Interview Küss mich, Baby! - RITA ORA (Vorschau)
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AUGUST 2013<br />
1 EURO<br />
Los Angeles<br />
Winona RYDER<br />
Wedding<br />
Die BOATENGS<br />
New York<br />
Jeff KOONS &<br />
Stella McCARTNEY<br />
368 KARAT<br />
SCHMUCK<br />
SPEZIAL<br />
08<br />
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<strong>Küss</strong> <strong>mich</strong>,<br />
<strong>Baby</strong>!<br />
<strong>RITA</strong> <strong>ORA</strong><br />
Londons neue NR. 1<br />
braucht keinen<br />
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zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen. Das abgebildete Fahrzeug enthält Sonderausstattungen.<br />
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INHALT<br />
JULI/AUGUST 2013<br />
START<br />
SMALL TALK<br />
Kleine Gespräche mit großen Leuten:<br />
Greta GERWIG, Rosario DAWSON, John GIORNO,<br />
Wyn DAVIES, Jehnny BETH und Michal MARCZAK<br />
Seite 25<br />
SUPERSTARS<br />
Auf dem Weg nach vorn: TOM ODELL und ANTJE TRAUE<br />
Seite 30<br />
NAOMI CAMPBELL<br />
trifft the one and only Marianne Faithfull<br />
Seite 32<br />
DIE BOATENGS<br />
Kevin-Prince, Jérôme und George Boateng sind die schillerndsten<br />
Brüder des deutschen Fußballs. Zum ersten Mal verabreden sich<br />
die drei wieder auf ihrem alten Bolzplatz<br />
Seite 34<br />
WOW!<br />
Prächtige Pudel, eine Diamantenhaube und Prada für den Garten –<br />
die Gebrauchs anweisung für die Monate Juli und August<br />
Seite 62<br />
NOW!<br />
Neue Filme, gute Serien, interessante Ausstellungen und<br />
Superman als Gleichung<br />
Seite 74<br />
ANNA VON HAUSSWOLFF<br />
Family affairs: Die schwedische Musikerin im Gespräch mit<br />
ihrem Vater, dem König von Elgaland-Vargaland<br />
Seite 76<br />
.<br />
Foto GREGORY HARRIS<br />
Styling JULIA VON BOEHM<br />
Komplettlook & Schmuck<br />
BALENCIAGA<br />
FASHION_FORWARD<br />
TOBIAS ZIELONY<br />
Früher hat er seine Kamera auf Jugendliche am Rand der Gesellschaft<br />
gerichtet, jetzt fotografiert er im Zentrum der Prostitution<br />
Seite 78<br />
SCHMUCK SPEZIAL<br />
Fotos: Craig McDean/Art + Commerce; Cartier<br />
WINONA RYDER<br />
Foto CRAIG McDEAN<br />
Styling KARL TEMPLER<br />
Kleid GIORGIO ARMANI<br />
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<strong>RITA</strong> <strong>ORA</strong><br />
Foto DAMON BAKER<br />
Styling KLAUS STOCKHAUSEN<br />
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13<br />
THE BLING RING, CARTIER<br />
KARAT<br />
Lass es funkeln,<br />
<strong>Baby</strong><br />
Seite 39<br />
10:10<br />
Oder: Viertel nach<br />
Handgelenk<br />
Seite 44<br />
S/HE<br />
Naked Jewellery<br />
Seite 54<br />
BEAUTY<br />
NEWS:<br />
Bronzingpuder, Lanvin, Marc Jacobs<br />
Seite 152<br />
INSPIRATION:<br />
Jetset-Packages, Gaultier, Seyhan Özdemir<br />
Seite 153<br />
KOLUMNE:<br />
Beautiful in L. A.<br />
Seite 154
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STORIES<br />
<strong>RITA</strong> <strong>ORA</strong><br />
Von Jay-Z entdeckt, von Leonardo DiCaprio umworben,<br />
von Cara Delevingne geliebt: Die unglaubliche Geschichte<br />
eines Mädchens aus dem Kosovo, das nicht nur die<br />
britischen Charts erobert hat, sondern auch uns<br />
Von JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />
Seite 84<br />
INHALT<br />
FASHION_FORWARD<br />
Fotografiert von GREGORY HARRIS<br />
Seite 94<br />
DIE SOURCE FAMILY<br />
Der Vibe ist groovy, die Sprossen sind frisch, das LSD<br />
lacht: Vor 40 Jahren wollte Father Yod mit seinen<br />
Blumenkindern das Leben neu erfinden. Eine Dokumentation<br />
erzählt nun die Geschichte der Source Family.<br />
Turn on, tune in, drop out!<br />
Von DIMITRI EHRLICH<br />
Seite 112<br />
WINONA RYDER<br />
In den Neunzigern waren alle Jungs (und fast alle Mädchen)<br />
in Winona Ryder verliebt. Sie war die Meerjungfrau,<br />
das Mädchen mit den Scherenhänden, selbst Dracula war<br />
ganz versessen auf die schneeweiße Haut dieser Frau.<br />
Dann wurde es ruhig um sie. Anstatt vor der Kamera wurde<br />
sie beim Klauen erwischt. Doch die selbst auferlegte<br />
Pause hat nun ein Ende<br />
Von STEPHEN MOOALLEM<br />
Seite 120<br />
Fotos: Craig McDean/Art + Commerce; Courtesy Isis Aquarium Archives<br />
STELLA McCARTNEY<br />
Ihr Vater ist kein Rolling Stone, aber auch für die Tochter eines<br />
Beatles hat es Stella McCartney ziemlich weit gebracht.<br />
Sie hat die richtigen Freunde, den perfekten Mann, vier Kinder,<br />
das Haus auf dem Land und wahrscheinlich sogar einen netten<br />
Hund. Und natürlich auch ein großartiges Fashionlabel.<br />
Wir gratulieren<br />
Von JEFF KOONS<br />
Seite 128<br />
CHELSEA SCHUCHMAN<br />
Chelsea Schuchman weiß, dass die Träume in Los Angeles<br />
oft so schnell verglühen wie Zigaretten. Aber das ist ihr –<br />
Model, Schauspielerin und Sternchen – egal<br />
Von BRAD ELTERMAN<br />
Seite 134<br />
HANS FEURER<br />
Der Schweizer Fotograf wurde einst in Sierra Leone<br />
von Rebellen entführt, die ihn für einen<br />
britischen Spion hielten. Sie ließen ihn erst laufen,<br />
nachdem er vorgejodelt hatte. Nicht nur deswegen<br />
verneigen wir uns vor Feurer, einem der wichtigsten<br />
Modefotografen der vergangenen 40 Jahre,<br />
mit diesem Portfolio<br />
Seite 140<br />
LINDA CANTELLO<br />
Sie hat alle geschminkt (von Bowie bis Kate Middleton),<br />
alles probiert (von Lippenlack bis Feuchtigkeitscreme)<br />
und alles erreicht. Eigentlich könnte sich die Star-Visagistin<br />
entspannt zurückl ehnen – wäre da nicht Giorgio Armani,<br />
der immer wieder überrascht werden will<br />
Von HEIKE BLÜMNER<br />
Seite 146<br />
Foto CRAIG McDEAN, Styling KARL TEMPLER<br />
Kleid NINA RICCI<br />
Handschuhe CAMILLA STAERK<br />
Armband KENNETH JAY LANE<br />
15<br />
FATHER YOD & DIE SOURCE FAMILY<br />
WINONA RYDER, BACK FOR GOOD<br />
PS<br />
PARTY<br />
Die wunderbar Welt<br />
des Olivier Zahm<br />
& die Filmfestspiele<br />
von Cannes<br />
Seite 156<br />
FLASHBACK<br />
Dolly Parton<br />
Seite 162<br />
EDITORIAL S. 17<br />
IMPRESSUM S. 18<br />
MITARBEITER S. 22<br />
ABONNEMENT S. 155<br />
HERSTELLERNACHWEIS S. 160
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Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser,<br />
EDITORIAL<br />
gestern Abend lauschte ich zufällig dem Gespräch zweier älterer Damen, von denen<br />
die eine eine Frisur trug, als hätte sie das Trockenshampoo einfach drinnengelassen.<br />
Die andere beschwerte sich darüber, dass die Trockenshampoo-Dame ständig verreise,<br />
gerade sei sie aus Teheran gekommen und auf dem Weg nach Vancouver. Sie solle<br />
stattdessen ihr Geld lieber anständig investieren. Sie wisse ja schließlich nicht, für wie<br />
lange es denn noch reichen müsse, was wie ein Satz meines Vaters klingt. Daraufhin<br />
wollte ich eigentlich schon wieder wegschalten und <strong>mich</strong> auf den Tisch auf der anderen<br />
Seite einlassen, da entgegnete Trockenshampoo relativ unbeeindruckt:<br />
“Ich investiere in Erinnerungen.”<br />
Recht hat sie!<br />
So wollen wir hier das auch halten<br />
(und nicht nur in den Sommerferien, weswegen Sie heute eine Doppelausgabe<br />
in den Händen haben).<br />
Die Reiseroute lautet wie folgt:<br />
In London treffen Sie <strong>RITA</strong> <strong>ORA</strong>, eine junge Pop-Sensation,<br />
an deren Rockzipfel selbst LEONARDO DICAPRIO hängt<br />
(wenn TONI GARRN gerade nicht hinschaut). In Los Angeles<br />
erzählt die Schauspielerin WINONA RYDER, dass sie wieder<br />
angreifen will (und nicht mehr klauen). Ebenfalls dort stellen wir<br />
Ihnen den utopisch-alternativen Lebensentwurf der SOURCE<br />
FAMILY und FATHER YOD vor (ach, Hippie müsste man sein).<br />
In New ork pflanzen wir dann Bäume mit STELLA McCARTNEY<br />
und JEFF KOONS und schauen uns an, was die wichtigsten<br />
Designer der Welt in der kommenden Saison für uns entworfen<br />
haben. Danach laden uns NAOMI CAMPBELL und MARIANNE<br />
FAITHFULL zum Tee. Und abschließend kicken wir noch eine<br />
Runde mit den BOATENGS, den schillerndsten Brüdern des<br />
deutschen Fuballs, auf ihrem alten Bolzplatz im Berliner Wedding.<br />
Genießen Sie den Urlaub.<br />
Und investieren Sie in Erinnerungen!<br />
Herzlichst<br />
Ihr Jörg Harlan Rohleder<br />
17
.<br />
Chefredaktion Jörg Harlan ROHLEDER<br />
Art Director Mike MEIRÉ<br />
Fashion Director Klaus STOCKHAUSEN<br />
Photography Director Frank SEIDLITZ<br />
Senior Editor Harald PETERS<br />
Editor Heike BLÜMNER, Beauty Editor Bettina BRENN<br />
Assistant Photography Dorothea FIEDLER, Assistant Fashion Caroline LEMBLÉ<br />
Interns Raha EMAMI KHANSARI, Réka Maria PROBST<br />
International Fashion Director Julia von BOEHM<br />
International Editor at Large Naomi CAMPBELL<br />
International Editor Aliona DOLETSKAYA<br />
Art<br />
Tim GIESEN<br />
Hannes AECHTER, Agnes GRÜB<br />
Digital<br />
Editor Nina SCHOLZ, Junior Editor Katharina BÖHM<br />
Intern Hella SCHNEIDER<br />
Managing Editor und Chef vom Dienst Silke MENZEL<br />
ecefin Elisabeth SCHMIDT<br />
Schlussredaktion Ulrike MATTERN, Ralph SCHÜNGEL, Kerstin SGONINA<br />
Mitarbeiter dieser Ausgabe<br />
Allison BORNSTEIN, Clare BYRNE, Linda CANTELLO,<br />
Vanessa CHOW, Gro CURTIS, Brad ELTERMAN, Miguel ENAM<strong>ORA</strong>DO,<br />
Felicia GARCIA-RIVERA, Sönke HALLMANN, Carl Michael von HAUSSWOLFF,<br />
Friederike JUNG, Christian KLEEMANN, Björn LÜDTKE, Stephan MEYER,<br />
Ingo NAHRWOLD, Niki PAULS, Jeremy SHAW, Karl TEMPLER,<br />
Casting by Samuel Ellis SCHEINMAN for DMCASTING<br />
Die Redaktion grüßt Eazy EWERT und seine Mutter Laura<br />
und dankt der roen und der kleinen rafik in ln<br />
Fotografen dieser Ausgabe<br />
Alex BABSKY, Damon BAKER, Anna BAUER, Maurizio BAVUTTI,<br />
Benedict BRINK, Jerome CORPUZ, Horst DIEKGERDES, Paul FARRELL,<br />
Christian FERRETTI, Hans FEURER, Gregory HARRIS, Markus JANS,<br />
Benjamin LENNOX, Sebastian MADER, Michael MANN, Craig McDEAN,<br />
Stefan MILEV, SCHMIDT & GORGES, Ragnar SCHMUCK,<br />
Jork WEISMANN, Olivier ZAHM, Tobias ZIELONY<br />
Produktion<br />
grafie MAX-COLOR, Wrangelstraße 64, 10997 Berlin<br />
Druck MOHN MEDIA MOHNDRUCK GMBH, Carl-Bertelsmann-Straße 161 M, 33311 Gütersloh<br />
Manufacturing Director Oleg NOVIKOV<br />
Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt<br />
Jörg Harlan ROHLEDER<br />
Board of Directors <strong>Interview</strong> Publishing House Germany<br />
Vladislav DORONIN, Bernd RUNGE<br />
BMP Media Holdings, LLC<br />
Chairman Peter M. BRANT<br />
WWW.INTERVIEW.DE<br />
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Showrooms: Berlin, Bern, Düsseldorf, Hamburg, München, New York, Paris, Tokio<br />
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Herausgeber und Geschäftsführer Bernd RUNGE<br />
Publishing Director Anja SCHWING<br />
Anzeigen<br />
Sales Director (Nielsen I, II, IIIa, V, VI, VII) Iris GRÄBNER<br />
Tel.: 030/2000 89-120, iris.graebner@atelier-publications.de<br />
Sales Director (Nielsen II, IIIb, IV, Österreich) Tanja SCHRADER<br />
Tel.: 089/35 63 77 44, tanja.schrader@atelier-publications.de<br />
Frankreich und Großbritannien Charlotte WIEDEMANN<br />
Tel.: 030/2000 89-129, charlotte.wiedemann@interview.de<br />
Italien Fabio MONTOBBIO<br />
Rock Media, Largo Cairoli, 2, 20121 Mailand<br />
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Advertising Service Manager Jacqueline ZIOB (Ltg.), Susann BUCHROTH<br />
Tel.: 030/2000 89-121, jacqueline.ziob@atelier-publications.de<br />
Communications Manager Charlotte WIEDEMANN<br />
Marketing Manager Wilkin SCHRÖDER<br />
Assistenz Kathleen MASSIERER, Tel.: 030/2000 89-165<br />
IT Manager Patrick HARTWIG<br />
Office Manager Hilko RENTEL<br />
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Mommsenstraße 57, 10629 Berlin<br />
Tel.: 030/2000 89-0, Fax: 030/2000 89-112<br />
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<strong>Interview</strong>-Leserservice, PressUp GmbH, Postfach 701311, 22013 Hamburg<br />
abo@interview.de, Tel.: 040/41 448-480<br />
<strong>Interview</strong> erscheint zehnmal im Jahr in der <strong>Interview</strong> PH GmbH.<br />
Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste vom 1. Januar 2013. Alle Rechte vorbehalten.<br />
Für unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird keine Haftung übernommen.<br />
Andy Warhol’s <strong>Interview</strong> (TM). All rights reserved.<br />
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ist, sondern mittendrin; passenderweise gründete<br />
er 2006 die Fotoagentur Buzz, die Magazine und<br />
Zeitungen weltweit mit schönen Paparazzibildern<br />
versorgt. Elterman stellte <strong>Interview</strong> ausnahmsweise<br />
nicht Bildmaterial zur Verfügung, sondern ein Gespräch<br />
mit dem Model Chelsea Schuchman, das er in<br />
der Villa Le Reve in Los Angeles traf.<br />
Seite 134<br />
.<br />
Jeff KOONS<br />
Er wusste früh, was er mal werden will, wenn er groß<br />
ist. Sein erstes Bild verkaufte er mit elf Jahren im Laden<br />
seines Vaters, mit 17 reiste er nach New York, um<br />
sein Idol Salvador Dalí persönlich kennenzulernen.<br />
Inzwischen ist er einer der teuersten lebenden Künstler<br />
der Welt. Seine Skulpturen finden sich in den<br />
Sammlungen des MoMA und des Guggenheim in<br />
New York, in der Londoner Tate Gallery und auch im<br />
Kölner Museum Ludwig – außer wenn sie zu groß<br />
sind, um in den Räumlichkeiten eines Museums Platz<br />
zu finden. So sitzt Puppy – die zwölf Meter hohe<br />
Skulptur eines West Highland Terriers, die aus 17 000<br />
Blu men besteht – heute direkt vor der Tür des Guggenheim<br />
in Bilbao und wurde 1992 von Koons zur<br />
Documenta IX nahe Kassel platziert, weil er zur Documenta<br />
selbst gar nicht eingeladen worden war. Zum<br />
Gespräch über Blumen und Kindheit lud der 58-jährige<br />
Künstler die Modedesignerin Stella McCartney.<br />
Seite 128<br />
Linda CANTELLO<br />
Als die britische Starvisagistin Linda Cantello, 56, als<br />
Teenager zum ersten Mal David Bowie im Fernsehen<br />
sah, wurde sie von dessen Flamboyanz erleuchtet. Farben<br />
und Make-up spielten fortan in ihrem Leben eine<br />
übergeordnete Rolle. Auch ein klassisches Kunststudium<br />
konnte Cantello nicht davon abhalten, vor allem<br />
Gesichter als Leinwände zu bevorzugen. Inzwischen<br />
fällt einem niemand mehr ein, den Cantello nicht geschminkt<br />
hat. Sie ist Chef-Make-up-Artist bei Armani<br />
und hat für den Konzern eine eigene Kosmetiklinie<br />
entwickelt. Für diese Ausgabe von <strong>Interview</strong> realisierte<br />
sie die Beautystrecke 2 Glow. Und Bowie? Der gehört<br />
inzwischen zur Stammkundschaft.<br />
Seite 146<br />
Brad ELTERMAN<br />
Wenn es eine Gemeinde für It-Boys & -Girls gäbe,<br />
der Fotograf Brad Elterman, 56, wäre ihr Bürgermeister.<br />
Er hat ein untrügliches Gespür für die<br />
coolsten und interessantesten Leute (Bob Dylan, Sex<br />
Pistols, The Runaways, Queen u. a.), er ist stets zur<br />
22<br />
Carl Michael von HAUSSWOLFF<br />
Eine gute Portion skandinavischen Eigensinns ist<br />
Carl Michael von Hausswolff nicht abzusprechen.<br />
Der schwedische Künstler, Komponist und Kurator,<br />
der 1956 in Linköping zur Welt kam, beschäftigt sich<br />
vornehmlich mit Interferenzen, Interdependenzen und<br />
Störungen von Radiofrequenzen und zählt dabei Kassettendecks,<br />
Radar- und Sonargeräte, Überwachungskameras,<br />
Telefone und Bewegungsmelder zu seinen<br />
bevorzugten Arbeitsmaterialien. Im Nebenberuf ist er<br />
außerdem Co-König der Königreiche Elgaland-Vargaland,<br />
zu denen sämtliche Territorien zählen – zu<br />
Wasser wie zu Land, digitale ebenso wie mentale –, die<br />
ansonsten staatenlos wären. Für <strong>Interview</strong> hat Carl<br />
Michael von Hausswolff seine Tochter, die wunderbare<br />
Musikerin Anna von Hausswolff, interviewt.<br />
Seite 76<br />
Gregory HARRIS<br />
Der New Yorker Fotograf Gregory Harris soll 1997,<br />
bevor er sich der Arbeit mit der Kamera widmete, das<br />
neuseeländische Raumfahrtprogramm ins Leben gerufen<br />
haben. Denn eigentlich, so behauptet er, wollte<br />
er Erfinder werden. Die Liste seiner angeblichen<br />
Schöpfungen liest sich in der Tat beachtlich. Er schuf<br />
den dreieckigen Sarg, der sich für das Begräbnis siamesischer<br />
Zwillinge eignet, eine Art Joghurt, der im<br />
Dunkeln leuchtet, wasserdichte Zigaretten sowie die<br />
Schamhaar-Kneifzange. Nach allem, was man weiß,<br />
ist Harris’ Karriere als Mode- und Por trätfotograf<br />
allerdings deutlich erfolgreicher. Er ar beitet für Magazine<br />
wie Dazed & Confused, Numéro und i-D. Für<br />
<strong>Interview</strong> fotografierte er die Strecke Forward mit den<br />
Herbst/Winter-Looks der großen Designer.<br />
Seite 94<br />
Jeremy SHAW<br />
Als der kanadische Künstler Jeremy Shaw, 35,<br />
anlässlich seiner Ausstellung One On One in den<br />
Berliner Kunst-Werken das letzte Mal mit uns<br />
sprach, hatte er vor lauter Arbeit zwei Tage nicht<br />
geschlafen. Diesmal erschien er vollkommen aufgeräumt<br />
zum Gespräch mit dem Fotografen Tobias<br />
Zielony, obwohl er sich bestimmt kein bisschen<br />
weniger angestrengt hat. Shaw, der über<br />
Vancouver und London nach Berlin kam, thematisiert<br />
in seinen Arbeiten Rituale von Jugendsubkulturen,<br />
psychedelische Drogenerfahrungen<br />
und die wissenschaftlichen Bemühungen, diese<br />
zu dokumentieren. Wir können davon ausgehen,<br />
dass es in Berlin genug zu tun gibt für ihn. Seine<br />
neueste Ausstellung Variation FQ ist jedenfalls vom<br />
23. Juni bis zum 21. Juli im Berliner Schinkel Pavillon<br />
zu sehen.<br />
Seite 78<br />
Fotos: Mario Vedder/ddp images; Robin Rimbaud; Gregory Harris; L’Oréal; Marc Goldstein
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SmallTALK<br />
Kleine Gespräche mit großen Leuten:<br />
Greta GERWIG, Rosario DAWSON, John GIORNO, Wyn DAVIES,<br />
Jehnny BETH & Michal MARCZAK<br />
„WARST DU<br />
RICHTIG FIES<br />
ZU DEINEN<br />
LEUTEN?”<br />
Schauspielerin GRETA<br />
GERWIG, 29, hat in<br />
ihrer Jugend einmal ein<br />
Bühnenstück über einen<br />
Elefanten geschrieben<br />
.<br />
Foto: Horst Diekgerdes/Trunk Archive<br />
Foto HORST DIEKGERDES<br />
25<br />
INTERVIEW: Wo steckst du grade?<br />
GRETA GERWIG: Zu Hause in New York. Das ist der<br />
Vorteil von Telefoninterviews, ich kann <strong>mich</strong> dabei<br />
rumfläzen.<br />
INTERVIEW: Was trägst du gerade?<br />
GERWIG: Ein Kleid, weil der Sommer jetzt endlich da<br />
ist und es hier so verdammt heiß ist. Ich dachte erst,<br />
ich könnte Jeans tragen, aber das kann man auf keinen<br />
Fall! Außerdem habe ich den Ventilator noch nicht<br />
aufgebaut, weshalb es ein wenig schwül ist.<br />
INTERVIEW: Schwitzt du?<br />
GERWIG: Ja – haha.<br />
INTERVIEW: Das hört sich an, als ob wir ziemlich unbeholfen<br />
versuchen würden, Telefonsex zu haben.<br />
GERWIG: Stimmt! Ich meine, Telefonsex ist jetzt keines<br />
meiner Hobbys, aber weil ja einer anfangen muss,<br />
ist es immer ziemlich unbeholfen: „Hm, na ja, hättest<br />
du da auch Lust drauf?“<br />
INTERVIEW: Nach der Premiere deines neuen Films<br />
Frances Ha auf der Berlinale haben du und Regisseur<br />
Noah Baumbach auch ein wenig unbeholfen<br />
gewirkt.<br />
GERWIG: Ja, Noah und ich saßen in der Lobby bei<br />
Bier und Brezel, während der Film lief. Als er vorbei<br />
war, wurden wir abgeholt und gleichzeitig kamen alle<br />
diese Menschen aus dem Kino! Da habe ich bloß versucht,<br />
niemandem in die Augen zu schauen. Schließlich<br />
hätte ich in den Blicken sehen können, dass die<br />
Leute den Film vielleicht nicht mögen. Das hätte<br />
<strong>mich</strong> total fertig gemacht: „Gott, das war der schlechteste<br />
Film, den ich je gesehen habe. Und wie hässlich<br />
sie ist. Und untalentiert.“<br />
INTERVIEW: Worum geht es in dem Film?<br />
GERWIG: Es ist die Liebesgeschichte zwischen Frances<br />
und ihrer Freundin Sophie …<br />
INTERVIEW: … die ja in nahezu ungesunde Extreme<br />
ausartet. Hast du solche Freundschaften?<br />
GERWIG: Oh, ich hab sehr viele ungesunde Freundschaften<br />
geführt. Ich war in einer Gruppe von Freun-
JUNGE LEUTE AUF DEM WEG ZU SICH<br />
SELBST: SZENEN AUS FRANCES HA<br />
dinnen, die sich unfassbar nahe standen, dabei absolut<br />
voneinander abhängig waren. Eigentlich war es<br />
ziemlich giftig.<br />
INTERVIEW: Inwiefern?<br />
GERWIG: Wir waren zu sechst, hatten aber nur ein<br />
Apartment für drei. Ich schlief zwei Jahre lang auf einer<br />
Luftmatratze und war vor allem eine gut funktionierende<br />
Alkoholikerin, während meine beste Freundin<br />
die meiste Zeit nicht mit mir sprach.<br />
INTERVIEW: Warst du richtig fies?<br />
GERWIG: Ja, total. Ich habe dauernd schlecht<br />
über die anderen geredet und ein Theaterstück<br />
über uns alle geschrieben, das auch alles andere<br />
als nett gewesen ist. Außerdem kann<br />
ich Leute ziemlich gut anschreien. Es<br />
passiert nicht oft, aber wenn, ist es<br />
wirklich Furcht einflößend. Aber die<br />
anderen waren auch gemein! Man verletzt<br />
halt die, die man liebt.<br />
INTERVIEW: Wie viele Exfreundinnen<br />
hast du inzwischen?<br />
GERWIG: Oh, eigentlich nur eine. Mit<br />
dem Rest habe ich <strong>mich</strong> wieder vertragen.<br />
INTERVIEW: Wovon handelt die erste Geschichte,<br />
die du geschrieben hast?<br />
GERWIG: Die war ziemlich pubertär. Ich glaube, ich<br />
war 16, und es war eine Familiengeschichte. Es gab<br />
einen Elefanten in der Küche, den man nie sieht, weil<br />
die Küche sich hinter der Bühne befinden sollte, und<br />
der wurde dann von der Mutter umgebracht. Das<br />
Stück hieß Das Wohnzimmer. Danach habe den Zauberer<br />
von Oz umgeschrieben und ganz viele Gags<br />
reingepackt.<br />
INTERVIEW: Erzählst du mir deinen Lieblingswitz?<br />
GERWIG: Zwei Wollhaarmammuts hängen für<br />
Millionen von Jahren miteinander rum. Da<br />
dreht sich einer von beiden zum anderen um<br />
und sagt: „Ich werde das Gefühl nicht los, dass<br />
Mittwoch ist.“ Es lacht nie irgendjemand über<br />
diesen Witz.<br />
<strong>Interview</strong> RAHA EMAMI KHANSARI<br />
FRANCES HA STARTET<br />
AM 1. AUGUST<br />
PEOPLE/SmallTALK<br />
„WIE IST ES<br />
EIGENTLICH<br />
BEI DER<br />
HYPNOSE?”<br />
So hat sich die Schauspielerin<br />
ROSARIO<br />
DAWSON, 34, auf ihre<br />
Rolle in Trance vorbereitet<br />
INTERVIEW: Rosario, Sie spielen in Trance eine Hypnotiseurin.<br />
Gewiss haben Sie sich für die Rolle auch<br />
selbst mal hypnotisieren lassen.<br />
ROSARIO DAWSON: Ja, allerdings. Tatsächlich habe<br />
ich <strong>mich</strong> in der Vorbereitung sogar mit einer ganzen<br />
Reihe Hypnotherapeuten getroffen, um <strong>mich</strong> über<br />
die verschiedenen Techniken zu informieren und<br />
ihre Stimmen zu hören. Die Stimmen sind in dem<br />
Berufsstand ja sehr entscheidend.<br />
INTERVIEW: Wie sieht es in einer Hypnosepraxis eigentlich<br />
aus?<br />
DAWSON: Ganz unterschiedlich. In manchen ist es<br />
sehr glamourös, in anderen wiederum bescheiden.<br />
Manche behandeln zu Hause, andere haben Büros.<br />
INTERVIEW: Sind in den Praxen wirklich Bildschirme<br />
aufgestellt, auf denen Endlosschleifen mit Walfischvideos<br />
laufen ?<br />
DAWSON: Das kann ich jetzt<br />
so nicht behaupten. In<br />
dem Film ging es uns<br />
darum, eine bestimmte<br />
Welt herzustellen.<br />
INTERVIEW: Und<br />
was für Leute suchen<br />
Hypnotherapeuten<br />
auf?<br />
DAWSON: Kreuz<br />
und quer alle möglichen<br />
Leute eigentlich.<br />
Aber wenn man<br />
dann von einer Person<br />
hört, die vielleicht nicht so<br />
gute Erfahrungen gemacht hat, gerät<br />
gleich der gesamte Berufsstand in<br />
Misskredit. Dabei hat die Hypnotherapie<br />
so viele Ebenen, na ja …<br />
INTERVIEW: Klar …<br />
DAWSON: Jedenfalls kam ich dann<br />
hier in London bei den Dreharbeiten<br />
an und dachte: „Was, das soll meine<br />
Praxis sein? Meine Figur muss also<br />
wirklich gut verdienen. Und dann erst<br />
die Wohnung! Das ist der Wahnsinn.“<br />
Sie hilft ihren Kunden ja auch bei deren<br />
ungesunden Angewohnheiten, den Exfreunden,<br />
den Phobien und all diesen<br />
Sachen. Und offenbar ist sie, also meine<br />
Figur, sehr gut in ihrem Beruf,<br />
sonst könnte sie sich ja diesen Lebensstil<br />
überhaupt nicht leisten. Weshalb<br />
man es ihr auch sofort abnimmt,<br />
dass sie in Konkurrenz zu den Männern in Trance<br />
treten kann, die alle Gangster sind. Ich meine, wer,<br />
wenn nicht sie? Aber um mir in dieser Hinsicht sicher<br />
sein zu können, musste ich <strong>mich</strong> zunächst über<br />
den Beruf informieren. Und wenn ich den Eindruck<br />
gewonnen hätte, dass das alles Quatsch ist, hätte ich<br />
die Rolle natürlich immer noch spielen können, aber<br />
den Eindruck hatte ich zum Glück nicht<br />
INTERVIEW: Sie haben jetzt immer noch nicht erzählt,<br />
wie Ihre Hypnose war.<br />
DAWSON: Ach ja, stimmt. Die Hypnose war toll, ich<br />
meine, ich habe jetzt nicht versucht, mir mittels<br />
Hypnose das Rauchen abzugewöhnen oder so, es<br />
ging eigentlich um ganz belanglose Dinge. Ich wollte<br />
ja nichts über <strong>mich</strong> erfahren oder durch die Hypnose<br />
ein besserer Mensch werden. Ich wollte einfach nur<br />
wissen, wie das eigentlich ist.<br />
INTERVIEW: Und wie ist es?<br />
DAWSON: Man ist ganz entspannt. Jemand redet<br />
mit einem, und man fühlt sich wohl und begibt sich<br />
auf eine Reise. Man muss sich das vorstellen wie bei<br />
einer geführten Meditation. Und wenn einem kalt<br />
wird, kommt jemand und legt einem eine Decke<br />
über die Beine.<br />
<strong>Interview</strong> HARALD PETERS<br />
TRANCE – GEFÄHRLICHE ERINNERUNG<br />
STARTET AM 8. AUGUST<br />
„WAS IST IHRE<br />
SCHÖNSTE<br />
ERINNERUNG<br />
AN ANDY<br />
WARHOL?”<br />
Künstler und Dichter<br />
JOHN GIORNO, 76,<br />
denkt noch gern an<br />
Warhols bestes Stück<br />
INTERVIEW: Mr. Giorno, Sie sind durch Andy Warhols<br />
Film Sleep bekannt geworden. Darin sieht man<br />
Sie schlafend, stundenlang. Wurde das in einer Nacht<br />
gedreht?<br />
JOHN GIORNO: Nein, die Dreharbeiten haben Monate<br />
gedauert. Andy wusste ja gar nicht richtig, was er<br />
da eigentlich tat. Er hatte bis dahin noch nie mit der<br />
Kamera gearbeitet.<br />
INTERVIEW: Wie konnten Sie unter Beobachtung<br />
schlafen?<br />
GIORNO: Ich war ein ziemlicher Alkoholiker. 1963,<br />
als der Film gemacht wurde, sind wir auf viele Ausstellungen<br />
und Partys gegangen. Wenn wir in mein<br />
Apartment zurückkamen, war ich meistens ziemlich<br />
betrunken. Ich habe <strong>mich</strong> einfach ausgezogen und ins<br />
Bett gelegt. Es hat immer ewig gedauert, bis Andy das<br />
Licht aufgebaut und die Kamera eingerichtet hatte.<br />
Von dem surrenden Geräusch bin ich noch schneller<br />
eingeschlafen. Morgens bin ich jedes Mal im Schein<br />
.<br />
Fotos: © MFA+ FilmDistribution e.K. (3); Matteo Prandoni/ddp images; Jonas Lindstroem; Nicholas Hunt And Ryan Mccune/ddp images<br />
26
der Lampen aufgewacht, in einem Meer kleiner Kodak-Schachteln.<br />
INTERVIEW: Ohne Decke zu schlafen bereitet Ihnen<br />
offensichtlich auch keine Probleme.<br />
GIORNO: (lacht) Es war Sommer und ziemlich heiß.<br />
Vielleicht habe ich in den frühen Morgenstunden,<br />
wenn Andy schon weg war, doch noch nach dem zerknitterten<br />
Laken gegriffen.<br />
INTERVIEW: Sleep war ziemlich erfolgreich. Warum<br />
haben Sie nie wieder zusammen gedreht?<br />
GIORNO: Ich habe irgendwann William S. Burroughs<br />
kennengelernt und bin in eine andere Welt abgetaucht.<br />
Das war ein anderes Universum, das mit<br />
Andy nichts zu tun hatte.<br />
INTERVIEW: Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?<br />
GIORNO: 1987, kurz bevor er starb. Wir hatten uns<br />
davor viele Jahre nicht gesehen, und in diesem Jahr<br />
liefen wir uns plötzlich 15-mal über den Weg. Er<br />
war immer noch der gleiche, süße, einfache Andy,<br />
den ich von früher kannte. Er war sehr bescheiden<br />
und freundlich.<br />
INTERVIEW: Welche ist ihre schönste Erinnerung an<br />
ihn?<br />
GIORNO: Der Sommer 63 war wie gesagt sehr heiß.<br />
Deswegen haben wir immer nackt geschlafen. Wenn<br />
man sich den Kopf wegdenkt, sah er aus wie Michelangelos<br />
David! Er hat ja so viel gearbeitet und Speed<br />
genommen, dass er kein Gramm Fett am Körper hatte.<br />
Ich fand seinen Körper wunderschön, seine Haut<br />
war so weiß wie Alabaster. Übrigens hatte er auch einen<br />
großen Schwanz.<br />
INTERVIEW: Ach.<br />
GIORNO: Es war kein riesiger Schwanz, aber er war<br />
eben auch nicht klein, was viele Leute wahrscheinlich<br />
eher vermutet hätten. Andy selbst hat seinen Körper<br />
aber leider immer gehasst. Er fand sich hässlich. Ich<br />
bin sicher, dass das der Ursprung für eine seiner vielen<br />
Neurosen war. Na ja.<br />
<strong>Interview</strong> KATHARINA BÖHM<br />
JOHN GIORNOS AUSSTELLUNG YOU GOT TO BURN<br />
TO SHINE IST NOCH BIS ZUM 6. JULI IN DER<br />
GALERIE KIT SCHULTE CONTEMP<strong>ORA</strong>RY<br />
ART IN BERLIN ZU SEHEN<br />
PEOPLE/SmallTALK<br />
.<br />
„WIE LÄUFT<br />
ES JETZT<br />
MIT DEM<br />
MÄDCHEN?”<br />
Der Rapper WYN<br />
DAVIES, 25,<br />
hat die Schulausbildung<br />
genau<br />
dort abgebrochen,<br />
wo Tupac seinen<br />
Abschluss machte<br />
INTERVIEW: Wie oft bist du schon umgezogen?<br />
WYN DAVIES: In meinem Leben?<br />
INTERVIEW: Ja!<br />
DAVIES: 20-mal mindestens. Wir sind schon von klein<br />
auf immer viel rumgezogen, ich bin so gypsymäßig<br />
drauf gewesen.<br />
INTERVIEW: Du musst unfassbar gute Umzugstechniken<br />
kennen.<br />
DAVIES: Ja! Ich habe auch ungefähr drei Jahre als<br />
Möbel packer gearbeitet. Ich bin auf jeden Fall beim<br />
Umziehen top.<br />
INTERVIEW: Du weißt also genau, wie man so tetrismäßig<br />
alles in den Wagen reinbekommt.<br />
DAVIES: Ja. Und ich kann sehr gut packen. In San<br />
Francisco war ich Gruppenchef. Ich war der Jüngste<br />
in der Firma, und es lief alles unter meiner Verantwortung.<br />
INTERVIEW: Gibt es denn eine gute Methode, um einen<br />
Umzug besonders schnell hinzukriegen?<br />
DAVIES: Also, super ist es, drei Kisten voller Bücher<br />
auf dem Rücken zu tragen, so mit den Armen nach<br />
hinten. Das ist auch gut für den Rücken. Oder die<br />
Methode mit dem Seil: Da bindet man ein flaches Seil<br />
um die Boxen und hängt es sich dann um. So kann<br />
man die Kisten gut transportieren.<br />
INTERVIEW: Du warst auf der Highschool, auf der<br />
auch Tupac Shakur gewesen ist. Gab es da eine Gedenktafel?<br />
DAVIES: Nee, gar nicht. Und jeder in der Schule weiß<br />
es. Es gab noch eine Mathe lehrerin, die ihn unterrichtet<br />
hatte.<br />
INTERVIEW: Man gibt damit an.<br />
DAVIES: Ja klar! Ich bin Highschool-Dropout, also,<br />
ich hab die Schule nicht abgeschlossen, und es ist<br />
schon ganz cool zu sagen: „Ich habe die Schule abgebrochen,<br />
wo Tupac seinen Abschluss gemacht hat.“<br />
INTERVIEW: Und was hat die Mathelehrerin über ihn<br />
erzählt?<br />
DAVIES: Dass er ein ziemlich arroganter Typ gewesen<br />
sein soll.<br />
INTERVIEW: War er gut in Mathe?<br />
DAVIES: Keine Ahnung, aber im Schauspiel war er<br />
wohl klasse. Er war in allen Theaterkursen und -AGs.<br />
INTERVIEW: Wann war eigentlich deine allererste<br />
Show?<br />
27<br />
DAVIES: Das war mit 18, in Los Angeles, in einem<br />
Laden, der heißt The Whisky a Go Go. Das ist ein<br />
ziemlich berühmter Club. Da haben die Doors<br />
ihre allererste Show gespielt.<br />
INTERVIEW: An wen ist dein Track Money<br />
And Women gerichtet?<br />
DAVIES: An ein Mädchen, wegen dem ich<br />
Herzschmerz hatte. Eine Freundin von<br />
früher, mit der ich dann wieder zusammengekommen<br />
bin. Das Lied handelt ja<br />
von der Abwesenheit von Geld und Frauen,<br />
wenn also alles im Arsch ist.<br />
INTERVIEW: War zuerst sie weg oder das Geld?<br />
DAVIES: Das kam irgendwie alles zur selben<br />
Zeit.<br />
INTERVIEW: Also war sie nicht weg, weil du kein<br />
Geld mehr hattest?<br />
DAVIES: Nee, das waren zwei separate Themen:<br />
Geld und Frauen. Das sind ja die zwei<br />
großen Themen für Männer, denke ich. Wahrscheinlich<br />
die zwei gefährlichsten Sachen auf<br />
der Welt.<br />
INTERVIEW: Und wie läuft es jetzt mit dem<br />
Mädchen?<br />
DAVIES: Jetzt kommen wir uns wieder ein bisschen<br />
näher.<br />
INTERVIEW: Das heißt, das Geld ist wieder ein<br />
bisschen da und es ist auch wieder ein bisschen da.<br />
DAVIES: Merkwürdig, oder?<br />
<strong>Interview</strong> RAHA EMAMI KHANSARI<br />
DIE EP WHY WAIT ERSCHEINT AM 1. JULI<br />
BEI WYNDAVIESMUSIC.COM<br />
„NEHMEN<br />
SIE IHRE BAND<br />
VIELLEICHT<br />
ZU ERNST?”<br />
Savages-Sängerin<br />
JEHNNY BETH<br />
kann den Hype um ihre<br />
Band nicht leiden<br />
INTERVIEW: Jehnny, die erste Savages-Single hieß<br />
Flying To Berlin.<br />
JEHNNY BETH: Den Song habe ich geschrieben, als<br />
ich im Flugzeug nach Berlin saß, um dort ein Musikvideo<br />
zu drehen.<br />
INTERVIEW: Und was war an diesem Flug so besonders?<br />
BETH: Es war sehr früh morgens, und so wie ich da<br />
den Sonnenaufgang sah, hatte ich noch nie einen<br />
Sonnenaufgang gesehen. Fantastisch. Da bekam ich<br />
apokalyptische Visionen und mir wurde bewusst,<br />
dass ich genau jetzt sterben könnte.<br />
INTERVIEW: Andere Leute haben das Gefühl ja eher,<br />
wenn sie in Berlin landen.<br />
BETH: Genau.
