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Indianer-<br />
Filme<br />
<strong>kult</strong>!<br />
www.goodtimes-magazin.de<br />
60er · 70er · 80er<br />
<strong>Die</strong><br />
<strong>Mondlandung</strong> 70er<br />
TV-Serien<br />
D: € 6,50<br />
Österreich € 7,50<br />
Luxemburg € 7,50<br />
Schweiz CHF 12,70<br />
Ausgabe 1/2013 (Nr. 7)<br />
Spezial<br />
mit<br />
Poster<br />
Ost-Rock<br />
Gerüchte,<br />
Mythen, Märchen<br />
Russ-Meyer-<br />
Filme<br />
Tolkien · Reiner Schöne · Ein Platz für Tiere · Daliah Lavi · Martin Böttcher · Jahrgang 1972 · Michael Schanze
&<br />
präsentieren:<br />
<strong>Die</strong> massive Progressive Rock<br />
Katalogkampagne 2012!<br />
Mit rund 350 preisreduzierten Alben aus den Katalogen von<br />
und - bis Ende November im Handel erhältlich!<br />
PROG ROCKS! Volume Two<br />
Der grandiose 2CD-Sampler zum Super-Sonderpreis!<br />
Mit über 2,5 Std. Spielzeit!<br />
30 Tracks von Van Der Graaf Generator, The Nice,<br />
Jethro Tull, Hawkwind, Gong, Hatfield & The North,<br />
Gentle Giant, Steve Hackett, Marillion, Pallas,<br />
Spock‘s Beard, Transatlantic, Neal Morse, Pain Of<br />
Salvation, Karmakanic, The Flower Kings, It Bites,<br />
Affector u.a.m.!<br />
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Vol. 1 (2011)<br />
Ausgewählte Album-Highlights:<br />
ASIA<br />
Anthology<br />
BARCLAY JAMES H.<br />
Once Again<br />
DEVIN TOWNSEND<br />
Infinity<br />
ELOY<br />
Dawn<br />
FLOWER KINGS<br />
Flowerpower<br />
GENESIS<br />
Nursery Cryme<br />
HOELDERLIN<br />
Clouds And Clowns<br />
IT BITES<br />
The Tall Ships<br />
JETHRO TULL<br />
Stand Up<br />
KRAAN<br />
Live<br />
NEAL MORSE<br />
Testimony 2<br />
THE NICE<br />
Five Bridges<br />
ROINE STOLT<br />
The Flower King<br />
SPOCK‘S BEARD<br />
The Light<br />
STEVE HACKETT<br />
Live Rails<br />
STEVE HILLAGE<br />
Open<br />
SWEET SMOKE<br />
Just A Poke/Darkness...<br />
TRANSATLANTIC<br />
SMPTe
IMPRESSUM<br />
Anschrift:<br />
NikMa Verlag<br />
Fabian Leibfried<br />
Eberdinger Straße 37<br />
71665 Vaihingen/Enz<br />
Tel: 0 70 42/37660-160<br />
Fax: 0 70 42/37660-188<br />
email: goodtimes@nikma.de<br />
www.goodtimes-magazin.de<br />
Herausgeber und Chefredakteur:<br />
Fabian Leibfried<br />
Mitarbeiter:<br />
Jens-Uwe Berndt, Horst Berner, Lothar<br />
Brandt, Michael Fuchs-Gamböck, Hans-<br />
Jürgen Günther, Peter Henning, Christian<br />
Hentschel, Teddy Hoersch, Hugo Kastner,<br />
Frank Küster, Bernd Matheja, Helmut Ölschlegel,<br />
Thorsten Pöttger, Philipp Roser, Roland<br />
Schäfl i, Oliver Schuh, Ulrich Schwartz, Eckhard<br />
Schwettmann, Christian Simon, Alan Tepper,<br />
Jörg Trüdinger, Uli Twelker, Peter Verhoff,<br />
Thomas Wachter, Jürgen Wolff<br />
Abonnements, Shop:<br />
Andrea Leibfried<br />
Grafische Gestaltung:<br />
Andrea Zagmester, <strong>kult</strong>@nikma.de<br />
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siehe Seite 85<br />
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Karin Dor: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
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<strong>kult</strong>! ist auf umweltfreundlichem, chlorfrei<br />
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Artikel, Interviews, Fotos, Rezensionen etc.<br />
nur mit der Zustimmung des Herausgebers<br />
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mit<br />
Poster<br />
Willkommen bei <strong>kult</strong>!<br />
"<br />
Hätte ich doch schon früher mitgekriegt, dass es <strong>kult</strong>! gibt, so<br />
viele schöne Geschichten von damals!" "<br />
Warum machen Sie<br />
nicht mehr Werbung, um Ihr Magazin bekannter zu machen?"<br />
Fabian Leibfried<br />
-Herausgeber/Chefredakteur-<br />
Solche Zuschriften erreichen uns immer wieder, meist verbunden<br />
mit der Nachbestellung früherer Hefte, mit denen sich vergangenheitsbewusste<br />
Zeitgenossen noch einmal auf eine Zeitreise in ihre eigene Kindheit<br />
oder Jugend begeben wollen. In der Flut von Veröffentlichungen, in der Kioske,<br />
Zeitschriftenläden oder Bahnhofsbuchhandlungen beinahe ersticken, ist es für<br />
ein Heft wie <strong>kult</strong>! schwierig aufzufallen, potenzielle Leser auf unser Magazin<br />
aufmerksam zu machen. So bleibt uns angesichts begrenzter Ressourcen nur, auf<br />
den Faktor Mundpropaganda zu setzen und diese mit interessanten, vielseitigen<br />
Geschichten anzukurbeln.<br />
Unsere Autoren schürfen in den eigenen Erinnerungen, wälzen (eigene) Archive,<br />
halten bei Begegnungen mit Freunden und Bekannten Augen und Ohren offen,<br />
um neue Kultthemen aufzuspüren und dann für Sie, liebe Leser, umzusetzen. Sie<br />
stöbern in Foto-Archiven, um die Erinnerungen auch optisch möglichst authentisch<br />
und ansprechend zu präsentieren. Es ist ein gemeinsames Eintauchen der<br />
Redaktion und Leserschaft in die eigene Vergangenheit, ein nostalgischer Trip<br />
in längst vergangene Zeiten – diesmal beispielsweise in Sachen <strong>Mondlandung</strong>,<br />
damalige Fernseh- "<br />
Renner", technische Gerätschaften zum Musikkonsum oder<br />
für die Freizeitgestaltung.<br />
Noch ein Aspekt ist uns bei der Realisierung dieser <strong>kult</strong>!-Ausgabe bewusst geworden:<br />
Erstaunlich viele der (musikalischen) Akteure der 60er und 70er Jahre<br />
sind heute noch unverwüstlich aktiv. Viele sprühen geradezu vor Tatendrang und<br />
erfreuen sich wiedererwachten Interesses einstiger und neuer Fans, lassen sich<br />
auch in fortschreitendem Alter nicht in ihrem Kreativdrang bremsen.<br />
Gehen Sie mit uns erneut auf (Wieder-)Entdeckungsreise, empfehlen Sie uns<br />
weiter und lassen Sie uns wissen, welche bislang unbearbeiteten Themen Sie<br />
interessieren ...<br />
<strong>kult</strong>! Nr. 8 erscheint<br />
am 19.4.2013<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 3
Ausgabe Oktober 2012<br />
1/2013 (Nr. 7)<br />
INHALT<br />
RUBRIKEN<br />
3 Editorial/Impressum<br />
4 Inhaltsverzeichnis<br />
5 Top 5 Spielsachen<br />
Mitarbeiter & Prominente<br />
6 News from the past<br />
Altes neu ausgepackt<br />
31 <strong>kult</strong>! Shop<br />
85 <strong>kult</strong>! Abo-Bestellschein<br />
47 Jimi Hendrix/Musikladen<br />
Riesenposter<br />
<strong>Die</strong><br />
<strong>Mondlandung</strong><br />
Seite e 14<br />
Seite 18<br />
<strong>kult</strong>!<br />
60er · 70er · 80er<br />
14 <strong>Die</strong> <strong>Mondlandung</strong><br />
Das technische Wunder schreibt TV-Geschichte<br />
18 Revox – Reel Dreams<br />
Revox Bandmaschinen<br />
21 Reiner Schöne<br />
Von der Eintagsfliege zum Welt-Star<br />
22 Indianer im Western<br />
Der lange Weg zur Wahrheit<br />
26 "As Time Goes By"<br />
War Casablanca ein Zufallstreffer?<br />
29 Daliah Lavi<br />
Nach dem Abschied Hoffnung auf Frieden<br />
30 Bernhard Grzimek<br />
Der Mann mit dem Gummi-Nashorn<br />
32 <strong>Die</strong> Carnaby Street<br />
Vom Underground-Trendsetter zum Hype<br />
34 Hawaii Five-0<br />
Ein Detektiv macht die Welt in bisschen besser<br />
36 Prog-Rock: Soundtrack für Eskapisten<br />
Das Progressive-Rock-Revival<br />
38 Ein Kessel Buntes<br />
Samstagabend-Konkurrenz für ARD und ZDF<br />
40 Der Buckel-Volvo<br />
Schwedische Schönheit<br />
42 Weltraumspielzeug<br />
<strong>Die</strong> Eroberung des Alls im Kinderzimmer<br />
46 Zauberkästen<br />
Der Griff in die Trickkiste<br />
56 Kultige TV-Serien der 70er<br />
Fernsehen mit Suchtgefahr<br />
Seite 42<br />
Seitee 78<br />
Seite 65<br />
Seite 38<br />
Seite 68<br />
Seite 40<br />
Seite 26<br />
Spezial<br />
Seite 34<br />
Seite 36<br />
Seite 46<br />
60 Spielzeugkataloge<br />
Als fantasievolle Bilder Begierden weckten<br />
62 Martin Böttcher<br />
Winnetou-Musik stand nach acht<br />
Takten am Telefon<br />
65 Kaugummibilder<br />
Vom Karl-May-Motiv zum 2.0-Straßenschick<br />
68 Russ Meyer<br />
Eva, Erotik und Eruption<br />
72 Michael Schanze<br />
Der freundliche Flitterabend"-Mann<br />
darf heute böse "<br />
sein<br />
74 Das Jahr 1972<br />
Terror & Triumphe<br />
78 Lustige Taschenbücher<br />
Sieben Meter Comic-Geschichten am Stück<br />
81 Kultbücher<br />
Geschätzt, geliebt, gelobt<br />
82 Gerüchte, Mythen, Märchen<br />
Wie der Rock-Fan in der DDR<br />
Geschichten über seine Stars erfand<br />
86 J.R.R. Tolkien<br />
Ein Oxford-Professor im Reich der Fantasy<br />
88 Michel Vaillant<br />
Mehr als Vroom" und Vroaar"<br />
" "<br />
92 GoodTimes <strong>kult</strong>!-Box<br />
Das sind die 60 <strong>kult</strong>!-Hits<br />
94 Marty Feldman<br />
Der merkwürdige kleine Mann",<br />
der Frankensteins "<br />
<strong>Die</strong>ner war<br />
96 <strong>Die</strong> Männer der Karin Dor<br />
Winnetou, Bond und Hitchcock<br />
98 Heinz Maegerlein<br />
... ließ die Kandidaten schwitzen<br />
Seite 4 ■ GoodTimes 1/2013
TOP 5<br />
<strong>kult</strong>!<br />
Spielsachen<br />
1. Fußball – immer und überall<br />
2. Mühle und Dame<br />
3. Billard<br />
4. Skat<br />
5. Puzzles – aller Art und Größe<br />
Fabian Leibfried<br />
1. Winnetou-Actionfigur<br />
2. Miniatur-Armeen<br />
3. Stinkbombe<br />
4. Plastik-Hai<br />
5. Quartett<br />
Roland Schäfli<br />
1. Gummi-Indianer<br />
2. NVA-Plastik-Flak-Panzer (ferngesteuert)<br />
3. Leder-Fußball<br />
4. Optik-Baukasten<br />
5. Universal nutzbare Gegenstände aus der Natur<br />
Jens-Uwe Berndt<br />
1. Fußball (Leder)<br />
2. Drachenhort (Schmidt Spiele)<br />
3. Meine Entenhausen-Figuren-Sammlung<br />
4. Rummikub (Jumbo)<br />
5. Auf Achse (F.X.Schmid)<br />
Oliver Schuh<br />
1. Legosteine<br />
2. Tipp-Kick<br />
3. Der magische Roboter (Frage- und Antwortspiel)<br />
4. Märklin Modelleisenbahn<br />
5. Zeichenblock + Faber-Castell Buntstifte<br />
Horst Berner<br />
1. Tipp-Kick<br />
2. Heiße Räder von Mattel (Hot Wheels)<br />
3. Britains Bauernspielzeug<br />
4. Big Western Fort Laramie<br />
5. Revell-Soldatenfiguren<br />
Ulrich Schwarz<br />
1. Märklin Modelleisenbahn<br />
2. Carrera Rennbahn<br />
3. Lego (Technik)<br />
4. Fußball (rund, nicht eckig)<br />
5. Skat<br />
Lothar Brandt<br />
1. Auto-Quartette<br />
2. Siku-Modellautos<br />
3. Matchbox-Autos<br />
4. Airfix-Flugzeugbausätze<br />
5. Fort-Laramie-Cowboyfiguren<br />
Eckhard Schwettmann<br />
1. Chemie-Experimentierkasten<br />
2. Tipp-Kick<br />
3. Matchbox-Autos<br />
4. Malefiz-Spiel<br />
5. Zauberwürfel<br />
Michael F.-Gamböck<br />
1. Wiking-Feuerwehrmodelle<br />
2. Siku-Einsatzfahrzeuge<br />
3. Elastolin-Indianerfiguren<br />
4. Ritterburg mit Figuren<br />
5. Kasperletheater mit Figuren<br />
Christian Simon<br />
1. Tipp-Kick<br />
2. Märklin Modelleisenbahn<br />
3. Winnetou II Quartett<br />
4. Autoquartett Superautos<br />
5. Legosteine<br />
Peter Henning<br />
1. Mein Stoffaffe Charlie<br />
2. Nackte-Frau-Puzzle<br />
3. Ritterburg<br />
4. Winnetou-Figur<br />
5. Revell-Baukästen<br />
Alan Tepper<br />
1. Altes Tonpferd auf einem Holzbrett mit vier Rädern<br />
2. Ein brauner Teddybär<br />
3. Mensch, ärgere Dich nicht<br />
4. Märklin-Eisenbahn mit selbst gebauten Tunneln und Bergen<br />
5. Matchbox-Autos<br />
Teddy Hoersch<br />
1. Mercedes-Benz C 111 von Wiking<br />
2. Mattels Weltraumserie Major Matt Mason<br />
3. Elastolin-Westernpostkutsche<br />
4. James Bonds Lotus Esprit von Corgi<br />
5. Raumschiff Orion von Arnold<br />
Jörg Trüdinger<br />
1. Steiff-Stofftiere<br />
2. Bully-Bauernhof-Gummitiere<br />
3. Kaufmannsladen<br />
4. Ministeck<br />
5. Strickliesel<br />
Andrea Leibfried<br />
1. Schiffe der Firma Revell<br />
2. Matchbox-Autos<br />
3. Flugzeuge der Firma Airfix<br />
4. Legosteine<br />
5. Märklin Modelleisenbahn<br />
Uli Twelker<br />
1. Fabuland<br />
2. Kasperletheater<br />
3. Dampfmaschine<br />
4. Monchichi<br />
5. Sagaland (Brettspiel)<br />
Thorsten Pöttger<br />
1. Corgi Toys (Zirkuswagen)<br />
2. Matchbox-Autos<br />
3. Trix Metallbaukasten<br />
4. Revell-Plastikmodelle<br />
5. Carrera Rennbahn<br />
Jürgen Wolff<br />
1. Selbst & vom Vater gebastelte Westernstadt<br />
2. Timpo Cowboy-Figuren<br />
3. Bergmann Fußballbilder<br />
4. Tipp-Kick<br />
5. Fußball<br />
Philipp Roser<br />
1. FUSSBALL, Hauptbeschäftigungs-Gegenstand bis zur Pubertät<br />
2. PUZZLES, mit ganz vielen Teilen<br />
3. ROLLSCHUHE, die Straßen waren damals noch relativ wenig befahren<br />
4. HALMA, in unserer Familie das beliebteste Brettspiel<br />
5. STELZEN, um die Welt einmal von weit oben zu betrachten<br />
Hartmut Engler (Pur)<br />
© Ben Wolf<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 5
from the past<br />
ALEXANDRA<br />
genannter Band enthält ein Essay von Georg<br />
teren Tarzan und die Schiffbrüchigen" und sticht die neue Mystery-Thriller-Serie aus den<br />
"<br />
" Tarzan und der Verrückte" ergänzt. Letzt- WinterZeit-Studios. Mit den Stimmen Holly-<br />
DIE LEGENDÄREN TV-AUFTRITTE<br />
<strong>Die</strong> auf dieser DVD zu sehenden Fernsehauftritte<br />
von Alexandra beziehen ihren Kultstatus<br />
Seeßlen, der dem Mythos und seinen Auswirkungen<br />
auf den Grund geht. <strong>Die</strong> Box bietet<br />
eine vorzügliche Gelegenheit, einen lang vergessenen<br />
Jugendfreund" wiederzutreffen, der<br />
"<br />
aus zwei Tatsachen: Einmal gibt es von der<br />
1969 bei einem Autounfall<br />
nichts an Reiz verloren hat.<br />
ums Leben gekommenen<br />
Sängerin nur relativ wenig<br />
Videomaterial. Zweitens<br />
haben die Macher dieser<br />
DVD auf jegliche (digitale)<br />
BIG VALLEY<br />
4. STAFFEL<br />
Mit den Hauptdarstellern Barbara Stanwyck,<br />
Richard Long, Lee Majors, Peter Breck und<br />
Nachbearbeitung<br />
Linda Evans ist die (zwischen 1965 und 1969<br />
von Bild und Ton verzichtet,<br />
was zwar an der<br />
Valley" schon von Haus aus klasse besetzt,<br />
entstandene) amerikanische Westernserie Big "<br />
einen oder anderen Stelle<br />
zu kleinen Unsauberkeiten führt, aber<br />
so bleibt der einmalige Zauber ihrer Auftritte<br />
erhalten. Das Bildmaterial ist chronologisch<br />
angeordnet, führt vom 1968er Ausschnitt aus<br />
dazu kann man Topstars wie Charles Bronson,<br />
Dennis Hopper, Richard Dreyfuss, Pernell<br />
Roberts oder William Shatner in Gastrollen<br />
erleben. Mittlerweile ist die vierte (und damit<br />
letzte) Staffel als voluminöse Box mit<br />
der Sendung Monsieur 100.000 Volt" (mit sieben DVDs und einer<br />
"<br />
Gilbert Becaud), bei dem Alexandra "Podmonskownye<br />
Gesamtspielzeit von über<br />
Wetschera (Moskauer Nächte)"<br />
und "Zigeunerjunge" sang, bis zum Juni 1969,<br />
20 Stunden erhältlich.<br />
Wie in den drei vorangegangenen<br />
Staffeln spielen<br />
"<br />
als sie mit "Erstes Morgenrot" der Aktuellen<br />
Schaubude" einen Besuch abstattete. Zusätzlich<br />
die einzelnen Episoden<br />
zu diesen Auftritten gibt es noch die halb-<br />
im Kalifornien des Jahres<br />
stündige Fernsehsendung Portrait in Musik" 1870, wo die verwitwete<br />
"<br />
(Regie: Truck Branss, der Macher der ZDF Matriarchin Victoria Barkley<br />
mit ihren zwei Söhnen<br />
"<br />
Hitparade") zu sehen, die im Mai 1969 vom<br />
Saarländischen Rundfunk erstmals ausgestrahlt<br />
wurde.<br />
auftauchen sollte ...) sowie dem unehelichen<br />
und ihrer Tochter (die später im Denver Clan"<br />
"<br />
(Koch/Universal, 74 Min.)<br />
Sohn ihres verstorbenen Ehemanns (der wiederum<br />
bald darauf der Hauptdarsteller von<br />
TARZAN<br />
Ein Colt für alle Fälle" wurde) auf einer riesigen<br />
Ranch im San Joaquin Valley leben. <strong>Die</strong><br />
"<br />
Von Edgar Rice Burroughs<br />
2012, Walde + Graf<br />
ISBN 978-3-03774-044-6<br />
618 Seiten; 26,95 Ð<br />
Der amerikanische Schriftsteller Edgar Rice<br />
Burroughs verfasste zahlreiche Romane im<br />
Science-Fiction-, Western- und His torien-<br />
Genre, doch mit der Schöpfung von Tarzan vor<br />
hochwertig produzierten Geschichten drehen<br />
sich um allerhand spannende Begebenheiten<br />
mit Banditen, Minenarbeitern, Mexikanern<br />
und zwielichtigem Gesindel, bieten also genau<br />
das Richtige für Freunde amerikanischer<br />
Westernserien.<br />
(Studiocanal, 7 DVDs)<br />
exakt 100 Jahren übertrumpfte er alle anderen<br />
Werke. Tarzan hat sich – besonders nach den<br />
Verfilmungen mit Johnny Weismüller – in vielen<br />
DARK MYSTERIES<br />
DAS LOCH<br />
Bereichen der Populär<strong>kult</strong>ur manifestiert. Langsam und vorsich-<br />
"<br />
Auch wenn es in den letzten Jahren ein wenig tig zwängten wir uns<br />
ruhiger um ihn geworden ist, hat er immer noch<br />
unverkennbaren Kultcharakter.<br />
Der Schweizer<br />
Verlag Walde + Graf hat<br />
nun ein vorzügliches<br />
Boxset im Repro-Stil<br />
publiziert, in dem sich<br />
drei Bände des Lianendurch<br />
den schmalen<br />
Stollen. Meine Fingernägel<br />
brachen, die<br />
Haut riss. Blut sickerte<br />
aus den Fingerkuppen<br />
– Fleischfetzen bröckelten ab. Doch es<br />
gab keinen anderen Ausweg. Zurück konnten<br />
wir nicht, denn am anderen Ende des Tunnels<br />
Schwingers<br />
befinden. – direkt neben dem Loch –, da wartete der<br />
Der wohl bekannteste Tod. Wir würden ihm nicht entgehen. Dessen<br />
Roman Tarzan bei den waren wir uns bewusst. Jede gottverdammte<br />
"<br />
Affen" wird von den Sekunde." Mit bitterbösen Stories, düsterer<br />
eher unbekannten, doch keineswegs schlech-<br />
Gruselatmosphäre und packender Action be-<br />
woods, filmreifer Soundkulisse und einem eigens<br />
komponierten Soundtrack legt Produzent<br />
Markus Winter sein Augenmerk auf qualitativ<br />
hochwertige Umsetzung. Neben der oben<br />
zitierten Folge sind mit "<br />
Fuchsjagd", "<br />
Hotel<br />
der verlorenen Zeit" und "<br />
Schließe nicht die<br />
Augen" bereits weitere drei Mystery-Thriller<br />
erschienen.<br />
(WinterZeit/Delta Music, 46 Min.)<br />
MURNAUS VERMÄCHTNIS<br />
Von D.B. Blettenberg<br />
2012, Dumont<br />
ISBN 978-3-83216-215-3<br />
576 Seiten; 9,99 Ð<br />
D.B. Blettenberg hat mit<br />
diesem Roman den Deutschen<br />
Krimipreis 2011<br />
erhalten, und das ist auch<br />
kein Wunder, kann er doch<br />
mühelos gegenüber der<br />
anglo-amerikanischen<br />
und skandinavischen Konkurrenz bestehen,<br />
ja, sie sogar noch übertrumpfen. In seinem<br />
Buch schildert Blettenberg die Jagd nach einer<br />
verschollenen Filmrolle des deutschen Meisterregisseurs<br />
Friedrich Wilhelm Murnau (unter<br />
anderem Nosferatu – eine Symphonie des<br />
"<br />
Grauens"), der das Genre durch expressionistische<br />
und psychologische Dimensionen bereicherte.<br />
Er verknüpft verschiedene Schicksale<br />
in einem ausgeklügelten und unvorhersehbaren<br />
Handlungsstrang und lässt den Leser<br />
durch Ghana und Berlin reisen. Besonders die<br />
atmosphärisch dichten Schilderungen Afrikas<br />
verknüpft mit der historischen Thematik geben<br />
Murnaus Vermächtnis" das gewisse Etwas.<br />
Das hier ist keine seichte Unterhaltung,<br />
"<br />
sondern Literatur, die im Leser nachklingt und<br />
ihn noch lange beschäftigt.<br />
BONANZA<br />
DIE KOMPLETTE 3. STAFFEL<br />
Der wohl bekannteste (und erfolgreichste)<br />
amerikanische Western-Import des deutschen<br />
Vorabend-Fernsehens dürfte die TV-Serie<br />
Bonanza" sein, in der Ben Cartwright (Lorne<br />
"<br />
Greene) mit seinen Söhnen Adam (Pernell Roberts),<br />
Eric Hoss" (Dan Blocker) und Joseph<br />
"<br />
Little Joe" (Michael Landon) sowie dem chinesischen<br />
Koch und Hobby-Philosophen Hop<br />
"<br />
Sing (Victor Sen Yung) auf der Ponderosa-<br />
Ranch allerlei Abenteuer mit durchreisenden<br />
Vagabunden, Falschspielern, Revolverhelden<br />
oder anderen Glücksrittern<br />
erlebt. Dabei sind die<br />
Drehbücher der Serie von<br />
einer tiefgreifenden Moral<br />
geprägt, für die der<br />
weise Ben Cartwright<br />
Sorge trägt. Typisch für<br />
Bonanza" ist auch, dass<br />
"<br />
Seite 6 ■ GoodTimes 1/2013
die Cartwrights Konflikte nur im äußersten<br />
Notfall mit Gewalt lösen. Ein gerne verwendetes<br />
Element der Serie ist zudem, dass sich<br />
die jeweilige Geschichte um einen früheren<br />
Freund der Familie handelt, der im Laufe der<br />
Episode tiefgreifende charakterliche Veränderungen<br />
durchlebt, die sich später dann durch<br />
unmoralisches oder gesetzloses Verhalten äußern<br />
– und dann am Ende mit einer gerechten<br />
Strafe enden. Zur Zeit der Entstehung der<br />
Serie (1959–1973) war es ein begehrter Job,<br />
einen dieser vom rechten Weg abgekommenen<br />
Übeltäter darzustellen; so kamen prominente<br />
Schauspielerkollegen wie James Coburn, Telly<br />
Savalas, Leonard Nimoy, Charles Bronson<br />
oder George Kennedy zu ihren Gastauftritten.<br />
(Studiocanal, 8 DVDs, 1690 Min.)<br />
LURCHIS ABENTEUER<br />
BAND 8<br />
2012, Esslinger Verlag, Esslingen<br />
ISBN 978-3-48023-013-6<br />
158 Seiten; 12,90 Ð<br />
Lurchi ist wieder da! Seit<br />
Erscheinen der beliebten<br />
grünen Hefte in den 30er<br />
Jahren hat der sympathische<br />
Feuersalamander<br />
die Herzen zahlloser Kinder<br />
(und Erwachsener) erobert.<br />
Auf seinen weiten<br />
Reisen in ferne Länder geraten<br />
Lurchi und seine Freunde Hopps,<br />
Mäusepiep, Piping, Igelmann und Unkerich von<br />
einem spannenden Abenteuer ins nächste – und<br />
dabei müssen sie sich oft als Retter in höchster<br />
Not beweisen! Sammelband Nummer 8 vereint<br />
die neuesten Hefte mit den Folgen 130 bis 145.<br />
Darin liefern sich Lurchi und seine Freunde eine<br />
rasante Verfolgungsjagd mit dem gefürchteten<br />
Spion "<br />
Dr. Go", gehen dem Phantom von Burg<br />
Rabenstein auf die Spur und stolpern bei einer<br />
Zeitreise geradewegs in die Vergangenheit. Als<br />
Extra gibt es am Ende des Sammelbandes noch<br />
das Halloween-Sonderheft mit dem Titel "<br />
Firma<br />
Spuk und Co.", in dem die Gespenster Herr Spuk<br />
und Herr Klug ihren Auftritt haben ...<br />
DER WEISSE HAI<br />
Endlich gibt es einen der besten amerikanischen<br />
Filme der 70er Jahre auch auf Blu-ray. Auch<br />
wenn man die Geschichte um den menschenfressenden<br />
Hai, der mitten in der Hauptsaison<br />
die Badestrände des (fiktiven) Küstenstädtchens<br />
Amity zur Todesfalle macht, schon kennt,<br />
ist es immer wieder ein<br />
Genuss mitzuerleben, wie<br />
Regisseur Steven Spielberg<br />
langsam, aber sicher<br />
eine bedrohliche Höchstspannung<br />
aufbaut, die sich<br />
im explosiven Ende entlädt,<br />
bei dem Sheriff Brody<br />
(Roy Scheider), Seebär<br />
Quint (Robert Shaw) und<br />
Haiforscher Hooper (Richard Dreyfuss) alleine<br />
auf einem kleinem Fischerboot den Kampf<br />
gegen die Bestie aufnehmen. Neben der makellosen<br />
Bildqualität bietet diese Blu-ray-Version<br />
nun auch wieder die (bei der ursprünglichen<br />
DVD-Ausgabe unter den Tisch gefallene) originale,<br />
deutsche Synchronfassung aus dem<br />
Jahr 1975. <strong>Die</strong>se punktet mit mehr natürlichem<br />
Charme als die "<br />
moderne" DVD-Synchronisation<br />
und liefert so wieder einmal ein Beispiel<br />
dafür, dass weniger (digitale) Technik oft mehr<br />
