der</strong> Welt<br />
Küstenlänge von NZ: etwa 15,134 km<br />
Einwohnerzahl: ca. 4 Millionen<br />
Sprache: Englisch, Maori (Te reo Maori)<br />
Flugticket-Preise: ab 1300 € (London –<br />
Christchurch (NZ) – London)<br />
Flugdauer (in eine Richtung): etwa<br />
28–30 Stunden<br />
54
© Thinkstock (9)<br />
Tatsachen und Heiteres<br />
.. In Wellington gibt es mehr Plätze<br />
im Restaurant pro Person als in<br />
New York.<br />
.. An staatlichen Feiertagen berechnen<br />
Restaurants und Cafés<br />
einen Aufschlag von 20 %.<br />
.. Die Vögel Kea und Weka sind sehr<br />
neugierig und kräftig. Seien Sie<br />
wachsam, wenn Sie Ihre Handtaschen<br />
geöffnet lassen, und<br />
haben Sie auch auf abgelegte<br />
Schuhe ein Auge – Sie könnten<br />
sie verlieren.<br />
.. Wasser aus dem Hahn kann ohne<br />
<strong>Be</strong>denken getrunken werden.<br />
..<br />
Vor einer Reise nach NZ sind keine<br />
zusätzlichen Impfungen notwendig.<br />
.. Respektieren Sie die Privatsphäre<br />
und bitten Sie die Maori um<br />
Erlaubnis, bevor Sie sie fotografieren.<br />
.. Edmund Hillary, <strong>der</strong> erste<br />
Mensch, <strong>der</strong> den Mount Everest<br />
erklommen hat, ist Bürger von<br />
NZ.<br />
..<br />
..<br />
..<br />
Neuseeland nennen ihr Zuhause:<br />
die größten nicht fliegenden<br />
Papageien (Kakapo), die ältesten<br />
Reptilien (Tuatara), die größten<br />
Erdwürmer (Earthworms),<br />
die kleinsten Fle<strong>der</strong>mäuse, <strong>das</strong><br />
schwerste Insekt (a weta), einige<br />
<strong>der</strong> ältesten Bäume und seltensten<br />
Vögel, Insekten und Pflanzenarten<br />
<strong>der</strong> Welt.<br />
Eine Reiseversicherung bei einem<br />
<strong>Be</strong>such von NZ ist ein absolutes<br />
Muss.<br />
Neuseeland hält 54 % des Hammelfleischexports<br />
auf dem Weltmarkt.<br />
Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />
Ziel zu erreichen.<br />
Zeit, die zum Erreichen des Ziels notwendig ist.<br />
..<br />
..<br />
..<br />
..<br />
Score<br />
Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />
Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />
Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />
die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
Der Vater <strong>der</strong> Atomphysik und<br />
Nobelpreisträger Ernest Rutherford<br />
war auch ein Kiwi.<br />
NZ hat mehr Golfplätze und Buchläden<br />
als jedes an<strong>der</strong>e <strong>Land</strong> <strong>der</strong><br />
Welt, was heißt, <strong>das</strong>s die <strong>Be</strong>wohner<br />
sehr belesen und zugleich<br />
sportlich sind.<br />
Die gesamte Trilogie vom „Herr<br />
<strong>der</strong> Ringe“ (The Lord of the Rings)<br />
wurde in Neuseeland gefilmt.<br />
1 EUR = 1.8705 NZD<br />
1 NZD = 0.5346 EUR<br />
Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
55
climber<br />
Speedklettern:<br />
Geht’s noch<br />
extremer?<br />
Text Gediminas Galkauskas<br />
56
Wenn Sie auf <strong>der</strong> Reise durch den Bundesstaat Kalifornien<br />
<strong>der</strong> USA sind, dann sollten Sie unbedingt<br />
die Lovers Leap-Felsen in <strong>der</strong> Nähe des Lake Tahoe<br />
besuchen.<br />
Das sollten Sie nicht nur tun, um sich<br />
eine weitere abgedroschene Geschichte<br />
im Stil von Romeo und Julia<br />
anzuhören, laut <strong>der</strong>er zwei Verliebte<br />
aus zwei unterschiedlichen Stämmen<br />
sich <strong>das</strong> Leben genommen haben,<br />
indem sie sich vom mehr als 125 m<br />
hohen Felsen stürzten. Ein viel wichtigerer<br />
Grund ist, <strong>das</strong>s man genau<br />
hier begreifen kann, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Mensch<br />
vom Affen abstammt, und <strong>das</strong> verschollene<br />
Glied zwischen Homo sapiens<br />
und den Primaten <strong>der</strong> Gegenwart<br />
lässt sich hier in voller Schönheit mit<br />
den eigenen Augen betrachten. Und<br />
<strong>das</strong> ist hun<strong>der</strong>t Mal echter als die Suche<br />
nach irgendeinem mystischen<br />
Schneemenschen.<br />
Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor<br />
dem Lovers Leap-Felsen, <strong>der</strong> direkt<br />
vor Ihren Augen ganz vertikal nach<br />
oben schießt. Sie denken, <strong>das</strong>s man<br />
nur durch Überfliegen auf die an<strong>der</strong>e<br />
Seite des Felsens ge<strong>langen</strong> kann,<br />
also ziehen Sie die <strong>Land</strong>karte aus dem<br />
Rucksack und suchen nach einer Umgehung.<br />
Schauen Sie genauer hin<br />
– plötzlich taucht von irgendwo ein<br />
Geschöpf auf, <strong>das</strong> auf den ersten Blick<br />
an einen Menschen erinnert und<br />
schnell beginnt, am Felsen nach oben<br />
zu klettern. Sie versuchen Genaueres<br />
zu erkennen – es scheint ein Mensch<br />
zu sein, aber Menschen können so<br />
etwas doch nicht! Das können nur<br />
Affen. Für <strong>der</strong>artige Gedankengänge<br />
über Evolution bleiben Ihnen gerade<br />
einmal 4 min 25 s, denn in dieser Zeit<br />
hat <strong>das</strong> Geschöpf den Gipfel erreicht,<br />
und laut den von oben erklingenden<br />
unartikulierten Freu<strong>der</strong>ufen sind Sie<br />
schon fast überzeugt, <strong>das</strong>s Sie es mit<br />
einem Primaten zu tun haben.<br />
Genau dieses verschollene Glied <strong>der</strong><br />
Evolution zwischen Homo sapiens<br />
und den Primaten wird hier „speed<br />
climbers“ (engl. Speedkletterer) genannt.<br />
Das sind Menschen, die überall<br />
klettern, wo sich nur die Möglichkeit<br />
dazu bietet. Umso schwieriger<br />
und gefährlicher, desto größer ist<br />
die <strong>Be</strong>friedigung für sie. Ihr Ziel ist<br />
es, nicht nur am Leben zu bleiben,<br />
son<strong>der</strong>n auch am schnellsten einen<br />
konkreten Gipfel o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>es<br />
Objekt zu erklimmen. Das erwähnte<br />
Erklimmen des Lovers Leap-Gipfels ist<br />
kein Science-Fiction – die Koryphäe<br />
<strong>der</strong> Speedkletterer, Dan Osman, hat<br />
im wirklichen Leben tatsächlich diese<br />
kurze aber eindrucksvolle Aktion<br />
durchgeführt. Sie können sich davon<br />
selbst überzeugen, indem Sie die<br />
Webseite http://www.verficktescheisse.com/dan-osman-free-climbinglovers-leap/<br />
besuchen, o<strong>der</strong> sich den<br />
Werbeclip über Dan Osman unter <strong>der</strong><br />
Adresse http://www.indipipe.com/<br />
videos/141/extreme-climbing-denosman<br />
ansehen.<br />
Schneller als alles<br />
an<strong>der</strong>e<br />
Speedklettern entstand aus dem<br />
einfachen <strong>Be</strong>rgsteigen und dem<br />
Klettern. Wenn Sie jedes Wochenende<br />
in die Alpen fahren, um dort<br />
einen Spaziergang zu machen,<br />
und in <strong>der</strong> Lage sind, schneller zu<br />
gehen als die Damen und Herren<br />
im gesetzten Alter, die wegen <strong>der</strong><br />
frischen Luft angereist sind, dann<br />
denken Sie nicht, <strong>das</strong>s Sie sich bereits<br />
als Speedkletterer bezeichnen<br />
können. An irgendeinem Punkt<br />
vor langer Zeit sahen sich die Vorläufer<br />
<strong>der</strong> letzteren <strong>Be</strong>schäftigung<br />
zu sehr gelangweilt vom einfachen<br />
Aufstieg zum Gipfel, sie wollten es<br />
schneller als die an<strong>der</strong>en schaffen.<br />
Außerdem sind in solchen<br />
Alpinisten-Paradiesen wie dem<br />
Mount Everest, den Alpengipfeln,<br />
den <strong>Be</strong>rgen des Yosemite Nationalparks<br />
u. Ä. die Wege zum <strong>Be</strong>steigen<br />
allen bis ins Detail bekannt. Für<br />
die „coolsten“ <strong>Be</strong>rgsteiger ist es<br />
uninteressant dort aufzusteigen,<br />
wo so viele Menschen waren, wie<br />
eine gut aussehende Prostituierte<br />
im Jahr Kundschaft empfängt.<br />
Sie möchten einzigartig sein und<br />
lechzen nach Rekorden. Ihr Motto<br />
lautet: Wenn du nicht <strong>der</strong> erste sein<br />
kannst, dann sei <strong>der</strong> schnellste.<br />
© Thinkstock (3)<br />
57
climber<br />
Das systematisierte <strong>Be</strong>rgsteigen entstand<br />
noch im 18./19. Jh., als man<br />
damit begann, dort nach wenig bekannten<br />
Tieren o<strong>der</strong> Pflanzen zu suchen.<br />
Und als Sportart bildete sich <strong>das</strong><br />
<strong>Be</strong>rgsteigen am Ende des 19. Jh. heraus.<br />
Trotzdem haben sich die Menschen<br />
schnell an den höchsten und<br />
rausten <strong>Be</strong>rgen zu schaffen gemacht,<br />
weshalb es einfach keine Möglichkeit<br />
mehr gibt, in <strong>das</strong> Buch <strong>der</strong> Rekorde<br />
eingetragen zu werden, wie dies dem<br />
ersten, <strong>der</strong> einen eindrucksvollen<br />
Gipfel erklommen hatte, vergönnt<br />
war. Deshalb fanden sich solche, die<br />
sich entschlossen haben, in die Geschichte<br />
einzugehen, indem Sie einen<br />
Gipfel schneller erklimmen als dies jemandem<br />
zuvor gelungen ist.<br />
In den 60er Jahren des 20. Jh. begannen<br />
die Amerikaner mit dem Praktizieren<br />
des Geschwindigkeitsbergsteigens.<br />
Sie zogen zum Freiklettern<br />
wenig technische Hilfe zu Rate – lediglich<br />
Haken und Seile. Diese Ausrüstung<br />
sollte nur in den Situationen<br />
helfen, wo <strong>der</strong> Aufstieg zu gefährlich<br />
o<strong>der</strong> ansonsten unmöglich ist.<br />
Seitdem wurde diese <strong>Be</strong>schäftigung<br />
perfektioniert, die Menschen evolutionierten<br />
und schnell war die Grenze<br />
erreicht, wo man beim <strong>Be</strong>rgsteigen<br />
nur seine Arme und <strong>Be</strong>ine einsetzt,<br />
ohne jegliche Sicherungen, weil... diese<br />
zweifellos nur stören und unnötiges<br />
Gewicht darstellen.<br />
Ein echter Speedkletterer, <strong>der</strong> nur<br />
den Rekord vor Augen hat, zerbricht<br />
sich nicht den Kopf mit solchen banalen<br />
Fragen wie Sicherheit o<strong>der</strong> Wert<br />
des Lebens. Wenn man <strong>der</strong> schnellste<br />
sein möchte, dann muss man Risiken<br />
in Kauf nehmen. Das ist wie beim Kauf<br />
einer beliebigen Dienstleistung – sie<br />
kann nicht schnell, billig und qualitativ<br />
zugleich sein. Man kann nur 2 Varianten<br />
wählen. Der Schweizer Ueli Steck<br />
beispielsweise hat vor ein paar Jahren<br />
in einer Rekordzeit von 2 h 47 min 33<br />
s den Gipfel des Eigers in den Alpen<br />
bestiegen und hatte lediglich ein 30<br />
m langes Seil (<strong>das</strong> er nicht einmal einsetzte),<br />
eine einzige Schneeschraube,<br />
2 Eispickel und 4 Karabinerhaken im<br />
Gepäck. Für gewöhnlich wird für <strong>das</strong><br />
<strong>Be</strong>steigen des Eigers die folgende Ausrüstung<br />
empfohlen: zwei 60 m lange<br />
Seile, ein Schlafsack, ein Kocher und<br />
die dazu gehörige Brennstoffreserve,<br />
verschiedene Werkzeuge, welche die<br />
Sicherheit garantieren, Eispickel und<br />
Verpflegung für wenigstens 3 Tage...<br />
Diese Zusammenstellung ist natürlich<br />
für blutige Anfänger gedacht, denn<br />
„eingefleischte“ Speedkletterer sind<br />
von Natur aus bemüht, unnötige Last,<br />
Körpergewicht sowie unpassende<br />
Gedanken zu vermeiden, da dieser<br />
unnötige Ballast nur den Aufstieg erschwert.<br />
Geschmackssache<br />
(auf Wahnsinnsniveau)<br />
Die extremsten Speedkletterer<br />
sind Vertreter des sogenannten<br />
„Free soloing“. Hier beruft sich <strong>der</strong><br />
Mensch lediglich auf seine Körperdaten,<br />
Fähigkeiten und seine psychologische<br />
Einstellung. Hilfsmittel<br />
werden nur benutzt, um den Aufstieg<br />
zu erleichtern, jedoch nicht<br />
dazu, um den Absturz zu vermeiden.<br />
Aus diesem Grund endeten<br />
die Überschätzung <strong>der</strong> eigenen<br />
Kraft und die Waghalsigkeit für viele<br />
Koryphäen des <strong>Be</strong>rgsteigens mit<br />
dem Tod. Die Asse im Free Soloing<br />
besteigen <strong>Be</strong>rge auf diese Weise<br />
nicht nur, weil sie neue Rekorde<br />
zum Ziel haben, son<strong>der</strong>n weil sie<br />
auch auf <strong>der</strong> Jagd nach einer neuen<br />
Adrenalindosis sind und mit ihrer<br />
Angst kämpfen wollen.<br />
58
Natürlich kann man auch einer sichereren<br />
Alternative des Free Soloing<br />
nachgehen, die von den Assen in diesem<br />
<strong>Be</strong>reich ebenfalls verächtlich beäugt<br />
wird, wie Snobs, denen gerade<br />
anstelle eines Luxus-Restaurants eine<br />
schäbige Bierbar angeboten wurde.<br />
Das ist <strong>das</strong> Boul<strong>der</strong>n. Auch hier werden<br />
keinerlei Sicherungsmaßnahmen<br />
gegen <strong>das</strong> Abstürzen getroffen, man<br />
besteigt jedoch nur kleine Felsen, von<br />
denen ein Absturz nicht gefährlich ist,<br />
da <strong>der</strong> Abstieg auf Sand o. Ä. erfolgt.<br />
Eine weitere Variante, ein echter Macho<br />
zu sein, jedoch nicht sein Leben<br />
aufs Spiel zu setzen ist <strong>das</strong> sogenannte<br />
„Deep water soloing“. Hierbei besteigt<br />
man Felsen, die sich direkt am<br />
Wasser befinden, weshalb ein Absturz<br />
im schlimmsten Fall mit einem Bauchklatscher<br />
aus großer Höhe endet. Unangenehm,<br />
aber nicht lebensgefährlich.<br />
An<strong>der</strong>erseits wird man in diesen<br />
beiden Fällen beim Klettern nicht an<br />
die Grenze <strong>der</strong> Extremerfahrungen<br />
herangeführt, weil Sie sogar bei Misserfolg<br />
noch eine Alternative haben.<br />
Es gibt auch eine sportliche Art des<br />
Speedkletterns, die es wert ist, den<br />
Namen Speedklettern lediglich <strong>der</strong><br />
Geschwindigkeit wegen zu tragen,<br />
weil sie völlig ungefährlich ist. Hier<br />
gibt es auch keine große Höhe, die<br />
Felsen sind künstlich, und es gibt eine<br />
Menge Sicherheitsmaßnahmen, welche<br />
die Sicherheit des Sportlers garantieren.<br />
Der einzige Vorteil ist <strong>der</strong>,<br />
<strong>das</strong>s man seine Fähigkeiten im Speedklettern<br />
wohl schon in naher Zukunft<br />
<strong>der</strong> breiten Welt präsentieren können<br />
wird. Das Internationale Olympische<br />
Komitee erwägt die Möglichkeit, <strong>das</strong><br />
Speedklettern zu einer vollwertigen<br />
Sportart zu erklären. Die Koryphäen<br />
des traditionellen Speedkletterns betrachten<br />
diese Alternative wie den<br />
Sex mit einer Gummipuppe, noch zusätzlich<br />
mit Kondom, denn was kann<br />
es für ein Vergnügen sein, einer solchen<br />
Tätigkeit mit maximaler Sicherung<br />
und noch dazu auf Kunstfelsen<br />
nachzugehen?<br />
Mit solchen „kastrierten“ Alternativen<br />
beschäftigen sich nur diejenigen, die<br />
vor einer echten Adrenalindosis zurückschrecken<br />
o<strong>der</strong> sich davor fürchten,<br />
bis aufs Äußerste an den Tunnel,<br />
an dessen Ende <strong>das</strong> Licht blendet,<br />
heranzukommen. Echte Meister des<br />
Speedkletterns überbieten heutzutage<br />
nicht nur unglaubliche Rekorde<br />
in den <strong>Be</strong>rgen, son<strong>der</strong>n entdecken<br />
auch an<strong>der</strong>e Objekte, die man besteigen<br />
kann. Der am besten umworbene<br />
„urban climber“ (engl. Stadtkletterer)<br />
<strong>der</strong> Gegenwart, <strong>der</strong> Franzose Alain<br />
© Thinkstock (5)<br />
59
climber<br />
AuSSergewöhnliche<br />
Fähigkeiten<br />
Will man schnell einen <strong>Be</strong>rg besteigen,<br />
genügt es nicht, jemand zu<br />
sein, <strong>der</strong> keine Angst um sein Leben<br />
hat. Eine beson<strong>der</strong>s gute körperliche<br />
Verfassung ist erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Speedklettern erfor<strong>der</strong>t nicht nur,<br />
<strong>das</strong>s die <strong>Be</strong>wegungen in maximaler<br />
Geschwindigkeit, son<strong>der</strong>n auch<br />
sehr effizient ausgeführt werden.<br />
Um eine hohe Klettergeschwindigkeit<br />
zu erreichen, müssen Kraft und<br />
Ausdauer in Einklang gebracht<br />
werden, und am wichtigsten ist es,<br />
sich die Technik des Geschwindigkeitskletterns<br />
anzueignen.<br />
Robert, ist <strong>der</strong> breiten Öffentlichkeit<br />
eher unter dem Spitznamen „S “ bekannt.<br />
Er besteigt hohe Gebäude o<strong>der</strong><br />
populär ausgedrückt – er beschäftigt<br />
sich mit dem Boul<strong>der</strong>n. Er wird stets<br />
zu den Eröffnungsfeiern <strong>der</strong> höchsten<br />
o<strong>der</strong> fast höchsten Gebäude <strong>der</strong><br />
Welt eingeladen, man bietet ihm an,<br />
<strong>das</strong> neue Gebäude zu besteigen. Es<br />
ist nur etwas seltsam, <strong>das</strong>s die Organisatoren<br />
keine Angst vor einem Unfall<br />
haben: Denn wer möchte schon <strong>der</strong><br />
Verwalter eines Gebäudes sein, von<br />
dem Spi<strong>der</strong>man selbst abstürzte und<br />
ums Leben kam?<br />
Es kann den Anschein haben, <strong>das</strong>s<br />
die urbanistische Art des Speedkletterns<br />
erst nach <strong>der</strong> Errichtung hoher<br />
Gebäude entstehen konnte, was jedoch<br />
nicht <strong>der</strong> Wahrheit entspricht<br />
– die Ursprünge dieser <strong>Be</strong>schäftigung<br />
sind ebenso alt wie die ihres „Cousins“,<br />
<strong>der</strong> in natürlicher Umgebung<br />
kultiviert wird. <strong>Be</strong>reits am Ende des<br />
19. Jh. hat Geoffrey Winthrop Young,<br />
ein Student in Cambridge, die Dächer<br />
<strong>der</strong> Universitätsstadt bestiegen<br />
und im Jahre 1890 gab er einen<br />
Führer heraus, wie man einen Turm<br />
besteigt. Heutzutage überlässt man<br />
die vergleichsweise niedrigen Dächer<br />
von Cambridge den romantisch<br />
gestimmten Studenten, und echte<br />
Boul<strong>der</strong>n-Asse, wie beispielsweise A.<br />
Robert, Dan Goodwin, George Polley,<br />
George Willig, Harry Gardiner, Whipplesnaith<br />
und an<strong>der</strong>e, stürmen solche<br />
gigantischen Gebäude wie <strong>das</strong> Empire<br />
State Building (381 m), den Sears<br />
Tower (442 m), Taipei 101 (450 m), die<br />
Petronas Towers (379 m) u. Ä.<br />
60
Eine gute körperliche Verfassung,<br />
die man sich im Fitness-Studio aneignet,<br />
stellt für <strong>das</strong> Speedklettern<br />
lediglich die primitivste Grundlage<br />
dar. Die am Geschwindigkeitsklettern<br />
„teilnehmenden“ Hauptmuskeln<br />
sind <strong>der</strong> Vierkopf-, die<br />
Oberschenkel- und Unterschenkelmuskeln,<br />
weshalb diese also zuerst<br />
zu trainieren sind. Schlecht wäre<br />
natürlich auch nicht, wenigstens<br />
drei Mal in <strong>der</strong> Woche ernsthaft zu<br />
joggen. Trotzdem sind Sie dann<br />
immer noch so weit von einem<br />
echten Speedkletterer entfernt<br />
wie die Quelle des Amazonas von<br />
seiner Mündung, wenn Sie es nicht<br />
fertig bringen, Explosivkraft aufzubauen.<br />
© Thinkstock (5)<br />
Um schneller als die Frischluftrentner<br />
in den Alpen den <strong>Be</strong>rg zu besteigen,<br />
müssen Sie Ihr gesamtes Training mit<br />
Maximalkraft absolvieren, jedoch in<br />
kurzen Zeitabschnitten. Nur dann<br />
können Ihre Muskeln sich an große<br />
Momentbelastungen anpassen, denen<br />
man beim Speedklettern ständig<br />
ausgesetzt ist.<br />
Wir haben hier über den einfachsten<br />
Teil <strong>der</strong> Vorbereitungen auf <strong>das</strong><br />
Speedklettern – die körperliche Verfassung<br />
– gesprochen. Zum Aufbau<br />
von Muskelmasse braucht es keinen<br />
viel Verstand, es genügt, wenn man<br />
hartnäckig ist und über längere Zeit<br />
im Fitness-Studio Gewichte stemmt.<br />
Viel wichtiger als die körperliche Verfassung<br />
beim Speedklettern ist die<br />
Klettertechnik selbst. Hier „investieren“<br />
die Speedkletterer für gewöhnlich<br />
in zwei Dinge: <strong>Be</strong>weglichkeit (lernen,<br />
wie man einzelne <strong>Be</strong>wegungen<br />
so schnell wie möglich ausführt) und<br />
Schnelligkeit (lernen, wie man einzelne<br />
<strong>Be</strong>wegungen mit maximaler Geschwindigkeit<br />
zu einem Gefüge verbindet).<br />
Die 2006 von Konstantin Fuss<br />
und Gunther Niegl durchgeführte<br />
Studie im Speedklettern hat gezeigt,<br />
<strong>das</strong>s bei sportlichen Wettkämpfen<br />
meistens die Speedkletterer gewinnen,<br />
<strong>der</strong>en Arme bei Kontakt mit <strong>der</strong><br />
Oberfläche die Maximalbelastung erreichen,<br />
aber nur so kurz wie möglich<br />
in diesem Kontakt verbleiben. Das ist<br />
ein völliger Gegensatz zum gewöhnlichen<br />
<strong>Be</strong>rgsteigen, wo <strong>das</strong> Schonen<br />
<strong>der</strong> Kräfte und die Ausdauer <strong>das</strong><br />
Wichtigste sind. Das Gleiche gilt auch<br />
für die <strong>Be</strong>ine.<br />
61
climber<br />
<strong>Be</strong>im Perfektionieren <strong>der</strong> Klettertechnik<br />
ist es notwendig, sich auf vier Aspekte<br />
zu konzentrieren: Reaktion,<br />
<strong>Be</strong>schleunigung <strong>der</strong> <strong>Be</strong>wegungen<br />