SÄNGERIN MIT ROTEM KOPF:<br />
JEHNNY BETH UND IHRE BAND SAVAGES<br />
INTERVIEW: Von der ersten Single bis zum Album<br />
ging dann alles sehr schnell.<br />
BETH: Tat es das?<br />
INTERVIEW: Es wirkt zumindest so, von außen betrachtet.<br />
Savages haben sich erst 2011 gegründet –<br />
und jetzt dieser Hype.<br />
BETH: Das Wort Hype mag ich überhaupt nicht. Ich<br />
verstehe, warum Leute wie Sie es benutzen, aber für<br />
<strong>mich</strong> klingt das Wort negativ.<br />
INTERVIEW: Andere würden sich freuen.<br />
BETH: Ich verstehe schon, dass das bedeutet, dass die<br />
Leute uns mögen, aber Hype impliziert auch immer<br />
eine Kurzlebigkeit. Das wird unserer Musik nicht gerecht.<br />
INTERVIEW: Was denken Sie eigentlich, wenn Savages<br />
als weibliches Pendant zu Joy Division bezeichnet<br />
werden?<br />
BETH: Dann denke ich, dass sich mal jemand einen<br />
neuen Vergleich ausdenken sollte.<br />
INTERVIEW: Wie wichtig ist Ihnen Innovation?<br />
BETH: Als wir ins Studio gingen, wollten wir keine<br />
Revolution lostreten. Aber wir wollten mit Gewohnheiten<br />
brechen.<br />
INTERVIEW: Auf dem manifestartigen Stück Silence<br />
Yourself sprechen Sie sich gegen den Kommunikationsterror<br />
aus.<br />
BETH: Weil man als Musiker so unglaublich viel<br />
Zeit mit Öffentlichkeitsarbeit verschwendet.<br />
Alles muss ständig definiert werden. Ich finde<br />
das unsagbar langweilig. Kommunikation ist<br />
viel zu schnell, viel zu flüssig geworden.<br />
INTERVIEW: Was hat das mit Savages zu tun?<br />
BETH: Wenn die Leute auf ein Konzert von uns<br />
gehen, sollten sie zumindest dann mal ihre<br />
Smartphones in den Hosentaschen lassen. Dieser<br />
Bildschirm zwischen uns und ihnen muss doch<br />
wirklich nicht sein.<br />
INTERVIEW: Kann es sein, dass Sie das alles ein<br />
bisschen zu ernst nehmen?<br />
BETH: Das, was Sie ernst nennen, ist für <strong>mich</strong> normaler<br />
Menschenverstand. Wir haben Spaß bei dem,<br />
was wir tun, aber das ist nicht, worum es uns geht.<br />
INTERVIEW: Sind Savages eine politische Band?<br />
BETH: Das werde ich ständig gefragt. Nein, sind wir<br />
nicht. Wir haben Meinungen, geben aber keine Anweisungen.<br />
Wir präsentieren nur unsere Visionen<br />
von der Welt.<br />
<strong>Interview</strong> HELLA SCHNEIDER<br />
SILENCE YOURSELF<br />
IST BEI BEGGARS ERSCHIENEN<br />
PEOPLE/SmallTALK<br />
„WO FINDET<br />
MAN DENN<br />
LEUTE, DIE IN<br />
PORNOS<br />
MITMACHEN?”<br />
MICHAL MARCZAK,<br />
31, hat eine Doku<br />
über die Berliner Wohltätigkeitsorganisation<br />
Fuck For Forest gedreht<br />
INTERVIEW: Michal, ihr preisgekrönter Dokumentarfilm<br />
Fuck For Forest erzählt von der gleichnamigen<br />
Berliner Wohltätigkeitsorganisation, die mit selbst<br />
gedrehten Pornos Geld sammelt, um den Regenwald<br />
zu retten. Was wollten Sie mit dem Film zeigen?<br />
MICHAL MARCZAK: Zunächst einmal habe ich versucht,<br />
offen zu sein und nicht zu werten. Also habe ich<br />
<strong>mich</strong> von der Gruppe mit auf die Reise nehmen lassen.<br />
Mir war von vornherein klar, dass ich den Abstecher<br />
nach Brasilien brauche, um zu zeigen, wie die<br />
Gruppe das Geld, das sie mit den Pornos macht, vor<br />
Ort einsetzt. Der Berlin-Teil war wiederum wichtig,<br />
um sie zu verstehen. Und dann wollte ich jemanden<br />
haben, der neu in der Gruppe ist und durch dessen<br />
Augen man sie kennenlernt. So konnte ich den Film<br />
auf einer emotionalen Ebene erzählen.<br />
INTERVIEW: Der Neuling in der Gruppe war Danny,<br />
ein ehemaliger Springreiter, der für Norwegen an den<br />
Olympischen Spielen in Peking teilgenommen hätte,<br />
sich dem aber verweigerte, weil er nicht mit den Methoden<br />
einverstanden war, mit denen man die Pferde<br />
trainiert.<br />
MARCZAK:<br />
Exakt.<br />
INTERVIEW:<br />
Wie haben<br />
Sie ihn<br />
gefunden?<br />
FILMSZENEN AUS FUCK FOR FOREST,<br />
DANEBEN:<br />
REGISSEUR MICHAL MARCZAK<br />
MARCZAK: Er war plötzlich da, er kam aus dem<br />
Nichts.<br />
INTERVIEW: Und wo findet man Leute, die in Pornos<br />
mitmachen?<br />
MARCZAK: Überall – auf der Straße, auf Partys, in<br />
Parks. Das ist überraschend einfach.<br />
INTERVIEW: Ich könnte also auf die Straße gehen und<br />
Leute fragen, ob sie mit mir einen Porno drehen wollen,<br />
und die würden sagen: „Na klar, warum nicht?“<br />
MARCZAK: Wenn sie zehn Leute fragen, ist bestimmt<br />
einer dabei. Und sie müssten diese Person nicht einmal<br />
mit zu sich nach Hause nehmen. Die wären bereit,<br />
gleich im nächsten Gebüsch zu drehen.<br />
INTERVIEW: Und die wollen keine Nutzungsverträge,<br />
Sicherheiten oder so?<br />
MARCZAK: Nein, die meisten haben nicht einmal<br />
vorher geprüft, ob es Fuck For Forest wirklich gibt,<br />
ob sie also tatsächlich aus wohltätigem Zweck öffentlich<br />
Sex haben. Nicht einmal unsere große Kamera<br />
hat sie abgeschreckt.<br />
INTERVIEW: Waren Sie überrascht?<br />
MARCZAK: Selbstverständlich! Ich konnte es kaum<br />
glauben.<br />
INTERVIEW: In Ihrem Film kommt allerdings vergleichsweise<br />
wenig Sex vor.<br />
MARCZAK: Ja, weil Danny eigentlich gar nicht so<br />
sehr an Sex interessiert war. Und die Sexszenen, die<br />
wir hatten, haben wir am Schluss wieder rausgeschnitten,<br />
weil sie die Geschichte nicht voranbringen. Es ist<br />
halt nur Sex.<br />
INTERVIEW: Allerdings gibt es eine einigermaßen bizarre<br />
Sexszene, in der zwei Leute von Fuck For Forest<br />
auf einer improvisierten Bühne ficken, während das<br />
Publikum sich das so kunstsinnig anschaut, als würde<br />
es einer Lesung beiwohnen. Was stand denn bei der<br />
Veranstaltung auf der Einladung?<br />
MARCZAK: Eigentlich hatte Danny die Show als Konzert<br />
angekündigt, doch Tommy, einer der Gründer von<br />
Fuck For Forest, war der Meinung, dass bei Danny die<br />
sexuelle Sache zu kurz kommt, und hat das Ganze<br />
spontan in eine Sexperformance verwandelt. Das Publikum<br />
saß in seinen Sesseln und fand das offenbar nicht<br />
weiter ungewöhnlich.<br />
INTERVIEW: Ich muss allerdings sagen, dass ich, wäre<br />
ich Teil des Publikums gewesen, ein Konzert schockierender<br />
gefunden hätte. Wie der Film zeigt, machen<br />
Fuck For Forest mit größter Wahrscheinlichkeit<br />
die schlimmste Musik, die jemals gespielt wurde. Zwischen<br />
Rhythmus und Melodie gibt es keinen erkennbaren<br />
Zusammenhang, keiner beherrscht seine Instru<br />
mente, und singen können sie auch nicht.<br />
MARCZAK: Ja, na ja, aber ist nicht gerade<br />
das auch irgendwie charmant? Bei<br />
allem, was sie tun, sind sie zumindest<br />
mit ganzem Herzen dabei.<br />
<strong>Interview</strong> HARALD PETERS<br />
JETZT IM KINO:<br />
FUCK FOR FOREST<br />
.<br />
Fotos: XL Recordings/Beggars; © Neue Visionen Filmverleih (4)
.<br />
DASEINZIGE EINZIGE,<br />
WASINIHREMLEBEN<br />
IHREM WASINIHRE<br />
PERFEKT IST:<br />
DASCHAOS CHAOS.<br />
DIE KOMPLETTE ERSTE STAFFEL<br />
GIRLS<br />
samstag 13. juli und sonntag 14. juli ab 22:00 uhr
SUPERSTAR<br />
TOM ODELL<br />
Foto: Andrew Whitton.<br />
JUNG, ERFOLGREICH UND<br />
LIEBESKRANK: DER BRITISCHE<br />
MUSIKER TOM ODELL<br />
Dass man als Musiker vor zehn oder zwanzig<br />
Leuten spielen muss, ist nichts Ungewöhnliches.<br />
Dass daraus ein Plattenvertrag<br />
entsteht, schon eher. Bei einem<br />
Konzert von Tom Odell in einem Londoner Pub für<br />
ein paar Freunde war – Schicksal? Zufall? Kontakte?<br />
– ein Bekannter von Lily Allen dabei, der ihn für ihr<br />
Label empfahl. Die Geschichte nahm ihren Lauf.<br />
Als Tom im Dezember vergangenen Jahres die<br />
Bühne der Royal Festival Hall betrat, gingen für den<br />
21-jährigen Singer/Songwriter aus Chichester gleich<br />
zwei Träume in Erfüllung. Erstens wollte er dort schon<br />
immer spielen, zweitens erfuhr er kurz vor seinem<br />
Auftritt, dass er den Critics’ Choice Brit Award bekommen<br />
würde. Seine Vorgänger unter anderem:<br />
Florence and the Machine, Adele, Emeli Sandé.<br />
MELANCHOLIKER ALLER LÄNDER, VEREINIGT EUCH!<br />
Die verzweifelte Stimme, die sich dramatisch in<br />
die Höhe schaukelnden Arrangements, der fordernde<br />
Backgroundgesang – das klingt alles so unmittelbar<br />
wie gleichzeitig überaus gekonnt strukturiert. Auch<br />
wenn Odell behauptet, dass er auf den Straßen von<br />
Brighton mehr gelernt habe als bei seinem Studium<br />
am Brighton Institute of Modern Music, hört man<br />
seiner Musik die Ausbildung natürlich an.<br />
Im Gegensatz zu seinen Songs ist sein Auf treten<br />
geradezu unscheinbar. Mit seinen strähnigen blonden<br />
Haaren und einer Garderobe, die im Kern aus Doc-<br />
Martens-Schuhen, Jeans und Karohemd besteht, wirkt<br />
Odell eher zurückhaltend. Und wenn er die Bühne<br />
verlässt, dann kann er weder eine Gitarre zerstören<br />
noch einpacken, ja, er kann sie sich nicht einmal auf<br />
den Rücken schnallen, denn das Instrument seiner<br />
30<br />
Wahl ist das Klavier. Aber: „Weil ich in letzter Zeit so<br />
viel reise, muss ich auf der Gitarre komponieren.“<br />
Sein Vorbild: Bob Dylan. Sein Lieblingsalbum von<br />
Dylan: Blood On The Tracks, das tragische Geräusch<br />
einer Trennung, das Odells offenkundig rettungslos<br />
melancholischer Neigung sehr entgegenkommt.<br />
Und warum warten jetzt alle auf sein Debüt Long<br />
Way Down (Sony)? Vielleicht, weil er so jugendlich tugendhaft<br />
wirkt. Vielleicht, weil seine Songs so ehrlich<br />
klingen, wie Pop eigentlich nie ist. Vielleicht, weil er<br />
von seiner tief empfundenen Ehrlichkeit selbst ganz<br />
ergriffen ist: „Das Album ist sogar noch ehrlicher geworden,<br />
als ich wollte.“ Vielleicht.<br />
von HELLA SCHNEIDER
.<br />
SUPERSTAR<br />
ANTJE<br />
TRAUE<br />
AB NACH HOLLYWOOD:<br />
ANTJE TRAUE MACHT SUPERMAN<br />
DAS LEBEN SCHWER<br />
Antje Traue in einem Rollkragenpullover von GUCCI und mit Ohrringen von BRVTVS<br />
Bevor ihr neuer Film ins Kino kommt, hat<br />
sich Antje Traue noch schnell zu einem<br />
Roadtrip durch die USA aufgemacht.<br />
Einmal mit dem Auto von New York rüber<br />
(„Ich bin gerade irgendwo in Colorado, keine Ahnung,<br />
wie das hier heißt“) auf die andere Seite nach<br />
Los Angeles. Eine gute Idee! Hinterher dürfte sie<br />
kaum noch Zeit dazu haben, und die Tage weitgehender<br />
Anonymität sind dann sowieso gezählt.<br />
Ihr neuer Film ist Man Of Steel, die Neuauflage<br />
der Superman-Reihe, ausgedacht, überwacht und ausgeführt<br />
von den Herren Zack Snyder (Regie) und<br />
Christopher Nolan (Produktion) und bis in die Nebenrollen<br />
mit einem All-Star-Ensemble (Henry Cavill,<br />
Amy Adams, Kevin Costner, Russell Crowe, Diane<br />
Lane) besetzt – und Antje Traue mittendrin.<br />
Der Film trägt den Stempel „internationaler<br />
Blockbuster“ so dermaßen prominent auf der Stirn,<br />
dass man sich fragt, wie es denn bloß eine nahezu unbekannte<br />
32-jährige Berlinerin ins Aufgebot schaffen<br />
konnte. Bislang war Traues Erfolgsserie überschaubar.<br />
Kleine bis ganz kleine Rollen in Filmen wie Kleinruppin<br />
forever und Berlin am Meer, zwischendurch ein<br />
paar Arbeiten fürs Fernsehen, bis dann 2008 der Science-Fiction-Film<br />
Pandorum mit Dennis Quaid und<br />
Ben Foster in Babelsberg gedreht wurde, Antje Traue<br />
vorsprach und gleich die weibliche Hauptrolle bekam.<br />
Von dort aus hätte es weitergehen können, doch<br />
Traue blieb in Deutschland, und in Deutschland gab<br />
es für sie keine Rollen: „Ich weiß auch nicht, vielleicht<br />
habe ich für den deutschen Film nicht das<br />
richtige Gesicht, aber vielleicht sind die Gründe<br />
31<br />
egal.“ Jedenfalls scheint ihr Gesicht in Hollywood<br />
besser anzukommen, ihr Bewerbungsfilm führte gleich<br />
zum Engagement, Faora zu spielen, Supermans gewaltbereite<br />
Widersacherin. „Damit hatte ich natürlich<br />
nicht gerechnet“, sagt sie, natürlich nicht, mit so<br />
was rechnet man auch nicht.<br />
Und was noch besser ist: Es scheint für Traue gut<br />
weiterzugehen. Der Film The Seventh Son, in dem<br />
man sie neben Julianne Moore und Jeff Bridges sehen<br />
wird, ist bereits abgedreht, weitere Rollen sollen folgen.<br />
Wahrscheinlich gibt es für Schauspielerinnen<br />
schlimmere Schicksale, als vom deutschen Film nicht<br />
akzeptiert zu werden.<br />
Von HARALD PETERS<br />
Foto JEROME CORPUZ<br />
Styling ALLISON BORNSTEIN<br />
Hair WESLEY O’MEARA/THE WALL GROUP<br />
Make-up AYA KOMATSU/DEFACTO<br />
Photo Assistants KAREN GOSS, DARREN HALL
.<br />
AS TEARS GO BY, MARIANNE FAITHFULL<br />
PEOPLE<br />
“<br />
Sie hat das London<br />
der Sechziger zum<br />
Swingen gebracht,<br />
Mick JAGGER und<br />
Keith RICHARDS<br />
den Kopf verdreht<br />
und mehr Heroin<br />
genommen als alle<br />
Stones zusammen.<br />
Marianne Faithfull<br />
war Muse und Ur-<br />
Groupie, der Sündenfall<br />
des Rock ’n’ Roll.<br />
Viele sollten ihrem<br />
Weg folgen, doch<br />
an den Glamour der<br />
Tochter eines britischen<br />
Geheimagenten<br />
reichte nie wieder<br />
eine heran<br />
PORTRÄT<br />
PAUL FARRELL<br />
NAOMI<br />
CAMPBELL<br />
trifft<br />
Ich habe einige furchtbare Fehler gemacht,<br />
bin dunkle Wege gegangen.<br />
Aber unter dem Strich bereue ich nicht viel<br />
”<br />
Marianne<br />
FAITHFULL<br />
Foto (links): Paul Farrell/© Guardian News & Media Ltd.<br />
32
PEOPLE/Marianne Faithfull<br />
NAOMI CAMPBELL: Wie faithful ist Marianne?<br />
MARIANNE FAITHFULL: Nicht wirklich (lacht). Diesen<br />
Teil meiner Persönlichkeit habe ich früh in den<br />
Ruhestand geschickt. Ich hatte immer eine sehr offene<br />
Einstellung, was Sex und Liebe angeht …<br />
CAMPBELL: Du bist in Hampstead/England aufgewachsen.<br />
FAITHFULL: Was damals sehr Boheme war. Mutter<br />
und Vater waren alles andere als konventionell.<br />
CAMPBELL: Wusstest du eigentlich, dass du bei<br />
VH1 auf Platz 25 der 100 wichtigsten Sängerinnen<br />
gewählt wurdest?<br />
FAITHFULL: Nein! Das wusste ich nicht!<br />
CAMPBELL: Dein erster Song war As Tears Go By,<br />
geschrieben von Mick Jagger und Keith Richards.<br />
Fühlst du dich noch in ihrer Schuld, weil die beiden<br />
mit diesem großartigen Stück deine Karriere als Sängerin<br />
befeuert haben?<br />
FAITHFULL: Ich verdanke den beiden wirklich alles!<br />
Sie haben den Boden bereitet, auf dem ich heute<br />
noch stehe. Dafür werde ich ihnen immer dankbar<br />
sein.<br />
CAMPBELL: Später hast du dann mit Mick zusammengelebt,<br />
was eigentlich ausreichend dokumentiert<br />
ist. Andererseits interessiert es <strong>mich</strong> so sehr …<br />
FAITHFULL: Frag ruhig.<br />
CAMPBELL: Okay. Eine Frage brennt mir auf der<br />
Seele: Es gab diese Razzia in West Wittering, gerüchteweise<br />
warst du nur mit einem Pelz bekleidet.<br />
FAITHFULL: Und es war ein Pelzteppich, kein Pelzmantel,<br />
Darling!<br />
CAMPBELL: Was war geschehen?<br />
FAITHFULL: Wir hatten den ganzen Tag Acid genommen<br />
– für <strong>mich</strong> war es das erste Mal überhaupt –<br />
und alberten rum. Wir fuhren an den Strand und übers<br />
Land und ließen uns so treiben. Irgendwann landeten<br />
wir wieder bei Keith, wo ich entschied, ein Bad zu<br />
nehmen. Danach wollte ich nicht mehr die alten Klamotten<br />
anziehen, sie kamen mir schmutzig vor. Also<br />
entschied ich, diesen Teppich als Gewand zu tragen.<br />
Wie gesagt, es war mein erstes Mal LSD …<br />
CAMPBELL: In Keiths Autobiografie steht, die<br />
Zeitungen hätten in ihren Berichten übertrieben.<br />
FAITHFULL: Das haben sie auch. Allerdings war ich<br />
auch ziemlich frech.<br />
CAMPBELL: Was meinst du?<br />
FAITHFULL: Als die Bullen reinkamen, schrien sie<br />
<strong>mich</strong> an. Ich solle sofort wieder nach oben gehen. Das<br />
tat ich dann auch. Dort wollten sie <strong>mich</strong> durchsuchen.<br />
Also ließ ich einfach mein Gewand fallen.<br />
CAMPBELL: NEIN!<br />
FAITHFULL: Doch! Um <strong>mich</strong> herum standen 25 Polizisten,<br />
alle glotzten. Also ließ ich den Teppich fallen<br />
– das fanden die Bullen nicht wirklich gut. Jedenfalls<br />
haben sie sich furchtbar darüber aufgeregt. Vor Gericht<br />
kam das übrigens auch nicht so gut an (lacht).<br />
CAMPBELL: Wie fandest du denn Keiths Version<br />
eurer Geschichte der Sechziger?<br />
FAITHFULL: Ach, jeder hat seine eigene Sicht auf<br />
die Dinge. Und ich will seine gar nicht infrage stellen<br />
– auch wenn er manchmal zu weit gegangen ist.<br />
CAMPBELL: Immer wenn ich nach Marokko komme,<br />
muss ich an Mick und dich denken …<br />
FAITHFULL: Da hatten wir eine wunderbare Zeit!<br />
Jimi (Hendrix) hatte sein Haus in Essaouira, Mick und<br />
ich pendelten zwischen Marrakesch und Tanger, es<br />
war wirklich sehr besonders.<br />
CAMPBELL: Du scheinst neun Leben zu haben.<br />
FAITHFULL: Ja, das denke ich manchmal auch.<br />
CAMPBELL: Du hast mit so vielen Musikern zusammengearbeitet.<br />
Mit Jarvis Cocker, Dave Stewart,<br />
Billy Corgan, den Stones …<br />
FAITHFULL: … und mit Beck. Er war fantastisch.<br />
CAMPBELL: Und Patti Smith?<br />
FAITHFULL: Hat leider nie einen Song für <strong>mich</strong> geschrieben.<br />
Dafür aber ein Gedicht über <strong>mich</strong>. In den<br />
Siebzigern. Es ist wunderschön. Sie dachte, ich würde<br />
sterben – aber so weit ist es ja nicht gekommen, weswegen<br />
das Gedicht heute noch schöner ist.<br />
CAMPBELL: Du bist eine starke Frau!<br />
FAITHFULL: Ich habe einen starken Überlebens willen.<br />
CAMPBELL: Ich habe gehört, du willst dich nach<br />
deinem nächsten Album zur Ruhe setzen. Marianne,<br />
du darfst uns nicht verlassen!<br />
FAITHFULL: Darling, das werde ich auch nicht.<br />
Aller dings werde ich ein wenig kürzer treten. Meine<br />
Enkeltochter Eliza Hope ist jetzt neun Monate alt –<br />
und ich plane, mehr Zeit mit ihr zu verbringen.<br />
CAMPBELL: Wie und wo lebst du derzeit? Wie sehen<br />
deine Tage aus?<br />
FAITHFULL: Ich wohne in Paris. In einer schönen<br />
Wohnung aus den 30er-Jahren. Gegenüber von unserem<br />
Gebäude ist einmal die Woche Flohmarkt, ich<br />
schlendere gerne an den Ständen vorbei – und jedes<br />
Mal, wenn ich ein schönes Art-déco-Möbel sehe,<br />
kaufe ich es und trage es hoch in mein Nest. Mir geht<br />
es wirklich so gut wie noch nie im Leben.<br />
CAMPBELL: Deine Autobiografie war ein großer<br />
Erfolg. Ein Kritiker schrieb, es sei „eine traurige Geschichte<br />
mit einem hoffnungsfrohen Ende“. Siehst du<br />
das ähnlich?<br />
FAITHFULL: Ungefähr so, ja. Die meisten Menschen<br />
fokussieren immer nur auf den tragischen Teil<br />
meines Lebens. Ich sehe das aber nicht so. Ich habe<br />
einige furchtbare Fehler gemacht in meinem Leben,<br />
bin dunkle Wege gegangen, die ich besser gemieden<br />
hätte. Aber unter dem Strich bereue ich nicht viel.<br />
CAMPBELL: Stimmen eigentlich die Gerüchte,<br />
dass dein Vater ein Spion des MI6 war?<br />
FAITHFULL: Ja, das war er. Und ich wusste das auch<br />
schon sehr früh. Zu Hause wurde darüber allerdings<br />
nie gesprochen. Das war einfach eine andere Generation.<br />
Über bestimmte Dinge wurde nicht geredet.<br />
CAMPBELL: Glaubst du, dein Vater hat heimlich<br />
in deinen Sachen rumgestöbert?<br />
FAITHFULL: Niemals!<br />
CAMPBELL: Hat er sich über deinen Lebensstil<br />
oder deine Männerwahl jemals beschwert?<br />
EDITOR AT LARGE NAOMI CAMPBELL<br />
IM GESPRÄCH MIT MARIANNE FAITHFULL<br />
Foto ALEX BABSKY<br />
33<br />
.<br />
FAITHFULL: Nein, auch nicht. Er war ein sehr<br />
liebe voller Vater.<br />
CAMPBELL: Mochte er die Rolling Stones?<br />
FAITHFULL: Nicht besonders. Ich glaube, sie waren<br />
ihm egal. Mein Vater interessierte sich nicht für Geld<br />
oder Ruhm. Allenfalls für meine Noten in der Schule.<br />
CAMPBELL: Wie muss man sich dich denn in der<br />
Schule vorstellen?<br />
FAITHFULL: Eher klug. Und sehr frech.<br />
CAMPBELL: Du warst auf einer Klosterschule.<br />
FAITHFULL: Was <strong>mich</strong> ungemein geprägt hat, auch<br />
in Sachen Sex. Es dauerte Jahre, bis ich <strong>mich</strong> davon<br />
erholt hatte. Und danach wurde es wild.<br />
CAMPBELL: Hast du eigentlich damals gespürt,<br />
dass dein Lebensstil wild ist?<br />
FAITHFULL: Ja und nein. Ich ahnte schon, dass etwas<br />
nicht richtig läuft, und wollte auch nicht alles<br />
wegen der Drogen kaputtmachen. Ich geriet jedoch<br />
in diesen Strudel – und da wieder rauszukommen ist<br />
nicht wirklich einfach.<br />
CAMPBELL: Du hast früher sehr frei über Drogen<br />
wie LSD geredet.<br />
FAITHFULL: Warum sollte ich etwas verheimlichen?<br />
Es kommt ohnehin irgendwann raus. Egal, wer was<br />
warum verheimlichen will – die Wahrheit findet ihren<br />
Weg. Immer. Aber zurück zu deiner Frage: Ich habe<br />
es nie bereut, LSD genommen zu haben. Ebenso wenig<br />
bereue ich, Dope geraucht zu haben. Das mache<br />
ich heute nicht mehr, aber es hat Spaß gemacht.<br />
CAMPBELL: Was war deine liebste Droge?<br />
FAITHFULL: Die ehrliche Antwort: Heroin.<br />
CAMPBELL: Warum haben Drogen eine solche<br />
Anziehungskraft auf Menschen? Ist das Leben ohne<br />
Drogen wirklich so langweilig?<br />
FAITHFULL: Das glaube ich nicht. Aber es bedarf<br />
viel mehr Arbeit.<br />
CAMPBELL: Was haben die Drogen dir gegeben?<br />
FAITHFULL: Einen Weg, nicht über das echte Leben<br />
nachdenken zu müssen. Heroin beispielsweise ist<br />
ein Mittel gegen Schmerz. Wenn du Heroin nimmst,<br />
geht der Schmerz weg. Und Kokain scheint wie ein<br />
großer Spaß – bis es genau das Gegenteil davon wird,<br />
wie du weißt.<br />
CAMPBELL: Du wirkst heute wie eine sehr befreite<br />
Frau – musst du trotzdem noch auf dich aufpassen?<br />
FAITHFULL: Ich weiß nicht, ob man das drucken<br />
kann – aber ich gehe nach wie vor zu den Treffen meiner<br />
Selbsthilfegruppen.<br />
CAMPBELL: Diese Treffen sind auch sehr wichtig!<br />
Auf <strong>mich</strong> wirkst du wie ein Einhorn, das von intelligenten,<br />
aber bösen Männern verführt worden ist.<br />
FAITHFULL: Darling, an meinem Leben trägt kein<br />
Mann irgendeine Schuld. Die Verantwortung dafür<br />
liegt einzig und alleine bei mir.<br />
CAMPBELL: Wann hast du denn bemerkt, dass<br />
dein Leben einen falschen Weg nimmt?<br />
FAITHFULL: Nach der Razzia in den Redlands wurde<br />
alles viel, viel schlimmer. Ich nahm immer mehr<br />
Drogen, da ich dachte, sie wären ein probater Ausweg.<br />
Dabei wusste ich, dass Mick nicht mit mir zusammen<br />
sein wollte, wenn ich weiterhin Drogen nehmen<br />
würde. Aber mir war auch klar, dass eine Ehe mit<br />
vielen Kindern einfach nicht mein Weg sein würde.<br />
Ich konnte Mick das nicht geben, obwohl ich wusste,<br />
dass er sich nach einem Leben mit Familie sehnte.<br />
CAMPBELL: Marianne Faithfull als Hausfrau?<br />
FAITHFULL: Das war einer der Gründe, warum ich<br />
gehen musste. Ich wusste, dass ich so nicht leben<br />
kann, wusste, dass es tragisch enden würde. Also packte<br />
ich meine Sachen und verschwand.
.<br />
Die<br />
BOATENGS<br />
Family affair I:<br />
Der eine dirigiert den<br />
AC Mailand, der zweite<br />
verteidigt für Bayern<br />
München, der dritte<br />
züchtet Hunde in Berlin.<br />
KEVIN-PRINCE,<br />
JÉRÔME und GEORGE<br />
BOATENG sind die mit<br />
Abstand schillerndsten<br />
Fußballbrüder der Nation.<br />
Aber wie cool waren sie<br />
früher wirklich? Wer weinte<br />
auf dem Platz? Wer bereut<br />
welches Tattoo? Zum ersten<br />
Mal treffen sich die drei<br />
Brüder wieder gemeinsam<br />
in ihrem alten Viertel<br />
und erzählen, was war<br />
und was ist<br />
VON<br />
HARALD PETERS<br />
Fotos<br />
Markus JANS<br />
PEOPLE<br />
KEVIN-PRINCE BOATENG: Das erste Mal haben wir<br />
uns mit Jérôme hier an der Panke getroffen. Bist du da<br />
von alleine hergekommen?<br />
GEORGE BOATENG: Nein, ich habe ihn abgeholt.<br />
JÉRÔME BOATENG: Da war ich so zwölf.<br />
KEVIN-PRINCE: Damals haben wir nämlich noch<br />
nicht so viel miteinander rumgehangen. Und als George<br />
dich abgeholt hat, meinte ich: „Hi, wie geht’s?“<br />
Und Jérôme so: „Alles klar!“ Und George sagte nur:<br />
„Ey, umarm ihn mal jetzt! Das ist dein Bruder!“ Und<br />
ich dann so: „Ja, okay, aber …“ Das war krass. Und<br />
dann haben wir Fußball gespielt.<br />
GEORGE: Durch Fußball wurden wir dann schnell<br />
zu besten Freunden. Und bei Kevin und Jérôme hat<br />
man das auch sofort gesehen: das gleiche Blut, die<br />
KLEIDUNG & ACCESSOIRES<br />
(DURCHGEHEND GETRAGEN)<br />
NIKE<br />
UHR & SCHMUCK<br />
(DURCHGEHEND GETRAGEN)<br />
PRIVAT<br />
34
PEOPLE/Die Boatengs<br />
“<br />
Früher waren die beiden mehr<br />
Jasager als heute. Da konnte ich<br />
denen sagen: ,Mach so! Mach so!‘, und<br />
dann haben die das auch gemacht<br />
”<br />
– George Boateng<br />
.<br />
35<br />
VON LINKS: JÉRÔME, GEORGE & KEVIN-PRINCE BOATENG
können beide nicht verlieren. Wenn sie verloren haben,<br />
mussten sie immer weinen.<br />
KEVIN-PRINCE: Ich habe immer erst zu Hause geweint.<br />
Ich wollte cool sein. Ich habe zu mir gesagt:<br />
„Ich weine jetzt nicht, das mache ich zu Hause.“ Und<br />
Jérôme war immer eher so: „Ich will nicht mehr!“<br />
Auch wenn wir Playstation gespielt haben, schlugen<br />
wir uns die Köpfe ein.<br />
JÉRÔME: Dabei ist dann zwischendurch der Player<br />
kaputtgegangen.<br />
KEVIN-PRINCE: Deswegen hatten wir immer einen<br />
Extraplayer. Und wenn George gegen <strong>mich</strong> mal<br />
ein Tor gemacht hat – was nicht oft vorkam, weil ich<br />
nun mal besser bin –, aber wenn er ein Tor gemacht<br />
hat, dann war der so: „Ja! Ja! Ja! Ich habe ein Tor geschossen!<br />
Ein Tor! Ja, ein Tor! Ich habe ein Tor geschossen!“<br />
Und ich dann nur: „George, hör auf! Hör<br />
endlich auf!“ Ich habe ihm gegenüber nie so rumgejubelt,<br />
weil ich wusste, dass ich dann quer durch<br />
den Raum fliege. Verlieren konnten wir alle nicht.<br />
GEORGE: Ist nicht unsere Stärke.<br />
JÉRÔME: Auch in anderen Sportarten nicht. Wir<br />
haben ja alles zusammen gespielt – Basketball, Tischtennis.<br />
Immer um zu sehen, wer was besser kann, und<br />
dann zu sagen: „Guck mal, da bin ich besser drin!“<br />
KEVIN-PRINCE: Dazu gibt es eine klassische Geschichte.<br />
Als Jérôme gesehen hat, dass ich auch mit<br />
links gut spielen kann, hat er sich gesagt: „Ich will<br />
auch mit links gut spielen.“ Und da ist er erst wieder<br />
zurück an die Panke gekommen, als er mit links besser<br />
war als mit rechts. Und dann hat er uns die Bälle um<br />
die Ohren gehauen. Mit links – bumm! Mit rechts –<br />
bumm! Und ich so: „Alles klar, du hast trainiert.“ Und<br />
er so: „Nee, ist angeboren.“ Hahaha.<br />
JÉRÔME: Na klar hatte ich trainiert. Mach ich ja<br />
heute auch noch.<br />
KEVIN-PRINCE: Aber das ist so eine klassische Geschichte,<br />
die zeigt, wie wir uns gegenseitig gefordert<br />
haben. Wenn er was besser konnte, war ich so: „Nee,<br />
nee, nee, ich muss das besser können.“ Und wenn ich<br />
was besser konnte, war es bei ihm genauso. Und<br />
George hat immer dabeigestanden, zugeguckt, wie<br />
wir uns fast die Köpfe eingeschlagen haben. Er meinte<br />
nur: „Macht das mit Respekt!“ Gegeneinander ist<br />
gut, aber wenn es drauf ankommt, füreinander.<br />
GEORGE: Einen besseren Konkurrenten als deinen<br />
Bruder kannst du gar nicht haben. Die beiden<br />
haben sich gegenseitig so stark gemacht, das hätte<br />
sonst kein anderer geschafft. Weil sie sich gegenseitig<br />
was beweisen wollen.<br />
JÉRÔME: Und du?<br />
KEVIN-PRINCE: Der konnte doch alles.<br />
GEORGE: Na, als ich noch Fußball gespielt habe,<br />
war alles noch ein bisschen anders. Ich habe an die<br />
Möglichkeit, Profi zu werden, nicht einmal gedacht.<br />
Und ihr habt ja auch nicht wirklich daran gedacht.<br />
Kevin, du bist doch erst auf den Gedanken gekommen,<br />
als Dieter Hoeneß bei uns zu Hause saß. Und<br />
unsere Mutter wusste damals nicht einmal, wer<br />
Hoeneß ist: „Wer bist du denn, Alter?“, hat sie zu ihm<br />
gesagt. „Na, setz dich da mal hin!“<br />
KEVIN-PRINCE: Wir haben uns damals nicht so<br />
viel mit Fußball beschäftigt, wir haben einfach nur<br />
Fußball gespielt. (Jemand bringt für Jérôme einen Burger.)<br />
Das ist übrigens auch so ein Problem, was wir<br />
immer hatten: Jérôme isst nicht, der frisst. Wenn der<br />
zu Besuch war, war der Kühlschrank hinterher leer.<br />
Also wirklich, der isst morgens ein Toastbrot alleine,<br />
ein ganzes Toast. Ich hab ihn irgendwann nicht mehr<br />
eingeladen, das wurde einfach zu teuer. Aber das woll-<br />
“<br />
PEOPLE<br />
Meine Freundin<br />
sagt: ,Ihr seht euch<br />
überhaupt nicht<br />
ähnlich, aber ihr<br />
bewegt euch genau<br />
gleich. Jérôme läuft<br />
wie du, bewegt seine<br />
Hand wie du, hat<br />
einen Mund wie du‘<br />
”– Kevin-Prince Boateng<br />
36<br />
te ich eigentlich gar nicht erzählen. Wo war ich eben<br />
stehen geblieben?<br />
JÉRÔME: Bei Hoeneß.<br />
KEVIN-PRINCE: Ach ja. Da habe ich das erste Mal<br />
daran gedacht, Profi zu werden.<br />
JÉRÔME: Bei mir war es so, dass mein Vater bei<br />
Hoeneß war.<br />
KEVIN-PRINCE: Also genau andersrum, haha …<br />
JÉRÔME: … aber das war erst ein bisschen später.<br />
GEORGE: Als die beiden durchgestartet sind,<br />
ging mir das viel zu schnell. Das war erst vor zwei,<br />
drei Jahren, dass ich realisiert habe, dass die jetzt richtige<br />
Fußballer sind. Und da hatte ich für <strong>mich</strong> schon<br />
fast abgeschlossen mit dem Fußballthema.<br />
KEVIN-PRINCE: Da warst du schon bei Tattoos.<br />
GEORGE: Das erste Tattoo war ein Schriftzug auf<br />
dem Unterarm, so fängt ja eigentlich jeder an.<br />
KEVIN-PRINCE: Und als ich das gesehen habe,<br />
dachte ich: „Das will ich auch.“ Da war ich erst 16<br />
und musste mir von Mama die Einverständniserklärung<br />
holen. Ich sagte: „Mama, bitte, ich will mir<br />
ein Tattoo machen.“ Sie so: „Ähh …“ Und ich so:<br />
„Doch, bitte, Mama, ich will Tattoo. George hat<br />
auch.“ Dann hat sie Ja gesagt, und das war ihr größter<br />
Fehler, denn ich bin da nicht mehr rausgekommen.<br />
Ich bin wirklich süchtig geworden. Aber ich find es<br />
cool. Ich zeig mein Leben auf meinem Arm. Drei<br />
Tattoos sind bei mir und Jérôme gleich. Er hat auch<br />
einen riesigen Stammbaum auf dem Rücken. Jérôme,<br />
erzähl du doch mal!<br />
JÉRÔME: Mein erstes war das, was die beiden<br />
auch haben, das Ghana-Tattoo. Kevin hat da noch ein<br />
Tribal drumherum …<br />
GEORGE: Was Schrott ist …<br />
KEVIN-PRINCE: Das Tribal?<br />
JÉRÔME: Ja, was Schrott ist.<br />
.