(charmante) Ausstrahlung hat.<br />
(Universal, 124 Min)<br />
UDO JÜRGENS<br />
DIE POLYDOR JAHRE<br />
Dass Udo Jürgens vor seinem internationalen<br />
Durchbruch – 1966 mit dem Grand-Prix-<br />
Siegertitel "Merci, Chérie" – schon zehn Jahre<br />
lang mehr oder weniger erfolgreich Platten veröffentlicht<br />
hatte, wissen<br />
heutzutage wahrscheinlich<br />
nur noch die Wenigsten.<br />
Zwischen 1956<br />
und 1962 war Jürgens<br />
beim Hamburger Label<br />
Polydor unter Vertrag<br />
und nahm dort zahlreiche<br />
Lieder auf. Begleitet wurde er dabei<br />
von damals bekannt-beliebten Orchestern, so<br />
vom Orchester Frank Miller, den Akkordeon-<br />
Melodikern oder von Kurt Edelhagen und<br />
seinen Musikern. Zum Einsatz kam typische<br />
Musik der 50er Jahre, wie sie Komponisten<br />
wie Lotar Olias (der später mit Freddy Quinn<br />
höchst erfolgreich war) oder Erwin Halletz zur<br />
Verfügung stellten, aber auch swingende Jazztitel<br />
sowie eingedeutschter Country und Folk<br />
von Don Gibson, Terry Gilkyson (The Easy<br />
Riders) und Johnny Cash, dessen "Don't Take<br />
Your Guns To Town" 1958 zu "Leg' die Knarre<br />
weg" umgetextet wurde. Natürlich versuchte<br />
er es auch mit zeittypischen Fernweh- oder<br />
Cowboy-Schlagern wie "Das ist typisch italienisch",<br />
"Frag mich nie, was Heimweh ist" oder<br />
"Ich komm vom Mississippi, Tweedy Cheerio".<br />
Wohin Udo Jürgens' Reise kurz darauf<br />
gehen würde, zeigte er 1960, als er zusammen<br />
mit dem Orchester Erich Werner mit "Jenny"<br />
einen der ersten selbst geschriebenen Titel in<br />
die Single-Charts brachte. All diese Raritäten<br />
und Kostbarkeiten gibt es jetzt in digital remastertem<br />
Klang auf DIE POLYDOR JAHRE zu<br />
hören, die Doppel-CD wird so zu einer idealen<br />
Ergänzung für jede Schlagersammlung.<br />
(Polydor/Koch/Universal, 26/66:21, 26/66:46)<br />
LEONARD BERNSTEIN<br />
KEIN TAG OHNE MUSIK<br />
Von Jonathan Cott<br />
2012, Edition Elke Heidenreich bei<br />
C. Bertelsmann, München<br />
ISBN 978-3-57058-037-0<br />
158 Seiten; 17,99 Ð<br />
Keinen Tag kann ich<br />
"<br />
ohne Musik verbringen",<br />
erzählte Leonard<br />
Bernstein ein Jahr vor<br />
seinem Tod 1990 dem<br />
Journalisten Jonathan<br />
Cott. Zwölf Stunden<br />
lang plauderte der Maestro<br />
(der zu diesem<br />
Zeitpunkt eigentlich<br />
schon lange keine Interviews mehr gab) in<br />
ungezwungener Atmosphäre über sein Leben,<br />
seine Leidenschaft für die Musik. In einem<br />
zwölfstündigen Gespräch erzählte er dabei<br />
fast beiläufig, wie er sich stets weigerte, emotionale,<br />
intellektuelle und spirituelle Aspekte<br />
von seiner musikalischen Erfahrung zu trennen.<br />
Cott rundet dieses Bild gekonnt ab, indem<br />
er Bernsteins Lebensweg nachzeichnet<br />
und so einen Blick auf alle Facetten eines<br />
Künstlers ermöglicht, dem es gelang, die oft<br />
unüberwindlich scheinenden Grenzen zwischen<br />
E- und U-Musik, zwischen Kunst und<br />
Leben spielend zu überwinden. Eine glänzende<br />
Hommage an ein Jahrhundertgenie.<br />
E.T. – DER AUSSERIRDISCHE<br />
Nach Hause telefonieren!" Wurde ja so langsam<br />
auch Zeit, dass es diesen Filmklassiker<br />
"<br />
aus dem Jahr 1982 endlich auch als hochwer-<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 7
from the past<br />
tige Blu-ray gibt. Ende Oktober ist es soweit,<br />
neben der normalen" Steelbook-Version<br />
"<br />
erscheint der Film über<br />
einen sympathischen,<br />
von seinen Artgenossen<br />
auf der Erde vergessenen<br />
Außerirdischen<br />
auch noch in einer so<br />
genannten Limited<br />
Collector's Raumschiff<br />
Edition. <strong>Die</strong>se richtet<br />
sich vorzugsweise an<br />
Sammler, die weder Kosten noch Mühen<br />
scheuen, um an haufenweise bisher unveröffentlichtes<br />
Bonus-Material zu kommen.<br />
<strong>Die</strong>ses reicht von einem neuen Interview<br />
mit Steven Spielberg über die Dokumentation<br />
des Wiedersehens von Schauspielern<br />
und Filmmachern bis zu zahlreichen nicht<br />
verwendeten Filmszenen. Doch am Ende ist<br />
es dann wieder einmal der Film an sich, der<br />
einen am meisten berührt: diese wunderschön<br />
erzählte Geschichte einer wahrlich außergewöhnlichen<br />
Freundschaft, die zu einem der<br />
schönsten und emotionalsten Klassikern der<br />
Filmgeschichte wurde.<br />
(Universal, 119 Min. & Bonus-Material)<br />
YPS<br />
DER COMIC-KLASSIKER IST ZURÜCK<br />
Ein Schleuder-Katapult, ein Mammut-Skelett<br />
oder ein Abenteuer-Zelt – mit solchen und<br />
ähnlichen Gimmicks<br />
wurde Yps" einst<br />
"<br />
Kult. Kostenlose Zugaben<br />
wie Ferngläser<br />
zum Falten, der<br />
Ostereierbaum und<br />
Blasrohre, die um<br />
die Ecke schießen,<br />
hatten Yps" in den<br />
"<br />
70er und 80er Jahren<br />
populär gemacht. Solarzeppeline<br />
li<br />
sorgten einst gar für UFO-Alarm in Deutschland.<br />
Größter Erfolg bis heute – die Urzeitkrebse.<br />
Yps" verkaufte zu Spitzenzeiten über<br />
"<br />
400.000 Exemplare. Der Egmont Ehapa Verlag<br />
lässt Yps" jetzt wieder auferstehen. Das an die<br />
"<br />
Kinder von früher gerichtete Heft ist seit dem<br />
11. Oktober am Kiosk für 5,90 € erhältlich.<br />
JOHN SINCLAIR<br />
DARK SYMPHONIES /<br />
ANGST ÜBER LONDON<br />
Seit 1973 ist John Sinclair, Oberinspektor<br />
von Scotland Yard, nun schon beim Bastei-<br />
Lübbe Verlag auf Geisterjagd und kämpft<br />
gegen alles, von dem man froh ist, wenn es<br />
nicht Wirklichkeit wird: Hexen, Dämonen,<br />
Vampire und ähnlich unangenehme Zeitgenossen.<br />
Im Laufe dieser langen Jahre, nach<br />
unzähligen Heftromanen und Hörspielen,<br />
entstand eine riesige, treue Fangemeinde,<br />
darunter auch zahlreiche Musiker. So entstand<br />
die Idee, das neueste Geister-Abenteuer<br />
– das einstündige Angst über London"<br />
"<br />
–, mit einer zweiten CD auszustatten, auf<br />
der John Sinclair musikalisch Tribut gezollt<br />
wird. Fans wie Xavier Naidoo ("Einsam mit<br />
euch"), Tocotronic ("Das böse Buch"), H-<br />
Blockx ("Gazoline"), Kreator ("Wolfchild")<br />
und die Söhne Mannheims ("Kill All Psychopaths"),<br />
dazu Kult-Schlagerstar Marianne<br />
Rosenberg ("Dämonen und Wunder") sowie<br />
Sinclair-Autor Jason Dark ("Der Vampir")<br />
sind darauf zu hören. Als Besonderheit durften<br />
einige der Musikstars auch eine Gastrolle<br />
im Hörspiel<br />
übernehmen: Tocotronic-Sänger<br />
Dirk<br />
von Lowtzow stöhnt<br />
als Untoter, Xavier<br />
Naidoo spricht die<br />
letzten Worte eines<br />
Finanzhais, Nena die<br />
Nachrichten, und Marianne Rosenberg spielt<br />
eine Stewardess. Klasse Idee, diese beiden<br />
Bereiche miteinander zu verbinden, so wird<br />
diese Veröffentlichung zu einem einmaligen<br />
Highlight.<br />
(Lübbe Audio/Tonpool, 2 CDs,<br />
20/79:38, 62:06)<br />
HAMMER FILMS<br />
THE UNSUNG HEROES<br />
Von Wayne Kinsey (engl.)<br />
2010, Tomahawk Press<br />
ISBN 978-0-95576-708-1<br />
488 Seiten; 32,99 Ð<br />
<strong>Die</strong> Filme von Hammer<br />
Productions aus<br />
den Fünfzigern bis zu<br />
Beginn der Siebziger<br />
sind Kult!<br />
" Dracula",<br />
" She", " Captain<br />
Clegg" oder The Devil<br />
Rides Out" haben "<br />
damals die Zuschauer<br />
zum Fürchten gebracht<br />
und werden heute wegen der ganz besonderen<br />
Atmosphäre immer noch gerne gesehen.<br />
Wayne Kinsey lässt in diesem mit mehr als<br />
1000 Originalfotos geschmückten Band die<br />
Zeit wieder auferstehen und lenkt den Fokus<br />
vornehmlich auf die zahlreichen Nebenpersonen<br />
wie die Dekorateure, Fotografen,<br />
Kameramänner, Requisiteure, Komponisten<br />
und Regisseure, die oft einen wichtigeren<br />
Beitrag zum Gelingen der Streifen leisteten<br />
als die Hauptdarsteller selbst. So entsteht ein<br />
beeindruckendes Bild aus einer Zeit, in der<br />
nicht seelenlose Animationen die Leinwand<br />
beherrschten, sondern Ideen, Tricks und<br />
schauspielerische Leistungen.<br />
LARRY BRENT<br />
DIE RÜCKKEHR + ZOMBIES IM<br />
ORIENT-EXPRESS<br />
Der Kult kehrt zurück!" schreit einen der<br />
"<br />
gelb leuchtende Aufkleber auf dem Cover der<br />
neuen Larry-Brent-CDs<br />
an. 1983 wurden vom<br />
Hörspiellabel Europa<br />
fünf Abenteuer des britischen<br />
Agenten mit dem<br />
Tarnnamen X-Ray-3 einer<br />
psychoanalytischen<br />
Spezialabteilung veröffentlicht,<br />
bis 1986 folgten noch weitere zehn<br />
erfolgreiche Ausgaben, die zwischenzeitlich<br />
tatsächlich Kult sind. Nach zwei Comebacks<br />
in den Jahren 2003 und 2008 mit jeweils vier<br />
Folgen öffnet Larry Brent nun mit <strong>Die</strong> Rückkehr"<br />
(Spielzeit: 59:34) sowie mit Zombies "<br />
"<br />
im Orient-Express" (65:20) ein neues Kapitel<br />
seiner langen Karriere, wie gewohnt basieren<br />
die Stories auf Romanen<br />
von Erfolgsautor Dan<br />
Shocker. Modern und<br />
zeitgemäß umgesetzt,<br />
aufwändig mit bekannten<br />
Schauspielern inszeniert,<br />
versehen mit einer Geräuschkulisse<br />
wie im Kino<br />
und exklusiver Musik stellt sich schnell<br />
das alte" Gefühl ein, als man sich dem Horror<br />
der haarsträubenden Abenteuer von Larry<br />
"<br />
Brent und seinem Team abends unter der Bettdecke<br />
mittels eines alten, batteriebetriebenen<br />
Kassettenrecorders aussetzte ...<br />
(R&B Company/Alive, 2 CDs)<br />
VW BUS<br />
ROAD TO FREEDOM<br />
2012, edel Entertainment GmbH, Hamburg<br />
ISBN 978-3-94000-455-0<br />
104 Seiten; 2 CDs, 39,95 Ð<br />
1948 erblickte der erste VW Bus als Prototyp<br />
für einen Kleintransporter das Licht der Welt,<br />
ab 1950 ging er in die Serienproduktion. Egal,<br />
ob als Motor der Wirtschaft in den 50ern, ob<br />
als gutmütige Familienkutsche oder als Symbol<br />
der Hippie-Kultur in den 70ern, stets begeisterte<br />
er die Menschen mit seinen vielfältigen Einsatzmöglichkeiten<br />
und<br />
seinem unzerstörbaren<br />
Design. <strong>Die</strong>ser großformatige<br />
Bildband verbindet<br />
Momentaufnahmen<br />
aus der langen Karriere<br />
des <strong>kult</strong>igen Kleinbusses<br />
mit Songzitaten aus den<br />
60er und 70er Jahren. Auf<br />
zwei CDs sind Bands und Künstler wie Eric<br />
Burdon ("House Of The Rising Sun"), The Turtles<br />
("Happy Together"), Bob Marley ("Sun Is<br />
Shining"), Aaron Neville ("Waiting For A Bus"),<br />
Seite 8 ■ GoodTimes 1/2013
Jefferson Airplane ("White Rabbit") und, natürlich,<br />
Canned Heat mit dem programmatischen<br />
Titel "On The Road Again" versammelt.<br />
POLIZEIRUF 110<br />
Mit (heute unvorstellbaren) Einschaltquoten von<br />
über 50 Prozent war die DFF-Krimiserie Polizeiruf<br />
110" in den 70er Jahren im wahrsten "<br />
Sinne des Wortes ein Straßenfeger in der DDR.<br />
Hochwertig produzierte Krimi-Unterhaltung,<br />
für damalige Verhältnisse<br />
relativ kritische Einblicke<br />
in den sozialistischen Alltag<br />
der Bevölkerung, beliebt-bekannte<br />
Schauspieler wie Jürgen<br />
Frohriep, Alfred Rücker,<br />
Peter Borgelt, Sigrid Göhler,<br />
Rolf Hoppe, Ursula Werner<br />
und Stefan Lisewski – das<br />
waren die unschlagbaren Erfolgsgaranten<br />
dieser TV-Serie,<br />
die ja bekanntlich immer noch<br />
produziert wird. Mit jeweils<br />
drei bis vier DVDs (je nach<br />
Anzahl der ausgestrahlten<br />
Folgen in den jeweiligen<br />
Jahren) ist jede der Sammelboxen<br />
bestückt. Ausgabe<br />
Nummer 1 liefert die Folgen aus den Jahren<br />
1971 und 1972, aktuell ist man bei Nummer 8<br />
angekommen, in denen die Krimifolgen aus den<br />
Jahren 1978 bis 1980 präsentiert werden. Neben<br />
einem zwölfseitigen, illustrierten Booklet mit<br />
Hintergrundinformationen ist als Bonus-Material<br />
noch das eine oder andere Interview mit einigen<br />
Hauptdarstellern enthalten.<br />
(Studio Hamburg Enterprises/Alive)<br />
GRIMMS MÄRCHEN<br />
Ges. von den Brüdern Grimm<br />
2012, Knaur<br />
ISBN 978-3-42665-316-6<br />
400 Seiten; 15 Ð<br />
<strong>Die</strong> Brüder Jacob und Wilhelm Grimm waren<br />
nicht nur zwei hervorragende Germanisten, die<br />
einen wertvollen Beitrag zur wissenschaftlichen<br />
Erfassung der deutschen Sprache leisteten. <strong>Die</strong><br />
meisten kennen sie als Chronisten des deutschen<br />
Märchenschatzes, den sie mit Akribie und Sorgfalt<br />
zusammen trugen. In dem aktuellen Band<br />
von "<br />
Grimms Märchen", der mit überaus einfühlsamen<br />
und wunderschönen Aquarell-Zeichnungen<br />
von Ruth Koser-Michaels geschmückt<br />
ist, finden sich neben den<br />
bekannten Stücken wie<br />
" Frau Holle", " Rapunzel",<br />
Der Hase und der Igel"<br />
"<br />
oder<br />
" Schneewittchen"<br />
auch viele weniger populäre,<br />
aber dennoch reizvolle<br />
Erzählungen. Der<br />
Leser kann sich hier von<br />
Märchen wie Des Teufels rußiger Bruder", Der<br />
" "<br />
Arme und der Reiche" oder Das blaue Licht"<br />
"<br />
verzaubern lassen. Erstklassige Anthologie.<br />
ROMY SCHNEIDER EDITION<br />
Zehn (einzeln erhältliche) Filme von Romy<br />
Schneider sind jetzt in der Romy Schneider<br />
"<br />
Edition" zusammengefasst und teilweise neu<br />
veröffentlicht worden. Mit Wenn der weiße<br />
"<br />
Flieder wieder blüht" (1953), Mädchenjahre einer<br />
Königin" (1954) und <strong>Die</strong> Deutschmeister"<br />
"<br />
"<br />
(1955) beginnt diese Edition noch vor ihren Sissi-Jahren",<br />
gefolgt von Montpi", zusammen mit<br />
"<br />
"<br />
Horst Buchholz aus dem Jahr 1957. Weiter geht<br />
es dann mit dem Klassiker aus dem Jahr 1971,<br />
Das Mädchen und der Kommissar" mit Michel<br />
"<br />
Piccoli. Nach einem Roman von Georges Simenon<br />
entstand 1973 das Flüchtlingsdrama Le "<br />
Train – Nur ein Hauch von Glück", bei dem sie<br />
eine deutsche Jüdin spielt, die von einem französischen<br />
Familienvater<br />
(Jean-Louis Trintignant)<br />
beschützt wird. Drei Jahre<br />
später wurde Heinrich<br />
Bölls Roman Gruppenbild<br />
mit Dame" verfilmt, "<br />
wobei Romy Schneider<br />
zusammen mit Vadim<br />
Glowna, Richard Münch<br />
und Witta Pohl vor der<br />
Kamera stand. Uraufgeführt wurde dieser (von<br />
der Kritik alles andere als gelobte) Film bei den<br />
1977er Filmfestspielen in Cannes. Zusammen<br />
mit Yves Montand und unter der Regie von Costa-Gavras<br />
entstand 1979 <strong>Die</strong> Liebe einer Frau".<br />
"<br />
Mit (französischem) Starensemble und in luxuriöser<br />
Dekoration wurde 1980 <strong>Die</strong> Bankiersfrau"<br />
"<br />
gedreht, mit einem italienischen Staraufgebot<br />
(darunter Marcello Mastroianni) folgte ein Jahr<br />
später <strong>Die</strong> zwei Gesichter einer Frau". Klasse<br />
"<br />
Serie, die die Wandlung von Romy Schneider<br />
von jugendlicher Naivität zu professioneller<br />
Schauspielerei zeigt.<br />
(Studiocanal, 10 DVDs)<br />
Stan LAUREL & Oliver HARDY<br />
LUCKY LUKE EDITION<br />
WESTERNSHOW<br />
2012, Egmont Ehapa Verlag GmbH, Berlin<br />
ISBN 978-3-84136-201-8<br />
96 Seiten; 9,99 Ð<br />
1946 tritt der einsame Cowboy Lucky Luke, der<br />
das Glück im Namen trägt und das Herz am rechten<br />
Fleck hat, erstmals in Aktion. Von Zeichner<br />
Maurice de Bévère alias Morris (1923–2001)<br />
erschaffen und gezeichnet, von René Goscinny<br />
(1926 –1977) ab 1955 genial getextet, bieten<br />
seine Comics höchst amüsante Darstellungen<br />
des Wilden Westens.<br />
Einige der besten Abenteuer<br />
des Mannes, der<br />
den Colt schneller zieht<br />
als sein Schatten, werden<br />
nun in Doppelpacks in<br />
der Lucky Luke Edition"<br />
neu präsentiert. Den<br />
Anfang machen die zwei<br />
Abenteuer Western Cir-<br />
"<br />
" cus" (Erstveröffentlichung Frankreich 1970/<br />
Deutschland 1991) und Der weiße Kavalier"<br />
"<br />
(Frankreich 1965/Deutschland 1987). Zunächst<br />
ist die Reihe auf fünf Bücher ausgelegt, zu jeder<br />
Ausgabe der edlen Bände gibt es zusätzlich noch<br />
eine handbemalte Figur aus dem Lucky-Luke-<br />
Umfeld.<br />
THE TIME TUNNEL<br />
DIE KOMPLETTE DEUTSCHE<br />
STAFFEL 1971<br />
In einem geheimen unterirdischen Forschungskomplex<br />
arbeiten amerikanische<br />
Wissenschaftler am größten Experiment aller<br />
Zeiten: dem Projekt Zeittunnel. Und als<br />
die US-Regierung die<br />
Geldmittel streichen<br />
will, sind Dr. Tony<br />
New man (James Darren)<br />
und Dr. Dan Phillips<br />
(Robert Colbert)<br />
gezwungen zu beweisen,<br />
dass ihr Experiment<br />
funktioniert. Sie geraten<br />
in den Zeitenstrom,<br />
gefangen in Vergangenheit und Zukunft<br />
und finden sich nacheinander an einem anderen,<br />
historisch bedeutsamen Ort wieder.<br />
<strong>Die</strong> Zeittunnel-Crew um General Heywood<br />
Kirk (Whit Bissel), Dr. Ann MacGregor (Lee<br />
Meriwether) und Dr. Raymond Swain (John<br />
Erleben Sie in dieser einmaligen Box über 50 Werke auf 10 DVDs und mit einer Laufzeit von über 24 Std. Laurel &<br />
Hardy als Solo- und Duostars, mit überwiegend auf DVD unveröffentlichten Material. Vervollständigen sie ihre Collection<br />
mit dieser streng limitierten Edition, die ein absolutes Muss für alle Laurel & Hardy Sammler darstellt.<br />
Besuchen Sie uns: www.laurelandhardyworld.com<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 9
from the past<br />
Zaremba) versucht gleichzeitig alles, um die<br />
beiden Zeitreisenden wieder in die Gegenwart<br />
zurückzuholen. 1971 wählte die ARD 13<br />
der ursprünglich 30 Folgen der 1966/67 entstandenen<br />
US-Science-Fiction-Serie "<br />
Time<br />
Tunnel" von Produzent Irwin Allen aus und<br />
sorgte somit auch in Deutschland für Fan-<br />
Kult. Neben der deutschen Synchronfassung<br />
von 1971 gibt es die Folgen auch in der originalen<br />
US-TV-Version. Als Bonus-Material<br />
gibt es ein 16-seitiges Booklet, alle deutschen<br />
Vor- und Abspänne, Darsteller-Interviews,<br />
die amerikanischen <strong>Vorschau</strong>-Trailer sowie<br />
eine Alternativversion der Pilotfolge.<br />
(Studio Hamburg Enterprises/Alive,<br />
4 DVDs 650 Min. & Bonus)<br />
SWINGING LONDON<br />
Von Rainer Metzger und<br />
Christian Brandstätter<br />
2012, dtv<br />
ISBN 978-3-42334-714-3<br />
368 Seiten; 29,90 Ð<br />
Über das Swinging London in den Sixties sind<br />
schon einige Publikationen erschienen, die sich<br />
meist auf die Musik (Beatles, Rolling Stones),<br />
Models (u.a. Twiggy),<br />
bedeutende Filme<br />
( Blow Up", James<br />
" "<br />
Bond", Mit Schirm,<br />
"<br />
Charme und Melone")<br />
und die wichtigsten Locations<br />
wie die Carnaby<br />
Street beschränken.<br />
Natürlich sind das alles<br />
wichtige Themengebiete,<br />
die auch Rainer<br />
Metzger (Autor) und Richard Brandstätter<br />
(Bildauswahl/Konzept) aufzeigen, doch in ihrem<br />
mit über 600 Abbildungen geschmückten<br />
Band wird auch der Kunst (die britische Pop-<br />
Art), dem Design und der Architektur ein großer<br />
Platz eingeräumt. Durch die exquisite Verknüpfung<br />
von Text und Abbildungen entsteht ein<br />
erstklassiger Gesamteindruck, der vom in der<br />
Presse permanent wiederholten Flower-Power-Image"<br />
abrückt und auch andere Aspekte<br />
"<br />
aufzeigt. Empfehlung! Schade nur, dass wichtige<br />
Underground-Musiker (zum Beispiel The<br />
Crazy World Of Arthur Brown, Tyrannosaurus<br />
Rex oder Edgar Broughton) oder die Literatur<br />
an sich keine, beziehungsweise nur rudimentäre<br />
Erwähnung finden.<br />
MECKI UND SEINE<br />
ABENTEUER<br />
Auf dieser DVD versammeln die Nostalgie-<br />
Spezialisten von Tacker Film erstmals sämtliche<br />
Puppentrickfilme mit Mecki sowie einige<br />
Werbefilme mit der berühmten Filmpuppe. Vom<br />
Leinwanddebüt "<br />
Der Wettlauf zwischen dem<br />
Hasen und dem Igel" über seine Auftritte in der<br />
Wochenschau" der 50er<br />
" Jahre bis zum Dokuteil, in<br />
dem Meckis Entstehungsgeschichte<br />
sowie seine<br />
Rolle als Postkartenstar<br />
und Redaktionsmaskottchen<br />
thematisiert werden.<br />
In einem Interview verrät<br />
Mecki-Fotograf Anton<br />
<strong>Die</strong>hl (der Sohn des Mecki-Erfinders<br />
Ferdinand <strong>Die</strong>hl) einiges aus dem<br />
Privatleben des stacheligen Stars. Und als Extra<br />
enthält die aktuell erhältliche Jubiläumsedition<br />
dieser DVD fünf verschiedene Postkarten mit<br />
beliebten Mecki-Motiven.<br />
(Tacker Film/Alive, 75 Min.)<br />
TONY HOLIDAY + LENA<br />
VALAITIS + MARGOT<br />
WERNER<br />
TANZE SAMBA MIT MIR +<br />
DIE WELT DER STARS & HITS +<br />
WASSER, FEUER, LUFT UND ERDE<br />
Mit seinem Kult Hit "Tanze Samba mit mir"<br />
bleibt der 1990 verstorbene Tony Holiday unvergessen.<br />
In der aktuellen Staffel der Polydor-Originale<br />
ist sein gleichnamiges Album<br />
(14/45:52) aus dem Jahr 1978 vertreten, auf<br />
dem mit "Disco Lady", "Komm, flieg mit zu<br />
den Sternen" (bei der er die Star Wars-Melodie"<br />
mit einem Text "<br />
versah) oder dem Bonus-<br />
Track mit dem unschlagbaren<br />
Titel "Den Appetit<br />
kannst du dir holen<br />
... doch gegessen wird<br />
zu Haus" weitere Schlagerperlen<br />
aus längst<br />
vergessenen Zeiten zu hören sind. <strong>Die</strong> Hitsingle<br />
mit dem Zungenbrecher "Ob es so oder so<br />
oder anders kommt" (eine Cover-Version von<br />
Melanies "Nickel Song")<br />
brachte 1972 eine junge<br />
Sängerin in die deutschen<br />
Hitparaden: Lena Valaitis.<br />
Auch die darauf folgenden<br />
Singles "Alles<br />
was dein Herz begehrt"<br />
und "Und da steht es geschrieben"<br />
brachten die gebürtige Litauerin<br />
in die deutschen Top-30. Als Bonus wurden<br />
noch zwei englischsprachige Aufnahmen ausgegraben,<br />
die auf DIE WELT DER STARS &<br />
HITS (14/40:23) ihre CD-Premiere erleben.<br />
Produziert von Abi Ofarim und arrangiert von<br />
Saiten ass Paul Vincent<br />
bietet Margot Werners<br />
1976er Album WAS-<br />
SER, FEUER, LUFT<br />
UND ERDE (14/45:35)<br />
nicht nur ihren Erfolgshit<br />
"So ein Mann",<br />
sondern auch zahlreiche weitere Titel, die gekonnt<br />
zwischen Jazz, internationalem Pop und<br />
schwülstigem Schlager pendeln. Auch hier<br />
wurden die Originale frisch remastert sowie<br />
zwei (von Abi Ofarim komponierte) Bonus-<br />
Tracks dazu gepackt.<br />
(Polydor/Fontana/Universal, 3 CDs)<br />
SO BIN ICH EBEN<br />
Von Juliette Gréco<br />
2012, Edition Elke Heidenreich bei<br />
C. Bertelsmann, München<br />
ISBN 978-3-57058-038-7<br />
238 Seiten; 19,99 Ð<br />
Erinnerungen einer<br />
"<br />
Unbezähmbaren" lautet<br />
der Untertitel dieser<br />
Autobiografie von<br />
Juliette Gréco, der das<br />
passende Motto für die<br />
zahlreichen Geschichten<br />
aus ihrem wechselvollen<br />
Leben vorgibt. Als Tochter<br />
einer Widerstandskämpferin<br />
lernt sie früh, sich zu behaupten, der<br />
Umgang mit Dichtern und Philosophen wie<br />
Jean-Paul Sartre, Boris Vian, Jacques Prévert<br />
und Simone de Beauvoir prägt ihre Jugend,<br />
Musiker wie Miles Davis und Charlie Parker<br />