und Steigerung von <strong>der</strong>en Häufigkeit<br />
sowie die Fähigkeit, <strong>das</strong> Anfangstempo<br />
zu halten. Dies sind die wichtigsten<br />
Aspekte, die einen einfachen <strong>Be</strong>rgsteiger<br />
zu einem guten Speedkletterer<br />
machen.<br />
Aber so gut Sie auch technisch vorbereitet<br />
sind, in von nach Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
dürstende Muskeln wird <strong>das</strong><br />
Blut strömen und es wird nichts Gutes<br />
dabei herauskommen, wenn Sie sich<br />
mit zu vielen Gedanken beschäftigen<br />
o<strong>der</strong> <strong>das</strong> Chaos herrscht. Das kann<br />
man lei<strong>der</strong> nicht trainieren. Entwe<strong>der</strong><br />
hat man die Neigung und den<br />
Wunsch, auf <strong>der</strong> Lebensgrenze zu<br />
balancieren, o<strong>der</strong> eben nicht. Wenn<br />
nicht, dann sind Boul<strong>der</strong>n und Deep<br />
Water Soloing nicht weniger „sexy“<br />
Alternativen. Falls Sie sich, trotz allem,<br />
schon für ernsthaftes Speedklettern<br />
o<strong>der</strong> Free Soloing entschieden<br />
haben, dann werden Sie mit sich ins<br />
Reine kommen müssen, was Sie vom<br />
Leben erwarten, und dieses so sinnvoll<br />
wie möglich führen, denn... man<br />
weiß nie, wann es zu Ende ist. Sie müssen<br />
auf Ihre eigenen Kräfte vertrauen.<br />
An<strong>der</strong>enfalls können Ihnen bei dem<br />
Versuch, in 150 m Höhe mit <strong>der</strong> Hand<br />
den Rand des Felsens zu erreichen,<br />
Gedanken wie „was passiert, wenn<br />
ich nicht rankomme“, ein <strong>Be</strong>in stellen.<br />
„Nur Sie und <strong>das</strong> Ziel“ – <strong>das</strong> sollte die<br />
einzige Information zwischen Ihren<br />
beiden Ohren sein. Einen an<strong>der</strong>en<br />
Weg gibt es einfach nicht.<br />
Auf kontinentalen<br />
<strong>Be</strong>rgrücken in<br />
Rekordgeschwindigkeit<br />
Einen Speedkletterer kann man<br />
überall erblicken, wenn es nur etwas<br />
gibt, <strong>das</strong> man besteigen kann.<br />
Für den Kletterer ist es unwichtig,<br />
ob es ein <strong>Be</strong>rg ist, <strong>der</strong> zuvor eine<br />
Million Mal bestiegen wurde, ein<br />
steiler Fels o<strong>der</strong> ein neu errichtetes<br />
Gebäude. Sein einziges Ziel liegt<br />
darin, schneller als alle an<strong>der</strong>en zu<br />
sein. Manchmal kämpfen Speedkletterer<br />
sogar mit ihren selbst<br />
aufgestellten Rekorden, da sie <strong>der</strong><br />
Überzeugung sind, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> eine<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Gipfel noch schneller<br />
erobert werden kann. Die bereits<br />
erwähnte Rekordbesteigung des<br />
Eigers durch Ueli Steck war die<br />
zweite. Zuvor hatte <strong>der</strong> Schweizer<br />
den gleichen Gipfel in knappen 4<br />
Stunden bestiegen.<br />
62
Der Gipfel des Mount Everest<br />
zieht als „Dach“ <strong>der</strong> Welt die Augen<br />
aller <strong>Be</strong>rgfreunde auf sich. Für einen<br />
echten Speedkletterer besitzt<br />
die olympische Regel „Hauptsache<br />
daran teilnehmen“ jedoch keine<br />
Gültigkeit. Solche edlen <strong>Be</strong>schäftigungen<br />
überlässt er den Menschen,<br />
die versuchen, die Lebensfreude<br />
zu finden, die Majestät <strong>der</strong><br />
Natur zu begreifen o<strong>der</strong> denen, die<br />
im Alter einfach etwas für ihre Enkel<br />
zum Erzählen haben möchten.<br />
Den Mount Everest am schnellsten<br />
zu besteigen versuchen ständig<br />
nicht etwa Weltstars des Speedkletterns,<br />
son<strong>der</strong>n 2 Sherpa: Pemba<br />
Dorji und Lakpa Gheylu. Falls Sie<br />
also auf Ihrem Weg auf den Everest<br />
von einem seltsam aussehenden<br />
Weggefährten überholt werden<br />
müssten, dann wird es höchstwahrscheinlich<br />
einer von den beiden<br />
sein. Seien Sie vorsichtig und<br />
stören Sie nicht <strong>der</strong>en Kampf, <strong>der</strong><br />
bereits seit 2003 andauert. Wenn<br />
normale Menschen den Everest in<br />
durchschnittlich 2–3 Wochen besteigen,<br />
so benötigen Pemba und<br />
Lakpa weniger als einen halben<br />
Tag. Vor 7 Jahren schaffte P. Dorji<br />
die Strecke auf den Gipfel in 12 h 43<br />
min, und bereits nach 3 Tagen hat<br />
L. Gheylu den Rekord auf 10 h 46<br />
min verbessert. Im Jahre 2004 hat<br />
Pemba den Titel des schnellsten<br />
Eroberers des Mount Everest zurückerlangt,<br />
wobei er den Rekord<br />
seines ewigen Konkurrenten sogar<br />
um 2 h 36 min geschlagen hat<br />
© Thinkstock (4)<br />
63
climber<br />
Der Yosemite Nationalpark in<br />
Kalifornien, USA, ist <strong>der</strong> Ort, wo<br />
Speedkletterer von Weltniveau<br />
einfach leben, sich perfektionieren<br />
und vermehren. Obwohl es<br />
hier neun besteigbare Gipfel gibt,<br />
schätzen die Speedkletterer, abhängig<br />
von <strong>der</strong> Tiefgründigkeit<br />
ihrer Fähigkeiten, am meisten den<br />
Weg Nose Route des Felsens El Capitan,<br />
wo ständig ein Kampf nach<br />
dem Motto „Geht es schneller und<br />
cooler?“ stattfindet. Vor einigen<br />
Jahren haben die Weltstars im<br />
Speedklettern Hans Florine und<br />
Yuji Hirayama den Felsen, mit dem<br />
sich <strong>Be</strong>rgsteiger-Laien 3 Tage o<strong>der</strong><br />
länger herumplagen, innerhalb<br />
von 2 h 43 min 33 s bewältigt.<br />
Wenn es ein Paradies für Speedkletterer<br />
gibt, dann würde es zweifellos<br />
dem Yosemite Nationalpark ähneln.<br />
Hier gibt es einen weiteren prestigeträchtigen<br />
Gipfel, dessen <strong>Be</strong>steigung<br />
einfach ein Muss ist, wenn man sich<br />
selbst als Speedkletterer bezeichnen<br />
möchte – den Half Dome. Zu seinem<br />
Gipfel führen zwei Wege. Den ersten<br />
mit dem Namen Regular Northwest<br />
Route haben unsere <strong>Be</strong>kannten Hans<br />
Florine und Jim Herson in 1 h 53 min<br />
25 s bewältigt, den an<strong>der</strong>en – die<br />
Snake-Dike-Route – kann Dean Potter<br />
sein Eigentum nennen, da er sie in genau<br />
3 h bewältigt hat.<br />
<strong>Be</strong>i <strong>der</strong> Reise in den USA von Westen<br />
nach Osten, irgendwo auf dem Weg<br />
nach Las Vegas, sollten Sie einmal<br />
anhalten und sich ansehen, wie die<br />
Menschen im geschützten Territorium<br />
des Red Rock Canyons ihr Leben<br />
aufs Spiel setzen. Obwohl es hier unendlich<br />
viele einfachere Felsen gibt,<br />
die den Red Rock Canyon zu einem<br />
hervorragenden Trainingsplatz für<br />
<strong>Be</strong>rgsteiger-Laien machen, wird Sie<br />
<strong>der</strong> auf dem Felsen Epinephrine kletternde<br />
Speedkletterer zwingen einzusehen,<br />
<strong>das</strong>s die 1000 USD, die Sie im<br />
Casino von Las Vegas eingetauscht<br />
und verspielt haben, nur eine unbedeutende<br />
Summe für einen Einsatz<br />
darstellen.<br />
Wenn Sie bei Ihrer Reise durch die USA<br />
nicht nur die Speedkletterer selbst,<br />
son<strong>der</strong>n auch etwas mehr sehen<br />
möchten, dann fällt die Wahl sehr einfach<br />
aus – alle von Speedkletterern<br />
geschätzten Gipfel befinden sich in irgendeinem<br />
Nationalpark. Der Eldorado<br />
Canyon State Park im Bundesstaat<br />
Colorado hat 2 von Speedkletterern<br />
geschätzte Gipfel: Bastille Crack und<br />
Third Flatiron.<br />
An<strong>der</strong>erseits, wenn man sich in den<br />
USA aufhält und daran denkt, <strong>das</strong>s<br />
die Natur nicht eindrucksvoller als<br />
die Stadt New York sein kann, dann<br />
kann man sich die Fahrt in die Tiefe<br />
<strong>der</strong> USA auch schenken. Es genügt,<br />
vom Big Apple etwa 130 km weit zu<br />
fahren, und Sie werden die Shawangunk-<strong>Be</strong>rge<br />
zu sehen bekommen, die<br />
von den Ortsansässigen einfach „The<br />
Gunks“ genannt werden. Dort gibt es<br />
4 Gipfel, die unter <strong>der</strong> von den Speedkletterern<br />
verursachten Erosion leiden:<br />
Millbrook, The Near Trapps, The<br />
Trapps und Skytop.<br />
64
In Europa befinden sich die bei<br />
Speedkletterern beliebten Felsen in<br />
Kroatien, im Nationalpark Paklenica.<br />
Hier findet ständig die Big Wall<br />
Climbing-Meisterschaft statt, was<br />
eine Mischung aus Speedklettern<br />
und einer mit ihm „verwandten“ <strong>Be</strong>schäftigung<br />
– dem Big Wall-Klettern<br />
– darstellt. In <strong>der</strong> Nähe dieses Ortes in<br />
Kroatien gibt es in <strong>der</strong> Region Istrien<br />
auch an<strong>der</strong>e Felsen, die <strong>das</strong> Ego eines<br />
Speedkletterers wert sind, unweit <strong>der</strong><br />
Städte Rijeka, Zagreb und Split.<br />
Die höchsten <strong>Be</strong>rge Europas, die Alpen,<br />
besitzen auch Abhänge, welche<br />
die Aufmerksamkeit von Speedkletterern<br />
verdient haben. Grandes Jorasses<br />
und Eiger Nordwand sind die<br />
Orte, wo selbst die größten Asse von<br />
Grund auf schwitzen können, ungeachtet<br />
dessen, <strong>das</strong>s dort immer Minustemperaturen<br />
herrschen. Die Eiger<br />
Nordwand, die auch als Götterquergang<br />
bezeichnet wird, hat es fast 50<br />
potentiellen Kandidaten nicht gestattet,<br />
den „Götterstatus“ zu erreichen.<br />
Seit 1938 haben hier genau so viele<br />
Speedkletterer bei ihrem Versuch,<br />
den Gipfel zu erobern, ihr Leben gelassen.<br />
Der größte <strong>Be</strong>rg des südamerikanischen<br />
Kontinents und <strong>der</strong> höchste<br />
<strong>Be</strong>rgrücken <strong>der</strong> Welt außerhalb<br />
Asiens, Aconcagua (6958 m), ist<br />
auch mit den Fingerabdrücken von<br />
Speedkletterern übersät. Der Ortsansässige<br />
Guillermo „Willie“ <strong>Be</strong>negas<br />
hat diesen <strong>Be</strong>rgrücken in 16 h 10 min<br />
bewältigt, aber als ob <strong>das</strong> noch nicht<br />
genug wäre, hat er den Abstieg auch<br />
noch in <strong>der</strong> Rekordzeit von 6 h 50 min<br />
geschafft. Um einen Vergleich anzustellen<br />
– für Gruppen von einfachen<br />
Laien werden zur <strong>Be</strong>wältigung dieser<br />
87 km <strong>langen</strong> Distanz meist 3 Wochen<br />
benötigt, und etwas erfahrenere Alpinisten<br />
schaffen es in bedauernswerten<br />
zwei Wochen.<br />
Ein weiteres Schmuckstück Südamerikas<br />
– die Region Patagonien<br />
– stellt für <strong>das</strong> Paradies <strong>der</strong><br />
Speedkletterer, den Yosemite Nationalpark,<br />
eine ernsthafte Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
dar. Das ist <strong>der</strong> Cochamo.<br />
Hier gibt es unendlich viele<br />
Felsen, wo man sich an den eigenen<br />
Rekorden und den Rekorden<br />
an<strong>der</strong>er messen kann. In <strong>der</strong> Nähe<br />
des Cochamo in Patagonien gibt es<br />
eine Vielzahl an<strong>der</strong>er besteigbarer<br />
Felsen, die jedoch nicht so extrem<br />
sind, weshalb echte Speedkletterer<br />
scherzen, <strong>das</strong>s eine Reise nach Patagonien<br />
ohne <strong>das</strong> <strong>Be</strong>steigen des<br />
Cochamo-Felsens mit Masturbation<br />
in einem Bordell vergleichbar<br />
wäre.<br />
© Thinkstock (6)<br />
65
climber<br />
In Afrika gibt es nichts <strong>Be</strong>sseres, als<br />
<strong>das</strong> als Wiege <strong>der</strong> Menschheit bezeichnete<br />
Kenia zu besuchen. Die<br />
größte Herausfor<strong>der</strong>ung für Speedkletterer<br />
bietet hier <strong>der</strong> Katz- und<br />
Mausfelsen (Cat and Mouse Crag).<br />
Im Sudan gibt es den Felsen El Jabal<br />
Torteel, <strong>der</strong> als afrikanischer El Capitan<br />
angesehen wird. Dieses Naturhin<strong>der</strong>nis<br />
schießt 213 m senkrecht empor.<br />
Wenn Sie nur angereist sind, um<br />
<strong>das</strong> Speedklettern zu beobachten,<br />
dann können Sie auch so zu Ihrer guten<br />
Adrenalindosis kommen. El Jabal<br />
Torteel liegt nämlich an <strong>der</strong> Grenze<br />
von Sudan und Eritrea, wo es ständig<br />
zu militärischen Unruhen kommt,<br />
deshalb sollte man sich über die eine<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Kalaschnikow-Kugel, die<br />
über dem Kopf hinwegsaust, nicht<br />
son<strong>der</strong>lich wun<strong>der</strong>n.<br />
Wenn Sie nach Australien reisen,<br />
bieten wir Ihnen an, einen Flug nach<br />
Neuseeland zu buchen, weil sich die<br />
Speedkletterer genau hier gern austoben,<br />
wobei sie die Felsen Australiens<br />
den Dilettanten und <strong>Be</strong>rgkängurus<br />
überlassen. Erinnern Sie sich an die<br />
Trilogie „Der Herr <strong>der</strong> Ringe“, als <strong>der</strong><br />
Hobbit Frodo den Ring zum Schmelzen<br />
in die Feuer von Mordor brachte<br />
und den <strong>Be</strong>rg bestieg? Als Speedkletterer<br />
kann man ihn nicht bezeichnen,<br />
aber <strong>das</strong>s <strong>das</strong> <strong>Be</strong>steigen <strong>der</strong> Felsen<br />
Neuseelands genau so schwer ist, wie<br />
es auf dem Gesicht des Hobbits geschrieben<br />
ist, <strong>das</strong> ist eine Tatsache. Das<br />
Problem ist nur, <strong>das</strong>s in diesem Winkel<br />
<strong>der</strong> Welt alle bei den Speedkletterern<br />
beliebten Orte recht weit voneinan<strong>der</strong><br />
entfernt sind. Es gibt jedoch auch<br />
Vorteile: Die meisten Felsen wurden<br />
wegen ihrer schweren Zugänglichkeit<br />
wenig bestiegen und die Mehrheit<br />
<strong>der</strong> Speedkletterer-Anfänger kann<br />
hier Rekorde verfolgen auch wenn sie<br />
nicht zu den Assen zählt.<br />
Ist es wirklich ein<br />
ernst zu nehmen<strong>der</strong><br />
Gipfel?<br />
Felsen, auf denen geklettert wird,<br />
unterscheiden sich durch ihre Kompliziertheit<br />
und für Speedkletterer<br />
sind die am interessantesten, die<br />
sich am schwersten bewältigen lassen.<br />
Wenn man jedoch verstehen<br />
will, wie kompliziert <strong>das</strong> <strong>Be</strong>steigen<br />
des einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Gipfels<br />
ist, können gewöhnliche körperliche<br />
Fähigkeiten unzureichend<br />
sein – manchmal scheint es, <strong>das</strong>s<br />
man wenigstens einen Magister in<br />
Quantenmechanik benötigt.<br />
Es gibt ganze 9 Schwierigkeitssysteme<br />
für Felsen, die regionsabhängig<br />
angewendet werden: <strong>das</strong> britische,<br />
amerikanische, auch Yosemite-Zehnersystem<br />
genannt, <strong>das</strong> französische,<br />
Ewbank, angewendet in Australien,<br />
Neuseeland und Südafrika,<br />
<strong>das</strong> System <strong>der</strong> Internationalen<br />
Union <strong>der</strong> Alpinismusvereinigungen<br />
UIAA (Union Internationale<br />
des Associations d’Alpinisme), <strong>das</strong><br />
sächsische, finnische, norwegische<br />
und brasilianische.<br />
66
Der Grundzug <strong>der</strong> <strong>Be</strong>wertungsskala<br />
für die Schwierigkeit <strong>der</strong> Felsen<br />
ist prinzipiell <strong>der</strong> Gleiche: Die Felsen<br />
werden aufgeteilt nach <strong>der</strong> Schwierigkeit,<br />
<strong>der</strong> Möglichkeit zum Einsatz<br />
von Sicherungen sowie nach den für<br />
<strong>das</strong> <strong>Be</strong>steigen erfor<strong>der</strong>lichen technischen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen. Je größer die<br />
Zahl, desto schwerer ist <strong>der</strong> Felsen<br />
zu bewältigen und umgekehrt. Für<br />
gewöhnlich stellt diese <strong>Be</strong>wertung<br />
eine Vereinbarung verschiedener<br />
Kletterer bezüglich <strong>der</strong> Schwierigkeit<br />
des Felsens dar. Mit an<strong>der</strong>en Worten,<br />
wenn man einen wenig bestiegenen<br />
Felsen erklimmt, sollte man die <strong>Be</strong>wertung<br />
reserviert betrachten. Denn<br />
hier verhält es sich wie mit <strong>der</strong> Filmbewertungs-Website<br />
imdb.com: Der<br />
Film hat vielleicht 9,3 Sterne erhalten,<br />
aber es haben nur 3 Personen ihre<br />
Meinung bekundet, was ganz und<br />
gar nicht bedeutet, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Film gut<br />
ist.<br />
Zu den populärsten und am meisten<br />
verbreiteten <strong>Be</strong>wertungssystemen<br />
für die Schwierigkeit <strong>der</strong> Felsen ist <strong>das</strong><br />
australische, <strong>das</strong> Zahlen bis 36 zuteilt.<br />
Je höher, desto furchtbarer. Die Amerikaner<br />
hingegen arbeiten nur mit<br />
einer Skala von 1 bis 5. Hier bedeutet<br />
nur die 5, <strong>das</strong>s man auf Felsen klettert.<br />
Das Klettern <strong>der</strong> Stufe 5 wird in Unterstufen<br />
unterteilt, die durch Zahlen<br />
hinter dem Komma zum Ausdruck<br />
gebracht werden, z. B. 5,5 o<strong>der</strong> 5,12.<br />
Im Zuge des Anstiegs <strong>der</strong> Zahl von<br />
Felsenkletterern und des Wachsens<br />
ihrer Professionalität, kommt eine Zusatzmarkierung<br />
zur Anwendung: Der<br />
Zahl werden Buchstaben von a (am<br />
leichtesten) bis d (am schwersten)<br />
hinzugefügt. Wenn man die <strong>Be</strong>rgsteigerführer<br />
betrachtet, dann wird die<br />
Zahl 5 für gewöhnlich nicht erwähnt,<br />
son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Wert nach dem Komma<br />
angegeben, d. h. ein Felsen <strong>der</strong><br />
Schwierigkeitsstufe 5,10a wird als 10a<br />
erwähnt. Das amerikanische System<br />
unterscheidet sich ein wenig von den<br />
an<strong>der</strong>en, denn <strong>der</strong> Schwierigkeitsgrad<br />
enthält keine Informationen<br />
über <strong>das</strong> Fehlen von Sicherungen.<br />
Score<br />
Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />
Ziel zu erreichen.<br />
Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />
Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />
Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />
die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
<strong>Be</strong>ispielsweise ist es nach dem australischen<br />
System so, <strong>das</strong>s wenn <strong>der</strong><br />
Felsen weniger schwierig erscheint,<br />
es jedoch keine Möglichkeit zur<br />
angemessenen Absicherung gibt,<br />
<strong>der</strong> Schwierigkeitsgrad für dessen<br />
<strong>Be</strong>wältigung sofort steigt. Im<br />
amerikanischen System wird <strong>der</strong><br />
Schwierigkeitsgrad nur für <strong>das</strong><br />
Klettern selbst vergeben, und über<br />
die Möglichkeit zur Absicherung<br />
beim Klettern auf einem konkreten<br />
Felsen informieren zusätzliche<br />
Buchstaben neben <strong>der</strong> Zahl: G, PG,<br />
PG13, R und X. Die ersten drei Markierungen<br />
werden bei Felsen meist<br />
überhaupt nicht erwähnt, aber R<br />
und X gelten als Warnung, <strong>das</strong>s es<br />
sich hierbei um einen Gipfel handelt,<br />
<strong>der</strong> gefährlich ist und keine<br />
angemessene Absicherung beim<br />
Klettern zulässt.<br />
Die UIAA verwendete früher eine<br />
Abstufung in römischen Zahlen<br />
von I bis X, aber <strong>das</strong> war noch vor<br />
<strong>der</strong> Sintflut. Gegenwärtig werden<br />
nach dem System <strong>der</strong> UIAA auf<br />
Grund <strong>der</strong> gestiegenen Meisterhaftigkeit<br />
<strong>der</strong> Kletterer auch Felsen<br />
<strong>der</strong> Stufe XII bestiegen.<br />
© Thinkstock (5)<br />
67
person<br />
Dan Osman – die Verkörperung <strong>der</strong> Idee des<br />
Speedkletterns<br />
Dan Osman wurde in Nevada, USA, am 11. Februar 1963<br />
geboren.<br />
Dan Osman wurde in Nevada, USA, am<br />
11. Februar 1963 geboren. Er ist <strong>der</strong><br />
Jesus Christus und Kurt Cobain des<br />
Speedkletterns in einer Person. D. Osman<br />
balancierte stets auf <strong>der</strong> Grenze<br />
zwischen Leben und Tod, und obwohl<br />
er niemals auch nur die geringste<br />
Chance hatte, am dritten Tag von den<br />
Toten aufzuerstehen, so hat er dennoch<br />
einen eigentümlichen neuen<br />
Glauben geschaffen. Er war <strong>der</strong> wirkliche<br />
Prophet des Speedkletterns, von<br />
den einen bedingungslos vergöttert,<br />
von den an<strong>der</strong>en verflucht und einfach<br />
als verrückt bezeichnet. Gleichzeitig<br />
war er <strong>der</strong> Kurt Cobain des Free<br />
Soloing – unglaublich talentiert, aber<br />
zu früh verbrannt und durch seine<br />
großen Wünsche hat er fast selbst seinen<br />
Weg ins Jenseits gewählt.<br />
Dan Osman begann in Kalifornien<br />
auf dem Cave Rock am Lake Tahoe zu<br />
klettern, später wechselte er zum Yosemite<br />
Nationalpark, wo er gemeinsam<br />
mit Naturliebhabern und Felsenkletterern<br />
lebte. Er hatte kein Geld,<br />
ging lediglich Saisonarbeiten nach,<br />
und alles, was er verdiente, gab er für<br />
Alpinismus-Ausrüstung aus.<br />
Er interessierte sich stets mehr dafür,<br />
was man in den <strong>Be</strong>rgen unternehmen<br />
kann, und alle an<strong>der</strong>en eher irdischen<br />
und nicht so majestätischen<br />
Dinge haben in seinem Kopf nicht lange<br />
Platz gefunden. Die Freunde von D.<br />