KEVIN-PRINCE: Jetzt kommt es raus. Zehn Jahre<br />
sagen sie mir: „Das sieht voll cool aus!“, und kaum bin<br />
ich weg, lachen sie sich schlapp: „Ey, sieht das Schrott<br />
aus. Und der denkt, der ist top.“<br />
JÉRÔME: Die gleichen Tattoos zu haben ist auf<br />
jeden Fall was Besonderes, das kommt, glaube ich,<br />
auch nicht so oft vor. Überhaupt denke ich, dass wir<br />
viele Gemeinsamkeiten haben: Fußball, Tattoos,<br />
Mu sik.<br />
KEVIN-PRINCE: Kleidung.<br />
JÉRÔME: Genau, Kleidung. Ich muss sagen, dass<br />
ich damit erst ziemlich spät angefangen habe.<br />
KEVIN-PRINCE: Da hast du aber aufgeholt.<br />
JÉRÔME: Ja, da habe ich aufgeholt, aber erst habe<br />
ich mir das vom Kevin abgeguckt. Der hat sich so gut<br />
gekleidet, das passte alles. Und dann war ich oft mit<br />
ihm unterwegs und habe gefragt: „Kann ich das von<br />
dir anziehen?“<br />
KEVIN-PRINCE: Das habe ich übrigens nie wiederbekommen!<br />
Das nur zur Info, haha.<br />
JÉRÔME: Das war doch andersrum genauso. Ich<br />
hatte eine coole Jacke, und dann war die plötzlich weg.<br />
KEVIN-PRINCE & GEORGE: Hahaha!<br />
JÉRÔME: Jedenfalls gehe ich ziemlich gern shoppen,<br />
so ganz normal in Läden mit meinem besten<br />
Freund. Der weiß auch, was mir gefällt. Das geht<br />
dann ganz schnell, meistens probiere ich die Sachen<br />
nicht einmal an.<br />
KEVIN-PRINCE: Da muss er aber seine Brille aufhaben,<br />
sonst kauft er die Sachen immer drei Köpfe<br />
kleiner: „Hä? Das passte doch eben noch!“<br />
JÉRÔME & GEORGE: Haha!<br />
KEVIN-PRINCE: Ja, aber wie er schon gesagt hat, er<br />
hat wirklich später angefangen. Aber der Junge hat<br />
aufgeholt, ich muss jetzt wieder einen Sprung machen.<br />
Allerdings bin ich im Vorteil, ich bin in Mailand.<br />
Meinem großen Bruder schicke ich manchmal<br />
Fotos, wenn ich einen neuen Style habe, und er sagt<br />
so: „Alter, geil! Du bist der Styler!“ Und ich kenne<br />
auch alle Designer, da ruf ich an und sage: „Hör zu,<br />
ich brauche das und das!“ Aber ich mag es trotzdem<br />
immer noch, in die Läden zu gehen. Ich gehe dann<br />
mit meiner Freundin, und dann sitzen wir da zwei,<br />
drei Stunden. Sie zieht sich um, ich ziehe <strong>mich</strong> um,<br />
ich mag das einfach. Bei meinem großen Bruder ist<br />
das genauso. Seine Schuhe müssen immer perfekt zur<br />
Jacke passen. Das haben wir alle so drin.<br />
GEORGE: Wobei ich <strong>mich</strong> gerade mehr mit meinen<br />
Hunden beschäftige. Ich züchte American Bullys,<br />
das sind kleinwüchsige Hunde, die sehen fast so aus<br />
wie Bulldoggen. Ich habe ein schönes Weibchen zu<br />
Hause, jetzt muss ich nur noch warten, bis die bereit<br />
ist, Eier zu legen. Wir haben jetzt ja alle Hunde, er hat<br />
sich auch einen geholt.<br />
JÉRÔME: Ja, ich habe mir auch einen geholt.<br />
KEVIN-PRINCE: Ich sage ja, wir haben von A bis Z<br />
die gleichen Interessen. Wenn du nach Musik fragst<br />
und mein Bruder antwortet, dann sagt er exakt das,<br />
was ich auch geantwortet hätte: Musik, Hunde, Autos,<br />
alles gleich.<br />
GEORGE: Ich kenne ja viele aus Jérômes Freundeskreis<br />
und auch viele von Kevins Freunden. Und<br />
die sagen immer: „Der ähnelt dir so krass!“ Und die<br />
anderen dann: „Du bist echt wie der.“ Das ist extrem.<br />
Darauf bin ich auch sehr, sehr stolz.<br />
KEVIN-PRINCE: Meine Freundin, die die beiden<br />
nur mal kurz getroffen hat, sagt: „Ihr seht euch überhaupt<br />
nicht ähnlich, aber ihr bewegt euch genau<br />
gleich. Jérôme läuft wie du, der bewegt seine Hand<br />
wie du, der hat einen Mund wie du.“ Und das ist ja<br />
PEOPLE/Die Boatengs<br />
“<br />
Mein erstes<br />
Tattoo war das, was<br />
die beiden auch haben,<br />
das Ghana-Tattoo.<br />
Kevin hat da noch ein<br />
Tribal drumherum –<br />
was Schrott ist<br />
”<br />
– Jérôme Boateng<br />
37<br />
keine Sache, die man lernt. Wir sind einfach so – wie<br />
Drillinge. Wir streiten uns natürlich auch oft.<br />
GEORGE: Das ist auch gut, wenn man sich die<br />
Meinung sagt. Früher waren die beiden mehr Jasager<br />
als heute. Da konnte ich denen sagen: „Mach so!<br />
Mach so!“, und dann haben die das auch gemacht.<br />
Aber wenn ich das heute mache, dann sagen die: „Bruder,<br />
ich habe die und die Erfahrung gemacht und<br />
weiß, dass das und das besser ist …“<br />
KEVIN-PRINCE: Womit wir beim Thema sind:<br />
Also die Frisur, die Jérôme neulich mal hatte …<br />
JÉRÔME: Guck dir doch deine Haare an …<br />
KEVIN-PRINCE: Also, als ich einmal seinen Haarschnitt<br />
gesehen habe, da habe ich gedacht: „Oh mein<br />
Gott! Das gibt es doch gar nicht.“ Dabei war der Ansatz<br />
gar nicht mal schlecht, die Seiten waren kurz,<br />
oben war es länger, also der Ansatz war nicht schlecht,<br />
aber die Vollendung ging gar nicht.<br />
JÉRÔME: Was soll ich dazu sagen.<br />
KEVIN-PRINCE: Hey, das ist ja nur mein Geschmack.<br />
Wenn es Jérôme gefallen hat … Er sah nur<br />
aus wie Ace Ventura, hahaha.<br />
JÉRÔME: Ich würde mir auch nicht die Haare<br />
blond machen.<br />
KEVIN-PRINCE: Klar. Aber du hattest die Haare<br />
mal blond.<br />
JÉRÔME: Ja, bei Tennis Borussia. Aber da war ich<br />
ja noch ein Teenager.<br />
Styling CAROLINE LEMBLÉ<br />
Styling-Assistenz RÉKA MARIA PROBST<br />
Foto-Assistenz JULIA VON DER HEIDE<br />
.
L<br />
9<br />
1<br />
.<br />
PHILIP HILIP-LORCA<br />
DICORCIA, CIA, I<br />
KE COL<br />
E, 38 YEARS OLD; LOS ANGELES,<br />
CALIFORNIA;<br />
$25 (D<br />
ETAIL)<br />
, 1990<br />
–92, ©<br />
COURT<br />
ESY OF<br />
THE ARTIST<br />
AND DA<br />
VID ZW<br />
IRNER GALLER<br />
Y, NEW YORK<br />
RK/<br />
LONDON<br />
PHOTOGRAPHS 1975 – 2012<br />
DICORCIA<br />
PHILIP-LORCA DICORCIA<br />
20. JUNI – 8. SEP. 2013<br />
SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT RÖMERBERG 60311 FRANKFURT AM MAIN WWW.SCHIRN.DE DI, FR – SO 10 – 19 UHR, MI + DO 10 – 22 UHR<br />
GEFÖRDER<br />
RDERT DU<br />
RCH<br />
MEDIENPARTNER
JEWELLERY SPECIAL<br />
.<br />
Foto CHRISTIAN FERRETTI<br />
Styling VANESSA CHOW<br />
Äußere WERTE<br />
Innere Werte hat man oder hat man nicht, äußere Werte kann man kaufen. Legt man sein Geld in Schmuck an,<br />
wird man es kaum bereuen. Aber muss sich eine Frau/ein Mann teures Geschmeide immer noch von einem Mann/<br />
einer Frau schenken lassen? Kommt ganz darauf an: Sieht es – wie oben zu betrachten ist – aus wie aus<br />
der Schatzkiste im Märchenbuch, geht es ganz einfach um Spaß – und für den kann man auch selbst sorgen!<br />
Willkommen beim Schmuck-Spezial von INTERVIEW.<br />
39<br />
Ohrringe DIOR, Ringe (v. l.): Blumenringe DIOR<br />
Dreifachring mit blauem Diamanten DAVID YURMAN<br />
Oversized-Diamant- & Blumenring mit<br />
großem Diamanten DIOR Ring mit rechteckigem Stein<br />
DAVID YURMAN Goldener Ring mit Topas POMELLATO
.<br />
Fotos<br />
Christian FERRETTI<br />
Styling<br />
Vanessa CHOW<br />
KARAT<br />
OHRRINGE<br />
DE GRISOGONO<br />
RINGE (V. L.):<br />
GRÜN-BLAUER &<br />
<strong>ORA</strong>NGE-GRÜNER<br />
DIAMANTRING<br />
DE GRISOGONO<br />
RESTLICHE RINGE<br />
POMELLATO<br />
40
JEWELLERY SPECIAL<br />
.<br />
OHRRINGE & ARMREIF<br />
STEPHEN WEBSTER<br />
RINGE (V.L.):<br />
RING MIT TOPAS & RING<br />
MIT MADEIRAQUARZ<br />
POMELLATO<br />
DOPPELSEITIGER RING<br />
VAN CLEEF & ARPELS<br />
RING MIT TOPAS &<br />
RING MIT AMETHYST<br />
POMELLATO<br />
41
.<br />
JEWELLERY SPECIAL<br />
OHRRINGE<br />
DE GRISOGONO<br />
ROSÉGOLD-KETTE<br />
MIT ZIERSTEINEN<br />
BULGARI<br />
RINGE (V.L.):<br />
DIAMANT-BLUMENRING<br />
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WEISSGOLD-BLUMENRING<br />
MIT TURMALIN<br />
CARTIER<br />
DIAMANT-BLUMENRING<br />
CHANEL<br />
RING MIT RECHTECKIGEM STEIN<br />
DAVID YURMAN<br />
RING MIT AMETHYST<br />
POMELLATO<br />
Hair TAMARA McNAUGHTON/<br />
HOME AGENCY FOR LEONOR GREYL<br />
Make-up KRISTI MATAMOROS<br />
FOR CK ONE COLOR<br />
Manicure YUKO TSUCHIHASHI<br />
Model JULIA HAFSTROM/IMG<br />
Photo Assistants ALEX VALERIO,<br />
JEREMY SMITH<br />
Styling Assistant NICOLA BURNAGE<br />
Hair Assistant CHRISTIAN SALAZAR<br />
Make-up Assistant ELLEN GUHIN<br />
42
Glashütte Original – mehr als 165 Jahre deutsche Uhrmacherkunst.<br />
PanoMaticLunar<br />
.<br />
Die PanoMaticLunar. Asymmetrische Harmonie. Eingebettet in ein puristisches Gesamtdesign präsentieren sich die dezentralen Anzeigen auf elegante<br />
Art und Weise. Charakteristisch für diesen edlen Zeitmesser ist eine kunstvoll mit Mond und Sternen dekorierte Scheibe, auf der die Mondphase ablesbar<br />
ist. Erfahren Sie mehr unter www.glashuette-original.com. Wir laden Sie ein, unsere iPhone-Applikation vom App Store herunterzuladen.<br />
Glashütte Original Boutique ∧ QF, Quartier an der Frauenkirche ∧ Töpferstraße 4 ∧ 01067 Dresden<br />
Tel. +49 (0)351 82 12 59 70 ∧ E-mail: Boutique.Dresden@glashuette-original.com
DIESE SEITE:<br />
UHREN (V. O.):<br />
TAG HEUER<br />
HUBLOT<br />
WEMPE<br />
KUGEL AUS MURANOGLAS<br />
PRIVAT<br />
BUCH<br />
A: A NOVEL<br />
VON ANDY WARHOL<br />
RECHTE SEITE:<br />
UHR<br />
ROLEX<br />
BUCH<br />
GRACE VON<br />
GRACE CODDINGTON<br />
JEWELLERY SPECIAL<br />
.<br />
44
10:10<br />
JEWELLERY SPECIAL<br />
.<br />
Fotos<br />
Ragnar SCHMUCK<br />
Produktion<br />
Stephan MEYER<br />
45
.<br />
JEWELLERY SPECIAL<br />
UHR<br />
PATEK PHILIPPE<br />
SONNENBRILLE<br />
MAISON<br />
MARTIN MARGIELA<br />
BUCH<br />
FIFTH AVENUE, 5 A.M.<br />
VON SAM WASSON<br />
46
JEWELLERY SPECIAL<br />
.<br />
DIESE SEITE:<br />
UHREN (V. L.):<br />
GUCCI<br />
IWC<br />
JAEGER-LECOULTRE<br />
KAMERA<br />
OLYMPUS<br />
GLÄSER<br />
HOLMEGAARD<br />
BUCH<br />
THIS SIDE OF PARADISE<br />
VON F. SCOTT FITZGERALD<br />
RECHTE SEITE:<br />
UHREN (V. O.):<br />
CHOPARD<br />
CARL F. BUCHERER<br />
SCHLÜSSELANHÄNGER<br />
HERMÈS<br />
BUCH<br />
ARTFUL VON ALI SMITH
.<br />
JEWELLERY SPECIAL<br />
UHREN (V. O.):<br />
HERMÈS<br />
JUNGHANS<br />
BODYGEL<br />
AESOP<br />
BUCH<br />
SEX IS FORBIDDEN<br />
VON TIM PARKS<br />
WÜRFEL & WÜRFELBOX<br />
PRIVAT<br />
50
.<br />
Die wichtigsten Schauen,<br />
die besten Partys &<br />
die interessantesten Gespräche.<br />
live auf<br />
Die<br />
komplette<br />
BERLIN<br />
FASHION<br />
WEEK.<br />
Ab 2. Juli<br />
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JEWELLERY SPECIAL<br />
UHREN (V. O.):<br />
DIOR HORLOGERIE<br />
OMEGA<br />
BECHER & UNTERTASSE<br />
HERMÈS<br />
FERNGLAS<br />
PRIVAT<br />
BUCH<br />
WISH YOU WERE HERE<br />
VON STEWART O’NAN<br />
52
VORTEILS-<br />
ABONNEMENT<br />
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Bis zu<br />
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gespart*<br />
*10 AUSGABEN<br />
INTERVIEW TWIN für 18€<br />
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mit Geschenk<br />
IHRE<br />
GESCHENK-<br />
AUSWAHL!<br />
Gilt nur für INTERVIEW im XXL-Format<br />
G-SHOCK & BABY-G<br />
G-SHOCK entstand aus der Idee und dem Wunsch,<br />
eine unzerstörbare Uhr zu erschaffen.<br />
Die Ingenieure von CASIO folgten dem TRIPLE 10 Konzept,<br />
welches beinhaltete, dass die Uhr einen Sturz aus<br />
10 Metern Höhe überstehen, 10 Bar Wasserdruck aushalten<br />
und mit nur einer einzigen Batterie eine Laufzeit<br />
von 10 Jahren habe sollte.<br />
www.g-shock.eu/de/ und www.baby-g.eu/de/<br />
ODER<br />
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ARMBAND<br />
CARTIER<br />
.
S/he<br />
Fotos<br />
Anna BAUER<br />
Styling<br />
Felicia GARCIA-<br />
RIVERA<br />
.
PERLENKETTE<br />
MIKIMOTO<br />
JEWELLERY SPECIAL<br />
.
RING<br />
DIOR<br />
JEWELLERY SPECIAL<br />
.
JEWELLERY SPECIAL<br />
.<br />
DIESE SEITE:<br />
RING<br />
DE GRISOGONO<br />
LINKE SEITE:<br />
KETTE<br />
CHOPARD<br />
61<br />
Hair EDWARD LAMPLEY FOR BUMBLE AND BUMBLE<br />
Make-up KRISTI MATAMOROS/KATE RYAN INC.<br />
FOR CK ONE COSMETICS<br />
Manicure JACKIE SAULSBERRY/KRAMER + KRAMER<br />
Models DARLINDA, ZOE WEST, BAPTISTE RADUFE/<br />
VNY MODEL MANAGEMENT<br />
Casting SAMUEL ELLIS SCHEINMAN FOR DMCASTING<br />
Lighting Technician JOHN ENGSTROM<br />
Styling Assistant RYANN FOULKE<br />
Production G<strong>ORA</strong>N MACURA
.<br />
WOW!<br />
Mario SORRENTI<br />
Wer schon immer wissen<br />
wollte, wie es im Gehirn<br />
eines der wichtigsten<br />
Fashionfotografen der Welt<br />
aussieht (ohne es aufzusägen),<br />
kann nun darin<br />
rumblättern:<br />
Mario<br />
SORRENTI<br />
veröffentlicht<br />
DRAW BLOOD FOR PROOF, STEIDL VERLAG<br />
im Steidl Verlag sein Buch<br />
Draw Blood For Proof,<br />
und wer denkt, SORRENTI hätte einfach nur eine Werk-<br />
schau abgeliefert, liegt völlig falsch. Der 41-jährige Italiener hat einmal durch<br />
seine Bildarchive gepflügt, von ersten Arbeiten als Student bis zu neuen Fashion-<br />
Shoots, und so einen großartigen, collagenhaften Bildersturm heraufbeschworen.<br />
62<br />
Fotos: Draw Blood For Proof by Mario Sorrenti, ISBN 978-3-86930-303-1, © 2013 for photographs, Mario Sorrenti,<br />
© 2013 Steidldangin Publishers, www.steidl.de; Swarovski by Shourouk; Chris Brooks (2); Moschino Cheap and Chic; Hublot
1<br />
RETROMANIA.<br />
DINGE VON<br />
GESTERN<br />
FÜR HEUTE<br />
TROCKENSHAMPOO<br />
Von all den Haarpflegemitteln, die der<br />
Haarpflegemittelmarkt zu bieten hat,<br />
genießt das Trockenshampoo den schlechtesten<br />
Ruf. Da bei der Anwendung nicht<br />
einmal Wasser im Spiel ist, lässt sich beim<br />
Gebrauch dieses Produktes auch nur bedingt<br />
von einer Haarsäuberung im eigentlichen<br />
Sinne sprechen. Besonders in den<br />
Siebzigern hatte das Trockenshampoo ein<br />
vorläufiges Beliebtheitshoch, was jedoch<br />
nicht an einer flächendeckenden<br />
Wasserknappheit gelegen haben kann,<br />
zumindest ist keine überliefert.<br />
Wahrscheinlicher ist vielmehr, dass der<br />
Trockenshampooverbrauch unmittelbar<br />
mit der Haarlänge korrelierte.<br />
Und seitdem die wieder zunimmt,<br />
ist auch der nächste Punkt höchst<br />
aktuell.<br />
WOW!<br />
OBEN:<br />
BÖSE KARTE<br />
INKLUSIVE<br />
KATZENSCHMÄ -<br />
HUNG VON<br />
MR. BINGO<br />
UNTEN:<br />
GEMEINE<br />
PERSÖNLICHE<br />
BELEIDIGUNG<br />
VON MR. BINGO<br />
.<br />
BONG RAUCHEN<br />
Endlich! Nachdem das Nachlegen von<br />
Kokain in den Nullern fast so attraktiv war<br />
wie in den Siebzigern das trockenweiße<br />
Puder in der Frisur, ist in den Zehnerjahren<br />
endlich wieder Zeit runterzukommen. Als<br />
Alternative zu empfehlen: Eimer rauchen,<br />
Badewanne rauchen, Pool rauchen oder See<br />
rauchen.<br />
PICKNICKEN<br />
Wer am See eine Bong raucht oder statt<br />
einer Bong am See einen Pool, wird über<br />
kurz oder lang Hunger bekommen, was<br />
zumindest in dieser Saison die Picknickausrüstung<br />
un verzichtbar macht. Aber was<br />
packt man ein? Kaffee oder Cidre? Okay,<br />
Cidre, aber wo bekommt man guten zu<br />
kaufen? Was, wenn jemand keinen Cidre<br />
mag? Brötchen oder Croissant? Das Leben<br />
unter freiem Himmel macht das Leben als<br />
solches nicht einfacher.<br />
FKK<br />
Da wir diesen Sommer sowieso nichts anderes<br />
tun, als mit trockenshampooniertem<br />
Haar auf der Picknickdecke Bong rauchend<br />
am See zu sitzen, dann ganz klar nackt.<br />
großes<br />
SCHRAMME<br />
Ganz GE<br />
M<br />
GESCHRAMMEL ME L<br />
GEHEIME<br />
SCHÄTZE<br />
Die Designerin Shourouk<br />
Rhaiem hat sich für die<br />
Swarovski-Kollektion<br />
„Secret Treasures“<br />
auf die Routen der<br />
Seidenstraße von<br />
China bis Venedig<br />
begeben<br />
und überall<br />
gelagert, wo<br />
es glitzert<br />
und funkelt.<br />
MIT UNFREUNDLICHEN GRÜSSEN<br />
Stellen Sie sich vor, Sie fi schen eines Morgens eine hübsch<br />
illustrierte Postkarte aus dem Briefkasten, die Sie nachhaltig<br />
beleidigt. Absender: Mr. Bingo. Initiator der Sendung:<br />
Sie selbst. Mr. Bingo schreibt gemeine Postkarten an seine<br />
Auft rag geber und macht sie damit glücklich.<br />
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, fremde Leute auf dem Postweg zu<br />
beleidigen? Eines Abends saß ich betrunken in meinem Studio und<br />
habe getwittert: „Die erste Person, die auf diesen Tweet antwortet,<br />
bekommt eine beleidigende Postkarte geschickt.“ Nach einer Minute<br />
hatte ich 50 Antworten. Die erste Nachricht ging an einen<br />
gewissen Jonathan Hopkins: „Fuck you, Jonathan, and fuck your<br />
fuckin’ shitlegs, too.“ Dazu habe ich ein paar dicke, abgeschnittene<br />
Beine gezeichnet. Ich dachte, das Ganze sei nur eine Suff-Idee,<br />
aber nachdem ich ein Foto der ersten Postkarte ins Netz gestellt<br />
hatte, bekam ich immer mehr Anfragen. Also habe ich einen Onlineshop<br />
für „Hate“-Mails eingerichtet. – Mittlerweile haben Sie über<br />
500 Karten verschickt. Wie viel muss man zahlen, um sich von Ihnen<br />
beschimpfen zu lassen? Anfangs waren es 5 Pfund für ein handsigniertes<br />
Kunstwerk. Inzwischen hat jemand 200 Pfund für eine Karte<br />
bezahlt. – Welche Beleidigung mögen Sie am liebsten? Am meisten mag<br />
ich: „Give up on your unrealistic dreams.“ Dieser Spruch trifft auf<br />
fast jeden zu.<br />
Als Musiker ist es schwer,<br />
im Gespräch zu bleiben. Mit<br />
der Tasche von Moschino Cheap and Chic können<br />
Sie zwar keine Gitarre transportieren, dafür<br />
werden Sie auf Ihre musikalische Expertise<br />
angesprochen und können bei jeder Begegnung<br />
charmant das Thema auf sich lenken.<br />
Klare ANSAGE<br />
Die Grenzen zwischen männlicher und weiblicher<br />
Ästhetik sind ein einziges Kuddelmuddel.<br />
Wenigstens auf die Uhrenhersteller ist noch Verlass.<br />
Diese skelettierte Uhr von Hublot ist schwarz, hat<br />
ein Gehäuse aus Keramik und ein Armband aus<br />
Alligator leder. Kurz: Sie ist der Hummer SUV unter<br />
den Uhren, kostet aber nur so viel wie ein Kleinwagen.<br />
Welcher Mann kann dazu schon Nein sagen?<br />
63<br />
KLAPPE, Clutch, KLATSCHEN<br />
Manchmal passieren ja die verrücktesten Dinge: Ein Regisseur<br />
spricht Sie auf der Straße an und möchte, dass Sie in einer Szene<br />
seines neuesten Films mitwirken. Leider hat er gerade keine<br />
Filmklappe dabei. Das Vorhaben droht zu scheitern. Doch halt:<br />
Sie zücken Ihre „Charlotte Olympia“-Clutch im Klappenformat,<br />
und Ruhm, Ehre und Applaus werden Ihnen gewiss sein.
JEREMY SCOTT<br />
Kappe, die erste<br />
„The Arab Spring” heißt Jeremy Scotts aktuelle Kollektion.<br />
Die dazugehörigen Kappen erscheinen nun<br />
exklusiv bei der amerikanischen New Era Cap<br />
Company. Straußen-, Schlangen-<br />
und Krokodillederoptik<br />
treffen auf<br />
Bitte in diesen Schuhen von Dolce & Gab -<br />
bana nur im Garten auf Polstern herumliegen.<br />
Aber das den ganzen Sommer lang.<br />
Goldener KÄFIG<br />
Kunstleder und<br />
Canvas. Und<br />
das sieht<br />
nicht nur auf<br />
blonden<br />
Locken<br />
fantastisch<br />
aus.<br />
Foto<br />
SCHMIDT & GORGES<br />
Styling<br />
INGO NAHRWOLD<br />
Jeanshemd<br />
7 FOR ALL<br />
MANKIND<br />
WOW!<br />
64<br />
Fast schon von musealer Schönheit sind die Sonnenbrillen der Berliner<br />
Manufaktur R.T.CO in farbiger Marmoroptik. Wäre Michelangelo ein<br />
Hipster gewesen, hätte er seinen Skulpturen diese Brillen aufgesetzt.<br />
+++<br />
Jeremy Scott,<br />
Klappe,<br />
die zweite:<br />
Für die Firma<br />
CYBEX hat der<br />
bekennende<br />
S t r a m p e l a n z u g-<br />
träger einen<br />
Kinderwagen<br />
entworfen, in<br />
dem er selbst<br />
am allerbesten<br />
aussehen würde.<br />
Das fröhliche<br />
J u n k f o o dd e s i g n<br />
des Wagens<br />
mit Eistüten und<br />
Pizzen<br />
finden Kinder<br />
lustig. Und<br />
Eltern<br />
praktisch,<br />
da es als<br />
Tarnbezug<br />
das notorische<br />
Gematsche<br />
des Nachwuchses<br />
wunderbar<br />
kaschiert.<br />
+++<br />
IN STEIN<br />
GE-<br />
MEISSELT<br />
Blühende LANDSCHAFTEN<br />
Diese Gartentasche von Prada ist so chic, dass sie nur Menschen zu<br />
empfehlen ist, die entweder über einen Gärtner verfügen, der ihre<br />
Ländereien pflegt, oder die nur einen winzigen Balkon ihr Eigen nennen,<br />
auf dem man ab und zu ein welkes Blatt mit der Schere abschneiden kann.<br />
Alle anderen Konstellationen von Natur und Eigenarbeit sind ungeeignet,<br />
denn wenn sich eins an dieser Tasche nicht gut macht, dann ist es Schmutz.<br />
AUF IN DEN GARTEN, WO BLUMEN UND STRÄUCHER AUF UNS WARTEN,<br />
DIE SCHÖNER SIND ALS JEDER BROKATVORHANG<br />
MEINE WELT<br />
Chanel macht’s möglich: Die Welt wird Ihr<br />
Spielball, Sie können Sie überallhin mitnehmen<br />
und stopfen in sie rein, was auch immer Ihnen in<br />
den Kram passt. Das perfekte Accessoire für alle<br />
Größenwahnsinnigen.<br />
.<br />
Fotos: Schmidt & Gorges, Styling: Ingo Nahrwold/Bigoudi, Make-up: Loni Baur/Ballsaal mit Produkten von Chanel, Haare: Tom Kroboth/Bigoudi mit Produkten von Aveda, Maniküre: Manuela Schwozer/bei Ballsaal, Casting: Jürgen Schabes, Set-Styling: Uli Dexheimer, Model: Miha/pma.org, Foto-Assistenz: Alexander Knöll, Post-Production: Sevengreen; R.T.CO; Prada; Dolce & Gabbana;<br />
Chanel; Lanvin; Tamara Comolli; Alexander McQueen; Promise by Kim/Wempe; Cartier; Roger Vivier; Walter Steiger; Tiffany & Co.
.<br />
LOVE,<br />
HAPPY,<br />
COOL<br />
Verblüffend, dass die wichtigen Worte der<br />
Menschheit alle kurz sind: Love, Happy<br />
und Cool zum Beispiel. Trockenshampoo<br />
gehört nicht dazu, weswegen die<br />
Schmuckdesigner bei Lanvin sich auf<br />
das Wesentliche konzentrieren.<br />
WOW!<br />
SYLT und HAMPTONS<br />
Zusammen mit Michelle Hunziker gehört die<br />
Schmuckdesignerin Tamara Comolli zu<br />
unseren Lieblingsblondinen. Tatsächlich<br />
sehen beide so aus, als würden sie ihre<br />
Tage an den schönsten Stränden der<br />
Welt verbringen. In Wirklichkeit<br />
arbeiten sie hart. Die feinen und<br />
lässigen Preziosen von Tamara<br />
Comolli unterstreichen dennoch<br />
den Urlaub-für-immer-Look.<br />
ARMBÄNDER<br />
VON TAMARA COMOLLI<br />
AUS TAHITI-PERLEN<br />
Wem<br />
die STUNDE<br />
schlägt<br />
Kurz vor der Geburt ihrer<br />
Zwillinge widmete sich Alexander<br />
McQueens Creative<br />
Director Sarah Burton einem<br />
gravitätischen Thema:<br />
dem Exzess der katholischen<br />
Kirche. Mit perlenverzierten<br />
Kopfkäfigen<br />
defilierten von Nonnen,<br />
Priestern, Kardinälen und<br />
Kommunionkindern<br />
inspirierte Models in subversiv<br />
verschnürter<br />
Schönheit über den Laufsteg.<br />
Dieser Kirche möchte<br />
man sofort beitreten.<br />
LOVE RINGS „PROMISE” BY KIM<br />
KEUSCH<br />
UND VERDORBEN<br />
ZUGLEICH:<br />
DIE KOPFKÄFIGE<br />
VON McQUEEN<br />
Glitzerlockenpracht<br />
Pudel sind die Ausgeburt von Eleganz: Sie gehen ständig<br />
zum Friseur, haben einen stolzen Gang und wohnen<br />
meist in den besseren Stadtvierteln. Höchste Zeit<br />
also, dass<br />
Cartier diesem wolligen<br />
Snob eine<br />
Diamantenbrosche<br />
widmet.<br />
EXKLUSIV VON<br />
CARTIER FÜR<br />
DEN NEUEN<br />
GRACE-<br />
KELLY-FILM<br />
MIT NICOLE<br />
KIDMAN<br />
IN GRÜN: ROGER VIVIER, IN ROT: WALTER STEIGER<br />
65<br />
,<br />
Machen<br />
Sie einen<br />
Punkt, und setzen<br />
Sie ein Komma!<br />
Die Schuhe im Satzzeichenlook<br />
gehören<br />
ab sofort zur allgemeinen<br />
Fashion-Grammatik.<br />
FÜR IMMER UND EWIG<br />
Alle Treueschwüre lassen sich in dieser Währung<br />
aufwiegen: den „Promise“-Ringen BY KIM aus dem<br />
Hause Wempe. Mehrere davon übereinanderzutragen<br />
ist kein Zeichen von Bigamie, sondern von<br />
noch tieferer Verbundenheit.<br />
Circulus<br />
Romanus<br />
Der Armreif aus der neuen „Atlas“-<br />
Kollektion von Tiffany & Co. mit<br />
römischen Ziffern steht auch<br />
Leuten ohne Latinum und ist ab<br />
Ende August erhältlich.
.<br />
FOR<br />
YOUR<br />
EYES ONLY<br />
WOW!<br />
DAS unendliche<br />
ARMBAND<br />
Für dieses sogenannte Bettelarmband aus der Kollektion „My little<br />
World“ von Ole Lynggaard Copenhagen muss man lange arbeiten<br />
gehen. Knapp 60 verschiedene Anhänger gibt es in allen<br />
erdenklichen Designs, und – ob schlicht oder brillantenbesetzt<br />
– wer einmal anfängt, kann<br />
nicht mehr aufhören.<br />
Die Reihe „Tiere, die die Welt bisher nicht<br />
kennt, aber unbedingt braucht“ wurde<br />
jetzt von Fendi um einen unschlagbaren<br />
Beitrag bereichert. Diese<br />
kuschelige Kreatur war in<br />
ihrem vorherigen<br />
Leben ein Fuchs und ein<br />
Nerz. Nun ist sie eine<br />
Muppet-Eule und so<br />
schön, dass man<br />
sie sogar nach Athen<br />
tragen darf.<br />
2<br />
1<br />
DER SCHMUCK<br />
VON<br />
DELFINA DELETTREZ<br />
KITZELT DAS<br />
UNTERBEWUSSTSEIN<br />
Der TAG am<br />
MEER<br />
So wie jedes Sandkorn, jeder Seestern<br />
und jedes Krustentier ist auch<br />
dieser Ring aus der „Le Coffret de<br />
Victoire“-Kollektion von Dior Haute<br />
Joaillerie ein Einzelstück. Aus Weißgold,<br />
Roségold, Korall-Amethyst, Saphiren<br />
und Tsavorit-Granate gefertigt, sollte<br />
man ihn allerdings ausschließlich zu After-<br />
Beach-Aktivitäten tragen.<br />
Vierte Generation Fendi, hallo! Delfina Delettrez<br />
ist einer der jüngsten Sprösse des großen italienischen Clans<br />
und bringt unter ihrem Namen eine eigene Schmuck kollektion<br />
heraus. Inspiriert von den Surre alisten, trägt man Herzen um den Hals (1),<br />
Lippen an den Ohren (2) oder Augen am Handgelenk (3).<br />
TOTAL SURREAL<br />
ALLE SCHMUCKSTÜCKE (1–3)<br />
GESEHEN BEI<br />
STYLEBOP.COM<br />
3<br />
Stone-<br />
FLOWER<br />
Nie wieder Sklave seiner Termine<br />
sein! Wer sich nicht stressen<br />
lassen will, schiebt die Blume über<br />
das Zifferblatt und freut sich über<br />
das hübsche Armband. Die „Tambour<br />
Bijou Secret“-Uhr von<br />
Louis Vuitton erscheint<br />
jetzt in einer neuen<br />
Farbpalette mit fünf<br />
verschiedenen, perfekt<br />
aufeinander abgestimmten<br />
Edelsteinen. Für Frauen, die<br />
selbst entscheiden wollen, ob sie<br />
wissen möchten, wie spät es ist.<br />
Fotos: Fendi; Ole Lynggaard Copenhagen; Delfina Delletrez/Stylebop.com (4); Dior Haute Joaillerie; Louis Vuitton<br />
66
.<br />
TWIN<br />
Jetzt auch als<br />
ePaper und im<br />
TABLET-Format<br />
Jetzt NEU!<br />
INTERVIEW TWIN –<br />
Das INTERVIEW-Magazin jetzt auch im TABLET-Format<br />
inklusive ePaper für 3 Euro<br />
An allen Bahnhöfen und Flughäfen<br />
Sie erhalten beim Kauf von INTERVIEW TWIN zusätzlich auch<br />
die digitale Ausgabe (ePaper) im Wert von 1 Euro.<br />
Einfach den achtstelligen Code eingeben, runterladen und<br />
INTERVIEW digital lesen und erleben.<br />
www.interview.de/TWIN
.<br />
Juli<br />
IM LANDEANFLUG:<br />
KEINE PANIK,<br />
DIESE INSEKTEN BEISSEN<br />
NICHT<br />
Fotos<br />
Benedict BRINK<br />
Styling<br />
Clare BYRNE<br />
1<br />
2<br />
4<br />
Diese Seite:<br />
1 Brosche ROBERTO CAVALLI Top CLOSED<br />
2 Brosche LANVIN Strickjacke EMPORIO ARMANI<br />
3 Brosche DRIES VAN NOTEN Top & Jacke<br />
CARVEN Rock PRADA<br />
4 Broschen & Ohrringe ROBERTO CAVALLI<br />
Pullover DRIES VAN NOTEN<br />
Rechte Seite:<br />
1 Brosche DRIES VAN NOTEN Top MIU MIU<br />
2 Broschen & Ohrringe ROBERTO CAVALLI<br />
Pullover DRIES VAN NOTEN<br />
3
FASHION<br />
.<br />
1<br />
2<br />
Model ELINOR WEEDON/WOMEN MANAGEMENT<br />
Hair TAKASHI YUSA<br />
Make-up AYA KOMATSU<br />
Casting SAMUEL ELLIS SCHEINMAN FOR DMCASTING<br />
Photo Assistant ANDREAS ALTAMIRANO<br />
Styling Assistant CHRIS LEE<br />
69
FASHION<br />
.<br />
CALIFORNICATION<br />
FOTOS SEBASTIAN MADER STYLING MIGUEL ENAM<strong>ORA</strong>DO<br />
Obere Reihe (v. l.): Jeans ARMANI JEANS Alle Accessoires FENDI / Jeans TOPMAN Gürtel, Uhr, Armband & Schlüsselanhänger GUCCI Börsenkette CHROME<br />
HEARTS / Jeans DIESEL Gürtel & Uhr CHANEL / Jeans A.P.C. Gürtel, Uhr & Kartenetui DIOR HOMME Armreif GILES & BROTHER Ring EDDIE BORGO Börsenkette<br />
ALEXANDER WANG<br />
Untere Reihe (v. l.): Jeans 7 FOR ALL MANKIND Gürtel, Sonnenbrille & Uhr DOLCE & GABBANA Armreif SAINT LAURENT BY HEDI SLIMANE Ring (Vintage) CARTIER /<br />
Jeans LEVI’S Gürtel, Uhr & iPhone-Hülle HERMÈS Armreif DEZSO Ring (Vintage) CARTIER / Jeans TOPMAN Gürtel, Sonnenbrille & Uhr LOUIS VUITTON Feuerzeug<br />
ZIPPO Schlüsselanhänger KENZO / Jeans HUDSON JEANS Gürtel, Armband & Tuch VERSACE Armreife EDDIE BORGO und MIANSAI Uhr OMEGA Feuerzeug ZIPPO
.<br />
… Na Logo: ausgewaschene Jeans, Gürtel mit Botschaft und schicke Uhren,<br />
damit das Leben schön im Zeichen der Zeit verläuft. Fehlt eigentlich nur noch<br />
das passende Cabrio, aber das haben wir ja am Strand geparkt<br />
Make-up JUNKO KIOKA/JOE MANAGEMENT<br />
Manicure CASEY HERMAN/KATE RYAN INC. FOR CHANEL<br />
Models VERA CASAGRANDE/PARTS MODELS, SHANE DUFFY/PARTS MODELS<br />
Casting SHAWN DEZAN/KCD, INC.<br />
Retouching SILHOUETTE STUDIO<br />
Special thanks FAST ASHLEYS<br />
71
.<br />
Taschen von links nach rechts:<br />
PRADA (dunkelbraun), MULBERRY (hellbraun),<br />
LONGCHAMP (rot), MCM (mit Logo-Prägung),<br />
BALENCIAGA (blau), gesehen bei mytheresa.com,<br />
LOUIS VUITTON (orange), GUCCI (schwarz),<br />
BURBERRY PRORSUM (mit Karomuster)<br />
Outfit: Jacke & Hose ACNE, Schuhe DIOR<br />
FASHION<br />
Styling INGO NAHRWOLD/BIGOUDI<br />
Make-up LONI BAUR/BALLSAAL<br />
MIT PRODUKTEN VON CHANEL<br />
Haare TOM KROBOTH/BIGOUDI<br />
MIT PRODUKTEN VON AVEDA<br />
Casting JÜRGEN SCHABES<br />
Set-Styling ULI DEXHEIMER<br />
Model CHARLOTT CORDES/MODELMANAGEMENT<br />
Maniküre MANUELA SCHWOZER/BALLSAAL<br />
Foto-Assistenz ALEXANDER KNÖLL<br />
Post-Production SEVENGREEN<br />
DIE EINEN GEHEN ZUM<br />
YOGA, DIE ANDEREN<br />
FAHREN ÜBERS<br />
WOCHENENDE AUFS<br />
LAND: HAUPTSACHE,<br />
DAS REISEGEPÄCK<br />
STIMMT<br />
Happy<br />
WEEKEND<br />
Fotos<br />
SCHMIDT & GORGES<br />
Styling<br />
INGO NAHRWOLD
FASHION<br />
.<br />
73
KULTUR<br />
Club to Catwalk<br />
Die Musealisierung der Jugendkultur geht mit großen Schritten voran. David Bowie: abgehakt.<br />
Punk: ebenfalls. Der nächste Schritt: New Wave im London der frühen Achtziger. Wo? Im Victoria<br />
& Albert Museum, wo auch Bowie bis August noch in der Vitrine liegt. Club to Catwalk: London<br />
Fashion in the 1980s (10. Juli bis 16. Februar 2014) zeigt, was Adam Ant bei der 2Arbeit trug und<br />
John Galliano schneiderte, bevor er zu Weltruhm kam.<br />
Ed Ruscha<br />
Als einen Freund der gepflegten<br />
Bleistiftzeichnung präsentiert<br />
das Kunstmuseum Basel den Künstler<br />
Ed Ruscha in der Schau Los Angeles<br />
Apartments (bis 29. September).<br />
Zu sehen: Apartmenthäuser aus<br />
Los Angeles – und zwar nicht<br />
von innen, sondern von außen, wobei sich nicht<br />
leugnen lässt, dass Fotos ihm als Vorlage dienten.<br />
DIE FORMEL SUPERMAN Die Komponenten, aus denen sich der größte Superheld aller Zeiten zusammensetzt<br />
BATMAN<br />
(MUSKELMANN)<br />
ALLES<br />
SO SCHÖN<br />
BUNT HIER<br />
SCARLETT IN BODYMAP<br />
- : x<br />
+ =<br />
FLEDERMAUS<br />
(NACHTAKTIVITÄT)<br />
AUS DER KOLLEKTION THE CAT IN THE HAT<br />
TAKES A RUMBLE WITH THE TECHNO FISH, 1984<br />
HORNBRILLE<br />
(MASKIERUNG)<br />
CAPTAIN AMERICA<br />
(HILFSBEREITSCHAFT)<br />
74<br />
Anschauen!<br />
FILME<br />
„WORLD WAR Z“<br />
Wenn einer in der Lage ist, unsere Zivilisation vor<br />
dem Untergang zu retten, dann Brad Pitt. Tapfer<br />
stellt sich das weltweit beliebteste Chanel-No. 5-Model<br />
Millionen von Zombies entgegen und macht sie<br />
so schnell tot, dass die darüber ganz vergessen, dass<br />
sie ja eigentlich längst tot sind (ab 27. Juni).<br />
„FLIEGENDE LIEBENDE“<br />
Anspielungsreiche Allegorie auf die Wirtschaftskrise<br />
Spaniens, die als Komödie aus dem Flugbegleitermilieu<br />
erzählt wird. Auf der Strecke Madrid–Mexiko-Stadt<br />
treten technische Schwierigkeiten auf, die<br />
Passagiere in der Economy werden mit Schlaftabletten<br />
ruhig gestellt, und in der Businessclass nimmt<br />
man Mescalin, während die lustigen Stewards zu den<br />
Pointer Sisters tanzen und sich gegenseitig überall<br />
anfassen (ab 4. Juli).<br />
„ONLY GOD FORGIVES“<br />
Kristin Scott Thomas spielt die übelste Mutter der<br />
Filmgeschichte, ihr Sohn Ryan Gosling spricht vor<br />
lauter Angst nur 17 Sätze, ungefähr doppelt so viele<br />
Leute werden auf möglichst viehische Weise abgeschlachtet.<br />
Und zwar immer schön langsam, wobei<br />
langsam nicht nur langsam ist, sondern noch viel<br />
langsamer, als man sich vorstellen mag: nämlich<br />
Hier-bewegt-sich gar-nichts-Langsam. Ganz klar<br />
das Date-Movie des Sommers (ab 18. Juli).<br />
HAT NICHTS ZU SAGEN: RYAN GOSLING<br />
„THIS IS THE END“<br />
Im Kern geht es darum, dass James Franco eine<br />
Party feiert, bei der dann aber Außerirdische<br />
auf tauchen und Unheil anrichten, bei dem u. a.<br />
Rihanna stirbt, und am nächsten Morgen sitzen<br />
dann Seth Rogen und Jonah Hill bei Franco fest,<br />
und es gibt nur ein Milky Way zu essen:<br />
Drama (ab 8. August).<br />
TELEFONZELLE<br />
(UMKLEIDEKABINE)<br />
SUPERMAN<br />
.<br />
Fotos: Bodymap, A/W 1984, Cat in the hat takes a rumble with a techno fish. Model: Scarlett Cannon, 1985, © 1985 Monica Curtin; Tiberius Film; Ed Ruscha, Bronson Tropics, 1965, The Cleveland Museum of Art, © Ed Ruscha; Cinetext Bildarchiv; ddp images; Karsten Thormaehlen/mauritius images; Getty Images; UNITED ARCHIVES; George Condo, Lingerie Model, 2013,<br />
Ink & gesso on paper (two sheets) 60 1/2 x 82 1/4 inches, (153,7 x 208,9 cm) © George Condo 2013/VG Bild-Kunst, Bonn, 2013, Courtesy of the Artist and Skartedt Gallery, New York; Stefan Milev; MTV; Paper Weight, Stapel von für die Ausstellung ausgewählten Magazinen, © Matthu Placek
Runterladen!<br />
SERIEN<br />
ZITAT<br />
„KE$HA: MY CRAZY BEAUTIFUL LIFE“<br />
Ke$ha ist von Beruf Popstar, weshalb sie von Berufs<br />
wegen ein schönes Leben führt, das außerdem<br />
ziemlich verrückt ist – so verrückt, dass sie eine<br />
Reality-Serie hat, die ihr schönes und verrücktes<br />
Leben dokumentiert. Was da passiert: Ke$ha geht<br />
auf Tour, Ke$ha schleppt einen Typen ab, Ke$ha<br />
pullert in eine Plastikflasche und trinkt ihren Urin.<br />
Weiter so!<br />
„THE SHOW WITH VINNY“<br />
Jetzt, da es Jersey Shore nicht mehr gibt, hat sich<br />
Vinny als Talkmaster neu erfunden, obwohl in seiner<br />
Show weniger getalkt wird als gekocht und gegessen,<br />
wobei es helfen würde, wenn Vinny kochen könnte<br />
oder seine Gäste Hunger hätten – egal. Zu Gast sind<br />
jedenfalls Leute wie A$AP Rocky und Mark Wahlberg,<br />
denen dann wahlweise große Teller mit „Meatballs<br />
mit allem“ oder „Alles mit Meatballs“ aufgetischt<br />
werden. Lecker!<br />
„ZACH STONE IS GONNA BE FAMOUS“<br />
Im Unterschied zu Ke$ha und Vinny ist Zach Stone<br />
noch nicht berühmt, wäre es aber gerne. Wie gerne,<br />
zeigt seine Show. Und die Tatsache, dass es seine<br />
Show gibt, ist fast der Beweis, dass er es fast geschafft<br />
hat. Wird er sein Ziel erreichen? Wir bleiben dran.<br />
KULTUR<br />
Der amerikanische Künstler<br />
pflegt eine Vorliebe für<br />
see lische Extremzustände aller<br />
Art, wir pflegen eine Vorliebe für Condo. Der auf 888 Exemplare<br />
limitierten und nummerierten Condo-Edition unseres Juni-<br />
Hefts liegt auch ein Kunstdruck des Werkes<br />
Lingerie Model (links)<br />
bei. Noch sind einige Ausgaben (je 150 Euro) zu haben – unter<br />
condo@interview.de und in ausgewählten Buchhandlungen.<br />
„WENN ICH MIR EINE FIGUR MALE,<br />
DANN EXISTIERT SIE EIGENTLICH SCHON<br />
SO LANGE WIE ICH SELBST”<br />
– GEORGE CONDO<br />
Liberace: All of a<br />
sudden we’re<br />
sounding like a gay<br />
LUCY and RICKY.<br />
“Oh, Ricky, you wouldn’t<br />
fuck me up the ass if you<br />
loved me!” Scott THORSON:<br />
Why am I the Lucy?<br />
Liberace: Because I’m<br />
the band leader with the<br />
nightclub act.<br />
So verlief ein typischer Dialog zwischen Liberace<br />
und seinem Freund Scott Thorson dem Film<br />
Behind The Candelabra zufolge. Wann die wohl letzte<br />
Regiearbeit von Steven Soderbergh in Deutschland<br />
startet, ist noch nicht bekannt.<br />
Fashion Week<br />
Nun geht’s los: Fashion Week Time. Berlin<br />
als Laufsteg; Kleider, so weit das Auge reicht, so<br />
wie Nörgler, die unangemessene Vergleiche mit<br />
Paris und Mailand bemühen. Wir haben<br />
vielleicht nicht die größten Designer, aber<br />
dafür die besseren Partys. Ab 2. Juli finden<br />
Sie alles zur Fashion Week auf <strong>Interview</strong>.de.<br />
3<br />
EIN LOOK AUS DER<br />
S/S-14-KOLLEKTION<br />
VON AUGUSTIN<br />
TEBOUL.<br />
FOTO:<br />
STEFAN MILEV,<br />
ART DIRECTOR:<br />
MODY<br />
AL KHUFASH<br />
.<br />
Aufschlagen!<br />
BÜCHER<br />
REINHARD JIRGL<br />
„NICHTS VON EUCH AUF ERDEN“<br />
Hanser<br />
Reinhard Jirgl fliegt also im 23. Jahrhundert zum<br />
Mars. Die bösen Menschen haben die Erde verlassen,<br />
die Guten bleiben zurück, dann kommen die Bösen<br />
aber ein paar Hundert Jahre später zurück, weil sie<br />
den Mars auch zerstört haben – bei der Story könnte<br />
man skeptisch werden. Sollte man aber nicht, denn<br />
Jirgl erzählt die uralte Geschichte von Gier, Gewalt,<br />
Unterdrückung und Krieg als eine Science-Fiction-<br />
Story, die keine ist.<br />
MAX MONNEHAY<br />
„DORF DER IDIOTEN“<br />
Eichborn<br />
Eine idiotische Idee: Der Vollidiot Pierrot sucht in<br />
ganz Frankreich Idioten zusammen, um mit ihnen in<br />
einem Dorf für Idioten ein total idiotisches Leben zu<br />
leben. Doch dann wollen die anderen, die keine Idioten<br />
sind, auch ins Idiotendorf, was die Frage aufwirft,<br />
ob die alle noch ganz richtig sind im Kopf.<br />
ANNIKA SCHEFFEL<br />
„BEVOR ALLES VERSCHWINDET“<br />
Suhrkamp<br />
Es war einmal ein weltfernes Dorf, in dem man an<br />
blaue Füchse glaubt und manche Menschen unsichtbar<br />
sind. Das Leben ist idyllisch, doch rücken die<br />
Bulldozer an, weil das Dorf einem Staudamm weichen<br />
soll. Gar nicht so märchenhaft, wie man meint.<br />
FAST WELTSTAR: ZACH STONE<br />
„PRETTY WILD“<br />
Dranbleiben ist auch das Motto von Alexis Neiers,<br />
der zentralen Figur der Reality-Serie Pretty Wild.<br />
Neiers gehörte einst zur lustigen Bling-Ring-Bande,<br />
einer Gruppe von Jugendlichen, die sich mit einer<br />
Einbruchserie bei Prominenten einen Namen gemacht<br />
hat. Sofia Coppola hat deren Geschichte jetzt<br />
verfilmt. So kommt man nach ganz oben!<br />
75<br />
PAPER WEIGHT<br />
Dass Print tot sein soll und keiner<br />
mehr Sachen liest, die auf Papier gedruckt<br />
sind, hat sich inzwischen herumgesprochen.<br />
Doch im Haus der Kunst<br />
in München verweigert man sich dieser<br />
Einsicht und ehrt in der Ausstellung<br />
Paper Weight stilbildende Magazine des<br />
21. Jahrhunderts. Mit dabei unter anderem<br />
Butt, 032c und Ey! Magateen (Foto).<br />
Noch bis 27. Oktober.