wecken ihr Interesse am Jazz. Nach kleinen<br />
Engagements und Nebenrollen gelingt der Stilikone<br />
– immer hochgeschlossen in Schwarz<br />
mit Pagenkopf und stark geschminkten Augen<br />
– der internationale Durchbruch. Sie füllt<br />
das Pariser Olympia, tourt durch Europa und<br />
die USA, dreht Filme in Frankreich und Hollywood.<br />
Kein Geheimnis macht sie auch aus<br />
ihrem ausschweifenden Liebesleben, bei dem<br />
sie trotz allem nie auf ihre Freiheit verzichtet<br />
hat. Mit Instinkt und Eigensinn bleibt sie<br />
bis heute ihren ersten beiden Leidenschaften,<br />
der Poesie und dem Chanson, treu. Sie ist und<br />
bleibt einfach unbezähmbar.<br />
UNSER BESTER MANN +<br />
DIE EHRBAREN FÜNF<br />
Zwei Filme der 80er Jahre aus dem Defa-<br />
TV-Archiv. Unser Bester Mann" ist Otto Vegesack<br />
(gespielt von Heinz Rennhack), der<br />
"<br />
hier als Erfurter Bauarbeiter r<br />
zu sehen ist, der nach Berlin<br />
delegiert wurde. Was<br />
seine neuen Arbeitskollegen<br />
allerdings nicht ahnen<br />
ist der Umstand, dass Otto<br />
alles andere als der Beste "<br />
Mann" ist, der ihnen aus<br />
Erfurt versprochen wurde.<br />
Vielmehr hat man ihn dort<br />
weggelobt, wurde er von<br />
einem Lehrgang in den nächsten geschickt,<br />
nur damit er auf der Baustelle kein Unheil<br />
Seite 10 ■ GoodTimes 1/2013
anrichten konnte. So hat er<br />
inzwischen zwar alle möglichen<br />
Qualifikationen,<br />
kann aber im Endeffekt<br />
eigentlich nichts so richtig<br />
– außer natürlich die<br />
Klappe aufreißen. Auch<br />
privat pendelt Otto in Berlin<br />
zwischen Reinfall und großer Liebe, lässt<br />
zunächst kein Fettnäpfchen aus, um am Ende<br />
dann doch zu erkennen, wer zu ihm steht und<br />
wer nicht. So bietet der Film zugleich eine<br />
Zeitreise und Blick zurück in den Alltag und<br />
das Lebensgefühl der DDR der frühen 80er<br />
Jahre. Aus dem Jahr 1988 stammt die Gaunerkomödie<br />
<strong>Die</strong> ehrbaren Fünf", die in den<br />
"<br />
turbulenten Zeiten der Wende ziemlich unterging.<br />
<strong>Die</strong> Geschichte spielt in den Tagen<br />
und Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs.<br />
Es sind keine einfachen Zeiten, und<br />
jeder versucht auf seine Art, das Beste daraus<br />
zu machen. Natürlich blüht der Schwarzmarkt,<br />
und so genannte Schieberbanden<br />
machen ihre Geschäfte und profitieren vom<br />
Hunger und Elend anderer. <strong>Die</strong> fünf Gelegenheitsgauner<br />
Ginfizz" (Volkmar Kleinert),<br />
"<br />
" Toni" (Henry Hübchen), Meister" (Alfred<br />
Müller), Langer" (Reiner Heise) und<br />
"<br />
"<br />
Eginhardt" (Theo Richtsteiger) sind da eher<br />
"<br />
kleine Hausnummern und finden sich durch<br />
Zufall. Sie hoffen auf große Beute, als sich<br />
ein Mühlenbesitzer mit dem Mehl der Stadt<br />
buchstäblich aus dem Staub machen will und<br />
dazu ein paar Lastwagen samt Fahrern benötigt.<br />
Toni", der Kopf der Bande, weiß von<br />
"<br />
einem versteckten Depot, in dem noch einige<br />
fahrbereite Laster aus Wehrmachtsbeständen<br />
stehen. In diesem höchst amüsanten, temporeich<br />
erzählten Katz- und Mausspiel kommt<br />
keine Minute Langeweile auf, man fragt sich<br />
als Zuschauer ständig, ob es die Ehrbaren "<br />
Fünf" tatsächlich schaffen werden, mit dieser<br />
Nummer durchzukommen.<br />
(Icestorm, 87 Min. + 97 Min.)<br />
DER WISSENSCHAFTSWAHN<br />
Von Rupert Sheldrake<br />
2012, O.W. Barth<br />
ISBN 978-3-42629-210-5<br />
576 Seiten; 24,99 Ð<br />
Der populäre britische<br />
Wissenschaftsautor Rupert<br />
Sheldrake hat nicht<br />
nur mit Büchern wie<br />
Das Gedächtnis der Natur"<br />
für Furore gesorgt,<br />
"<br />
sondern auch die Theorie<br />
der morphogenetischen<br />
Felder konzipiert. In seinem aktuellen<br />
Werk, das trotz der komplexen Thematik in<br />
einem leicht verständlichen Plauderton verfasst<br />
wurde, greift er die Wissenschaftsgläubigkeit<br />
und das materialistische Weltbild an<br />
und stellt dabei provozierende Fragen in den<br />
Bereichen Physik, Biologie, Medizin, Religion<br />
und Psychologie. Dabei vermittelt er dem<br />
Leser einen wertvollen Wissensschatz und regt<br />
ihn zum selbstständigen Denken und Hinterfragen<br />
der allgemein akzeptierten Dogmen<br />
an. Durch die Verknüpfung der scheinbar getrennten<br />
Themengebiete präsentiert Sheldrake<br />
atemberaubende Perspektiven, die neue Weltanschauungen<br />
anregen. Ein kolossales Werk,<br />
dem man viele Leser wünscht.<br />
ÄFFLE & PFERDLE<br />
MIR KÖNNET ALLES –<br />
AU SCHWÄBISCH!<br />
Von Heiko Volz und<br />
Roman Lang<br />
2012, Esslinger Verlag,<br />
Esslingen<br />
ISBN 978-3-48023-015-0<br />
64 Seiten; 12,90 Ð<br />
In diesem neuen Band<br />
der beiden Kult-Figuren des Süddeutschen<br />
Rundfunks beweisen die schwäbischen Pausenclowns<br />
(sie waren ja ursprünglich "<br />
Trenner"<br />
zwischen zwei Werbespots) neben ih-<br />
rer begnadeten Fähigkeit, schwäbisch zu<br />
schwätzen", auch ihren angeborenen Hang<br />
"<br />
zur Philosophie. Du, i frag mi ob i di was<br />
"<br />
fraga kann", sinniert das Äffle. Ha, da fragsch<br />
"<br />
dr Richtige!", antwortet das Pferdle. Wer sich<br />
auf diesem Niveau so unterhalten kann, wer<br />
hinter jedem auch noch so flachem Kalauer<br />
( Isch nix au ebbes?" Frei übersetzt: Ist Nichts<br />
"<br />
auch Etwas?) den Kern der Sache entdecken<br />
kann, der ist hier genau an der richtigen Stelle,<br />
der wird mit einem fein gemachten Bildband<br />
voller schwäbisch-philosophischer Weisheiten<br />
belohnt.<br />
ST. PAULI<br />
VOM PFOSTEN BIS ZUR RITZE<br />
Von Robert Grischek & Christian<br />
Sobiella<br />
2012, edel Entertainment GmbH, Hamburg<br />
ISBN 978-3-94000-497-0<br />
168 Seiten; 2 CDs,<br />
39,95 Ð<br />
St. Pauli: Wohl kein anderes<br />
Viertel einer deutschen<br />
Metropole erzeugt<br />
bei seinen Bewohnern<br />
einen so hohen Grad an<br />
Identifikation wie der<br />
Hamburger Stadtteil. Und genauso stark<br />
sind seine Bewohner mit ihrem Fußballverein,<br />
dem FC St. Pauli, verbunden. Zahlreiche Künstler,<br />
Musiker, Fans und Kreative aus dem Umfeld<br />
dieses Vereins prägen das Gesicht des Viertels<br />
und des Klubs. Aus der intensiven Wechselwirkung<br />
zwischen Lebensort, Fußball und Verein<br />
resultiert ein Spannungsfeld, das eine hohe<br />
künstlerische und <strong>kult</strong>urelle Identifikation zur<br />
Folge hat, die man gemeinhin als "<br />
Lebensgefühl<br />
St. Pauli" bezeichnet. <strong>Die</strong>ses von Fußball,<br />
Punk-Rock und Street-Art geprägte Lebensgefühl,<br />
fängt der Bildband "<br />
St. Pauli – Vom Pfosten<br />
bis zur Ritze" auf einmalige Art und Weise ein.<br />
Er zeigt diesen ganz besonderen Stadtteil mit<br />
seinem ganz besonderen Fußballverein, seinen<br />
<strong>kult</strong>!<br />
<strong>kult</strong>! Nr. 1–6 auch weiterhin erhältlich<br />
Alle Hefte zu bestellen im <strong>kult</strong>! Shop Seite 31<br />
oder unter:<br />
www.goodtimes-magazin.de<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 11
from the past<br />
Menschen und Plätzen und kommt so dem Kult<br />
St. Pauli Stück für Stück näher. Dabei ist es aber<br />
nicht nur ein Fußball-Buch, sondern vielmehr ein<br />
anspruchsvoll gestaltetes Kunstbuch mit vielen<br />
Hintergrundinfos und interessanten O-Tönen.<br />
In lebendigen Bildern zeigt der Fotograf Robert<br />
Grischek die Atmosphäre und den Charme<br />
St. Paulis. Er taucht mit seinen Bildern tief in<br />
die Szene ein, war dabei, wenn sich die wahre<br />
Fan-Gemeinde traf, unterlegt seine Fotografien<br />
mit Zitaten und Essays. Authentisch auch der<br />
Soundtrack" des Viertels, in dem sich auf CD1<br />
"<br />
Bands wie Ohrenfeindt, The Punkles oder Rantanplan<br />
austoben (und sich am Ende des Bildbandes<br />
seitenweise vorstellen) dürfen und auf<br />
CD2 die norwegische Kult-Punkband Turbonegro<br />
der Stadt Hamburg musikalisch Tribut zollt.<br />
DER BESTE TAG MEINES<br />
LEBENS<br />
Miller & Stentz<br />
2012, Droemer Paperback, München<br />
ISBN 978-3-42622-628-5<br />
217 Seiten; 14,99 Ð<br />
Mit einer leichten Form von Autismus und<br />
dem Asperger-Syndrom – also Gesichter lesen,<br />
Stimmungen erkennen, Gefühle begreifen – hat<br />
es der 14-jährige Colin<br />
nicht leicht im Leben.<br />
Doch als sich in der örtlichen<br />
Schule ein Schuss<br />
löst und seiner Meinung<br />
nach von Anfang an der<br />
Falsche verdächtigt wird,<br />
schlüpft Colin in die<br />
Rolle seines großen Vorbilds:<br />
Sherlock Holmes.<br />
Mit analytischem Verstand,<br />
unbestechlichem Blick und unvergleichbarer<br />
Logik macht er sich daran, Licht in diesen<br />
seltsamen Fall zu bringen. "<br />
Der beste Tag<br />
meines Lebens", eine kluge und vor allem liebevolle<br />
Geschichte über eine herrenlose Pistole,<br />
das Schwarmverhalten von Haien und das ewige<br />
Rätsel der Liebe.<br />
MECKI BEI ZWERG NASE<br />
2012, Esslinger Verlag, Esslingen<br />
ISBN 978-3-48023-014-3<br />
56 Seiten; 12,90 Ð<br />
In dieser Neuauflage des beliebten Kinderbuchs<br />
aus den 60er Jahren ist es Mecki selbst, der einen<br />
märchenhaften Reisebericht verfasst hat.<br />
Dabei hat er in kurzen, bebilderten Kapiteln<br />
aufgeschrieben, was er zusammen mit seinen<br />
Freunden erlebt hat. Wie er im Ballon über den<br />
Dächern von Buxtehude<br />
schwebte, wie<br />
er den Hansdampf<br />
in allen Gassen kennen<br />
lernte, wie Kater<br />
Murr ins Hexenhaus<br />
Bildband den Kult um den Mini mit wunderschönen<br />
eindrang, wie sie Zwerg Nase mit ins Schloss<br />
" Mini Scene" präsentiert dieser großformatige därer Antrieb seinen Piloten stets gute <strong>Die</strong>ns te<br />
nahmen oder am Ende einer nach dem anderen<br />
entzaubert wurde. Liebevoll geschrieben und<br />
sorgfältig illustriert punktet dieses Buch mit zeitloser<br />
Klasse, ist ideal zum (Vor-)Lesen, Träumen<br />
und in Erinnerungen schwelgen.<br />
Aufnahmen der unterschiedlichsten Modelle<br />
von den Anfängen bis heute. Abbildungen originaler<br />
Anzeigen und begleitende Texte in Deutsch<br />
und Englisch machen das Buch zur Pflicht für<br />
jeden Mini-Fan. Klasse auch die Musik der vier<br />
beiliegenden CDs: Passend zum Kultobjekt<br />
INDIANA JONES<br />
THE COMPLETE ADVENTURES<br />
werden typische Beats aus den 60ern und 70ern<br />
präsentiert. Mit dabei sind The Troggs ("Wild<br />
Thing"), Gerry And The Pacemakers ("Ferry<br />
Cross The Mersey"), The Tremeloes ("Silence<br />
Is Golden"), Percy Sledge ("When A Man Loves<br />
A Woman"), die Small Faces ("All Or Nothing")<br />
und die Equals ("Baby Come Back").<br />
LAUREL & HARDY<br />
SPECIAL LIMITED EDITION<br />
Weltweit auf 5000 Exemplare limitiert ist diese<br />
Im Juni 1981 erschufen Regisseur Steven Spielberg<br />
Filmbox mit zehn DVDs von Stan Laurel<br />
und Produzent George Lucas ihren Helden und Oliver Hardy ( Dick & Doof"). Zwischen<br />
"<br />
" Indiana Jones", der im unvergesslichen " Jäger 1926 und 1951 drehten sie zusammen über 100<br />
des verlorenen Schatzes" weltweit die Kinogänger<br />
Filme und wurden zum erfolgreichsten und<br />
begeisterte. Zusammen mit seinen Nachfol-<br />
berühmtesten Komikerduo der USA. Über die<br />
gern Indiana Jones und der Tempel des Todes", Hälfte dieser Lang- und Kurzfilme gibt es jetzt<br />
"<br />
Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" sowie<br />
in<br />
dieser Edition zu<br />
"<br />
Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels"<br />
erscheint dieser Kult-Klassiker nun<br />
die drei DVD-Erst-<br />
sehen, darunter auch<br />
"<br />
endlich (und sorgfältigst überarbeitet) als Bluray.<br />
veröffentlichungen<br />
Dabei achtete Steven Spielberg höchstselbst<br />
" Lottery Man", " The<br />
darauf, dass bei der digitalen Überarbeitung (jedes<br />
Slippery Pearls –<br />
Originalnegativ des Filmes wurde nach und<br />
nach eingescannt und Bild für Bild am Computer<br />
überprüft!) der ursprüngliche Look der 80er Jahre<br />
The Stolen Jools"<br />
(erstmals in deutscher<br />
Synchronfas-<br />
nicht verloren ging. Auch den (nicht minder<br />
sung) und Bankrupt "<br />
wichtigen) Tonspuren wurde eine ähnlich aufwändige<br />
Honeymoon", dazu noch eine<br />
Behandlung gegönnt, aus den originalen<br />
Stereo-Aufnahmen wurde nun ein bombastischer<br />
Surround-Sound gemixt. Extras: Dokumentationen,<br />
Interviews, Features und Bonus-Material.<br />
(Paramount, 5 Blu-rays, 483 Min.)<br />
50-minütige Dokumentation über ihr privates<br />
Leben, Sammelmaterial wie Postkarten, Lesezeichen<br />
und Türanhänger, eine klasse Trailershow,<br />
mehrere Laurel & Hardy-Animationsfilme<br />
sowie privates Filmmaterial der Beiden,<br />
sortiert nach Entstehungsjahr. Ja, da können die<br />
MINI – THE CAR, THE CULT &<br />
THE SWINGING BEATS<br />
Von Michael Stein & Thomas Pfahl<br />
langen Winterabende kommen ...<br />
(edel, 10 DVDs, 58 Filme,<br />
Gesamtspielzeit 24 Std.)<br />
2012, edel Entertainment GmbH, Hamburg<br />
ISBN 978-3-94000-401-7<br />
120 Seiten; 4 CDs,<br />
39,95 Ð<br />
Der Mini – Klassiker,<br />
Kultobjekt und Lebensgefühl.<br />
STAR WARS<br />
MILLENIUM FALKE YT-1300<br />
2012, Heel Verlag, Königswinter<br />
ISBN 978-3-86852-550-2<br />
128 Seiten; 19,99 Ð<br />
Ende der<br />
Der Millenium Falke" ist<br />
"<br />
50er Jahre rollte im<br />
eines der legendärsten Raumschiffe<br />
britischen Birmingham<br />
aller Zeiten. Berühmt<br />
ein Kleinwagen<br />
vom Band, der ursprünglich nur dazu entwickelt<br />
worden war, seine Insassen möglichst günstig<br />
von einem Ort zum anderen zu bringen. Doch<br />
schnell entpuppte sich das originelle Gefährt als<br />
Verkaufsschlager und wurde kurz darauf Teil des<br />
Lebensgefühls der Swinging Sixties. In Zusammenarbeit<br />
mit dem internationalen Fachmagazin<br />
geworden unter dem Kommando<br />
der Schmuggler Han<br />
Solo und Chewbacca, zeigte<br />
es seine Sonderstellung in<br />
zahlreichen gefährlichen Missionen.<br />
Zahlreiche Modifikationen machten den<br />
ursprünglichen Leichtfrachter zu einem der<br />
schnellsten Schiffe der Galaxis, dessen legen-<br />
Seite 12 ■ GoodTimes 1/2013
leistete. <strong>Die</strong>ses offiziell autorisierte technische<br />
Handbuch präsentiert sämtliche Bordsysteme,<br />
Kontrollen und Steuerungen anhand einer Unmenge<br />
an Grundrisszeichnungen, Diagrammen,<br />
Animationen, Funktionsbeschreibungen und Fotos.<br />
Doch neben allen Diagrammen, technischen<br />
Daten und Grafiken erzählt das Handbuch auch<br />
aus der Entwicklungsgeschichte des YT-1300,<br />
von seiner Konstruktion über den Bau bei der<br />
Correllianischen Ingenieursgesellschaft bis zu<br />
seinem Einsatz bei "<br />
Star Wars". Unschlagbar!<br />
ALLGÄU SIXTIES<br />
Von Peter M. Roese<br />
2012, Lindemanns Bibliothek, Karlsruhe<br />
ISBN 978-3-88190-630-2<br />
320 Seiten; 14,80 Ð<br />
Das beschauliche Kaufbeuren ist Hauptschauplatz<br />
dieser humorvoll erzählten Story um einen<br />
Luftwaffensoldaten und dessen Clique im Allgäu<br />
der 60er Jahre. Der eintönige <strong>Die</strong>nst in der Kaserne,<br />
heiße Feten, eine Band und allerlei Liebeleien<br />
werden in diesem Roman charmant und<br />
voller Lokalkolorit geschildert,<br />
wobei sich die Handlungsplätze<br />
nicht nur auf das<br />
Allgäu beschränken, neben<br />
Oberstdorf,<br />
Mindelheim,<br />
Füssen und Kempten verschlägt<br />
es die Protagonisten<br />
auch ins fränkische Neuhaus<br />
an der Pegnitz, nach Mengen<br />
sowie nach <strong>Die</strong>pholz bei<br />
Bremen. Eine kurzweilige<br />
Lektüre voller Erinnerungen an die (je nachdem<br />
mehr oder weniger) wilden Sixties, bei der man<br />
sich immer wieder gerne eigene Erlebnisse aus<br />
dieser Zeit ins Gedächtnis zurückruft.<br />
WERBEFILM-KLASSIKER<br />
Historische Werbefilme faszinieren heute wegen<br />
ihres eigenen Charmes, aber auch wegen ihrer<br />
zeittypischen Originalität, die im Spiegel der<br />
Zeit teilweise fast naiv daherkommt. Mit einer<br />
einzigartigen 5-DVD-Edition lassen die Spezialisten<br />
von Tacker Film die Vielfalt des Werbefilms<br />
von seinen Anfängen bis in die 70er Jahre hinein<br />
wieder auferstehen. "<br />
Mahlzeit" kümmert sich um<br />
die Lebensmittel im Werbefilm, aufwändige Zeichentrickfilme<br />
versuchen, die Kinobesucher von<br />
den richtigen Senf- oder Sauerkrautmarken zu<br />
überzeugen, präsentieren das (Über-)Angebot der<br />
Wirtschaftswunderzeit. Der Reinlichkeit widmet<br />
sich "<br />
Blitzblank & Sauber", hier wird Wäsche<br />
weißer als weiß – und dazu porentief rein! Fast<br />
übergangslos führt dieses Thema zur nächsten<br />
Filmcollage mit dem Titel "<br />
Hauptrolle: Hausfrau".<br />
Denn kaum jemand wurde in den Werbefilmen<br />
jener Tage mehr umworben als die deutsche<br />
Hausfrau. <strong>Die</strong> perfekt eingerichtete Küche, die<br />
neuesten technischen Helfer, hypermoderne Fertiggerichte<br />
ersetzten die biedere Hausmannskost –<br />
doch eines wird hier auch klargestellt: Der Haushalt<br />
ist Frauensache, Männer haben da nichts<br />
verloren. Auch bei Spieglein, Spieglein" steht<br />
"<br />
das schöne Geschlecht im Mittelpunkt. Make-Up,<br />
Mode und Frisuren werden mit schier unüberschaubarer<br />
Produktvielfalt präsentiert, alles trägt<br />
bei zum Schönheitswahn,<br />
dessen<br />
Auswüchse aus<br />
heutiger Sicht<br />
schon fast (unfreiwillig)<br />
komisch<br />
wirken. Höchst<br />
interessant auch Taler, Taler", die DVD, die sich<br />
"<br />
um das liebe Geld dreht. <strong>Die</strong> Werbung für Sparkassen<br />
und Volksbanken begann mit dem Versuch,<br />
die Menschen davon zu überzeugen, ihr<br />
Geld aus dem Sparstrumpf zur Bank zu tragen.<br />
In den 50ern wurden die Spots dann pfiffiger, bevor<br />
renommierte Filmkünstler alle verfügbaren<br />
Regis ter der (Trick-)Technik zogen. Insgesamt<br />
bieten diese fünf DVDs klasse Einblicke in die<br />
Welt der filmischen Verführungskünste, keine<br />
Frage, das ist Nostalgie pur!<br />
(Tacker Film/Alive, 5 DVDs, 351 Min.)<br />
GLAM-ROCK & CO.<br />
Vier ganz besondere Schätze für Musikfans gibt<br />
es jetzt auf www.emimerch.de zu bergen. In einer<br />
Metallbox sind jeweils eine Vinylsingle sowie<br />
ein 132-seitiges Hardcoverbuch<br />
im Single-Format<br />
verpackt. Für die Fotos war<br />
kein Geringerer als Top-<br />
Fotograf Mick Rock verantwortlich,<br />
der 1966 die<br />
damals noch unbekannten<br />
Pink Floyd vor die Linse<br />
nahm. 1972 gelangen ihm<br />
spektakuläre Aufnahmen, als<br />
er David Bowie auf seiner<br />
Ziggy Stardust"-Tour begleitete,<br />
zahlreiche Bands<br />
"<br />
von Queen über Lou Reed<br />
bis zu den Ramones verwendeten seine Fotografien<br />
als Albumcover. Klasse<br />
auch die musikalische Auswahl<br />
für die Vinylsingles:<br />
"Success/The Passenger"<br />
wurde für die Box von Iggy<br />
Pop ausgewählt, "Starman/<br />
Suffragette City" für David<br />
Bowie, "Octopus/Golden<br />
Hair" zeigt die abgedrehte<br />
Genialität von Syd Barrett.<br />
Für das Thema Glam-Rock<br />
wurde "Virginia Plain/The<br />
Numberer" von Roxy Music<br />
ausgesucht, hier bietet<br />
das Foto-Buch natürlich ein klasse Spektrum<br />
an Künstlern, das von Lou Reed über Mott The<br />
Hoople und Queen bis zu The Sweet reicht.<br />
Sie haben<br />
gewählt!<br />
Hier sind die<br />
60 besten<br />
<strong>kult</strong>Hits!<br />
Zusammengestellt<br />
von den<br />
Lesern der
A u f<br />
Von Eckhard Schwettm<br />
mann<br />
der ganzen Welt<br />
saßen die Menschen stun-<br />
denlang vor den Fernsehern, um<br />
bei einem historischen Jahrhundert-<br />
ereignis dabei zu sein. Am 20. Juli 1969<br />
um 21.17 Uhr war es dann soweit: Erstmals<br />
landeten Menschen auf dem Mond und teil-<br />
Straßenfeger"<br />
ten dies in einem Funkspruch an die Erde mit:<br />
„ nannte<br />
man seit den<br />
" Houston, Tranquillity Base here. The Eagle<br />
has landed!" Allen unscharfen TV-Bildern und<br />
60er Jahren<br />
TV-Ereignisse,<br />
tagelanger mühsamer Live-Übertragung<br />
die das öffent-<br />
zum Trotz: <strong>Die</strong>se Sternstunde<br />
liche Leben<br />
zum Erliegen<br />
der Raumfahrt war zugleich<br />
brachten.<br />
auch ein Höhepunkt der<br />
Als Pionier-<br />
Fernsehgeschichte.<br />
Sendung<br />
gilt<br />
die Krimiserie rie „Das<br />
Es<br />
Halstuch" von Francis<br />
sogar<br />
Durbridge, die 1962 eine<br />
Einschaltquote von 90 Prozent<br />
erreichte. <strong>Die</strong> Fußball-WM 1966 schaffte beim<br />
Endspiel England gegen Deutschland ähnliche<br />
Werte. Aber alle bisherigen Rekorde wurden im<br />
Juli 1969 gebrochen, als geschätzte 600 Millionen<br />
Menschen rund um den Globus wie gebannt<br />
vor den TV-Bildschirmen saßen. Weltweit war<br />
die Hälfte aller Fernsehsender zugeschaltet als<br />
am 20. und 21. Juli live berichtet wurde, wie<br />
die Mondfähre von Apollo 11 auf dem Mond<br />
landete und Neil Armstrong als erster Mensch<br />
den Mond betrat. Ein weiterer Rekord steht bis<br />
heute: Es war die längste ununterbrochene<br />
Live-Übertragung aller Zeiten.<br />
Dabei waren Fernsehgeräte 1969<br />
bei weitem nicht so verbreitet<br />
wie heute. Erst 1975 besaßen<br />
fl ächendeckende 93 Prozent<br />
aller deutschen Haushalte eine<br />
Flimmerkiste, 1969 waren es noch<br />
deutlich weniger als 50 Prozent.<br />
war<br />
üblich,<br />
dass man zu Freunden<br />
oder Verwandten ging, sofern man keinen eigenen<br />
Fernseher zu Hause hatte. Bei der <strong>Mondlandung</strong> spielte<br />
das Fernsehen seinen großen Vorteil aus, der zuvor nur bei<br />
Sportereignissen zum Tragen kam und heute selbstverständlich ist:<br />
Es gab keine nachträgliche Berichterstattung, wie in Nachrichten,<br />
Wochenschauen oder Zeitungen, sondern man konnte live zusehen,<br />
wie Geschichte geschrieben wurde. „Fernsehen heißt dabei sein"<br />
lautete nun das Motto für den unaufhaltsamen Siegeszug des<br />
neuen Massenmediums.<br />
Für die Fernsehsender war die <strong>Mondlandung</strong> eine ganz neue<br />
Herausforderung. In Deutschland berichteten gleich zwei Apollo-<br />
Sonderstudios: Federführend bei der ARD war der WDR in<br />
Köln, wo Günter Siefarth 28 Stunden lang live berichtete,<br />
umgeben von einem Team aus Experten wie Ernst von<br />
Khuon, der mit seinem Team aus Wissenschaftlern auch<br />
telefonisch gestellte Fragen der Zuschauer beantwortete.<br />
Günter Siefarth war ein bekanntes Fernsehgesicht.<br />
Er hatte 1961 zusammen mit Addi Furler und Ernst<br />
Huberty die ARD-„Sportschau" begründet und moderierte<br />
Wahlsondersendungen. Beim WDR-Fernsehen leitete er<br />
die Wissenschaftsredaktion und war Sendeleiter.<br />
Seite 14 ■ GoodTimes 1/2013
Im ZDF berichtete Heinrich Schiemann live aus<br />
Mainz. Schon 1938 machte er sein Examen als<br />
Luftfahrtingenieur und arbeitete danach bei<br />