Osman scherzten ständig über „Dans<br />
Zeit“, wenn er sich um einige Stunden<br />
o<strong>der</strong> sogar einige Tage zu vereinbarten<br />
Treffen verspätete. Seine<br />
Mutter nannte ihn schon in <strong>der</strong> Kindheit<br />
„Danny I Forgot“ (engl. „Danny<br />
vergesslich“). Im Leben vergaß er<br />
ständig, Autos zuzulassen, Strafen<br />
zu zahlen, und die Treppe zu seinem<br />
mit Gerümpel voll gestopften Haus<br />
war stets kaputt, obwohl D. Osman<br />
selbst ein guter Bauarbeiter war und<br />
genügend „Mumm in den Knochen“<br />
hatte, ein Baumhaus zu errichten, in<br />
dem er von Zeit zu Zeit auch wohnte.<br />
Ungeachtet seiner Schwächen und<br />
Seltsamkeiten wurde D. Osman von<br />
allen einfach nur vergöttert, da sie<br />
ihn für einen herzlichen und netten<br />
Menschen hielten.<br />
Mit an<strong>der</strong>en Worten, echte Genies<br />
sorgen sich nicht um solche unwichtigen<br />
Kleinigkeiten, denn sie<br />
wissen auch so, wo sie ihre Energie<br />
einsetzen können. Aber <strong>das</strong>, was er<br />
verdiente, gab er nicht nur für die<br />
<strong>Be</strong>friedigung seiner Leidenschaft<br />
o<strong>der</strong> in Krankenhäusern für die <strong>Be</strong>seitigung<br />
<strong>der</strong> Folgen seiner Leidenschaft<br />
aus, son<strong>der</strong>n er sorgte sich<br />
auch um seine Tochter Emma, die<br />
für D. Osman wahrscheinlich <strong>der</strong><br />
einzige Mensch war, <strong>der</strong> wichtiger<br />
war als die <strong>Be</strong>rge.<br />
68
Anfang <strong>der</strong> 70er wurde er als talentierter<br />
Felsen- und Eiskletterer<br />
sowie Spezialist des Free Solo ohne<br />
jegliche Sicherungsseile bekannt.<br />
Obwohl er unglaubliche Rekorde<br />
im Speedklettern aufgestellt<br />
hat – <strong>Be</strong>steigen des Lovers Leap<br />
in 4 min 25 s, Middle Triple Peak in<br />
Alaska sowie The Gun Club im New<br />
River Gorge Nationalpark, – hat er<br />
ironischerweise den Gipfel seiner<br />
<strong>Be</strong>rühmtheit nicht durch <strong>das</strong> wun<strong>der</strong>bare<br />
und verrückte Klettern auf<br />
Felsen, son<strong>der</strong>n durch <strong>das</strong> Abspringen<br />
von ihnen erlangt. Noch ironischer<br />
ist, <strong>das</strong>s er sein Talent zum<br />
Sturz vom Felsen durch erfolglose<br />
Versuche beim <strong>Be</strong>steigen des<br />
Cave Rock in sich entdeckte. Hier<br />
versuchte er etwa 50 Mal erfolglos<br />
eine Schraube zu montieren, die<br />
für <strong>das</strong> Klettern unabdingbar war,<br />
und stürzte mehrmals vom Felsen,<br />
nachdem es ihm nicht gelungen<br />
war, die Sicherung zu befestigen.<br />
Genau bei diesen Stürzen hat er<br />
wohl verstanden, <strong>das</strong>s nicht <strong>der</strong><br />
Aufstieg, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Fall für ihn<br />
mehr Adrenalin und „schärfere Rasierklingen“<br />
bedeutet.<br />
Genau danach gab D. Osman <strong>das</strong><br />
Speedklettern auf und beschloss, sich<br />
nur noch den Sprüngen von Felsen<br />
zu widmen. Sein langjähriger Freund<br />
und Arzt Roger Rogalski sagte: „Wir<br />
haben alle gedacht, <strong>das</strong>s es dumm ist,<br />
sein Leben einem Seil anzuvertrauen,<br />
aber er war ein leidenschaftlicher<br />
Mann, und als seine Leidenschaft für<br />
<strong>das</strong> Klettern verblasste, musste er diese<br />
Leidenschaft durch etwas ersetzen.<br />
Und <strong>das</strong> konnte natürlich kein Backgammon-Spiel<br />
sein“.<br />
Zuerst begann D. Osman mit traditionellen<br />
Sprüngen mit einem Seil und<br />
gewöhnlichen Sicherungen, nach<br />
und nach konstruierte er dann kompliziertere<br />
Geräte mit einem beson<strong>der</strong>s<br />
intelligenten Sicherheitssystem,<br />
<strong>das</strong> es ihm gestattete, sehr seltsame<br />
Sprünge im „kontrollierten freien<br />
Fall“ durchzuführen. Selbst den treusten<br />
Weggefährten von D. Osman, die<br />
seine Erfindungen ausprobierten,<br />
standen danach die Haare zu <strong>Be</strong>rge.<br />
Und einer von ihnen, Bobby Tarver,<br />
verunglückte sogar tödlich beim Aufprall<br />
auf einen Felsen, als er <strong>das</strong> neue<br />
Sprungsystem von D. Osman testete,<br />
<strong>das</strong> viel mehr war als Skydiving o<strong>der</strong><br />
einfach nur Bungee-Sprung. Die von<br />
Dan Osman geplanten Sprünge ließen<br />
den Menschen mit maximaler<br />
Geschwindigkeit dem Boden extrem<br />
nahekommen, bis <strong>das</strong> Seil den weiteren<br />
Fall stoppte.<br />
Die Leidenschaft, die ihn zu seinen<br />
großen Feldzügen führte, ließ auch<br />
dem Tod ins Auge lachen, und die<br />
Menschen waren gezwungenermaßen<br />
fasziniert, wie viel Mut er zum<br />
Führen eines solchen Lebens hat, so<br />
wie er es wollte, und letzten Endes hat<br />
es ihn auch <strong>das</strong> Leben gekostet. Da er<br />
sich dem innigen Wunsch nach einem<br />
seiner vielen Sprünge nicht wi<strong>der</strong>setzen<br />
konnte, verunglückte D. Osman<br />
am 23. November 1998 im Yosemite<br />
Nationalpark im Alter von 35 Jahren<br />
tödlich, weil während seines Sprungs<br />
<strong>das</strong> Seil riss.<br />
Der Tod von D. Osman hat seine engsten<br />
Freunde nie<strong>der</strong>geschlagen, aber<br />
wohl nur völlige Naivlinge konnten<br />
hoffen, <strong>das</strong>s D. Osman bis zur Rente<br />
überlebt. Nicht umsonst war er neben<br />
seinem Talent nicht weniger bekannt<br />
als unverantwortlicher und verrückter<br />
Typ, und ein Magazin hatte D.<br />
Osman einmal einen ganzen Artikel<br />
gewidmet unter dem Titel „Really<br />
Quite Stupid“ (engl. Wirklich ziemlich<br />
dumm). Wir sind geneigt, uns<br />
dieser Wertung anzuschließen, denn<br />
die Art, wie D. Osman auf <strong>Be</strong>rge kletterte<br />
und von ihnen absprang, kann<br />
© Thinkstock (3)<br />
69
person<br />
schon nicht mehr als Sport, son<strong>der</strong>n<br />
nur noch als Spiel mit dem Leben bezeichnet<br />
werden. Das betonte auch<br />
R. Rogalski, dieselbe Einsicht konnte<br />
man auch aus dem Interview mit<br />
D. Osman, veröffentlicht kurz vor<br />
seinem Tod, er<strong>langen</strong>. Er bedauerte,<br />
<strong>das</strong>s er nicht genügend Zeit für<br />
seine zwölfjährige Tochter hat und<br />
<strong>das</strong>s seine Schutzengel Überstunden<br />
arbeiten. Nach diesem Interview fuhr<br />
er zum Yosemite Nationalpark, wollte<br />
dort seine Sprungausrüstung abbauen.<br />
Als er aber noch einmal den Gipfel<br />
seines Schaffens erblickte, konnte er<br />
<strong>der</strong> Versuchung nicht wi<strong>der</strong>stehen<br />
und entschloss sich, noch einmal die<br />
Freude des Sprungs zu verspüren.<br />
Zum letzten Mal in seinem Leben.<br />
Tragisch ironisch ist, <strong>das</strong>s obwohl<br />
die meisten dachten, <strong>das</strong>s D. Osman<br />
ständig irrsinnig viel riskiert, zeigte es<br />
sich, <strong>das</strong>s er nur durch Hast und Verleugnung<br />
seines eigenen Systems die<br />
Grenze überschritt. Sicher wusste er,<br />
wo sich die Schwelle zum Tod befindet,<br />
aber vor dem Urlaub entschloss<br />
er sich, es zu riskieren und einen Fuß<br />
in den Vorhof des Todes zu setzen.<br />
Nach dem Sprung ins Jenseits hatte<br />
D. Osman nicht nur gegen seine<br />
selbst aufgestellten Regeln verstoßen,<br />
son<strong>der</strong>n auch <strong>das</strong> getan, was er<br />
unbedingt vermeiden wollte. Im letzten<br />
Interview vor seinem Tod sagte<br />
er: „Wenn ich sterbe, würde ich alle<br />
enttäuschen: meine Familie, Freunde.<br />
Meine Tochter würde zurechtkommen,<br />
aber sie wäre beraubt“. Wegen<br />
seiner großen Leidenschaft hat D.<br />
Osman jedoch selbst seine Emma beraubt,<br />
da er nicht in <strong>der</strong> Lage war, sich<br />
selbst zu berauben.<br />
7 Jahre nach dem Tod ihres Vaters<br />
schrieb Emma, <strong>das</strong>s obwohl D. Osman<br />
ihr nicht viel hinterlassen konnte,<br />
auch dieses kleine Vermögen sowohl<br />
von „Freunden“, as auch „Familie“<br />
erfolgreich einverleibt wurde. Sie<br />
freute sich, <strong>das</strong>s sie immer noch die<br />
Gitarre ihres Vaters, eine Fülle von Fotos<br />
und den roten Anzug besaß, mit<br />
dem D. Osman meistens seine Sprünge<br />
vollführte. Für sie war es jedoch<br />
am wichtigsten, <strong>das</strong>s ihr Vater <strong>das</strong> tat,<br />
was er am liebsten tun wollte.<br />
D. Osman hatte Auftritte in einigen<br />
Filmen über <strong>das</strong> <strong>Be</strong>rgsteigen:<br />
Eric Perlmans „Masters of Stone“,<br />
„Atlantis“, „The Sorcerer in Needles“,<br />
„Airy Interlude“. Die <strong>Be</strong>zahlung<br />
aber fiel stets sehr mager aus,<br />
vielleicht deshalb, weil D. Osman<br />
sich mehr darum sorgte, seine Lebensfreude,<br />
so wie er sie verstand,<br />
so weit wie möglich in <strong>der</strong> Welt zu<br />
verbreiten, und große Honorare<br />
interessierten ihn nicht. An<strong>der</strong>erseits<br />
war er von Natur aus ein<br />
eingefleischter Künstler, kein Geschäftsmann,<br />
und er ähnelte eher<br />
den Kunsttalenten des 19. Jh., die<br />
ihr ganzes Leben lang Meisterwerke<br />
malten, aber niemand kaufte<br />
sie, und die Anerkennung erlangten<br />
sie erst lange Zeit nach ihrem<br />
Tod. Er war niemals ein postmo<strong>der</strong>ner<br />
Künstler, die heutzutage bessere<br />
Geschäftsleute als Künstler sind<br />
und für Millionen Form ohne Inhalt<br />
verkaufen. Hätte D. Osman bis<br />
heute überlebt, hätte sich wohl ein<br />
Manager seiner angenommen und<br />
aus ihm einen Megastar gemacht,<br />
obwohl <strong>das</strong> D. Osman, wenn er<br />
diesen Manager nicht in die Wüste<br />
geschickt hätte, völlig gleichgültig<br />
gewesen wäre.<br />
70
71<br />
© Thinkstock (3)
climber<br />
Entscheiden Sie selbst:<br />
Götter o<strong>der</strong> Verrückte<br />
Wenn man nicht Christoph Columbus sein kann, dann<br />
muss man wohl Usain Bolt werden.<br />
Genau so arbeitet <strong>das</strong> Gehirn <strong>der</strong><br />
meisten Speedkletterer. Es ist stets<br />
erfreulich, wenn die möglichen<br />
Grenzen des Menschen ausgedehnt<br />
werden und nach neuen Arten des<br />
Herumalberns gesucht wird. Der Extremsport<br />
hat jedoch seine dunkle Seite.<br />
Wenn man maximal an die Grenze<br />
herangetreten ist, beginnt man nach<br />
<strong>der</strong> Erholung und dem Sinken des<br />
Adrenalinspiegels zu denken, <strong>das</strong>s<br />
man noch einen weiteren ganz kleinen<br />
Schritt nach vorn schreiten kann.<br />
Also sind es zwei völlig unterschiedliche<br />
Dinge, ob man Usain Bolt in <strong>der</strong><br />
Leichtathletik o<strong>der</strong> sein Pendant im<br />
Speedklettern sein möchte. <strong>Be</strong>im 100<br />
m-Lauf kann Usain Bolt sich im Extremfall<br />
nur dann verletzen, wenn er<br />
vergisst zu stoppen und gegen die<br />
Wand läuft. Der Speedkletterer hingegen<br />
kann schon allein wegen einer<br />
unzureichend stabilen Felskante ums<br />
Leben kommen.<br />
Es wäre nicht Furcht einflößend,<br />
wenn Sie von mehreren Seilen gehalten<br />
würden, so würden Sie beim Fall<br />
nach missglückten Einhaken noch die<br />
Möglichkeit haben, den Adrenalinschub<br />
zu genießen, und nach dem<br />
Abstieg könnten Sie einen neuen Plan<br />
schmieden, wie dieser Felsen, <strong>der</strong> sich<br />
Ihnen nicht ergeben möchte, zu bewältigen<br />
wäre. Das Hauptproblem<br />
des Speedkletterns ist die Opferung<br />
<strong>der</strong> persönlichen Sicherheit im Namen<br />
von Rekorden. Wir sehen schon,<br />
wie Sie mit dem Finger auf uns zeigen<br />
und sagen, <strong>das</strong>s es doch schließlich<br />
keine Extremalität ohne Risiko gibt,<br />
aber Speedklettern, und insbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>das</strong> Free Soloing, gehört zweifellos<br />
zu den extremsten und gefährlichsten<br />
<strong>Be</strong>schäftigungen auf <strong>der</strong> Welt.<br />
Wenn wir <strong>der</strong> Statistik Glauben<br />
schenken, dann geschehen die<br />
meisten Unfälle bei <strong>der</strong> Arbeit nicht<br />
durch technische Pannen, son<strong>der</strong>n<br />
wegen menschlichen Versagens.<br />
Die Weltstars des Speedkletterns<br />
schauen verächtlich auf Sicherheitsanlagen<br />
– diese behin<strong>der</strong>n sie<br />
nur bei <strong>der</strong> Jagd nach Rekorden.<br />
Höhere Gewalt, zu <strong>der</strong>en Grund<br />
im Speedklettern ungünstig o<strong>der</strong><br />
am falschen Ort abgebrochenes<br />
Felsgestein werden kann, macht<br />
immer nur einen kleinen Teil aller<br />
Unfälle aus. Das Wichtigste ist hier<br />
nur <strong>der</strong> menschliche Faktor und<br />
menschliche Fehler, die lei<strong>der</strong> öfter<br />
vorkommen, als man sich wünscht.<br />
72
Viele Speedkletterer haben ihr Leben<br />
gelassen, indem sie <strong>das</strong> getan haben,<br />
was sie am besten konnten, einfach<br />
nur deshalb, weil sie nur Menschen<br />
sind und Menschen Fehler begehen.<br />
Selbst <strong>der</strong> legendäre Dan Osman<br />
starb nicht, weil seine Sprungvorrichtung<br />
und <strong>das</strong> System nicht funktionierten,<br />
son<strong>der</strong>n weil er bei <strong>der</strong>en<br />
Verwendung gegen fast alle wichtigsten<br />
Sicherheitsvorschriften verstoßen<br />
hat. Man kann mit dem Fallschirm<br />
abspringen, man kann sich<br />
mit Skydiving o<strong>der</strong> Bungee Jumping<br />
beschäftigen, aber bei allen diesen<br />
<strong>Be</strong>schäftigungen gibt es neben den<br />
zweifellos erfor<strong>der</strong>lichen Fähigkeiten<br />
auch technische Hilfsmittel, die nicht<br />
nur die Arbeit erleichtern, son<strong>der</strong>n<br />
auch eine Sicherheitsfunktion besitzen.<br />
Dan Osman, die Koryphäe des Speedkletterns,<br />
hat diesem Sport zweifellos<br />
sehr viel Gutes getan, aber seine<br />
mangelnde Umsicht, seine Sorglosigkeit<br />
um die eigene Sicherheit und <strong>das</strong><br />
überschätzte Risiko haben ihm ein<br />
<strong>Be</strong>in gestellt. Einige seiner aufgestellten<br />
Rekorde lassen sich unter dem<br />
Einsatz von Sicherungen nicht übertreffen,<br />
und beim Speedklettern stellt<br />
<strong>das</strong> Übertreffen alter Rekorde <strong>das</strong><br />
Grundprinzip dar. Einer großen Schar<br />
von Speedkletterern, die Dan Osman<br />
bis heute verehren, kann je<strong>der</strong>zeit<br />
<strong>der</strong> Gedanke kommen, dessen Rekorde<br />
zu übertreffen, aber wer <strong>das</strong> tun<br />
möchte, <strong>der</strong> muss die Worte „Sicherheit“<br />
und „langes Leben“ unbedingt<br />
aus seinem Wortschatz löschen.<br />
Wenn wir an<strong>der</strong>e Personen betrachten,<br />
die heute den Ton angeben – die<br />
Koryphäen des Speedkletterns Ueli<br />
Steck und Hans Florine, dann gibt es<br />
Hoffnung, <strong>das</strong>s bei dieser irrsinnigen<br />
<strong>Be</strong>schäftigung <strong>der</strong> gesunde Verstand<br />
noch nicht vollständig abhandengekommen<br />
ist. H. Florine gibt sogar Vorlesungen<br />
zum Thema, wie Geschwindigkeit<br />
in den <strong>Be</strong>rgen Sicherheit<br />
verleiht. Wir können erleichtert aufatmen,<br />
nachdem wir erfahren haben,<br />
<strong>das</strong>s selbst für solche Asse <strong>das</strong> Wort<br />
„Sicherheit“ kein Schimpfwort ist.<br />
Wir sind <strong>der</strong> Meinung, <strong>das</strong>s bei allem<br />
selbst im Extremsport die Devise<br />
„Safety comes first“ gilt. Es mag<br />
ironisch klingen, aber wir raten<br />
dazu, die Philosophie des Speedkletterns<br />
nicht von seiner verrückten<br />
Koryphäe Dan Osman, son<strong>der</strong>n<br />
von seinen vergleichsweise weniger<br />
umworbenen Vertretern Ueli<br />
Steck und Hans Florine zu übernehmen.<br />
Außerdem sollte man wohl eher<br />
mit den sichereren Varianten des<br />
Speedkletterns wie Boul<strong>der</strong>n o<strong>der</strong><br />
Deep Water Soloing beginnen. An<br />
<strong>der</strong> Schönheit <strong>der</strong> Natur werden<br />
Sie sich genauso erfreuen, außerdem<br />
werden Sie auch Ihre eigenen<br />
Schwachstellen erkennen, die beim<br />
ernsthaften Speedklettern einfach<br />
nicht vorkommen dürfen.<br />
© Thinkstock (9)<br />
73
driver<br />
Schneemobile.<br />
Sie stellen selbst<br />
James Bond<br />
zufrieden.<br />
Text Gediminas Galkauskas<br />
74
Agent 007 setzt sich im Film „Die Another Day“ (2002)<br />
auf ein Schneemobil und es zeigt sich, <strong>das</strong>s dieses<br />
Fahrzeug genauso sexy wie „Aston Martin“ o<strong>der</strong> ein<br />
BMW Z3 sein kann.<br />
Bis dahin waren Schneemobile unter<br />
Arktisforschern, <strong>Be</strong>wohnern abgelegener<br />
Regionen, in denen an 365 Tagen<br />
im Jahr Schnee herrscht, Jägern<br />
und einem kleinen Kreis von Schneespaßliebhabern<br />
weithin bekannt.<br />
Nachdem James Bond <strong>das</strong> Ski-Doo MX<br />
Z-REV gefahren hatte, wurde deutlich,<br />
<strong>das</strong>s sich viele Menschen finden<br />
werden, die ausprobieren möchten,<br />
was es bedeutet, mit hoher Geschwindigkeit<br />
durch den Schnee zu sausen.<br />
Gegenwärtig werden Schneemobile<br />
nicht nur für solche edlen Zwecke wie<br />
Logistik, die <strong>Be</strong>för<strong>der</strong>ung eines verendeten<br />
Hirsches o<strong>der</strong> die Rettung<br />
von Menschen, son<strong>der</strong>n auch für völlig<br />
hedonistische Zwecke eingesetzt,<br />
d. h. um die Freiheit, den Adrenalinstoß<br />
und die Kraft zu spüren. Allein<br />
2009 wurden in Nordamerika auf dem<br />
Hauptmarkt für Schneemobile 102<br />
000 Fahrzeuge verkauft. Das Journal<br />
„<strong>Be</strong> <strong>Active</strong>“ bietet an, sich in <strong>der</strong> Welt<br />
<strong>der</strong> Schneemobile umzusehen und<br />
eine solide Menge Schnee zu „essen“,<br />
wenn man in den endlosen Schneeweiten<br />
mit einer Geschwindigkeit von<br />
mindestens 100 km/h dahinsaust.<br />
<strong>Be</strong>reits am Ende des 19. Jh. haben<br />
die Menschen experimentiert, indem<br />
sie Fahrzeuge geschaffen haben, die<br />
sich auf dem Schnee schneller als<br />
Skier fortbewegen können. Die ersten<br />
Schneemobile waren Mehrsitzer<br />
und wurden ausschließlich zur <strong>Be</strong>för<strong>der</strong>ung<br />
militärischer Fracht o<strong>der</strong><br />
zu an<strong>der</strong>en Zwecken in verschneiten<br />
Gebieten verwendet. Aber bereits am<br />
Anfang des 20. Jh. entstand etwas<br />
Ähnliches wie persönliche Schneemobile.<br />
Obwohl dieses Gerät im Vergleich<br />
zu den jetzigen Transportmitteln im<br />
Schnee nicht nur von seiner Leistung,<br />
son<strong>der</strong>n auch von seinem Aussehen<br />
her an eine erstickte Stute erinnerte,<br />
war es doch eine wirkliche Revolution<br />
im Vergleich zu den alten Zeiten,<br />
zumindest im <strong>Be</strong>reich <strong>der</strong> Individualreisen<br />
durch verschneites Gebiet.<br />
Nach hun<strong>der</strong>t Jahren hat sich die<br />
Situation radikal verän<strong>der</strong>t. Wo <strong>das</strong><br />
Schneemobil zuvor lediglich ein logistisches<br />
und Frachttransportmittel<br />
war, ist es heutzutage oft nur ein<br />
Freizeitfahrzeug. Es wurde berechnet,<br />
<strong>das</strong>s in den USA sogar 80 %<br />
<strong>der</strong> Schneemobile für Freizeitzwecke<br />
gedacht sind und lediglich ein<br />
Fünftel für die Ausführung einer<br />
bestimmten Arbeit eingesetzt wird.<br />
In manchen verschneiten Gebieten<br />
haben die Haushalte jetzt sogar je 5<br />
Schneemobile, ähnlich wie mo<strong>der</strong>ne<br />
in <strong>der</strong> Stadt wohnende Familien<br />
Autos besitzen.<br />
Die mo<strong>der</strong>nen Schneemobile sind<br />
ernsthafte Fahrzeuge, und wenn<br />
man ein solches fahren möchte,<br />
muss man ziemlich ins Schwitzen<br />
kommen. Als die Schneemobile<br />
auftauchten, lag ihre Leistung bei<br />
gerade einmal 5 Pferdestärken,<br />
und die Höchstgeschwindigkeit betrug<br />
bestenfalls 35 km pro Stunde.<br />
Aber seit 1960, als leichtere Innenverbrennungsmotoren<br />
entworfen<br />
wurden, bewegte sich die Evolution<br />
<strong>der</strong> Schneemobile in Sieben-<br />
Meilen-Schritten. Die <strong>der</strong>zeitige<br />
Motorleistung von Schneemobilen<br />
erreicht auch die Grenze von 180<br />
Pferdestärken, und ein Auto kann<br />
sogar bis auf 300 km/h o<strong>der</strong> mehr<br />
beschleunigen.<br />
© Thinkstock (2)<br />
75
driver<br />
Auf den ersten Blick ist die Welt <strong>der</strong><br />
Schneemobile nicht sehr kompliziert.<br />
Hier gibt es nämlich neben BMW,<br />
Mercedes, Toyota und an<strong>der</strong>en führenden<br />
Herstellern wirklich keinen<br />
Fiat und Dacia. Es gibt gerade einmal<br />