.<br />
KULTUR<br />
Anna von<br />
HAUSSWOLFF<br />
Family affair II: Sie<br />
spielt die Kirchenorgel<br />
und ist eine aufregende<br />
junge Musikerin. Ihr<br />
Vater ist Soundkünstler<br />
und König<br />
des konzeptuellen<br />
Reiches von Elgaland-<br />
Vargaland. Mit Prinzessin<br />
ANNA plauderte<br />
er über den Tod<br />
VON<br />
CARL MICHAEL<br />
VON HAUSSWOLFF<br />
Foto<br />
Stefan MILEV<br />
CARL MICHAEL VON HAUSSWOLFF: Wie du weißt,<br />
sind viele Leute davon überzeugt, dass wir beide vom<br />
Tod besessen sind und damit Experten auf diesem Gebiet.<br />
Doch abgesehen von dem Umstand, dass niemand<br />
weiß, was nach dem Tod passiert: Hast du eine<br />
Ahnung, warum sich so viele vor dem Tod fürchten?<br />
ANNA VON HAUSSWOLFF: Weil der Tod ein geheimnisvoller<br />
Ort ist. Ein Ort, an dem unsere Werte<br />
nicht mehr von Nutzen sind, an dem Ideologien und<br />
politische Ideale keine Bedeutung haben, ein Ort, an<br />
dem alle Gesetze der Physik auf den Kopf gestellt und<br />
in den Strudel des Chaos gezogen werden. Dass er ein<br />
Tabu ist, hat dabei historische, religiöse und auch politische<br />
Gründe.<br />
CARL MICHAEL: Mir scheint, als sei die Angst vor<br />
dem Tod in Schweden ganz besonders verbreitet.<br />
ANNA: Ja, man darf über tote Vorfahren und ihre<br />
Geschichte sprechen, alles andere ist ein Problem.<br />
Tod wird in Schweden mit Dunkelheit, Trauer, Leere<br />
und Krankheit assoziiert. Das Thema wird gemieden,<br />
weil man sich vor dem Geheimnis fürchtet.<br />
CARL MICHAEL: Und wie siehst du das?<br />
ANNA: Ich fürchte vor allem, dass man meine<br />
Faszination für den Tod für klischeehaft halten könnte.<br />
Wer sich für Leichen und tote Dinge interessiert,<br />
den hält man entweder für einen Serienkiller, für depressiv<br />
oder für einen Witzbold. Aber ich meine das<br />
absolut ernst. Ich bin vom Tod fasziniert, und ich<br />
glaube, dass es eigentlich allen Menschen so geht. Das<br />
gehört zu unserem Urverhalten. Da muss man doch<br />
nur mal Kinder beobachten, wenn die Totsein spielen.<br />
CARL MICHAEL: Du trägst deine neuen Songs ja<br />
auf der Kirchenorgel vor. Warum eigentlich?<br />
ANNA: Weil ich viel Drone Metal gehört habe, als<br />
ich das Album geschrieben habe. Ich habe <strong>mich</strong> gefragt,<br />
wie ich meine Songs und Drone verbinden<br />
könnte, und fand in der Kirchenorgel sozusagen die<br />
Antwort. Von Flüstern bis Krach kann man praktisch<br />
jedes Geräusch damit produzieren. Wenn man will,<br />
kann man gleichzeitig mit sehr hohen und sehr tiefen<br />
Tönen arbeiten, der Umfang ist riesig, alles kein Problem.<br />
Man kann einen Song mit nur einem Instrument<br />
komplett orchestrieren. Da steckt ja alles drin,<br />
Flöten, Streicher, Oboen, Klarinetten, Trompeten …<br />
CARL MICHAEL: Dir ist natürlich klar, dass in der<br />
Kirchenorgel auch das Christentum steckt?<br />
ANNA: Ja, und ich kann etwas mit der Idee anfangen,<br />
dass die Kirchenorgel für Macht und Göttlichkeit<br />
steht, für etwas Majestätisches und Heiliges.<br />
Ich bin zwar keine Christin, aber ich mag es, dass die<br />
Kirchenorgel meist nur aus spirituellen Gründen gespielt<br />
wird und nur selten aus kommerziellen, wobei<br />
man sie für zeitgenössische Musik durchaus häufiger<br />
einsetzen könnte.<br />
CARL MICHAEL: Ist das so?<br />
ANNA: Ja, über Jahrhunderte war die Kirchenorgel<br />
das Instrument, das die Musik weiterentwickelt<br />
hat, im Mittelalter, in der Renaissance, im Barock. Sie<br />
war ein durch und durch modernes Instrument, und<br />
ich denke, dass sie es noch immer sein könnte. Aber<br />
da die Kirchenorgel heute vor allem als Teil des kulturellen<br />
Erbes gesehen wird, wird es wohl noch ein<br />
wenig dauern, bis man auf ihr etwas anderes spielt als<br />
immer nur Bach.<br />
CARL MICHAEL: Versuchst du eigentlich, deine<br />
Arbeit als Künstlerin mit deiner Rolle als Popmusikerin<br />
in Einklang zu bringen? Die Kunstwelt ist ja ziemlich<br />
elitär.<br />
ANNA: Ich denke, dass ich es gar nicht versuche.<br />
Vielleicht, weil man in der Kunstwelt die Popmusik<br />
für nicht konzeptuell genug hält, vielleicht, weil ich<br />
meine Musik für zu persönlich halte, keine Ahnung.<br />
Eigentlich ist das aber kein Problem. Ich wühle <strong>mich</strong><br />
durch die Kunstgeschichte und versuche dann, meine<br />
konzeptuellen Ideen in meine Kunstprojekte einzubringen.<br />
Was die Musik angeht, versuche ich, in einem<br />
konstanten Dialog mit meinen Gefühlen zu bleiben<br />
– so pur und roh wie möglich, egal ob es dabei<br />
Widersprüche, Fehler und Banalitäten gibt. Vielleicht<br />
sollte ich <strong>mich</strong> in beiden Welten einfach bei den besten<br />
Sachen bedienen.<br />
76<br />
CARL MICHAEL: Ich glaube übrigens, dass die<br />
Filmmusik tot ist, seit Krzysztof Penderecki in den<br />
späten Siebzigern seine experimentelle Phase beendet<br />
hat und anfing, konservativere Musik zu komponieren.<br />
Mit Rock verhält es sich seit den Neunzigern<br />
ähnlich. Die einzige innovative Musik kommt aus<br />
dem Bereich des elektronischen Minimalismus, dem<br />
Drone und Noise. Was meinst du?<br />
ANNA: Auf jeden Fall passiert in den Bereichen<br />
heute deutlich mehr, und es macht Spaß zu sehen, wie<br />
viele Frauen sich auf dem Feld bewegen. Aber die<br />
kommerzielle Seite ist ziemlich komplex, und es wird<br />
einem viel dabei abverlangt, nicht von der Musikindustrie<br />
als das nächste neue Ding vermarktet zu<br />
werden. Was Filmmusik angeht, glaube ich, dass die<br />
Kirchenorgel ideal wäre, um darauf Neues zu komponieren.<br />
Die alten Meister haben in der Hinsicht damals<br />
einen guten Job gemacht.<br />
CARL MICHAEL: Ähnlich wie die Kirchenorgel<br />
gilt auch Lyrik als nicht besonders aufregend und<br />
frisch. Gibt es überhaupt noch Leute, die sich Gedichtbände<br />
kaufen? Wie siehst du in diesem Zusammenhang<br />
deine Texte?<br />
ANNA: Ich versuche jedenfalls, meine Texte so<br />
ehrlich und direkt zu halten wie möglich. Es ist dabei<br />
wichtig, dass sie gut mit der Musik funktionieren und<br />
zum Rhythmus und zu den Harmonien passen, wenn<br />
ich singe. Auf dem Papier machen sie manchmal gar<br />
keinen Sinn, aber mit der Musik erwecke ich sie zum<br />
Leben. Sie sind dabei so geschrieben, als würde ich<br />
einem Kind eine Geschichte erzählen, wobei es sein<br />
kann, dass ich gleichzeitig die Geschichtenerzählerin<br />
und das Kind bin. Das ist wichtig, um die Emotionen,<br />
die in dem Text stecken, sowohl auszudrücken als<br />
auch zu fühlen.<br />
CARL MICHAEL: Wer inspiriert dich?<br />
ANNA: Zum Beispiel Edgar Allan Poe, Nathaniel<br />
Hawthorne, Hans Christian Andersen. Und wenn ich<br />
höre, wie Künstler wie Laurie Anderson und Patti<br />
Smith ihre Gedichte vortragen, dreht sich mir der<br />
Kopf. Ich liebe es, Energie aus Lyrik zu ziehen. Ich<br />
muss allerdings noch eine Menge lernen, um das Feld<br />
für <strong>mich</strong> wirklich zu beherrschen.<br />
CARL MICHAEL: Ganz offensichtlich bist du ja<br />
eine genetische Erweiterung von mir. Wie siehst du in<br />
dem Zusammenhang unsere künstlerische Arbeit?<br />
ANNA: Ich spüre, dass ich ein Teil deiner Arbeit<br />
bin, und spüre, dass auch du Teil meiner Arbeit bist.<br />
Wobei wir uns auf vollkommen unterschiedliche Weise<br />
ausdrücken. Aber ich schreibe mein Leben in Musik.<br />
Und das machst du ja auch.<br />
CEREMONY VON ANNA VON HAUSSWOLFF<br />
IST BEI CITY SLANG ERSCHIENEN<br />
Styling NIKI PAULS/SHOTVIEW<br />
Haare & Make-up MIRA HAKE<br />
Foto-Assistenz DUNJA ANTIĆ, OLIVER BLOHM<br />
Dank an BIGSHRIMP STUDIO BERLIN
.<br />
KULTUR/Anna von Hausswolff<br />
“<br />
TOP<br />
MARC O’POLO<br />
Wer sich für Leichen oder tote Dinge<br />
interessiert, den hält man entweder<br />
für einen Serienkiller, für depressiv oder<br />
für einen Witzbold<br />
77<br />
”
KULTUR<br />
“<br />
.<br />
Die Leute, die ich fotograere,<br />
müssen meine Arbeit nicht lieben, aber sie<br />
dürfen sie auf keinen Fall hassen<br />
Tobias<br />
ZIELONY<br />
”<br />
Der Fotograf<br />
TOBIAS ZIELONY<br />
setzt wie kein anderer<br />
die Jugendlichen an<br />
der sozialen Peripherie<br />
westlicher Großstädte<br />
in Szene und gibt<br />
ihnen in seinen Bildern<br />
Würde und Kraft<br />
zurück. Für seine<br />
Ausstellung Jenny<br />
Jenny begab er sich<br />
nun ins Berliner<br />
Prostituiertenmilieu<br />
VON<br />
JEREMY SHAW<br />
Fotos<br />
Tobias ZIELONY<br />
JEREMY SHAW: In deiner Ausstellung Jenny Jenny<br />
zeigst du viele Bilder von Prostituierten. Um welche<br />
Art von Weiblichkeit geht es?<br />
TOBIAS ZIELONY: Die Frauen, die als Prostituierte<br />
arbeiten und die ich für meine Ausstellung in der Berlinischen<br />
Galerie porträtiert habe, transportieren eine<br />
sehr heterosexuelle Idee von Weiblichkeit. Sie reagieren<br />
auf prototypisches, männlich-heterosexuelles Begehren.<br />
SHAW: Kommen die alle aus der Gegend um die<br />
Kurfürstenstraße?<br />
ZIELONY: Die meisten ja. Dort ging es los, aber<br />
irgendwann lernt man dann über diese Frauen andere<br />
Frauen kennen, die auch nicht alle auf der Straße arbeiten.<br />
Die ganze Geschichte fing an, als ich in der<br />
S-Bahn ein Punkpärchen mit einem Hund sah, das so<br />
interessant aussah, dass ich es fragte, ob ich es fotogra<br />
fieren könne. Es stellte sich heraus, dass es auf dem<br />
Weg zum Straßenstrich war, um dort zu arbeiten.<br />
SHAW: Beide?<br />
ZIELONY: Nein, nur die junge Frau. Es war ein<br />
echter Zufall, aber ich hatte vor Jahren ja schon einmal<br />
männliche Prostituierte in Berlin fotografiert.<br />
SHAW: Die Bilder, die du im Tiergarten in den<br />
Büschen aufgenommen hast?<br />
ZIELONY: Genau.<br />
SHAW: Die fand ich wunderschön. Wo sind die<br />
Jungs jetzt, wo hängen sie rum?<br />
ZIELONY: Ich weiß es nicht genau, es gibt einen<br />
kleinen Park in der Nähe der Motzstraße, wo ich jetzt<br />
ab und zu Jungs sehe. Damals, so um 2005, spielte sich<br />
noch vieles um den Bahnhof Zoo herum ab. Heute ist<br />
der aber zum Regionalbahnhof degradiert, da ist nicht<br />
mehr viel los.<br />
SHAW: Ja, das war einer der ersten Orte, wo ich<br />
hingegangen bin, als ich nach Berlin gezogen war.<br />
Das war meine Vision von Berlin, und ich war geschockt<br />
zu sehen, wie clean alles war.<br />
ZIELONY: Eine der Frauen, die ich jetzt fotografiert<br />
habe, hat mir erzählt, dass sie das Buch Christiane<br />
F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo so sehr mochte, dass<br />
sie sofort zum Bahnhof Zoo gefahren ist, um dort zu<br />
arbeiten.<br />
SHAW: Das Buch hatte eine starke Anziehungskraft,<br />
obwohl es so trostlos war. Ich wollte auch sofort<br />
nach Berlin fahren und mit solchen Leuten abhängen.<br />
Und der Film hatte noch diesen Bowie-Soundtrack,<br />
das machte die Sache natürlich noch romantischer.<br />
ZIELONY: Ich habe es gemocht, dort für meine Arbeit<br />
abzuhängen, weil es so viele unterschiedliche und<br />
interessante Leute gab.<br />
SHAW: Echt? Auch noch 2005? Wir haben da mal<br />
eine Plakatierungsaktion gemacht, aber als ich am<br />
nächsten Tag dort war, um das zu fotografieren, habe<br />
ich nur mittelalte Junkies gesehen und keine Kids.<br />
ZIELONY: Man muss sich dorthin begeben und am<br />
besten nicht bewegen. Normalerweise ist man ja nur<br />
auf der Durchreise, und man sieht nicht wirklich etwas.<br />
Wenn man dort aber stundenlang rumhängt, fallen<br />
einem auf einmal die ganzen Leute auf, die dort<br />
Fotos: Tobias Zielony, aus der Serie: Jenny Jenny, 2013, © Tobias Zielony, Courtesy of Tobias Zielony and KOW, Berlin<br />
78
.<br />
KULTUR/Tobias Zielony<br />
FOTO LINKE SEITE: BAUM<br />
DIESE SEITE (IM UHRZEIGERSINN, VON OBEN LINKS):<br />
BUILDING, MUSTER, LIGHT BOX, SCHULTER.<br />
ALLE FOTOS VON TOBIAS ZIELONY AUS DER SERIE:<br />
JENNY JENNY, 2013<br />
79
KULTUR<br />
auch rumhängen. Es ist sehr interessant und ziemlich<br />
offen. Wenn zum Beispiel Jungs auftauchen, die gerade<br />
von zu Hause weggelaufen und nach Berlin getrampt<br />
sind, dann bekommen sie dort zumindest ein<br />
Bier als Willkommensgruß.<br />
SHAW: Wie gewinnst du das Vertrauen dieser<br />
Kids?<br />
ZIENOLY: Erst mal muss ich die richtigen Leute<br />
treffen, zu denen ich eine Beziehung aufbauen kann.<br />
Zum Beispiel habe ich <strong>mich</strong> am Bahnhof Zoo mit einem<br />
Typen angefreundet, der noch nicht mal in meinen<br />
Bildern auftaucht. Er liebte Weingummi, deshalb<br />
habe ich ihm immer welches gekauft.<br />
SHAW: War er ein Junkie?<br />
ZIELONY: Nein. Er war eher auf irgendwelchen<br />
Pillen, aber er war dort am Bahnhof, seit er mit 15 Jahren<br />
nicht mehr zur Schule gegangen ist. Und er kannte<br />
wirklich jeden dort und konnte mir alles erzählen.<br />
Wir haben uns einfach gut verstanden. Das Wichtigste<br />
ist aber, dass ich das Leben und die Aktionen der<br />
Leute, mit denen ich arbeite, nicht bewerte. Das ist<br />
wirklich nicht meine Aufgabe.<br />
SHAW: Absolut.<br />
ZIELONY: Ja, aber die meisten Leute überrascht es<br />
dann doch, dass eine ernsthafte Person ganz anders<br />
auf sie reagiert als der Rest der Welt. Und ich meine<br />
das wirklich ernst. Ich möchte ihnen nicht sagen, was<br />
richtig ist und was falsch. Eigentlich mag ich sie besonders<br />
gern für das, was sie tun, auch wenn es moralisch<br />
vielleicht fragwürdig ist.<br />
SHAW: Agierst du als Fotograf auch so wertfrei,<br />
oder schlägst du bestimmte Posen vor?<br />
ZIELONY: Ich arrangiere die Fotos schon, aber es<br />
sind eher die kleinen Dinge. Ich sage zum Beispiel:<br />
Stell dich bitte mal hier hin oder mach das noch mal.<br />
SHAW: Also gibt es schon eine Art Regie?<br />
ZIELONY: Ja, aber es kommt auch drauf an, wie<br />
formell die Situation ist. Die Frauen, die ich jetzt in<br />
der Ausstellung zeige, diese Bilder sind schon sehr arrangiert,<br />
weil ich <strong>mich</strong> mit ihnen extra verabredet<br />
habe, um sie zu fotografieren. Einige habe ich bestimmt<br />
zehn- oder fünfzehnmal getroffen. Und selbst<br />
wenn man jedes Mal nur eine Stunde miteinander<br />
verbringt, redet man ja miteinander und lernt sich gut<br />
kennen. Vieles muss deshalb gar nicht arrangiert werden,<br />
vieles ist auch einfach nur Körpersprache. Ich<br />
suche immer nach Leuten, die auch gut auf <strong>mich</strong> reagieren<br />
und andersrum.<br />
SHAW: Würdest du sagen, dass sie zu Models werden?<br />
ZIELONY: Ja. Und das mögen sie auch. Es ist ein<br />
Schritt aus dem Alltag heraus, sie werden zu etwas Besonderem.<br />
Obwohl ich sehr nah an ihnen dran bin,<br />
mit ihnen Kaffee trinke und sie teilweise auch interviewt<br />
habe, ist es mir wichtig, in der Arbeit, die ich<br />
zeige, immer auch eine Fiktion zu entwerfen.<br />
SHAW: Das gefällt mir, und das unterscheidet dich<br />
ja auch von einem Fotojournalisten. Wie lange warst<br />
du eigentlich in Winnipeg?<br />
ZIELONY: Fünf Wochen.<br />
SHAW: Wow. Es ist so ein verlassener, heruntergekommener<br />
Ort.<br />
ZIELONY: Ich war 2007 vor der Krise dort. Man<br />
spürt schon diese kanadische Freundlichkeit, aber dann<br />
merkt man spätestens an der nächsten Ecke, dass hier<br />
alles auseinanderfällt. Es gibt überall enorme Spannungen.<br />
SHAW: Und das soziale Gefälle ist riesig. In Vancouver,<br />
wo ich herkomme, kann es manchmal auch<br />
schlimm sein, aber nicht so schlimm wie dort.<br />
JEREMY SHAW: VARIATION FQ, 2013,<br />
16-MM-FILM MIT ORIGINAL SOUNDTRACK<br />
ZIELONY: Wieso bist du nach Berlin gezogen?<br />
SHAW: Weil es an der Zeit war zu gehen. Nach<br />
Vancouver war ich noch in London und New York,<br />
aber dann war ich ein paar Mal hier. Meine Freunde<br />
standen alle auf Techno, und in Vancouver haben sie<br />
sich so abgestrampelt, ohne auch nur einen Funken<br />
Anerkennung zu bekommen. Und dann kamen sie<br />
hierher und wurden kleine Superstars.<br />
ZIELONY: Da dachtest du: „Das kann ich auch“?<br />
SHAW: Allein der Umstand, dass diese Musik hier<br />
wertgeschätzt wird, ist toll. In Nordamerika ist das<br />
echt anders. Ich fand das toll, als ich hierherkam und<br />
die DJs die minimalsten Tracks vor einem riesigen Publikum<br />
spielten, das ausflippte. Das hat <strong>mich</strong> total inspiriert.<br />
In Vancouver habe ich eine Zeit lang Platten<br />
aufgelegt, und die Leute haben <strong>mich</strong> alle fünf Minu ten<br />
nur nach dem neuesten Hit von 50 Cent gefragt.<br />
ZIELONY: Hattest du nicht auch mal eine Band?<br />
SHAW: Ja, aber keine Punkband. Wir haben eher<br />
eine Art repetitiven Zeitlupentechno gemacht. Aber<br />
das ist lange her, und inzwischen fokussiere ich <strong>mich</strong><br />
vor allem auf die künstlerische Arbeit.<br />
ZIELONY: Und die Musik in dem Video Variation<br />
FQ, das du in Berlin im Schinkel Pavillon zeigen wirst?<br />
SHAW: Ja, die habe ich auch gemacht.<br />
ZIELONY: Interessant, das wusste ich nicht. Ich<br />
fand die Musik so toll und dachte, dass du es echt gut<br />
hast, so einen musikalischen Partner gefunden zu haben,<br />
dem du vertrauen kannst. Und was heißt Variation<br />
FQ?<br />
SHAW: Variation ist eine Solo-Ballettperformance<br />
und FQ ist die Abkürzung für Femme/Queen, das ist<br />
eine Ballroom-Kategorie aus der Voguing-Szene.<br />
ZIELONY: Und wer ist die Tänzerin, die immer<br />
wieder diesen unglaublichen „Suicide Fall“ hinlegt?<br />
SHAW: Sie heißt Leiomy Maldonado. Sie nennt es<br />
„Suicide Dramatics“, und sie hat diesen Tanz erfunden.<br />
Leiomy kommt aus der Bronx und ist Transgender<br />
von Mann zu Frau. Mit 15 Jahren hat sie angefangen,<br />
Frauenkleider zu tragen, und mit 18 mit ihrer<br />
Geschlechtsumwandlung begonnen. Sie ist auch Teil<br />
der Ballroomszene, aber sie hat daraus ihr ganz eigenes<br />
Ding entwickelt. Ein Stil, der aggressiv und fast<br />
schon gewalttätig daherkommt. Am Anfang haben die<br />
anderen sie nur schräg angeguckt, aber nach ein paar<br />
Jahren machten es ihr alle auf einmal nach. Inzwischen<br />
klaut sogar Beyoncé ihre Bewegungen.<br />
ZIELONY: Du wiederholst ihren Fall immer wieder.<br />
Wieso?<br />
SHAW: Erst mal ist es Teil ihres Tanzes, die Bewegung<br />
zu wiederholen. Aber ich sehe darin auch so eine<br />
Art Katharsis. Sie tanzt in einem veränderten Bewusstseinszustand.<br />
Bei Leiomy heißt diese Bewegung<br />
„The Dip“. Sie hat mir erzählt, dass sie früher immer<br />
auf 15 Zentimeter hohen Schuhen ihren Gleichgewichtssinn<br />
trainierte. Sie lebte bei ihrer Oma, und<br />
die hatte eine geflieste Küche. Leiomy seifte den Boden<br />
ordentlich mit Lauge ein und lief dann stundenlang<br />
auf hochhackigen Schuhen hin und her. Was für<br />
ein wunderschönes Bild: der Teenagerjunge in Frauenkleidern,<br />
der über den rutschigen Boden stöckelt<br />
und bestimmt auch mal hinfällt.<br />
ZIELONY: Ich habe mir gerade ein Buch über Voguing<br />
gekauft.<br />
SHAW: Ah, das Buch, das kenne ich. Das war dieser<br />
Madonna-Moment, als auch Paris Is Burning rauskam,<br />
übrigens einer meiner absoluten Lieblingsfilme.<br />
Das ist lange her, aber was ich am Voguing liebe, ist,<br />
dass es immer noch total lebendig ist. Es gibt immer<br />
noch Bälle, und da gehen wirklich auch nur hundert<br />
Leute hin. Voguing wird zwar in Kunstkreisen immer<br />
so anerkennend wahrgenommen, aber die Szene ist<br />
total marginalisiert. Es sind 98 Prozent Afroamerikaner<br />
und Latinos … und ein blöder weißer Typ mit der<br />
Kamera, das bin dann ich.<br />
ZIELONY: Wie bist du an Leiomy rangekommen?<br />
SHAW: Na ja, erst mal habe ich versucht, über<br />
irgend welche Leute aus der Szene zu ihr Kontakt aufzunehmen,<br />
aber das hat gar nicht funktioniert. Irgendwann<br />
habe ich ihr dann direkt eine E-Mail geschrieben,<br />
und 20 Minuten später schrieb sie zurück. Dann<br />
haben wir uns ein paarmal getroffen. Den Tanz haben<br />
wir an einem Tag gefilmt, und dann habe ich über ein<br />
Jahr damit zugebracht, das Video zu schneiden.<br />
ZIELONY: Und wie findet sie es?<br />
SHAW: Sie hat es noch nicht gesehen. Ich werde es<br />
bei der Ausstellung auf 16 Millimeter zeigen, denn es<br />
.<br />
Foto (rechte Seite): Tobias Zielony, Kontrapost, aus der Serie: Jenny Jenny, 2013, © Tobias Zielony, Courtesy of Tobias Zielony and KOW, Berlin<br />
80
asiert ja auf einer Ballettchoreografie aus den späten<br />
60er-Jahren von dem kanadischen Animationskünstler<br />
Norman McLaren, der diese sich ständig wiederholende<br />
Schrittfolge erfunden hat. Der Bezug zu dieser<br />
Art sehr bourgeoisem Ballettfilm ist eine weitere<br />
Ebene dieser Arbeit.<br />
ZIELONY: Ja, am Anfang merkt man gar nicht, dass<br />
es ums Voguing geht. Ich dachte eher an Ballett. Erst<br />
wenn die ersten eindeutigen Posen hinzukommen<br />
und die Musik sich verändert, wird es klar.<br />
SHAW: Ja, ich hoffe, dass die Art und Weise der<br />
Präsentation einen noch mehr verwirren wird.<br />
ZIELONY: Es scheint, als hättest du es auf diese<br />
Uneindeutigkeiten abgesehen.<br />
SHAW: Was ich auch mag, ist dieser Science-Fiction-Aspekt:<br />
Sie hat so hart daran gearbeitet, eine<br />
Frau zu werden. Sie hat „das Frausein“ regelrecht studiert,<br />
anders als biologische Frauen es jemals tun würden.<br />
Und doch ist sie viel mehr als eine Frau, fast eine<br />
Überfrau, und sie ist so stark und auch bereit, andere<br />
zu dominieren. Sie ist einzigartig.<br />
ZIELONY: In deiner Arbeit gibt es viele popkulturelle<br />
und psychedelische Referenzen. Empfindest du<br />
deine Arbeit als Teil der Popkultur, oder schaust du<br />
eher von außen auf sie drauf?<br />
SHAW: Bei mir ist es so, dass ich oft auch noch Teil<br />
der Szene war, wenn ich bestimmte Arbeiten gemacht<br />
habe. Zum Beispiel bin ich eine Zeit lang viel auf Raves<br />
gegangen. Schon damals fiel mir auf, dass es viele<br />
Künstler gab, die sich aus der Subkultur einfach bedienten.<br />
Die filmten dann irgendeinen coolen Scheiß<br />
und zeigten es später der Kunstwelt. Ich finde, dass<br />
das nicht reicht. Man muss nicht Teil jeder Szene sein,<br />
aus der man seine Inspiration zieht, aber man sollte<br />
mehr abliefern als eine Dokumentation und neue Gedanke<br />
und Anregungen hinzufügen.<br />
ZIELONY: Was bedeutet das für deinen Film, der<br />
jetzt im Schinkel Pavillon läuft?<br />
SHAW: Dieser Film handelt weniger von Voguing<br />
als von der Geschichte des Tanzes allgemein und der<br />
Geschichte von Special Effects. Ich bin mir der Gefahr<br />
der Ausbeutung von Jugendkultur und Subkultur<br />
sehr bewusst und denke ständig darüber nach. Vermutlich<br />
geht es dir ähnlich.<br />
ZIELONY: Ja, genau. Die Leute, die ich fotografiere,<br />
müssen meine Arbeit nicht lieben, aber sie dürfen<br />
sie auf gar keinen Fall hassen.<br />
SHAW: Genau so ist es. Die Öffentlichkeit darf es<br />
natürlich hassen. Das Problem von Kunst ist aber ein<br />
anderes, nämlich dass der durchschnittlich kunstinteressierte<br />
Mensch sich dumm vorkommt. Ich fühle<br />
<strong>mich</strong> dumm, wenn ich mir bestimmte Ausstellungen<br />
anschaue. So nach dem Motto: Oh, dieses Buch habe<br />
ich jetzt gerade nicht gelesen. Ich finde, das hilft niemandem,<br />
wenn man Sachen macht, zu denen nur du<br />
und deine zehn superschlauen Freunde einen Zugang<br />
haben.<br />
ZIELONY: Klar, aber meine Familie fragt <strong>mich</strong><br />
auch immer dieselben Sachen: was die Leute darüber<br />
denken, die auf den Fotos sind, ob sie das gut finden<br />
und so weiter. Ich glaube aber, dass es trotzdem eine<br />
Brücke geben kann zwischen der Subkultur und der<br />
Kunstwelt.<br />
SHAW: Das sehe ich genauso. Ich finde es wichtig,<br />
dass man von beiden Seiten eine Resonanz erhält oder<br />
wenigstens eine Art Interesse oder Zurkenntnisnahme.<br />
Sonst kann es keinen Austausch geben, dann ist es<br />
nur eine Präsentation, und das hat mir noch nie gereicht.<br />
ZIELONY: Ich werde aber ständig konkret nach den<br />
“<br />
KULTUR/Tobias Zielony<br />
Eigentlich mag<br />
ich sie besonders gern<br />
für das, was sie tun,<br />
auch wenn es<br />
moralisch vielleicht<br />
fragwürdig ist<br />
”<br />
– Tobias Zielony<br />
TOBIAS ZIELONY: JENNY JENNY,<br />
VOM 21. JUNI BIS 30. SEPTEMBER IN<br />
DER BERLINISCHEN GALERIE IN BERLIN<br />
JEREMY SHAW: VARIATION FQ,<br />
VOM 23. JUNI BIS 21. JULI IM<br />
SCHINKEL PAVILLON IN BERLIN<br />
81<br />
.<br />
Leuten auf meinen Fotos und deren Gedanken gefragt,<br />
und ich vermute, dass jemand, der so wie du<br />
abstrakter arbeitet, damit weniger Probleme hat,<br />
oder? Andererseits arbeitest du mit psychedelischen<br />
Elementen, und da gibt es so viele Klischees und so<br />
viele abgedroschene Bilder, die für psychedelische Erfahrungen<br />
stehen.<br />
SHAW: Ja, zum Beispiel bei meinem Projekt DMT<br />
ging es darum, mit Worten zu beschreiben, was diese<br />
Droge mit dir macht. Es sprengt das Bewusstsein, und<br />
die Sprache versagt. Man kann diese Erfahrung nicht<br />
verbal übersetzen. Aber ich habe <strong>mich</strong> auch mit der<br />
historischen Darstellung von Rauschzuständen beschäftigt.<br />
Im Film wird dann oft auf Zeitlupentempo<br />
zurückgegriffen, oder es wird ein Tunnel gezeigt.<br />
Irgen dwie haben sich alle auf diese Bildsprache geeinigt,<br />
vom B-Movie bis zum Oscar-Film.<br />
ZIELONY: Und möchtest du mit deiner Arbeit<br />
Leute auch an der Rauscherfahrung teilhaben lassen?<br />
SHAW: Nein. Also, Gaspar Noé, der den Film Enter<br />
The Void gemacht hat, hat mit mir zusammen das<br />
erste Mal DMT genommen. Und unsere beiden Arbeiten,<br />
die aus dieser Erfahrung entstanden sind, waren<br />
total unterschiedlich. Er versucht zu visualisieren,<br />
was passiert, wenn man DMT nimmt, und das macht<br />
er sehr gut. Und ich lasse alles Sensorische vollkommen<br />
weg. Schon seit Langem versuche ich, psychedelische<br />
Erfahrungen zu konzeptiona lisieren. Ich versuche<br />
niemals, sie zu initiieren. Ich habe aber zum<br />
Beispiel auch Scans von Gehirnen auf Drogen gemacht<br />
und aus den Aufnahmen Schwarzlichtposter<br />
gedruckt. Ich liebe es, wenn hohe Wissenschaft und<br />
niederer Kitsch sich berühren. Diese beiden Bereiche<br />
sollten viel mehr zusammenkommen.<br />
ZIELONY: Ja, das erinnert <strong>mich</strong> daran, dass ich vor<br />
Jahren auf einer Studentenparty in der Uni Bochum<br />
war, und über den Aufzug kam man seltsamerweise in<br />
alle Labors und Hörsäle. Irgendwann sind wir dann<br />
in einem Raum der extraterrestrischen Physik gelandet<br />
und haben in deren Arbeitsräumen rumgehangen.<br />
Da hingen überall bunte Computer ausdrucke mit<br />
Bildern von galaktischen Nebeln an den Wänden.<br />
Irgendwie abgedroschen, aber es hatte trotzdem noch<br />
etwas Magisches. Ich musste damals einfach ein Bild<br />
mitnehmen.<br />
KONTRAPOST, VON TOBIAS ZIELONY AUS DER SERIE:<br />
JENNY JENNY, 2013
.<br />
STORIES<br />
BH, Höschen & Rock<br />
DOLCE & GABBANA<br />
Choker CHANEL<br />
Ohrringe & breite Armreife<br />
(links) SCHMUCKRAUSCH<br />
schmale Armreife (links)<br />
MARC BY MARC JACOBS<br />
gesehen bei stylebop.com<br />
breite Armreife (rechts)<br />
MARJANA VON BERLEPSCH<br />
schmale Armreife (rechts)<br />
CARTIER Schuhe<br />
CHRISTIAN LOUBOUTIN<br />
<strong>ORA</strong> et labora<br />
Jay-Z ist begeistert, Cara Delevingne verliebt und England entzückt: Mit einer Zielstrebigkeit, wie sie nur Migrantenkinder an den Tag legen,<br />
hat sich die Kosovarin <strong>RITA</strong> <strong>ORA</strong> bis an die Spitze der britischen Charts hochgearbeitet … Außerdem im Heft: WINONA RYDER erklärt ihre<br />
Pause nun für beendet; Fotograf GREGORY HARRIS nimmt sich der Herbstmode an; zwei Blumenkinder der SOURCE FAMILY wissen<br />
das Sektenleben zu schätzen; STELLA McCARTNEY spricht mit JEFF KOONS; Model CHELSEA SCHUCHMAN schwärmt von L. A.;<br />
Star-Visagistin LINDA CANTELLO über den Eyeliner von Kate Middleton; und ein Portfolio des Fotografen HANS FEURER.<br />
Foto DAMON BAKER<br />
Styling KLAUS STOCKHAUSEN<br />
83
.<br />
Rita <strong>ORA</strong>von<br />
FOTOS<br />
DAMON BAKER<br />
STYLING<br />
KLAUS STOCKHAUSEN<br />
Jörg Harlan<br />
ROHLEDER<br />
BH<br />
DOLCE & GABBANA<br />
CHOKER<br />
CHANEL<br />
OHRRING<br />
SCHMUCKRAUSCH<br />
DÜNNE KETTEN<br />
(DURCHGEHEND GETRAGEN)<br />
PRIVAT
.<br />
OHRRING<br />
SCHMUCKRAUSCH<br />
CHOKER<br />
CHANEL<br />
85
.<br />
DIESE SEITE:<br />
BH, HÖSCHEN & ROCK<br />
DOLCE & GABBANA<br />
CHOKER<br />
CHANEL<br />
OHRRINGE & BREITE ARMREIFE (LINKS)<br />
SCHMUCKRAUSCH<br />
SCHMALE ARMREIFE (LINKS)<br />
MARC BY MARC JACOBS<br />
GESEHEN BEI STYLEBOP.COM<br />
BREITE ARMREIFE (RECHTS)<br />
MARJANA VON BERLEPSCH<br />
SCHMALE ARMREIFE (RECHTS)<br />
CARTIER<br />
SCHUHE<br />
CHRISTIAN LOUBOUTIN<br />
RECHTE SEITE:<br />
JUMPSUIT<br />
DONDUP<br />
GROSSER RING & ARMREIFE<br />
CARTIER<br />
OHRRINGE<br />
DOLCE & GABBANA<br />
RESTLICHE RINGE<br />
(DURCHGEHEND GETRAGEN)<br />
PRIVAT<br />
SCHUHE<br />
JIMMY CHOO
Dies ist die Geschichte<br />
eines großen Versprechens,<br />
das so alt ist wie<br />
die Popmusik selbst. Ein<br />