der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt.<br />
Ab 1947 war er als Wissenschaftsredakteur<br />
beim NDR tätig und wechselte 1963 zum ZDF,<br />
wo er bis zu seiner Pensionierung 1981 die<br />
Abteilung „Naturwissenschaft und Technik" leitete.<br />
Einem<br />
breiten<br />
Publikum<br />
bekannt wurde<br />
Schie mann durch die<br />
ZDF-Sendereihe „Aus<br />
Forschung und Technik".<br />
Das ORF produzierte in<br />
Österreich eine 28 Stunden<br />
und 28 Minuten dauernde<br />
Livesendung, kommen-<br />
Fr<br />
agen der Zuschauer.<br />
tiert von Herbert Pichler,<br />
der zuvor schon im Bereich<br />
Im ARD-Studio wurde an<br />
Nachbauten demonstriert, was<br />
gerade bei Apollo 11 passierte.<br />
Das WDR-Studio für die ARD-<br />
Livesendun<br />
g hatte futuristische<br />
Tischverkleidungen.<br />
<strong>Die</strong> Redaktionstische des WDR<br />
wirkten wie eine Mini-Ausg<br />
abe des<br />
Nasa-Kontrollzentrums in Houston.<br />
Anschauliche Grafiken informierten<br />
über den Ablauf der Apollo-Mission,<br />
hier die Trennung von Mutterschiff<br />
und Mondfähre.<br />
der Weltraummedizin<br />
mit Wernher von Braun<br />
zusammengearbeitet<br />
hatte. Der Mathematiker<br />
und Journalist Bruno L.<br />
Stanek berichtete für das<br />
Schweizer Fernsehen, wobei<br />
hier aber in dieser Zeit auch<br />
andere Sendungen gezeigt<br />
wurden.<br />
Alle Livesendungen wurden<br />
in Farbe ausgestrahlt,<br />
was zu dieser Zeit nicht<br />
selbstverständlich war. Erst<br />
weniger als zwei Jahre<br />
zuvor, am 25. August<br />
1967, hatte Willy Brandt<br />
auf der Internationalen<br />
Funkausstellung in Berlin<br />
offiziell das Farbfernsehen<br />
in Deutschland mit einem<br />
Knopfdruck gestartet.<br />
Farbfernsehgeräte<br />
waren im Sommer 1969<br />
noch wenig verbreitet.<br />
Sie waren sehr teuer und<br />
galten daher als echtes<br />
Luxusobjekt. Zudem waren<br />
sie noch recht störanfällig,<br />
und die Farben wirkten<br />
sehr künstlich.<br />
Das Fernsehen war im<br />
Sommer 1969, als die<br />
<strong>Mondlandung</strong> die Welt in<br />
Atem hielt, ein noch junges<br />
und neues Medium. In<br />
den 60er Jahren wurde das<br />
Programmangebot ständig<br />
erweitert, Regional- und<br />
Werbeprogramme wurden<br />
ausgebaut, Fernsehserien<br />
wie „Lassie", „Fury" oder<br />
„Bonanza" aus Amerika<br />
eingekauft. <strong>Die</strong> dritten<br />
Programme gingen mit<br />
Bildungssendungen neue<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 15<br />
Wege. Für das Fernsehen hatte die <strong>Mondlandung</strong><br />
allgemein große Bedeutung: Mit diesem<br />
Ereignis schaffte ein neues Massenmedium<br />
endgültig den gesellschaftlichen Durchbruch.<br />
Schon 1928 wurde auf der Funkausstellung<br />
in Berlin das Fernsehen als neues Medium<br />
vorgestellt, danach die Technik immer weiter<br />
verfeinert und ausgebaut. Weihnachten<br />
1952 nahm der Nordwestdeutsche Rundfunk<br />
den Sendebetrieb auf, für zunächst drei Stunden<br />
Sendezeit täglich. Große Ereignisse, die live übertragen<br />
wurden, waren 1953 die Krönung Königin Elizabeths II.<br />
und ein Jahr später die Fußballweltmeisterschaft, als Deutschland<br />
im Endspiel die favorisierten Ungarn besiegte. Heute unvorstellbar:<br />
Es gab nur ein TV-Programm. Das änderte sich mit dem Start des<br />
Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) am 1. April 1963 sowie dem<br />
Aufbau der dritten Programme in der ARD. Von Anfang an stand<br />
das ZDF ganz bewusst im Wettbewerb mit der ARD.<br />
Das Team von Apollo 11 (v.l.n.r.): Neil Armstrong,<br />
Michael Collins und Buzz Aldrin.<br />
<strong>Die</strong>se Konkurrenz der beiden Sender gab es natürlich auch bei der<br />
Übertragung der <strong>Mondlandung</strong>. Dabei wirkte das ARD-Studio mit<br />
seinen futuristischen Tischverkleidungen moderner als das etwas<br />
biedere ZDF, das Zuschauer als Publikum im Studio hatte, ähnlich<br />
dem ZDF-„Sportstudio". Dafür hatte die ARD mit dem eleganten<br />
Lothar Löwe einen der beliebtesten Fernsehjournalisten dieser Zeit<br />
im Team. Natürlich hatten beide Sender ein Modell der Mondfähre<br />
im Studio, an dem anschaulich gezeigt werden konnte, was gerade<br />
passierte und welche Arbeiten die Astronauten gerade ausführten.<br />
Denn live zu sehen waren diese über lange Strecken<br />
nicht. Ihre Manöver wurden im Studio nachgestellt.<br />
Livebilder gab es vor allem aus dem<br />
Kontrollzentrum in Houston, wo in langen<br />
Reihen Techniker vor kleinen Monitoren<br />
saßen. Dort stand Werner Büdler für<br />
Liveschaltungen per Telefon für die<br />
ARD bereit, während sein Kollege<br />
Friedrich Müller teils zeitgleich für<br />
das ZDF aus USA im Stile eines<br />
Radioreporters berichtete.<br />
Da die Fernsehzuschauer nur über<br />
ein Gerät verfügten und so nur einen<br />
Sender schauen konnten, schalteten<br />
sie immer wieder um. Wollte man<br />
zuhören, wie Ernst von Khuon Fragen
der Zuschauer beantwortete, ging es zur ARD. Heinrich Schiemanns<br />
sachkundige Ausführungen zur Raumfahrt im ZDF wurden dann<br />
zwangsläufig verpasst, ebenso ein Rückblick auf die Geschichte der<br />
Raumfahrt, den das ZDF in Farbe ausstrahlte. Dafür sah man womöglich<br />
ein Gespräch der beiden Raumfahrtpioniere Hermann Oberth und<br />
Wernher von Braun in der ARD oder wurde in einfachen grafischen<br />
Darstellungen über das komplizierte Landemanöver informiert. Sobald<br />
aber in Houston etwas passierte<br />
und Live-Aufnahmen gezeigt wurden,<br />
etwa von der Mondfähre oder<br />
den Astronauten Neil Armstrong<br />
und Buzz Aldrin auf dem Mond<br />
oder Präsident Richard Nixon,<br />
wie er vom Weißen Haus aus mit<br />
Armstrong auf dem Mond telefonierte,<br />
dann waren Bild und<br />
Originalton in beiden Sendern<br />
gleich.<br />
Kritik wurde laut, warum sich<br />
nicht beide Sender für dieses<br />
Ereignis zusammengetan hatten<br />
und gemeinsam übertrugen. Das<br />
hätte Kosten gespart, so der Tenor,<br />
und man hätte keinen der interessanten<br />
Beiträge beider Sender<br />
versäumt.<br />
Eine Live-Fernsehübertragung<br />
vom Mond! Was heute noch<br />
unglaublich klingt, war vor mehr als<br />
40 Jahren ein technisches Wunder.<br />
Möglich wurde diese Übertragung<br />
von Apollo 11 durch eine eigens konstruierte Schwarzweiß-Kamera,<br />
die zuvor bei Apollo 9 im Erdorbit getestet wurde. Sie übertrug die<br />
ersten Schritte von Neil Armstrong auf dem Mond von einem außen<br />
angebrachten Fach neben der Leiter. Aus Platzgründen war die Kamera<br />
kopfüber montiert, so dass das Bild auf der Erde gedreht werden<br />
musste. Nachdem die beiden Astronauten auf der Mondoberfläche<br />
waren, setzte Armstrong die Kamera auf ein Stativ etwa zehn Meter<br />
entfernt, um von dort aus die Mondfähre und die Aktivitäten der<br />
Astronauten zu filmen. Eine Parabolantenne von 66 Zentimetern<br />
Durchmesser an der Spitze der Mondfähre übertrug das Fernsehsignal,<br />
biomedizinische Daten und Sprechfunk direkt zur Erde. Dort gab es drei<br />
Empfangsstationen: In Goldstone, Kalifornien, war eine Parabolantenne<br />
mit 64 Metern Durchmesser empfangsbereit. Das TV-Signal wurde in<br />
den amerikanischen NTSC-Standard konvertiert und nach Houston<br />
übermittelt, dann von dort<br />
aus an Fernsehsender in aller<br />
Welt weitergegeben. Zwei<br />
weitere<br />
Empfangsstationen<br />
waren in Australien, Parkes<br />
und Honeysuckle Creek. Sie<br />
sendeten via Satellit nach<br />
Houston.<br />
Bereits am 16. Juli<br />
1969 war Apollo 11 in Cape<br />
Canaveral in Florida gestar-<br />
<strong>Die</strong> ersten TV-Bilder vom Mond<br />
tet, was natürlich weltweit<br />
waren sehr verschwommen. via Satellit übertragen wurde.<br />
An Bord waren die drei<br />
Astronauten Neil Armstrong,<br />
Buzz Aldrin und Michael<br />
Collins. Im Mondorbit angekommen,<br />
stiegen Buzz Aldrin<br />
und Neil Armstrong in die<br />
Mondlandefähre „Eagle" um.<br />
Nachdem die Landebeine der<br />
Fähre ausgeklappt waren,<br />
trennten sie das Landegerät<br />
vom Mutterschiff, in dem<br />
So unscharf sah es live im Fernsehen<br />
Michael Collins verblieb. Ihr<br />
aus: Neil Ar<br />
mstrong betritt als erster<br />
Me<br />
nsch den Mond.<br />
Seite 16 ■ GoodTimes 1/2013<br />
Ziel war das geplante Landegebiet<br />
im Mare Tranquillitatis, das Meer<br />
der Stille. <strong>Die</strong> <strong>Mondlandung</strong><br />
musste bei direkter<br />
Sonneneinstrahlung, also<br />
optimalen Sichtverhältnissen,<br />
durchgeführt werden; ebenso<br />
der Rückstart zum Mutterschiff<br />
„Columbia". Das begrenzte den<br />
Landeplatz für die Mondfähre<br />
auf Gebiete in der Nähe des<br />
Mondäquators. Am 20. Juli 1969 um<br />
21.17 Uhr MEZ setzten sie etwa 4,5<br />
Kilometer hinter dem geplanten Landegebiet<br />
auf. Neil Armstrong musste per Handsteuerung<br />
landen, da es einen Computerfehler gab. Am Montag (dem dann so<br />
genannten Mond-Tag), 21. Juli 1969 um 03:56:20 MEZ (in den USA<br />
war es noch der 20. Juli), betrat Neil Armstrong als erster Mensch den<br />
Mond und sprach die berühmten Worte: „That's one small step for a<br />
man, one giant leap for mankind!” („Das ist ein kleiner Schritt für einen<br />
Wernher von Braun (4. v. l.<br />
) und das Führungsteam der Nasa<br />
freuten sich über den gelungenene Start von Apollo 11.<br />
Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit!"). 20 Minuten<br />
später verließ auch Buzz Aldrin die Mondfähre. Nachdem spektakulär<br />
und symbolträchtig die US-Flagge gehisst worden war, bauten die beiden<br />
Astronauten einige kleine Forschungsgeräte auf, um unter anderem<br />
That's one small step for a man,<br />
"<br />
one giant leap for mankind!"<br />
die seismischen Aktivitäten des Mondes zu erfassen. Ein Laserreflektor<br />
ermöglichte es, die Entfernung zwischen Mond und Erde exakt zu<br />
messen. Außerdem<br />
wurden 21,6 Kilo<br />
Gestein gesammelt.<br />
Der erste<br />
Aufenthalt auf der<br />
Mondoberfläche<br />
endete nach zwei<br />
Stunden und 31<br />
Minuten.<br />
<strong>Die</strong> Astronauten<br />
strahlten<br />
Anschauliche Trickfilme beim WDR: <strong>Die</strong> eine unglaubliche<br />
Ruhe und<br />
Mondfähre "<br />
Eagle" mit dem Mutterschiff<br />
Columbia während der Apollo-11-Mission. Souveränität aus.<br />
Überall herrschte große Erleichterung, dass dieser wichtige Teil der<br />
Mission gemeistert wurde. Dabei gab es auf dem Mond erhebliche<br />
Probleme. Der Hebel eines Schalters war abgebrochen, ein weiterer<br />
Foto: © WDR<br />
Fotos: © Nasa
war nicht in der vorgesehenen Position. Offenbar hatte Aldrin mit<br />
dem „Mond-Rucksack" die Schalter erwischt, die für den Start<br />
benötigt wurden. Mit einem Filzstift gelang es dann aber, die<br />
Schalter zu betätigen. Der Start klappte problemlos, die Fähre<br />
schwenkte in eine Mondumlaufbahn ein und koppelte wieder<br />
an die Kommandokapsel von Collins an. Auch für heutige<br />
Verhältnisse ein unglaublich kompliziertes Manöver. Nachdem<br />
Armstrong und Aldrin umgestiegen waren, wurde die Mondfähre<br />
abgestoßen, und Apollo 11 nahm Kurs Richtung Erde. Am 24. Juli<br />
1969 landete die Kapsel 1600 Kilometer südwestlich von Honolulu<br />
im Pazifik und wurde vom Bergungsschiff USS Hornett an Bord geholt.<br />
Nach 17 Tagen in Quarantäne wurden die drei<br />
Astronauten mit Paraden in New York, Chicago<br />
und sogar in Mexico City frenetisch gefeiert.<br />
Juri Gagarin, der<br />
erste Mensch<br />
im Weltraum.<br />
Eine schier unglaubliche Expedition, die<br />
Jahre zuvor noch als reine Science Fiction<br />
belächelt wurde, hatte ein erfolgreiches und<br />
glückliches Ende gefunden. John F. Kennedys<br />
Ankündigung aus dem Jahr 1961, man werde<br />
noch in diesem Jahrzehnt einen Menschen<br />
zum Mond bringen<br />
und heil wieder<br />
zurück, wurde von<br />
den Amerikanern in<br />
die Tat umgesetzt.<br />
<strong>Die</strong> USA hatten<br />
den „Wettlauf zum<br />
Mond" gegen die<br />
UdSSR gewonnen,<br />
die zuvor mit dem<br />
„Sputnik-Schock"<br />
und Juri Gagarin als erstem Menschen im Weltraum den Ton angaben.<br />
Fünf weitere Apollo-Missionen der Nasa<br />
landeten auf dem Mond, Alan Shepard<br />
von Apollo 14 spielte dort sogar Golf, und<br />
mit Apollo 15 wurde zum ersten Mal ein<br />
Mondauto benutzt. David Scott und James<br />
Irvin erkundeten damit die Umgebung der<br />
Landestelle. Insgesamt zwölf Menschen<br />
waren mit dem Apollo-Programm auf<br />
dem Mond gelandet. Zuletzt verließ am<br />
12. Dezember 1972 Eugene Cernan von<br />
Apollo 17 als letzter Mensch den Mond.<br />
Das Medieninteresse war zu diesem<br />
Zeitpunkt weltweit längst nicht mehr so<br />
groß wie bei der Premiere mit Apollo 11.<br />
<strong>Die</strong> Öffentlichkeit hatte sich schnell daran<br />
gewöhnt, dass die Amerikaner zum Mond<br />
flogen wie andere in den Urlaub. Lediglich<br />
Apollo 13 hatte mit einem technischen<br />
Defekt und einer Explosion an Bord auf dem Hinflug die Welt im April<br />
1970 noch einmal in Atem gehalten und sorgte auch im deutschen<br />
Fernsehen wieder für lange Livesendungen. Spektakulär waren die<br />
Rettungsmaßnahmen, die am Ende alle drei Astronauten lebend auf<br />
die Erde zurückbrachten, allerdings landeten sie nicht auf dem Mond.<br />
<strong>Die</strong> Apollo-11-Besatzung wurd<br />
auch bei einer Parade in Mexico Ci<br />
Das Apollo-Programm kostete nach Schätzungen vom Start 1961<br />
bis zum Ende 1972 mehr als 25<br />
Gl<br />
ückl<br />
klic<br />
iche<br />
Milliarden Dollar, nach heu-<br />
Land<br />
ung im Paz<br />
azifi<br />
ifik. tigen Maßstäben entspräche<br />
das rund 125<br />
Milliarden Euro.<br />
Mehr als 400.000<br />
Menschen waren<br />
in mehr als 5000<br />
Firmen mit diesem<br />
Programm beschäftigt.<br />
Im Bereich Forschung<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 17<br />
Nach 17 Tagen Quarantäne endlich wieder an der frisc<br />
hen Luft:<br />
die ersten drei Mondtouristen Buzz Aldrin, Neil Armstrong und<br />
Michael Collins (v.l.).<br />
und Entwicklung brachte es einen wirtschaftlichen Aufschwung für<br />
zahlreiche Industriebetriebe und viele Innovationen hervor.<br />
Neil Armstrong, der erste Mensch, der den Mond betrat, starb am<br />
26. August 2012 im Alter von 82 Jahren an den Folgen einer Bypass-<br />
Operation. Nasa-Chef Charles Bolden schrieb dazu in einem Nachruf:<br />
„Solange es Geschichtsbücher gibt, wird Neil Armstrong als derjenige<br />
darin zu finden sein, der den ersten kleinen Schritt eines Menschen in<br />
einer Welt fern der eigenen gemacht hat."<br />
Alles Lüge? <strong>Die</strong> <strong>Mondlandung</strong>en sind bis heute Objekt zahlreicher<br />
Verschwörungstheorien. Dabei gehen Autoren wie Bill Kaysing davon<br />
aus, dass Hollywood federführend war und nicht die Nasa. Es fehlen<br />
aber die Beweise, dass hier Schauspieler in einem Studio etwas vorgegaukelt<br />
haben. Ganz im Gegenteil wurde 2009 sogar der Landeplatz<br />
von Apollo 11 von einer unbemannten<br />
Sonde fotografiert. Auch die Russen<br />
bezweifeln den Erfolg der amerikanischen<br />
Apollo-Mission nicht. Nur drei Tage vor<br />
Apollo 11, am 13. Juli 1969, war Luna<br />
15 gestartet, eine unbemannte Sonde.<br />
Das sorgte für einige Aufregung, und<br />
Gerüchte über Spionage und Sabotage<br />
machten die Runde. Schließlich war man<br />
im „Kalten Krieg". Auch wenn der UdSSR<br />
keine bemannte Landung auf dem Mond<br />
gelang, hatte sie doch die Aktivitäten<br />
der Amerikaner im Weltraum immer fest<br />
im Blick.<br />
Zum TV-Live-Marathon zur Mond landung<br />
r e weltweit gefeiert,<br />
C ty.<br />
hat der WDR eine Anekdote überliefert:<br />
Ein Fernsehzuschauer der<br />
ARD fand die Programmänderungen am „Mond-<br />
Tag" unerhört. Er rief in Köln an und<br />
beschwerte sich bei der Sendeleitung:<br />
„Warum senden Sie nicht zu den Zeiten,<br />
die ,Hörzu‘ ausgedruckt hat? Wen<br />
interessiert denn schon den ganzen<br />
Tag die <strong>Mondlandung</strong>?" <strong>Die</strong>ser<br />
Mensch dürfte aber eine absolute<br />
Ausnahme gewesen sein,<br />
die allermeisten fanden die<br />
Berichterstattung rund um die<br />
<strong>Mondlandung</strong> mehr als spannend,<br />
und viele erinnern sich<br />
noch heute gut an jenen Tag,<br />
der als einer der Höhepunkte<br />
des 20. Jahrhunderts gilt. Für<br />
die Raumfahrt und für die<br />
Geschichte des Fernsehens.
Seite 18 ■ GoodTimes 1/2013
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GoodTimes 1/2013 ■ Seite 19<br />
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– Eduard Kremser, Neckargerach<br />
– Harald Schwab, Schwandorf<br />
Herzlichen Glückwunsch!
Seite 20 ■ GoodTimes 1/2013
Fotos: © Reiner Schöne Archiv<br />
Reiner Schöne<br />
Von Philipp Roser<br />
Vo n der Eintagsfliege<br />
zum Welt-Star<br />
Am 19. Januar hat Reiner Schöne seinen 70. Geburtstag gefeiert. Kein Grund für<br />
den Mann, der in Wikipedia kurz als „deutscher Schauspieler, Synchronsprecher,<br />
Sänger, Songwriter und Autor „ beschrieben wird, kürzer zu treten. Im Gegenteil, der<br />
gebürtige Weimaraner legt wie so oft in seiner langen Laufbahn mal wieder richtig<br />
los: Neben seinen Aktivitäten als Schauspieler bringt er in diesen Tagen nicht nur<br />
seine Autobiografie „Werd ich noch jung sein, wenn ich älter bin „ als Buch und<br />
Hörbuch heraus. Parallel veröffentlicht er mit seiner neu besetzten Reiner Schöne<br />
Band die CD MITTEN INS HERZ. Mit dabei: der fast schon legendäre Jazzpianist<br />
und Manfred-Krug-Sideman Ulrich Gumpert, der ebenfalls aus Weimar stammt.<br />
Schon seit ihrer Jugend kennen sich die beiden, doch<br />
es dauerte fünf Jahrzehnte, bis sie musikalisch endlich<br />
zusammenfanden. „Uli ist ein Groover, er spielt<br />
den Blues so, wie ich Blues spielen würde, wenn ich<br />
anständig Klavier spielen könnte", sagt Schöne, der „nur"<br />
anständig Gitarre spielen und röhren kann – und auf einen langen<br />
Weg vom Liedermacher zum Rock'n'Roller zurückblicken kann. Und<br />
den beschreibt er in seiner Autobiografie höchst anschaulich. Das tut er<br />
(meist) chronologisch, aber eindringlich mit nachdenklichen Untertönen<br />
in einzelnen, kurz gehaltenen Kapiteln, die er in den letzten Dekaden<br />
festgehalten hat – häufig wenn<br />
er unterwegs war. Am Ende jeder<br />
dieser Episodenschilderungen hat<br />
er notiert, wann und wo er seine<br />
Erinnerungen jeweils festhielt.<br />
Reiner Schöne – nicht zu verwechseln<br />
mit dem ebenfalls<br />
aus der früheren DDR stammenden<br />
Balladier Gerhard<br />
Schöne – kann auf eine wilde<br />
Vergangenheit zurückblicken, seit<br />
er einen anschaulich geschilderten<br />
britischen Bombenangriff auf<br />
Weimar überlebte, wo er eine<br />
Schauspielausbildung absolvierte<br />
und seine ersten musikalischen<br />
Gehversuche mit Bands wie <strong>Die</strong> Eintagsfliegen (mit<br />
eigenen Texten zu bekannten Popsongs; erster Song<br />
beim ersten Auftritt: Bill Haleys "Rock Around The<br />
Clock") oder Skiffle Tramps absolvierte.<br />
Umtriebig, wie er immer war, schaffte er es in jungen<br />
Jahren am 4. April 1961 nach einem Konzert von<br />
Mahalia Jackson in West-Berlin in deren Garderobe<br />
vorgelassen zu werden, um mit ihr zu plauschen; Jahre<br />
später ließ er sich von Miles Davis und Cannonball<br />
Adderley im kalifornischen Monterey Autogramme in<br />
seine Akustikgitarre ritzen. Da hatte er längst „rübergemacht":<br />
Nachdem er in den Monaten zuvor bereits<br />
zwei Konzerte in West-Berlin bestritten hatte, kehrte er<br />
am 26. Mai 1968 nicht mehr zurück, blieb im Westen,<br />
was er „drei Jahre lang gefürchtet und hinausgezögert"<br />
hatte. Und die Flucht sollte ihn lange begleiten,<br />
ja verfolgen. „Ich hatte jede Nacht denselben Traum,<br />
denselben Alptraum: Ich träumte, ich wäre wieder in Ost-Berlin, stand am<br />
Bahnhof Friedrichstraße und war in Panik", erinnert er sich heute.<br />
Dabei war es im Westen für Schöne Schlag auf Schlag vorwärtsgegangen:<br />
In "<br />
America" arbeitete Schöne mit Kris Kristofferson. Auch in "<br />
Star Trek" mischte er mit ...<br />
... und spielte in "<br />
Jesus Christ Superstar".<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 21<br />
Er ergatterte Hauptrollen bei den deutschen Erstaufführungen<br />
der Rockmusicals „Hair" und „Jesus Christ Superstar", erlebte<br />
den Summer Of Love live an der US-Westküste mit, wohin es ihn<br />
später auch beruflich verschlagen sollte. Er verbrachte einige Zeit<br />
im legendären New Yorker Chelsea Hotel, er drehte mit Lee Van<br />
Cleef („Sabata kehrt zurück", 1971), Clint Eastwood („Im Auftrag des<br />
Drachen", Originaltitel „The Eiger Sanction", 1975) oder Kris Kristofferson<br />
(„America", 1986). Er zog 1975 für gut ein Vierteljahrhundert nach<br />
Kalifornien und stand dort für Serien wie „<strong>Die</strong> Rückkehr zur Schatzinsel",<br />
„MacGyver", „Star Trek" oder „Matlock" vor der Kamera, kehrte aber<br />
auch immer wieder für Synchron-, Theater- und Leinwandrollen sowie<br />
Plattenaufnahmen kurzzeitig in die alte Heimat zurück. Was er alles kurzweilig<br />
in seinem neuen Buch schildert, das er nach seinem größten Hit<br />
betitelt hat, den ihm einst Konstantin Wecker, sein Kumpel und Mitspieler<br />
in „Jesus Christ Superstar", auf<br />
die Stimmbänder geschrieben<br />
hatte.<br />
Auch als Sänger ließ Schöne<br />
immer wieder aufhorchen,<br />
seit er 1970 bei der ESC-<br />
Vorausscheidung mit "Allein<br />
unter Millionen" Platz zwei<br />
belegt hatte. „Ich kam aus der<br />
eher sanften Liedermacherei,<br />
und genau das erwartete mein<br />
Publikum: sanfte Klänge", beschreibt er seinen (rock-)<br />
musikalischen Neuaufbruch von 1979 mit der Reiner<br />
Schöne Band. „Aber auf die Bühne kam ein harter<br />
Haufen in Leder, die Lautstärkeregler auf zehn, und<br />
beim ersten Brett, das geflogen kam, hielten sich unten<br />
alle die Ohren zu ... So muss es bei Bob Dylan gewesen<br />
sein, als er von der Akustikgitarre auf die Elektrizität<br />
umstieg und ihm die Folkpuristen den Rücken kehrten."<br />
Sicher ein gewagter Vergleich, der aber keineswegs<br />
hochnäsig daherkommt, sondern wie die meisten<br />
Schilderungen Schönes, Entwicklung und Schaffen<br />
nachvollziehbar und spannend zu lesen macht.<br />
"Werd ich noch jung sein, wenn ich älter bin" hat<br />
Schöne für die neue CD nochmals aufgenommen („weil<br />
der Song schon ewig nicht mehr erhältlich ist") und<br />
wird ihn bei seiner Deutschlandtournee im Oktober<br />
(Fortsetzung im März 2013) als Zugabe spielen. Aber<br />
auch auf der Leinwand ist er präsent, derzeit mit „<strong>Die</strong> vierte Macht" (mit<br />
Moritz Bleibtreu), außerdem läuft im Oktober seine neueste Produktion<br />
„The Child" an.