vier große Hersteller von Schneemobilen<br />
auf <strong>der</strong> Welt: die Autoren des<br />
„Bond-Schneemobils“ Ski-Doo, Arctic<br />
Cat, Polaris und Yamaha. Es gibt auch<br />
einen berühmteren fünften Namen<br />
– Alpina. Dieses Unternehmen stellt<br />
jedoch lediglich Schneemobile für<br />
den Frachttransport her, weshalb<br />
man seine Freizeit mit <strong>der</strong> Produktion<br />
von Alpina wohl nicht sehr abwechslungsreich<br />
gestalten kann – es sei<br />
denn, Ihr Hobby ist es, Frachtgut von<br />
Punkt A nach Punkt B zu beför<strong>der</strong>n.<br />
Und falls Sie ein Schneemobil mit einer<br />
an<strong>der</strong>en <strong>Be</strong>zeichnung erblicken,<br />
dann ist es wahrscheinlich nicht ernst<br />
zu nehmen, also lassen Sie auch den<br />
Gedanken zum Erwerb eines solchen<br />
Fahrzeugs schnellstens links liegen.<br />
Nicht zufällig liegen die Firmensitze<br />
aller großen Hersteller von Schneemobilen<br />
nirgendwo an<strong>der</strong>s als in<br />
Nordamerika. Genau hier gibt es den<br />
größten Schneemobil-Markt und es<br />
ist <strong>der</strong> Kontinent, <strong>der</strong> die meisten Vergnügungen<br />
im Schnee bietet. Allein in<br />
den USA sind über 1,6 Mio. Schneemobile<br />
zugelassen. An zweiter Stelle, laut<br />
<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Fahrzeuge, steht Kanada<br />
mit offiziell fast 800 000 zugelassenen<br />
Fahrzeugen. Allein in den USA verschafft<br />
die Schneemobil-Industrie <strong>der</strong><br />
Wirtschaft 22 Mrd. USD, in Kanada sind<br />
es 6 Mrd., in Skandinavien – 1,6 Mrd.<br />
USD pro Jahr. Dieser Geografie <strong>der</strong><br />
Schneemobile lassen sich zumindest<br />
noch die schneereichen Regionen<br />
Japans und zum Teil <strong>das</strong> russische Karelien<br />
hinzufügen. An<strong>der</strong>enorts wird<br />
man auf Schneemobile wahrscheinlich<br />
reagieren wie auf Schnee auf den<br />
Straßen von Lagos.<br />
Das Schneemobil<br />
Das Schneemobil-Design, wie wir<br />
es heute kennen, entstand fast<br />
gleichzeitig mit dem Auftauchen<br />
des Innenverbrennungsmotors.<br />
Genau dann boten die Hersteller<br />
Bombardier und Ski-Doo ein Design<br />
an, dessen Wesen aus einem<br />
eigentümlichen offenen Cockpit<br />
zum Sitzen, einem durchsichtigen<br />
Windschutz aus Glas, zwei vor<strong>der</strong>en<br />
Skiern und einem Raupenkettensystem<br />
am Heck des Fahrzeugs<br />
bestand. Eben ein Fahrzeug mit<br />
diesem Aussehen wurde zum Sinnbild<br />
des Schneemobils. Außerdem<br />
ist dieses Fahrzeug zweifellos auch<br />
im <strong>Be</strong>sitz aller an<strong>der</strong>en traditionellen<br />
Mittel, die für jedes beliebige<br />
Fahrzeug erfor<strong>der</strong>lich sind (Früher<br />
wurden die Raupenketten des<br />
Schneemobils aus Gummi hergestellt,<br />
heute wird jedoch zu Kevlar<br />
übergegangen, da dieses Material<br />
viel zuverlässiger und angenehmer<br />
ist.).<br />
© Thinkstock (2)<br />
76
Bis vor Kurzem waren alle Schneemobil-Motoren<br />
Zweitakter, aber heute<br />
tauchen auf dem Markt immer häufiger<br />
Viertaktmotoren auf, die sparsamer<br />
sind und die Umwelt besser<br />
schonen.<br />
Dank neuer Technologien wurde es<br />
möglich, <strong>das</strong> Schneemobil auch dort<br />
einzusetzen, wo man zuvor nicht<br />
fahren konnte. Neue technologische<br />
Verbesserungen, ein niedrigeres Gesamtgewicht<br />
des Fahrzeugs, eine bessere<br />
Gewichtsverteilung und auch die<br />
gestiegene Motorleistung lassen es<br />
zu, <strong>das</strong>s man die Orte erreichen kann,<br />
an denen zuvor höchstens Elche galoppieren<br />
konnten.<br />
Ungeachtet <strong>der</strong> gemeinsamen Eigenschaften<br />
unterscheiden sich Schneemobile<br />
untereinan<strong>der</strong> genauso wie<br />
Autos. Die Schneewelt hat ihre Limousinen,<br />
ihren Ferrari, Opel Movano<br />
sowie einfache „haushaltsmäßige“<br />
Volkswagen.<br />
Performance-<br />
Schneemobile<br />
Schneemobile dieser Klasse zeichnen<br />
sich aus durch große Leistung<br />
und Geschwindigkeit, die Fähigkeit<br />
blitzartig zu bremsen und plötzliche<br />
Kurven zu fahren. Das sind wahrhafte<br />
Rennpferde, die in jedem<br />
Extremsportler großes Vergnügen<br />
wecken, wenn er blitzschnell durch<br />
verschneite Ortschaften saust.<br />
Die Motoren von High Performance-Schneemobilen<br />
haben viele<br />
Pferdestärken sowie ein beson<strong>der</strong>s<br />
stabiles Fahrgestell, und ihre Aufhängung<br />
lässt <strong>das</strong> plötzliche und<br />
schnelle Überwinden plötzlicher<br />
Kurven zu. Die in Schneemobilen<br />
dieses Typs eingebauten Bremsen<br />
gehören zu den leistungsstärksten<br />
und am meisten verbreiteten im<br />
Autosport. Natürlich ist es schwer,<br />
hier Anzeichen von Komfort zu<br />
finden, da dies eine unnötige Last<br />
für <strong>das</strong> Fahrzeug darstellt. Es hat<br />
lediglich einen Zweck – so viel wie<br />
möglich Vergnügen und Adrenalin<br />
zu erzeugen. Es ist ein geradezu<br />
nackter aber sehr starker Rennsklave,<br />
<strong>der</strong> Ihnen auf <strong>der</strong> Piste jeden<br />
Wunsch erfüllen wird.<br />
Experten geben in dieser Kategorie<br />
den Schneemobilen <strong>der</strong> Arctic Cat F-<br />
Series, Sno Pro 500, CFR 1000, CFR 800,<br />
Z1 und Z1 Turbo die beste <strong>Be</strong>wertung.<br />
Der Motor des Letzten zeichnet sich in<br />
<strong>der</strong> gesamten Welt <strong>der</strong> Schneemobile<br />
durch die größte Pferdestärke aus.<br />
Die CFR-Modelle sind zum <strong>Be</strong>fahren<br />
vereister Seen gedacht. Alle hergestellten<br />
Performance-Schneemobile<br />
besitzen ein „intelligentes“ Fahrgestell<br />
vom Typ IQ, mit Ausnahme eines<br />
einzigen Modells – des 600 Rush.<br />
Gerade die IQ-Aufhängung wird von<br />
allen Verehrern <strong>der</strong> Performance-<br />
Schneemobile beson<strong>der</strong>s für ihre Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit<br />
und Zuverlässigkeit<br />
geschätzt. Für <strong>das</strong> Ski-Doo ist es<br />
wohl ausreichend, <strong>das</strong>s es von James<br />
Bond gefahren wurde, jedoch wurde<br />
die Produktion dieser Firma sicher<br />
nicht umsonst gewählt, da Ski-Doo die<br />
XP-Aufhängung verwendet, die <strong>das</strong><br />
unglaublich leichte <strong>Be</strong>wältigen <strong>der</strong><br />
halsbrecherischsten Kurven zulässt.<br />
Yamaha bietet in dieser Kategorie die<br />
Modelle Apex und Nytro an.<br />
© Arcticcat<br />
77
driver<br />
Cross-over-<br />
Schneemobile<br />
Das sind Schneemobile, mit denen<br />
man sowohl auf <strong>der</strong> Straße, als auch<br />
Offroad fahren kann. Diese Fahrzeuge<br />
haben einen hervorragenden<br />
Windschutz, sind sowohl für die Fahrt<br />
im Flachland, als auch für hügeliges<br />
Gelände konzipiert.<br />
Arctic Cat kann in dieser Kategorie<br />
Crossfire 8 Sno Pro, Crossfire 8 und<br />
Crossfire 6 anbieten, die sich am<br />
besten für <strong>das</strong> Offroad-Fahren eignen.<br />
Polaris hat als Antwort für die<br />
Konkurrenz die Modelle Dragon und<br />
Dragon Switchback im Angebot. Ski-<br />
Doo bietet Renegade-Modelle in den<br />
verschiedensten Modifikationen. Abhängig<br />
vom Geschmack kann man<br />
hier zwischen 4 Motortypen wählen.<br />
Yamaha hat in diesem Segment wohl<br />
die wenigste Fantasie, weil <strong>das</strong> Unternehmen<br />
einzig und allein <strong>das</strong> Nytro<br />
XTX anbietet. Dafür ist es <strong>das</strong> längste<br />
Crossover-Modell auf dem Markt, und<br />
gemeinsam mit dem leistungsstarken<br />
und sparsamen Viertaktmotor ist <strong>das</strong><br />
Nytro XTX ein Schneemobil, <strong>das</strong> selbst<br />
vor dem tiefsten Schnee nicht zurückschreckt.<br />
Sport/Trail<br />
Diese Schneemobile sind billiger<br />
und für <strong>das</strong> <strong>Be</strong>fahren von angelegten<br />
Straßen, wie die <strong>Be</strong>zeichnung<br />
<strong>der</strong> Kategorie verlauten lässt, gedacht.<br />
Es ist <strong>der</strong> „Anpasser“ <strong>der</strong><br />
Schneemobilwelt, dessen Eigenschaften<br />
den Performance-Schneemobilen<br />
entnommen wurden. Was<br />
nicht übernommen werden konnte,<br />
wurde den Touring-Fahrzeugen<br />
entliehen. Trail-Schneemobile haben<br />
Motoren mit geringerer Leistungsstärke<br />
als ihre älteren Brü<strong>der</strong><br />
aus <strong>der</strong> Kategorie Performance,<br />
sind jedoch weitaus aggressiver<br />
als die Schneelimousinen. An<strong>der</strong>erseits<br />
fehlen ihnen viele Vorzüge,<br />
die für Touring-Schneemobile<br />
üblich sind. Immerhin kann man<br />
auf den Trails sehr bequem fahren,<br />
und wenn man <strong>das</strong> ruhige Leben<br />
zu langweilig findet, kann man sich<br />
einfach aus dem Sitz erheben und<br />
wie ein richtiges As bei <strong>Be</strong>schleunigung<br />
plötzlich wenden.<br />
Obwohl Sport-Schneemobile auch<br />
Motoren mit geringerer Kubatur besitzen,<br />
sind sie leichter und kommen<br />
dank <strong>der</strong> besseren Gewichtsverteilung<br />
und an<strong>der</strong>en technischen Raffiniertheiten<br />
schnell in Fahrt und erreichen<br />
schneller eine hohe Geschwindigkeit.<br />
Da diese Schneemobile für <strong>das</strong> <strong>Be</strong>fahren<br />
angelegter und gepflegter<br />
Straßen gedacht sind, ist es selbstverständlich,<br />
<strong>das</strong>s an sie nicht so strenge<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen in <strong>Be</strong>zug auf Geländegängigkeit<br />
wie für Fahrzeuge <strong>der</strong><br />
Typen Performance, Crossover o<strong>der</strong><br />
Mountain gestellt werden. Das Fehlen<br />
von vielerlei technologischen Verbesserungen<br />
zieht auch den geringeren<br />
Preis für dieses Schneemobil nach<br />
sich, <strong>der</strong> auch noch durch den mit<br />
Ventilatorkühlung versehenen Zweitaktmotor<br />
gesenkt wird. Falls Sie für<br />
ein Schneemobil dieses Typs zu viel<br />
bezahlen möchten, können Sie dies<br />
je<strong>der</strong>zeit tun, indem Sie ein Fahrzeug<br />
vom Typ Trail Luxury erwerben. Es ist<br />
komfortabel, bequem, vollgestopft<br />
mit nützlichen und nicht sehr nützlichen<br />
Geräten, ist jedoch trotzdem<br />
nicht so schnell und manövrierfähig<br />
wie die Performance-Schneemobile.<br />
78
Die Klasse Trail Luxury ist unter den<br />
Schneemobilherstellern beliebter.<br />
Vielleicht deshalb, weil die nicht immer<br />
nützlichen Geräte von Schneemobilen<br />
es ermöglichen, die Fahrzeuge<br />
wesentlich teurer zu verkaufen.<br />
Arctic Cat hat vier solcher Modelle, die<br />
man an den Buchstaben LXR erkennen<br />
kann. Polaris verfügt über noch<br />
weniger Fantasie und kennzeichnet<br />
solche Modelle mit den Buchstaben<br />
LX. Ski-Doo ist hier ein wenig kreativer<br />
und die <strong>Be</strong>zeichnungen weisen nicht<br />
direkt auf die Luxusklasse hin: GSX SE,<br />
GSX LE 4-TEC, GSX LE 600 H.O. E-TEC.<br />
Yamaha hält sich in <strong>Be</strong>zug auf diese<br />
Frage mittelmäßig und bietet <strong>das</strong><br />
Apex LTX GT und LTX, RS Vector LTX<br />
GT, RS Vector GT.<br />
Einfache Trail-Schneemobile sind dahingegen<br />
nicht zahlreich auf dem<br />
Markt vertreten, da es offensichtlich<br />
ist, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Fahren auf Schneemobilen<br />
für viele nicht nur aus dem ordentlichen<br />
und kultivierten <strong>Be</strong>wältigen<br />
<strong>der</strong> Runden auf <strong>der</strong> Rennstrecke<br />
besteht. Arctic Cat bietet hier <strong>das</strong><br />
F570, Polaris – <strong>das</strong> 550 IQ Shift, Ski-Doo<br />
– <strong>das</strong> TNT550F, GSX Sport, o Yamaha –<br />
zwei Phazer-Modelle.<br />
Mountain<br />
Schneemobile dieses Typs zeichnen<br />
sich durch eine leichte Aufhängung<br />
und lange Raupenketten aus,<br />
was die Leistungsfähigkeit nicht<br />
reduziert. Genau diese Eigenschaften<br />
lassen <strong>das</strong> Fahrzeug „auf <strong>Be</strong>rge<br />
steigen“, fast schon bis auf die von<br />
den Alpinisten geliebten Gipfel.<br />
Das Fahrgestell eines für <strong>das</strong> „<strong>Be</strong>rgsteigen“<br />
geeigneten Schneemobils<br />
spielt, wenn man erfolgreich auf<br />
den <strong>Be</strong>rg hinauffahren möchte,<br />
die größte Rolle. D. h. es ist notwendig,<br />
<strong>das</strong>s die vor<strong>der</strong>e Aufhängung<br />
des Schneemobils sich maximal an<br />
Oberflächenverän<strong>der</strong>ungen anpasst,<br />
und die hintere Aufhängung<br />
an den Raupenketten muss <strong>das</strong> Gewicht<br />
gleichmäßig verteilen und<br />
die Spannung <strong>der</strong> Raupenketten<br />
verringern. Es ist selbstverständlich,<br />
<strong>das</strong>s die Stoßdämpfer solcher<br />
Schneemobile auf einmal sowohl<br />
riesigen <strong>Be</strong>lastungen standhalten,<br />
als auch gleichzeitig sehr flexibel<br />
sein müssen.<br />
Arctic Cat „schlägt“ in dieser Kategorie<br />
meist alle. Die Mannschaft, die sich mit<br />
<strong>der</strong> Symbolik dieser Firma schmückt,<br />
gewinnt für gewöhnlich ständig die<br />
höchsten Auszeichnungen in den<br />
<strong>Be</strong>rgkategorien für Schneemobile,<br />
weshalb es nicht verwun<strong>der</strong>lich ist,<br />
<strong>das</strong>s Arctic Cat die besten Modelle<br />
dieses Typs anbieten kann, die mit<br />
dem Buchstaben M gekennzeichnet<br />
werden. Von solchen Modellen gibt<br />
es sogar 7. Die Schneemobile <strong>der</strong> Kategorie<br />
M sind ebenfalls sehr leicht,<br />
und Arctic Cat bietet außerdem an,<br />
einen von drei Motortypen auszuwählen.<br />
Eines <strong>der</strong> sieben Modelle, <strong>das</strong><br />
M8 HCR 153, ist vollständig auf Wettkämpfe<br />
vorbereitet, deshalb kann<br />
man sich nach seinem Erwerb ohne<br />
zu zögern zu einem <strong>Be</strong>rgwettkampf<br />
anmelden. Polaris bietet <strong>Be</strong>rgschneemobile<br />
mit Motoren mit 800, 700 und<br />
600 Kubikzentimetern. Genau diese<br />
Zahlen bezeichnen die Schneemobile<br />
<strong>der</strong> <strong>Be</strong>rgklasse im Katalog <strong>der</strong> Firma.<br />
Ski-Doo scheint es dieses Mal einfach<br />
an Fantasie gefehlt zu haben, da <strong>das</strong><br />
Unternehmen die gesamte Serie von<br />
<strong>Be</strong>rgschneemobilen Summit genannt<br />
hat. Das ist jedoch nicht so schlimm<br />
wie im Fall von Yamaha, da dieses Unternehmen<br />
auch seine berggängigen<br />
Modelle mit den Namen seiner an<strong>der</strong>en<br />
Kategorien versehen hat: Apex,<br />
Nytro, Phazer: Apex MTX, FX Nytro<br />
MTX SE, FX Nytro MTX SE 153, FX Nytro<br />
MTX, Phazer MTX.<br />
© Arcticcat (2)<br />
© Polarisindustries<br />
79
driver<br />
© Arcticcat (2) © Arcticcat<br />
Touring<br />
Wie <strong>der</strong> Name sagt, sind diese Schneemobile<br />
für Reisen ausgelegt. Sie sind<br />
komfortabel, mit ihnen kann man,<br />
ohne Schwielen an <strong>der</strong> weichsten<br />
Körperstelle zu bekommen, Hun<strong>der</strong>te<br />
von Kilometern per Tag zurücklegen.<br />
Man könnte sie kühn als Geländewagen<br />
<strong>der</strong> Schneemobilwelt<br />
bezeichnen. <strong>Be</strong>heizbare Sitze, wie<br />
auch an<strong>der</strong>er minimaler Luxus sind<br />
hier selbstverständlich, und wie viel<br />
Sie mehr wünschen, ist abhängig von<br />
Ihren <strong>Be</strong>dürfnissen und <strong>der</strong> Dicke Ihrer<br />
Brieftasche.<br />
Die Schneemobile dieses Typs haben<br />
auch einen wuchtigeren Bru<strong>der</strong> – <strong>das</strong><br />
2 UP Touring. Dieses Fahrzeug kann<br />
auch von zwei Personen gefahren<br />
werden. Mit an<strong>der</strong>en Worten, es ist ein<br />
eigenwilliges Werkzeug, um Frauen<br />
im Schnee „aufzugabeln“. Mit einem<br />
solchen Fahrzeug kann man je<strong>der</strong>zeit<br />
würdig an ein bezauberndes durch<br />
die Schneewehen watendes „Schneewittchen“<br />
herangleiten und ihr anbieten,<br />
mit ihr auf dem Rücksitz, den<br />
Fahrer rücklings umarmend, über<br />
den Schnee hinweg zu sausen.<br />
Arctic Cat bietet mit seinen Modellen<br />
und den fast wie in <strong>der</strong> Sauna beheizbaren<br />
Sitzen wohl den größten<br />
Komfort. Falls Sie genau <strong>das</strong> wollen,<br />
dann müssen sie eines <strong>der</strong> Modelle<br />
TZ1 Turbo LXR, TZ1 LXR, TZ1, T570 dieser<br />
Firma ergattern. Polaris verfügt<br />
über eine Son<strong>der</strong>serie dieser Schneemobile,<br />
die mit dem Wort „Touring“<br />
gekennzeichnet wird, genau wie<br />
<strong>das</strong> Unternehmen Ski-Doo, <strong>das</strong> diese<br />
Fahrzeuge etwas klangvoller „Grand<br />
Touring“ genannt hat. Yamaha ist<br />
sich wenigstens bei <strong>der</strong> Schaffung <strong>der</strong><br />
<strong>Be</strong>zeichnungen treu geblieben und<br />
bietet die Serie „Venture“ an.<br />
Utility<br />
Es ist wie ein eigentümliches mechanisches<br />
Gespann von Huskys.<br />
O<strong>der</strong>, falls wir schon einen Vergleich<br />
mit <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> „<strong>Land</strong>fahrzeuge“<br />
anstellen wollen – <strong>der</strong><br />
„Opel Movano“. Genau <strong>das</strong>, was<br />
man von diesen beiden Geschöpfen<br />
auf <strong>der</strong> Straße erwarten kann,<br />
können auch die Schneemobile<br />
vom Typ Utility im Schnee leisten.<br />
Ihre Raupenketten sind breiter<br />
und genau <strong>das</strong> gestattet ihnen,<br />
großes Gewicht zu transportieren.<br />
Setzt man sich jedoch auf solch ein<br />
Schneemobil und versucht man,<br />
ohne zusätzliches Gewicht auf <strong>der</strong><br />
Straße zu fahren, dann ist es ein<br />
ähnliches Gefühl, als würde man<br />
versuchen, mit einem Schlüssel<br />
vom Türschloss eine Flasche guten<br />
Wein zu öffnen.<br />
In dieser Kategorie gesellt sich<br />
zu den vier „großen Spielern des<br />
Marktes“ auch <strong>das</strong> europäische<br />
Unternehmen Alpina, <strong>das</strong> die verschiedensten<br />
Schneemobile für den<br />
Frachttransport herstellt. Arctic Cat<br />
besitzt dazu eine Son<strong>der</strong>serie unter<br />
<strong>der</strong> <strong>Be</strong>zeichnung <strong>Be</strong>arcat, die den<br />
Enthusiasmus jedes geschwindigkeitsbesessenen<br />
Extremfahrers<br />
bremst, Polaris bietet <strong>das</strong> Widetrak,<br />
Ski-Doo – die Modelle Expedition<br />
und Scandic. Yamaha hat lediglich<br />
ein „Kamel“ im Angebot – <strong>das</strong> RS<br />
Viking Professional.<br />
80
Vorbereitung<br />
Für eine Fahrt durch unbekanntes<br />
Gebiet kann ein einfaches Schneemobil<br />
mit herkömmlichen Mitteln<br />
eventuell nicht genügen. „Der Kleine“<br />
muss unbedingt vervollkommnet<br />
werden. Dazu werden spezielle<br />
Heber für Steuerhebel, Handschützer,<br />
leichte Motorschutzhauben, ein<br />
Windschutz, Stützen und Fußbrettzubehör<br />
verwendet. Metallkonstruktionen<br />
werden an den Raupenketten<br />
des Schneemobils angebracht, um<br />
die Manövrierfähigkeit zu erleichtern,<br />
Bremsweg und -zeit zu verkürzen.<br />
Für Kin<strong>der</strong><br />
Das sind die leistungsschwächsten<br />
Schneemobile, die dafür ausgelegt<br />
sind, <strong>das</strong>s Ihr Kind letzten Endes mit<br />
Ihnen gemeinsam fahren kann und<br />
Ihnen nicht in den Ohren liegt mit<br />
Fragen wie „Vati, Vati, wo warst du<br />
denn?“, wenn Sie von einer Fahrt<br />
auf dem Schnee zurückkehren.<br />
Die Kin<strong>der</strong>fahrzeuge zeichnen sich<br />
durch sparsame Motoren aus, also<br />
falls Sie wünschen, <strong>das</strong>s Ihr Sprössling<br />
nur für kurze Zeit aus dem<br />
Haus verschwindet, dann sollten<br />
Sie auf keinen Fall volltanken.<br />
Diese Schneemobile haben eine eigenwillige<br />
„Kin<strong>der</strong>sicherung“, die<br />
es den Eltern ermöglicht, ein Tempolimit<br />
einzustellen sowie ferngesteuert<br />
den Motor des Fahrzeugs<br />
abzuschalten, nachdem <strong>das</strong> Kind<br />
von ihm heruntergefallen ist. Kin<strong>der</strong>schneemobile<br />
werden von 2<br />
<strong>der</strong> 4 großen Hersteller produziert,<br />
und in diesem Segment taucht<br />
auch <strong>der</strong> ungehörte Name Premier<br />
Industries auf. Dieses Unternehmen<br />
bietet zwei Arten von Schneemobilen<br />
für Kin<strong>der</strong> an: Enforcer 200 und<br />
300. Die „alten Wölfe“ von Arctic<br />
Cat haben <strong>das</strong> Sno Pro 120, und Polaris<br />
– <strong>das</strong> Dragon 120 im Angebot.<br />
© Thinkstock (2)<br />
81
driver<br />
Was kann man denn mit dem Schneemobil<br />
unternehmen?<br />
Die primitivste Art <strong>der</strong> Verwendung<br />
eines Schneemobils ist nach Meinung<br />
von „<strong>Be</strong> <strong>Active</strong>“ <strong>das</strong> „Schneiden“ von<br />