Mädchen (<strong>RITA</strong> <strong>ORA</strong>)<br />
aus ärmsten Verhältnissen<br />
(Flüchtling aus<br />
dem Kosovo) zieht<br />
aus (mit 18 von Jay-Z<br />
entdeckt), um mit ihrem<br />
Talent die Welt zu<br />
erobern (drei Nummereins-Singles,<br />
die erfolgreichste<br />
Chartstürmerin<br />
Englands 2012). Und<br />
weil das noch nicht<br />
reicht, hängt jetzt selbst<br />
Leonardo DICAPRIO<br />
an ihrem Rockzipfel<br />
.<br />
INTERVIEW: Rita, du hast <strong>mich</strong> warten lassen.<br />
<strong>RITA</strong> <strong>ORA</strong>: Ich weiß! Fünf Stunden! Und es tut mir<br />
wirklich leid – aber ich habe eine ziemlich gute Ausrede<br />
(Rita Ora kramt in einer ihrer vier Tüten und zerrt<br />
etwas Rotes heraus). Schau dir mal dieses Kleid an. Vivienne<br />
Westwood. Ich dreh durch!<br />
INTERVIEW: Dafür hast du <strong>mich</strong> versetzt?<br />
<strong>ORA</strong>: Nein. Also irgendwie schon (stopft das Kleid<br />
wieder zurück in die Tüte). Ich musste zur Anprobe und<br />
zum Friseur. Außerdem mussten meine Augenbrauen<br />
wieder in ihre Originalfarbe zurückgefärbt werden.<br />
INTERVIEW: Ach so.<br />
<strong>ORA</strong>: Wenn ich gestern gewusst hätte, was morgen<br />
passiert, hätte ich dich heute nicht warten lassen.<br />
INTERVIEW: Du fährst nach Cannes und wirst gemeinsam<br />
mit Cara Delevingne und Leonardo DiCaprio<br />
über den roten Teppich schreiten. In einem Kleid<br />
von Vivienne Westwood.<br />
<strong>ORA</strong>: Woher weißt du das?<br />
INTERVIEW: Gelesen. Im Internet.<br />
<strong>ORA</strong>: Ich auch! Es war surreal.<br />
INTERVIEW: Du hast im Internet gelesen, dass<br />
Cara und du das triple-date von Leo sein sollen?<br />
<strong>ORA</strong>: Ein bisschen merkwürdig ist das schon,<br />
oder? Ich bekam weder eine Mail noch eine offizielle<br />
Einladung. Jedenfalls schrieb ich sofort Cara – die<br />
hatte es auch im Netz gelesen. Sie meinte nur: „Weißt<br />
du irgendwas über diese Sache? Bei mir hat sich niemand<br />
gemeldet.“ Ich antwortete: „Bei mir auch nicht.“<br />
Der Anruf kam erst heute früh.<br />
INTERVIEW: Hat Leo wenigstens persönlich angefragt?<br />
Oder Blumen geschickt?<br />
<strong>ORA</strong>: Nein, hat er nicht. Aber ich habe ihn mal in<br />
New York in einer Bar kennengelernt. Er ist nett.<br />
INTERVIEW: An Selbstbewusstsein scheint es ihm<br />
jedenfalls nicht zu mangeln: Immerhin ist Cara Delevingne<br />
das meistbeschäftigte Model der letzten Saison<br />
und du mit drei Nummer-eins-Singles die erfolgreichste<br />
Chartstürmerin Englands 2012.<br />
<strong>ORA</strong>: Selbst Romeo muss eigentlich für so ein<br />
Date arbeiten (lacht).<br />
INTERVIEW: Und du hattest nicht einmal mehr<br />
Zeit, nach Österreich in dein Diät-Camp zu fahren.<br />
<strong>ORA</strong>: Wieso? Seh ich etwa fett aus?<br />
INTERVIEW: Nein, aber das sahst du auch vor deinem<br />
ersten Besuch nicht. Wie bist du überhaupt darauf<br />
gekommen, bei Viva Mayr einzuchecken?<br />
<strong>ORA</strong>: Ich dachte, das sei eine gute Übung. Ich bin<br />
ein schrecklicher Hypochonder und besessen von allem,<br />
was mit Gesundheit zu tun hat. Vitamine, Muskelaufbau,<br />
Ernährung, Body-Mass-Index und so weiter.<br />
So gesehen war das Diät-Camp meine Art, <strong>mich</strong><br />
zu belohnen.<br />
INTERVIEW: Klingt nachvollziehbar.<br />
87<br />
<strong>ORA</strong>: Es ging mir mehr um meine mentale Fitness<br />
als um meinen Körper. Ich wollte schlafen, denken und<br />
runterkommen.<br />
INTERVIEW: Und deswegen hast du jeden Bissen<br />
30- bis 40-mal gekaut, bevor du ihn runterschlucken<br />
durftest.<br />
<strong>ORA</strong>: Auch das, ja. Ich weiß, wie bescheuert das<br />
klingt, aber ich fand es wirklich großartig. Die anderen<br />
Patienten waren über 60 – und alle fragten <strong>mich</strong><br />
nur: Warum zum Teufel bist du hier? Die dachten, ich<br />
würde spätestens nach zwei Tagen abreisen. Aber so<br />
etwas macht Rita Ora nicht.<br />
INTERVIEW: Was gab es denn im angeblich härtesten<br />
Diät-Camp der Welt zu essen?<br />
<strong>ORA</strong>: Kartoffeln und Brühe. Was es nicht gerade<br />
leichter macht, jeden Biss 40-mal zu kauen.<br />
INTERVIEW: Wahrscheinlich hast du die ganze<br />
Zeit Nachrichten an Cara geschickt.<br />
<strong>ORA</strong>: Das darf man dort nicht. Kein Telefon, kein<br />
Internet. Das Leben dort verläuft wie in Zeitlupe. Es<br />
war wirklich das Gegenteil des Lebens, das ich gerade
.<br />
führe. Deswegen fand ich es auch so toll dort. Ich<br />
habe bereits den nächsten Aufenthalt gebucht. Obwohl<br />
ich die ersten Tage fast verhungert wäre.<br />
INTERVIEW: Hast du wenigstens versucht, eine Packung<br />
M&M’s reinzuschmuggeln?<br />
<strong>ORA</strong>: Nein.<br />
INTERVIEW: Hast du darüber nachgedacht?<br />
<strong>ORA</strong>: Klar, die ganze Zeit. Aber das wäre Beschiss.<br />
INTERVIEW: Wie Zigaretten aufzugeben und stattdessen<br />
Joints zu rauchen.<br />
<strong>ORA</strong>: Was auch noch nie funktioniert hat (lacht).<br />
INTERVIEW: Rita, du bist 22, Jay-Z ist dein Mentor,<br />
du hattest drei Nummer-eins-Hits im vergangenen<br />
Jahr, die britische Boulevardpresse dreht durch,<br />
wenn du nur das Haus verlässt, Leo lädt dich nach<br />
Cannes. Was soll da noch kommen? Liegst du manchmal<br />
nachts wach, weil du all das nicht fassen kannst?<br />
<strong>ORA</strong>: Ich bekomme Angst, wenn du das so aufzählst.<br />
All das passiert so schnell, dass ich glücklicherweise<br />
weder die Zeit habe, vor dem Schlafen nachzudenken,<br />
weil ich vor Erschöpfung wirklich umfalle,<br />
noch die Zeit habe, groß zu planen. Aber ich weiß, wie<br />
verrückt all das ist, was gerade in meinem Leben passiert.<br />
Es ist eine Achterbahn, die ich nicht steuern<br />
kann. Ich kann nur schreien, winken und hoffen, dass<br />
ich heil ankomme. Und <strong>mich</strong> freuen, wenn die Fahrt<br />
ab und an anhält, damit ich heimgehen kann, um<br />
meinen Kater Bruno zu füttern. Dementsprechend<br />
schwer ist es auch, eine vernünftige Beziehung zu<br />
führen – oder auch nur auf die Geburtstagsparty von<br />
Freunden zu gehen.<br />
INTERVIEW: Du wurdest mit 18 von Jay-Z entdeckt.<br />
Deine Freunde gingen stattdessen zur Uni.<br />
<strong>ORA</strong>: Ich musste schneller erwachsen werden und<br />
bin ins kalte Wasser gesprungen, ohne zu wissen, ob<br />
ich schwimmen kann.<br />
INTERVIEW: Dafür hältst du dich ganz gut. Die<br />
New York Times beschrieb dich als „fashion’s latest darling“,<br />
als eine „besonders flamboyante Sorte einer<br />
Englischen Rose“.<br />
<strong>ORA</strong>: Ich bin keine Englische Rose. Wenn ich<br />
überhaupt eine Rose bin, dann eine aus dem Kosovo!<br />
Meine Eltern sind nach London gezogen, als ich ein<br />
Jahr alt war. Als ich klein war, ahnte ich nicht einmal,<br />
wie hoch der Preis war, den sie bezahlten. Mittlerweile<br />
ahne ich es – und kann es immer noch nicht fassen.<br />
INTERVIEW: Deine Eltern sind wahrscheinlich<br />
sehr stolz auf dich.<br />
<strong>ORA</strong>: Sie haben alles für uns aufgegeben, ihr Leben,<br />
die Familie und all ihre Perspektiven. Meine<br />
Mum arbeitete vor dem Umzug nach London bereits<br />
als Psychologin. Sie hatte studiert, eine Praxis, einen<br />
Doktortitel. Als sie nach London kam, war all das<br />
nichts mehr wert. Sie war Flüchtling, die Mutter<br />
zweier, später dann dreier Kinder, konnte weder die<br />
Sprache noch wusste sie, wie sie an ihr altes Leben<br />
anschließen sollte. Ihre Abschlüsse waren in England<br />
nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt waren.<br />
Wir wohnten in einer Sozialwohnung in Ladbroke<br />
Grove, Mum ging putzen, lernte Englisch, abends belegte<br />
sie Unikurse und versuchte, ihre Abschlüsse<br />
nachzuholen. Wir waren klassische Immigranten, die<br />
alles aufs Spiel gesetzt hatten, arm, ganz unten. Mein<br />
Dad nahm alle Jobs an, die er kriegen konnte. Er arbeitete<br />
wie ein Tier. Irgendwann hatte er dann jedoch<br />
genug zusammengespart, um sein erstes Pub zu eröffnen.<br />
Es war krass. Und all das, weil meine Eltern meiner<br />
Schwester, meinem Bruder und mir eine bessere<br />
Chance bieten wollten, als wir sie in Pristina gehabt<br />
hätten.<br />
INTERVIEW: Und du hast die Chance ergriffen.<br />
<strong>ORA</strong>: Deswegen werde ich <strong>mich</strong> auch nie beschweren,<br />
egal wie chaotisch, hektisch, unübersichtlich<br />
und auf seine Art auch unmöglich sich mein Leben<br />
gestaltet. Ich habe wirklich den größten Respekt<br />
vor meinen Eltern. Vor allem vor meiner Mum, sie ist<br />
mein Vorbild, die stärkste Frau, die ich kenne.<br />
INTERVIEW: Arbeitet deine Mutter heute wieder<br />
als Psychologin?<br />
<strong>ORA</strong>: Ja. Sie hat härter gekämpft als alle Menschen,<br />
die ich kenne.<br />
INTERVIEW: Wie muss man sich deine Kindheit<br />
und Jugend vorstellen? Wie bist du aufgewachsen?<br />
<strong>ORA</strong>: Die Straße hoch, keine halbe Meile von<br />
hier, in einer Sozialwohnung in Ladbroke Grove. Alle<br />
wussten, dass wir, also meine Schwester und ich, die<br />
Girls aus dem Kosovo sind, dass wir kaum etwas haben<br />
und bereit sind zu kämpfen.<br />
INTERVIEW: Schon in der Schule?<br />
<strong>ORA</strong>: Vor allem nach der Schule.<br />
INTERVIEW: Warst du eine gute Nebensitzerin?<br />
<strong>ORA</strong>: Ich bilde mir ein, eine lustige Nebensitzerin<br />
gewesen zu sein. Ich saß grundsätzlich in der letzten<br />
Reihe und war frech. Ich wollte nicht da sein, habe<br />
aber das Beste daraus gemacht. Wir hatten damals sogar<br />
eine kleine Gang, nur Mädchen. Alle wollten Teil<br />
unserer Gang sein.<br />
INTERVIEW: Leo will auch Teil deiner Gang sein.<br />
<strong>ORA</strong>: Und die Mädels von damals sind heute noch<br />
meine besten Freundinnen.<br />
INTERVIEW: Was sagte denn deine Gang dazu,<br />
dass du auf einmal singen wolltest?<br />
<strong>ORA</strong>: Das lief immer parallel. Suzie, die Musiklehrerin,<br />
sprach meine Mutter an nach dem Unterricht<br />
und sagte ihr, dass ich Talent habe. Da wusste<br />
meine Mum jedoch nicht, was das Wort „Talent“ bedeutet.<br />
Ich war gerade mal sechs Jahre alt und konnte<br />
meiner Mutter nicht erklären, was die Lehrerin von<br />
ihr wollte. Ich sagte zu ihr: „Mum, ich will singen.“<br />
Daraufhin meinte sie nur: „Klar, okay.“ Wirklich verstanden,<br />
was ich meinte, hat sie erst, als ich Aschenputtel<br />
in der Schulaufführung wurde.<br />
INTERVIEW: Aschenputtel? Vergiss Cannes, vergiss<br />
Jay-Z, vergiss Leo!<br />
<strong>ORA</strong>: Ohne Frage: mein größter Erfolg! Mum<br />
hatte gerade meinen Bruder zur Welt gebracht, dennoch<br />
kam sie zur Aufführung. Sie hatte <strong>mich</strong> noch nie<br />
singen hören und hatte Tränen in den Augen. Seit<br />
diesem Nachmittag wusste sie: Ihre kleine Rita wird,<br />
muss und soll singen.<br />
INTERVIEW: Weswegen sie dich unterstützte, als<br />
du auf die Sylvia Young Theatre School wechseln<br />
wolltest. Die Schule, auf der auch Amy Winehouse<br />
und etliche Dutzend andere britische Popstars unterrichtet<br />
wurden.<br />
<strong>ORA</strong>: Eine großartige Schule, wirklich außergewöhnlich.<br />
INTERVIEW: Ist es nicht frustrierend und beängstigend,<br />
wenn der gesamte Jahrgang, die ganze Schule<br />
eigentlich den gleichen Traum teilt?<br />
<strong>ORA</strong>: So habe ich es damals nicht gesehen. Klar,<br />
jeder, der dir auf den Gängen entgegenkommt, will<br />
Musiker werden. Alle haben den gleichen Traum.<br />
Und das Niveau ist krass. Aber es geht nicht darum,<br />
berühmt zu werden. Es ist und bleibt eine Schule.<br />
Und ich wollte einfach nur singen. Zumindest bis<br />
Schulschluss. Danach wollte ich arbeiten.<br />
INTERVIEW: Auf dem Portobello-Wochenmarkt?<br />
<strong>ORA</strong>: Egal wo. Seit ich 13 oder 14 war, habe ich<br />
alles gemacht, was Geld bringt. Stände aufbauen,<br />
Kartons rumtragen, Touristen abfangen. An den Wochenenden<br />
stand ich um sieben Uhr in der Früh auf,<br />
88<br />
um an einem der Stände zu stehen. Meine Mutter hat<br />
nie verstanden, warum ich das mache. Dabei wollte<br />
ich nur frei, Herr der Lage sein, mein eigenes Ding<br />
machen. Zumal ich all das Geld, das ich in einem Monat<br />
zusammensparen konnte, ohnehin für das nächste<br />
Paar Nike Air Jordans ausgegeben habe.<br />
INTERVIEW: Hast du als Teenager auch geklaut?<br />
<strong>ORA</strong>: Höchstens mal ein Haargummi oder so.<br />
Wenn überhaupt, dann ein paar Pfundstücke aus dem<br />
Geldbeutel meiner Mutter. Aber selbst das hielt sich<br />
in Grenzen, weil ich immer einen Job hatte. Von 15<br />
bis 18 stand ich jedes Wochenende in einem Turnschuhladen.<br />
INTERVIEW: Dort erreichte dich der Anruf von<br />
Roc Nation, der deine Träume vom Popstardasein<br />
ziemlich schnell Wirklichkeit werden ließ.<br />
<strong>ORA</strong>: Diesen Anruf werde ich nie vergessen: Ich<br />
stand im Laden, suchte gerade Sneaker für irgendeinen<br />
Kunden raus. Da meinte der Manager – und der<br />
war ohnehin ziemlich genervt von mir: „Rita, ein Anruf<br />
für dich.“ Also nahm ich den Hörer – und der Typ<br />
am anderen Ende sagte nur: „Einer unserer Leute hat<br />
dich in London gesehen. Jay-Z mag deine Songs.<br />
Hast du Lust, nach New York zu kommen?“<br />
INTERVIEW: Und?<br />
<strong>ORA</strong>: Ich war sprachlos. Deswegen sagte ich nur:<br />
„Cool, schön, dass ihr anruft. Aber ich muss noch ein<br />
paar Wochen sparen, um mir ein Flugticket nach New<br />
York leisten zu können. Gib mir deine Nummer, ich<br />
ruf zurück.“ Daraufhin fing der Typ nur an zu lachen.<br />
INTERVIEW: Und du?<br />
<strong>ORA</strong>: Ich wusste nicht, was ich sagen soll. Roc<br />
Nation hatte bereits einen Flug reserviert, das Hotel<br />
war gebucht. Und ich hatte keine Ahnung, wie ich das<br />
meiner Mutter beibringen könnte.<br />
INTERVIEW: Wusste sie, wer dieser Jay-Z ist?<br />
<strong>ORA</strong>: Natürlich nicht. Erst als ich „99 problems<br />
but a bitch ain’t one“ vorrappte und erklärte, er sei der<br />
Mann von Beyoncé, ahnte sie, wer Jay-Z ist. Sie war<br />
keineswegs beeindruckt.<br />
INTERVIEW: Und wie war es, Jay-Z zu treffen?<br />
<strong>ORA</strong>: Ich hatte einfach nur Angst. Am Flughafen<br />
stand dieser Typ, der <strong>mich</strong> abholen wollte, er trug ein<br />
Schild, auf dem mein Name stand. Ich sah es – und<br />
ging geradewegs daran vorbei. Irgendwann fand er<br />
<strong>mich</strong>, wir fuhren nach Manhattan, direkt zur Weihnachtsfeier<br />
von Roc Nation. Ohne Stopp im Hotel.<br />
Ich stand da, ausgekotzt nach meinem ersten Transkontinentalflug,<br />
meine Haare hingen runter, ich konnte<br />
nicht einmal mein Make-up auffrischen. Nachdem<br />
ich jede Menge Hände geschüttelt hatte, wurde ich in<br />
einen Raum geschoben, in dem tatsächlich Jay-Z saß.<br />
Jay-Z! JAY-Z! Ich konnte es nicht fassen. Er sagte<br />
Hallo – und genau in dem Moment trat einer seiner<br />
Bodyguards auf meine Schuhe. Air Jordans, nagelneu,<br />
frisch aus der Schachtel. Bevor ich antworten konnte,<br />
kniete ich also hin, um die Jordans sauber zu schrubben.<br />
Wie sich das gehört. Ich knie also da, wische<br />
panisch an diesem Fleck rum, da greift Jay meine<br />
Schulter, zieht <strong>mich</strong> hoch und sagt: „Don’t ever do<br />
that. Come with me.“ Das waren die ersten Worte, die<br />
er direkt an <strong>mich</strong> richtete. Ich erklärte ihm, dass man<br />
genau das sehr wohl macht, zumindest dort, wo ich<br />
herkomme.<br />
INTERVIEW: Und dann?<br />
<strong>ORA</strong>: Sind wir Turnschuhe kaufen gegangen.<br />
INTERVIEW: Ein, zwei, drei Paare?<br />
<strong>ORA</strong>: Einen Koffer voll! Da wusste ich: Die Reise<br />
hat sich gelohnt!<br />
INTERVIEW: Ein paar Monate später hast du deine<br />
erste Single im Radio gehört.
“<br />
Wir landeten auf<br />
dem Rollfeld, dort<br />
empngen <strong>mich</strong> der<br />
Staatspräsident<br />
und der Bürgermeister<br />
von Pristina. Ich fühlte<br />
<strong>mich</strong>, als wäre ich<br />
Princess Diana<br />
”<br />
– Rita Ora<br />
.<br />
JUMPSUIT<br />
DONDUP<br />
ARMREIFE & GROSSER RING<br />
CARTIER<br />
OHRRINGE<br />
DOLCE & GABBANA
.<br />
DIESE SEITE:<br />
SCHUHE<br />
CHRISTIAN<br />
LOUBOUTIN<br />
STRUMPFHOSE<br />
FALKE<br />
RECHTE SEITE:<br />
MANTEL<br />
VERSACE<br />
OHRRINGE<br />
SCHMUCKRAUSCH<br />
90
“<br />
Alle wussten,<br />
dass meine Schwester<br />
und ich die Girls aus<br />
dem Kosovo sind,<br />
dass wir kaum etwas<br />
haben – und bereit<br />
sind zu kämpfen<br />
”<br />
– Rita Ora<br />
.<br />
JUMPSUIT<br />
DONDUP<br />
GROSSER RING & ARMREIFE<br />
CARTIER<br />
OHRRINGE<br />
DOLCE & GABBANA<br />
SCHUHE<br />
JIMMY CHOO<br />
92
<strong>ORA</strong>: Beim ersten Mal saß ich mit meiner Mutter<br />
im Auto, drehte das Radio auf volle Lautstärke, ließ<br />
die Fenster runter, und heulte wie an dem Tag, als ich<br />
Aschenputtel sein durfte.<br />
INTERVIEW: Von der Single hast du mehr als<br />
100 000 Stück in der ersten Woche verkauft. Das schafft<br />
Madonna in Deutschland nicht in einem Monat.<br />
<strong>ORA</strong>: Ich habe meiner Plattenfirma untersagt, mir<br />
zu erzählen, wie viel ich tatsächlich verkaufe.<br />
INTERVIEW: Verrätst du uns, was du von deinem<br />
ersten Scheck gekauft hast?<br />
<strong>ORA</strong>: Ein Auto für meine Eltern. Da ich nicht<br />
fahren darf, war das eine sehr gute Investition (lacht).<br />
INTERVIEW: Und wer hat dir die Kette mit deinen<br />
Initialen geschenkt, die du um den Hals trägst?<br />
<strong>ORA</strong>: Das ist eine Freundschaftskette, die Cara<br />
und ich uns geschenkt haben.<br />
INTERVIEW: Dein Debütalbum schoss auf Platz<br />
eins der englischen Charts, gefolgt von drei Nummereins-Singles.<br />
Ursprünglich sollte das Album zwei<br />
Jahre früher erscheinen. Wie kam es zu dieser Verzögerung?<br />
Zumal in der heutigen Popwelt manche<br />
Karrieren in weniger als zwei Jahren verglühen.<br />
<strong>ORA</strong>: Es war meine Entscheidung. Das Album war<br />
komplett fertig – und schlichtweg nicht gut genug.<br />
Daraufhin fing ich wieder bei null an, was unfassbar<br />
großzügig von Roc Nation war.<br />
INTERVIEW: Soll das heißen, dein neues Album,<br />
das für Herbst angekündigt wurde, erscheint 2015?<br />
<strong>ORA</strong>: Nein, dieses Mal weiß ich ja, was ich will.<br />
Die Single kommt im Sommer, das Album Ende des<br />
Jahres. Und es wird sehr ehrlich. Sehr Rita Ora.<br />
INTERVIEW: Die oft als die Rihanna von Pristina<br />
angepriesen wird. Wie fühlst du dich angesichts solcher<br />
Vergleiche?<br />
<strong>ORA</strong>: Am Anfang schmeichelt es, zumal ich Rihanna<br />
toll finde. Ich verstehe auch, warum Journalisten<br />
sich um Vergleiche bemühen: Sie wollen einordnen,<br />
eine Fallhöhe erzeugen und dich bestmöglich<br />
verkaufen. Aber irgendwann langweilen die Vergleiche<br />
auch.<br />
INTERVIEW: In Pristina wurdest du jedenfalls wie<br />
ein Staatsgast empfangen.<br />
<strong>ORA</strong>: Ich kriege eine Gänsehaut, wenn ich an diesen<br />
Tag denke. Es war unglaublich. Wir landeten auf<br />
dem Rollfeld, dort empfingen <strong>mich</strong> der Staatspräsident<br />
und der Bürgermeister von Pristina. Ich fühlte<br />
<strong>mich</strong>, als wäre ich Princess Diana. Die ganze Stadt<br />
kam, um <strong>mich</strong> zu sehen. Sie waren so stolz. Menschen,<br />
die sonst nicht viel haben, die Furchtbares<br />
durchmachen mussten, standen auf den Straßen und<br />
applaudierten. Das hat <strong>mich</strong> wirklich umgehauen.<br />
INTERVIEW: Der Staatspräsident hat dich abgeholt?<br />
<strong>ORA</strong>: Das Schlimme war, dass ich gerade aus<br />
Amerika kam. Ich sah furchtbar aus, eben wie jemand,<br />
der gerade 17 Stunden im Flieger saß. Als der Staatspräsident<br />
mir die Hand reichte, dachte ich nur: „Verdammt,<br />
ich wünschte, ich hätte mir wenigstens die<br />
Zähne vorher putzen können.“<br />
INTERVIEW: Gewöhnt man sich eigentlich daran,<br />
ständig von fremden Menschen belagert zu werden?<br />
Während wir sprechen, stehen Paparazzi vor der Tür.<br />
<strong>ORA</strong>: Ich will <strong>mich</strong> nicht beschweren. Klar nervt<br />
es, aber das ist nun mal Teil des Spiels. Ich bin mit der<br />
Celebrity-Kultur der Neunziger aufgewachsen, und<br />
es wäre idiotisch, jetzt so zu tun, als hätte ich nicht<br />
gewusst, dass das dazugehört.<br />
INTERVIEW: Sind sie wenigstens nett zu dir?<br />
<strong>ORA</strong>: Manche sind okay, die meisten sind eher unfreundlich.<br />
Letztendlich machen sie auch nur ihren<br />
Job. Aber es ist schon komisch, wenn man aus dem<br />
Supermarkt kommt und fotografiert wird. Sie könnten<br />
wenigstens meine Einkäufe tragen …<br />
INTERVIEW: Vergangene Woche hat ein Paparazzo<br />
Cara vor der Haustüre abgefangen und festgehalten,<br />
wie ein ziemlich verdächtig aussehendes Päckchen<br />
mit einem pulvrigen, weißen Inhalt aus der Handtasche<br />
segelte.<br />
<strong>ORA</strong>: Davon habe ich nichts mitbekommen.<br />
INTERVIEW: Wie bitte? Ihr telefoniert und textet<br />
doch im Zehn-Minuten-Takt.<br />
<strong>ORA</strong>: Dann kann der Vorfall ja nicht so schlimm<br />
gewesen sein, oder? (lacht)<br />
INTERVIEW: Klär uns doch mal auf: Cara und du<br />
seid beste Freundinnen. Mal heißt es das, mal heißt<br />
es, ihr wärt ein Paar.<br />
<strong>ORA</strong>: Ich liebe Cara mehr als jeden anderen Menschen<br />
auf diesem Planeten. Wir sind beste Freundinnen,<br />
Weggefährten, Seelenverwandte, unzertrennlich.<br />
Wir nennen uns gegenseitig „Wifey“. Das muss<br />
als Erklärung genügen.<br />
INTERVIEW: Auch sonst wird einem geradezu<br />
schwindelig, wenn man versucht, dem angeblichen<br />
Beziehungsleben von Rita Ora zu folgen.<br />
<strong>ORA</strong>: So schlimm, wie es im Internet zu lesen<br />
steht, ist es gar nicht. Wie vorhin gesagt: Mein Leben<br />
verläuft derzeit so schnell und unvorhersehbar, dass<br />
es wirklich schwer ist, eine anständige Beziehung zu<br />
führen. Und dann passiert es doch.<br />
INTERVIEW: Ein wenig konkreter musst du schon<br />
werden: Da gibt es Cara Delevingne, den Produzenten<br />
Calvin Harris, eine angebliche Affäre mit Jay-Z,<br />
Rob Kardashian, mit Snoop warst du gerade am<br />
Strand in Thailand, den besten Freund von David<br />
Beckham.<br />
<strong>ORA</strong>: Mit Snoop habe ich nur ein Video gedreht<br />
… Aber es gibt tatsächlich jemanden. Und du<br />
hast ihn auch aufgezählt.<br />
INTERVIEW: Calvin Harris?<br />
<strong>ORA</strong>: Nein.<br />
INTERVIEW: Jay-Z?<br />
<strong>ORA</strong>: Seid ihr alle irre? Jay-Z ist mit Beyoncé verheiratet.<br />
Sie ist die tollste Frau auf diesem Planeten.<br />
Außerdem interessiert sich Jay gerade nur für eine<br />
einzige Frau: für Blue Ivy, seine Tochter.<br />
INTERVIEW: Musst du Blue Ivy eigentlich babysitten<br />
als Nachwuchstalent von Roc Nation?<br />
<strong>ORA</strong>: Ich wünschte, sie würden <strong>mich</strong> fragen! Das<br />
wäre so toll! Aber ich fürchte, sie lassen überhaupt<br />
niemanden Blue Ivy babysitten. Dabei würde ich es<br />
sofort machen. Für lau!<br />
INTERVIEW: Zurück zum Boyfriend-Quiz: Rob<br />
Kardashian?<br />
<strong>ORA</strong>: Längst vorbei.<br />
INTERVIEW: Wie kam es überhaupt zu dieser Liaison?<br />
Wie landet ein Westend-Girl aus Pristina in der<br />
schlimmsten Fernsehfamilie Amerikas?<br />
<strong>ORA</strong>: Hey! Ich war 18, alleine in L. A. Ich kannte<br />
niemanden und war furchtbar einsam. Rob war nett<br />
zu mir – zumindest am Anfang.<br />
INTERVIEW: Und die schreckliche Familie? Kim<br />
Kardashian? Die furchtbare Mutter? Warst du wirklich<br />
in diesem Haus beim Sonntagsbraten?<br />
<strong>ORA</strong>: Ich kann nur sagen, dass ich froh bin, heil<br />
wieder rausgekommen zu sein.<br />
INTERVIEW: Die schmutzige Wäsche wurde via<br />
Twitter gewaschen. Rob schien ziemlich beleidigt.<br />
<strong>ORA</strong>: Na ja, jeder hat halt seine Meinung, was wie<br />
und warum passiert ist.<br />
INTERVIEW: Danach gab es einen ziemlich hässlichen<br />
Streit mit Azealia Banks. Wieso twitterst du<br />
überhaupt noch?<br />
93<br />
.<br />
<strong>ORA</strong>: Weil es total praktisch ist. Man kann direkt<br />
zu seinen Fans sprechen. In den eigenen Worten. 140<br />
Zeichen, boom. Ich habe gestern die Drei-Millionen-<br />
Follower-Marke geknackt!<br />
INTERVIEW: Twitter hat die Celebrity-Kultur<br />
maßgeblich verändert.<br />
<strong>ORA</strong>: Ja, aber nicht nur Twitter. Das ganze Social-<br />
Media-Ding hat das getan. Was für <strong>mich</strong> ungemein<br />
praktisch ist. Ich habe volle Kontrolle. Und wenn es<br />
einen Bitch-Fight geben sollte, dann sind nur wir alleine<br />
dafür verantwortlich. Auch wenn es wehtut.<br />
INTERVIEW: Weinst du manchmal heimlich?<br />
<strong>ORA</strong>: Nicht wegen Twitter. Sonst schon. Wobei es<br />
wirklich erstaunlich ist: Früher habe ich nie geweint.<br />
Nicht als Kind, nicht als Teenager. Und heute passiert<br />
das ziemlich oft. Meistens aus Erschöpfung. Nachts<br />
im Hotelzimmer, wenn die Türe hinter mir zufällt<br />
und ich endlich alleine sein darf.<br />
INTERVIEW: Ora et labora.<br />
<strong>ORA</strong>: Wie bitte?<br />
INTERVIEW: Ora et labora: Bete und arbeite!<br />
<strong>ORA</strong>: Ich bete nicht viel, aber ich arbeite. Und<br />
zwar hart (lacht). Ora et labora? Das ist der perfekte<br />
Titel für mein zweites Album. Darf ich das benutzen?<br />
INTERVIEW: Gerne. Warum haben wir uns eigentlich<br />
nicht im Pub deines Dads verabredet?<br />
<strong>ORA</strong>: Weil er sich total geschämt hätte, wenn ich<br />
dich fünf Stunden warten lasse. Wenn meine Mum<br />
das mitbekommt, kriege ich ernsthaft Ärger. Das Einzige,<br />
was sie mehr hasst als Unzuverlässigkeit, ist es,<br />
wenn mir eine Brust beim Konzert rausrutscht. Ich<br />
muss wirklich mehr darauf achten, einen BH zu tragen.<br />
Aber zurück zum Pub: Dort wäre das Essen auch<br />
viel besser gewesen als hier.<br />
INTERVIEW: Ich liebe Shepherd’s Pie!<br />
<strong>ORA</strong>: Und der von meinem Dad ist hervorragend.<br />
Ebenso wie die Spinattaschen nach einem alten Rezept<br />
meiner Großmutter. Er serviert gerne traditionelles<br />
Essen aus Albanien – Käse, Oliven, Pitabrot.<br />
INTERVIEW: Kannst du auch kochen?<br />
<strong>ORA</strong>: Leider gar nicht. Ich kaufe mir immer Fertiggerichte.<br />
INTERVIEW: Welches ist dein Favorit?<br />
<strong>ORA</strong>: Würstchen mit Kartoffelbrei. Schlimm, ich<br />
weiß. In meinem Kühlschrank findet man zudem immer<br />
Saft und Whisky. Garantiert nichts, was grün ist.<br />
INTERVIEW: Hast du nicht vorhin erzählt, du seist<br />
Hypochonder!<br />
<strong>ORA</strong>: Deswegen esse ich noch lange kein Gemüse.<br />
Auch wenn es meinen Vater in den Wahnsinn treibt.<br />
INTERVIEW: Steht ein Rita-Schrein in seinem Pub?<br />
<strong>ORA</strong>: Den trägt er im Herzen. Er mag es nicht,<br />
wenn Leute ihn über <strong>mich</strong> ausfragen. Dabei ist er sehr<br />
stolz. Aber eben auf seine Weise. Schließlich war er es,<br />
der <strong>mich</strong> zur Musik gebracht hat. Wir haben früher<br />
immer zusammen Platten gehört und gesungen.<br />
INTERVIEW: Welche Platten waren das?<br />
<strong>ORA</strong>: Sade, die Supremes, solche Sachen. Aber<br />
auch die Spice Girls. Und Céline Dion – er bringt<br />
<strong>mich</strong> um, wenn er das hier liest. Glücklicherweise ist<br />
sein Deutsch so schlecht wie mein Latein.<br />
Make-up LUCY BRIDGE/JED ROOT<br />
USING M.A.C PRO COSMETICS<br />
Hair JOHNNIE SAPONG/JED ROOT<br />
USING LEONOR GREYL<br />
Manicure REBECCA JADE WILSON/JED ROOT<br />
USING ESTÉE LAUDER<br />
Photo Assistants MICHAEL FURLONGER,<br />
SCOTT ARCHIBALD, MATT WASH, BEN BIBRIESCA<br />
Digital Operator HAZEL GASKIN<br />
Styling Assistant BASMA KHALIFA<br />
Hair Assistant NURIYE SONMEZ<br />
Production SAM BRENNAN, SOPHIE SORENSEN<br />
Special thanks to HOXTON STREET<br />
STUDIOS, LONDON
.<br />
FORW<br />
DIESE SEITE:<br />
KOMPLETTLOOK<br />
BALENCIAGA<br />
RECHTE SEITE:<br />
JACKE, ROCK & KETTE<br />
CHANEL<br />
LATEXSTRÜMPFE<br />
PURPLE PASSION
.<br />
ARDFotos<br />
Gregory HARRIS<br />
Styling<br />
Julia VON BOEHM
.<br />
DIESE SEITE:<br />
KLEID<br />
VALENTINO<br />
RECHTE SEITE:<br />
KOMPLETTLOOK<br />
& SCHMUCK<br />
BALENCIAGA<br />
96
.<br />
DIESE SEITE:<br />
KOMPLETTLOOKS<br />
PRADA<br />
RECHTE SEITE:<br />
KLEID & KRONE<br />
DOLCE & GABBANA<br />
SONNENBRILLE<br />
OAKLEY<br />
98
.<br />
DIESE SEITE:<br />
JACKE & ROCK<br />
PRADA<br />
BH<br />
WHAT KATIE DID<br />
RECHTE SEITE:<br />
KOMPLETTLOOK<br />
GIVENCHY BY RICCARDO TISCI<br />
100
.<br />
DIESE SEITE:<br />
LATEXTOP, -HÖSCHEN<br />
& -STRÜMPFE<br />
PURPLE PASSION<br />
SCHMUCK & SCHUHE<br />
CHANEL<br />
RECHTE SEITE:<br />
KOMPLETTLOOKS<br />
VALENTINO<br />
102
.<br />
DIESE SEITE:<br />
JACKE, ROCK & SCHUHE<br />
PROENZA SCHOULER<br />
HANDSCHUHE<br />
SERMONETA<br />
LINKE SEITE:<br />
TOP & HÖSCHEN<br />
DOLCE & GABBANA<br />
KRONE<br />
VIRGINS SAINTS & ANGELS<br />
105
KOMPLETTLOOK & SCHMUCK<br />
GIVENCHY BY RICCARDO TISCI<br />
.