Indianer im Western:<br />
Der lange Weg<br />
zur Wahrheit<br />
Ohne<br />
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tiv Bö<br />
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uszu<br />
zulö<br />
lösc<br />
sche<br />
hen ga<br />
lt<br />
.<br />
Indianer starben in den Western zuhauf. Realistisch, könnte man<br />
meinen. Denn die Historie des Roten Mannes wurde mit seinem<br />
Blut geschrieben. Hunderttausende, ja Millionen Männer, Frauen<br />
und Kinder kamen um oder wurden bei der Eroberung der Neuen<br />
Welt ermordet. Es war aber nicht dieser Ausrottungsfeldzug, der mit<br />
dem Sterben der Indianer in den alten Western thematisiert wurde.<br />
Vielmehr mussten die Natives als Zielscheiben für tapfere Cowboys und<br />
Soldaten herhalten, die sich einer indianischen Übermacht erwehrten<br />
und den trotteligen Indsman kaltblütig vom Pferd schossen, niederstachen<br />
oder erschlugen. Und der amerikanische Teenager applaudierte<br />
seinen Helden und buhte die Indianer aus. „Und wir lernten unseren<br />
Katechismus gut", schrieben Ralph E. und Natasha A. Friar in ihrem<br />
Buch „The Only Good Indian … The Hollywood Gospel" (1972) über<br />
eigene Kindheitserfahrungen nach Kinobesuchen. „Der Indianer war<br />
schmutzig, schlecht, böse, gemein, grausam, hilflos, hinterlistig, teuflisch<br />
und einfach nicht nett."<br />
Man täte den unzähligen Western-Regisseuren allerdings Unrecht,<br />
scherte man sie sämtlichst über einen Kamm. Vor allem zu<br />
Zeiten des Stummfilms, als die Figuren in den Stories über smarte<br />
Revolverhelden manchmal recht hölzern gezeichnet wurden, gab es<br />
Bemühungen, Indianer als Menschen darzustellen. Michael Parkinson<br />
und Clyde Jeavons heben in ihrem Buch „A Pictorial History Of<br />
Westerns" (1972) den Pionier des Genres, Thomas<br />
H. Ince, mit seinen Filmen „The Indian Massacre"<br />
(1912) und „The Heart Of An Indian" (1913)<br />
hervor, aus denen eine unverkennbare Sympathie<br />
für das Schicksal der Urbevölkerung sprach. Auch<br />
David Wark Griffith,<br />
der Kurzwestern wie<br />
am Fließband produzierte,<br />
warb in „The<br />
Massacre" (1912) um<br />
The Indian Massacre The Indian Massacre einen verständnisvollen<br />
Umgang mit dem Kampf der Indianer um ihre Freiheit. „Zu einer<br />
Zeit, da sich Hollywood erst zu entwickeln begann … bemühte man<br />
sich nicht ohne Erfolg um realistische<br />
Western-Filme", beschreibt Michael<br />
Hanisch in „Western – <strong>Die</strong> Entwicklung<br />
eines Filmgenres" (1984) den Sinn für<br />
Authentizität in den Anfangsjahren der<br />
laufenden Bilder. „Lag es daran, dass The Heart Of An Indian<br />
man im Westen, wo diese Filme gedreht wurden, auf Schritt und Tritt<br />
auf Menschen stieß, die selbst jene Vorgänge direkt noch miterlebt<br />
hatten, die mit der Eroberung des Westens zusammenhingen? Nicht<br />
nur die Indianer, die (unter anderem) für Ince arbeiteten, konnten den<br />
Wahrheitsgehalt der einzelnen Szenen, in denen sie selbst spielten,<br />
sehr genau beurteilen. All das zusammengenommen verhinderte allzu<br />
fantastische, wirklichkeitsferne Erzählungen, wie sie für den Western in<br />
den folgenden Jahrzehnten charakteristisch werden sollten."<br />
Es kamen die Dekaden, in denen Indianer nicht<br />
mehr sein durften als eine gesichtslose Masse.<br />
Das Stilmittel war bewährt, denn der Zuschauer<br />
konnte nur zu Figuren emotionale Bindungen<br />
aufbauen, die ein Schicksal und Gefühle hatten;<br />
die lachten, weinten, zornig waren oder<br />
zärtlich. Eben Leute wie sie selbst oder der<br />
Nebenmann im Kinostuhl. Und obwohl in den<br />
50er Jahren erste indianische Charaktere in den<br />
Western ern zurückkehrten, blieb die Anzahl<br />
der roten Männer<br />
und Frauen, die der<br />
Fan im wahrsten<br />
Sinne des Wortes<br />
kennen lernen<br />
durfte, gering. Das<br />
Apachen-Mädchen Sonseeahray in „Der gebrochene<br />
Pfeil" (1950) zum Beispiel oder der<br />
Schoschonen-Häuptling Lance Pool – gespielt<br />
von Robert Taylor – in<br />
„Fluch des Blutes"<br />
(1950). Als Identifikations<br />
figuren<br />
eigneten sich diese<br />
Personen aber nicht.<br />
Dann schon eher ein<br />
Halbblut b wie in „Flammender Stern" (1960). Hier<br />
spielt Elvis Presley den hitzigen Pacer Burton,<br />
dessen Vater ein Kiowa-Häuptling war. Schon<br />
die Besetzung zeigt an: Mit diesem Helden<br />
dürfen wir mitfühlen. Und die Story eines zwischen<br />
den Welten und deren Konflikten hinund<br />
hergerissenen jungen Mannes berühr-<br />
Seite 22 ■ GoodTimes 1/2013
te zweifellos. Ebenso<br />
wie das Schicksal von<br />
Farmerstochter Rachel<br />
in „Denen man nicht<br />
vergibt" (1960). Hier<br />
Denen man nicht vergibt spielt die wie immer<br />
herzzerreißend bezaubernde Audrey Hepburn eine<br />
Kiowa-Indianerin, die bei einer weißen Familie<br />
aufgewachsen ist, ohne ihre eigene Herkunft zu kennen. <strong>Die</strong>ser<br />
Ausgangspunkt der Story war zwar Unsinn, ermöglichte allerdings<br />
einen Plot voll Dramatik.<br />
Als einer der bedeutendsten Filme, die in der Zeit des Umbruchs des<br />
Blickes auf die Natives selbige in den Mittelpunkt der Handlung<br />
stellten, erwies sich „Cheyenne" (1964) – das Spätwerk des wohl größten<br />
Western-Regisseurs, John Ford. Erzählt wird<br />
der Ausbruch einer knapp 300-köpfigen Gruppe<br />
Cheyenne aus ihrem zugewiesenen Reservat, um<br />
Repressalien und Hungerstod zu entgehen. Auf<br />
dem Weg in ihre angestammten Gebiete werden<br />
sie von einer über 1000 Mann starken<br />
Armee gejagt. „Ich habe diesen Film schon lange<br />
machen wollen", wird Ford in Peter Bogdanovichs<br />
Buch „John Ford" von<br />
1967 zitiert. „Ich habe<br />
mehr Indianer getötet als Custer, Beecher<br />
und Chivington zusammen. Sehen wir der<br />
Angelegenheit ins Auge. Wir haben uns<br />
da sehr schlecht benommen, auf unserem<br />
Schild ist ein Schandfleck. Wir haben betrogen<br />
und geraubt, getötet, massakriert und alles so was." Ford ging bei<br />
seiner Darstellung der Cheyenne aber über das sich im Genre bereits<br />
ausbreitende Mitgefühl für die Indianer hinaus. Er bemühte sich um<br />
historische Exaktheit. Zumindest bei der Rahmenhandlung. Und er<br />
versuchte, den Gejagten in Habitus und Aussehen Authentizität zu<br />
verleihen. <strong>Die</strong> Cheyenne sollten auch wie welche aussehen und nicht<br />
ein Fantasie-Mix aus Apache, Sioux und Blackfoot sein. Besetzt waren<br />
die Hauptfiguren Dull Knife (Gilbert Roland) und Little Wolf (Ricardo<br />
Montalban) aber weiterhin mit bekannten weißen Schauspielern.<br />
Das Zeitalter des Indianerfilms als ein Subgenre des Western läutete<br />
„Der Mann, den sie Pferd nannten" von 1970 ein<br />
(zum Teil<br />
auch<br />
unter „Ein Mann, den sie Pferd nannten" gezeigt).<br />
In dem Streifen von Elliot Silverstein spielt der<br />
eigentlich<br />
eher spröde<br />
Richard<br />
Harris<br />
die<br />
Hauptrolle<br />
und<br />
erweist<br />
Ein Mann, den sie Pferd nannten sich in der<br />
Geschichte ht um einen englischen Aristokraten, der von Sioux gefangen-<br />
g<br />
genommen und als Sklave gehalten<br />
wird, als Idealbesetzung. Lord<br />
John Morgan – sein indianischer<br />
Name lautet Shunka Wakan –<br />
kann die Achtung seiner Bewacher<br />
erwerben, wird als Krieger in den<br />
Stamm aufgenommen und heiratet<br />
eine Squaw. Erstmals durchzieht<br />
einen Western eine Flut von indianischen<br />
Bräuchen. Vieles von dem<br />
Gezeigten ist brutal und dem an<br />
die Gemütlichkeit der Zivilisation<br />
Gewöhnten unverständlich. Aber<br />
neben all den drastischen Bildern<br />
erlebt der Zuschauer die roten<br />
Männer in einem Alltag, zu dem<br />
Eifersucht und Streit ebenso gehö-<br />
Richard Harris als Shunka Wakan<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
ren wie die Liebe und ganz viel Humor. Hier gibt es keinen „edlen<br />
Wilden", der unentwegt in blumigen Worten radebrecht. Silverstein lässt<br />
seine Sioux in allen für die Kommunikation typischen Ausdrucksformen<br />
miteinander sprechen: wortkarg, hektisch, gewählt, albern, salbungsvoll<br />
usw. <strong>Die</strong> Verwendung der Sioux-Sprache unterstützt dabei die<br />
Wirkung, einen wirklichkeitsnahen<br />
Einblick in die Welt der<br />
Lakota zu gewinnen, erheblich.<br />
Und ausgerechnet gegen diesen<br />
Film liefen traditionelle Kreise<br />
der Sioux Sturm. Grund war das<br />
Tohuwabohu der dargestellten<br />
Sitten und Gebräuche, die mit<br />
Ein Mann, den sie Pferd nannten<br />
dem bezeichneten Volk so viel<br />
zu tun hatten wie Samba mit den Eskimos. Vor allem beim Ritual<br />
zur Aufnahme Morgans als Krieger in den Stamm, bei dem Shunka<br />
Wakan an durch die Brustmuskeln geschobenen Holzstäbchen in die<br />
Höhe gezogen wird, lag Regisseur Silverstein mächtig daneben. Bei der<br />
Zeremonie handelt es sich nämlich um das Pohk-Hong der Mandan-<br />
Indianer, wie es bei George Catlin in „<strong>Die</strong> Indianer Nordamerikas" bereits<br />
1851 beschrieben wurde. Auch die<br />
hallenartige Versammlungshütte<br />
und verschiedene Details in<br />
Bekleidung und Schmuck waren<br />
von der Kultur der Lakota weit<br />
entfernt. Vermutlich folgte auch<br />
deshalb 1976 mit „<strong>Die</strong> Rückkehr<br />
des Mannes, den sie Pferd nannten"<br />
eine Fortsetzung, die sich<br />
eingehend mit dem Sonnentanz,<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
<strong>Die</strong> Rückkehr des Mannes,<br />
den sie Pferd nannten<br />
einem ähnlich schmerzhaften Ritual der Sioux, befasste. Auch hatte<br />
Regisseur Irvin Kershner den Look der Indianer deutlich Überlieferungen<br />
nach dem Aussehen der Lakota des 19. Jahrhunderts angepasst. Allzu<br />
intensive Darstellungen des Alltagslebens umging Kershner, indem er<br />
den Stamm – die Yellow Hands – als aus ihrem Heimatland vertriebene<br />
Gruppe zeichnete, die auf einer permanenten Flucht nur noch<br />
um ihr Überleben kämpfte. Teil drei, „Triumph des Mannes, den sie<br />
Pferd nannten", kam 1983 in die Kinos und zeigte Shunka Wakan als<br />
Häuptling der Sioux vor allem in Rückblenden. Hauptfiguren waren<br />
hier dessen Sohn Koda (Michael Beck) und die Schwarzfuß-Frau<br />
Redwing (Ana de Sade), die als Zwei-Mann-Armee die das Land der<br />
Sioux überflutenden Goldsucher in Angst und Schrecken versetzten,<br />
indem sie deren Camps in wohlüberlegten Handstreichen pulverisierten.<br />
Im selben Jahr wie „Der Mann, den sie Pferd nannten" erschien ein<br />
weiterer Film, der das Western-Genre auf den Kopf stellte: „Soldier<br />
Blue" oder „Das Wiegenlied<br />
vom Totschlag". Während 80<br />
Prozent der Handlung sich<br />
damit beschäftigen, den verbalen<br />
Konflikt des Soldaten<br />
Honus Gent (Peter Strauss) und Soldier Blue<br />
der weißen Häutlings-<br />
Gattin Cresta Maribell<br />
Lee (Candice Bergen)<br />
über den Umgang<br />
mit den Indianern zu<br />
Soldier Blue thematisierte ein<br />
beschreiben, endet<br />
Massaker an die Cheyenne<br />
der Streifen in dem<br />
bis dato brutalsten ten Szenario der<br />
Filmgeschichte. e. Regisseur<br />
Ralph<br />
Nelson quält den<br />
Zuschauer mit<br />
Unmen schlichkeiten,<br />
wie sie<br />
der gemeine<br />
Amerikaner vermutlich<br />
niemals<br />
für möglich<br />
Das Ende des Films: Trotz Sieges kein Triumph<br />
gehalten hätte. Als Vorlage des dargestellten Infernos diente das<br />
Massaker der US-Kavallerie an 500 Cheyennes am Sand Creek von<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 23
1864. Wenn Nelson in „Soldier Blue" zeigt, wie Frauen die Brüste<br />
abge schnitten werden oder ihnen gar noch Schlimmeres widerfährt,<br />
bleibt er – Überlieferungen nach – immer noch an der Oberfläche.<br />
In Deutschland ist die ungeschnittene Fassung bis heute kaum<br />
zu beschaffen. <strong>Die</strong> übliche Ausgabe ist die FSK-16-DVD mit einer<br />
Spielzeit von 110 Minuten. Im Allgemeinen wird die Originallänge mit<br />
112 Minuten angegeben, es soll aber auch eine Vollversion von 115<br />
Minuten geben. <strong>Die</strong> Brutalität in dem Film war nicht Selbstzweck. Zum<br />
einen galt sie als Weckruf an das US-amerikanische Volk, sich endlich<br />
des an die Ureinwohner begangenen Unrecht zu stellen. Zum anderen<br />
benutzte Nelson das Massaker an den Indianern als Metapher für die<br />
Gräuel, die die US-Army in Vietnam anrichtete. Nach „Wiegenlied …"<br />
war in der immer noch relativ heilen Welt der Cowboys und Sheriffs<br />
nichts mehr, wie es vorher gewesen war.<br />
Little Big Man" (1970), mit Dustin Hoffman in der Titelrolle,<br />
„ funktionierte als Komödie prächtig und gehört zweifellos zu<br />
jenen Filmen der neuen<br />
Sicht auf die Indianer,<br />
die deren Leben auf eine<br />
sehr sympathische und<br />
menschliche Art darzustellen<br />
versuchten. Trotz tragischer<br />
Elemente erschien<br />
der Alltag des roten<br />
Mannes allerdings dann<br />
Little Big Man<br />
doch eher wie ein nicht<br />
enden wollender Klamauk. Auch die<br />
Namensgleichheit des Titelhelden<br />
mit der realen Figur Little Big Man,<br />
jenem Oglala-Sioux, der Häuptling<br />
Crazy Horse ermordete, führte auf<br />
eine falsche Fährte. Es waren aber<br />
nicht nur die Indianer-Kriege des<br />
19. Jahrhunderts, die Vertreibung<br />
und Ausrottung der Natives, die die<br />
Filmschaffenden plötzlich umtrieben.<br />
Auch das Leben in den Reservaten, das Ringen der einstigen<br />
Krieger mit der neuen Situation in einer ihnen völlig fremden Welt vol-<br />
Dustin Hoffman als Titelfigur<br />
ler abstruser Gesetze und Regeln hielten Einzug ins Hollywood-Kino.<br />
Blutige Spur<br />
So flimmerte bereits 1969 der äußerst<br />
bemerkenswerte Streifen „Tell<br />
Them, Willie Boy Is Here" („Blutige<br />
Spur") über die Kinoleinwände. Der<br />
Handlung liegt die wahre Geschichte<br />
des Paiute-Indianers Willie Boy aus<br />
dem Jahre 1909 zugrunde, der<br />
nach einem Gefängnisaufenthalt ins<br />
Reservat zurückkehrt, um mit seiner<br />
Auserwählten Lola das Weite zu suchen.<br />
Als Willie (Robert Blake) deren Vater<br />
tötet, werden er und sein Mädchen von<br />
Sheriff Cooper (Robert Redford) erbarmungslos<br />
gejagt. <strong>Die</strong> Parabel um die<br />
grenzenlose Sehnsucht nach Freiheit<br />
und<br />
Selbstbestimmung<br />
endet tragisch. Daran mussten sich<br />
all jene, die sich für die filmische Umsetzung der<br />
Historie der Ureinwohner interessierten, schnelll<br />
gewöhnen. Selbst die Geschichte des scheinbar<br />
domestizierten Reservats-Indianers Simon<br />
Zuniga (Burt Reynolds), die in „Run, Simon,<br />
Run" (1970) das Gerüst für einen Krimi bildete,<br />
hat einen traurigen Ausgang. Vermutlich nicht<br />
zuletzt auch deshalb, weil die Situation der<br />
indianischen Völker – in diesem speziellen Fall<br />
der Papago – eine durchaus verzweifelte war. <strong>Die</strong> meisten Stämme hatten<br />
ihre Kultur, Religion und Sprache fast verloren. Traditionen wurden<br />
nur noch in Folklore-Veranstaltungen für zahlende Weiße gepflegt.<br />
Auch diesen Teil des Lebens thematisierte „Run, Simon, Run".<br />
Blutige Spur<br />
Nicht zu vergessen ist an dieser Stelle der Versuch, in „The Royal<br />
Hunt Of The Sun" (1969), 9), den Genozid auf dem südamerikanischen<br />
Kontinent zu thematisieren.<br />
Der Untergang des Sonnenreichs<br />
Das war – und<br />
ist es bis heute – unpopulär.<br />
Dabei ließen sich gerade<br />
mit Blick auf die Maya,<br />
Inka und Azteken wahre<br />
Schlachtengemälde malen.<br />
Allerdings haben das Bild<br />
des Indianers der halbnack-<br />
te<br />
Sammler mler und Jäger<br />
der<br />
Prärie geprägt. Hochentwickelte<br />
Kulturen, die zu Zeiten der Conquista<br />
der europäischen Zivilisation bei<br />
weitem überlegen waren, passen<br />
nicht in den Rahmen. Und die UK/<br />
USA-Gemeinschaftsproduktion<br />
„Der<br />
Untergang des Sonnenreichs" (BRD-<br />
Titel) oder „<strong>Die</strong> königliche Jagd<br />
auf die Sonne" (DDR-Titel) gab<br />
nur eine vage Vorstellung von den<br />
Ereignissen um die Vernichtung des<br />
Inka-Reichs. Der eingekerkerte letzte<br />
Christopher Plummer beeindruckt<br />
als Inka-König Atahualpa<br />
große König Atahualpa (Christopher<br />
Plummer) steht hier dem Spanier<br />
Pizarro (Robert Shaw) gegenüber. Beide liefern sich aufschlussreiche<br />
Debatten über Macht, Religion und Wahrhaftigkeit und geben so tiefe<br />
Einblicke in die Wertvorstellungen ihrer Gesellschaften. Wenn am Ende<br />
Atahualpa erdrosselt wird, zweifelt der filmische Pizarro mittlerweile<br />
derart an seinen Idealen, dass er unverkennbar auf die Erlösung des<br />
Königs durch die aufgehende Sonne – Vater und Gott der Inka – hofft.<br />
<strong>Die</strong> 70er Jahre brachten noch einige<br />
maßgebliche Indianerfilme hervor, die<br />
dieses Subgenre deutlich prägten. „I Will<br />
Fight No More Forever" (1975, „Ich kämpfe<br />
niemals wieder")<br />
mit Ned Romero<br />
als Chief Josef<br />
thematisierte zum<br />
Beispiel den letzten<br />
verzweifelten<br />
Überlebenskampf Ich kämpfe niemals wieder<br />
der Nez Percé gegen eine zig-fache militärische<br />
Übermacht. Michael Dante glänzte<br />
in „Winterhawk" (1975) als gleichnamiger<br />
Gigant zwischen Mensch und Mythos. <strong>Die</strong><br />
Figuren in dem Film kämpfen nicht nur mit<br />
Winterhawk<br />
ihren eigenen Dämonen, n, sondern vor allem<br />
mit den unwirtlichen<br />
Grauadler<br />
Witterungsbedingungen<br />
eines strengen amerikanischen<br />
Winters.<br />
Bei aller scheinbaren<br />
Abwegigkeit in ihrem<br />
Umgang miteinander ist<br />
es am Ende die Lebensweise der Indianer, die beeindruckt. „Grayeagle"<br />
Adlerflügel<br />
(1977, „Grauadler") mit<br />
Alex Cord in der Titelrolle<br />
brachte einmal mehr den<br />
Zusammenstoß zweier<br />
Welten, die unterschiedlicher<br />
nicht sein konnten, n,<br />
auf die Leinwand, und<br />
„Eagle’s Wing" (1979,<br />
„Adlerflügel") hatte das<br />
Verhältnis von Mensch und<br />
Natur zum Inhalt. Begleitet wurden auch diese Stories immer wieder<br />
von der Darstellung manchmal recht verschiedener Indianervölker.<br />
Seite 24 ■ GoodTimes 1/2013
Foto: © Kinowelt Home Entertainment<br />
Mit dem Niedergang des Westerngenres im Allgemeinen ging<br />
auch die Produktion von Indianerfilmen zurück, weshalb die<br />
80er Jahre eher arm an diesen Themen waren. Trotzdem entstanden<br />
in dem<br />
Jahrzehnt einzigartige Werke, die in ihrer Intensität<br />
die Zeit überdauerten. „Excalibur"-<br />
Regisseur John Boorman wagte sich<br />
an eine Geschichte, die weder in der<br />
Prärie noch in den<br />
Tempelanlagen<br />
agen<br />
Der Smaragdwald<br />
der Hoch<strong>kult</strong>uren spielte. Sein<br />
„The Emerald Forest" (1985,<br />
„Der Smaragdwald") spielte<br />
im Regenwald und war ein<br />
Appell an die Vernunft. Das<br />
Drama um einen Vater, der<br />
zehn Jahre lang seinen bei<br />
Baumfällarbeiten am Rande<br />
des Regenwaldes verlorenen<br />
Sohn sucht, bis dieser ihm<br />
schließlich als junger Krieger<br />
eines kleinen Indianerstammes Der Smaragdwald –<br />
aus dem Busch entgegentritt, ein Film mit Ökobotschaft<br />
funktioniert gleichzeitig als Spiegel, der den westlichen Zivilisationenili<br />
vorgehalten wird, die sich in ihrer Unersättlichkeit an den Ressourcen<br />
dieses Planeten bedienen. Rücksicht auf das Leben anderer Kulturen<br />
und auf die eigene Zukunft wird nicht genommen. Und so steht am<br />
Ende des Films der Entschluss des jungen Tomme (Charley Boorman),<br />
im Dschungel zu bleiben, als eine Abkehr vom bedingungslosen<br />
Fortschrittsglauben. Der Film hausiert mit schönen Bildern, die fast ein<br />
bisschen was von der „Blauen Lagune" haben. Gleichzeitig wird die<br />
Lebensweise der Dschungelmenschen skizziert und ihre Hilflosigkeit<br />
gegenüber den immer tiefer in ihren Lebensbereich vorstoßenden<br />
Eindringlingen deutlich gemacht.<br />
<strong>Die</strong> nordamerikanischen Indianer kamen in den 80ern vor allem mit<br />
Einblicken in das aktuelle Reservats-Dasein zum Zuge. 1988 erschien<br />
der erschütternde Streifen „War Party" („<strong>Die</strong> jungen Krieger"), der<br />
heranwachsende Schwarzfuß- <strong>Die</strong> jungen Krieger<br />
Indianer auf ihrem tödlichen<br />
Weg zurück zu traditionellen<br />
Werten zeigt. Der Streifen ist<br />
voll von Symbolik und schlägt<br />
mit einem Finale zu, das selbst<br />
den Hartgesottensten in die Knie<br />
zwingt. „Pow Wow Highway" ist<br />
thematisch ähnlich ausgerichtet,<br />
wenngleich die Story als Roadmovie angelegt ist und die Dramatik<br />
moderater ausfällt. Nichtsdestotrotz geht es an die Nieren, wenn man<br />
dem fast einfältigen und schwerfälligen Philbert Bono (Gary Farmer)<br />
dabei zusieht, wie er voller Stolz und Hingabe an den Ritualen und<br />
Weisheiten seines Volkes festhält, während der Vietnam-Veteran und<br />
eigentliche Prototyp eines Kriegers, Buddy Red Bow (Adolph Martinez),<br />
in seiner Verbitterung Traditionen mit Verachtung begegnet und nur<br />
langsam das Selbstverständnis als Indianer zurückzufinden vermag.<br />
Allerdings setzte sich auch in den 80ern die filmische Erforschung<br />
der Historie fort. So ist „Windwalker" (1981) eine Bilderflut aus<br />
Mythologie und Kultur. Geredet wird in dem Streifen fast ausschließlich<br />
die Originalzunge der Cheyenne und Crow, die Handlung beschränkt<br />
sich auf den Umgang der beiden genannten Völker miteinander. Der<br />
Weiße als typischer Gegenpart bleibt außen vor. Schon deshalb und<br />
durch sein geradezu bleischweres Erzähltempo avancierte „Windwalker"<br />
zu einem Insidertipp. Für Unterhaltung am Nachmittag ist dieser Movie<br />
nicht geeignet.<br />
Foto: © Kinowelt Home Entertainment<br />
<strong>Die</strong> 90er brachten eine<br />
Renaissance des Western, die<br />
nicht unmaßgeblich von einem der<br />
wohl bedeutendsten Indianerfilme<br />
aller Zeiten mit eingeläutet wurde:<br />
„Der mit dem Wolf tanzt" (1990).<br />
<strong>Die</strong> Geschichte des Soldaten, der das<br />
Leben der Sioux kennen und lieben lernt, am<br />
Expansionsdruck seiner Landsleute allerdings<br />