Schnee. Wir haben nie <strong>das</strong> Malen von<br />
Sonnen auf dem Asphalt mit dem<br />
Auto verstanden, <strong>das</strong> Gleiche gilt auch<br />
für die verschiedenen Formen <strong>der</strong><br />
Erscheinungen, die man mit einem<br />
Transportmittel im Schnee erzeugen<br />
kann. Dann ist es schon besser, seinen<br />
Namen in den <strong>weißen</strong> Schnee zu pinkeln.<br />
Es hat denselben Effekt und man<br />
vergeudet weniger Zeit.<br />
Eine wesentlich interessantere <strong>Be</strong>schäftigung<br />
ist <strong>das</strong> Trailblazing, wobei<br />
die Schneemobilfahrer <strong>das</strong> Gelände<br />
jenseits <strong>der</strong> Straßen und wenig<br />
erschlossene Gebiete erforschen.<br />
Diese <strong>Be</strong>schäftigung geht oft in <strong>das</strong><br />
Boondocking über. Enthusiasten dieser<br />
<strong>Be</strong>schäftigung mögen Ausflüge in<br />
die Natur, können aber beliebte Orte<br />
nicht ausstehen o<strong>der</strong> bei ihnen verursachen<br />
bereits erschlossene Camping-<br />
und Lagerplätze eine Allergie.<br />
Deshalb versuchen sie, beson<strong>der</strong>s abgelegene<br />
Orte zu erreichen, an denen<br />
sie selbst ein Lager aufschlagen können.<br />
Winter-Boondocking ist unter<br />
Schneemobil-Enthusiasten sehr beliebt,<br />
da es nicht nur die Möglichkeit<br />
zur Erprobung des eigenen „Tieres“<br />
unter wirklichen „wilden“ <strong>Be</strong>dingungen,<br />
son<strong>der</strong>n auch zur <strong>Be</strong>wun<strong>der</strong>ung<br />
unberührter Natur bietet.<br />
Offroad lieben auch die Verehrer des<br />
High Marking. Zwischen ihre <strong>Be</strong>ine<br />
kommt nichts an<strong>der</strong>es als ein Schneemobil<br />
vom Typ Mountain und sie<br />
vergöttern verschneite Erhebungen.<br />
Das Ziel des High Marking ist es, mit<br />
dem Schneemobil so hoch wie möglich<br />
zu ge<strong>langen</strong> und herabzufahren,<br />
ohne stecken zu bleiben. In diesem<br />
Fall muss <strong>der</strong> Schneemobilfahrer maximalen<br />
Schwung bekommen, um<br />
den <strong>Be</strong>rggipfel o<strong>der</strong> zumindest den<br />
höchsten zu bewältigenden Punkt zu<br />
erreichen, und danach muss er <strong>das</strong><br />
Schneemobil wenden und erfolgreich<br />
herabfahren. Für diese <strong>Be</strong>schäftigung<br />
wählen die Schneemobilfahrer<br />
meistens einen Anstieg von 30–45<br />
Grad, wo <strong>das</strong> <strong>Be</strong>fahren nur nach dem<br />
Erreichen <strong>der</strong> Höchstgeschwindigkeit<br />
des Schneemobils möglich ist. Der<br />
Erste, <strong>der</strong> den <strong>Be</strong>rg erklommen hat,<br />
hinterlässt stets Spuren im Schnee,<br />
und <strong>das</strong> ist eine Herausfor<strong>der</strong>ung für<br />
die an<strong>der</strong>en, die bemüht sind, sie zu<br />
„vertiefen“ und ihre eigenen Spuren<br />
einzudrücken.<br />
Das Offroad-Fahren hat auch komische<br />
Formen erlangt. In Nordamerika<br />
ist <strong>das</strong> Ditchbanging, mit<br />
an<strong>der</strong>en Worten – <strong>das</strong> Fahren in<br />
Straßengräben, sehr beliebt. Obwohl<br />
die Orte, an denen <strong>das</strong> Fahren<br />
mit Schneemobilen gestattet<br />
ist, meistens strenger Regulierung<br />
unterliegen, lassen einige Staaten<br />
<strong>der</strong> USA Schneemobilfahrer im<br />
Straßengraben neben den Autobahnen<br />
fahren. Snowditchen kann<br />
man am besten in Kanada, in <strong>der</strong><br />
Provinz Saskatchewan, wo man<br />
ohne Gewissensbisse die Gräben an<br />
den Autobahnen „vertiefen“ kann<br />
und überhaupt keine Angst haben<br />
muss, dafür bestraft zu werden.<br />
82
Im Zuge <strong>der</strong> Vervollkommnung von<br />
Schneemobilen und <strong>der</strong> Fertigkeiten<br />
<strong>der</strong> Fahrer selbst entsteht eine weitere<br />
extreme Art des Schneemobilsports<br />
– <strong>der</strong> Freestyle. Hier werden verschiedene<br />
Tricks mit Schneemobilen in <strong>der</strong><br />
Luft vollführt, wobei die Fahrzeuge<br />
auf die unterschiedlichste Art und<br />
Weise gezwungen werden, sich in die<br />
Lüfte zu erheben.<br />
Der berühmteste Vertreter des<br />
Schneemobilsports ist <strong>der</strong> Amerikaner<br />
Levi LaValle, <strong>der</strong> immer irgendetwas<br />
mit seinem Schneemobil bei<br />
jeden X Games gewinnt, seit dem<br />
Augenblick, als Schneemobile in <strong>das</strong><br />
Veranstaltungsprogramm aufgenommen<br />
wurden. 2009 hat L. LaValle<br />
<strong>das</strong> versucht, was vielen so schwierig<br />
erscheint wie eine Reise des Menschen<br />
zum Mars – die Durchführung<br />
einer doppelten Endumdrehung mit<br />
dem Schneemobil. Der Abschluss des<br />
Tricks gelang nicht, aber es war ein so<br />
atemberaubendes Schauspiel, <strong>das</strong>s<br />
er trotz seines nicht gelungenen Abschlusses<br />
von den Organisatoren <strong>der</strong><br />
X Games mit einem Preis für den besten<br />
Trick auszeichnet wurde.<br />
Schneemobile werden auch für konventionellere<br />
<strong>Be</strong>schäftigungen eingesetzt,<br />
die <strong>der</strong>zeit als ernsthafte<br />
Sportarten gelten.<br />
Snocross<br />
In <strong>der</strong> High Performance wetteifert<br />
man mit Schneemobilen meist im<br />
Snocrossing. Wenn man ein großes<br />
und mächtiges Pferd besitzt, dann<br />
möchte man sich schließlich immer<br />
mit an<strong>der</strong>en messen – ob sie wohl<br />
mehr können und besser sind als du.<br />
Im Snocross bewegen sich die Rennfahrer<br />
auf einer Kreisbahn, die voller<br />
scharfer Kurven, verschiedener Hin<strong>der</strong>nisse<br />
und Sprungschanzen ist. Diese,<br />
wie es scheint, klobigen Fahrzeuge<br />
sind in <strong>der</strong> Lage, zu einer Schanze in<br />
Höhe von 9 Metern aufzusteigen, von<br />
wo aus sie etwa 30 m durch die Luft<br />
fliegen und bei <strong>der</strong> <strong>Land</strong>ung nicht<br />
nur heil bleiben, son<strong>der</strong>n <strong>das</strong> Rennen<br />
auch noch fortsetzen, als ob nichts<br />
geschehen wäre.<br />
Hillcross<br />
Die Liebhaber von Mountain-<br />
Schneemobilen nehmen an Hillcross-Kämpfen<br />
teil. Dabei handelt<br />
es sich auch um ein Rennen, nur<br />
wird wettgeeifert, wer schneller<br />
auf den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en <strong>Be</strong>rg<br />
fährt. Wie bei jedem Auto- bzw. Motorsport<br />
werden die Schneemobile<br />
hier auch nach ihrer Motorleistung<br />
sowie an<strong>der</strong>en Modifikationen des<br />
Fahrzeugs in Klassen unterteilt. Die<br />
weltweit bekannteste und angesehenste<br />
Veranstaltung dieser Art ist<br />
King of Snow aus den USA. Während<br />
ihr messen sich die Schneemobile<br />
bei dem Versuch, einen fast<br />
einen halben Kilometer hohen steilen<br />
Abhang hinaufzufahren.<br />
© Thinkstock (5)<br />
83
driver<br />
Snowmobile<br />
Skipping<br />
Es ist bekannt, <strong>das</strong>s Schnee lediglich<br />
noch eine weitere Form des Wassers<br />
ist. Es ist also nicht ungewöhnlich,<br />
<strong>das</strong>s jemandem <strong>der</strong> Gedanke kam,<br />
<strong>das</strong>s es recht amüsant wäre, mit einem<br />
Schneemobil auch über Wasser<br />
zu sausen. Dies wird möglich durch<br />
die Leistungsfähigkeit des Schneemobilmotors,<br />
die Breite <strong>der</strong> Raupenketten<br />
und die Gesamtanpassung des<br />
Fahrzeugs auf <strong>das</strong> Ru<strong>der</strong>n durch den<br />
Schnee. Nachdem man ins Wasser gefahren<br />
ist, muss man unbedingt Vollgas<br />
geben, dann bewegen sich die<br />
Raupenketten auf <strong>der</strong> Wasseroberfläche<br />
und <strong>das</strong> Schneemobil versinkt<br />
nicht. Lässt man jedoch nur ein wenig<br />
die „Zügel locker“, sinkt es wie Blei herunter<br />
auf den Boden.<br />
Zur Verherrlichung dieser seltsamen<br />
<strong>Be</strong>schäftigung finden seit 1977 sogar<br />
Weltmeisterschaften im Snowmobile<br />
Skipping statt. Nach dem anfänglichen<br />
„Wer kommt weiter ohne<br />
abzusaufen“, hat die Meisterschaft<br />
mehrere Formen erlangt: Es finden<br />
Drag-Meisterschaften und Ringrennen<br />
statt. Für gewöhnlich kommen<br />
bei solchen Rennen stark demontierte<br />
und an<strong>der</strong>weitig leichter gemachte<br />
Standard-Schneemobile zum Einsatz.<br />
Sitze bekommt man auf solchen<br />
Schneemobilen wirklich nicht zu sehen.<br />
Gras-Drag<br />
Man braucht keine Worte zu verlieren<br />
– echte Schneemobil-Enthusiasten<br />
benötigen nicht einmal<br />
Schnee. Das ist wohl so, weil<br />
sie mehr in <strong>das</strong> Fahrzeug selbst<br />
als in die Fahrbedingungen verliebt<br />
sind. Deshalb ist es ihnen sehr<br />
wichtig, ihr liebstes Stück unter<br />
noch extremeren <strong>Be</strong>dingungen zu<br />
testen. Eine Grasoberfläche kann<br />
ebenfalls ein hervorragendes Testpolygon<br />
sein, um die Coolness <strong>der</strong><br />
Fähigkeiten von Schneemobilen<br />
und ihren „Reitern“ festzustellen.<br />
Es ist deshalb nicht verwun<strong>der</strong>lich,<br />
<strong>das</strong>s Meisterschaften im Gras-Drag<br />
stattfinden.<br />
Diese Art des Fahrens mit Schneemobilen<br />
erfor<strong>der</strong>t am wenigsten<br />
Fertigkeiten, weshalb sie unter den<br />
Anfängern sehr beliebt ist. Die simple<br />
Anmutung kann jedoch täuschen,<br />
da die angemessene Vorbereitung<br />
eines Schneemobils auf<br />
ein solches Rennen und die Verhin<strong>der</strong>ung<br />
von <strong>Be</strong>schädigungen gute<br />
technische Fertigkeiten erfor<strong>der</strong>n.<br />
© Arcticcat<br />
84
Was ist notwendig, wenn man mit dem<br />
Schneemobil fahren möchte?<br />
Falls Sie sich zum Ausprobieren eines<br />
Schneemobils entscheiden, dann können<br />
Sie in Skandinavien in fast allen<br />
Touristenführern lesen – „Snowmobiling<br />
is extremely easy“. Das ist auch<br />
wahr, wenn man bedenkt, <strong>das</strong>s dort<br />
<strong>das</strong> Fahren bei niedriger Geschwindigkeit<br />
auf hervorragend gepflegten<br />
Straßen angeboten wird und jede<br />
Art <strong>der</strong> Offroad-<strong>Be</strong>schäftigung als<br />
respektloser Ausfall angesehen wird.<br />
Wenn man jedoch die wirkliche Leistungsfähigkeit<br />
eines Schneemobils<br />
und <strong>das</strong> Vergnügen erfahren möchte,<br />
muss man bei hoher Geschwindigkeit<br />
mehrere scharfe Kurven bewältigen,<br />
in wil<strong>der</strong> Geschwindigkeit<br />
Offroad fahren o<strong>der</strong> versuchen, sein<br />
Fahrzeug auf den Gipfel zu bewegen.<br />
Dann erst wird sich zeigen, <strong>das</strong>s Snowmobiling<br />
gar nicht so einfach ist. Und<br />
es ist sogar gefährlich, da die Statistik<br />
sagt, <strong>das</strong>s es beim Fahren mit dem<br />
Schneemobil häufiger zu Unfällen<br />
kommt als auf <strong>der</strong> Straße.<br />
Ein allseitiger Schneemobilfahrer<br />
ist nicht nur in <strong>der</strong> Lage, <strong>das</strong> Lenkrad<br />
richtig zu drehen, son<strong>der</strong>n er<br />
kann sein „Pferd“ auch in <strong>der</strong> Wildnis<br />
schnell reparieren. Selbst wenn<br />
Sie also technically challenged sind,<br />
keinen blassen Schimmer davon haben,<br />
wie <strong>der</strong> Mechanismus eines Türschlosses<br />
funktioniert, dann werden<br />
Sie im Namen des Vergnügens trotzdem<br />
etwas Technik studieren müssen.<br />
Denn falls Sie nicht wissen, wie<br />
man ein Schneemobil repariert, und<br />
auf einem Gletscher 70 km von <strong>der</strong><br />
nächsten Siedlung entfernt eine Panne<br />
erleiden, dann kann alles ein nicht<br />
so angenehmes Ende haben.<br />
Das Fahren mit Schneemobilen<br />
ist keine so unschuldige <strong>Be</strong>schäftigung<br />
wie <strong>das</strong> Spazierengehen<br />
mit einem Vierbeiner im zentralen<br />
Stadtpark, deshalb ist es sehr wichtig,<br />
die Sicherheitsgrundlagen zu<br />
verstehen, unter einer Schneelawine,<br />
die eine häufige <strong>Be</strong>gleiterin<br />
des High Marking ist, zu überleben,<br />
o<strong>der</strong> nicht im eiskalten Wasser zu<br />
versinken, wenn <strong>das</strong> Schneemobil<br />
auf schwach tragendes Eis gelangt<br />
ist. Dies geschieht beson<strong>der</strong>s<br />
häufig in Alaska. Für gewöhnlich<br />
sind hier alle Gewässer den Großteil<br />
des Jahres über gefroren, aber<br />
die geniale Entscheidung, mit einem<br />
Schneemobil am Anfang o<strong>der</strong><br />
am Ende <strong>der</strong> Saison auf ihrem Eis<br />
dahinzusausen, kann nach dem<br />
Einbrechen nicht mehr so klug erscheinen.<br />
Schwere Winterkleidung<br />
macht es sehr schwer, sich aus<br />
dieser Situation zu befreien. <strong>Be</strong>vor<br />
man sich mit dem Trailblazing beschäftigt,<br />
muss man unbedingt seine<br />
„Hausaufgaben“ machen und<br />
die <strong>Land</strong>karte des Ortes so genau<br />
wie möglich studieren, denn in unbekanntem<br />
Gelände verletzen sich<br />
Schneemobilfahrer am häufigsten,<br />
wenn sie in aufgespannte Drähte<br />
und an<strong>der</strong>e von Menschenhand<br />
o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Natur geschaffene<br />
Hin<strong>der</strong>nisse hineinfahren.<br />
© Thinkstock (2)<br />
85
driver<br />
Um sich mit dem Schneemobil anzufreunden<br />
und es angemessen<br />
unter Kontrolle zu bekommen, benötigt<br />
man viel Praxis und Geduld.<br />
Hier läuft alles viel komplizierter<br />
ab als beim Erlernen des Fahrens<br />
mit dem Auto o<strong>der</strong> einem einfachen<br />
Motorrad. Drückt man den<br />
<strong>Be</strong>schleunigungshebel zu wenig,<br />
passiert nichts Interessantes, und<br />
drückt man zu viel, kann man zu<br />
einem weiteren Satelliten in <strong>der</strong><br />
Erdumlaufbahn werden. Hervorragende<br />
Fahrfertigkeiten sowie gute<br />
körperliche Kondition sind unerlässlich,<br />
da es zur maximalen effizienten<br />
Ausnutzung <strong>der</strong> Vorteile<br />
eines Schneemobils notwendig ist,<br />
nicht nur mit den Händen, son<strong>der</strong>n<br />
auch mit dem gesamten Körper zu<br />
fahren. Mit dem Steuer des Schneemobils<br />
in <strong>der</strong> Hand muss man ständig<br />
in <strong>Be</strong>wegung sein und lernen,<br />
sich an <strong>das</strong> Schneemobil anzupassen,<br />
und nicht ruhig wie ein Fahrgast<br />
im Schulbus auf dem Fahrzeug<br />
sitzen und nicht einmal den eigenen<br />
Hintern anheben. Die Fähigkeit,<br />
mit dem Körper im Sitzen auf<br />
dem Schneemobil zu manövrieren,<br />
ist einer <strong>der</strong> Grundsteine in dieser<br />
<strong>Be</strong>schäftigung.<br />
Außerdem muss man unbedingt Fertigkeiten<br />
für <strong>das</strong> Überleben in wil<strong>der</strong><br />
Natur und noch unter Extrembedingungen<br />
besitzen. Wenn man Offroad<br />
unterwegs ist, erscheint alles sehr<br />
eben und weiß. Dieses Bild nennt <strong>der</strong><br />
Schneemobilfahrer Whiteout. Unter<br />
diesem blendenden Weiß kann sich<br />
jedoch eine Grube, ein Baumstamm,<br />
ein gespannter Draht o<strong>der</strong> eine weitere<br />
„angenehme“ Überraschung<br />
verbergen. Trifft ein Schneemobil<br />
auf ein solches Hin<strong>der</strong>nis, stürzt <strong>der</strong><br />
Fahrer meistens, und <strong>das</strong> Fahrzeug<br />
fährt weiter, bis es aus den Augen<br />
verschwindet, von irgendeinem Steilhang<br />
fällt. Wenn Sie alles im Schneemobil<br />
mit sich führen, dann stehen<br />
Sie ohne alles mit leeren Händen da,<br />
also wäre es am besten, die wichtigsten<br />
Dinge immer bei sich zu tragen.<br />
Ein Schneemobil zu fahren ist vielleicht<br />
wirklich nicht so kompliziert,<br />
wie es nach dem Lesen dieses Artikels<br />
erscheinen mag. Aber nachdem man<br />
dort von ihm gefallen ist, wo Bären<br />
umherziehen, die monatelang gehungert<br />
haben, und die Temperatur<br />
in <strong>der</strong> Nacht so tief fällt, <strong>das</strong>s im Rucksack<br />
eine Flasche guter Brandy gefrieren<br />
kann, dann ist es schwierig zu<br />
überleben. Also sind Sicherheit und<br />
Fertigkeiten zum Überleben in wil<strong>der</strong><br />
Natur auf jeden Fall sehr wichtig. Der<br />
Sturz von einem Schneemobil ist <strong>der</strong><br />
häufigste Unfall bei dieser Form <strong>der</strong><br />
Erholung und geschieht meist, weil<br />
man seine eigenen Kräfte überschätzt,<br />
keine Fertigkeiten besitzt o<strong>der</strong> die<br />
Leistungsstärke des Fahrzeugs nicht<br />
begriffen hat. In einigen Schneemobilen<br />
ist ein Gerät eingebaut, <strong>das</strong> den<br />
Motor ausschaltet, wenn <strong>der</strong> Fahrer<br />
stürzt und die Steuerung loslässt. Das<br />
ist jedoch ein Zusatzgerät und nicht<br />
je<strong>der</strong> verwendet es.<br />
© Polarisindustries (3)<br />
86
Die besten Orte zum<br />
Fahren mit<br />
Schneemobilen<br />
Nach den Angaben des Schneemobil-Verbandes<br />
bestehen in Nordamerika<br />
über 370 000 km speziell<br />
für Schneefahrzeuge angelegte<br />
Straßen. Obwohl es in fast jedem<br />
Staat <strong>der</strong> USA, wo über einen bedeutsamen<br />
Teil des Jahres Schnee<br />
liegt, die einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en für<br />
Schneemobile angelegten Wege<br />
gibt, möchte „<strong>Be</strong> <strong>Active</strong>“ auf die<br />
besten Orte hinweisen. Übrigens<br />
gilt überall hinter dem Steuer die<br />
Grundregel wie für <strong>das</strong> Fahren eines<br />
beliebigen an<strong>der</strong>en Fahrzeugs<br />
– ein strenges Nein zum Alkohol.<br />
An jedem Ort ist es auch notwendig,<br />
sich zu informieren, welche<br />
Geschwindigkeitsbegrenzung auf<br />
<strong>der</strong> Piste besteht. Für gefährliche<br />
Fahrweise und Regelverstöße auf<br />
<strong>der</strong> Schneepiste werden oft härtere<br />
Strafen verhängt als für Vergehen<br />
auf einfachen Straßen am Steuer<br />
eines Autos.<br />
West Yellowstone,<br />
Montana<br />
Die Amerikaner nennen diesen Ort<br />
die Hauptstadt <strong>der</strong> Schneemobile. Zur<br />
Saison erreicht die Schneeschicht hier<br />
eine Dicke von bis zu 4 m. Falls man<br />
sich jedoch mehr als einen Familienausflug<br />
mit Schneemobilen wünscht<br />
und sich zur schnelleren Fahrt entscheidet,<br />
muss man immer damit<br />
rechnen, mit weidenden Bisons o<strong>der</strong><br />
Bären zusammenzustoßen, die hier<br />
zum Glück gefüttert werden und deshalb<br />
auch ohne große Angst durch<br />
<strong>das</strong> Gebiet des Yellowstone-Nationalparks<br />
schlen<strong>der</strong>n.<br />
Auf Grund <strong>der</strong> Vorschriften und Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
des Nationalparks, <strong>das</strong>s<br />
„Snowmobiling“ nur bei Anreise mit<br />
einer organisierten Gruppe gestattet<br />
ist, wählen die meisten Schneemobilfahrer<br />
zum Fahren nicht <strong>das</strong> Gelände<br />
des Nationalparks selbst, son<strong>der</strong>n die<br />
abgelegenen Winkel von West Yellowstone.<br />
Diese Region regiert stets in<br />
den Tops des SnoWest Magazine, einer<br />
Zeitschrift, die jedes Jahr die Top<br />
15 <strong>der</strong> besten Wege für Schneemobile<br />
© Arcticcat<br />
im Westen <strong>der</strong> USA bekannt gibt.<br />
Hier gibt es eindrucksvolle hügelige<br />
Orte, in denen <strong>der</strong> Schnee knirscht<br />
und funkelt. Hier kann man auf ungekennzeichneten<br />
Straßen dahinsausen,<br />
dem High Marking nachgehen<br />
o<strong>der</strong> einfach nur banal sein Trail-<br />
Schneemobil ausprobieren, denn<br />
sogar in den abgelegensten Winkeln<br />
von West Yellowstone gibt es wun<strong>der</strong>bar<br />
angelegte und an unterschiedliche<br />
Fertigkeiten von Schneemobilfahrern<br />
angepasste Wege.<br />
Der South Plateau-Weg ist für seine<br />
<strong>Be</strong>quemlichkeit für Schneemobilfahrer<br />
im Anfängerstadium bekannt,<br />
und weiter fortgeschrittenere Fahrer<br />
werden hier ständig verführt, vom<br />
Weg abzukommen, weil dieses Gelände<br />
sich durch fantastische Natur<br />
auszeichnet, an <strong>der</strong> man sich bei <strong>der</strong><br />
Fahrt auf einem „kultivierten“ und<br />
gepflegten Weg nicht immer erfreuen<br />
kann.<br />
© Thinkstock<br />
87
driver<br />
Der Two Top Trail direkt am Yellowstone-Nationalpark<br />
gilt als beste Piste <strong>der</strong><br />
Welt auf Grund <strong>der</strong> Unterschiedlichkeit<br />
<strong>der</strong> Oberfläche und <strong>der</strong> Möglichkeit<br />
auf einem <strong>Be</strong>rghang zu fahren,<br />
<strong>der</strong> in eine Höhe von mehr als 600<br />
m hinaufführt. Neben den hervorragend<br />
angelegten Wegen gibt es hier<br />
riesige Offroad-Flächen, die wegen<br />
ihrer beson<strong>der</strong>en Oberfläche und <strong>der</strong><br />
gefrorenen Schnee-Reservoire geradezu<br />