.<br />
DIESE SEITE:<br />
TOP<br />
DIOR<br />
HÖSCHEN,<br />
STRAPSHALTER<br />
& STAY-UPS<br />
WOLFORD<br />
LINKE SEITE:<br />
JACKE, KETTE & SCHUHE<br />
CHANEL<br />
LATEXSTRÜMPFE<br />
PURPLE PASSION
.<br />
DIESE SEITE:<br />
KOMPLETTLOOK<br />
PROENZA SCHOULER<br />
RECHTE SEITE:<br />
KLEID<br />
CÉLINE
.<br />
Set Design ELI METCALF/MAREK & ASSOCIATES<br />
Hair BRENT LAWLER/STREETERS<br />
Make-up KARAN FRANJOLA/MAREK & ASSOCIATES<br />
Manicure ALICIA TORELLO/THE WALL GROUP<br />
Models TESS HELLFEUER/NEW YORK MODELS,<br />
JOSEPHINE LE TUTOUR/THE SOCIETY, KREMI OTASHLIYSKA/FORD,<br />
NOUK TORSING/IMG, ELISABETH ERM/WILHELMINA<br />
Casting SAMUEL ELLIS SCHEINMAN FOR DMCASTING<br />
Producer LINDA HILFIKER<br />
Photo Assistants STEPHEN WORDIE, JACOB JONES<br />
Digital Technician MARY GEBHARDT<br />
Styling Assistants CLARE BYRNE, CHRIS LEE<br />
Set Assistants ROY DELGADO, MIKE NINEOHSEVEN,<br />
JAMES EMMERICH, AUBREE GALBISO, JACE MAUPIN,<br />
SAFWAT RIAD, SONYA LOUISE BARHAM<br />
Hair Assistant EMILY HAUSMAN<br />
Make-up Assistants AI YOKOMIZO, TAKAHIRO OKADA<br />
Special thanks DUNE STUDIOS, NEW YORK<br />
111
.<br />
Wir schreiben die späten Sechziger: Der Vibe ist groovy,<br />
die Sprossen sind frisch, das LSD lacht. Während erstmals tote<br />
Amerikaner in Blechsärgen aus Vietnam nach Hause geschickt<br />
werden, blüht in Kalifornien die Gegenkultur: Eine besonders<br />
illustre Gefolgschaft aus Los Angeles nennt sich The Source Family.<br />
Ihr Anführer Father Yod serviert vegetarische Kost, spirituelle<br />
Erleuchtung und Liebe, die so frei ist wie ein Vogel im Wind.<br />
Doch was geschieht wirklich? Eine neue Dokumentation geht<br />
auf Spurensuche – im Schatten wie im Sonnenlicht<br />
S O URCE
.<br />
F A M I L Y<br />
von<br />
Dimitri EHRLICH
114<br />
.
115<br />
In den späten 60er-Jahren kauften meine Eltern ein Bauernhaus in<br />
der Nähe von Woodstock/New York. Es stammte noch aus der<br />
Zeit vor dem Bürgerkrieg. Meine Familie hat viele Sommer dort<br />
verbracht. Auch wenn es sich dabei nicht um eine offizielle Kommune<br />
handelte, haben wir das Haus regelmäßig mit anderen Familien<br />
geteilt. Wir machten zusammen Yoga, ernährten uns gesund,<br />
lernten zu meditieren und taten also, was Hippies eben so tun.<br />
Meine Eltern waren Anhänger verschiedener Lehrer und Gurus,<br />
darunter Baba Ram Dass, Chögyam Trungpa, Bhagwan Shree Rajneesh<br />
und Alan Watts. Meine Geschwister und ich sind in einer Welt aufgewachsen,<br />
in der Buddhismus und Taoismus sozusagen Teil des täglichen makro biotischen<br />
Eintopfs waren.<br />
Als im Schatten des Vietnamkriegs zahlreiche Gegenbewegungen zu sprießen<br />
begannen, traditionelle Machtgefüge von Bürgerrechtsbewegung und sexueller<br />
Befreiung infrage gestellt wurden und die anderen Kulturrevolutionen dieser Tage<br />
Fahrt aufnahmen, trieb das viele junge Leute dazu, ihr eigenes Bewusstsein genauer<br />
zu erkunden. Einige von ihnen fanden zur Religion – sowohl zur institutionellen<br />
als auch zu esoterischeren Auswüchsen. Andere traten Gemeinschaften bei, die<br />
sich für neue Denk- und Lebensweisen interessierten. Wieder andere landeten in<br />
Gemeinschaften, die sich einige Zeit später als Sekten entpuppen sollten. Zur<br />
selben Zeit, als ich meine eigene idyllische Hippie-Kindheit in den Catskill<br />
Mountains verlebte, wurden im ganzen Land Tausende solcher Kommunen ins<br />
Leben gerufen – die meisten davon harmlos und friedfertig. Andere, wie jene von<br />
Jim Jones und Charles Manson, waren schädlicherer Natur.<br />
Unter den vielen selbst ernannten Gurus im Amerika der 60er- und frühen<br />
70er-Jahre befand sich auch ein gewisser Jim Baker. Der ehemalige Marinesoldat<br />
und Veteran des Zweiten Weltkriegs hatte sich selbst auf den Namen Father Yod<br />
getauft und ist nun Hauptfigur eines neuen Dokumentarfilms mit dem Titel The<br />
Source Family von Jodi Wille und Maria Demopoulos. Bakers Vergangenheit ist<br />
nicht gerade respektabel: Abgesehen von der Tatsache, dass er zwei Ehefrauen sitzen<br />
gelassen haben soll, sagte man ihm nach, in mehrere Banküberfälle ver wickelt<br />
gewesen zu sein und zwei Männer bei verschiedenen Gelegenheiten um gebracht<br />
zu haben, beide anscheinend, um sich selbst zu verteidigen.<br />
Nichtsdestotrotz hatte Baker Ende der 60er-Jahre ein beträchtliches Vermögen<br />
angehäuft. Er eröffnete das Source – das erste Health-Food-Restaurant auf<br />
dem Sunset Strip in Los Angeles – und gab Meditationsunterricht. Daneben zog er<br />
eine Menge attraktiver junger Männer und Frauen an, von denen viele Mitglieder<br />
der Source Family wurden – der Kommune, die Baker gegründet hatte und die die<br />
Lehren verschiedener Glaubensrichtungen von Theosophie über Tantra bis zu<br />
Kundalini und Astrologie miteinander vermischte. Bakers Restaurant wurde zum<br />
Epizentrum eines coolen neuen Lifestyle- und Health-Food-Bewusstseins: John<br />
Lennon, Steve McQueen und Warren Beatty aßen dort zu Abend. Woody Allen<br />
drehte die berühmte Szene aus Annie Hall (1977) im Source. Zudem erlaubten die<br />
Einnahmen aus dem Restaurantbetrieb den Mitgliedern der Source Family ein<br />
komfortableres Leben, als es Kommunenbewohnern normalerweise vergönnt war:<br />
Baker wurde im weißen Rolls-Royce durch die Stadt kutschiert und mietete eine<br />
Villa samt Swimmingpool von olympischem Ausmaß in Los Feliz, in der er zeitweise<br />
mit bis zu 100 Familienmitgliedern lebte. Die Source Family hatte außerdem<br />
eine eigene Rockband, Ya Ho Wa 13, die sich in den Randgebieten des psychodelischen<br />
Rock erprobte, während Baker planlos auf einem Schlagzeug herumtrommelte<br />
und dazu vor sich hinsang (Vinyl-Aufnahmen von Ya Ho Wa 13 avancierten<br />
zu heiß begehrten Sammlerstücken).<br />
Jim Baker war gelinde gesagt ein komplizierter Charakter. Es gab einen Zeitpunkt,<br />
an dem er 14 „spirituelle Ehefrauen“ gleichzeitig hatte, einige von ihnen<br />
noch im Teenageralter. Doch auch wenn er von seinen Anhängern unbestreitbar<br />
ein bestimmtes Maß an Hingabe forderte – er war kein tyrannischer Anführer.<br />
Demopoulos’ und Willes Dokumentation dämonisiert weder, noch schreckt sie vor<br />
Bakers kontroversem Verhalten zurück. „Meiner Meinung nach ist Father Yod<br />
kein Scharlatan“, sagt Wille, der für den Film über sechs Jahre lang 40 Mitglieder<br />
der Source Family interviewt hat. „Zwar hatte er Facetten eines Scharlatans an<br />
sich, aber er stimmt dennoch genau mit dem überein, was Robert Ellwood als<br />
‚magus tradition‘ bezeichnet hat. Ein Magus ist kein Heiliger, er ist nicht einmal<br />
ein Seher oder Prophet, er ist eher ein Initiator. Er tritt als Person auf, die stärkeren<br />
Zugang zu anderen Welten hat als die meisten Leute. Solche Menschen gab es<br />
im antiken Griechenland, sie tauchten aber auch in vielen anderen Kulturen auf<br />
und wurden jedes Mal von den Autoritäten infrage gestellt. Für <strong>mich</strong> hat Father<br />
Yod weitaus weniger mit Charles Manson gemein als mit Pythagoras.“<br />
Dessen ungeachtet waren es die ängstlichen Vergleiche mit dem Erstgenannten,<br />
die Baker und seine Familie schließlich dazu brachte, ihr Haus zu verlassen,<br />
das nur wenige Blocks vom Tatort der LaBianca-Morde entfernt lag. 1975 zog die<br />
gesamte Source Family nach Hawaii, wo ihr nicht nur Feindseligkeit entgegen-<br />
.<br />
schlug, sondern sie zudem auch noch Geldprobleme plagte. Nachdem Baker sich<br />
beim Drachenfliegen tödlich verletzt hatte, zerstreuten sich seine Anhänger in alle<br />
Himmelsrichtungen.<br />
Hätten die Familienmitglieder Isis und Electricity Aquarian 2007 nicht ein<br />
Buch unter dem Titel The Source: The Untold Story of Father Yod, Ya Ho Wa 13, and<br />
The Source Family veröffentlicht, wäre die Geschichte dieser Familie vermutlich in<br />
Vergessenheit geraten. Willes und Demopoulos’ Dokumentation basiert auf eben<br />
diesem Buch, und so erfährt man, dass einige der früheren Weggefährten mittlerweile<br />
recht erfolgreich sind (einer von ihnen, Magus, gründete eine Personalfirma<br />
für die Softwareindustrie, die für 60 Millionen Dollar verkauft wurde), während es<br />
anderen weniger gut erging (die Tochter von Bakers rechtmäßiger Ehefrau Robin<br />
erzählt im Film, ihre Mutter sei an ihren Erfahrungen zerbrochen).<br />
DIMITRI EHRLICH: Wie verlief Ihre Kindheit?<br />
ISIS AQUARIAN: Ich war das älteste von sieben Geschwistern. Wir waren beim<br />
Militär, daher sind wir oft umgezogen. Meine Mutter war eine Heilige – eine<br />
wahnsinnig liebevolle, perfekte Mutter. Sie hat sich sehr gut um uns gekümmert.<br />
Mein Vater war Alkoholiker, was quasi normal war für Militärs in den Fünfzigern.<br />
Irgendwie waren wir schon eine dysfunktionale Familie. Wir waren einfach zu<br />
viele und sind ständig umgezogen, das war schon schwer. Das hat dazu geführt,<br />
dass alle von uns sich so schnell wie möglich davon lösen wollten.<br />
ELECTRICITY AQUARIAN: Meine Geschichte ist ganz ähnlich. Ich wurde in Columbia/South<br />
Carolina geboren. Mein Vater war Alkoholiker, meine Mutter eine<br />
Heilige. Mittlerweile ist sie 93 Jahre alt. Unsere Kindheit war hart. Ich hatte einen<br />
älteren Bruder, der die Gewalt und die Schwierigkeiten größtenteils abfing. Deswegen<br />
konnte ich mir etwas Unschuld bewahren. Alles in allem war es die typische<br />
Erziehung, die man in den Südstaaten eben bekam. Fast alle Kinder, die ich damals<br />
kannte, hatten Väter, die Alkoholiker waren.<br />
EHRLICH: Welcher Religion haben Sie angehört?<br />
ISIS: Ich wurde katholisch erzogen. Ich kann <strong>mich</strong> nicht erinnern, mir besonders<br />
viel daraus gemacht zu haben. Aber den Weihrauch habe ich geliebt. Ich fand<br />
es immer toll, wenn sie damit den Gang entlanggegangen sind.<br />
ELECTRICITY: Ich wurde baptistisch erzogen. Ich war ziemlich fromm. Als<br />
Sechsjähriger stand ich auf der Kanzel und habe vor der gesamten Gemeinde erzählt,<br />
dass ich Prediger werden will. Dieser Wunsch währte, bis ich so circa 14 war<br />
und erkannte, dass ich es da mit viel zu vielen Lügen zu tun hatte. Also habe ich<br />
<strong>mich</strong> bei sämtlichen anderen Religionen umgesehen, und als Student sah ich <strong>mich</strong><br />
dann als überzeugten Atheisten.<br />
EHRLICH: Wann hatten Sie Ihre erste mystische Erfahrung oder sind mit Meditation<br />
in Kontakt gekommen?<br />
ISIS: Als Heranwachsende hatte ich übersinnliche Erfahrungen, aber ich habe<br />
das damals nie mit irgendeiner Religion in Verbindung gebracht. Als ich die Highschool<br />
abschloss, habe ich lange gesucht, aber ich habe nichts gefunden, das <strong>mich</strong><br />
wirklich für sich einnehmen konnte. Dann kam ich nach L.A. – wo die Hippies und<br />
Blumenkinder gerade voll im Gange waren. Es war, als würde sich eine Tür öffnen.<br />
Plötzlich tauchten überall Menschen auf, die anders leben wollten. In den Sechzigern<br />
und Siebzigern ging es ums Essen, um Ernährung, um Vegetarismus und<br />
solche Dinge, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Als ich meine Familie verlassen<br />
habe, bin ich mit meinem Kongressabgeordneten nach D.C. gezogen. Dort habe<br />
ich schnell gemerkt, dass ich dieses Leben weder führen noch mit jemandem verheiratet<br />
sein möchte, der es führt. Ich habe <strong>mich</strong> viel mehr zu den Hippies und<br />
Blumenkindern hingezogen gefühlt.<br />
ELECTRICITY: 1968 habe ich meinen Abschluss an der University of South Carolina<br />
gemacht. Ich wollte wegziehen, aber meine Frau wollte nicht mitkommen,<br />
also habe ich einfach Platten, Bücher und ein paar Klamotten in meinen VW-Bus<br />
geworfen und bin Richtung San Francisco gefahren. Ich hatte sogar Plastikblumen<br />
gekauft und den Wagen damit geschmückt (lacht). Ich war auf der Suche nach etwas<br />
Besserem, nach mehr. In Berkeley habe ich dann ein winziges Zimmer in einem<br />
Sandsteinhaus gemietet. Es wurde ausschließlich von Studenten bewohnt, die<br />
meisten von ihnen waren im letzten Jahr oder hatten das Studium bereits abgeschlossen.<br />
Da war ich in guter Gesellschaft, das hat <strong>mich</strong> natürlich sofort beeinflusst.<br />
Nach ein paar Monaten bin ich dann nach San Francisco, ganz in die<br />
Nähe der Haight Street gezogen. Niemand, der damals im Haight-Ashbury-Viertel<br />
wohnte, blieb ein Konservativer oder hat sich nicht für das interessiert, was<br />
gerade abging. An jeder Straßenecke begegnete man jemandem, der Gras oder<br />
LSD anbot, und überall liefen Hippie-Mädchen in Mänteln herum, um sich im<br />
nächsten Touri-Auto schnell frei machen zu können. Es war eine wilde Zeit, und<br />
dein Geist ist dramatisch schnell gewachsen, sowohl spirituell als auch physisch.<br />
Wir waren trotzdem weiter auf der Suche und haben angefangen, uns mit den
.<br />
“<br />
Wir lebten in<br />
einer anderen Dimension.<br />
Wir hatten unsere<br />
eigenen Regeln<br />
”<br />
– Isis Aquarian<br />
116
117<br />
.<br />
verschiedenen Yogis und Gurus zu treffen, die in die Stadt kamen, und auch selber<br />
meditiert. Eines Tages habe ich <strong>mich</strong> verliebt und bin mit dem Mädchen nach<br />
Potreo Hill gezogen, wo wir beinahe so etwas wie unsere eigene kleine Familie,<br />
unsere eigene kleine Kommune führten. Wir haben alle zusammen meditiert und<br />
uns mit verschiedenen Formen von Spiritualität auseinandergesetzt. Aber als ich<br />
Father kennenlernte, hat es <strong>mich</strong> umgehauen. Das war weit, sehr weit entfernt von<br />
dem, was ich kannte. Das war 1974.<br />
ISIS: Ich habe Jim Baker das erste Mal im Old World Restaurant getroffen, als<br />
ich mit einer paar Leuten dort war. Das war, kurz nachdem ich von New York nach<br />
L. A. gekommen bin. Baker war damals mit einer Französin verheiratet, Dora. Ich<br />
habe <strong>mich</strong> mit ihr angefreundet. Zu Baker selber hatte ich noch keinen richtigen<br />
Kontakt. Er war bereits eine Legende in Hollywood. Man nannte ihn Food-Guru,<br />
weil er lauter hervorragende und gut laufende Restaurants auf dem Sunset Strip<br />
besaß. Ich verlobte <strong>mich</strong> mit einem ziemlich berühmten Rock-’n’-Roll-Fotografen<br />
(Ron Raffaeli). Für eine Kampagne zu Jesus Christ Superstar suchte er Models, und<br />
ich wusste, dass Jim Baker gerade das Restaurant Source eröffnet hatte, in dem<br />
langhaarige Typen arbeiten sollten, die angeblich wie Jesus aussahen. Als ich da<br />
hinging, lief mir dann prompt jemand in die Arme, der aussah wie Moses. Es war<br />
nicht der Jim Baker, den ich kennengelernt hatte. Irgendetwas änderte sich augenblicklich<br />
in mir. Ich wusste auf einmal, dass ich zu Hause angekommen war. Wir<br />
trafen uns auf derselben Frequenz, das hat <strong>mich</strong> sofort beflügelt. Von diesem Moment<br />
an habe ich nie mehr zurückgeblickt.<br />
ELECTRICITY: Würde man 100 Mitglieder aus der Familie interviewen, wäre<br />
man erstaunt, wie sehr sich ihre Schilderungen ähneln. Aber ich sage ja immer:<br />
Wir haben Father nicht gefunden, er hat uns magnetisch angezogen. Diejenigen,<br />
die in der Lage waren, ihn zu erkennen, wurden zu ihm hingezogen. Ich lebte in<br />
San Francisco und hatte gerade einen Jungen namens Scott aufgesammelt, der per<br />
Anhalter bei mir mitgefahren war. Er war ein sehr talentierter Musiker. Ich habe<br />
ihn eingeladen, eine Weile bei mir zu bleiben, damit wir sein Talent gemeinsam<br />
weiterentwickeln könnten. Wir haben meinen 51er Chevy beladen und sind damit<br />
nach Los Angeles gefahren, wo wir eine Woche lang nicht weitergekommen sind<br />
und ständig an diesem Laden vorbeikamen, in dem all diese tollen Leute saßen.<br />
Männer in weißen Roben mit langen Bärten und wunderschöne Frauen. Wir waren<br />
fasziniert davon, aber wir konnten uns nicht leisten, dort essen zu gehen, also<br />
haben wir es uns weiter von außen angeschaut. Schließlich hatten wir all unser<br />
Geld ausgegeben, keine Ideen mehr und saßen einen ganzen Tag lang auf David<br />
Geffens Parkplatz herum. Er kam an diesem Tag nicht zur Arbeit. Schließlich sind<br />
wir nach Venice Beach gefahren, um dort ein bisschen LSD zu nehmen und zu<br />
gucken, ob uns doch noch ein paar Ideen kommen. Scott zog einen Flyer aus der<br />
Tasche und sagte: „Lass uns doch auf das Konzert im Venice Pavilion gehen.“ Das<br />
Konzert wurde von der Source Family organisiert. Nach der Show hat Scott ein<br />
paar Stücke auf dem Klavier gespielt. Einige der Söhne haben ihn gehört und<br />
Father Yod dazugeholt. Er hat uns dann zu seiner Meditationsstunde am nächsten<br />
Morgen eingeladen. Von da an wusste ich, dass sich mein Leben ändern würde.<br />
ISIS: Wir lebten in einer anderen Dimension. Wir hatten unsere eigenen Regeln<br />
und haben immer gesagt, dass wir nach dem spirituellen Gesetz und nicht<br />
nach menschengemachten Gesetzen leben würden. Jedenfalls war ich sehr auf Baker<br />
fixiert. Er war mein roter Faden. Es hat <strong>mich</strong> auch nicht gestört, als er irgendwann<br />
etwas mit anderen Frauen anfing. Die Frauen waren vorher schon Schwestern.<br />
Für <strong>mich</strong> hat das so funktioniert. Kann sein, dass andere Frauen das anders<br />
sehen. Zwischen Jim und mir gab es jedenfalls nie Probleme deshalb. Wir haben<br />
schon in Übereinstimmung gelebt, bevor wir uns überhaupt kennengelernt haben.<br />
EHRLICH: Wie war Ihr erster Eindruck von Father Yod?<br />
ISIS: Mein erster Eindruck war, dass ich mir absolut im Klaren darüber war,<br />
was ich da mit ihm tue und wer er war. Die Familie war einfach phänomenal. Wir<br />
waren sehr wohlhabend, aber Geld hat uns nichts bedeutet. Wir haben in einer<br />
Villa gewohnt. Wir sind Rolls-Royce gefahren. Wir haben morgens meditiert. Ich<br />
meine, wir hatten einfach alles.<br />
ELECTRICITY: Am Morgen, nachdem wir ihn kennengelernt hatten, gingen wir<br />
zu seiner Meditationsrunde. Wir haben uns einem Raum genähert, aus dem uns<br />
die unglaublichsten Gerüche und Gesänge entgegenströmten. Mehr als 100 Leute<br />
saßen im Lotussitz vor Father Yod – es war ein unglaublich starkes und schönes<br />
Bild. Als wir hereintraten, rief er: „Ihr seid zu spät!“ Wir sind ziemlich langsam<br />
gefahren, weil wir Angst hatten, uns würde das Benzin ausgehen (lacht). „Zeige ich<br />
euch mehr Liebe, wenn ich euch nun wegschicke oder wenn ich euch erlaube zu<br />
bleiben?“ Er sah <strong>mich</strong> direkt an. Ich habe gesagt, dass ich es vorziehen würde,<br />
wenn er uns bleiben ließe. „Genau das habe ich mir gedacht, raus mit euch hier!“<br />
Ich bin hinausgestürmt und hörte ihn noch rufen: „Niemand redet so mit mir.“<br />
Am nächsten Morgen ging ich wieder hin.<br />
EHRLICH: Was haben Ihre Familien und Freunde gesagt, als Sie der Source<br />
Family beigetreten sind?
118<br />
ISIS: Es war nun mal so, dass man sie verließ, wenn sie einem nicht zu den Yogis<br />
und Gurus folgen wollten oder diesen Weg nicht unterstützten. Zu meiner Mutter<br />
habe ich aber Kontakt gehalten. Sie wusste immer, wo ich war. Aber man hat ein<br />
neues Leben angefangen. Die meisten von uns haben sich nie wieder umgedreht<br />
oder zurückgeschaut. Viele kamen allerdings auch aus familiären Situationen, die<br />
ihnen nicht viel Gutes mit auf den Weg gegeben haben.<br />
ELECTRICITY: Die meisten Leute aus unserer Generation haben sich von ihren<br />
Familien entfremdet oder hatten ein angespanntes Verhältnis zu ihnen. Von daher<br />
fiel es uns nicht schwer, Father Yods Rat, die Vergangenheit hinter uns zu lassen,<br />
umzusetzen. Hat man das nicht gemacht, wurde es oft schmerzhaft, weil alte<br />
Freunde und die Familie einen vom Kurs abgebracht haben. Viele Beziehungen<br />
mussten später geheilt werden. Aber im Grunde haben wir der Vergangenheit den<br />
Rücken gekehrt. Deswegen haben wir auch alle neue Namen angenommen. Wir<br />
bekamen sogar neue Führerscheine.<br />
EHRLICH: Wenn man mit circa 140 Leuten in einem Haus lebt – wer kauft dann<br />
eigentlich das Klopapier?<br />
ISIS: Jeder hatte seine Pflichten. Die Frauen, die zu Hause blieben, haben sich<br />
hervorragend um den Haushalt gekümmert. Es war immer blitzblank, und es gab<br />
immer etwas zu essen. Ich weiß nicht, wie wir es geschafft haben, mit drei Badezimmern<br />
auszukommen, aber es hat funktioniert. Ich kann <strong>mich</strong> nicht erinnern,<br />
jemals vor dem Badezimmer gewartet zu haben. Und als Vegetarier oder während<br />
einer speziellen Diät aufs Klo zu gehen ist schon etwas anders – falls Sie verstehen,<br />
was ich meine.<br />
EHRLICH: Was hat Ihnen an Father Yod am meisten gefallen, und was war sein<br />
schlimmster Fehler?<br />
ISIS: Seine beste Eigenschaft war die Fähigkeit, plötzlich voll da zu sein und sich<br />
zu öffnen. Er konnte in einem Moment den sogenannten Earth Trip mit jemandem<br />
machen, der gerade ein Problem hatte, und im nächsten wieder ganz spirituell<br />
sein. Er konnte sich in jeden gut hineinversetzen, egal ob Mann oder Frau. Er war<br />
eine sehr starke Person. Seine schlimmste Eigenschaft war seine Ungeduld. Wenn<br />
man so schnell zwischen den verschiedenen Sphären des Universums wechseln<br />
kann wie er und das Umfeld sich nicht so schnell darauf einstellt, kann das natürlich<br />
bei 200 Leuten manchmal etwas frustrierend sein.<br />
EHRLICH: Haben Sie angesichts der Tatsache, dass er in den Tod zweier Menschen<br />
verwickelt war, anscheinend mehrere Banken überfallen und Frauen mit<br />
ganzen Familien im Stich gelassen hatte, eigentlich jemals gedacht: „Vielleicht<br />
sollte dieser Mann nicht mein Guru werden?“<br />
ISIS: Für uns war das vergangen. Diesen Teil seines Lebens kannten wir nicht.<br />
Und es war an ihm, sein Leben neu zu gestalten und mit der Vergangenheit aufzuräumen.<br />
Das konnten wir ihm nicht abnehmen. Aber er hat uns alles darüber<br />
erzählt. Er hat tagelang von nichts anderem gesprochen als davon, wie er die Leute<br />
umgebracht und die Bank ausgeraubt hat. Das war wie Geschichtsunterricht für<br />
die kommende Generation. Und er hat als Father Yod nur noch in der dritten<br />
Person gesprochen. Jim Baker wurde zu einer abgeschlossenen Einheit für ihn.<br />
ELECTRICITY: Jim Baker ist gestorben, und Father Yod wurde geboren. Deswegen<br />
konnte das alte Karma nicht mitkommen.<br />
ISIS: Er hat immer die Verantwortung für das übernommen, was er als Jim Baker<br />
getan hat. Er hat sich auch bei den Leuten entschuldigt, denen er Schlechtes<br />
getan hat, und Geld zurückgezahlt, wenn er jemandem etwas geschuldet hat.<br />
ELECTRICITY: Er hat immer gesagt: „Lerne von der Vergangenheit, hab ein<br />
Auge auf die Zukunft, und lebe im Jetzt.“ Genauso hat er sein Leben auch gelebt.<br />
ISIS: Er hat ständig über Jim Baker gelacht.<br />
EHRLICH: Hat die Tatsache, dass er zeitweise 14 Frauen gleichzeitig hatte, gegen<br />
eines seiner Zehn Gebote verstoßen?<br />
ELECTRICITY: Entschuldigung, aber nein, das hat sie nicht. Nirgendwo heißt es,<br />
dass der Mann mit einer Frau zusammengehört. Es heißt: „Der Mann und seine<br />
Frau werden eins.“ Das heißt nicht zwangsläufig, dass er nur eine Frau haben darf.<br />
EHRLICH: Im Film erzählt Electra, dass er Leute angewiesen hätte, mit bestimmten<br />
anderen Leuten Sex zu haben.<br />
ISIS: Das hat <strong>mich</strong> ganz schön umgehauen. Ich kann dem, was da gesagt wird,<br />
nicht zustimmen. Das ist nicht meine Realität. Ich habe es nie so erlebt, und ich<br />
habe nie jemanden dort erlebt, der unglücklich über seine Entscheidungen war. Er<br />
hat immer gesagt, dass man nicht mit jemandem zusammen sein muss, wenn man<br />
das nicht will. Es kam oft vor, dass er eine Frau gefragt hat, ob sie mit einem bestimmten<br />
Sohn zusammenkommen möchte, und die das dann abgelehnt hat. Vielleicht<br />
sehen die völlig Gehorsamen unter ihnen das anders. Diese ganze Geschichte<br />
von Electra (Familienmitglied, das in der Dokumentation zu Wort kommt), die mit<br />
Mercury (männliches Mitglied) zusammenkommt, ergibt für <strong>mich</strong> überhaupt keinen<br />
Sinn. Das ist nur ihre Version.<br />
ELECTRICITY: Nach 40 Jahren haben manche Leute ihre Erinnerungen eben<br />
etwas zu sehr ausgeschmückt. Da wird schon mal hier und da etwas zurechtgebogen,<br />
damit das alles mit dem Leben, das sie jetzt führen oder vor der Familie<br />
geführt haben, zusammenpasst.<br />
ISIS: Ich glaube schon, dass einige Dinge zu manchen Leuten nicht gepasst haben.<br />
Für die Zeit, in der wir zusammen waren, war alles gut, weil wir in unserer<br />
eigenen Welt gelebt haben. Aber dann kehrt man zurück zum Rest der Welt und<br />
merkt, dass man da nicht reinpasst. Deshalb haben viele Leute im Nachhinein<br />
negativ geurteilt. Warum sind die Leute alle so lange dabeigeblieben, wenn es ihnen<br />
nicht guttat? Ich kann <strong>mich</strong> nur an glückliche, lachende Menschen erinnern,<br />
die sagten: „Ich habe hier die Zeit meines Lebens!“ Jeder, der in dem Film sagt,<br />
dass er nicht glücklich gewesen sei, kann letztlich den Satz hinzufügen: „Aber ich<br />
würde es gegen nichts eintauschen wollen.“<br />
ELECTRICITY: Er hat uns immer gesagt: „Wenn du nicht glücklich bist, wenn du<br />
irgendetwas von dem, was ich hier sage, falsch findest, dann sag es mir bitte oder<br />
zeig mir etwas Besseres oder verlass uns.“ Alle, die geblieben sind, waren also absolut<br />
im Reinen mit der Sache. Kann sein, dass manche ihre Ansichten im Nachhinein<br />
geändert haben. Aber das erlauben wir ihnen, wie Isis schon gesagt hat.<br />
EHRLICH: Ich habe ja den Eindruck, dass er sich am Ende das Leben genommen<br />
hat, weil …<br />
ISIS: Hier muss ich unterbrechen, wenn das okay ist. Ich weiß, was jetzt kommt.<br />
Er hat mehrmals versucht, die Familie aufzulösen. Wir haben L. A. einmal verlassen,<br />
das war es. Es ging bergab für uns, es hat einfach nicht mehr funktioniert.<br />
Als wir in Kauai waren, wollte er die Familie auflösen, aber keiner von uns ist gegangen.<br />
Er sagte: „Es ist nun an der Zeit, dass alle ihren eigenen Weg gehen – so<br />
funktioniert es nicht. Ich habe alles gegeben, was ich habe. Mehr braucht ihr<br />
nicht.“ Wir sind geblieben. Er hat nicht Selbstmord begangen, aber er wollte raus.<br />
Er war bereit zu gehen. Er wusste, dass er die Familie nicht verlassen konnte und<br />
wir ihn nicht verlassen würden. Also hat er es versucht. Er sagte: „Ich springe von<br />
einer Klippe. Ich werde Drachenfliegen.“ Ich glaube aber, dass er einen Hintergedanken<br />
hatte: „Oh mein Gott, wenn das eine Gelegenheit ist, dann hol <strong>mich</strong>,<br />
bitte. Ich bin bereit.“<br />
EHRLICH: Es war also kein Selbstmord …<br />
ISIS: Als wir ihn gefunden haben, hatte er nicht einen gebrochenen Knochen.<br />
Er hat auch nicht geblutet. Er war bei Bewusstsein. Er hat gesagt, dass er Rückenschmerzen<br />
hätte. Niemand hatte erwartet, dass er seinen Körper verlässt. Er sagte<br />
noch: „Das war wohl Gottes letzte Lektion für <strong>mich</strong>. Ich dachte, ich würde das tun,<br />
aber ich habe es nicht getan.“ Er verließ seinen Körper. Das war sein Wille.<br />
ELECTRICITY: Vor Kurzem hatten wir eine Unterhaltung über das Thema auf<br />
unserer privaten Internetseite. Da hat niemand behauptet, dass er Selbstmord begangen<br />
hätte. Er selbst hat uns beigebracht, dass Selbstmord nicht zum spirituellen<br />
Weg gehören würde. Einer der Söhne kann Drachenfliegen. Er hatte Baker seinen<br />
Drachen geliehen. Er hat gesagt: „Warum hätte er diese wunderschöne Formation<br />
fliegen und den Drachen landen sollen, wenn er vorhatte, sich umzubringen.“ Er<br />
ist sogar ziemlich gut gelandet. Ein bisschen hart vielleicht, aber ich habe schon<br />
schlimmere Kratzer von Katzenkrallen an meinen Beinen gehabt. Das endgültige<br />
Statement ist also: Er hat den Drachen gelandet, und der Drachen war nicht mal<br />
beschädigt. Man begeht keinen Selbstmord, indem man einen Drachen landet. In<br />
dem Fall würde man gegen eine Klippe fliegen oder ins Meer.<br />
EHRLICH: Wo haben Sie sich mittlerweile niedergelassen?<br />
ISIS: Ich wohne auf Oahu/Hawaii.<br />
ELECTRICITY: Und ich auf Kauai/Hawaii.<br />
EHRLICH: Und wie leben Sie dort?<br />
ISIS: Sehr gut (lacht). Wir sind sehr glücklich, da zu wohnen. Wir haben beide<br />
ein schönes Zuhause. Wir arbeiten beide, wir haben Familien um uns. Wir reisen.<br />
Electricity ist mein Source-Partner, gemeinsam arbeiten wir an vielen Projekten.<br />
Manchmal fahre ich nach Kauai, und manchmal besucht er <strong>mich</strong>. Ich bin 71 Jahre<br />
alt und in Rente.<br />
ELECTRICITY: Ich mache verschiedene Geschäfte. Ich war 24 Jahre lang Immobilienmakler<br />
im Staat Hawaii.<br />
EHRLICH: Was haben Sie aus heutiger Sicht aus Ihren Erfahrungen gelernt?<br />
ISIS: Ich habe überhaupt keine Angst vor dem Tod. Ich verstehe das Karma in<br />
diesem Leben. Ich verstehe den Menschwerdungsprozess. Ich verstehe den Geist.<br />
ELECTRICITY: Ich mache all diese Aufarbeitung nicht nur, weil ich denke, dass<br />
das eine sehr gute Geschichte ist, sondern auch, um andere Menschen zu inspirieren,<br />
ihr eigenes seelisches Wachstum zu verfolgen. Father hat immer gesagt: „ Wir<br />
brauchen keine Mittelsmänner zwischen Gott und uns.“ Und: „Welchen Weg?<br />
Das spielt keine Rolle, solange du nur die Kraft hast, ihn weiterzugehen.“ Der<br />
beste Weg, seine Lehren in die Tat umzusetzen, war, sich auf das zu fokussieren,<br />
was er immer als unser Ziel bezeichnet hat. Ich habe es in den „Path of PERL“<br />
umbenannt: Purify your body; Elevate your mind; Refine your emotions; Liberate<br />
your soul. Wenn man einmal auf diesem Weg ist, kann man alles machen, was man<br />
will. Solange man nur gütig ist.<br />
.<br />
Alle Fotos: Courtesy Isis Aquarian Archives
.<br />
Winona<br />
Eigentlich waren in den Neunzigern alle Jungs<br />
(und fast alle Mädchen) in diese Frau verliebt. Sie war die<br />
Meerjungfrau, das Mädchen mit den Scherenhänden,<br />
so unschuldig und rein, dass selbst Dracula sich in ihren Hals<br />
verbiss. Doch irgendwann setzte Reality Bites ein,<br />
die Schlagzeilen wurden merkwürdig, auf Panikattacken folgte<br />
ein Kaufhausdiebstahl. Das war vor zwölf Jahren.<br />
Danach wurde es ruhig um Winona Ryder. Doch die selbst<br />
auferlegte Pause hat nun ein Ende<br />
von<br />
Stephen MOOALLEM<br />
“<br />
KLEID<br />
GIORGIO ARMANI<br />
HANDSCHUHE<br />
(DURCHGEHEND GETRAGEN)<br />
CAMILLA STAERK<br />
ARMBAND<br />
(DURCHGEHEND GETRAGEN)<br />
KENNETH JAY LANE<br />
Da meinte die Casting-Frau:<br />
‚Mädchen, du solltest nicht versuchen,<br />
Schauspielerin zu sein. Du hast einfach nicht,<br />
was man braucht‘<br />
FOTOS<br />
CRAIG McDEAN<br />
STYLING<br />
KARL TEMPLER<br />
121<br />
”
122<br />
.
.<br />
DIESE SEITE:<br />
KLEID<br />
LOUIS VUITTON<br />
SCHUHE<br />
ROCHAS<br />
LINKE SEITE:<br />
KLEID<br />
NINA RICCI
KLEIDER<br />
VALENTINO<br />
BH<br />
KIKI DE MONTPARNASSE<br />
GÜRTEL<br />
KYUNG PHILL KANG<br />
SCHUHE<br />
ROCHAS<br />
.