ebenso zerbricht wie das Volk, das ihm einee<br />
neue Heimat gab, entwickelte sich zu Kevin<br />
Costners unerreichtem Meisterwerk. Und es<br />
zog weitere Produktionen dieser Art nach<br />
sich. Der Umgang mit der amerikanischen<br />
Urbevölkerung erfuhr in Epen vom Schlage<br />
„Son Of A Morning Star" (1991 – thematisierte<br />
die Schlacht General Custers am Little<br />
Big Horn) oder „Geronimo" (1993 – über<br />
den letzten Freiheitskampf der Apachen)<br />
eine historisch bedeutsame Ernsthaftigkeit. it<br />
„Thunderheart" (1992, „Halbblut") mit Val<br />
Kilmer in der Hauptrolle bewies, dass eine<br />
Krimistory aus einem Reservat, die sich um das<br />
Leben der Indianer von heute drehte, das Zeug<br />
zum Blockbuster hatte. Kleinere Produktionenn<br />
wie „<strong>Die</strong> Rache des Wolfes" (1991, Graham<br />
Greene als Arthur) im Stile eines Rache-Western<br />
mit ökologischer Botschaft oder „Black Robe"<br />
(Kanada, 1991), wo man einen katholischen<br />
Missionar auf seinem Weg unter anderem durch<br />
Foto: © Kinowelt Home Entertainment<br />
Der mit dem<br />
Wolf tanzt<br />
das Land der Irokesen begleitet, vervollständigten das Bild der vielen<br />
Völker des nordamerikanischen Kontinents.<br />
Indianerfilme begannen, an den Kassen zu klingeln, was merkwürdige<br />
Blüten trieb. So sind Streifen wie „Squanto" (1994), „Smoke Signals"<br />
(1998) oder „Wind River" (2000) in ihrer Oberflächlichkeit und Banalität<br />
mit Vorsicht zu genießen. Selbst die von Steven Spielberg produzierte,<br />
äußerst angestrengt wirkende TV-Serie „Into The West" (2005) ist in<br />
Sachen Aufarbeitung der Indianer-Geschichte eher ein Rückschritt. <strong>Die</strong><br />
in sechs 90-Minütern zusammengedrängte Epoche der Eroberung des<br />
amerikanischen Westens von 1820 bis 1895 beinhaltet Episoden aus<br />
den Indianerkriegen, wie sie jedes halbwegs brauchbare Schulbuch aufzählt.<br />
Feinheiten fehlen völlig. <strong>Die</strong> Indianer sind als sterbende, klagende<br />
und weinende, dem Untergang geweihte Rasse dargestellt. Außerdem<br />
scheint es, als wäre im 19. Jahrhundert in Nordamerika nur Winter<br />
gewesen, da gut 90 Prozent der Szenen in der kalten Jahreszeit spielen.<br />
Geschuldet ist dieser Umstand sicherlich der Tatsache, dass Winterdrehs<br />
weitaus preiswerter umzusetzen sind als Sommeraufnahmen. Übrigens<br />
ein Indiz für die mangelnde Ernsthaftigkeit, mit der Spielberg an das<br />
Vorhaben heranging.<br />
Einer der bedeutendsten Indianerfilme der jüngstenn<br />
Zeit wurde schließlich Mel Gibsons „Apocalypto"<br />
(2006). Noch nie gab es eine derart großartige Reise in<br />
die Welt der Maya, die zum Zeitpunkt der Handlung<br />
nach<br />
vielen<br />
Jahren<br />
der<br />
Dürre kurz vor<br />
ihrem<br />
ersten<br />
großen Niedergang<br />
standen.<br />
Intensiver<br />
Apocalypto<br />
können Kinofilme kaum sein. Wie es gelang, eine Parabel über Liebe,<br />
Heldenmut und Freiheitswillen in den Kontext übermächtiger historischer<br />
Ereignisse zu stellen, ist beispielgebend.<br />
Jens-Uwe Berndt<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 25
"As Time G oes By”:<br />
War Casablanca ein Zufallstr effer?<br />
<strong>Die</strong> Trümmer über Pearl Harbor rauchen noch, als emsige Angestellte<br />
der Warner Brothers bereits die Studiobücherei nach geeigneten<br />
Stoffen durchblättern – geeignet für ein Publikum in Kriegszeiten. Ein<br />
unveröffentlichtes Theaterstück sticht sofort ins Auge: „Everybody<br />
Comes To Rick’s“ handelt von einem Kaffeehausbesitzer in Casablanca,<br />
der den Nazis ein Schnippchen schlägt. Das passt! 70 Jahre sind<br />
vergangen, seit aus diesem Fund der Kultfilm schlechthin wurde:<br />
„Casablanca“. Dass Zitate wie „Uns bleibt immer Paris“ in den allgemeinen<br />
Sprachgebrauch übergingen, liegt an einem Paar Zwillingen.<br />
<strong>Die</strong> umtriebigen Warner-Brüder warten nicht erst, bis Präsident<br />
Roosevelt über die<br />
Studiolautsprecher den<br />
Kriegszustand ausruft. Für die<br />
Kinomogule ist klar: Amerika<br />
Casablanca<br />
wird Krieg an allen Fronten<br />
führen. Und zwar auch an der<br />
Heimatfront. Das Pentagon wird<br />
die Studiobosse noch zu sich<br />
rufen, um sie gemeinsam auf<br />
den Propaganda-Krieg einzuschwören.<br />
Da hat das Warner-Studio bereits für „Casablanca" grünes<br />
Licht gegeben. Hal Wallis, Produktionschef der Warner-Studios und als<br />
strenger Zuchtmeister bekannt, will bei diesem Melodrama an nichts<br />
sparen. Darum ruft er seine besten Auftragsautoren zu sich, die Epsteins.<br />
<strong>Die</strong> Zwillingsbrüder sind Garanten für von Witz sprühende Dialoge.<br />
Denn Wallis will, dass die Sprache „sophisticated" sei. Etwas gibt er<br />
Julius & Philip Epstein mit auf den Weg, als sie an ihre gemeinsame<br />
Schreibmaschine eilen: Sie sollen beim Schreiben der Figur des zynischen<br />
Rick Blaine an Humphrey Bogart denken. Der erste Schritt zur<br />
Legendenbildung ist gemacht.<br />
Ein Zeitsprung von sieben Jahrzehnten: In seinem Wohnzimmer in Los<br />
Angeles holt Jim Epstein den Oscar aus der Vitrine, den sein Dad für das<br />
beste Drehbuch gewinnen sollte. Jim war drei Jahre alt, als sein Vater von<br />
der Preisverleihung zurückkehrte, diesen Oscar in der Hand. Und seit nunmehr<br />
70 Jahren hört er mindestens einmal die Woche ein Zitat, das Vater<br />
und Onkel vor so langer Zeit erdachten: in der Werbung, in der Zeitung,<br />
Sätze wie „Von allen Kaschemmen der Welt kommt sie ausgerechnet<br />
in meine" wurden für die Ewigkeit geschrieben. Es ist trotzdem nicht<br />
so, dass Jim das nicht mehr hören könnte: „Jedesmal, wenn ich einen<br />
dieser Dialoge höre oder lese, denke ich an meinen Vater." Sein persönlicher<br />
Favorit ist der Ausspruch des Polizeipräfekten: „Ich bin schockiert,<br />
entdecken zu müssen, dass hier Glücksspiel betrieben wird", während<br />
er seine eigenen illegalen Gewinne in die Tasche steckt. Ein funkelnder<br />
Epstein-Dialog halt.<br />
Zurück ins Jahr 1942. Viel Zeit, sich solche Bonmots auszudenken, bleibt<br />
den Zwillingen nicht. „Casablanca" steht von Anfang an unter Zeitdruck.<br />
Denn wie Sterne nur alle paar Jahre in einer bestimmten Konstellation<br />
am Firmament zusammenkommen, stehen auch die Stars nur für eine<br />
bestimmte Zeitspanne zur Verfügung. <strong>Die</strong> vielversprechende Schwedin,<br />
die man sich bei einem anderen Studio ausgeliehen hat, Ingrid Bergman,<br />
wird nach Ablauf ihrer festgelegten Drehzeit ihre Haare abschneiden<br />
Seite 26 ■ GoodTimes 1/2013
und an „Wem die Stunde schlägt" weitergereicht.<br />
Und Bogart dreht bis Anfang<br />
Juni ein anderes Kriegsdrama, „Across The<br />
Pacific", das sogar noch umgeschrieben<br />
wird, weil just während der Dreharbeiten<br />
ein Weltkrieg ausbricht – er ist ab Mitte<br />
April frei, mit einer Woche Ferien dazwischen.<br />
Das Zeitfenster ist knapp.<br />
Am 12. Januar überschreiben die Bühnenautoren<br />
die Filmrechte für 20.000 Dollar,<br />
und die Epsteins nehmen sich das Stück<br />
vor. Ihnen bleiben nur wenige Tage, bis<br />
ein Marschbefehl sie nach Washington<br />
beordert, wo sie ihre Schreibkünste für<br />
Propaganda in den <strong>Die</strong>nst des Vaterlands<br />
stellen sollen. Jim Epstein erinnert sich an<br />
die Erzählungen seines Vaters über jene<br />
unsicheren Kriegstage: „Das Schreiben<br />
für Kriegsfilme war dann doch weniger<br />
schmerzhaft, als tatsächlich in den<br />
Krieg zu ziehen." Wallis überlässt dem<br />
Pentagon seine Drehbuchgenies nicht<br />
kampflos. „Der Tag hat 24 Stunden, im<br />
März brauche ich das Script", wettert<br />
er. So stehen die Epsteins jeden Morgen<br />
früh auf, um schon um sechs über<br />
„Casablanca" zu brüten und den Rest des<br />
Tages fürs Militär zu dichten.<br />
Das Originaldrehbuch ist 158 Seiten stark, auf hauchdünnem<br />
Butterbrotpapier geschrieben (der Papierknappheit während des Kriegs<br />
geschuldet). Der weltberühmte Schlusssatz „Ich glaube, das ist der<br />
Beginn einer wundervollen Freundschaft" steht so nicht auf dem Papier.<br />
Nachträglich eingesetzt wird er vom Produzenten selbst, Hal Wallis. Der<br />
schaut bereits ständig auf die Uhr. Denn in der Zwischenzeit läuft der Krieg<br />
ja weiter. Doch Warner landet den ultimativen Timing-Coup: Während der<br />
Dreharbeiten lässt sich der Produzent von Verbindungsoffizieren laufend<br />
über die Fortschritte in Nordafrika informieren. Er weiß, eine Konferenz<br />
zwischen Roosevelt, Churchill und Stalin ist geplant – in Casablanca. Der<br />
Film wird zurückgehalten, bis Casablanca eingenommen ist. Plötzlich<br />
ist der Ortsname, vor 1942 kaum jemandem geläufig, Symbol der<br />
Siegeshoffnung. Der Name (Casa Blanca heißt schließlich übersetzt<br />
„Weißes Haus") ist in aller Munde. Der Film, der zeitlos werden wird, ist<br />
aktueller als die Zeitung von morgen. <strong>Die</strong> Filmrollen werden umgehend<br />
an die alliierten Streitkräfte nach Afrika gesandt, damit, so die Warner-<br />
Wallis macht Warner-Vertragsschauspieler<br />
Bogart die Rolle des Rick schmackhaft.<br />
Bogie will trotzdem das Drehbuch sehen.<br />
Es gibt keines, muss der Produzent zugeben.Und als die Bergman bei der<br />
ersten Besprechung nach dem Plot fragt, gibt man ihr nur zur Antwort<br />
„Keine Ahnung, aber Sie werden sehr hübsche Kleider tragen und eine<br />
herrliche Auftrittsszene haben." Darum verlangt sie, die<br />
Epsteins zu sehen, um sich die Handlung zumindest<br />
mündlich erklären zu lassen. Doch die Gebrüder flüchten<br />
sich in vage Andeutungen wie „... und dann machen wir<br />
das vielleicht so ..." Dass die Bergman bis zur Aufnahme<br />
der Schlussszene nicht weiß, in wen sie sich am Ende<br />
verliebt, ist der Stoff, aus dem die<br />
Legenden gewoben werden.<br />
Denn tatsächlich steht das<br />
Ende so schon von Anfang<br />
an in der Bühnenvorlage.<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Als am 25.<br />
April die erste Klappe<br />
fällt, ist erst ein Viertel<br />
des Skripts beendet.<br />
<strong>Die</strong> Bergman hat<br />
erst Tage vorher<br />
unterschrieben.<br />
Ein Bote bringt<br />
jeden<br />
Morgen die<br />
neuen<br />
Seiten.<br />
Paul<br />
Henreid<br />
lehnt<br />
die Rolle<br />
des<br />
Wider standskämpfers<br />
Lazlo<br />
anfangs sogar<br />
aufgrund<br />
des ersten<br />
Entwurfs<br />
ab: „Das<br />
ist ein<br />
miserables<br />
Drehbuch."<br />
Auch Bogart legt den Finger auf einige<br />
Stellen im Skript: Er findet, man dürfe mit<br />
den Nazis nun nicht mehr so zimperlich<br />
umgehen. Ein Oberbösewicht wird umgehend<br />
hineingeschrieben: der Gestapo-<br />
Major, der von Conrad Veidt verkörpert<br />
wird. Doch das Rewrite können nun definitiv<br />
nicht mehr die überbeschäftigten<br />
Epsteins besorgen, die mit 20.000 Dollar<br />
ausbezahlt werden (was sie unter sich<br />
aufteilen mussten). Ein weiterer Autor wird<br />
hinzugezogen: Howard Koch, Spezialität:<br />
Abenteuerfilm. „Held der 7 Meere" mit<br />
Errol Flynn ist seine Visitenkarte. „<strong>Die</strong><br />
Epsteins haben jede Menge amüsanter<br />
Dialoge geschrieben", stellt er beim Lesen<br />
gleich fest. Tatsächlich werden die scharfzüngigen<br />
Sätze von Rick & Co. nicht nur<br />
die nächste Drehbuchfassung überdauern,<br />
sondern auch die Jahrzehnte. Der<br />
eigentlich sinnlose, aber hinreißende Satz<br />
„Here’s looking at you, kid" (aus dem die<br />
deutschen Übersetzer das sinnvollere, wenn<br />
auch weniger mysteriöse „Ich schau dir in<br />
die Augen, Kleines") machten, kam aus der<br />
Epstein-Schreibmaschine. War der geistige<br />
Vater dieser Sprüche, Vater Epstein, im<br />
echten Leben ein ebenso witziger Mensch?<br />
„Nein", schüttelt Jim den Kopf, „mein<br />
Vater war sogar noch witziger als Rick<br />
Blaine. Er hatte immer eine Pointe parat."<br />
Als der Junge einmal ein Zeugnis voller<br />
Einsen mit einer einzigen Sechs vorlegte,<br />
da zeigte Julius Epstein auf die schlechteste<br />
Note und fragte: „Was soll denn die schlechte<br />
Note hier?" Julius hat seinem Sohn auch das<br />
Geheimnis erfolgreicher<br />
Drehbuchschrei<br />
berei anvertraut:<br />
„Schreibee<br />
nie vor zehn Uhr<br />
morgens<br />
oder<br />
nach zwei Uhr<br />
nachmittags und<br />
unter gar keinem<br />
Umständen im Studio." Anders als<br />
in der Vetternwirtschaft von Tinseltown<br />
so üblich, folgte Jim seinem berühmten<br />
Vater nicht ins Showbusiness nach. Lieber<br />
machte er sich als Jurist einen Namen, und tatsächlich ist er noch heute<br />
in Los Angeles als einer der bekanntesten Strafverteidiger aktiv. „Denn<br />
vor Gericht kann ich Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller in<br />
Personalunion sein."<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 27
Presseabteilung, „die GIs die<br />
Stadt und die Situation sehen<br />
können, die den Film inspiriert<br />
haben". Obwohl der Film<br />
freilich zur Gänze im Studio<br />
entstanden ist. Der Kultfilm<br />
feiert seinen Urstand vor Ort:<br />
„Casablanca" in Casablanca,<br />
kurze Zeit nach Beendigung<br />
der Kampfhandlungen.<br />
Ein Kolumnist rät dem<br />
Kriegsministerium, auch künftige<br />
Invasionen mit den Warner-<br />
Studios zu koordinieren.<br />
Henreid, der neben „Bogie" die<br />
zweite Geige spielen musste,<br />
aber dafür am Ende die Bergman<br />
bekommt: „Ich glaube auch<br />
heute noch, dass ,Casablanca'<br />
enorm überschätzt wird, dass<br />
man Mythen in diesen Film hineindenkt, die weder beabsichtigt waren<br />
noch in ihm stecken." Leonid Kinskey, der den russischen Barmann an<br />
der Theke von Rick’s Café mimte: „Ein hübscher Film, aber kein großer.<br />
Und schon<br />
gar nicht mein<br />
Lieblingsfilm."<br />
2500 Dollar<br />
hat er für<br />
drei<br />
Wochen<br />
Arbeit<br />
erhalten.<br />
„Bogie"<br />
erhielt 3500<br />
wöchentlich,<br />
die<br />
Bergmann<br />
3125 die<br />
Woche.<br />
Am<br />
meisten<br />
strich<br />
ironischerweise<br />
der Bösewicht des<br />
Films ein, 5000<br />
Dollar gingen an<br />
Conrad Veidt.<br />
Nach der Uraufführung<br />
am 26.<br />
November 1942<br />
dämmert<br />
allen<br />
Beteiligten nur langsam: Aus dem Wirrwarr ist ein richtig guter Film<br />
geworden. „Casablanca" ist das hohe „C" von Hollywood. Bei der Oscar-<br />
Verleihung wird er als „Bester Film" ausgezeichnet. Co-Autor Koch, dem<br />
man ebenfalls eine Statuette in die Hand drückt, kann die Aufregung um<br />
den Film lange nicht begreifen: „Ich war blind gegenüber seinen Vorzügen<br />
und sah nur, was ich für seine Fehler hielt. Als ,Casablanca' seine Oscars<br />
erhielt, hatte ich mich an Wunder gewöhnt." Auch Julius Epstein pflegt<br />
zu sagen, dass „Casablanca" letztlich nur eine der ingesamt 52 Fließband-<br />
Produktionen war, die das Studio jedes Jahr im Akkord herstellte. Zweimal<br />
ist ein „Casablanca"-Oscar schon versteigert worden (einen besitzt David<br />
Copperfield). Doch der Epstein-Oscar wird in Familienbesitz bleiben. „Oder,<br />
was ist Ihr Angebot?", witzelt Epstein Junior.<br />
In Deutschland findet „Casablanca" freilich erst<br />
nach dem Krieg den Weg in die Lichtspielhäuser.<br />
Dort nimmt der Cineast verwundert zur Kenntnis,<br />
dass aus dem Widerstandkämpfer Lazlo plötzlich<br />
der „bekannte Wissenschaftler Larrson" geworden<br />
ist. Er ist auch nicht auf der Flucht vor<br />
deutschen Häschern, nein, er beschützt seine<br />
Erfindung, die „Delta-Strahlen". „Casablanca"<br />
kommt zuerst in einer stark gekürzten Fassung<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
ins Kino, in der die deutschen Bösewichter auf<br />
wundersame Weise gänzlich aus der Handlung<br />
entschwunden und alle Dialoge entsprechend<br />
„angepasst" sind. Erst 1975 wird die bis heute<br />
gültige Synchronfassung hergestellt und zuerst<br />
in der ARD gesendet.<br />
Ein Film mit weltweiter Anhängerschaft verlockt<br />
umsatzfreudige Produzenten nicht selten<br />
dazu, aus einer Fortsetzung Kapital schlagen<br />
zu wollen. <strong>Die</strong> Reanimation ist bisher auf zwei<br />
Versuche beschränkt geblieben: 1955 lancierte<br />
der amerikanische TV-Sender ABC als Sequel<br />
eine ausgewachsene Fernsehserie, mit weniger<br />
als respektablen Quoten. Und 1983 kehrte Rick<br />
erneut wie ein Lazarus aus der Grube zurück<br />
unter die Lebenden, diesesmal für NBC, aber<br />
ebenso glücklos, obwohl Julius Epstein einige<br />
Episoden mitschreibt. „Er muss das wohl nur fürs<br />
Geld gemacht haben", wirft Jim Epstein entschuldigend<br />
ein. Ein Kult lässt sich eben nicht so<br />
einfach kopieren. Tatsächlich entwickelt „Casablanca" eine Eigendynamik,<br />
die niemand steuern kann. Zum Beispiel der unsterbliche Satz „Play it<br />
again, Sam", der für Hollywood-Romantik schlechthin steht – er kommt<br />
im Film gar nicht vor. Ingrid Bergman selbst findet das erst heraus, als sie<br />
sich die Persiflage „Play it again, Sam" mit Woody Allen ansieht. „Play it,<br />
Sam" sagt sie im Film. „Wenn ich’s so bedenke, klingt ,Play it again, Sam'<br />
wirklich besser." Über diese Art der Legendenbildung kann Jim Epstein<br />
nur wissend lächeln. Sein Vater hätte gesagt: „Das ist eben Hollywood."<br />
Stephen Bogart, Humphreys Sohn, schrieb ein ganzes Buch voll über den<br />
langen Schatten, den sein Vater wirft. Menschen, die ihn kennen lernen,<br />
halten es für amüsant, ein Gespräch mit „ich glaube, dass ist der Beginn<br />
einer wundervollen Freundschaft" anzufangen. Worauf der junge Bogart<br />
nur erwidern kann: „Ich verstehe." Er hat diese Konversation in ähnlicher<br />
Form „über eine Million Mal geführt". Umberto Eco („Der Name der<br />
Rose") hat sich der Frage, ob ein Kult planbar ist, sogar wissenschaftlich<br />
angenommen und kommt zum Schluss: „Kein Mensch kann einen Film<br />
wie ,Casablanca' planen." War der größte Kult der Filmgeschichte ein<br />
Zufallstreffer? „<strong>Die</strong> Natur hat gesprochen anstelle der Menschen." Sicher<br />
ist nur: So, wie Klavierspieler Sam immer wieder aufgefordert wird, für die<br />
Liebenden "As Time Goes By" zu spielen, wie die Zeit vergeht also, wird<br />
die Zeit diesem Klassiker nichts anhaben können.<br />
Als Ingrid Bergman auf ihre alten Tage vom<br />
British Film Institute eingeladen wurde, einen<br />
Vortrag zu halten, musste sie gestehen, den Film<br />
30 Jahre nicht gesehen zu haben. Als man ihr<br />
den Streifen vorführte, rief sie überraschend aus:<br />
„Mein Gott, ist das ein guter Film!" Was ganz<br />
genau der Emotion der Fans entspricht, wenn die<br />
„Casablanca" wieder und wieder besuchen.<br />
Roland Schäfli<br />
Seite 28 ■ GoodTimes 1/2013
Daliah Lavi<br />
Von Philipp Roser<br />
Nach dem Abschied<br />
Hoffnung auf Frieden<br />
2009 gab Daliah Lavi ihre Farewell"-Tournee und nahm in zwölf deutschen Städten<br />
"<br />
Abschied von ihren Fans. Ich betrachte mein Leben als eine Art Baum mit<br />
vie<br />
len ineinanderer<br />
"<br />
verschränkten Ästen und Zweigen. Eine Sache führt zur nächsten, und di<br />
ese unzähligen<br />
Verbindungen und Verstrebungen haben mich an den Punkt geführt, an dem ich heute<br />
stehe", sagte die am 12. Oktober 1942 als Daliah Levenbuch in Shavei Zion na<br />
he Haifa<br />
(Israel) geborene Künstlerin damals und beschrieb damit ihre Karriere treffend.<br />
Fotos: © Koch Universal Music<br />
<strong>Die</strong> Tochter einer deutschen Mutter und eines rus-<br />
dir! Für mich waren<br />
sischen Vaters feierte Erfolge als Schauspielerin<br />
die Konzerte in<br />
und Sängerin, nachdem sie nach dem Wehrdienst in<br />
der israelischen Armee zunächst als Model gearbeitet<br />
Deutschland fantastisch.<br />
Ich kam<br />
hatte – und 1960 eine Rolle im deutsch-israelischen<br />
in Kontakt mit<br />
Film „Brennender Sand" ergatterte. Mit Gerd Fröbe<br />
jungen<br />
Menschen,<br />
spielte sie im Jahr darauf „Im Stahlnetz des Dr.<br />
Mabuse". Ihr Mitwirken in der Karl-May-Adaption<br />
und die waren nicht<br />
verantwortlich für den<br />
„Old Shatterhand" mit Lex Barker und Pierre<br />
Holocaust", sagte<br />
Brice erweiterte ihre Anhängerschar. Doch<br />
nicht nur in der Heimat ihrer Mutter stand<br />
sie vor der Kamera: Ihre erste Ehe (mit dem<br />
Kaufhausmagnaten Jacques Gerard) verschlug<br />
sie nach Paris. „Exotische Schönheit" attestierten<br />
Kritiker dem Sprachtalent, das Englisch,<br />
Deutsch, Französisch, Russisch, Italienisch und<br />
Schwedisch spricht – und dann auch viele seinerer<br />
Lieder in einigen dieser Sprachen anstimmte. Rund 40<br />
die Künstlerin einmal in<br />
einem Interview. Und eben<br />
diese jungen Deutschen sah sie<br />
durchaus bewusst als ihr Publikum.<br />
„Ältere Menschen sind nicht mehr so offen,<br />
sie haben ihre Vorlieben, wären auch nicht zu<br />
mir gekommen." Reaktionen auf ihr Jüdischsein habe<br />
sie<br />
außerdem gar nicht an sich herangelassen. „Ich habe ihnen<br />
nicht das Gefühl gegeben, mich angreifen zu können."<br />
Filme drehte sie, von denen sie selbst nur einen als<br />
gut bezeichnete: die in Deutschland nicht gezeigte Heute lebt die vierfache Mutter und fünffache Großmutter<br />
italienisch-französische Produktion „Il demonio" von<br />
Daliah Lavi mit ihrem vierten Ehemann, einem Industriellen,<br />
1963. Ende der 60er Jahre nahm die Schauspielerin<br />
zurückgezogen in den Vereinigten Staaten, hat inzwischen<br />
erstmals als Künstlerin Abschied – von der Leinwand.<br />
auch die US-Staatsbürgerschaft. Interviews gab sie selbst zur<br />
Veröffentlichung von MEINE WELT nicht mehr. Sie hört inzwischen<br />
1969 erhielt Daliah Lavi nach einem Auftritt in der<br />
am liebsten klassische Musik, schaltet zwischendurch das Radio<br />
BBC-Show „It’s Topol" ihren ersten Plattenvertrag beim UK-Label ein, „aber meine eigene Musik höre ich nicht. Manchmal lege ich auch<br />
Festival Records. Hier zu Lande nahm sie für Polydor auf, und ihre erste<br />
Single "Liebeslied jener Nacht" bescherte ihr einen Achtungserfolg. Der ist<br />
jetzt auch auf der CD MEINE WELT – DAS BESTE 1970–2008 zu hören,<br />
die ihr Label anlässlich ihres 70. Geburtstags samt DVD veröffentlicht hat.<br />