einen wahrgewordenen Traum<br />
für Offroad-Enthusiasten darstellen.<br />
An einem klaren Tag kann man die<br />
Teton-<strong>Be</strong>rge erkennen und sich auch<br />
an dem wun<strong>der</strong>vollen Panorama mit<br />
Blick auf den Yellowstone-Nationalpark<br />
erfreuen. Ständige starke Winde<br />
formen auf den Gipfeln dieses <strong>Be</strong>rges<br />
seltsame Eiszapfen, die in <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong><br />
Schneemobilfahrer unter dem Namen<br />
„Schneegeister“ bekannt sind.<br />
Für aggressive Schneemobilfahrer,<br />
die aus ihren Performance-Fahrzeugen<br />
<strong>das</strong> maximale Vergnügen herausholen<br />
möchten, gibt es keinen<br />
besseren Ort als The Big Sky Trail.<br />
Obwohl es hier auch angelegte Wege<br />
gibt, werden diese plötzlich durch<br />
Offroad ersetzt, wo es viel knirschenden<br />
und tiefen Schnee gibt. Die <strong>Land</strong>schaft<br />
ist hier sehr schön, aber wenn<br />
man mit mehreren Schneemobilfahrern<br />
zusammen fährt, kann man sie<br />
auch nicht sehen. Wenn viel Schnee<br />
liegt, ist es immer am besten, an erster<br />
Stelle zu fahren, weil die Sicht ansonsten<br />
noch schlechter wird als beim<br />
Fahren hinter einem an<strong>der</strong>en Auto<br />
auf <strong>der</strong> Straße bei starkem Regen.<br />
Falls es aber so geschehen ist, kann<br />
man sich damit trösten, <strong>das</strong>s man<br />
sich keine Sorgen mehr zu machen<br />
braucht, mit einem Bison o<strong>der</strong> einem<br />
an<strong>der</strong>en Vierbeiner zusammenzustoßen:<br />
Wegen des sehr<br />
tiefen Schnees und <strong>der</strong> dichten<br />
Wäl<strong>der</strong> gibt es hier fast keine großen<br />
Tiere. Dieser Ort zeichnet sich<br />
auch durch Hügel aus, und die Hill<br />
Climber bekommen bei dem Versuch<br />
die rauen <strong>Be</strong>rge zu erklimmen<br />
hier geradezu einen Orgasmus.<br />
Der extremste angelegte Weg im<br />
Yellowstone ist <strong>der</strong> Lionhead, <strong>der</strong><br />
vom Anfang <strong>der</strong> Piste bis zum Ende<br />
3 km aufsteigt. Dieser Weg ist eine<br />
ständige Prüfung für die Möglichkeiten<br />
des Schneemobils, und die<br />
letzten Kurven <strong>der</strong> Piste sind so<br />
heftig, <strong>das</strong>s man <strong>der</strong>en <strong>Be</strong>fahren<br />
nur Fahrern empfiehlt, die bereits<br />
viel Schnee „gegessen“ haben.<br />
Für diejenigen, die noch am Anfang<br />
ihrer Schneemobilfahrer-Karriere<br />
sind, stehen hier auch an<strong>der</strong>e<br />
Pisten zur Auswahl: <strong>der</strong> Horse Butte<br />
Loop, <strong>der</strong> Snowmobiling Island<br />
Park und The Continental Divide<br />
Trail. Obwohl es hier wenige extreme<br />
Kurven und gefährliche Anstiege<br />
gibt, sorgt die „firmeneigene“<br />
tiefe Schneeschicht dieser Region<br />
für große Heiterkeit bei jedem<br />
Schneemobil-Enthusiasten.<br />
88
Stanley, Idaho<br />
Hier kann die Schneedicke auch 6<br />
Meter betragen, und <strong>das</strong> Gelände ist<br />
sehr hügelig, besitzt etwa 40 Gipfel,<br />
die über 3 km hoch sind. Diese Piste<br />
verbinden mehr als 300 km eigens<br />
für Schneemobile angelegte Wege,<br />
aber Schneemobilfahrer schätzen<br />
diesen Ort beson<strong>der</strong>s wegen <strong>der</strong><br />
Möglichkeiten zum Boondocking<br />
und <strong>der</strong> unbegrenzten Möglichkeiten,<br />
mit dem Schneemobil Offroad<br />
zu fahren o<strong>der</strong> zu versuchen,<br />
so hoch wie möglich einen <strong>Be</strong>rg zu<br />
erklimmen. Die Ortsansässigen lieben<br />
den Kelly Creek Loop am meisten,<br />
einen <strong>Be</strong>rg, dessen Gipfel man<br />
mit einem Schneemobil erreichen<br />
kann, wenn man sich nicht fürchtet,<br />
<strong>das</strong> Gaspedal zu drücken.<br />
Bundesstaat Maine<br />
Wenn Sie kein Offroad benötigen,<br />
aber gut gepflegte, für Schneemobile<br />
angelegte Wege mögen, dann<br />
gibt es auf <strong>der</strong> Welt keinen besseren<br />
Ort als den Bundesstaat Maine. Hier<br />
gibt es fast 22 000 km für Schneemobile<br />
angelegte und hervorragend gepflegte<br />
Wege. Neben ihnen befinden<br />
sich 46 Gipfel für diejenigen, die <strong>das</strong><br />
High Marking ausprobieren wollen.<br />
Im letzten Jahr wurden die Schneewege<br />
von Maine von 102 000 Schneemobilfahrern<br />
zerfurcht. Das ist fast ein<br />
Zehntel aller Schneemobilfahrer aus<br />
den USA.<br />
Petersville, Alaska<br />
Es ist kein Geheimnis, <strong>das</strong>s hier <strong>das</strong><br />
Paradies für Trailblazing und Boondocking<br />
liegt. In Alaska gibt es mehrere<br />
ernst zu nehmende <strong>Be</strong>rge: den<br />
McKinley (von den Ortsansässigen<br />
Denali genannt), den Foraker und<br />
den Hunter. Außerdem muss man bei<br />
einem <strong>Be</strong>such mit dem Schneemobil<br />
in Alaska unbedingt bis zum Hatcher<br />
Pass fahren. Man sagt, <strong>das</strong>s wenn Sie<br />
kein Hillclimbing mochten und nach<br />
dem Überwinden <strong>der</strong> unzählbaren<br />
Vertikalen am Leben bleiben, Sie<br />
ihre Meinung wahrscheinlich än<strong>der</strong>n<br />
werden. Diese Oberfläche verlangt<br />
jedoch nach einem beson<strong>der</strong>s zuverlässigen<br />
Schneemobil mit hervorragen<strong>der</strong><br />
Aufhängung.<br />
Quebec, Kanada<br />
In Kanada ist es wohl schwer, einen<br />
besseren Ort für die Fahrt mit einem<br />
Schneemobil zu finden, als in dem<br />
Staat Quebec, in dem <strong>der</strong> „Ford“ <strong>der</strong><br />
Schneemobile Joseph Armand Bombardier<br />
geboren wurde. Dort ist je<strong>der</strong>mann<br />
überzeugt davon, <strong>das</strong>s man im<br />
Winter Freude haben und nicht nur<br />
überleben muss. Deshalb erwarten<br />
hier jeden Schneemobil-Enthusiasten<br />
mehr als 30 000 km hervorragend gepflegte<br />
Wege. Das Wichtigste ist, <strong>das</strong>s<br />
dieses System durchgängig ist und<br />
ganz Quebec durchläuft. Wenn man<br />
also nicht essen o<strong>der</strong> schlafen müsste,<br />
dann bräuchte man überhaupt nicht<br />
vom Schneemobil absteigen. Trotzdem<br />
gibt es verschiedene kleine Hin<strong>der</strong>nisse,<br />
so wie Brücken o<strong>der</strong> Fähren,<br />
die man gezwungenermaßen nutzen<br />
muss, um den Fluss Saint Lawrence<br />
zu überwinden. Aber die Kenntnis<br />
davon, <strong>das</strong>s die umliegenden Hotels<br />
liegen gebliebenen Schneemobilfahrern<br />
stets ihre Hilfe anbieten, macht<br />
jede Reise zu einer herrlichen Erfahrung,<br />
wo Sie nur noch eine Sache<br />
interessiert – was lässt sich noch aus<br />
Ihrem Schneemobil herausholen. Um<br />
alles an<strong>der</strong>e kümmern sich die französischsprachigen<br />
Kanadier.<br />
© Thinkstock (4)<br />
89
driver<br />
Britisch-Kolumbien,<br />
Kanada<br />
Das langweilige<br />
Skandinavien<br />
Für diejenigen, die es etwas weniger<br />
europäisch und wil<strong>der</strong> mögen, öffnet<br />
Britisch-Kolumbien seine nicht durch<br />
Zivilisation verschmutzten Arme. Es ist<br />
<strong>das</strong> Element für diejenigen, die High<br />
Marking, Hill Crossing und Trailblazing<br />
mögen. Hier befindet sich auch<br />
ein Ort auf <strong>der</strong> Welt, den die <strong>Be</strong>rgschneemobilfahrer<br />
beson<strong>der</strong>s lieben<br />
– die Kootenay Rockies. In Britisch-<br />
Kolumbien warten endlose Gipfel<br />
und eine unheimlich große Menge<br />
Schnee. Für Offroad-Liebhaber gibt<br />
es auch hier ein Paradies, man muss<br />
nur den Kootenay-See erreichen. Hier<br />
kann man seine Wege entdecken<br />
und schaffen, und für den Riesenspaß<br />
sorgen wahnsinnige Verän<strong>der</strong>ungen<br />
des Geländes, die zwischen 700 m<br />
und 2 km schwanken. Nach <strong>der</strong> Ankunft<br />
ist es am wichtigsten, <strong>das</strong>s <strong>der</strong><br />
Motor Ihres Schneemobils durchhält,<br />
denn hier wird er wirklich etwas zu<br />
tun haben. Der größte Konkurrent<br />
des Kootenay in Britisch-Kolumbien<br />
ist die Region Revelstoke, die ein einziges<br />
großes und unendliches Hügelland<br />
ist und in <strong>der</strong> ständig eine große<br />
Schicht aus lockerem Schnee besteht.<br />
Wenn man vom Schneemobil absteigt,<br />
kann man hier problemlos bis<br />
zu den Achseln eintauchen.<br />
Die Schneemobilwege Skandinaviens<br />
werden als herrliche Art, die<br />
Freizeit mit <strong>der</strong> Familie zu verbringen<br />
o<strong>der</strong> als Möglichkeit, die wun<strong>der</strong>schöne<br />
Natur zu bewun<strong>der</strong>n,<br />
aufgedrängt. Hier gibt es unendlich<br />
viele Herrlichkeiten im Angebot,<br />
die man leicht mit einem Schneemobil<br />
besichtigen kann, und es<br />
gibt auch eine Vielzahl an<strong>der</strong>er<br />
Attraktionen, die man mit dem<br />
Fahrzeug so unglaublich schnell<br />
wie die nächstgelegene Bar erreichen<br />
kann. Touring-Enthusiasten<br />
können hier mehrere Orgasmen<br />
bekommen, weil sie einen Anlass<br />
zu Teilnahme an einer mehrtätigen<br />
Safari durch drei Staaten teilnehmen<br />
können: durch Norwegen,<br />
Schweden und Finnland. Auf <strong>der</strong><br />
Internetseite von Visit Sweden liest<br />
man die folgende Zeile: „Manche<br />
meinen, <strong>das</strong>s die Geschwindigkeit<br />
alles ist, für die Mehrheit ist es jedoch<br />
eine Möglichkeit, die wilde<br />
Natur zu bewun<strong>der</strong>n“. Ach nein.<br />
Das skandinavische Streben nach<br />
Komfort und die Trägheit wi<strong>der</strong>spiegeln<br />
sich auch auf den Pisten<br />
für Schneemobile, die ordentlich,<br />
gepflegt und für einen aggressiv<br />
eingestellten Schneemobilfan hoffnungslos<br />
langweilig sind.<br />
Trotzdem möchte <strong>der</strong> berühmteste<br />
Ort für Schneemobilfahrer in Europa<br />
– <strong>das</strong> schwedische Kiruna – <strong>das</strong><br />
machen, was es noch nirgendwo auf<br />
<strong>der</strong> Welt gibt. Man will den Schneemobilen<br />
erlauben, auf den Straßen<br />
<strong>der</strong> Stadt als gleichberechtigtes Verkehrsmittel<br />
zu fahren. Dies ließe bei<br />
Schnee-Bikern zweifellos eine neue<br />
Erfahrung aufkommen – Urban<br />
Snowmobiling und <strong>das</strong> würde Kiruna<br />
zu einem Anziehungszentrum für alle<br />
Schneemobil-Enthusiasten machen.<br />
In Schweden liegt die Höchstgeschwindigkeit<br />
für Schneemobile<br />
bei 70 km pro Stunde. <strong>Be</strong>i dieser Geschwindigkeit<br />
kann man auf <strong>der</strong> Fahrt<br />
durch verschneites Gelände vor Langeweile<br />
zum Eiszapfen erstarren. Vielleicht<br />
gab es deswegen in Schweden<br />
einen Anstieg von Todesfällen durch<br />
Fahren von Schneemobilen unter<br />
Alkoholeinfluss. Es stellt sich die Frage,<br />
wie man sonst warm werden soll,<br />
wenn man auf einem herrlichen Weg<br />
auf mit einem offenen Fahrzeug fährt<br />
und sonst nichts weiter unternimmt?<br />
© Thinkstock<br />
90
91<br />
© Arcticcat
driver<br />
Ongajok, Norwegen<br />
Die beste Schneemobil-Safari in Europa,<br />
die extreme Züge besitzt, ist<br />
eine Fahrt auf Schneemobilen in <strong>der</strong><br />
Region Ongajok, im norwegischen<br />
Teil Lapplands. Neben <strong>der</strong> zweifellosen<br />
Schönheit <strong>der</strong> Natur erwartet Sie<br />
eine gar nicht so laienhafte Erfahrung<br />
beim Fahren mit dem Schneemobil.<br />
Fast die gesamte Piste über hat man<br />
mit Steigung zu kämpfen und ihr<br />
höchster sowie niedrigster Punkt liegen<br />
mehr als 650 m auseinan<strong>der</strong>. Hier<br />
ist nicht nur die Natur, son<strong>der</strong>n auch<br />
die Piste wild, also gibt es genügend<br />
Arbeit für <strong>das</strong> Schneemobil. Es kann<br />
sogar sein, <strong>das</strong>s nicht nur Sie, son<strong>der</strong>n<br />
auch Ihr Fahrzeug bei Tagesende die<br />
Sauna, die in ganz Skandinavien ständig<br />
angeboten wird, nötig haben<br />
wird.<br />
Finnland<br />
In Finnland kann man die beste Erfahrung<br />
mit Schneemobilen in Lappland<br />
machen, wo es Tausende gepflegter<br />
Wege gibt, von <strong>der</strong>en Verlassen eindringlich<br />
abgeraten wird. Schon wie<strong>der</strong><br />
diese skandinavische Vorsicht...<br />
Wer Offroad genießen möchte, wird<br />
sein Verhandlungsgeschick auffrischen<br />
müssen, denn über die Möglichkeit<br />
einer Offroad-Fahrt muss man<br />
mit dem Eigentümer des <strong>Land</strong>es, <strong>das</strong><br />
man mit dem Schneemobil zerfurchen<br />
möchte, verhandeln.<br />
Überall, wo man in Finnland hinfährt,<br />
wird einem zuerst angeboten, mit<br />
hoher Geschwindigkeit über vereiste<br />
Seen zu fegen, von denen es unzählbar<br />
viele gibt. „<strong>Be</strong> <strong>Active</strong>“ ist <strong>der</strong><br />
Meinung, <strong>das</strong>s dies eine sehr ähnliche<br />
Erfahrung wie die Verbesserung eines<br />
Geschwindigkeitsrekords mit dem<br />
Auto in irgendeiner Wüste ist. Der<br />
Adrenalinstoß ist garantiert, obwohl<br />
man vor <strong>der</strong> <strong>Be</strong>stellung eines solchen<br />
Abenteuers überprüfen sollte, ob die<br />
Höchstgeschwindigkeit nicht auf 80<br />
km/h beschränkt ist. <strong>Be</strong>i den Skandinaviern<br />
kann schließlich alles passieren,<br />
und die Wörter „High Speed“ in<br />
den Broschüren können für Ortsansässige<br />
etwas völlig an<strong>der</strong>es bedeuten<br />
als für Sie.<br />
Karelien, Russland<br />
Obwohl es scheinen kann, <strong>das</strong>s<br />
<strong>der</strong> Großteil Russlands unter ewigem<br />
Schnee liegt, so kann man an<br />
ernsthaftes Fahren mit Schneemobilen<br />
nur in Karelien denken. Die<br />
Nähe zu Skandinavien verleiht dieser<br />
Region viele Vorzüge. Karelien<br />
hat hervorragende Voraussetzungen<br />
für Offroad-Liebhaber, und<br />
nach dem langweiligen und konservativen<br />
Skandinavien kann ein<br />
<strong>Be</strong>such in Karelien zu einer echten<br />
Erfrischung für Körper und Seele<br />
werden.<br />
Hokkaido, Japan<br />
Außer Nordamerika und Skandinavien<br />
ist Japan wahrscheinlich <strong>der</strong><br />
einzige Ort, wo man sich ernsthafter<br />
mit dem Snowmobiling beschäftigen<br />
kann. Haruki Murakami hat<br />
die Mystik von Hokkaido hervorragend<br />
dargestellt, also falls es nicht<br />
die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Schneemobile<br />
ist, so wird wenigstens die<br />
<strong>Land</strong>schaft, <strong>der</strong>en Teil man mit<br />
dem Schneemobil erblicken kann,<br />
einen wun<strong>der</strong>baren Eindruck hinterlassen.<br />
Hier stehen nicht viele<br />
Wege zur Auswahl und auch die<br />
angebotenen Vergnügungen ähneln<br />
nicht <strong>der</strong> wilden Natur von<br />
Sapporo, son<strong>der</strong>n eher <strong>der</strong> Langeweile<br />
Skandinaviens. Trotzdem<br />
gibt es hier Möglichkeiten für High<br />
Marking o<strong>der</strong> Offroad. Das macht<br />
diese kurzen Wege recht attraktiv.<br />
Tatsachen<br />
© Polarisindustries<br />
Der durchschnittliche Marktpreis<br />
für ein neues Schneemobil liegt bei<br />
8800 USD.<br />
Der Altersdurchschnitt eines Schneemobilfahrers<br />
beträgt 43 Jahre.<br />
Wer sein Schneemobil angemessen<br />
warten möchte, hat im Jahr Kosten<br />
92
Score<br />
Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />
Ziel zu erreichen.<br />
Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />
Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.<br />
© Thinkstock<br />
93
treker<br />
„Geh in die <strong>Be</strong>rge!“<br />
Text Ovidijus Ruškys<br />
94
Ich habe da so einen Freund, einen Arzt, und bin immer<br />
wie<strong>der</strong> erstaunt, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> nie krank ist. Nicht nur, <strong>das</strong>s er<br />
nie krank ist, son<strong>der</strong>n auch sonst über gar nichts klagt.<br />
Im Gegensatz zu ihm würde ich mich<br />
nicht in diese Kategorie einordnen:<br />
Ich halte mich – sowohl körperlich<br />
als auch seelisch gesehen – für ein<br />
Weichei. Mal schmerzt mir <strong>der</strong> Kopf,<br />
mal stresst mich <strong>der</strong> Job o<strong>der</strong> die Familie,<br />
im Winter erkälte ich mich, im<br />
Sommer trifft mich <strong>der</strong> Hitzschlag;<br />
so wie<strong>der</strong>holen sich diese Umstände<br />
unentwegt wie in einem Teufelskreis.<br />
Selbstverständlich unternehme ich<br />
etwas dagegen: Ich schlucke Medikamente,<br />
auch präventiv, sammle brav<br />
Vitaminfläschchen, versuche hin und<br />
wie<strong>der</strong> äußerlich – durchs Schwitzen<br />
im Club – und innerlich – durchs Trinken<br />
im Pub – Krankheiten vorzubeugen,<br />
bemühe mich, an Wochenenden<br />
dem Großstadtsmog zu entfliehen.<br />
Doch die Blüte des bereits erwähnten<br />
Doktors zu erreichen, schaffe ich<br />
trotzdem nicht. Das <strong>Be</strong>neidenswerteste<br />
jedoch ist, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> immer einen<br />
einfachen Ratschlag parat hat, <strong>der</strong><br />
helfen solle, die Wehwehchen je<strong>der</strong><br />
Lebenslage zu überwinden. Wenn<br />
man ihn fragt, was er bei dem einen<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Problem vorschlagen<br />
würde, erwi<strong>der</strong>t er lakonisch, mit <strong>der</strong><br />
Ruhe eines praktizierenden Buddhisten:<br />
„Geh in die <strong>Be</strong>rge!“<br />
So einfach also: Geh in die <strong>Be</strong>rge! Ich<br />
frage ihn, was man tun sollte, damit<br />
<strong>der</strong> Druck in <strong>der</strong> rechten Gehirnhälfte<br />
nachlässt. Seine Antwort lautet: „Geh<br />
in die <strong>Be</strong>rge!“ Ich erkundige mich, wie<br />
man die blutsaugenden Mückenviecher<br />
in <strong>der</strong> freien Natur vermeidet. Er<br />
antwortet wie<strong>der</strong>: „Geh in die <strong>Be</strong>rge!“<br />
Und so zigmal bei je<strong>der</strong> <strong>Be</strong>gegnung.<br />
Einmal platzte mir <strong>der</strong> Kragen, und<br />
ich warf ihm alles an den Kopf: Dass er<br />
eine eigene Praxis habe, seine Arbeitsund<br />
Urlaubszeit selbst regele, keinen<br />
Geldmangel kenne usw., so<strong>das</strong>s es für<br />
ihn ein Leichtes sei, über sein alpines<br />
Hobby zu schwadronieren. Der Kerl<br />
wurde etwas verlegen, erwi<strong>der</strong>te mir<br />
jedoch auf meinen Wortschwall mit<br />
<strong>der</strong> bekannten <strong>Be</strong>stimmtheit: „Geh in<br />
die <strong>Be</strong>rge!“ und fügte nach einer kurzen<br />
Pause hinzu: „Vor allem, wenn du<br />
kein Geld und keine Zeit hast.“<br />
So war also die Vorgeschichte meines<br />
„In-die-<strong>Be</strong>rge-Gehens“, worauf ich<br />
genau dorthin losgezogen bin. Sicherlich<br />
nicht auf die Art und Weise,<br />
wie sich Henry David Thoreau in den<br />
Wald am See Walden Pond zurückgezogen<br />
hatte, son<strong>der</strong>n langsam, Schritt<br />
für Schritt, mit einer detaillierten Vorbereitung<br />
glie<strong>der</strong>te ich mich in die<br />
Reihen <strong>der</strong> <strong>Be</strong>rgwan<strong>der</strong>freunde ein.<br />
Eine weitere, etwas eigenartige<br />
und am Anfang mir völlig unverständliche<br />
Nuance war, <strong>das</strong>s mein<br />
<strong>Be</strong>rgwan<strong>der</strong>freund mir keine nützlichen<br />
Informationen geben wollte<br />
und sich sogar weigerte, mir bei<br />
meinem ersten Mal Gesellschaft zu<br />
leisten. Die Erklärung fiel ungefähr<br />
so aus: Du musst selbst gehen, deswegen<br />
musst du dich auch selbst<br />
darum kümmern, selbst deinen<br />
<strong>Be</strong>rg finden, entscheiden, was du<br />
für die Reise brauchst, wie lange<br />
du gehst, was du dir anziehst, weil<br />
je<strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>er seine eigenen <strong>Be</strong>dürfnisse<br />
hat. Zum Teil musste ich<br />
ihm recht geben. Viel merkwürdiger<br />
erschien mir allerdings seine<br />
Weigerung mitzukommen; angeblich<br />
sei „<strong>der</strong> <strong>Be</strong>rg selbst die beste<br />
Gesellschaft“.<br />
© Thinkstock (6)<br />
95
treker<br />
Die ersten <strong>Be</strong>rge<br />
96
Von <strong>der</strong> Einsicht beflügelt, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> <strong>Be</strong>rg nicht zu mir<br />
kommen wird und <strong>das</strong>s mich niemand an <strong>der</strong> Hand<br />
dorthin führen wird, fing ich also an, meine eigene<br />
Reise zum <strong>Be</strong>rg zu organisieren.<br />
Das Erste, was ich machte, war Folgendes:<br />
Ich suchte mir meinen <strong>Be</strong>rg.<br />
Den Alpenbewohnern kann es ja<br />
merkwürdig vorkommen, aber in<br />
meiner Stadt sieht man sogar vom<br />
Dach eines <strong>Wolke</strong>nkratzers aus im gesamten<br />
Radius bis zum Horizont keine<br />