.<br />
“<br />
Viele Leute denken vermutlich,<br />
dass dieser Zwischenfall <strong>mich</strong> in eine<br />
komische Bahn gelenkt hätte, das passierte<br />
jedoch schon ein paar Jahre zuvor<br />
”
.<br />
KLEID<br />
NINA RICCI<br />
126
INTERVIEW: Ich hörte, du seist angeschlagen.<br />
WINONA RYDER: Und ich weiß nicht einmal, ob<br />
es eine Erkältung ist oder nicht. Jedenfalls verlor ich<br />
meine Stimme und klang sehr verrucht. Kurzzeitig<br />
fand ich das ganz chic …<br />
INTERVIEW: Und für die Nachwelt dokumentieren<br />
wir es, da wir ja alles aufzeichnen. Jedenfalls hoffe ich<br />
das. So wirklich trauen kann man diesen digitalen<br />
Diktiergeräten ja nie.<br />
RYDER: Früher benutzte man dafür noch Tonbandgeräte.<br />
Verrückte Welt.<br />
INTERVIEW: Wir schreiben das Jahr 2013. Ich bin<br />
mir sicher, dass uns irgendwer ohnehin zuhört.<br />
RYDER: Big Brother!<br />
INTERVIEW: Na ja, du bist schließlich in Kalifornien<br />
in den Siebzigern aufgewachsen. Mit Sicherheit<br />
gab es da etliche Verschwörungstheoretiker …<br />
RYDER: Oh ja, willkommen in meiner Kindheit!<br />
Meine Eltern sind toll, wirklich toll, aber auch ziemlich<br />
links. Mittlerweile wohnen sie in Kanada.<br />
INTERVIEW: Wirklich?<br />
RYDER: Ja. Sie sind dorthin gezogen, als Bush<br />
wieder gewählt wurde.<br />
INTERVIEW: Das glaube ich nicht.<br />
RYDER: Doch! Alle redeten nur davon, meine Eltern<br />
haben es tatsächlich durchgezogen. Du merkst:<br />
Ich komme aus einem ziemlich alternativen Haushalt.<br />
Meine frühesten Kindheitserinnerungen spielen im<br />
City Lights, dem legendären Buchladen in San Francisco.<br />
Dort wurde ich babygesittet.<br />
INTERVIEW: Wow.<br />
RYDER: Ganz genau! Aber noch einmal zurück zu<br />
moderner Technologie: Damit stehe ich einfach auf<br />
Kriegsfuß. Ich weiß natürlich, welche großartigen<br />
Möglichkeiten diese Kommunikationstechnik bietet.<br />
Aber es macht <strong>mich</strong> wahnsinnig, wenn es wieder<br />
heißt: „Du musst Social Media machen, sonst findest<br />
du nicht statt, existierst nicht als Mensch, bist nicht<br />
relevant.“ Dieses ganze „Pass dich an oder stirb aus“<br />
ist wirklich nicht mein Ding.<br />
INTERVIEW: Aber du hast doch ein iPhone.<br />
RYDER: Ja, das habe ich. Seit Kurzem. Aber auch<br />
das war nicht unproblematisch: Als der Verkäufer<br />
meinte: „We should go up to the bar“, fragte ich nur:<br />
„Wow, ihr habt ’ne Bar hier?“ Dabei meinte der<br />
irgend ein Menü-Detail. Egal, ich muss echt aufhören,<br />
so rumzuheulen auf meiner Suche nach einem Medium,<br />
das einem das kleine Glück, Privatsphäre und ein<br />
wenig Restwürde lässt. Ich bin einfach sehr nostalgisch<br />
– und weiß natürlich, wie viel Gutes in all diesem<br />
neuen Zeug steckt. Letztendlich liebe ich jedoch<br />
Bücher, und mein Lieblingsgeräusch ist das, wenn die<br />
Nadel auf die Schallplatte trifft.<br />
INTERVIEW: Du wohnst mittlerweile die meiste<br />
Zeit in New York.<br />
RYDER: Ja, in Brooklyn. Und dieses Mal werde<br />
ich dieses Zwischen-den-Küsten-Pendeln auch hinbekommen:<br />
Meine Heimat ist und bleibt San Francisco,<br />
ich habe eine kleine Wohnung in L. A. und ein<br />
Apartment in Williamsburg, in dem ich <strong>mich</strong> sehr<br />
wohl fühle, auch wenn es dort derzeit furchtbar hip<br />
ist. Mein Dad wuchs in der Gegend auf. Allerdings<br />
muss ich <strong>mich</strong> jedes Mal neu darauf einlassen: In San<br />
Francisco dürfen die Leute einfach so lächeln – in<br />
New York haben sie immer gleich Hintergedanken,<br />
wenn man sie auf der Straße anlächelt.<br />
INTERVIEW: Klar: „Winona Ryder hat <strong>mich</strong> angelächelt!“<br />
RYDER: Ich weiß ja nicht. Jedenfalls habe ich etliche<br />
ziemlich merkwürdige Reaktionen bekommen.<br />
Vielleicht muss ich genauer hinsehen.<br />
INTERVIEW: Du arbeitest in letzter Zeit wieder<br />
sehr viel. Dein nächster Film heißt The Iceman.<br />
RYDER: Yeah. Und ich freue <strong>mich</strong> auch auf einige<br />
andere Projekte. Beispielsweise einen Film mit David<br />
Hare, den zweiten Teil der Worricker Trilogy. Das<br />
könnte schräg werden.<br />
INTERVIEW: Du hast in den vergangenen Jahren ja<br />
nicht nur Rollen gespielt, die sympathisch waren.<br />
RYDER: Die letzten zehn Jahre waren ziemlich<br />
merkwürdig in meinem Leben. Aus unterschiedlichsten<br />
Gründen. Wenn man zurückblickt – und das sage<br />
ich nun in der Rückschau –, hatte ich ziemlich großen<br />
Erfolg und tolle Möglichkeiten zu Beginn meiner<br />
Karriere. Doch dann hieß es ständig: Dafür ist sie<br />
nicht die Richtige. Ich weiß nicht, ob das am Aussehen<br />
oder dem tatsächlichen Alter gelegen hat – ich<br />
blieb einfach in vielen Köpfen das Mädchen aus Edward<br />
mit den Scherenhänden. Dann kamen neue, frische<br />
Talente wie Kate Winslet, die ich liebe. Und plötzlich<br />
… Ach, es ist nicht so leicht zurückzublicken.<br />
Jeden falls ist es interessant für <strong>mich</strong>, heute die Ältere<br />
zu sein und nicht mehr das Kind, weil das war ich lange<br />
genug.<br />
INTERVIEW: Es ist lustig, dass du gerade diese Zeit<br />
erwähnst: Die Leute scheinen in einem Nostalgierausch<br />
zu sein, was die frühen Neunziger angeht.<br />
RYDER: Wow, es bedarf gerade mal 20 Jahre, bis<br />
Menschen nostalgisch werden? Das ist interessant.<br />
Beim Foto-Shooting habe ich …<br />
INTERVIEW: … Simple Minds gehört.<br />
RYDER: Simple Minds! Ich kann <strong>mich</strong> noch genau<br />
daran erinnern, wie ich früher ins Greek Theatre in<br />
Berkeley gegangen bin, mit elf oder zwölf Jahren.<br />
Simple Minds spielten als Vorgruppe vor den Pretenders.<br />
Ich stand in der ersten Reihe und wurde fast erdrückt,<br />
also hoben <strong>mich</strong> die Leute hoch auf die Bühne.<br />
Da wollte ich gar nicht hin, doch als die<br />
Sicher heitsmänner kamen, um <strong>mich</strong> wegzuschaffen,<br />
rief Chrissie nur: „Nein, nein.“ Sie nahm <strong>mich</strong> zu sich<br />
hoch, schaute <strong>mich</strong> an, sang 2000 Miles für <strong>mich</strong> und<br />
strich mit ihren Fingern durch mein Haar.<br />
INTERVIEW: Wow.<br />
RYDER: Es war das Großartigste, was mir bisher<br />
im Leben widerfahren war. Später traf ich sie dann<br />
wieder: bei einem PETA-Event, den ich mit River<br />
Phoenix besuchte. Sie ist so nett!<br />
INTERVIEW: Solltest du nicht mit River vor der Kamera<br />
stehen?<br />
RYDER: Ja, für Lucas. Er war so unglaublich gut.<br />
INTERVIEW: Unfassbar gut!<br />
RYDER: Ja, das war er. Und ich war blind oder abgelenkt.<br />
Ich habe nicht gesehen oder sehen wollen,<br />
was mit ihm passiert … Aber eigentlich sprachen wir<br />
von was anderem: Ich kann gut verstehen, dass es eine<br />
Nostalgie gibt, was die Neunziger angeht. Damals<br />
waren Dinge noch viel mysteriöser. Ich meine, das ist<br />
es, was ich vermisse: eine Schauspielerin zu sein, von<br />
der du weißt, dass sie gerade einen Film mit Al Pacino<br />
oder Robert De Niro dreht. Darauf wartest du dann<br />
ein Jahr, stehst in der Schlange vor dem Kino. Du<br />
weißt eigentlich nichts über den Film und freust dich<br />
trotzdem. Wie soll das in Zeiten des Internets funktionieren?<br />
Wie soll irgendetwas noch geheim bleiben?<br />
Als wir 2009 Star Trek drehten, waren wir irgendwo in<br />
einer Wüste. Ich trug ein verrücktes Kostüm, und<br />
eine ganze Horde Assistenten stand bewaffnet mit<br />
Regen schirmen vor meinem Trailer. Ich meinte nur:<br />
„Passt schon, Leute, ich kann alleine laufen.“ Daraufhin<br />
hieß es: „Hm, nein.“ Sie hatten Angst, dass irgendwelche<br />
Paparazzi <strong>mich</strong> abschießen könnten. Dabei<br />
standen wir wirklich mitten in dieser Wüste!<br />
127<br />
.<br />
INTERVIEW: Was denkst du, wenn du die jungen<br />
Frauen von heute, Jennifer Lawrence oder Kristen Stewart,<br />
so siehst, wie sie mit all dem Rummel umgehen?<br />
RYDER: Ich weiß wirklich nicht, ob ich heute<br />
Schauspielerin werden würde, wenn ich in dem Alter<br />
wäre. Die beiden sind supertalentiert. Aber ich weiß<br />
nicht, wie sie es schaffen, sich auch nur einen Hauch<br />
von Privatsphäre zu bewahren.<br />
INTERVIEW: Du bist aber auch ziemlich offen mit<br />
vielen Dingen umgegangen, ob es Panikattacken,<br />
Schlaflosigkeit oder deine Beziehungen waren.<br />
RYDER: Ja.<br />
INTERVIEW: Gleichzeitig haben sich die Leute viel<br />
mehr für dich interessiert als für andere Schauspielerinnen.<br />
Das lag vermutlich an frühen Rollen, an Lydia<br />
in Beetlejuice und Veronica in Heathers.<br />
RYDER: Was auch die beiden Rollen waren, die<br />
mir heute noch am nächsten sind. Es fühlt sich fast so<br />
an, als hätte ich gar nicht mitgespielt in den Filmen,<br />
ich bin einfach ein großer Fan. Allerdings wäre ich<br />
wahrscheinlich nicht Schauspielerin geworden, wenn<br />
ich diese Rollen nicht bekommen hätte.<br />
INTERVIEW: Warum denn nicht?<br />
RYDER: Ich weiß nicht, ob ich für andere Rollen<br />
gecastet worden wäre. Einfach, weil ich nicht als<br />
Schönheit wahrgenommen wurde.<br />
INTERVIEW: Hat das jemand wirklich so gesagt?<br />
RYDER: Klar! An einen Vorfall kann ich <strong>mich</strong> besonders<br />
gut erinnern: Ich sprach gerade vor, da meinte<br />
die Casting-Frau mitten im Satz zu mir: „Mädchen,<br />
hör zu, du solltest wirklich nicht versuchen, Schauspielerin<br />
zu sein. Du bist einfach nicht schön genug. Geh<br />
zurück, woher du gekommen bist. Geh in die Schule.<br />
Du hast einfach nicht, was man braucht.“<br />
INTERVIEW: Nein!<br />
RYDER: Die dachte wirklich, sie würde mir einen<br />
Gefallen tun.<br />
INTERVIEW: Wie alt warst du damals?<br />
RYDER: 15 oder 16. An dieser Stelle muss ich<br />
meinen Eltern danken, die <strong>mich</strong> als Individuum erzogen<br />
haben, das auch anecken kann und darf – und<br />
nicht als eine Person, die immer nur reinpassen will.<br />
INTERVIEW: Hat dir das auch geholfen in der anderen<br />
schweren Zeit, die du vorhin angedeutet hast?<br />
Damals hast du auch mit der Wahrnehmung der Leute<br />
zu kämpfen gehabt, wusstest nicht, was du tun oder<br />
lassen sollst.<br />
RYDER: Das war der Fall, bevor diese Sache passiert<br />
ist (Ryder wurde 2001 beim Ladendiebstahl erwischt).<br />
Viele Leute denken vermutlich, dass dieser<br />
Zwischenfall <strong>mich</strong> in eine komische Bahn gelenkt hätte,<br />
das passierte jedoch schon ein paar Jahre zuvor, ich<br />
hatte da schon einigen Ärger. Dazu kam, dass etliche<br />
Filme, die ich drehen sollte, nicht zustande kamen –<br />
und auf einmal stand ich vor dieser Wand. Damals<br />
wohnte ich in San Francisco und ich brauchte wirklich<br />
eine Auszeit. Rückblickend war es wahrscheinlich<br />
das Beste, was mir passieren konnte.<br />
Photography CRAIG McDEAN/ART + COMMERCE<br />
Hair ANTHONY TURNER/<br />
ART PARTNER USING L’ORÉAL PROFESSIONNEL<br />
Make-up FRANCELLE USING NARS COSMETICS, CHANEL<br />
Manicure YUNA PARK/STREETERS<br />
Set Design RANDALL PEACOCK/THE MAGNET AGENCY<br />
Retouching GLOSS STUDIO NEW YORK<br />
Digital Technician SALLY GRIFFITHS<br />
Photography Assistants SIMON ROBERTS,<br />
HUAN NGUYEN, MARU TEPPEI<br />
Styling Assistants ELIN SVAHN,<br />
ALEKSANDRA KOJ, MELISSA LEVY<br />
Hair Assistant MICHAEL VIGGUE<br />
Make-up Assistant AI YOKOMIZO<br />
Manicure Assistant NAOKO SAITA<br />
Set Design Assistant TODD KNOPKE<br />
Special thanks HIGHLINE STAGES
.<br />
Stella<br />
McCartney<br />
Ihr Vater war kein Rolling Stone, aber auch als<br />
Tochter eines Beatles hat es Stella McCARTNEY ziemlich weit gebracht.<br />
Sie hat die richtigen Freunde, den perfekten Ehemann, vier Kinder,<br />
das Haus auf dem Land und wahrscheinlich sogar einen netten Hund.<br />
Und natürlich hat es die 41-Jährige zudem noch geschafft,<br />
ihr eigenes (und sehr gut funktionierendes) Modelabel aufzubauen.<br />
Angeblich schmeißt die überzeugte Veganerin alle Redakteurinnen,<br />
die mit einer Leder tasche zum Gespräch auflaufen, direkt wieder raus.<br />
Das konnte unserem <strong>Interview</strong>er nicht passieren<br />
von<br />
Jeff KOONS<br />
“<br />
Neulich habe ich meine Näh maschine<br />
wieder rausgekramt. Ob du es glaubst oder nicht,<br />
ich habe sie lange nicht benutzt<br />
”<br />
PORTRÄT<br />
CRAIG McDEAN<br />
STYLING<br />
KARL TEMPLER<br />
Foto: Craig McDean/Art+Commerce<br />
128
.<br />
Fotos<br />
Maurizio BAVUTTI<br />
Styling<br />
Gro CURTIS<br />
ALLE LOOKS PRE-FALL 2013<br />
STELLA McCARTNEY<br />
130
131<br />
.
.<br />
132<br />
STELLA McCARTNEY: Das war ja komisch! Ich dachte,<br />
ich sollte dich interviewen. Dann wurde ich plötzlich<br />
gefragt, ob ich die Fragen gesehen hätte. Und ich<br />
so: „Ja, aber die sind alle für <strong>mich</strong> bestimmt! Wo sind<br />
meine Fragen an Jeff?“ Das ist langweilig! Ich will<br />
nicht, dass du <strong>mich</strong> interviewst, sondern umgekehrt.<br />
JEFF KOONS: Stella, ich war ziemlich aufgeregt …<br />
McCARTNEY: Halt die Klappe! (lacht)<br />
KOONS: Doch, es stimmt. Du musst mir helfen.<br />
McCARTNEY: Stell einfach deine Fragen!<br />
KOONS: Alles klar! Wir legen los und reden einfach<br />
über alles, was uns gerade in den Sinn kommt.<br />
McCARTNEY: Wie geht es dir?<br />
KOONS: Ach, großartig (lacht).<br />
McCARTNEY: Wie waren deine Ausstellungen?<br />
KOONS: Die waren alle fantastisch. Aber wie geht<br />
es dir, liebe Stella?<br />
McCARTNEY: Gut! Ich bin eben mit meinen vier<br />
<strong>Baby</strong>s und dem Hund auf dem Land angekommen. Es<br />
ist wunderschön. Ich sitze gerade in der Küche und<br />
sehe draußen den Flieder blühen. Es ist toll, am<br />
Freitag abend aus London rauszukommen.<br />
KOONS: Du hast mir mal erzählt, ihr hättet viele<br />
Bäume da draußen.<br />
McCARTNEY: Genau. Und wir haben auch selbst<br />
ganz viele gepflanzt.<br />
KOONS: Wie viele denn?<br />
McCARTNEY: So um die tausend, schätze ich. Als<br />
wir geheiratet haben, haben wir die Leute nicht um<br />
Geschenke gebeten, sondern um Bäume. Wir haben<br />
einen Hochzeitswald angelegt. So fing das an.<br />
KOONS: Justine und ich haben auch einen Baum,<br />
der eurer Hochzeit gewidmet ist!<br />
McCARTNEY: Oh, ihr seid doch zu süß!<br />
KOONS: Durfte man verschiedene Bäume pflanzen?<br />
Zum Beispiel Apfel- oder Orangenbäume?<br />
McCARTNEY: Ja, solange sie sich mit dem Klima<br />
und dem Boden hier vertragen haben. Habt ihr viele<br />
Bäume auf eurer Farm?<br />
KOONS: Nein, nur die heimischen. Als Justine<br />
den Garten angelegt hat, hat sie ein paar Zwergbäume<br />
gepflanzt. Aber lass uns über dich sprechen. Du bist<br />
also zurzeit mit den Kindern im Landhaus. Ist das ein<br />
Ort, an dem du kreativ sein kannst?<br />
McCARTNEY: Im Laufe der Zeit habe ich gemerkt,<br />
dass Kreativität immer schwieriger wird zwischen<br />
all den Deadlines, die man zu erfüllen hat. Die<br />
Wochenenden werden mir immer heiliger. Nicht nur,<br />
weil ich dann Zeit mit den Kindern verbringe, sondern<br />
auch, weil ich dann kleine Pausen für <strong>mich</strong> habe.<br />
Und dann ist auch wieder Raum für Kreativität.<br />
Ja, wenn ich hier so rausgucke, muss ich echt sagen,<br />
dass ich glücklich bin – in unserer Scheune aus dem<br />
16. Jahr hundert, mit ihrem geziegelten Dach, das<br />
über die Zeit ein bisschen angegilbt und mit Moos bewachsen<br />
ist. Das kann die Arbeit schon beeinflussen.<br />
Ich arbeite ja gerade auch an meiner Sommerkollektion<br />
für 2014. Ich bin in der Natur, das ist immer auch<br />
ein großes Thema in meinen Entwürfen.<br />
KOONS: Wie meintest du das gerade, als du vom<br />
16. Jahrhundert gesprochen hast? Dass die Zeit und<br />
der Wandel der Dinge Einfluss haben auf deine Kollektionen<br />
von heute?<br />
McCARTNEY: Ich hoffe, dass meine Arbeit ebenso<br />
langlebig sein wird wie dieses Haus hier. Auf deine<br />
Arbeit trifft das bestimmt zu! Ich frage <strong>mich</strong> gerade,<br />
wie eine Jeff-Koons-Skulptur wohl nach 500 Jahren in<br />
meiner Scheune aussehen würde.<br />
KOONS: Bei meiner Arbeit gibt es diese Deadlines,<br />
von denen du vorhin sprachst, zum Glück nicht.<br />
McCARTNEY: Die muss es bei dir doch auch geben.<br />
Ich habe mal gehört, dass Leute sehnsüchtig auf<br />
Arbeiten von dir gewartet haben, die sie zehn Jahre<br />
vorher bestellt hatten.<br />
KOONS: Das ist eine andere Art von Deadline.<br />
Aber das funktioniert mit mir nicht … Können wir zur<br />
Abwechslung mal wieder auf dich zu sprechen kommen?<br />
Ich würde wirklich gerne von dir wissen, wie du<br />
als junges Mädchen warst. Ich habe so eine Erinnerung<br />
an früher: Da liege ich auf einer grünen Wiese<br />
und atme einfach nur ihren Duft ein und freue <strong>mich</strong>,<br />
dass sie so grün ist. Dabei schaue ich in den blauen<br />
Himmel, und alles ist so wunderschön. Ich wollte immer<br />
raus in die Welt und das Beste aus mir herausholen.<br />
Hattest du je den konkreten Wunsch, über<br />
dich hinauszuwachsen?<br />
McCARTNEY: Ja. Ich erinnere <strong>mich</strong> zwar nicht an<br />
einen bestimmten Moment, in dem ich gedacht habe:<br />
„Ich will raus an die Öffentlichkeit.“ Ich glaube, ich<br />
versuche bis heute, <strong>mich</strong> so weit aus der Öffentlichkeit<br />
herauszuhalten, wie es eben geht. Aber ich habe<br />
auch noch solche Erinnerungen wie du. Wo man einfach<br />
auf dem Boden lag und in den Himmel gestarrt<br />
hat. Das machen Kinder eben gern. Wahrscheinlich<br />
aber bin ich schon sehr anders aufgewachsen als die<br />
meisten. Ich hatte berühmte Eltern, die auf Welttourneen<br />
gegangen sind. Als Kind war ich oft unter<br />
berühmten Menschen, das hat mir die Augen geöffnet.<br />
Gleichzeitig bin ich auf einem Bauernhof groß<br />
geworden und habe die nächstgelegene Schule besucht.<br />
Die längste Zeit meiner Kindheit habe ich mit<br />
meinen Geschwistern in Schottland verbracht. Das<br />
war das Gegenteil von Ruhm. Meine Wünsche gingen<br />
damals auch in eine ganz andere Richtung. Ich<br />
wollte <strong>mich</strong> nie von anderen abhängig machen. Ich<br />
hatte keine konkrete Vorstellung davon, wer ich gerne<br />
sein will, aber ich wollte meinen ganz eigenen Platz<br />
finden. Ich weiß nicht, ob das so verständlich wird.<br />
KOONS: Doch, ich verstehe genau, was du meinst.<br />
Ich wollte einfach mitmachen. Bei jedem zeitgenössischen<br />
Künstler oder jedem Künstler des 20. Jahrhunderts,<br />
den ich mir damals angeschaut habe, dachte<br />
ich immer nur, dass ich gerne selbst ein Teil dieses<br />
Dialogs wäre.<br />
McCARTNEY: Wann hast du angefangen, dich für<br />
die New Yorker Kunstszene zu interessieren?<br />
KOONS: Auf dem College. Davor hat meine Tante<br />
<strong>mich</strong> und meine Familie regelmäßig mit ins Philadelphia<br />
Museum genommen. Ich bin nicht gerade mit<br />
Hochkultur aufgewachsen. Mein Vater war Innenausstatter.<br />
Er hat mir beigebracht, wie Farben und Gewebe<br />
Gefühle beeinflussen können. Meine Familie<br />
mütterlicherseits war eher politisch. Mein Großvater<br />
war Stadtkämmerer und sein Bruder Kaufmann. Der<br />
Drang, <strong>mich</strong> mit meiner Außenwelt in Verbindung zu<br />
setzen, kam eher von dieser Seite der Familie.<br />
McCARTNEY: Das ist interessant.<br />
KOONS: Ich glaube, Großeltern sind sehr wichtig.<br />
McCARTNEY: Ja. Mein Großvater hatte tatsächlich<br />
großen Einfluss auf <strong>mich</strong>. Der Vater meiner Mutter.<br />
Er hat immer gesagt: „Bleib stark.“ Er war übrigens<br />
ein großer Kunstsammler.<br />
KOONS: Auch mit Eltern, die beide kreativ gearbeitet<br />
haben, musst du das doch aufgesogen haben.<br />
Erinnerst du dich noch daran, deinen Vater beim<br />
Songschreiben oder deine Mutter beim Fotografieren<br />
erlebt zu haben?<br />
McCARTNEY: Als Kind habe ich <strong>mich</strong> nie als Teil<br />
dieses kreativen Treibens gefühlt. Mein Vater hat einfach<br />
in der Küche gesessen und Songs geschrieben,<br />
während wir gegessen haben. Aber wenn heute meine<br />
eigenen Kinder neben mir sitzen, während ich arbeite,<br />
fühle ich ihre Energie, und sie steckt <strong>mich</strong> an. Der<br />
Lärm kleiner Kinder, die spielen und Unsinn machen,<br />
hat seine ganz eigene Energie. Sie ist einfach da. So<br />
erging es unseren Eltern damals sicher auch mit uns.<br />
Wir sind auf vielen Bildern meiner Mutter zu sehen,<br />
und ihre Sicht auf die Welt war sicher auch von uns<br />
beeinflusst. Deine Kinder haben doch sicher auch einen<br />
riesigen Effekt auf deine Arbeit.<br />
KOONS: Meinem Sohn Blake und mir macht es<br />
großen Spaß, uns gemeinsam Picassos anzusehen. Picasso<br />
hat ja viele Zeichnungen von Herkules gemacht.<br />
Blake hat letztens einen nachgezeichnet. Ich habe vor<br />
einiger Zeit auch eine riesige Herkules-Skulptur gemacht.<br />
So setzt sich der Dialog immer weiter fort. Es<br />
war schön, Blake beim Zeichnen zuzusehen und zu<br />
beobachten, wie er sich mit männlicher Identität auseinandersetzt.<br />
Natürlich beeinflusst einen das.<br />
McCARTNEY: Neulich habe ich meine Nähmaschine<br />
wieder rausgekramt. Ob du es glaubst oder<br />
nicht, ich habe sie lange nicht benutzt. Ich sagte zu<br />
Bailey, meiner Tochter: „Komm, wir nähen jetzt was.<br />
Was willst du gerne machen?“ Ich habe sie zeichnen<br />
lassen, worauf sie Lust hatte, und habe dann Stoffe<br />
von der Arbeit mitgebracht. Dann haben wir ihren<br />
Entwurf genäht. „Mommy, können wir noch einen<br />
Reißverschluss einbauen?“ Ich hatte seit Jahren keinen<br />
Reißverschluss mehr eingenäht. Ich habe es dann<br />
einfach gemacht. Wenn man älter wird, neigt man<br />
dazu, alles zu überdenken und infrage zu stellen.<br />
Manchmal macht man das Wesentliche so kaputt.<br />
KOONS: Und diese ständige Verantwortung für<br />
alles, was man tut. Man macht sich so viele Gedanken<br />
darüber, wie das eigene Handeln aufgenommen wird.<br />
Heute will ich Sachen machen, auf die meine Kinder<br />
stolz wären. Kinder erden dich wirklich.<br />
McCARTNEY: Heißt das, dass du jetzt auf das ganze<br />
Softporno-Zeug verzichten musst? (beide lachen)<br />
Ich würde es sogar nicht mal Softporno nennen, das<br />
ist schon eher Medium-Porno.<br />
KOONS: Es geht eigentlich nur darum, morgens<br />
aufzuwachen und sich zu überlegen, worauf man Lust<br />
hat und worauf nicht. Das, was der Mensch am meisten<br />
will, ist das, was er oft am stärksten meidet, weil es<br />
viel Angst und Druck erzeugt, zu tun, was man wirklich<br />
will. Meine Kinder helfen mir, aufzuwachen und<br />
die Schritte zu gehen, die ich wirklich gehen will.<br />
McCARTNEY: Soweit ich das beurteilen kann, tust<br />
du genau das. Ich bin dein größter Fan.<br />
KOONS: Und ich habe <strong>mich</strong> wahnsinnig gefreut,<br />
dass du einige meiner Bilder auf Kleider hast drucken<br />
lassen.<br />
McCARTNEY: Lass uns das wiederholen.<br />
KOONS: Wir haben auch das Kaninchen zusammen<br />
gemacht.<br />
McCARTNEY: Ich liebe es. Nach diesem offiziellen<br />
Gespräch hier rufe ich dich noch mal an, und dann<br />
unterhalten wir uns ganz inoffiziell. Woran arbeitest<br />
du gerade?<br />
KOONS: Ach, ich versuche, einfach nur weiterzumachen.<br />
McCARTNEY: Ich glaube, das ist das beste <strong>Interview</strong>,<br />
das jemals in <strong>Interview</strong> gedruckt wurde. Sie haben<br />
alles von uns, was sie brauchen. Ich unterhalte<br />
<strong>mich</strong> einfach wahnsinnig gern mit dir. Als ich deine<br />
Arbeit zum ersten Mal gesehen habe, war das Liebe<br />
auf den ersten Blick. Mehr sage ich nicht. Ich muss<br />
jetzt los. Richte deiner Familie ganz liebe Grüße von<br />
mir aus, Jeff.<br />
KOONS: Und du – genieß die Zeit auf dem Land.
.<br />
“<br />
Ich hoffe, dass meine Arbeit<br />
ebenso langlebig sein wird wie<br />
dieses Haus hier<br />
”<br />
– Stella McCartney<br />
Photographer MAURIZIO BAVUTTI/ARTLIST<br />
Hair BRIAN BUENAVENTURA/MANAGEMENT ARTISTS<br />
FOR ORLO SALON<br />
Make-up ADRIEN PINAULT/MANAGEMENT ARTISTS<br />
FOR NARS<br />
Manicure JACKIE SAULSBERRY/KRAMER + KRAMER<br />
Models ANNA EWERS/WOMEN,<br />
IRINA NIKOLAEVA/WOMEN<br />
Photo Assistants BARRETT SWEGER, JIMI FRANKLIN<br />
Digital Operator ALONZO MACIEL/DTOUCH<br />
Styling Assistant ONELL EDNACOT
.<br />
Chelsea<br />
Sonnenstrahlen auf der Haut, wiegende Palmen und<br />
das Plätschern des Pools. LOS ANGELES ist nur noch ein<br />
fernes Rauschen. Wir sind nackt, wir sind frei.<br />
Ein Nachmittag in der legendären Villa Le Reve.<br />
CHELSEA SCHUCHMAN – Model, Socialite, Sternchen –<br />
weiß, dass in dieser Stadt Träume schneller<br />
verglühen als Zigaretten. Aber das ist ihr egal<br />
von<br />
Brad ELTERMAN<br />
FOTOS<br />
JORK WEISMANN
.<br />
BRAD ELTERMAN: Hey Chelsea, sag mal, bist du ein<br />
L. A.-Chick?<br />
CHELSEA SCHUCHMAN: Nein, technisch gesehen<br />
jedenfalls nicht, denn aufgewachsen bin ich in<br />
Chicago. Dann war ich in der Schweiz auf dem Internat,<br />
vier Jahre lang, bis zum Ende der Highschool.<br />
Das gefiel mir ziemlich gut. Wir konnten reisen, durften<br />
mit 15 schon trinken und konnten eigentlich alles<br />
machen, was wir wollten. Das war eine tolle Zeit.<br />
ELTERMAN: Und dann?<br />
SCHUCHMAN: Ja, dann habe ich in Rom studiert<br />
und auch in Paris, und das Beste daran war, dass ich<br />
dabei Leute aus der ganzen Welt kennengelernt habe,<br />
zu denen ich noch heute Kontakt habe. Wenn ich unterwegs<br />
bin, habe ich praktisch in jeder Stadt irgendwelche<br />
Freunde, bei denen ich übernachten kann.<br />
ELTERMAN: Aber jetzt lebst du in Los Angeles.<br />
Findest du es hier eigentlich aufregend?<br />
SCHUCHMAN: Ich bin jetzt seit fünf Jahren in<br />
L. A., aber was die Stadt für <strong>mich</strong> gerade ganz besonders<br />
aufregend macht, ist, dass ich eine tolle neue<br />
Wohnung in Hollywood habe. Die ist in so einem alten<br />
Haus aus den Zwanzigern. Die Wohnung selbst<br />
ist gar nicht groß, wahrscheinlich kaum größer als<br />
dein Pool, also eigentlich winzig, aber zu der Wohnung<br />
gehört auch eine tolle Garage, was in Los Angeles<br />
sozusagen essenziell ist. Und der Pool des Hauses<br />
ist riesig, und er ist natürlich auch aus den Zwanzigern<br />
und sieht etwas aus wie aus Sunset Boulevard, also<br />
ziemlich toll. Ich glaube, ich verbringe mehr Zeit am<br />
Pool als in der Wohnung.<br />
“<br />
Wenn ich fünfzig,<br />
sechzig, siebzig oder<br />
achtzig bin, möchte ich<br />
Charakterdarstellerin<br />
sein. Das ist mein<br />
Traum, darauf arbeite<br />
ich hin<br />
”<br />
– Chelsea Schuchman<br />
137<br />
ELTERMAN: Stehst du auf das Licht in L. A.?<br />
SCHUCHMAN: Ja, ich steh so dermaßen auf das<br />
Licht in L. A., das Licht ist beinahe, wie soll ich sagen,<br />
himmlisch. Wenn die Sonne um drei Uhr, vier Uhr<br />
nachmittags auf dich scheint, dann ist einfach alles<br />
okay, egal, wie es dir vorher ging. Dann ist einfach<br />
alles gut, es ist unglaublich.<br />
ELTERMAN: Helmut Newton hat ohne Unterbrechung<br />
33 Jahre lang den Winter hier verbracht, nur<br />
wegen des Lichts. Du hast natürlich nicht mit Helmut<br />
Newton gearbeitet, dafür bist du zu jung, aber ich<br />
denke, Helmut wäre von dir fasziniert gewesen.<br />
SCHUCHMAN: Haha.<br />
ELTERMAN: Aber auch ohne Newton passiert gerade<br />
eine Menge in deinem Leben.<br />
SCHUCHMAN. Ja, es ist seltsam. Wie gesagt bin<br />
ich ja schon seit fünf Jahren in L. A., und seit zwei<br />
Jahren arbeite ich als Model. Aber erst als Olivier<br />
Zahm meine Fotos gesehen hat, ging es für <strong>mich</strong> los.<br />
Der war so was wie ein Beschleuniger für <strong>mich</strong>. Seitdem<br />
war ich auf dem Cover von L’Officiel Hommes,<br />
war in der Kampagne von Kitsuné, dann kam die<br />
Kampagne für 81hours, und das alles passierte innerhalb<br />
weniger Monate.<br />
ELTERMAN: Hat man dir auch irgendwelche seltsamen<br />
Angebote gemacht?<br />
SCHUCHMAN: Ja, und zwar eine Rolle in einer<br />
Realityshow. Die habe ich aber abgelehnt. Solche<br />
Shows sind so cheesy, und ich will ja länger im Geschäft<br />
bleiben und stolz sein, wenn ich später auf meine<br />
Arbeit zurückblicke.
ELTERMAN: Mir kommt es vor, als würde in L. A.<br />
gerade ziemlich viel passieren.<br />
SCHUCHMAN: Ja, absolut, das Gefühl habe ich<br />
auch. Es gibt immer irgendeine interessante Ausstellung<br />
im MOCA (Museum of Contemporary Art), oder<br />
es spielen Freunde von mir im Roxy. Es ist, als würde<br />
L. A. wieder den Geist der Siebziger atmen. Auch der<br />
Sunset Strip, so klischeehaft das vielleicht klingen<br />
mag, besinnt sich wieder auf die guten alten Zeiten …<br />
Ja, hier passiert wieder was. Und dann die Strände<br />
und dass man nach Joshua Tree fahren kann.<br />
ELTERMAN: Du bist also gern hier.<br />
SCHUCHMAN: Unbedingt. Es ist ein guter Ausgangspunkt<br />
für <strong>mich</strong>. Zumal sich ja Leute aus der<br />
ganzen Welt hier treffen.<br />
ELTERMAN: Woody Allen hat gesagt, dass er in<br />
Paris leben würde, wenn es New York nicht gäbe, und<br />
wenn es Paris nicht gäbe, dann würde er in Venedig<br />
leben. Wo würdest du leben, wenn nicht in L. A.?<br />
SCHUCHMAN: Ich könnte in Paris leben, aber<br />
Rom mag ich auch. Wobei ich mir nicht vorstellen<br />
könnte, dort zu wohnen. Florenz gefällt mir auch sehr<br />
gut, der Lebensstil dort ist so toll, es ist irre. Ja, irgendwann<br />
will ich mal in Florenz wohnen.<br />
ELTERMAN: Cool! Hast du dich schon mal im<br />
Leonardo-da-Vinci-Flughafen in Rom übergeben?<br />
SCHUCHMAN: Ja, tatsächlich, das habe ich.<br />
ELTERMAN: Lustig, ich auch.<br />
SCHUCHMAN: Keine Ahnung, wie es kommt,<br />
aber auf Flughäfen muss ich <strong>mich</strong> oft übergeben.<br />
ELTERMAN: Das hat mit Angstzuständen zu tun.<br />
SCHUCHMAN: Ich habe <strong>mich</strong> in JFK, Heathrow,<br />
Charles de Gaulle und was weiß ich wo übergeben.<br />
ELTERMAN: Praktisch auf allen Flughäfen der<br />
Welt.<br />
SCHUCHMAN: Ja, lustig, oder?<br />
ELTERMAN: Hast du sonst irgendwelche Ängste?<br />
SCHUCHMAN: Ja, ich weiß nicht, ich meine: Für<br />
sich selbst sorgen zu müssen und Tag für Tag über die<br />
Runden zu kommen ist schon sehr anstrengend. Das<br />
wird mir jetzt erst richtig klar. Ich mache mir Sorgen<br />
ums Geld und um ganz alltägliche Dinge. Aber ich<br />
mache mir keine Sorgen um die Zukunft, meine Sorgen<br />
betreffen das Jetzt. Was die Zukunft angeht, weiß<br />
ich, dass es okay sein wird.<br />
ELTERMAN: Warst du eigentlich in letzter Zeit auf<br />
irgendwelchen coolen Konzerten?<br />
SCHUCHMAN: Ja, bei den Stones. Ich habe die<br />
zum ersten Mal gesehen, das war der Wahnsinn. Die<br />
Show war im Pit, es war so cool, eine derart ikonische<br />
Band live zu erleben. Definitiv das beste Konzert, auf<br />
dem ich jemals war. Und ich hatte ja keine Ahnung<br />
wie sexy Ronnie Wood ist …<br />
ELTERMAN: Äh, Ronnie Wood?<br />
SCHUCHMAN: Ja, der ist ziemlich sexy, ich hatte<br />
ja keine Ahnung, er hat <strong>mich</strong> umgehauen.<br />
ELTERMAN: Ja, aber er ist doch fast 70 …<br />
SCHUCHMAN: Das macht doch nichts.<br />
ELTERMAN: Das dürfte 70-jährigen Männern wieder<br />
Hoffnung geben …<br />
SCHUCHMAN: Haha.<br />
ELTERMAN: … zumindest wenn es sich bei diesen<br />
70-Jährigen um Rockstars handelt. Was machst du,<br />
abgesehen vom Modeln, eigentlich sonst noch so?<br />
SCHUCHMAN: Einmal die Woche gehe ich zum<br />
Schauspielunterricht, und das läuft eigentlich ziem lich<br />
gut. Ich bin gewiss noch keine ausgebildete Schauspielerin,<br />
aber ich gehe meinen Weg, langsam, aber<br />
sicher. Wenn ich fünfzig, sechzig, siebzig oder achtzig<br />
bin, möchte ich jedenfalls eine Charakterdarstellerin<br />
sein. Das wäre mein Traum, darauf arbeite ich hin.<br />
“<br />
Ich steh so auf<br />
das Licht in L. A.<br />
Wenn die Sonne um<br />
drei Uhr, vier Uhr<br />
nachmittags auf dich<br />
scheint, dann ist<br />
einfach alles okay,<br />
egal, wie es dir vorher<br />
ging<br />
”<br />
– Chelsea Schuchman<br />
138<br />
.
HANS<br />
FEURER<br />
.
.<br />
Es gab einen Moment im Leben des Fotografen Hans<br />
FEURER, 74, da wäre der Mann, der seine Bilder das<br />
Laufen lehrte, fast auf fatale Weise stecken geblieben. Der<br />
für seine schüchterne Art bekannte Schweizer bereiste<br />
gerade Sierra Leone, dort saß er eines Morgens an einem<br />
Fluss beim Angeln, als ein paar Rebellen aus dem Busch<br />
hinter ihm auftauchten und FEURER kurzerhand gefangen nahmen.<br />
Sie hielten ihn für einen englischen Spion. Selbstverständlich<br />
versuchte sich der neutrale Schweizer zu erklären. Doch die Rebellen<br />
waren von der großen Kamera wenig beeindruckt. Warum auch?<br />
Seit wann dürfen Spione keine großen Kameras mit sich führen?<br />
Die Lage war ernst, der Entschluss, den Spion auf der Stelle zu<br />
exekutieren, bereits gefasst. Irgendwann, nachdem FEURER<br />
stundenlang erklärt hatte, wer er sei, der<br />
größte Modefotograf der Schweiz, seit<br />
30 Jahren im Geschäft, weltbekannt<br />
durch seine Arbeiten für Nova, Vogue,<br />
Twen, Elle und Numéro, dass er sogar<br />
in den Siebzigern einen Pirelli-<br />
Kalender habe schießen dürfen (der<br />
damals noch etwas galt), erkannte<br />
FEURER, dass ihn das nicht retten<br />
würde. Nicht einmal von seiner gro-<br />
en Erndung, den ersten wirklichen<br />
STREET-STYLE-AUFNAHMEN<br />
der Welt, hatten die Rebellen jemals<br />
gehrt. Also ng FEURER an zu<br />
HANS FEURER IN INTERVIEW, JUNI 2012<br />
jodeln und Schuhplattler zu tanzen. So lange, bis die Rebellen<br />
einsahen, dass dieser Mann tatsächlich Schweizer ist – und seit wann<br />
braucht man Schweizer Spione? Wir grüßen mit diesem Portfolio,<br />
das einen Auszug der im August erscheinenden Werkschau Feurers<br />
zeigt, die ausnahmsweise gnädigen Rebellen in Sierra Leone –<br />
und verneigen uns vor Hans FEURER, einem der großen Modefoto<br />
grafen der vergangenen 40 Jahre.<br />
142<br />
HANS FEURER, GESTALTET VON FABIEN BARON,<br />
ERSCHEINT ENDE AUGUST BEI DAMIANI
144<br />
.
145<br />
.