Einmal mehr deutlich wird, dass die Israelin stets zwischen Schlager, Pop<br />
(teils mit Country-Flair) und Chanson pendelte – und selbst die vermeintlich<br />
leichte musikalische Kost ist des Hinhörens wert, sang sie<br />
doch oft nachdenkliche, tiefergehende Texte – man denke<br />
nur an "Wer hat mein Lied so zerstört, Ma" oder die<br />
Beziehungsnummer "Willst du mit mir gehen". Texter<br />
wie Miriam Frances oder Michael Kunze blieben<br />
bei ihren deutschen Texten, die sie Lavi für ihre<br />
neue Musik auf, Rock wie Bruce Springsteen", verriet sie 2008 anlässlich<br />
der Veröffentlichung ihres letzten Albums C'EST LA VIE – SO IST DAS<br />
LEBEN. Jahrelang hatte sie alle Angebote abgelehnt,<br />
ein neues Album aufzunehmen. „Erst als ich alte<br />
Notizen durchschaute, fand ich Sachen, die etwas<br />
anders waren als das, was ich schon gesagt hatte,<br />
abgeklärter, gelassener – bis dahin hatte ich<br />
gemeint, in meinen Liedern schon alles<br />
gesagt zu haben", begründete sie<br />
seinerzeit die Rückkehr ins Studio,<br />
um fünf neue Lieder zu singen<br />
und zehn alte Songs erneut einzuspielen.<br />
deutschen Versionen internationaler Hits auf die<br />
Stimmbänder schrieben, häufig nicht nur an der<br />
Doch Hoffnungen auf eine Rückkehr der nun<br />
Oberfläche.<br />
70-Jährigen auf die Bühne oder ins Studio<br />
sollten sich ihre Fans nicht machen. Es bleibt dabei,<br />
was sie 2008 im Vorfeld ihrer Abschiedstournee<br />
gesagt hatte: „Ich komme zurück, um goodbye<br />
zu sagen!"<br />
Während des Holocausts verlor Daliah Lavi<br />
Angehörige durch den Nazi-Terror und<br />
hatte nach eigenen Angaben anfangs durchaus<br />
Skrupel, mit "Liebeslied jener Nacht" ihr erstes<br />
Lied auf Deutsch zu singen und nach Deutschland<br />
zu kommen. „Etwas zögerlich war ich schon –<br />
nicht meinetwegen, sondern weil ich mich fragte,<br />
was meine Mutter dazu sagen würde. Also habe ich<br />
sie gefragt, und sie antwortete ganz einfach: Ich vertraue<br />
Daliah Lavi lebt heute zurückgezogen<br />
in den USA<br />
Israel bezeichnet Daliah Lavi als ihre Heimat,<br />
die Welt als ihr Zuhause. Und sie bewahrt sich<br />
weiter ihren großen Traum: „Jerusalem heißt ,du wirst<br />
den Frieden sehen' – und es wäre mein größter Wunsch,<br />
diesen Frieden noch zu erleben, bevor ich gehe."<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 29
uten Abend, meine lieben Freunde", waren stets seine<br />
Begrüßungsworte. Und immer war ein Tier aus seinem<br />
„ Frankfurter Zoo mit dabei: besagte<br />
Geparden-Dame Cheetah, ein Baby-Tapir,<br />
„possierliche" (sein Lieblingswort) kleine<br />
Nager, die sich in seinem Anzugärmel versteckten,<br />
Schlangen, die sich auf dem Pult<br />
vor ihm räkelten. 175 Folgen lang beeindruckte<br />
Grzimek mit fantastischen Berichten<br />
über alles zwischen Feldhase und Flusspferd,<br />
wohlgemerkt im Abendprogramm zur besten<br />
Sendezeit. Produzent war übrigens Martin<br />
Jente, von dem manche heute immer noch<br />
denken, er hätte stets nur Hans-Joachim<br />
Kuhlenkampf in den Mantel geholfen.<br />
Bernhard<br />
Grzimek<br />
Wer würde in einem Moment, in<br />
dem er am Moderatorentisch plötzlich<br />
von einem Gepard angesprungen<br />
wird, wohl sagen: „Nun komm,<br />
mach' mir nicht den Anzug kaputt „<br />
– Bernhard Grzimek hat es getan<br />
und die Raubkatze namens Cheetah<br />
lässig von der Schulter gewischt.<br />
„Ein Platz für Tiere „ war – heute<br />
gar nicht mehr vorstellbar – eine<br />
Fernsehsendung über unsere animalischen<br />
Freunde, die live (!) ausgestrahlt<br />
wurde.<br />
Der Mann mit dem Gummi-Nashorn<br />
nun mal sein. Schön ist auch seine trockene<br />
Aussage „Der einzige, der einen Ozelotpelz<br />
wirklich braucht, ist ein Ozelot." Nebenbei<br />
filmte er auch mal geheim im Stall seines bis<br />
dahin für ihn absolut integren Eierlieferanten<br />
und machte die<br />
Öffentlichkeit auf die<br />
Gräuel der Massentierhaltung<br />
aufmerksam.<br />
Und auch Willy<br />
Brandt vergrätze er, nachdem der ihn 1970 zum<br />
Bundesbeauftragten für Naturschutz gemacht<br />
hatte. Grzimek schmiss den Job bald wieder hin,<br />
weil er das Gefühl hatte, vor den Parteikarren<br />
gespannt worden zu sein.<br />
1945 – Bernhard Grzimek war gerade 36<br />
Jahre alt – erfüllte sich für den Tierarzt<br />
und Verhaltensforscher ein langgehegter<br />
Jugendtraum: Er wurde Chef des nach den<br />
Kriegswirren fast völlig zerstörten Frankfurter<br />
Zoos. Nur etwa 20 größere Tiere hatten die<br />
Bombardements überlebt. Schon frühzeitig ließ<br />
er Kreativität und Marketinggespür erkennen.<br />
Er veranstaltete Modeschauen im Zoo, holte<br />
sich Schausteller und steckte dafür so manche<br />
Kritik ein. Aber der Rubel rollte, und der Zoo<br />
erholte sich schnell. Über eine halbe Million<br />
Besucher fanden sich dort bis Ende 1945 ein – eine stattliche Zahl.<br />
die Region zu spülen.<br />
Auch der deutsche Ostafrika-Tourismus –<br />
mag man heute zu ihm stehen, wie man<br />
will – ist in gewisser Weise auf seinem<br />
Mist gewachsen. In einer seiner Sendungen<br />
berichtete er, man könne seit kurzem auch<br />
Pauschalreisen in diese Region buchen, um<br />
sich von der Schönheit der Natur selbst zu<br />
überzeugen. Das war schlichtweg gelogen,<br />
aber diverse Reiseveranstalter kamen plötzlich<br />
ins Schwitzen, weil sie meinten, einen Trend<br />
zu verpassen, und plötzlich gab es Angebote<br />
überall. Grzimeks ursprüngliches Ziel: Geld in<br />
Anfang der 50er Jahre flog er nach Afrika, um einerseits<br />
Verhaltensforschung zu betreiben, andererseits um Tiere für seinen Zoo<br />
einzufangen. Unvergessen sein halsbrecherischer Versuch, ein Nashorn<br />
für eine Gummipuppe (natürlich einem Nashorn nachgebildet) zu erwärmen.<br />
Er schob die Attrappe vom Gesäß her auf den sichtlich irritierten<br />
Geschlechtspartner zu, der es aufs Horn nahm. Das hätte richtig schiefgehen<br />
können. Sein später abgedrehter Oscar-prämierter Dokumentarfilm<br />
„Serengeti darf nicht sterben" war die Krönung seiner Karriere, schwer<br />
getrübt durch die Tatsache, dass sein Sohn Michael kurz vor Ende der<br />
Dreharbeiten bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückte.<br />
Grzimek war ein unbequemer Zeitgenosse – im positiven Sinne. Lange<br />
vor Greenpeace prangerte er das Robbenschlachten in Kanada an und<br />
zeigte erstmals im deutschen Fernsehen das Gemetzel, nicht ohne sich<br />
gleichzeitig bei den Zuschauern dafür zu entschuldigen. Aber es müsse<br />
Bernhard Grzimek war also auch ein Schelm, ebenso daran zu erkennen,<br />
wie er auf Loriots „Steinlaus"-Parodie reagierte. Sein Enkel Christian<br />
berichtet darüber hinaus zum Beispiel von<br />
einem Kothaufen, den der Tierfachmann<br />
daheim auf dem Toilettendeckel platzierte<br />
und sich köstlich darüber amüsierte,<br />
dass viele der anwesenden Gäste betreten<br />
und weiterhin unentlas tet wieder ins<br />
Wohnzimmer zurückkamen.<br />
Bernhard Grzimek starb am 13. März 1987 <strong>Die</strong> Grabstätte<br />
in Frankfurt während einer Vorstellung<br />
am Ngorongoro-Krater<br />
des Zirkus‘ Althoff – welch ein Ende. Seine Urne wurde nach Tansania<br />
überführt und am Ngorongoro-Krater neben der Grabstätte seines<br />
Sohnes Michael beigesetzt.<br />
Oliver Schuh<br />
Seite 30 ■ GoodTimes 1/2013
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GoodTimes 1/2013 ■ Seite 31
"<br />
Was so alles geschieht in der Carnaby Street",<br />
sang Peggy March 1969. Und was sie dann so<br />
aufzählte, klang eher ernüchternd. Man hätte<br />
meinen können: Passiert sei da mal herzlich<br />
wenig. "<br />
<strong>Die</strong> Girls und die Boys" kommen aus<br />
ihrem Haus rausgeschlichen, "<br />
ein Carnaby<br />
Boy" spielt auf seiner "<br />
Gitarre ein Lied für die<br />
Leute", und dann "<br />
geht der Beat in die Beine,<br />
und die Melodie geht ins Ohr, und alle denken<br />
an das eine." An was eigentlich? Was geschah<br />
also wirklich in der Carnaby Street?<br />
Miniröcke und kleine Handtaschen, auch für Männer<br />
(nur die Handtaschen), das Straßenbild war geprägt<br />
von Fashion und Angesagtsein. Mit Bowler und<br />
Anzug traute sich kein Banker oder Versicherungskaufmann,<br />
dort durchzugehen. <strong>Die</strong>sen Anputz tauschte man besser in<br />
karierte Hose, Käppi und Sonnenbrille um, und die abgelegten<br />
Klamotten ließ man gleich zur Entsorgung im Laden oder nahm<br />
sie in der neutralen Tasche mit.<br />
Eigentlich war die Carnaby Street in Soho immer gut versteckt<br />
neben der berühmten Regent und der nicht minder bekannten Oxford<br />
Street gewesen. 1683 erstmalig urkundlich aufgetaucht, weiß heute<br />
scheinbar keiner mehr, woher der ursprüngliche Name<br />
Karnaby House stammt, aber immerhin wurde<br />
innerhalb von nur etwas mehr als zehn Jahren<br />
eine komplette Straße erbaut mit kleinen<br />
Häusern, Mauer an Mauer. Und nur<br />
weitere 130 Jahre später gab es<br />
auch schon den ersten Marktplatz.<br />
Weiterhin verbürgt ist, dass 1934<br />
der erste Jazz-Club gegründet<br />
wurde. Amy Ashwood Garvey<br />
und Sam Manning nannten ihn<br />
den Florence Mills Social Club<br />
als Anlaufstelle für tolerante<br />
Musikliebhaber. Insbesondere die<br />
schwarzen Intellektuellen füllten<br />
den Club. Sam Manning, der zuvor<br />
am Lafayette Theatre mit Fats Waller<br />
aufgetreten war, gilt heute als einer<br />
der ersten Calypso-Künstler, die internationalen<br />
Ruf genossen.<br />
24 Jahre später wurde John Stephen der Urvater des<br />
Modebooms. Er war ein Visionär, und auch im Nachhinein ist nicht klar,<br />
was ihn umtrieb, einfach mal einen Laden in der versteckten Carnaby<br />
Street aufzumachen, die bis dato alles andere als hip war. Er gründete<br />
die Boutique His Clothes, nachdem sein Laden in der Beak Street abgebrannt<br />
war, Läden wie Kleptomania, Mates, Ravel und andere folgten<br />
<strong>Die</strong> Carnaby Street:<br />
Vom Underground-<br />
Trendsetter zum Hype<br />
bald. Stephen verkaufte<br />
in seinen Geschäften wie<br />
Male West One, Mans<br />
Shop, eben „His Clothes",<br />
und natürlich folgerichtig<br />
„Her Clothes", Krawatten,<br />
Accessoires, Hüte und<br />
Satin. <strong>Die</strong> scharfen<br />
Schuhe gab es später<br />
bei Topper – es war wie<br />
eine nur kurz vorbereitete<br />
Revolution, die aus einer<br />
West-End-Seitenstraße<br />
plötzlich das modische<br />
Epizentrum von Swinging<br />
London machte.<br />
<strong>Die</strong> Modedesigner schossen<br />
plötzlich wie Pilze aus<br />
dem Boden. Mary Quant,<br />
die später den Minirock<br />
erfinden sollte (was ihr<br />
nach wie vor von einigen<br />
Kreativen bis heute streitig<br />
gemacht wird) und<br />
Warren und David Golds Lord John-Boutique<br />
andere Modelle aus Stoffen wie PVC entwickelte, aus denen man früher<br />
höchstens Fußbodenbeläge hergestellt hatte. Es war auch Mary Quant,<br />
durch die das Dürreperiode-Model Twiggy bekannt wurde;<br />
Marion Foale und Sally Tuffin, die schon 1962 vom<br />
„Vogue Magazine" gepusht wurden – die Liste<br />
ist lang.<br />
Ein paar Jahre später: Wer sich jetzt<br />
immer noch etwas schämte, den<br />
Busen unter der durchsichtigen<br />
Bluse durchscheinen zu lassen,<br />
bekam ein Body-Painting dazu,<br />
und das Gesamtkunstwerk<br />
war komplett. Aus den<br />
Grußkarten vom letztjährigen<br />
Weihnachtsfest machte die Lady-<br />
Jane-Boutique einen nicht ganz<br />
den Körper betonenden, aber doch<br />
aufreizenden Minirock. Lilafarbene<br />
Schnürstiefel waren plötzlich in, und<br />
im Shop I Was Lord Kitchener’s Valet<br />
(auch einer der ersten in der Carnaby Street)<br />
wurden in Anlehnung an alte britische Traditionen<br />
die Uniformen des Hier und Heute verkauft. Und natürlich<br />
war alles, was aus der Carnaby Street kam, schon mal in, bevor es<br />
überhaupt verkauft war. <strong>Die</strong> Kids hatten sich epidemisch befruchtet<br />
und bereiteten den Weg, den das Film- und Musikgeschäft zwangsläufig<br />
zu beschreiten hatte, was vielen nicht nur Schmerzen bereitet<br />
haben dürfte.<br />
Seite 32 ■ GoodTimes 1/2013
Es gibt viele fröhliche Bilder von<br />
Jayne Mansfield, Liberace, Faye<br />
Dunaway, Barry Gibb (natürlich<br />
bei Lord Kitchener’s eingekleidet),<br />
Brigitte Bardot – und schön hat es<br />
Donovan auf den Punkt gebracht:<br />
„Es war nach dem Weltkrieg, es<br />
war schon wieder Kalter Krieg,<br />
und wir hatten einfach keine Lust<br />
auf diesen ganzen Quatsch. Wir<br />
zogen uns unsere Träume an."<br />
Warren Gold, über ein Dutzend<br />
Jahre Inhaber der legendären Lord<br />
John-Boutique, sagt heute: „Es<br />
war alles eine riesige Explosion,<br />
die Musik, die Drogen, die Mode<br />
– wir wollten uns einfach nur<br />
befreien."<br />
... und immer wieder illustre Kundschaft<br />
Und natürlich die<br />
Bands. Ob die Small<br />
Faces, die Who,<br />
die Stones und<br />
die Beatles – sie<br />
alle traten ja nicht<br />
nur im Marquee<br />
Club um die Ecke<br />
in der Wardour<br />
Street oder sonstwo<br />
in London auf,<br />
sondern nutzten<br />
ihre Nachmittage<br />
vor den Auftritten<br />
zu ausgedehnten<br />
Shopping-Touren<br />
und mischten sich<br />
unters Volk. Allein dafür lohnte es sich schon, sich hier aufzuhalten<br />
und den mehr oder weniger zufälligen Körperkontakt zu seinen<br />
Heroen herzustellen.<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 33<br />
Und die Carnaby Street ist natürlich<br />
nicht nur von Peggy March besungen<br />
worden. <strong>Die</strong> Kinks zum Beispiel<br />
machten sich auf "Dedicated<br />
Follower Of Fashion" lustig über<br />
die „Carnabetion Army", die ihren<br />
Marsch durch London und den Rest<br />
der interessierten Mode-Welt durchführte.<br />
The Jam bannten 1977 ihre<br />
persönliche Hommage "Carnaby<br />
Street" auf die B-Seite von "All<br />
Around The World" (immerhin Nr.<br />
13 in England, den Song kriegt man<br />
derzeit nur auf dem DIRECTION<br />
REACTION CREATION-Boxset).<br />
Auch bei den Punks (gut, das hat<br />
ein bisschen gedauert), Goths, New<br />
Romantics sowie Mod-Revival-<br />
Anhängern war die Carnaby Street<br />
in der späteren Phase angesagt,<br />
und auch hier funktionierte die<br />
gegenseitige Befruchtung.<br />
Der "Carnaby Street"-Song der<br />
Volecanoes brachte den dann 1989<br />
mittlerweile überholten Hype auf<br />
den Punkt: „On Carnaby Street<br />
you’ll see: everything is free, everything is free, when you pay."<br />
Von wegen: Küsse unterm Mistelzweig<br />
„Was so alles geschieht/in der Carnaby Street/ja, die Girls und die Boys/<br />
zahlen gerne den Preis/und sie kaufen den Hit/in der Carnaby Street."<br />
Und damit hat Peggy March dann schlussendlich doch wieder Recht.<br />
Ob das noch ein Hit ist, was die Girls und die Boys da kaufen, steht<br />
auf einem anderen Blatt. Heutzutage findet man auch schon mal<br />
einen Puma-Shop und modische Accessoires, die nicht nur in der<br />
Carnaby Street zu erhalten sind. In den 90er Jahren pumpte eine<br />
Immobiliengesellschaft noch mal ordentlich Geld in den Komplex, was<br />
sich zahlenmäßig positiv ausgewirkt haben soll.<br />
Der Besuch lohnt sich allemal für den, der auf der einen Seite<br />
historisch denkt und dennoch nicht erwartet, hier ein längst verlorenes<br />
Gefühl wiederzuentdecken. <strong>Die</strong> drei Meter Berliner Mauer sucht man ja<br />
häufig auch vergebens. Time flies …<br />
Zwei Gedenktafeln gibt es nach wie vor in der Carnaby Street: Haus<br />
Nr. 1 erinnert an John Stephen, eben den Urheber des Hypes, Haus Nr.<br />
52/55 an die Small Faces und ihren Manager Don Arden.<br />
Oliver Schuh
Er passt, aus der Distanz der Jahre betrachtet, überhaupt nicht ins<br />
Bild. Wo fast jeder knallbunte, Augenkrebs auslösende Hawaii-<br />
Hemden trägt, kommt er stets im feinen Zwirn – schwarzer Anzug, weißes<br />
Hemd, Krawatte. Wo die meisten auf der Suche nach der perfekten Welle<br />
oder dem nächsten Schirmchen-Cocktail sind, jagt er zu jeder Tages- und<br />
Nachtzeit und meist auch noch an Wochenenden böse Kriminelle. Wo<br />
"<br />
Aloha-Lässigkeit" zur verschwitzten Touristik-Grammatik des 50.<br />
US-Bundesstaates – daher übrigens der Titel der Krimiserie – gehört,<br />
bleibt er unterkühlt und sagt am Ende fast jeder Folge den zum<br />
Standard, zur "<br />
catch phrase", gewordenen Satz „Book ’em, Danno" zu<br />
seinem leicht tumben Mitarbeiter Danny Williams.<br />
<strong>Die</strong> Rede ist von Detective Steve McGarrett, gespielt von<br />
Jack Lord, der einigen aus dem James-Bond-Film „Dr. No"<br />
bekannt sein dürfte und in Hawaii bis heute hohes Ansehen<br />
genießt. „Hawaii Five-O" (O meint hier den Buchstaben<br />
und nicht die Zahl Null) ging im September 1968 an den<br />
Start und lief, zwölf Staffeln lang, bis April 1980. Damit<br />
gehörte dieses „police procedural drama" zu den am längsten<br />
laufenden Krimiserien der Welt, ein Rekord, der erst<br />
2003 von „Law & Order" eingestellt wurde. Aber es bleiben<br />
genug rekordverdächtige<br />
Daten<br />
und Fakten: 400<br />
Millionen Zuschauer<br />
weltweit, zahlreiche<br />
Re-Runs und 2010<br />
eine Neuauflage<br />
„Hawaii Five-0"<br />
(diesmal ist die<br />
Null und nicht der<br />
Buchstabe gemeint).<br />
Und was selten<br />
Von Teddy Hoersch<br />
Der zweite Mann: Danny " Danno" Williams,<br />
gespielt von James MacArthur<br />
gelingt, schaffte dieses mit Anspielungen auf das Original vollgepfropfte<br />
Format: Auch die Zweitfassung kommt an. Und noch<br />
eine witzige Fußnote im Buch der TV-Geschichte: „Magnum", mit<br />
dem Riesenschnäuzer Tom Selleck, bot anfangs als eine ebenfalls<br />
in Hawaii spielende Serie direkte Referenzen an „Hawaii Five-O".<br />
Der Versuch, den inzwischen in Rente gegangenen Jack Lord für<br />
einen Cameo-Auftritt bei „Magnum" zu reaktivieren, blieb Versuch.<br />
Der Mann mit der immer perfekt liegenden Dreiwetter-Taft-Frisur<br />
lehnte ab.<br />
Wenn man sich fragt, und das muss ja auch bei Erfolgsformaten<br />
erlaubt sein, was das Geheimnis dieser Serie ausmacht(e), stößt<br />
man schnell auf ein ganzes Bündel von Gründen. „Hawaii Five-O"<br />
machte Schluss mit der vorherrschenden Meinung und televisionären<br />
Praxis, dass es klasse<br />
Verbrechen und klasse<br />
Verbrechensbekämpfung<br />
nur in Metropolen<br />
wie New York und Los<br />
Angeles gibt. „Hawaii<br />
Five-O" wurde – anders<br />
als die meisten Serien –<br />
zu zwei Dritteln vor Ort,<br />
an Originalschauplätzen,<br />
geschossen, hatte eine<br />
Hitparaden-taugliche<br />
Titelmelodie, eine preis-<br />
verdächtige Eröffnungssequenz und einen Hauptdarsteller, der als<br />
Figur charismatisch und als Schauspieler ein Perfektionist war. Ohne<br />
die Verdienste seines Sidekicks, des jungen Officers Danny Williams<br />
(gespielt von James MacArthur), oder seines ewigen Erzfeindes<br />
Wo Fat (Khigh <strong>Die</strong>gh) bagatellisieren zu wollen – für die Team-<br />
Architektur waren sie ebenso wichtig wie Chin Ho Kelly, Kono<br />
Kalakaua, Duke Lukela, Ben Kokua und viele andere „regulars" –,<br />
das unbestrittene Zentrum der „Äktschen" war stets Jack Lord<br />
alias Steve McGarrett. Der Zuschauer wusste nicht viel über ihn:<br />
Garrett war mal als Commander bei der Navy gewesen, sein Vater<br />
wurde nach einem Supermarkt-Überfall von einem der fliehenden<br />
© Pressefotos<br />
Seite 34 ■ GoodTimes 1/2013
1<br />
Gangster erschossen, seine Schwester verlor in der ersten Staffel<br />
ein Baby, und manchmal kam eine kurze Rückblende in die<br />
Vergangenheit des Protagonisten. Das war’s – für den ganzen<br />
privaten Schnickschnack, der sich heute gerne als Zweite-<br />
Ebene-Beiwerk durch Krimis rankt, war keine Zeit. Storytelling,<br />
Action, Arbeit ... Und so wurde der in seiner Vorbildlichkeit<br />
manchmal etwas pomadig wirkende Detective der Alptraum<br />
aller organisierten Verbrecher, die die postkartenschöne Hawaii-<br />
Inselgruppe unsicher machen wollten. <strong>Die</strong> Polizei war seine<br />
Braut, sein Beruf Berufung. Dementsprechend zeigte die Kurve<br />
seiner Festnahmen-Statistik auch steil nach oben. In (fast)<br />
jeder Episode konnte Danno die Handschellen klicken lassen.<br />
Wieder ein Böser weggeschlossen, wieder die Welt ein bisschen<br />
besser gemacht, wieder ein Grund mehr, nach Hawaii zu reisen,<br />
wenn man da so gut beschützt wird.<br />
Ob „Hawaii Five-O" den Tourismus zu<br />
den Inseln ankurbelte, war nicht herauszufinden,<br />
klar ist aber, dass es nach<br />
anfänglichem Generalmangel hinterher<br />
eine kleine, aber feine Filmindustrie auf<br />
Hawaii gab und gibt. Wohl auch einer<br />
der Gründe, „Magnum" dort anzusiedeln.<br />
Jack Lord, hier ganz links bei der Arbeit, gilt<br />
auf Hawaii bis heute als Held.<br />
Anzug meets Hawaii-Hemd – von dieser<br />
Kombination lebte die Krimiserie.<br />
Aber zurück zu<br />
den<br />
Erfolgsgründen:<br />
<strong>Die</strong> Ventures verbuchten<br />
mit der<br />
Titelmelodie<br />
eine<br />
Platz-vier-Notierung<br />
in den Billboard-<br />
Charts. <strong>Die</strong> Eröff-<br />
Ärger im Paradies? Kein Problem! Das immer wache<br />
Auge des Gesetzes, Steve<br />
McGarrett, passt auf ...<br />
nungssequenz verdiente seinerzeit cinematografisch<br />
eine Eins plus, und das konsequent durchgezogene<br />
„filmed entirely on location" sorgte für Realität, wo<br />
sonst nur zuckerbäckerartige Kulissen und Sets zu<br />
sehen waren. Aber, und auf die Gefahr hin, mich zu<br />
wiederholen, „Hawaii Five-O" lebte von diesem<br />
coolen, undurchdringlich wirkenden, nicht<br />
um Sympathie buhlenden, unbestechlichen<br />
Steve McGarrett. Er war – perfekt verkör-<br />
pert von Jack Lord – ein Typ, in dessen Gegenwart<br />
man sich etwas sicherer fühlte als vorher, dem man<br />
bedenkenlos seine minderjährige Lolita-Tochter<br />
anvertraut hätte, der die Welt ein bisschen besser<br />
machte. Ein Held auf Hawaii.<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>! verlost auf Seite 19<br />
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Hawaii-Five-O".<br />
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Soundtrack für Eskapisten –<br />