einzige Erhebung, deswegen setzte<br />
ich mich an den Computer und fand<br />
die nächste höher gelegene Gegend<br />
in den Internetkarten. Zugleich stieß<br />
ich auf psychologisch-medizinische<br />
Informationen, die meine Zuversicht<br />
bestärkten und <strong>der</strong>en folgende<br />
Schlagzeilen mir am besten gefielen:<br />
„<strong>Be</strong>sser als <strong>Be</strong>rge sind nur <strong>Be</strong>rge“,<br />
„<strong>Be</strong>rgluft heilt Übergewicht“ (diese<br />
hat meinem Bierbäuchlein, na gut,<br />
sei’s drum, meinem Bierbauch am<br />
besten gefallen), „Kommunikation<br />
mit den <strong>Be</strong>rgen verän<strong>der</strong>t den Menschen“,<br />
„<strong>Be</strong>rge sind eine Rettung vor<br />
Herzerkrankungen“. Etwas demotivierend<br />
wirkte vielleicht nur die Tatsache,<br />
<strong>das</strong>s all die gesundheitsför<strong>der</strong>nden<br />
Aspekte erst dann funktionieren<br />
sollen, wenn man in den <strong>Be</strong>rgen lebt<br />
o<strong>der</strong> wenigstens für einen längeren<br />
Zeitraum mindestens in <strong>der</strong> Höhe<br />
von 2000 Metern verweilt. Angeblich<br />
solle die <strong>Be</strong>rgluft helfen, Körperfette<br />
deutlich schneller zu verbrennen,<br />
während die sauerstoffarme Luft den<br />
Stoffwechsel beschleunige und den<br />
Appetit sowie den Blutdruck senke.<br />
Dennoch blieb ich davon überzeugt,<br />
<strong>das</strong>s auch ein kurzweiliges amateurhaftes<br />
Herumstreunen in einer bergigen<br />
Gegend meinem Herzen eine<br />
gute <strong>Be</strong>lastung sein wird, während<br />
eine niedrigere Sauerstoffkonzentration<br />
in <strong>der</strong> Luft sich ebenfalls nur positiv<br />
auswirken wird. Bloß wegen <strong>der</strong><br />
Langlebigkeit auf Grund von guter<br />
<strong>Be</strong>rgluft war ich mir nicht so sicher.<br />
Doch dies erwähnte ich meiner Frau<br />
nicht, die sich meinen kurzen Vortrag<br />
über die positive Auswirkung <strong>der</strong> <strong>Be</strong>rge<br />
stillschweigend jedoch mit großen<br />
Augen anhörte. Ungefähr genauso,<br />
wie vor einigen Jahren bei meinem<br />
Versuch ihr weiszumachen, <strong>das</strong>s ein<br />
Abend in einer Kneipe mit Freunden<br />
ohne Frauenbegleitung unsere Ehe<br />
nur stärken wird. Immerhin wurde die<br />
Tatsache, <strong>das</strong>s wir am Wochenende in<br />
einer bergigen Gegend herumlaufen<br />
werden, nicht so gegnerisch empfangen,<br />
wie ich es befürchtete (anhand<br />
meiner Erfahrung mit <strong>der</strong> „Vorteilhaftigkeit“<br />
des frauenlosen Kneipenbesuchs).<br />
Es kam nur die Frage: „Was<br />
sollen wir mitnehmen?“ Meine stolze<br />
männliche Allwissenheit bewog mich<br />
dazu, die Sache mir zu überlassen.<br />
O<strong>der</strong> soll etwa eine Frau den Rucksack<br />
packen, wo sie bestimmt einen<br />
Haufen unnützes Zeug hineinstopfen<br />
wird? Selbstverständlich wurde<br />
mir dies später zum Verhängnis,<br />
denn <strong>das</strong> anfängliche Vorhaben,<br />
einen Tag lang uns die <strong>Be</strong>ine zum<br />
Wohle <strong>der</strong> Gesundheit zu vertreten,<br />
ist nicht ganz <strong>das</strong> geworden,<br />
was ich mir in meiner Fantasie ausgemalt<br />
hatte.<br />
Der Rucksack mit – meines Erachtens<br />
– nur dem Wesentlichen als<br />
Inhalt ist gar nicht so schwer geworden.<br />
Zumindest dachte ich so,<br />
während ich ihn vom Flur aus in<br />
den Kofferraum des Autos trug. Die<br />
wie<strong>der</strong>holte Frage meiner Frau,<br />
ob wir auch „wirklich alles haben,<br />
was wir brauchen“, winkte ich mit<br />
zusammengepressten Zähnen ab,<br />
und endlich fuhren wir los, in diese<br />
bergige Gegend.<br />
© Thinkstock (4)<br />
97
treker<br />
Kilometerlange Autofahrt und die<br />
Sonne des herannahenden Herbstes<br />
stimmten optimistisch. Es schien mir,<br />
als hätte mein Herz bereits vor dem<br />
Spaziergang angefangen, gesün<strong>der</strong><br />
zu schlagen. Wir stellten <strong>das</strong> Auto auf<br />
einem Parkplatz ab und liefen über<br />
einen ausgetretenen, früher befahrbaren,<br />
nunmehr zugewachsenen<br />
Pfad direkt in die Tiefe des Waldes hinein<br />
und den Hügel hoch. Das Laufen<br />
war nicht anstrengend, man musste<br />
sich nicht durch Gestrüpp und Geäst<br />
zwängen, wir trampelten bloß <strong>das</strong><br />
ziemlich hohe Gras und streiften hin<br />
und wie<strong>der</strong> Spinnweben. Der Weg<br />
führte auf und wie<strong>der</strong> ab. Wir plau<strong>der</strong>ten<br />
darüber, wie angenehm es ist, zu<br />
zweit in die Natur hinauszukommen,<br />
und <strong>das</strong>s es eine schöne Gewohnheit<br />
werden könnte, <strong>der</strong> sich später auch<br />
unser Sohn anschließen könnte.<br />
Die Sonne stieg immer höher und<br />
schien immer munterer und wärmer.<br />
Plötzlich (nach etwa einer halben<br />
Stunde Marschieren) merkte ich, <strong>das</strong>s<br />
<strong>der</strong> Rucksack mit dem nur Wesentlichen<br />
immer schwerer wird. Doch echte<br />
Männer klagen nicht laut! Wir hielten<br />
kurz an, ich zückte meine ziemlich<br />
große Nikon-Kamera aus dem Rucksack,<br />
machte ein paar Bil<strong>der</strong> und<br />
hängte sie mir um. Der Marsch ging<br />
weiter. Der Rucksack wurde definitiv<br />
nicht leichter, währenddessen fing<br />
die „Unentbehrlichkeit“ <strong>der</strong> Kamera<br />
am Nacken zu drücken. Den Duft <strong>der</strong><br />
reinen Luft konnte man tatsächlich<br />
riechen, doch zum Fotografieren gab<br />
es wirklich nichts.<br />
In Kürze schlug ich vor, zum ersten<br />
Mal eine längere Pause einzulegen.<br />
Wir leerten ein bisschen<br />
Tee aus <strong>der</strong> Thermosflasche, versch<strong>langen</strong><br />
je<strong>der</strong> ein belegtes Brot<br />
und liefen weiter, nachdem wir<br />
erst unsere Pullis ausgezogen hatten.<br />
Allerdings war die Stimmung<br />
nicht mehr so beseelt, <strong>der</strong> Schweiß<br />
lief mir übers Gesicht und den Rücken<br />
hinunter. Darüber hinaus verlangte<br />
meine Frau nach Klopapier.<br />
Wir hielten an und räumten den<br />
Rucksack aus, doch außer einer<br />
Packung marinierter Steaks, dem<br />
Gemüse, <strong>der</strong> Ketchupflasche, den<br />
Papptellern, dem Grillrost (ich hatte<br />
gehofft, mittags ein Feuerchen<br />
anzuzünden und <strong>das</strong> Fleisch darauf<br />
zu rösten), den Regencapes,<br />
<strong>der</strong> Wochenendzeitung mit allen<br />
<strong>Be</strong>ilagen, <strong>der</strong> Pfeife samt einem<br />
Tabakdöschen, dem Notizblock<br />
(falls gute Ideen kommen), einer<br />
Bierbüchse (Steak ohne Bier – undenkbar),<br />
den Kartoffelchips, <strong>der</strong><br />
Picknickdecke und an<strong>der</strong>en „notwendigen“<br />
Kleinigkeiten befand<br />
sich kein Klopapier. Ich schwor bei<br />
Gott, es eingepackt zu haben (<strong>der</strong><br />
Stolz eines Mannes ließ mir keine<br />
an<strong>der</strong>e Wahl), doch offensichtlich<br />
war unser Sprössling vor dem<br />
Verschließen des Rucksacks am<br />
Werk gewesen. Das Weib schwieg,<br />
ich spürte jedoch, sie glaubte kein<br />
Wort.<br />
98
Während es immer wärmer wurde,<br />
zogen wir eines erheblich langsameren<br />
Schrittes weiter. Die Thermosflasche<br />
leerte sich rasch. Die warme<br />
Flüssigkeit umspülte zwar für einen<br />
Moment angenehm den Rachen,<br />
kühlte jedoch überhaupt nicht. Einfaches<br />
Trinkwasser hatten wir aber nicht<br />
mit. „Komm schon, wir sind doch keine<br />
Waschlappen, die beim läppischen<br />
Durst einknicken!“ Immerhin haben<br />
wir noch Bier. Auf diese Art und Weise<br />
versuchte ich meine Frau und mich<br />
selbst aufzumuntern und zu trösten,<br />
nachdem <strong>der</strong> Tee versiegt war, doch<br />
die angespannte Atmosphäre verbesserte<br />
sich dadurch nicht.<br />
Irgendwie hatte ich mir vorgestellt,<br />
die vorgezogene Mittagspause mit<br />
dem Feuer und dem gerösteten<br />
Fleisch nach ungefähr 4 Stunden<br />
Fußmarsch einzulegen, so etwa wie<br />
bei einem gewöhnlichen Rhythmus<br />
des Arbeitstages. Praktisch war die<br />
Sache allerdings doppelt so schnell<br />
reif. Nicht etwa deswegen, weil unsere<br />
Mägen bereits die Trommeln<br />
geschlagen hätten, son<strong>der</strong>n weil <strong>der</strong><br />
Durst mit dem einzig gebliebenen<br />
Bier gelöscht werden musste, jedoch<br />
wollte man <strong>das</strong> Bier nicht ohne Steaks<br />
verplempern. Somit breiteten wir<br />
unsere Picknickdecke auf dem erstbesten<br />
sandigen Rastplatz aus, wo ich<br />
<strong>der</strong> weiblichen Person erlaubte, sich<br />
auszustrecken, während ich ans Feuermachen<br />
ging. Ich sammelte Zweige<br />
und Äste, die offensichtlich nicht<br />
fürs Lagerfeuer taugten, denn <strong>das</strong><br />
Feuermachen nahm eine gute halbe<br />
Stunde in Anspruch, in <strong>der</strong> <strong>das</strong> Essen<br />
und auch die Frau von Ameisen und<br />
an<strong>der</strong>en Insekten attackiert wurden.<br />
Ohne auf ihr Jammern einzugehen,<br />
konstruierte ich einen Stän<strong>der</strong> für<br />
den Grillrost und setzte mich daneben.<br />
Wir warteten ab, bis <strong>das</strong> Feuer<br />
glühende Kohle hinterlässt.<br />
© Thinkstock (4)<br />
Das Gespräch mit meiner besseren<br />
Hälfte wollte sich einfach nicht<br />
entwickeln, obwohl sie sonst gerne<br />
über dies und jenes quasselt. Jetzt<br />
las sie die Zeitung, und ich überlegte,<br />
warum dieser Trip, <strong>der</strong> unsere<br />
geistige und körperliche Gesundheit<br />
eigentlich för<strong>der</strong>n sollte, zu<br />
einem anstrengenden und die Reibung<br />
zwischen den beiden Wan<strong>der</strong>ern<br />
eher stärkenden Unterfangen<br />
wurde. Ich stellte folgende Gründe<br />
fest: falsch gepackter Rucksack<br />
(den Packer braucht man nicht<br />
laut zu nennen) und meine <strong>Be</strong>gleiterin,<br />
die <strong>das</strong> Recht hat, sich deswegen<br />
aufzuregen. In dem Moment<br />
ging mir durch den Kopf, <strong>das</strong>s ich<br />
den Rat des befreundeten Arztes<br />
völlig vergessen hatte, alleine in<br />
die <strong>Be</strong>rge zu gehen, und überschlug<br />
nüchtern <strong>das</strong> Szenario <strong>der</strong><br />
letzten zwei Stunden, diesmal jedoch<br />
ohne meine <strong>Be</strong>gleiterin, die<br />
erstens sich nicht am Tragen beteiligte,<br />
was auch hieß, <strong>das</strong>s ich für<br />
zwei schleppte, und zweitens auch<br />
noch keine moralische Unterstützung<br />
lieferte. Fazit: Alleine wäre es<br />
besser, einfacher und leichter (in<br />
jedem Sinne) gewesen.<br />
99
treker<br />
Während Feuerzungen um die<br />
grünen Zweige tanzten, notierte<br />
ich mir in meinem Notizblock all<br />
die Sachen, die wir heute mitgenommen<br />
hatten, dann schrieb<br />
ich die Sachen auf, die ich bei <strong>der</strong><br />
Wan<strong>der</strong>ung vermisst habe, und<br />
strich letztendlich all den unnötigen<br />
Krimskrams. Nach <strong>der</strong> Auswertung<br />
des Umfangs von dem übrig<br />
gebliebenen Zubehör wurde mir<br />
klar, <strong>das</strong>s man nicht mal so einen<br />
großen Rucksack bräuchte. Ehrlich<br />
gesagt, für eine Tagestour könnte<br />
man sich ohne Weiteres auf Trinkwasser<br />
und ein paar belegte Brote<br />
beschränken. Und natürlich – auf<br />
<strong>das</strong> verdammte Klopapier.<br />
Ich will mich nicht darüber ausbreiten,<br />
wie <strong>das</strong> erste sommerliche Herumwan<strong>der</strong>n<br />
in den „Quasi-<strong>Be</strong>rgen“<br />
geendet ist, ich möchte lediglich<br />
erwähnen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Bier die Kehle<br />
heruntergespült worden war, noch<br />
bevor die Steaks fertig waren, die<br />
wie<strong>der</strong>um ein paar Mal samt Grillrost<br />
in die Kohle hineingefallen<br />
waren, woraufhin <strong>das</strong> Bratgut ungenießbar<br />
wurde; darüber hinaus<br />
wurde irgendwann mal klar, <strong>das</strong>s<br />
ich kein Messer eingesteckt hatte,<br />
außerdem ging die Ketchupflasche<br />
rätselhafterweise auf und verschmierte<br />
alle Sachen im Rucksack.<br />
Abgesehen von ein paar weiteren<br />
Kleinigkeiten, die sich negativ auf<br />
die Stimmung auswirkten, gab es<br />
auch etwas Positives: Meine Frau<br />
erklärte, <strong>das</strong>s ich solche Touren <strong>das</strong><br />
nächste Mal alleine machen kann.<br />
100
101<br />
© Thinkstock (2)
treker<br />
Das nächste Mal:<br />
Winter<br />
102
Bis zum nächsten Trip in die <strong>Be</strong>rge (als ob man den ersten<br />
für den, hm, ersten halten könnte) sind viel Bier<br />
und an<strong>der</strong>e Flüssigkeiten den Fluss runtergeflossen,<br />
dennoch fand er statt.<br />
Die größten Verän<strong>der</strong>ungen waren<br />
allerdings folgende: Ich bekam<br />
die Gelegenheit, alleine zu gehen,<br />
und dazu im Winter. Es ist fraglich,<br />
ob meine Frau tatsächlich nicht mitgehen<br />
wollte, aber es ergab sich so,<br />
<strong>das</strong>s unser Kind während des von<br />
uns beiden geplanten Urlaubs krank<br />
wurde, demzufolge erlaubte ich mir<br />
(sie erlaubte es mir auch), egoistisch<br />
zu handeln und alleine in den Urlaub<br />
zu fahren. Alleine in den <strong>Be</strong>rgen. Der<br />
befreundete Doktor wies mich darauf<br />
hin, <strong>das</strong>s sich noch einer bei einem<br />
Wintertrip in die <strong>Be</strong>rge dazugeselle,<br />
und dann sei man zu dritt: du, die<br />
<strong>Be</strong>rge und <strong>der</strong> Winter. Um dieses semiotische<br />
Spielchen weiterzuspinnen,<br />
fügte ich noch einen <strong>Be</strong>gleiter hinzu:<br />
Übernachtung in den <strong>Be</strong>rgen.<br />
Also erfor<strong>der</strong>te <strong>das</strong> große Vorhaben<br />
meines Lebens eine lange und<br />
frühzeitige Vorbereitung, zumindest<br />
damit es nicht so ausgeht, wie es <strong>das</strong><br />
letzte Mal ausgegangen ist. Etliche<br />
Stunden verbrachte ich mit <strong>der</strong> Lektüre<br />
über <strong>das</strong> winterliche Wan<strong>der</strong>n.<br />
Eigenartig war nur, <strong>das</strong>s man haufenweise<br />
Informationen über <strong>das</strong> professionelle<br />
<strong>Be</strong>zwingen <strong>der</strong> <strong>Be</strong>rge bekam,<br />
während man für einen ungeübten<br />
Wan<strong>der</strong>er nichts Gescheites bzw. Konkreteres<br />
finden konnte. Also musste<br />
ich improvisieren, <strong>das</strong> Sparschwein<br />
bemühen und einige <strong>Be</strong>kannte aufsuchen,<br />
worüber ich etwas ausführlicher<br />
und systematischer berichten<br />
möchte.<br />
Kleidung<br />
Mein einziges Gebot war, die Kleidung<br />
muss unbedingt warm und<br />
wasserdicht sein. Angefangen<br />
von unten fanden sich zwei Paar<br />
Wollsocken an den Füßen: Ich habe<br />
irgendwo gelesen, <strong>das</strong>s zwei Paar<br />
einen deutlich besseren Schutz<br />
vor Druckstellen und Kälte bieten.<br />
Falls die doch nass werden sollten,<br />
habe ich ein zusätzliches Paar eingepackt.<br />
Anfangs hatte ich mir überlegt,<br />
meinen blauen Winterpyjama als<br />
Unterwäsche einzusetzen, ein befreundeter<br />
Jäger, von dem ich mir<br />
einen wasserdichten Camouflage-<br />
Anzug geliehen hatte, drückte mir<br />
auch noch eine Polartec-Jacke in<br />
die Hand (<strong>das</strong> ist so ein cleverer<br />
Thermostoff, wo die Sachen daraus<br />
gerne mal schweineteuer sind)<br />
mit den Worten, dies sei <strong>das</strong> <strong>Be</strong>ste,<br />
was man beim nasskalten Wetter<br />
tragen kann. Also zog ich nur noch<br />
ein T-Shirt drunter und schmückte<br />
mich mit <strong>der</strong> Militäruniform.<br />
© Thinkstock (3)<br />
103
treker<br />
Die Schuhe betreffend gab es verschiedene<br />
Überlegungen. Sollte man<br />
etwas Gebrauchtes kaufen o<strong>der</strong> doch<br />
lieber etwas ausleihen. Ich hatte sogar<br />
die Idee, mir selbst etwas zu basteln<br />
(wie so etwas aus einem Verkehrsschild<br />
hergestellt werden kann, kann<br />
man sich im Internet anschauen unter<br />
http://vimeo.com/4087750); letztendlich<br />
kaufte ich mir doch nagelneue alpine<br />
„La Sportiva Makalu“-Stiefel mit<br />
allen Schikanen: ein Schutzgummi<br />
vorne, irgendeine neue superschnieke<br />
Schnürtechnik, ein beson<strong>der</strong>es, so<br />
gut wie selbstatmendes Futter usw.<br />
Ich wurde schwach vor so einem<br />
Technikwun<strong>der</strong> in dem Outdoor-<br />
Fachgeschäft voller Hoffnung, <strong>das</strong>s<br />
die Stiefelchen nicht nur einmal am<br />
Fuß sitzen werden, immerhin hatte<br />
ich für die Dinger 120 € hingeblättert.<br />
Als unentbehrlich zu den Schuhen<br />
erwiesen sich noch bestimmte Gamaschen,<br />
eigenartige wasserabweisende<br />
Stulpen für die <strong>Be</strong>ine. Man<br />
befestigt sie am Unterschenkel, was<br />
<strong>das</strong> Eindringen von Schnee in <strong>das</strong><br />
Stiefelinnere verhin<strong>der</strong>n soll. Der Verkäufer<br />
behauptete, <strong>das</strong>s sie über die<br />
Knie gezogen hervorragend Abhilfe<br />
leisteten, wenn man „sich im Schnee<br />
kniend ausruhen möchte“. Seltsamerweise<br />
klang seine Äußerung<br />
keineswegs ironisch, also nahm ich<br />
diese auch mit, die billigsten für 15<br />
€. Ebenfalls wurden mir Wun<strong>der</strong>socken<br />
und -hosen angepriesen sowie<br />
verschiedene Schuhpflegemittel, ich<br />
beschloss jedoch, <strong>das</strong>s es genügend<br />
Einkäufe für meine erste Winterreise<br />
war. Zudem waren noch einige Ausgaben<br />
in Sicht.<br />
Weiter ging es mit einer alten<br />
Wintermütze, die meine Ohren<br />
abdeckte, und Handschuhen. Ich<br />
dachte auch kurz an die Brille, so<br />
eine, wie sie die <strong>Be</strong>rgsteiger gewöhnlich<br />
tragen, aber entschied<br />
mich doch dagegen, da ich nicht<br />
vorhatte, bei Eissturm zu wan<strong>der</strong>n<br />
o<strong>der</strong> die <strong>Be</strong>rggipfel mit beißendem<br />
Wind und stechen<strong>der</strong> Kälte aufzusuchen,<br />
so<strong>das</strong>s auch meine einfache<br />
Sommersonnenbrille ausreichen<br />
sollte.<br />
104
Hauptinventar<br />
Es sind ein Rucksack, ein Zelt und<br />
ein Schlafsack. Mein Rucksack ist<br />
zwar groß, aber nicht wasserfest,<br />
so mussten ein paar von <strong>der</strong> Größe<br />
her passende Müllsäcke aus Plastik<br />
hineingelegt werden, damit <strong>der</strong> Inhalt<br />
nicht nass wird.<br />
Das größte Kopfzerbrechen bereiteten<br />
mir <strong>das</strong> Zelt und <strong>der</strong> Schlafsack.<br />
Selbstverständlich hatte ich<br />
welche, aber ich hatte auch die<br />
Einsicht, <strong>das</strong>s sie nicht wirklich wintertauglich<br />
sind. Dabei konnte mir<br />
ein an<strong>der</strong>er Freund, <strong>der</strong> bereits<br />
mehrmals erwähnte Arzt, helfen.<br />
Ohne Kommentar brachte er mich<br />
in seine Garage und holte die erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Sachen aus einem Seitenschrank,<br />
eine Isomatte gab er auch<br />
noch dazu. Das Zelt und <strong>der</strong> Schlafsack<br />
wogen beide zusammen nur 5<br />
kg, was mich wahnsinnig freute.<br />
Verpflegung<br />
Nach <strong>der</strong> Lektion, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Rucksack<br />
möglichst leicht sein sollte, stellte ich<br />
folgende <strong>Be</strong>rechnung auf: Man sollte<br />
vor dem <strong>Be</strong>rgspaziergang maßvoll<br />
was zu sich nehmen, und einen<br />
Lebensmittelvorrat im Auto o<strong>der</strong> im<br />
Motel deponieren, damit man den<br />
Kohldampf nach <strong>der</strong> Rückkehr stillen<br />
kann. Zum Mitnehmen packte ich nur<br />
so viel ein, <strong>das</strong>s es ausreichen sollte, ca.<br />
24 Stunden ohne Quälereien durchzuhalten.<br />
Kein Bier, kein Ketschup<br />
und keine Steaks. Ich entschied mich<br />
generell, ohne etwas Warmes (abgesehen<br />
von einer Thermosflasche<br />
Tee) auszukommen und stattdessen<br />
einen Flachmann mit schottischem<br />
Whiskey mitzunehmen. Eigentlich fiel<br />
mein Proviant ziemlich karg aus: vier<br />
am Morgen vor <strong>der</strong> Reise geschmierte<br />
Stullen, etwas vom speckigen kalt<br />
geräucherten Schinken in Scheiben,<br />
eine ungeschälte Zwiebel dazu, einige<br />
Scheiben Brot, eine Packung Zwieback,<br />
eine Büchse Fischkonserve, ein<br />
Stück Käse und eine Tafel Schokolade.<br />
Zu alldem packte ich noch zwei Halbliterflaschen<br />
Mineralwasser, die hervorragend<br />
in die Seitentaschen des<br />
Rucksacks passten.<br />
Zusatzinventar<br />
Das Klopapier (diesmal konnte ich es<br />
nicht mehr vergessen), ein Schweizer<br />
Messer mit <strong>der</strong> ganzen Palette an<br />
Öffnern und einem Löffel, eine Dose<br />