.<br />
Fotos<br />
Benjamin LENNOX<br />
Styling<br />
Klaus STOCKHAUSEN<br />
Make-up<br />
Linda CANTELLO<br />
2 GLOW<br />
Hautpflege<br />
„Crema Nera<br />
Extrema Supreme<br />
Reviving Cream”<br />
Foundations<br />
„Maestro Fusion<br />
Make-up No. 3”,<br />
„Maestro Concealer<br />
No. 2” & „Fluid<br />
Sheer No. 2”<br />
Lidschatten<br />
„Eyes to Kill Fatal<br />
Attraction”,<br />
Palette No. 12<br />
Lippenstifte<br />
„Rouge d’Armani<br />
No. 612 Wine Red”<br />
& „Rouge d’Armani<br />
No. 610 Boxing Red”,<br />
Fall Collection<br />
Alle Beautyprodukte<br />
(durchgehend)<br />
GIORGIO ARMANI
.<br />
Hautpflege<br />
„Crema Nera Extrema<br />
Supreme Reviving Cream”<br />
Foundations<br />
„Maestro Fusion Make-up<br />
No. 3” & „Fluid Sheer No. 2”<br />
Lidschatten<br />
„Eyes to Kill Quatuor”,<br />
Palette No. 9, & „Eyes to Kill<br />
Intense No. 25”<br />
Mascara<br />
„Eyes to Kill Mascara”<br />
in Schwarz<br />
Lippenstift<br />
„Rouge Ecstasy No. 104”<br />
DIESE SEITE:<br />
JACKE<br />
VIKTOR & ROLF<br />
LINKE SEITE:<br />
JACKE<br />
GIORGIO ARMANI<br />
147
.<br />
“<br />
Mit Make-up im Gesicht<br />
hat man nur ein<br />
gewisses Spektrum, ohne<br />
dass es lächerlich wirkt<br />
”<br />
– Linda Cantello<br />
HUT<br />
ANN DEMEULEMEESTER<br />
KLEID<br />
GIORGIO ARMANI<br />
Hautpflege<br />
„Crema Nera Extrema<br />
Supreme Reviving Cream”<br />
Foundations<br />
„Maestro Fusion Make-up No. 3” & „Maestro<br />
Eraser No. 2”. Für ein perfektes Finish „Luminous<br />
Silk Powder No. 2” auf das gesamte Gesicht<br />
(inkl. Augenlider) auftragen<br />
Lidschatten<br />
„Iridescent Blue” & „Spray of Blue Violet<br />
Pearls”, Palette No. 1, Fall Collection,<br />
„Eyes to Kill Quatuor”, Palette No. 4,<br />
„Eyes to Kill Quatuor”, Palette No. 1<br />
Mascara<br />
„Eyes to Kill Mascara” in Braun<br />
Lippenstifte<br />
„Rouge Ecstasy No. 100 Androgino”<br />
& „Eyes to Kill Quatuor”, Palette No. 12
Sie hat alle geschminkt<br />
(von Bowie bis Kate<br />
Middleton), alles probiert<br />
(von Lippenlack<br />
bis Feuchtigkeitscreme)<br />
und alles erreicht.<br />
Ein Gespräch mit<br />
Star-Visagistin<br />
Linda CANTELLO<br />
INTERVIEW: Wann haben Sie begonnen, sich zu<br />
schminken?<br />
LINDA CANTELLO: Meine Mutter hatte es mir<br />
verboten, bis ich 13 Jahre alt war. Aber ich habe <strong>mich</strong><br />
schon mit 11 heimlich im Badezimmer ein geschlossen<br />
und das Make-up meiner Mutter mit ihrem Mascara<br />
vermischt und das dann als braunen Lidschatten auf<br />
meine Augenlider geschmiert. Ganz schön bescheuert,<br />
aber ich konnte es nicht erwarten, bis ich endlich<br />
13 war.<br />
INTERVIEW: Und was passierte dann?<br />
CANTELLO: Ab dann trug ich tonnenweise Makeup.<br />
Es gab dieses seltsame Produkt namens „Lip<br />
Coat“. Es war schrecklich, so eine Art Nagellack für<br />
die Lippen. Erst schminkten wir uns die Lippen rot,<br />
und dann pinselten wir dieses stinkende Zeug darüber,<br />
weil es angeblich verhinderte, dass beim <strong>Küss</strong>en<br />
der Lippenstift verschmierte. Mein Mann sagt, ich<br />
sehe auf Jugendfotos aus wie ein schlechter Porno star.<br />
INTERVIEW: Wann haben Sie zum ersten Mal ein<br />
fremdes Gesicht geschminkt?<br />
CANTELLO: Ich bin in den 70er-Jahren auf eine<br />
Mädchenschule gegangen und habe meinen Mitschülerinnen<br />
immer Tipps gegeben: Zupf dir die Augenbrauen!<br />
Hell deine Haare auf! Ich war besessen von<br />
Schönheit und generös mit meinen Beauty-Tipps und<br />
-Tricks. Auch ungefragt.<br />
INTERVIEW: Und läuft das Verschönerungs programm<br />
immer noch in Ihrem Kopf ab, wenn Sie<br />
jemanden zum ersten Mal treffen?<br />
CANTELLO: Es ist ein schrecklicher Berufstick,<br />
unter dem ich leide. Ich versuche immer, <strong>mich</strong> zurückzuhalten.<br />
Was <strong>mich</strong> am meisten nervt, ist, dass so viele<br />
Leute im Modebusiness und vor allem Beauty-Redakteurinnen<br />
oft so schlecht geschminkt sind.<br />
INTERVIEW: Wie sieht schlecht geschminkt aus?<br />
CANTELLO: Zu viel Blush, der Lippenstift hat die<br />
falsche Farbe, manchmal benutzen sie sogar Lipliner.<br />
INTERVIEW: Am schlimmsten finde ich falsch oder<br />
zu stark gezupfte Augenbrauen …<br />
CANTELLO: Schlimm! Wenn man zu viel zupft,<br />
hat man sofort so einen komischen Bogen im Gesicht.<br />
Das macht sehr alt.<br />
INTERVIEW: Die meisten Frauen schminken sich<br />
ein Leben lang mehr oder weniger gleich. Wie kommt<br />
man da wieder raus, ohne dass man sich im Kaufhaus<br />
auf einem Beratungshocker wiederfindet?<br />
CANTELLO: Mein Tipp wäre, sich mit ungeschminktem<br />
Gesicht einen Spiegel zu schnappen, einen<br />
ehrlichen Blick reinzuwerfen und dann loszulegen.<br />
Nehmen Sie einen Kajalstift und umranden Sie<br />
Ihre Augen auf verschiedene Art, probieren Sie ande-<br />
re Lippenstifte aus. Nicht nur Farben, sondern auch<br />
Texturen: Gloss oder Lippenstift, Puder oder Creme,<br />
so tastet man sich langsam an Veränderung heran.<br />
INTERVIEW: Sie haben Kunst in London studiert.<br />
War Make-up-Artist da ein naheliegendes Ziel?<br />
CANTELLO: Gar nicht. Nach dem Studium arbeitete<br />
ich zunächst bei Sotheby’s, um dann über tausend<br />
Zufälle als Mädchen für alles bei einem neuseeländischen<br />
Modedesigner zu landen. Als ich zum ersten<br />
Mal auf eine seiner Schauen ging, wurde mir überhaupt<br />
erst klar, dass es den Beruf Make-up-Artist<br />
gibt. Da dachte ich mir: „Das kann ich auch.“ Meine<br />
Freunde waren alle angehende Fotografen oder Stylisten.<br />
Wir bauten mit Weihnachtspapier als Hintergrund<br />
ein Studio zu Hause nach und versuchten, alle<br />
Looks, die wir gut fanden, selbst hinzubekommen.<br />
Dabei ging natürlich auch total viel schief. Zum Beispiel<br />
waren damals gräuliche Pastelltöne total angesagt,<br />
und ich habe fleißig Lippenfarben gemixt, denen<br />
ich dann Namen wie „Ashes of Roses“ gab. Das fand<br />
ich so chic. Wenn ich mir heute die Fotos anschaue,<br />
denke ich: „Die Models sehen alle aus wie tot.“<br />
INTERVIEW: Als Sie Anfang der Achtziger nach<br />
New York zogen, starteten Sie sofort durch. Wie kam<br />
es dazu?<br />
CANTELLO: Die Zentren der Mode waren damals<br />
Paris und New York. Selbst die britische Vogue buchte<br />
nie irgendwelche Leute, die in London lebten. Deshalb<br />
bin ich mit meinem Freund, dem Fotografen<br />
Sam McKnight, nach New York gegangen. Nach ein<br />
paar Tagen rief ich einen Agenten an, um mit ihm<br />
über mein Visum zu sprechen, und fragte, ob ich ihn<br />
deshalb am Montag treffen könne. Er sagte nur: „Nein,<br />
Montag geht nicht, da hast du ein Shooting für die<br />
Vogue mit Irving Penn.“ Ich bin ausgeflippt. Mit einer<br />
kleinen orangenen Plastikbox ging ich zum Shooting<br />
und legte los. Leider stülpte Irving Penn den Models<br />
zum Schluss einen Helm über den Kopf, der das Gesicht<br />
verdeckte. Das war mein erster Job.<br />
INTERVIEW: Schwierig für die Referenz …<br />
CANTELLO: Zum Glück hatte die Vogue-Redakteurin<br />
Andrea Robinson sich in Sam und <strong>mich</strong> verliebt.<br />
Ihr verdanke ich meine Karriere, sie nahm uns wie Kinder<br />
unter ihre Fittiche und buchte uns danach für alles.<br />
INTERVIEW: Zu dieser Zeit sahen viele Models<br />
und Stars auf Fotos viel weniger perfekt aus als heute.<br />
Wie kommt das?<br />
CANTELLO: Es gab nicht diese hysterische Suche<br />
nach vermeintlicher Perfektion, und es gab auch keine<br />
Referenzbücher so wie heute, auf die man sich während<br />
des Jobs beziehen muss. Man musste eigentlich<br />
selbst ständig neue Looks erfinden. Und es gab natürlich<br />
kein Photoshop.<br />
INTERVIEW: Was kommt nach der Perfektion?<br />
CANTELLO: Ich hoffe, dass wir bald durch sind<br />
mit dieser Künstlichkeit. Interessant ist es auch, Prominente<br />
auf dem roten Teppich zu beobachten. Dort<br />
sehen sie auf jeden Fall echter und auch fehlerhafter<br />
aus als auf den stark retuschierten Fotos. Aber selbst<br />
dort eifern sie diesem verrückten Look nach, mit<br />
falschen Augenwimpern, Extensions und Tonnen von<br />
Make-up im Gesicht.<br />
INTERVIEW: Wenn der Druck immer größer wird,<br />
alte Looks zu recyceln, dann können Sie ja aus dem<br />
Vollen schöpfen.<br />
CANTELLO: Ich? Nein, also ohne jetzt unbescheiden<br />
klingen zu wollen: Ich bin immer noch voller<br />
neuer Ideen. Natürlich bin oft unsicher, aber das muss<br />
auch so sein, denn das treibt einen an. Ich habe übrigens<br />
zwei Söhne, die 22 und 25 Jahre alt sind, und die<br />
bringen alle ihre Freunde mit nach Hause. Über die<br />
149<br />
.<br />
bekomme ich viel mehr Infos, was abgeht, als durch<br />
die Modebranche.<br />
INTERVIEW: Was ist denn Ihrer Meinung nach<br />
neu und interessant?<br />
CANTELLO: Na ja, man muss auch sagen, dass<br />
man mit Make-up im Gesicht nur ein gewisses Spektrum<br />
hat, ohne dass es lächerlich wirkt. Deshalb glaube<br />
ich, dass man sich in Zukunft auch auf weitere<br />
Körper teile konzentrieren wird. Zum Beispiel gucke<br />
ich mir in der U-Bahn gerne junge Leute an, die aus<br />
Clubs oder von Konzerten kommen. Sie dekorieren<br />
sich viel mehr, und das beschränkt sich nicht nur auf<br />
das Gesicht. Sie bemalen sich oder kleben sich Dinge<br />
ins Gesicht. Sehr einfallsreich.<br />
INTERVIEW: Sie haben schon für die meisten großen<br />
Modehäuser gearbeitet, und Sie sind der Chef-<br />
Make-up-Artist von Armani. Wie frei sind Sie, innerhalb<br />
des Markenuniversums Ihre Looks zu entwickeln?<br />
CANTELLO: Armani wird es geben, auch wenn ich<br />
nicht mehr da bin. Deshalb lege ich mein Ego an der<br />
Garderobe ab. Dafür darf ich aber meine Interpretation<br />
der Armani-Welt liefern. Gerade bei Armani ist<br />
es interessanterweise bei den Modeschauen bei nahe<br />
so, als wäre das Gesicht zweitrangig, weil so viel Wert<br />
auf die Körper und die Bewegungen der Models gelegt<br />
wird. Bei Giorgio hat Schönheit etwas Selbstverständliches.<br />
Er hat einen sehr guten Geschmack und<br />
ist sehr modern. Er möchte immer überrascht werden.<br />
Auch von mir. Seine Ästhetik ist reine, ein fache<br />
Schönheit, und viele Leute verwechseln das mit Klassik.<br />
Giorgio und ich teilen die Einstellung, dass Einfachheit<br />
das Schwierigste ist, was es gibt.<br />
INTERVIEW: Was war das größte Risiko, das Sie<br />
jemals bei einem Job eingegangen sind?<br />
CANTELLO: Ich liebe es, hin und wieder gar<br />
nichts zu machen.<br />
INTERVIEW: Wie, gar nichts?<br />
CANTELLO: Gar nichts. Ich schaue mir das Model<br />
an und finde es so am schönsten. Dann bekommt<br />
es höchstens ein wenig Feuchtigkeitscreme ins Gesicht.<br />
Das hat mit Erfahrung und Selbstbewusstsein zu tun.<br />
INTERVIEW: Sie haben auch Kate Middleton für<br />
ihr Verlobungsfoto geschminkt. Worum ging es da:<br />
einen Look für das neue Mitglied der Royals zu kreieren<br />
oder sie besonders hübsch aussehen zu lassen?<br />
CANTELLO: Ich dachte, ich könnte einen Look<br />
kreieren, aber es kam anders: Mario Testino fragte<br />
Kate, ob sie die Augen gerne stärker betonen würde.<br />
Und Kate sagte Ja und ging ins Badezimmer, um sich<br />
selbst schwarzen Eyeliner aufzutragen. Meine Assistentin<br />
und ich schauten uns an und sagten: „Na ja …“<br />
Auf der anderen Seite gibt diese Art, sich zu schminken,<br />
ihr Sicherheit, und die will ich ihr auf keinen<br />
Fall nehmen. Sie ist eine sehr kreative Person, und sie<br />
weiß genau, was sie will, und das gefällt mir sehr gut.<br />
Für die Hochzeit hat sie sich auch selbst geschminkt.<br />
Ich persönlich fand es etwas zu viel.<br />
INTERVIEW: Welchen Look hätten Sie ihr denn<br />
gerne nahegebracht?<br />
CANTELLO: Ich hätte ihren Look insgesamt etwas<br />
sanfter gehalten, vor allem die Augen.<br />
INTERVIEW: Gibt es jemanden, der noch nicht auf<br />
Ihrem Stuhl saß, mit dem Sie gerne arbeiten würden?<br />
CANTELLO: Diese Frage stelle ich mir nicht. Die<br />
Leute fragen <strong>mich</strong> auch immer, wie ich Kate Moss<br />
finde. Einfach nur klasse! Nicht, weil sie ein Supermodel<br />
ist, sondern weil sie eine lustige und schlaue<br />
Person ist. Es klingt vielleicht abgedroschen, aber<br />
nach so vielen Jahren im Job fällt mir nur ein Satz ein:<br />
Wahre Schönheit kommt von innen.<br />
<strong>Interview</strong> HEIKE BLÜMNER
.<br />
Hautpflege<br />
„Crema Nera Extrema<br />
Supreme Reviving Cream”<br />
Foundations<br />
„Maestro Fusion Make-up No. 3”<br />
& „Maestro Eraser No. 2”<br />
Lidschatten<br />
„Smokey Purple”, Palette No. 1,<br />
Fall Collection<br />
Mascara<br />
„Eyes to Kill Mascara” in Braun<br />
Lippenstift<br />
„Rouge Ecstasy No. 104”<br />
DIESE SEITE:<br />
STRICKJACKE<br />
PEACHOO & KREJBERG<br />
RECHTE SEITE:<br />
MANTEL<br />
GARETH PUGH<br />
HUT<br />
PHILIP TREACY LONDON<br />
150
.<br />
Hautpflege<br />
„Crema Nera Extrema Supreme<br />
Reviving Cream”<br />
Foundations<br />
„Maestro Fusion Make-up No. 3”<br />
& „Maestro Concealer No. 2”<br />
Lidschatten<br />
„Satin Vert d’Eau”, Palette No. 2,<br />
Fall Collection, „Iridiscent Blue”<br />
& „Spray of Blue Violet Pearls”,<br />
Palette No. 1, Fall Collection<br />
Lippenstifte<br />
„Rouge d’Armani No. 409 Ferrari Red”<br />
& „Rouge d’Armani No. 410 Boxing<br />
Red”, Fall Collection<br />
Hair SEBASTIEN RICHARD/JEDROOT<br />
Make-up LINDA CANTELLO/B-AGENCY<br />
Manicure KAMEL/B-AGENCY<br />
Model JULIANE GRÜNER/SCOOP MODELS<br />
Casting EMILIE GOFF/TWO BIRDS CASTING<br />
Photo Assistants DAVID GILBEY, PABLO FREDA<br />
Digital Operator RUGGIERO CASAGNA/PIN-UP<br />
Styling Assistant ULI SEMMLER<br />
Production LENNY HARLIN/MANAGEMENT ARTISTS<br />
Special thanks DAYLIGHT STUDIO
.<br />
Gj<br />
WIE EIN SONNENSTRAHL<br />
GUERLAINS<br />
der Götter und Könige.<br />
Collector’s Edition<br />
„HYPNÔSE DOLL EYES<br />
MASCARA”, UM<br />
32 EURO. „HYPNÔSE<br />
DOLL EYES PALETTE”,<br />
UM 55 EURO<br />
BEAUTY<br />
Sommerlook 2013<br />
ist eine Ode an glänzendes Gold.<br />
Das Bronzingpuder schimmert<br />
in diesem Jahr in der Farbe<br />
„HYPNÔSE DRAMA<br />
MASCARA”,<br />
UM 32 EURO. „HYPNÔSE<br />
DRAMA EYES PALETTE”,<br />
UM 55 EURO<br />
„HYPNÔSE STAR<br />
MASCARA”, UM 32 EURO.<br />
„HYPNÔSE STAR EYES<br />
PALETTE”, UM 55 EURO<br />
„TERRA <strong>ORA</strong>”-<br />
PUDERDOSE<br />
AUS SCHWARZEM<br />
HOLZ MIT MAGNET-<br />
VERSCHLUSS VON GUERLAIN,<br />
UM CA. 63 EURO<br />
ALLE<br />
lieben<br />
ALBER ELBAZ<br />
Lanvins Chefdesigner Alber<br />
Elbaz zeigt in dieser Kooperation<br />
mit Lancôme, dass er nicht<br />
nur umwerfende Kleider designen<br />
kann. Seine Lieblingsmuster<br />
– Sterne, Herzen, Polka-<br />
Dots und große Augen –<br />
schmücken in diesem Sommer<br />
auch die begehrtesten Mascaras<br />
und Lidschattenpaletten von<br />
Lancôme. Und für den XXL–<br />
Augenaufschlag gibt es ein Set<br />
falsche Wimpern – in einer<br />
selbstredend ebenso stilvoll<br />
gekleideten Box.<br />
First Row Feeling: WER EIN STÜCK AUS DER LIMITIERTEN KOLLEKTION SEIN EIGEN<br />
NENNEN MÖCHTE, MUSS SCHNELL SEIN. AB ENDE JUNI IM HANDEL!<br />
HOTSPOT<br />
TIEF<br />
DURCHATMEN<br />
Hinter den um 1475 errichteten<br />
Mauern des Hotels Palazzo Gritti<br />
in Venedig befindet sich der neue<br />
Acqua di Parma Blu Mediterraneo<br />
Spa. Genau der richtige Ort, um<br />
nach einer Tour durch die Lagunenstadt<br />
neue Energie zu tanken.<br />
Verantwortlich für den belebenden<br />
Effekt soll der „Mediterranean<br />
Oxygenating Complex“ in den<br />
Produkten sein.<br />
DAS FOYER ALS PRODUKT-GALERIE<br />
152<br />
MARC<br />
Meisterstück<br />
Jacobs’<br />
neuestes1<br />
1<br />
AB 50<br />
EURO<br />
erinnert an einen<br />
Sommercocktail.<br />
Für den Schwips haben sich grüne<br />
Birne, Fruchtpunsch<br />
und Honig von<br />
kundigster<br />
Hand durchschütteln<br />
lassen.<br />
„HONEY” VON<br />
MARC JACOBS,
JEAN PAUL<br />
GAULTIER<br />
„CLASSIQUE –<br />
DIE SCHÖNE MIT<br />
CORSAGE”,<br />
UM 93 EURO,<br />
LIMITIERT<br />
Wenn Jean Paul<br />
Gaultier am<br />
Ende einer jeden Couture-<br />
Schau den Laufsteg betritt<br />
und ihn in alter Gewohnheit<br />
hinuntersprintet, dann gibt es<br />
stets tosenden Applaus. Das<br />
Modehaus Gaultier leistet sich als<br />
eines der wenigen Fashionhäuser<br />
die kostspielige Couture-Kollektion<br />
und versetzt so zweimal im Jahr<br />
die Modewelt in Erstaunen. Ebenso<br />
perplex war einst die Beautywelt, als<br />
der sympathische Franzose vor exakt<br />
20 Jahren sein erstes Parfüm vorstellte.<br />
„Classique“ war anders als alles bisher<br />
Dagewesene. Egal ob Verpackung, Flakon<br />
oder Inhalt – es gab keinen vergleichbaren<br />
Duft in der Parfümerie. So wurde der<br />
Flakon in Form eines weiblichen Torsos, verpackt in<br />
einer schlichten Konservendose, zum Kultobjekt.<br />
Der Duft selbst feiert die Weiblichkeit mit Ingredienzien<br />
wie Rose, Orchidee und viel Vanille. Die<br />
Jubiläums edition wurde übrigens von einem Couturekleid<br />
der Sommerkollektion 2012 inspiriert, wie sollte<br />
es auch anders sein.<br />
2<br />
BEAUTY<br />
Jetset-Packages<br />
Stilsichere Nomaden reisen vorzugsweise mit<br />
leichtem Gepäck. Denn wer nach dem Prinzip<br />
„Heute hier, morgen dort“ lebt, möchte<br />
schließlich auf keinen Fall seine kostbare Zeit<br />
an internationalen Gepäckbändern vergeuden.<br />
Glücklicherweise ist das noch lange kein<br />
Grund, auf die Lieblingspflege- oder -stylingprodukte<br />
zu verzichten. Unsere drei<br />
Topfavoriten für die nächsten Kurztrips<br />
vereinen auf gekonnte Weise das Praktische<br />
mit dem Nützlichen.<br />
1<br />
GAULTIER JEAN PAUL<br />
3Reif für die Insel?<br />
Der Urlaub liegt aber noch in weiter Ferne? Dann<br />
könnte der Unisexduft „Coccobello“ von James<br />
Heeley (um 120 Euro) helfen. Das Parfüm mit<br />
Aromen von frischen Palmblättern, Kokosnuss- und<br />
Monoi-Öl sendet positive Signale direkt an den Teil<br />
unseres Kleinhirns, wo unsere Erinnerungen, zum<br />
Beispiel die vom letzten Strandurlaub, gespeichert sind. Hat noch<br />
nicht ganz geklappt? Dann hilft eventuell „Catwalk Session Series<br />
Salt Spray“ von Tigi (um 19 Euro). Auf die Haare sprühen, durchkneten<br />
– fini! Ein Look wie nach einem Tag am Meer.<br />
.<br />
1 VOLUMEN TO GO:<br />
VON PERCY & REED,<br />
UM 38 EURO. ÜBER<br />
NICHE-BEAUTY.COM<br />
2 LEERE BEHÄLTER FÜR<br />
DIE LIEBLINGSPFLEGE:<br />
VON AESOP, UM 15<br />
EURO<br />
3 ALLES FÜR EINE REINE<br />
WÄSCHE AUF REISEN.<br />
VON THE LAUNDRESS,<br />
UM 65 EURO<br />
3<br />
2<br />
Fotos: PR; Porträt: Koray Birand<br />
BEAUTY-TALK<br />
SEYHAN ÖZDEMIR<br />
Seyhan Özdemir ist der weibliche Part des mit vielen Preisen ausgezeichneten<br />
Istanbuler Designduos Autoban. Wir sprachen mit der Architektin über ihre Liebe zu<br />
einem ganz besonderen Duft und ihre persönliche Deutung von Schönheit<br />
INTERVIEW: Was ist für Sie die größte Sünde in Bezug auf die Schönheit eines<br />
Menschen?<br />
SEYHAN ÖZDEMIR: Nachlässiger Umgang mit dem Äußeren. Die Zeit hinterlässt<br />
sowieso schon genug Spuren, ob wir wollen oder nicht. Man achtet ja auch darauf,<br />
dass es der Seele gut geht – dann sollte die eigene Fürsorge beim Äußeren nicht<br />
aufhören. Und das gilt in meinen Augen übrigens für Frauen wie für Männer.<br />
INTERVIEW: Sind Sie folglich ein Spa-Junkie?<br />
ÖZDEMIR: Oh ja, ich liebe vor allem asiatische Treatments und Thaimassagen<br />
und gönne sie mir so oft wie möglich. Außerdem glaube ich an die reinigende<br />
Wirkung eines Besuchs im türkischen Hamam zu jedem Jahreszeitenwechsel.<br />
INTERVIEW: Erinnern Sie sich an das erste Parfüm, das Sie bewusst wahrgenommen<br />
haben?<br />
ÖZDEMIR: Vielleicht war es nicht das erste, aber „Angel“ von Thierry Mugler ist<br />
mir auf jeden Fall bis heute in Erinnerung geblieben. Meine Schwester trug es.<br />
INTERVIEW: Und Ihr erster Duft?<br />
ÖZDEMIR: „Roma“ von Laura Biagiotti – ich war 14 Jahre alt!<br />
INTERVIEW: Und heute?<br />
ÖZDEMIR: … trauere ich immer noch ein wenig meinem Lieblingsduft „By“ von<br />
Dolce & Gabbana nach. Dieser Duft gehörte einfach zu mir. Er wurde vom<br />
Markt genommen, und ich versuchte lange Zeit, weltweit<br />
alle verbliebenen Flakons zu ergattern. Doch irgendwann<br />
war wirklich Schluss, und ich musste eine Alternative finden.<br />
Mit „Scent“ von Costume National habe ich aber<br />
einen würdigen Nachfolger gefunden.<br />
INTERVIEW: Haben Sie einen Lieblingsduft bei Männern?<br />
ÖZDEMIR: Ich mag die ungewöhnlichen Düfte von<br />
Comme des Garçons – „Wonderwood“ und „2“.<br />
INTERVIEW: Wie würden Sie die Schönheit von<br />
Möbeln beschreiben?<br />
ÖZDEMIR: Ich liebe das Gefühl, wenn ich für<br />
ein Stück den perfekten Platz gefunden habe.<br />
Es bereichert das Leben mit seiner Form und<br />
den Gefühlen, die es in einem wachruft.<br />
INTERVIEW: Und was ist das Schönste, das Sie je<br />
geschaffen haben?<br />
ÖZDEMIR: Mein kleine Tochter Yaz! (bei Erscheinen<br />
dieser Ausgabe von „<strong>Interview</strong>“ vier Monate alt)<br />
EINSPURIGE<br />
AUTOBAN<br />
153
.<br />
BEAUTY<br />
BEAUTIFUL<br />
in L.A.<br />
DISKUTIERT WERDEN: SPA-TREATMENTS IN WEST<br />
HOLLYWOOD UND BOTANISCHE DÜFTE AUS VENICE<br />
NOIR COUTURE WATERPROOF MASCARA<br />
Volumen, Länge, Schwung und Pflege – etzt<br />
auc h wa s s er fe s t I n Bla ck – o der P u r ple Velvet .<br />
Von GIVENCHY, um 30 Euro.<br />
DRYING LOTION<br />
Mein Favorit gegen Pickel Galmei und Salicylsäure<br />
klären und beschleunigen den Heilungsprozess.<br />
Von MARIO BADESCU, um 22 Euro.<br />
MOROCCANOIL LIGHT<br />
Der lassiker mit Arganl in der Light-Version – speziell<br />
für feines Haar. Von MOROCCANOIL, 15 Euro.<br />
MEHR BEAUTY-ADRESSEN IN LOS ANGELES:<br />
NAILART: mars-salon.com, ORGANIC SKIN TREATMENTS: terrilawton.com,<br />
HAARE: sergenormant.com, SALON & SPA: fredsegal.com<br />
CELLULAR PERFORMANCE<br />
HYDRACHANGE MIST<br />
Spendet Feuchtigkeit und erfrischt –<br />
unbedingt im ühlschrank aufbewahren<br />
Von KANEBO, um 63 Euro.<br />
DÉMAQUILLANT EXPRESS<br />
-Phasen-Augen-Make-up-Entferner – auch für wasserfeste<br />
Mascara geeignet. Von CLARINS, um 25 Euro.<br />
EAU DE MANDARINE AMBRÉE<br />
Neu in der Cologne-Serie. Mit fruchtiger Mandarine<br />
und zartem Amber. Von HERMÈS, um 90 Euro.<br />
154<br />
Eine Kolumne von BETTINA BRENN<br />
Willkommen in L. A., dem Ort, an dem<br />
man so selbstverständlich in Beautyinstitute<br />
geht wie in Deutschland in<br />
den Supermarkt. Warum? Vielleicht,<br />
weil an 300 Tagen im Jahr die Sonne scheint und man<br />
zeigen will, was man hat. Es könnte aber auch daran<br />
liegen, dass 90 Prozent des Restaurant- und Barpersonals<br />
von L. A. auf die große Hollywoodkarriere hoffen.<br />
Und sollte die auf sich warten lassen, sieht man<br />
wenigstens danach aus. Eine ganze Armada an Salons<br />
steht bereit, um die Gier nach dem „perfect<br />
look“ zu befriedigen.<br />
Wer seinem Teint etwas Gutes tun möchte, sollte<br />
ein Treatment bei Face Place in West Holly wood buchen;<br />
der Salon ist seit den Siebzigern eine Institution.<br />
Hier wird nur eine Gesichts behandlung angeboten,<br />
und die ist seit damals fast unverändert. Nur die<br />
Kundenliste mit Celebritys wurde über die Jahre länger.<br />
Zunächst werden beim Treatment mehrere Lagen<br />
in Lotionen getränkte Tücher auf das Gesicht<br />
gelegt. Danach bekommt man eine Art Gesichtssauna<br />
übergestülpt: Die aus Kunstleder gefertigte Haube<br />
erinnert ein wenig an nord afrikanische Schmortöpfe<br />
und ist ganz sicher nichts für Klaustrophobiker. Im<br />
Anschluss wird die Haut mit einem Porensauger gereinigt,<br />
um dann unter vielen Pads zu verschwinden,<br />
die mit einem Feuch tigkeits- und Vitamincocktail getränkt<br />
sind. Darüber wird dann ein feines Netz aus<br />
Strom gelegt, das die Produkte tiefer in die Haut leiten<br />
und sie dabei straffen und besser durchbluten soll.<br />
Das Ergebnis? Sensationell! Kein Wunder, dass sich<br />
manche Familien bereits seit drei Generationen hier<br />
behandeln lassen. Ein Stammkunde ist z. B. Johnny<br />
Depp. Der lässt sich allerdings von Mr. Rogers’ Team,<br />
in dem es un gewöhnlich viele männliche Kosmetiker<br />
gibt, ganz diskret zu Hause behandeln. Meine Empfehlung<br />
ist übrigens Tony, auf den schwört auch Sofia<br />
Coppola seit über zehn Jahren! (faceplace.com)<br />
Neben den Friseurbesuchen für Schnitt und Farbe<br />
stehen in L. A. regelmäßig Termine zum Waschen<br />
und Föhnen an. Dafür gibt es sogenannte Blow Dry<br />
Bars, die nichts anderes anbieten als heiße Luft. Das<br />
coole Pendant zum deutschen Waschen, Legen, Föhnen.<br />
Der neueste L. A.-Hotspot ist die kürzlich eröffnete<br />
Blow Dry Bar von Celebrity-Stylist David Babaii.<br />
Die befindet sich praktischerweise im ebenfalls<br />
neu eröffneten Brentwood-Fitnesstempel von Sportguru<br />
Tracy Anderson. Langsam rollt die Föhnwelle auch<br />
auf uns zu: In Berlin wurde 2012 Deutschlands erster<br />
und bisher einziger Salon eröffnet. (drybar.de)<br />
Zurück nach L. A.: Frisch geglättet und geföhnt,<br />
sollten Sie unbedingt der kleinen Parfümerie Strange<br />
Invisible auf dem Abbot Kinney Boulevard in Venice<br />
einen Besuch abstatten; alles, was hier angeboten<br />
wird, ist natürlichen Ursprungs. Und wer glaubt, seine<br />
Nase schon überall reingesteckt zu haben, wird<br />
hier ganz neue Fährten aufnehmen können. Besonders<br />
beeindruckend sind die ungewöhnlichen Kreationen<br />
der Besitzerin und Parfümeurin Alexandra<br />
Balahoutis. Zudem gibt es eine fein kuratierte Auswahl<br />
nationaler und internationaler Organic Brands.<br />
(siperfumes.com) Optimalerweise schaut man hier<br />
erst gegen Abend vorbei, um anschließend einen<br />
ebenso eindrucksvollen Drink einzunehmen – im<br />
Gjelina, dem derzeit angesagtesten Restaurant<br />
von Venice.<br />
Foto MICHAEL MANN<br />
Styling CHRISTIAN KLEEMANN
VORTEILS-<br />
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Technologie, die über einfache UVB und UVA-Filter hinausgeht und<br />
Schutz gegen die für Festigkeits- und Elastizitätsverlust der Haut verantwortlichen<br />
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365 kurbelt den hauteigenen DNA-Reparaturmechanismus der Haut an,<br />
wodurch Zeichen von Hautschädigungen sichtbar repariert werden und<br />
die Haut vor vorzeitiger Hautalterung an 365 Tagen im Jahr geschützt wird.<br />
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PARTY<br />
Waris Ahluwalia und Mark Borthwick beim ASMALL-<br />
WORLD-Dinner von Sabine Heller, Tali Lennox und<br />
Waris Ahluwalia, New York<br />
IT’S A<br />
PURPLE<br />
Olivier Zahm und Kanye West<br />
bei der Eröffnungsparty<br />
des Le Baron im Scotch, London<br />
Jefferson Hack und Tati Cotliar bei der<br />
Eröffnungsparty des Le Baron im Scotch, London<br />
WORLDVON UND MIT<br />
OLIVIER ZAHM<br />
Glenn O’Brien bei sich zu Hause, New York<br />
Harry Brant und Rachel Chandler beim jährlichen Chanel-<br />
Künstlerdinner des Tribeca Film Festivals im Odeon, New York<br />
Lily Donaldson und André Saraiva beim Dinner zu Ehren von<br />
Cyprien Gaillards Ausstellung im Hammer Museum, L. A.<br />
John Baldessari und Cyprien Gaillard beim Dinner von<br />
Cyprien Gaillards Ausstellung im Hammer Museum, L. A.
.<br />
PARTY<br />
Julian Schnabel bei der Creative Time Annual<br />
Gala in der Domino Sugar Factory, New York<br />
Léa Seydoux und André Saraiva als<br />
Marilyn Monroe und Arthur Miller<br />
im Hôtel Amour, Paris<br />
Ahmad Larnes und Cédric Rivrain bei<br />
der Eröffnung des No42-Stores, Paris<br />
Olivier Zahm und James Goldstein beim Dinner von<br />
Cyprien Gaillards Ausstellung im Hammer Museum, L. A.<br />
Der Adidas-Badeanzug von Jeremy Scott<br />
bei der Eröffnung des No42-Stores, Paris<br />
Wenn dieser Mann neben Ihnen<br />
an der Bar auftaucht, wissen Sie,<br />
dass Sie entweder sofort gehen<br />
müssen oder die Nacht sehr, sehr<br />
lang wird. Unser neuer Party-<br />
Korrespondent ist wahrlich kein<br />
Unbekannter.<br />
Sein Name: Olivier ZAHM.<br />
Sein Auftrag: schöne Menschen<br />
zuerst in einen seiner Clubs locken<br />
und dann in seinem Heft (Purple<br />
Magazine) nackig machen.<br />
Exklusiv in INTERVIEW zeigt<br />
Monsieur ZAHM nun, was in seiner<br />
Welt Nacht für Nacht passiert<br />
Rod Stewart und Penny Lancaster<br />
im Teddy’s im Roosevelt Hotel, L. A.
.<br />
PARTY<br />
Leonardo DiCaprio<br />
und Nicole Kidman<br />
Heidi Klum und Begleitung<br />
Rosie Huntington-Whiteley, Karlie Kloss,<br />
Derek Blasberg<br />
Alessandra Ambrosio, Irina Shayk,<br />
Ana Beatriz Barros<br />
Petra Nemcova, Jon Kortajarena und Begleitung<br />
Jessica Chastain<br />
YES, WE<br />
CANNES<br />
Eigentlich hatte es in<br />
Cannes während der<br />
Filmfestspiele die<br />
ganze Zeit über geregnet,<br />
nur am Tag, als die<br />
amfAR-Cinema-<br />
Against-Aids-Gala<br />
stattfand, schien<br />
die Sonne<br />
Lara Lieto, Adrien Brody<br />
Joan Smalls<br />
Toni Garrn<br />
Fotos: Dave M. Benett/Getty Images<br />
Goldie Hawn<br />
Eugenia Silva<br />
Sharon Stone
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DOLLY<br />
PARTON<br />
FLASHBACK, JULI 1984<br />
Ihr Äußeres ist dem einer Prostituierten nachempfunden,<br />
ihre Songs kommen von Herzen: Die wohl größte<br />
Countrysängerin aller Zeiten erklärt, wie man trotz<br />
schlechter Voraussetzungen zum Weltstar wird<br />
DIE NÄCHSTE AUSGABE<br />
VON INTERVIEW<br />
ERSCHEINT AM<br />
21. AUGUST 2013<br />
INTERVIEW: Wie viele Perücken hast du?<br />
DOLLY PARTON: Keine Ahnung. Ich habe bessere<br />
Dinge zu tun, als sie zu zählen. Aber ich trage jeden<br />
Tag eine andere, also besitze ich wahrscheinlich 365.<br />
INTERVIEW: Aus dir wäre eine großartige Predigerin<br />
geworden.<br />
PARTON: Wie meinst du das? Ich bin eine großartige<br />
Predigerin!<br />
INTERVIEW: Dein Großvater war Prediger.<br />
PARTON: Ja, bei der Church of God.<br />
INTERVIEW: Gehst du regelmäßig in die Kirche?<br />
PARTON: Nein, gar nicht.<br />
INTERVIEW: Betest du?<br />
PARTON: Ja, ständig.<br />
INTERVIEW: Machst du viel Sport?<br />
PARTON: Nicht viel, aber ein bisschen.<br />
INTERVIEW: Machst du Diät?<br />
PARTON: Das ist so ein Problem, denn ich bin verfressen<br />
wie ein Schwein. Ich bin klein und habe großen<br />
Appetit. Und ich kann nicht nur ein bisschen essen.<br />
Das geht mir mit allem so. Ich kann nicht nur ein<br />
bisschen lieben, kann nicht nur ein bisschen Sex haben,<br />
und ich kann auch nicht nur ein wenig essen. Ich<br />
stand auch immer auf Junkfood, stehe ich immer<br />
noch. Eigentlich habe ich mit nichts aufgehört. Dennoch<br />
versuche ich, nicht so viel zu essen. Aus diesem<br />
Grund betrachte ich meine Diät wie einen Job, fünf<br />
Tage die Woche. Unter der Woche esse ich mehr<br />
Gemüse und Fisch, aber am Wochenende … Wenn<br />
es mir gefällt, esse ich auch schon mal drei Pizzen.<br />
Aber ich bin ja nur 1,52 m groß.<br />
INTERVIEW: Denkt man gar nicht.<br />
PARTON: Weil ich <strong>mich</strong> groß bewege, ich habe<br />
eine große Haltung. Aber ich bin ganz klein.<br />
INTERVIEW: Wusstest du schon als Kind, dass du<br />
berühmt werden würdest?<br />
PARTON: Ja. Ich war wahrscheinlich eine ziemliche<br />
Nervensäge als Kind, weil ich so große Träume hatte.<br />
Und ich brauchte sehr viel Aufmerksamkeit, die ich<br />
nicht bekam. Meine Eltern haben uns geliebt, aber ich<br />
hatte ja noch drei ältere und acht jüngere Geschwister.<br />
Ich war also das vierte Kind und unglaublich sensibel<br />
und leicht verletzlich. Ich wollte, dass <strong>mich</strong> jeder liebt<br />
und jeder spürt, dass ich etwas Besonderes bin. Und, ja,<br />
ich wusste immer, dass ich ein Star werde. Dass ich<br />
reich sein würde, damit ich Mommy und Daddy Sachen<br />
kaufen kann, ein großes Haus und schöne Dinge.<br />
INTERVIEW: Warst du selbstsicher?<br />
PARTON: Und wie!<br />
INTERVIEW: Und bist du immer noch selbstsicher?<br />
PARTON: Ja. Als Kind konnte <strong>mich</strong> nichts erschrecken.<br />
Wir hatten ein hartes Leben und arbeiteten auf<br />
dem Feld. Wir waren starke Kinder, und ich war ein<br />
richtiger Tomboy. Deswegen kann ich es auch gar<br />
nicht glauben, dass ich heute so zerbrechlich bin. Ich<br />
habe kleine Hände mit kurzen Fingern, weshalb ich<br />
lange Fingernägel habe. Und ich trage hohe Absätze,<br />
weil ich sonst noch kleiner wäre. Meine Haare konnte<br />
ich nie so frisieren, wie ich es eigentlich wollte, weshalb<br />
ich angefangen habe, Perücken zu tragen. Alles,<br />
was ich mache, hat also einen guten Grund. Ich wollte<br />
einen bestimmten Look.<br />
INTERVIEW: Warum hast du keine Kinder?<br />
PARTON: Weil ich keine kriegen kann, ich habe es<br />
jahrelang versucht. Aber das ist okay. Ich habe meine<br />
jüngeren Geschwister großgezogen und deren Kinder<br />
nennen <strong>mich</strong> heute Tante Omi. Weil ich Tante und<br />
Oma zugleich bin.<br />
.<br />
Foto: Robert Risko für <strong>Interview</strong> Magazine, Juli 1984<br />
„ICH WOLLTE, DASS MICH JEDER LIEBT.” DOLLY PARTON, JULI 1984
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