Fettcreme fürs Gesicht (<strong>das</strong> ist meiner<br />
Frau eingefallen und erwies sich ehrlich<br />
gesagt als sehr nützlich) und eine<br />
Taschenlampe, um nicht im Dunkeln<br />
herumzukramen.<br />
Der volle Rucksack, mit dem ich erst<br />
einmal durch <strong>das</strong> Zimmer marschiert<br />
bin, drückte die Schultern nicht beson<strong>der</strong>s<br />
stark. Die Vorfreude auf<br />
die Wan<strong>der</strong>ung war groß. Fröhlich<br />
stimmte mich auch die Tatsache, <strong>das</strong>s<br />
ich durch <strong>das</strong> Ausleihen einiger Klamotten<br />
und des Zeltes samt Schlafsack<br />
bestimmt nicht weniger als 400<br />
€ gespart hatte. Sicherlich werde ich<br />
mich bei den Leihgebern zumindest<br />
mit einer Kneipensitzung bedanken<br />
müssen, dies ist aber auf jeden Fall<br />
günstiger, als die ganze Summe auf<br />
einmal für die Sachen auszugeben,<br />
die man vielleicht nur einmal im Leben<br />
benötigen wird. Nichtsdestotrotz<br />
sagte mir mein Bauchgefühl, <strong>das</strong>s so<br />
eine Ausrüstung in Kürze mir als Eigentum<br />
gehören wird.<br />
© Thinkstock (6)<br />
105
treker<br />
Wegen bestimmter persönlicher<br />
und geschäftlicher Umstände, die<br />
man des Öfteren „mit einer Klatsche<br />
zwei Fliegen schlagen“ nennt,<br />
stand mein <strong>Be</strong>rg im Süden Polens,<br />
in <strong>der</strong> Hohen Tatra. Nachdem ich<br />
also an einem frostigen Dezembertag<br />
einige geschäftliche Angelegenheiten<br />
in Ostrava erledigt<br />
hatte, erreichte ich gegen Abend<br />
Zakopane. Im Hotel blätterte ich in<br />
den Touriflyern und es schien mir,<br />
als würde bereits die Stadt selbst,<br />
die fast 1 km über dem Meeresspiegel<br />
liegt, positiv auf mein <strong>Be</strong>finden<br />
wirken. Es dämmerte früh,<br />
was mich jedoch nicht davon abhielt,<br />
einen kleinen Spaziergang<br />
(ich musste ja meine <strong>Be</strong>ine für <strong>das</strong><br />
morgige „<strong>Be</strong>rgsteigen“ schonen)<br />
durch <strong>das</strong> gemütliche Städtchen<br />
im Halbdunkeln zu wagen, und<br />
sicherzustellen, wann die <strong>Be</strong>rglifts<br />
ihre Arbeit aufnehmen. In dem<br />
Moment vermisste ich jemanden<br />
als <strong>Be</strong>gleitung. Die Aufregung vor<br />
einer unbekannten <strong>Be</strong>gegnung<br />
kribbelte dann doch in mir. So ein<br />
Gefühl kenne ich aus <strong>der</strong> Kindheit,<br />
wenn man schon abends weiß,<br />
<strong>das</strong>s morgen etwas Ungewöhnliches<br />
erwartet.<br />
Ich konnte schlecht einschlafen, legte<br />
mir unentwegt im Kopf meinen morgigen<br />
Tages- und Nachtplan zurecht,<br />
ging mehrmals die Liste mitgenommener<br />
Sachen durch, aus Angst etwas<br />
zu vergessen. Der Schlaf überwältigte<br />
mich irgendwann doch, und <strong>der</strong><br />
Morgen ohne Wecker (man sollte sich<br />
ja gebührend ausruhen) empfing<br />
mich am <strong>Be</strong>rglift mit weißem Sonnenlicht<br />
und leichtem Frost. Es war<br />
bereits nach 10 Uhr, und die Anzeigetafel<br />
verkündete, <strong>das</strong>s es oben 4 Grad<br />
minus sind und bis zu 80 cm Schnee<br />
liegt. Diese <strong>Be</strong>dingungen schienen<br />
mir ganz günstig zu sein, und ich ließ<br />
mich zusammen mit einer Gruppe<br />
Skifahrer hochbringen.<br />
Die Requisiten <strong>der</strong> Skifahrer öffneten<br />
mir die Augen darüber, <strong>das</strong>s ich doch<br />
etwas vergessen hatte, und zwar den<br />
<strong>Be</strong>rgsteigerstock. So musste ich für<br />
eine fe<strong>der</strong>leichte faltbare Stütze ganze<br />
20 € hinblättern. Ich hatte noch<br />
Glück, <strong>das</strong>s meine Karte akzeptiert<br />
wurde, weil ich so viele Zlotys nicht<br />
dabeihatte. Nun war ich vollkommen<br />
bereit, die <strong>Be</strong>rge im Sturm zu<br />
erobern.<br />
106
Allerdings traf ich keine Einzelwan<strong>der</strong>er<br />
meiner Sorte. Alle kreischten<br />
vergnügt in Grüppchen, lärmten,<br />
knipsten sich gegenseitig, nur ich<br />
zog entlang <strong>der</strong> markierten Wan<strong>der</strong>trasse<br />
geführt von einem Flyer<br />
in meiner Hand. Der menschengemachte<br />
Lärm entfernte sich immer<br />
mehr, und bald blieb ich alleine mit<br />
dem <strong>Be</strong>rg und dem Winter. In den<br />
Augen, obschon von <strong>der</strong> Sonnenbrille<br />
bedeckt, flimmerte es leicht<br />
vom Weiß ringsumher, allein die<br />
unten sichtbaren bereiften Fichtenreihen<br />
und die winzigen Dächer<br />
des Städtchens boten <strong>der</strong> erstaunlichen<br />
Reinheit etwas Gegengewicht.<br />
Ich schritt leichtfüßig entlang <strong>der</strong><br />
schneeverwehten <strong>Be</strong>rghänge, so<br />
viel Schnee gab es nicht, deshalb<br />
konnte ich mich immer wie<strong>der</strong> umschauen.<br />
In den <strong>Be</strong>rgen bin ich schon gewesen<br />
– in den österreichischen Alpen<br />
und auch in denselben Karpaten (die<br />
Hohe Tatra gehört ja zu den Karpaten),<br />
nur auf <strong>der</strong> kroatischen Seite<br />
und im Sommer. Angefasst habe ich<br />
sie ebenfalls, jedoch nur durch <strong>das</strong><br />
Autofenster. Es wird aber nicht gelogen,<br />
wenn ich behaupte, <strong>das</strong>s die<br />
<strong>Be</strong>rge im Winter ganz an<strong>der</strong>s sind.<br />
Ich werde hier keine <strong>Land</strong>schaftsmalerei<br />
betreiben, aber mein inneres<br />
Ver<strong>langen</strong> angesichts <strong>der</strong> schneebedeckten<br />
Gipfel war es, bergab zu<br />
steigen, während es mir im Sommer<br />
eher nach bergauf zumute war. Allerdings<br />
konnte ich ja auch nicht alles<br />
gleich am Anfang hinschmeißen. Ich<br />
bedauerte noch kurz, <strong>das</strong>s ich meine<br />
Kamera nicht mitgenommen hatte,<br />
sah aber immerhin schnell ein, <strong>das</strong>s<br />
sich meine <strong>Land</strong>schaftsbil<strong>der</strong> nicht<br />
viel von denjenigen unterscheiden<br />
würden, die man zuhauf im Internet<br />
finden kann.<br />
Vielleicht eine Stunde schritt ich ohne<br />
Hast voran. Wohin sollte man sich<br />
denn beeilen. Für einen Augenblick<br />
vertrieben vier Jugendliche, die mich<br />
überholten, <strong>das</strong> Gefühl, an einem von<br />
allen Lebewesen vergessenen Ort zu<br />
sein. Ich hatte nicht vor, die <strong>Be</strong>rghütte<br />
zu erreichen, also folgte ich einfach<br />
dem nach oben führenden Weg weiter.<br />
Ein leichter Wind kam auf, zarte<br />
Flocken fielen vom Himmel. Meine<br />
Augen gewöhnten sich langsam an<br />
die Erhabenheit <strong>der</strong> Natur, so<strong>das</strong>s<br />
ich anfing, ohne an die Schönheit<br />
zu denken, über verschiedene mehr<br />
o<strong>der</strong> weniger wichtige Angelegenheiten<br />
zu grübeln. Ich merkte, <strong>das</strong>s<br />
sich dies o<strong>der</strong> jenes aus meinem unsortierten<br />
Wissen bestätigen lässt.<br />
<strong>Be</strong>ispielsweise die Tatsache, <strong>das</strong>s<br />
die Temperatur alle Hun<strong>der</strong>t Meter<br />
höher um ungefähr 0,6 Grad fällt.<br />
© Thinkstock (4)<br />
107
treker<br />
Als ein Kreuzungsschild nach an<strong>der</strong>thalb<br />
Stunden Aufstieg informierte,<br />
<strong>das</strong>s ich 2 Kilometer Höhe erreicht<br />
hatte, spürte ich trotz innerer Wärme,<br />
wie meine Backen immer schärfere<br />
Windstöße abbekamen. Ich hielt an<br />
<strong>der</strong> Kreuzung an und schmierte mir<br />
alle unbedeckten Gesichtsteile mit<br />
<strong>der</strong> Fettcreme ein. Ohne Handschuhe<br />
merkte man erst recht, <strong>das</strong>s die Luft,<br />
wenn man sich nicht bewegt, richtig<br />
bissig ist, deswegen zog ich ohne lange<br />
abzuwarten weiter.<br />
Die Gedanken schwirrten in meinem<br />
Kopf umher und ließen mir immer<br />
noch keine Ruhe im Alleinsein mit dem<br />
<strong>Be</strong>rg und dem Winter. Immer wie<strong>der</strong><br />
überlegte ich, wo ich meine Notdurft<br />
verrichten sollte. Es beschäftigte mich,<br />
ob <strong>das</strong> Entblößen des Schrittes meiner<br />
Potenz nicht schaden wird. Es ist<br />
ja offensichtlich, <strong>das</strong>s die Sache nicht<br />
beson<strong>der</strong>s gesundheitsför<strong>der</strong>nd ist,<br />
allerdings tragen die <strong>Be</strong>rgsteiger <strong>das</strong><br />
auf ihrem wochen<strong>langen</strong> Marsch sicherlich<br />
auch nicht nach Hause.<br />
Darüber hinaus spielten sich verschiedene<br />
verheerende „Szenen“ in meinem<br />
Kopf ab, von denen es kein Entkommen<br />
gab: „Und wenn mich eine<br />
Schneelawine erfasst?“ „Und wenn<br />
ich in eine Schlucht falle, die sich völlig<br />
unerwartet vor mir auftut?“ „Würde<br />
mir jemand helfen, wenn ich mir<br />
ein <strong>Be</strong>in bräche?“ „Und falls ich von<br />
irgendwelchen Rowdys überfallen,<br />
ausgezogen und ausgeraubt werde,<br />
wie soll man denn die Polizei hierher<br />
holen?“ Mir fielen so viele dramatische<br />
Szenarien bezüglich meiner Rettung<br />
ein, <strong>das</strong>s sie für die ganze Staffel<br />
einer Fernsehserie über <strong>Be</strong>rgretter<br />
reichen würden.<br />
Ins Grübeln versunken erreichte<br />
ich die erste <strong>Be</strong>rghütte, die von den<br />
Einheimischen „chata“ genannt<br />
wird, wo ich mein Geschäft auf <strong>der</strong><br />
Toilette erledigen konnte sowie die<br />
belegten Brote verschlang und den<br />
noch heißen Tee trank. Ich fühlte<br />
mich nicht nur gut gesättigt son<strong>der</strong>n<br />
auch bereits genug gewan<strong>der</strong>t.<br />
Meine neuen, nichteingetretenen<br />
Stiefel drückten an manchen<br />
Stellen unangenehm ungeachtet<br />
doppelter Sockenlage. Die Nase<br />
lief ein bisschen. Der Rucksack wurde<br />
nach und nach schwerer und<br />
hinterließ schmerzende Striemen<br />
an den Schultern. Nur Kraft und<br />
Eifer gab es noch volle Kanne; <strong>der</strong><br />
Selbstversuch musste weiterlaufen.<br />
Nachdem ich den inneren Schweinehund<br />
und <strong>das</strong> Ver<strong>langen</strong> nach<br />
<strong>Be</strong>quemlichkeit überwunden und<br />
einen Schluck Whiskey zu mir genommen<br />
hatte, zog ich weiter.<br />
108
Ich werde keine Namen <strong>der</strong> <strong>Be</strong>rge<br />
auf meinem Weg und keine genauen<br />
Routen nennen, denn sie sind für<br />
diese Geschichte nicht ausschlaggebend.<br />
Ich möchte bloß alle davor<br />
warnen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Unglück eines <strong>Be</strong>rgwan<strong>der</strong>ers<br />
mit Kleinigkeiten anfängt.<br />
Meins war <strong>der</strong>art, <strong>das</strong>s ich schlicht<br />
und einfach auf dem ersten Rastplatz<br />
o<strong>der</strong> vielleicht auch bereits früher,<br />
möglicherweise aber auch später,<br />
meine Wan<strong>der</strong>karte verloren hatte.<br />
Diese Tatsache stellte sich heraus, als<br />
ich mit einem Abstand von gut 500<br />
Metern hinter einem vorne kaum<br />
sichtbaren Touristenhäufchen schritt,<br />
welches dann hinter einem Hügel verschwand<br />
und nicht wie<strong>der</strong> auftauchte,<br />
als ich bereits dort angekommen<br />
war. Ich hielt an und krempelte alle<br />
Taschen um, packte den Rucksack<br />
gar zweimal aus, alles vergebens. Die<br />
Karte war weg, und vor mit lag eine<br />
Kreuzung mit in beide Richtungen<br />
ausgetretenen Spuren.<br />
Genau in diesem Moment spürte ich<br />
zum ersten Mal ernsthaft meine beiden<br />
<strong>Be</strong>gleiter: den <strong>Be</strong>rg und den Winter.<br />
Sie umhüllten mich und flüsterten<br />
mir zu über meine <strong>Be</strong>deutungslosigkeit<br />
und ihre Größe. Der <strong>Be</strong>rg wuchs<br />
in den Augen, und <strong>der</strong> Winter drohte<br />
mit Kälte und Unberechenbarkeit.<br />
Wie ein völlig grüner Wan<strong>der</strong>er stand<br />
ich dort Auge in Auge mit meiner<br />
Unwissenheit und überlegte, was ich<br />
tun sollte. Ich könnte umkehren – ein<br />
Weg von ungefähr einer Stunde, o<strong>der</strong><br />
weiter vorwärtslaufen – Gott weiß, wie<br />
lange. Ich versuchte, mich an die Routen,<br />
die ich auf <strong>der</strong> Karte studiert hatte,<br />
zu erinnern, was lei<strong>der</strong> misslang.<br />
Ich besaß wirklich kein fotografisches<br />
Gedächtnis. Dennoch ging ich letzten<br />
Endes weiter, aber nur deswegen,<br />
weil <strong>der</strong> Weg nach unten führte: Aus<br />
unerklärlichen Gründen erschien<br />
es mir besser, mein Nachtlager auf<br />
einem tiefer gelegenen Areal aufzuschlagen.<br />
Etwa eine halbe Stunde ging es<br />
bergab, <strong>der</strong> Abstieg war jedoch<br />
zum Teil zu gefährlich. Der Stock<br />
half ungemein, ohne ihn läge ich<br />
bereits mit einem gebrochenen Genick,<br />
an den steileren Stellen hätte<br />
man sogar Pickel sehr gut gebrauchen<br />
können. Ich vermutete, <strong>das</strong>s<br />
ich von einem gekennzeichneten<br />
Weg abgekommen war, so<strong>das</strong>s ich<br />
entwe<strong>der</strong> umkehren o<strong>der</strong> mich für<br />
die Nacht fertig machen musste.<br />
Ich legte noch eine Stärkungspause<br />
ein, machte ein paar Kreisbewegungen<br />
mit den Armen, hüpfte ein<br />
bisschen, meditierte kurz und trat<br />
den Rückweg an. Als ich einen Weg<br />
erreichte, <strong>der</strong> mir bereits bekannt<br />
vorkam, traf ich auf einige mir<br />
entgegenlaufende Wan<strong>der</strong>grüppchen,<br />
die angeborene Schüchternheit<br />
erlaubte es mir jedoch nicht,<br />
sie anzusprechen o<strong>der</strong> nach einer<br />
überschüssigen Karte zu fragen.<br />
© Thinkstock (6)<br />
109
treker<br />
Während <strong>der</strong> zweiten Tourhälfte<br />
wurde <strong>der</strong> Schritt immer kleiner und<br />
langsamer, so<strong>das</strong>s ich bis zur Hütte im<br />
Vergleich zum Hinweg beinahe doppelt<br />
so lange gebraucht hatte. Ich bekam<br />
eine Wan<strong>der</strong>karte mit markierten<br />
Wegen und <strong>der</strong>en Wan<strong>der</strong>dauer.<br />
Aus <strong>der</strong> Länge <strong>der</strong> Route war ersichtlich,<br />
<strong>das</strong>s es keinen Sinn macht, jetzt<br />
noch bergauf zu steigen, <strong>das</strong> Klügste<br />
wäre, bergab zu gehen und dort<br />
nach einem Platz für <strong>das</strong> Nachtlager<br />
zu suchen. Das tat ich auch.<br />
Weit nach vier Uhr nachmittags versteckte<br />
sich die Sonne hin und wie<strong>der</strong><br />
hinter den höchsten <strong>Be</strong>rggipfeln; die<br />
Dämmerung nahte, so entschied ich<br />
mich, in einem etwas horizontaler<br />
gelegenen <strong>Be</strong>rgtal <strong>das</strong> Zelt aufzubauen.<br />
Das ist leichter gesagt als getan,<br />
denn <strong>der</strong> Aufbau eines zum ersten<br />
Mal angefassten und daheim nicht<br />
ausprobierten Zeltes erwies sich als<br />
eine Katastrophe, die beinahe eine<br />
Stunde in Anspruch nahm. In <strong>der</strong><br />
Zeit wurde es stockfinster, fing an zu<br />
winden, ein nasser Nebel zog auf, es<br />
wurde schlagartig kälter. Ich gab mir<br />
Licht mit meiner Taschenlampe und<br />
kramte im Dunkeln zwischen Steinen,<br />
Schnee und Eisklumpen. Schlussendlich<br />
beschwerte ich <strong>das</strong> aufgebaute<br />
Gerüst von innen mit meinem Rucksack<br />
und später mit mir selbst, eingemummt<br />
in den Schlafsack. Ich fühlte<br />
mich wie ein einsamer Krieger, <strong>der</strong><br />
sich hinter feindlichen Linien verirrt<br />
hatte. Alles umhüllende Finsternis<br />
und zivilisationslose Stille wirkten beängstigend<br />
und erschreckend.<br />
Ich lag lange so, zog hin und wie<strong>der</strong><br />
meine Hand mit dem am Körper<br />
warmgehaltenen Flachmann aus<br />
dem Kokon des Schlafsackes heraus,<br />
und <strong>der</strong> darin glucksende Whiskey<br />
schwand rapide. Als <strong>der</strong> Flachmann<br />
leer wurde, bedauerte ich, zu wenig<br />
Alkohol mitgenommen zu haben.<br />
Doch eigentlich war es gut, <strong>das</strong>s<br />
keins mehr da war, es wärmt nicht,<br />
son<strong>der</strong>n stumpft nur <strong>das</strong> Gespür für<br />
die Kälte ab. Son<strong>der</strong>lich kalt war es<br />
mir allerdings nicht. Zumindest am<br />
Anfang, als <strong>der</strong> Wind noch nicht zu<br />
toben begonnen hatte, denn später<br />
hatte ich <strong>das</strong> Gefühl, mit jedem<br />
Windstoß zusammen mit dem Zelt<br />
immer tiefer zu rutschen. Die Bil<strong>der</strong><br />
von Schneelawinen und von mir,<br />
wie ich am Rand einer Schlucht liege,<br />
spukten wie<strong>der</strong> in meinem Kopf<br />
herum. Ich kroch aus meinem warmen<br />
Gemach und durchleuchtete<br />
die Gegend mit <strong>der</strong> Taschenlampe.<br />
Dutzende Meter weit und breit um<br />
<strong>das</strong> Zelt gab es keine Schlucht.<br />
Score<br />
Gel<strong>der</strong>, die minimal notwendig sind, um <strong>das</strong><br />
Ziel zu erreichen.<br />
Zeit, die zum Erreichen des Ziels notwendig ist.<br />
Entfernung. Findet nur auf Reisen o<strong>der</strong> Sportarten<br />
Anwendung, die mit Entfernung verbunden sind.<br />
Gewicht, Angabe <strong>der</strong> Anzahl von Kilogramm,<br />
die zum Endpunkt beför<strong>der</strong>t werden.<br />
Körperliche Vorbereitung für die Aktion o<strong>der</strong><br />
zum Erreichen des Ziels.<br />
Genugtuungs- bzw. Adrenalinmesser.<br />
110<br />
Ableitung – die endgültige Skala wi<strong>der</strong>spiegelt den<br />
subjektiven Standpunkt zum Subjekt des Artikels.
Dies sind also die Eindrücke aus<br />
meiner persönlichen Fibel des<br />
<strong>Be</strong>rgbezwingens. Ich könnte noch<br />
eine abenteuerliche <strong>Be</strong>rggeschichte<br />
erzählen, habe jedoch zum wie<strong>der</strong>holten<br />
Mal keine Zeit, die Zivilisation<br />
hat meine Kräfte ausgelaugt,<br />
die positiven Gedanken verdrängt<br />
und mich mit Krankheiten befallen,<br />
so<strong>das</strong>s ich zur Wie<strong>der</strong>erlangung<br />
meiner geistigen und physischen<br />
Gesundheit jetzt los muss, in die<br />
<strong>Be</strong>rge. Diesmal für eine Woche.<br />
In dieser Nacht schlief ich wenig. Sehr<br />
wenig. Ehrlich gesagt bin ich mir gar<br />
nicht sicher, ob ich überhaupt geschlafen<br />
hatte. Ich stand noch etliche<br />
Male auf um nachzuschauen, ob <strong>das</strong><br />
Zelt nicht wegrutscht, bis es mir einfiel,<br />
in <strong>der</strong> Nähe einen Stock in den<br />
Schnee zu rammen, und sich nach<br />
ihm zu richten. Immer wie<strong>der</strong> lag ich<br />
eine Zeitlang angespannt und mit gespitzten<br />
Ohren, weil <strong>der</strong> Wind scheinbar<br />
Bruchstücke von Menschenstimmen<br />
heran wehte. Vielleicht aber<br />
auch Geräusche eines Tieres?<br />
Das war definitiv die längste Nacht in<br />
meinem Leben. Eine Nacht, nach <strong>der</strong><br />
<strong>das</strong> Morgengrauen einen komplett<br />
neuen Menschen aus dem Schlafsack<br />
zog, einen Menschen voller Lebenslust,<br />
<strong>der</strong> die Sonne liebt, die Natur<br />
besiegt und die Freundschaft mit den<br />
<strong>Be</strong>rgen und mit dem Winter geschlossen<br />
hatte, einen Menschen auf dem<br />
Rückweg aus den <strong>Be</strong>rgen und von<br />
ihnen angesteckt.<br />
So in etwa war mein Weg zu <strong>der</strong> gefährlichen<br />
chronischen Krankheit, die<br />
man <strong>Be</strong>rge nennt. Sicherlich ist die<br />
Geschichte etwas übertrieben und<br />
wird mit je<strong>der</strong> neuen Erzählung beschönigt.<br />
Doch auch je<strong>der</strong> Angler verhält<br />
sich genauso, wenn er die Größe<br />
seines besten Fangs zeigt und erzählt,<br />
wie er den ans Ufer gezogen hat.<br />
Einige Jahre nach <strong>der</strong> Junggesellenreise<br />
in die Hohe Tatra kann ich nicht<br />
nur diese lustige Abenteuergeschichte<br />
vom „Wan<strong>der</strong>frischling“ erzählen.<br />
Ich kann jetzt aus eigener Erfahrung<br />
mitteilen, wie man <strong>Be</strong>rgflüsse überquert,<br />
ohne nass zu werden, wie man<br />
<strong>das</strong> Feuer in den Schneetälern anzündet,<br />
was man tun muss, wenn man von<br />
einem Schneesturm überrascht wird,<br />
mit welcher Technik man am schnellsten<br />
und am leichtesten einen zugefrorenen<br />
Wasserfall runterkommt.<br />
Kurz gesagt, in Sachen <strong>Be</strong>rgwan<strong>der</strong>n<br />
bin ich kein Neuling mehr. Mittlerweile<br />
macht auch meine Frau gerne mit<br />
mir eine Tour und fragt vor <strong>der</strong> Reise<br />
nicht mehr, ob ich nichts vergessen<br />
habe. Und doch, auch wenn es merkwürdig<br />
klingen mag, bereitet mir bis<br />
jetzt <strong>das</strong> Wan<strong>der</strong>n in den <strong>Be</strong>rgen die<br />
größte Glückseligkeit, wenn ich alleine<br />
gehe.<br />
© Thinkstock (4)<br />
111
BE active<br />
2011