Das Progressive Rock-Revival<br />
So, ich bekenne. Auch auf die Gefahr hin, dass mich radikale<br />
Mitglieder der SGAAK (Selbst ernannte Anti-Anachronistische<br />
Geschmacks-Kontrolle) lynchen und steinigen werden: <strong>Die</strong>ser<br />
Tage habe ich in einem verstaubten Londoner Plattenladen für<br />
lausige fünf British Pounds (ca. acht Euro) einen Progressive-<br />
Rock-Sampler namens JOURNEY TO THE EDGE erstanden.<br />
Ein schauderhaft-altmodisches Cover im Stile des legendären<br />
Fantasy-Pinslers Roger Dean zierte passenderweise den Einband,<br />
auf dem Silberling zu hören sind 18 Stücke von 18 Bands, die<br />
ihre Glanzzeit zwischen den späten 60er und frühen 70er Jahren hatten:<br />
Camel, King Crimson, Emerson Lake & Palmer, Curved Air, Caravan<br />
und so weiter und so fort. Nein, Musikfreaks unter Marillion<br />
30, es handelt sich dabei nicht um rare Stücke<br />
obskurer Psychobilly-Truppen oder um irgendwelche<br />
Techno-Pioniere, die sich mit Erscheinen<br />
von Punk den goldenen Schuss in die zuckenden<br />
Venen jagten. Fragt eure Erzeuger – ich bin sicher,<br />
die Fortschrittlicheren unter ihnen werden einen<br />
feurigen Glanz in ihre Augen bekommen, den<br />
ihr dort nie zuvor erblickt habt. Und wenn ihr<br />
richtig lieb zu ihnen seid, werden sie euch in die<br />
hinterste Ecke des Kellers führen, wo sie mit vor<br />
Erregung zitternden Händen verschrammte Vinylschallplatten<br />
ans Tageslicht zerren, die seltsame<br />
Titel wie THE LAMB LIES DOWN ON BROADWAY,<br />
CLOSE TO<br />
THE EDGE<br />
oder IN THE<br />
COURT OF<br />
THE CRIMSON<br />
KING zieren.<br />
Willkommen<br />
im Reich des<br />
Progressive<br />
Rock, kurz<br />
Prog!<br />
© Pressefoto<br />
Pech zudem<br />
für euch, die<br />
ihr unter 30<br />
seid: Ich habe<br />
mir JOURNEY<br />
Hawkwind<br />
TO THE EDGE<br />
nicht gekauft, weil die Scheibe so billig war<br />
oder weil ich zur unseligen Gattung der verkniffenen<br />
Sammler gehöre, die jede Dekade in<br />
der Geschichte der populären Musik zumindest<br />
durch eine einzige repräsentative Kompilation<br />
dokumentiert haben wollen. Nein, ich habe<br />
sie gekauft, weil mir die Songs darauf gefallen!<br />
Und weil mir jeder einzelne von ihnen<br />
eine Erinnerung an längst vergessen geglaubte<br />
Zeiten zurückbringt. Zum besseren Verständnis:<br />
Ich bin Mitte 40, aber Rock’n'Roll ist elementarer<br />
Bestandteil meines Lebens, seit ich sechsjährig<br />
meine Großmutter nötigte, mir die T.Rex-Single<br />
"Metal Guru" zu beschaffen. Danach ging alles<br />
Schlag auf Schlag: Deep Purple, Led Zeppelin,<br />
Van der Graaf Generator<br />
Von Michael Fuchs-Gamböck<br />
Jethro Tull hießen die Helden meiner<br />
Kindheit. Rockmusik machte fortan<br />
meine Welt bunter und aufregender.<br />
Und wahrscheinlich war ich der<br />
einzige meiner Altersstufe, der sich<br />
die „Bravo" tatsächlich brav jeden<br />
Donnerstag wegen der darin vorgestellten<br />
Bands und nicht wegen der<br />
Aufklärungsseiten geholt hat.<br />
Mit zehn Jahren war ich bei<br />
Gruppen angekommen, die meine<br />
Klassenkameraden<br />
nicht mal buchstabieren<br />
konnten: Gentle<br />
Giant, Iron Butterfly,<br />
Van der Graaf<br />
Generator. 1979 entdeckte<br />
ich – 14-jährig<br />
– Punk, die Sex<br />
Pistols veränderten<br />
mein äußeres Leben<br />
radikal (alleine schon<br />
dadurch, dass ich mir<br />
die Haare lila färben<br />
ließ, was in der<br />
Klosterschule, die ich<br />
besuchte, für reichlich<br />
Aufregung sorgte).<br />
Dennoch, Genesis, Camel oder King Crimson<br />
hatten zuvor radikal meine innere Welt verändert:<br />
Bei Camels Instrumentalepos THE SNOW<br />
GOOSE verwandelte ich mich allen Ernstes in<br />
eine „Schneegans", die durch fremde und bizarre<br />
Welten segelt. Genesis' irrwitziger 22-Minuten-<br />
Trip "Supper's Ready", gepaart mit der Lektüre von<br />
Tolkiens Fantasy-Schmöker „Der Herr der Ringe",<br />
ließ in der Tat einen völlig in sich abgeschlossenen,<br />
äußerst abenteuerlichen Mikrokosmos voller<br />
Feen, Zauberer und unerschrockener Helden vor<br />
meinem geistigen Auge entstehen. Und wenn ich<br />
King Crimsons Meisterstück LIZARD hörte, fühlte<br />
ich mich herrlich unwirklich, obwohl es noch etliche<br />
Jahre dauern sollte, ehe<br />
ich mit Halluzinogenen ganz<br />
ähnliche Erfahrungen machte.<br />
Das alles schaffte Prog-Rock<br />
bei mir, und deshalb war klar,<br />
dass diese Musik nie völlig aus<br />
meinem Leben verschwinden<br />
würde. Oder gibt es jemanden<br />
unter den Lesern, der seine<br />
eigene Jugend verleugnen<br />
würde? Na also!<br />
Foto: © 2005 Paul Ridout<br />
Foto: © EMI Records UK<br />
Zwischen '79 und '82 allerdings<br />
gab es für mich nichts<br />
anderes als Punk. Ich stimmte<br />
blödsinnigerweise in das allge-<br />
Seite 36 ■ GoodTimes 1/2013
Jethro Tull<br />
© Pressefoto<br />
Foto: © Virgin Records<br />
meine Geheul der Jugend ein, dass Yes und Genesis den Rock’n'Roll<br />
verraten hätten mit ihrer Passion fürs Bombastische – nicht bedenkend,<br />
dass diese Gruppen eigentlich mit Rock’n'Roll nicht viel am Hut hatten.<br />
Oder drücken wir es so aus: Wenn die Beatles für den Pop sind,<br />
was Mozart für die Klassik ist, und die Sex Pistols, sagen wir mal, das<br />
Pendant zum Avantgardisten Karlheinz Stockhausen, dann haben Yes<br />
den Stellenwert eines Richard Wagner. Andere Baustelle also. Und<br />
Musik, die man garantiert nicht jeden Tag hören kann. Aber wenn man<br />
sich darauf einlässt, trifft sie dich mit voller Wucht im Innersten. 1983<br />
kaufte ich mir durch reinen Zufall (weil mir das kitschige Cover gefiel)<br />
das Debütalbum einer Band namens Marillion, SCRIPT FOR A JESTER’S<br />
TEAR betitelt. Ich hörte sie mir am Abend zuhause an, und schlagartig<br />
war sie wieder da, die alte Magie – Schneegänse und Feen und<br />
körpereigene Halluzinogene, also das volle realitätsferne Programm.<br />
Ich schubste in meinem Schrank die Damned- und Clash-Platten<br />
weit nach hinten und ersetzte sie durch FOXTROT, TRILOGY und IN<br />
A GLASS HOUSE. Dort sind sie bis heute geblieben und stehen dabei<br />
in friedlicher Eintracht mit Nine Inch Nails, Nirvana oder Portishead.<br />
Verstehen kann diesen wilden Stilmix eigentlich niemand. Ich allerdings<br />
schon – es ist die Plattensammlung eines Menschen, der für jede<br />
der zahlreichen Stimmungen und Gefühle auf seiner Emotionspalette<br />
die passende Musik parat haben will. Und wenn ich (was nicht selten<br />
vorkommt) partout keine Lust auf die grässlich-nüchterne Realität da<br />
draußen habe, dann gönne ich mir eine 40-minütige Flucht mit Hilfe<br />
etwa von CLOSE TO THE EDGE.<br />
Scheint, dass es nicht mehr nur mir so geht, denn das Prog-Rock-<br />
Revival ist, beinahe unbemerkt von der Radiowirklichkeit und von<br />
Dance-Hitfabriken, in vollem Gange. Neo Progressive Rock nennt sich<br />
das Ding, damit gemeint ist bei weitem nicht nur, dass es längst sämtliche<br />
alte Yes- und Genesis-Scheiben auf CD gibt (was die Wahrheit ist),<br />
sondern er steht für eine unüberschaubare Zahl neuer Bands, die sich<br />
konsequent in der Tradition dieses märchenhaften Genres sehen. <strong>Die</strong><br />
Gruppen heißen Pendragon oder Arena, Pallas oder IQ, Spock's Beard<br />
oder Transatlantic, The Flower Kings oder Beardfish. Vor allem in Japan<br />
und Europa feiern solche Bands mit ihren Tonträgern, die oft Songs<br />
von über 20 Minuten Spieldauer beinhalten und alleine schon unter<br />
diesem Aspekt völlig Radio-untauglich sind, beachtliche Erfolge. <strong>Die</strong><br />
Szene wartet mit eigenen Plattenfirmen und -läden auf, mit Fanzines<br />
und Festivals. Doch auch das Majorlabel EMI hat vor nicht allzu langer<br />
Zeit die neu erwachte Leidenschaft für Progressive Rock der alten wie<br />
der jungen Generation entdeckt und in zwei Schüben im Herbst 2011<br />
und im Herbst 2012 Hunderte (!) alter wie neuer Prog-Rock-Scheiben<br />
digital remastert und zu erschwinglichen Preisen wiederveröffentlicht<br />
(Details siehe Kasten). Denn, so ein Sprecher der Plattenfirma: „Prog<br />
ist vielleicht die einzige richtig zeitlose Musik, welche die Rockszene<br />
je hervorgebracht hat. Denn sie lädt zum Träumen ein. Und Zeit für<br />
Träume gibt es immer.”<br />
Steve Hillage, Gitarrist der<br />
Hippi-Combo Gong<br />
Dass Progressive Rock all die Jahrzehnte seit seiner Initialzündung<br />
Ende der 1960er stets eine nicht übersehbare, extrem treue<br />
Fangemeinde hat und sich seit Kurzem zusätzlich in einer Revival-<br />
Phase befindet, ist auch der Musikindustrie<br />
nicht entgangen. Vorreiter<br />
bei der (Wieder-)Entdeckung ist das<br />
Majorlabel EMI zusammen mit den<br />
ihr angeschlossenen Indie-Firmen<br />
Century Media, Inside Out und<br />
Superball. <strong>Die</strong>ses Quartett veröffentlichte<br />
am 23. September 2011 nicht<br />
nur den Doppel-CD-Sampler PROG<br />
ROCKS!, auf dem friedlich alte Heroen wie Barclay James Harvest,<br />
Gong, Gentle Giant oder The Nice mit jungen Heroen wie The<br />
Tangent, Ayreon, IQ oder Oceansize vereint sind, sondern am<br />
selben Tag sage und schreibe 270 (!) CDs und DVDs im Rahmen<br />
der Kampagne Prog Rocks", zu besonders kundenfreundlichen<br />
"<br />
Preisen. Schirmherr der Aktion ist kein Geringerer als Jethro-Tull-<br />
Mastermind Ian Anderson. Am 30. August 2012 ging der Massenveröffentlichungs-Auftrieb<br />
weiter: PROG ROCKS 2!, ebenfalls eine<br />
Doppel-CD, kam in die Läden, darauf zu hören 27 Songs von alten<br />
wie jungen Prog-Heroen vom Schlage Electric Light Orchestra,<br />
Eloy, The Flower Kings oder Riverside,<br />
dazu nochmals knapp 200 weitere<br />
digital remasterte Tonträger aus dem<br />
weiten Land des Progressive Rock, für<br />
das erneut Anderson das Sprachrohr<br />
bildete. Der antwortete auf die Frage,<br />
warum Prog-Rock zu Beginn des<br />
neuen Jahrtausends in seinen Augen<br />
wieder groß im Kommen ist: In den "<br />
70er und 80er Jahren haben wir mit unseren Songs immer wieder<br />
eine Art Fluchthilfe in eine andere, bessere Realität geleistet.<br />
Darauf sind wir stolz, denn ich denke, genau das sollte Kunst auch<br />
sein. Ich finde realistische Kultur ganz prima und wichtig – aber<br />
es muss dazu ein Pendant geben. Das Pendant, das sind Bands wie<br />
wir. Das Pendant, das ist Prog-Rock. Der Soundtrack für die Welt<br />
der schönen Illusion, des optimistischen Eskapismus."<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 37
Von Christian Hentschel<br />
Samstagabend-Konkurrenz<br />
für ARD und ZDF<br />
Der Franzose Danyel Gérard landete 1971 mit "Butterfly" einen<br />
echten Smash-Hit. Allein in West-Deutschland hielt sich die<br />
Single 40 Wochen lang in den Charts. Dem neuen Popstar standen<br />
fortan Wege und Türen offen. Zumindest fast, denn als er<br />
im Januar 1972 sein erstes und einziges Gastspiel in der<br />
DDR antreten wollte, scheiterte Gérard am Pförtner des<br />
Bühneneinganges des alten Friedrichstadtpalastes<br />
in Ost-Berlin. Beinahe hätte die erste Folge der<br />
neu konzipierten Fernsehshow "<br />
Ein Kessel<br />
Buntes" ohne internationalen Star<br />
auskommen müssen.<br />
Der beflissene Wachmann befand, dass der Typ mit Bart und<br />
Hut in diesem Aufzug ganz bestimmt nicht den heiligen<br />
Saal betreten würde. Glücklicherweise wurde der Fauxpas<br />
von anderen Mitwirkenden bemerkt, so dass der "Butterfly"-Sänger<br />
doch noch sein Ziel erreichte. Der „Kessel", wie er von seinen Fans<br />
liebevoll genannt wird, war gerettet.<br />
<strong>Die</strong> Show sollte ein ganz besonderes Schmankerl in der DDR-<br />
Fernsehlandschaft werden. Eine großangelegte Revue, die sich an<br />
internationalen Maßstäben orientierte. Mit Künstlern aus aller Welt<br />
– auch aus dem Westen. Eine in der<br />
Tat bunte und generationsübergreifende<br />
Mischung aus Musik, Artistik,<br />
Tanz, Kabarett und Varieté, die<br />
reichlich Kurzweil und Unterhaltung<br />
im besten Sinne bot. Schließlich<br />
galt es, der westlichen Konkurrenz<br />
wie ARD und ZDF ordentlich Paroli<br />
zu bieten. Ein Wunschdenken, das<br />
die Verantwortlichen der DDR-<br />
Medien sicher öfter hatten, doch<br />
beim „Kessel Buntes" war es gelungen.<br />
<strong>Die</strong> faszinierende<br />
Show, die sechsmal jährlich<br />
am Samstagabend zur<br />
besten Sendezeit lief, wurde<br />
das Flaggschiff des DDR-<br />
Fernsehens. Aufgezeichnet<br />
wurden die Sendungen<br />
meist in Ost-Berlin, erst im<br />
alten Friedrichstadtpalast,<br />
dann im neuen und<br />
schließlich im Palast der<br />
Republik. Manchmal ging<br />
der „Kessel" auch auf Reisen<br />
und wurde aus den Stadthallen und<br />
Kulturhäusern in Karl-Marx-Stadt<br />
(heute Chemnitz), Cottbus, Gera und<br />
Suhl übertragen.<br />
Bei den Zuschauern erlangte die Show<br />
alsbald Kultstatus. <strong>Die</strong> Macher um<br />
Evelyn Matt und Günter Steinbacher<br />
kleckerten nicht, sie klotzten und<br />
verpflichteten alles, was Rang und<br />
Namen hatte. Das Beste des Ostens<br />
von Silly über Karat bis hin zu den<br />
Puhdys. Ebenso die Stars des Ostblocks,<br />
Boney M.<br />
George Baker Selection<br />
Gojko Mitic<br />
der so genannten Bruderländer: Karel Gott (CSSR), <strong>Die</strong> Roten<br />
Gitarren (Volksrepublik Polen), Zsuzsa Koncz (Ungarn) ... Absoluter<br />
Quotenbringer waren zweifelsohne die internationalen Mitwirkenden.<br />
Weltstars wie Shirley Bassey, Abba, Gilbert Becaud, Miriam Makeba<br />
und Falco waren da, ebenso damals angesagte Bands wie Village<br />
People, Smokie, Hot Chocolate, Baccara, The Supremes, die Nick<br />
Straker Band und Middle Of The Road sowie Interpreten wie Audrey<br />
Landers, Samantha Fox, Nana Mouskouri und Mungo Jerry. Auch<br />
die Kollegen aus dem Westen Deutschlands gaben sich hier die<br />
Klinke in die Hand: angesagte Pop-Formationen wie Boney<br />
M., Alphaville, Milli Vanilli und <strong>Die</strong>ter Bohlens Blue System;<br />
Schlagersänger wie Juliane Werding, Vicky Leandros, Caterina<br />
Valente und Udo Jürgens oder die Spider Murphy Gang. Einige<br />
kamen wiederholt, die Spitzenreiter sind Katja Ebstein und<br />
Costa Cordalis mit jeweils sechs „Kessel"-Auftritten. <strong>Die</strong> Mittel<br />
Monika Herz<br />
an echten Währungen<br />
waren begrenzt, so dass<br />
viele Engagements internationaler<br />
Größen wegen<br />
fehlender Finanzen ausblieben.<br />
Doch auch hier bewies<br />
die „Kessel"-Mannschaft<br />
Kreativität, statt<br />
Westgeldgage gab es mitunter<br />
Meissener Porzellan,<br />
Musikinstrumente oder<br />
auch Baustoffe fürs<br />
Einfamilienhaus. Freilich<br />
Helena Vondrackova und Jiri Korn musste es jeder<br />
Beitrag durch die<br />
Zensur schaffen.<br />
Englische Texte<br />
muss ten – ins<br />
Deutsche übersetzt<br />
– vorgelegt werden.<br />
Ein Wort wie „Drug"<br />
wurde sicherheitshalber<br />
mit Glücksrausch<br />
gedolmetscht. Ob die<br />
Zensoren ein Auge<br />
zudrückten oder einfach<br />
nur blöd waren, ist nicht überliefert.<br />
Unvergessen bleiben auch die Auftritte des Friedrichstadtpalastund<br />
Fernsehballetts. Wenngleich der Arbeitsalltag der Tänzerinnen<br />
und Tänzer aus nervenden Wartezeiten bestand, lief das Ballett<br />
in der Sendung zur Höchstform auf. Speziell die Solistinnen<br />
Seite 38 ■ GoodTimes 1/2013
Susan Baker und Emöke<br />
Pöstenyi standen ganz oben in<br />
der Gunst der Zuschauer. Susan<br />
Baker erlangte im Jahr 2000<br />
erneut Popularität. Allerdings<br />
unfreiwillig. Stefan Raab hatte<br />
für seinen Videoclip „Wadde<br />
hadde dudde da" Ballett-<br />
Ausschnitte mit ihr aus dem<br />
Mireille Mathieu<br />
Udo Jürgens<br />
Als Skandal-„Kessel" ging übrigens<br />
die 100. Aufzeichnung<br />
aus dem September 1989 in die<br />
Annalen der TV-Geschichte ein.<br />
Helga Hahnemann hatte drei<br />
tagesaktuelle und für damalige<br />
Verhältnisse aufmüpfige Sketche<br />
vorbereitet, die bei der „Abnahme"<br />
während der Generalprobe noch<br />
nicht gezeigt wurden. Kalauer<br />
wie „Wir sind nicht die einzige<br />
Helga Hahnemann<br />
„Kessel Buntes" der späten 1970er verwendet.<br />
Großen Anteil an der Beliebtheit der „Kessel"<br />
hatten auch ihre Moderatoren, <strong>Die</strong> Drei<br />
Dialektiker. Das Kabarettisten-Trio sollte einen<br />
Querschnitt der DDR-Bevölkerung symbolisieren. Horst Köbbert<br />
war der Fischkopp von der Ostseeküste, Manfred Uhlig der Sachse<br />
und Lutz Stückrath der Berliner. Im jeweils entsprechenden Dialekt<br />
witzelten sie über Mängel und Engpässe im DDR-Alltag, zogen<br />
die Deutsche Reichsbahn, das Fernsehen und die Weltfestspiele<br />
<strong>Die</strong> Drei Dialektiker (v.l.) Horst Köbbert, Lutz Stückrath und Manfred Uhlig<br />
Rote Gitarren<br />
Fehlbesetzung in diesem Land"<br />
flimmerten tatsächlich über die<br />
Bildschirme. Erst bei der Wiederholung<br />
waren die „brisanten" Sätze<br />
herausgeschnitten, und selbst<br />
ein eigentlich harmloser Schlager<br />
von Frank Schöbel, „Wir brauchen<br />
keine Lügen mehr", wurde<br />
sicherheitshalber auch gleich weggelassen.<br />
Zwei „Kessel" später war bereits die<br />
Mauer gefallen und noch einmal<br />
fünf Sendungen später war die DDR Geschichte. „Ein Kessel Buntes"<br />
sollte zunächst auch im vereinten Deutschland seinen Platz finden,<br />
doch im Kampf um Quoten verkam das gelungene Showkonzept zur<br />
reinen Schlagerparade. Der<br />
118. Kessel, im Dezember<br />
1992 in Bielefeld aufgezeichnet,<br />
war schließlich die letzte<br />
Karsten Speck<br />
durch den Kakao. Selbst über die internationale Anerkennung der<br />
DDR debattierten die Drei humorvoll. Immerhin fünf Jahre lang<br />
schrammten sie regelmäßig dicht an der Zensur vorbei, dann kam<br />
das Aus für die Realo-Spaßmacher.<br />
Spejbl & Hurvinek<br />
Das neue Konzept bestand<br />
darin, dass jeweils ein anderer<br />
Künstler den „Kessel" präsentieren<br />
durfte. Meist handelte<br />
es sich um TV-Lieblinge von<br />
Film und Bühne. Schauspieler,<br />
Sänger, Fernsehansager,<br />
Sportreporter, Zauberer –<br />
selbst Puppen aus dem Kinderfernsehen<br />
wie Fuchs und Elster sowie die Prager Marionetten<br />
Spejbl & Hurvinek sind auf der Gastgeberliste<br />
zu finden. Zum wahren Straßenfeger wurde<br />
der „Kessel", wenn die unvergessene Helga<br />
Hahnemann, der scharfzüngige O.F. Weidling<br />
oder der wirklich witzige Heinz Rennhack moderierten.<br />
Moderieren ist dabei das falsche Wort.<br />
<strong>Die</strong> Protagonisten sangen, tanzten, spielten – der<br />
„Kessel" bot ihnen die Möglichkeit, sämtliche<br />
Facetten ihres Könnens zu zeigen. Eine Rechnung,<br />
die jedoch nicht immer aufging.<br />
Helga Hahnemann immer nah am Publikum<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 39<br />
Sendung. Moderiert wurden die zehn<br />
letzten Shows übrigens von Enter tainer<br />
Karsten<br />
Speck, den<br />
man aus<br />
Fernseh serien wie „Hallo Robbie" oder<br />
aus der Boulevard presse als Immobilienbetrüger<br />
mit jahrelangen Haftstrafen<br />
kennt.<br />
Obwohl es den „Kessel" seit mittlerweile<br />
20 Jahren nicht mehr gibt, hat<br />
die Sendung einen festen Platz in den<br />
Herzen seiner unzähligen Bewunderer.<br />
Das Traditionslabel Amiga begann nun,<br />
den historischen TV-Schatz auszuwerten.<br />
Mit diversen CDs<br />
und zwei DVD-Boxen<br />
wird an eine großartige<br />
Fernsehshow erinnert.
Er trug seine Bestimmung von Anfang an<br />
im Namen: Volvo – das lateinische "<br />
Ich<br />
rolle". Zudem hefteten ihm seine Macher<br />
ein entsprechendes, gleichsam unverwechselbares<br />
Signet an den Kühlergrill: rill:<br />
eine von einem Kreis eingeschlosseneene<br />
Diagonale – veredelt durch eine nach rechts<br />
oben weisende Pfeilspitze. Darin verbindet sich<br />
bis heute das Zeichen des Planeten Mars mit<br />
jenem Element, das von jeher im Automobilbau für<br />
Kraft und Stärke steht: Eisen!<br />
1915 im Auftrag des schwedischen Unternehmens SKF aus der Taufe<br />
gehoben, steckten die späteren Volvo-Firmengründer Gustaf Larson<br />
und Assar Gabrielson zunächst prophylaktisch ihren kleinen Claim auf<br />
der ausgedehnten Automobilbauerlandkarte ab, denn bis jener inzwischen<br />
legendäre Modelltyp vom Band rollte, der die Marke weltweit etablierte,<br />
gingen weitere 29 Jahre ins Land. Doch dann stand es da – jenes<br />
fabelhafte, noch heute liebevoll Buckel-Volvo genannte Gefährt mit der<br />
Typenbezeichnung PV 444, das aussieht, als sei es auf direktem Weg aus<br />
unserer Fantasie in die Wirklichkeit der frühen 40er Jahre reingerauscht,<br />
mit einer Form wie aus einem in Schwarz-Weiß gedrehten US-Film mit<br />
Orson Welles, Myrna Loy oder Ingrid Bergmann, mit Kotflügeln, die an<br />
opulent ausladende Frauenhüften erinnern, und einer stahlschweren<br />
Karosserie, deren bucklig-fliehendes Heck eher an einen kurz aufgetauchten<br />
Buckelwal denken ließ<br />
denn an ein alltagstaugliches<br />
Straßenfahrzeug.<br />
Von Peter Henning<br />
Begegnet bin ich dem Buckel-Volvo das erste<br />
Mal im Jahr 1966. Ich war damals sieben Jahre<br />
alt und auf dem Weg zu meiner Tante ins ferne Oslo,<br />
die<br />
sich als tagein, tagaus schwarz-weiß gekleidete<br />
und<br />
ganz im <strong>Die</strong>nst einer höhe-<br />
ren Sache agierende Nonne keine<br />
Vorstellung davon machte, was es<br />
für einen Siebenjährigen bedeu-<br />
tete, auf eine solche, für damalige<br />
Verhältnisse lange Reise zu gehen,<br />
zumal in einem<br />
engen, braun-weiß<br />
la ckierten Fiat 124, der hinten grauschwarze<br />
Nebelwolken ausstieß.<br />
Zunächst glaubte ich meinen Augen<br />
nicht zu trauen, als wir die schwedische<br />
Grenze gen Norden passierten und plötzlich zuhauf diese ausladenden,<br />
in bonbonfarbenen Lackierungen herumfahrenden Autos die<br />
mit gelben Mittelstreifen bemalten Straßen zierten: schwere, sich wie<br />
Panzerfahrzeuge auf den Asphalt duckende Gefährte, deren Äußeres<br />
mich an jene wunderbar kurvigen Karossen erinnerten, die ich aus amerikanischen<br />
Schwarzweiß-Serien wie „77 Sunset Strip" kannte. <strong>Die</strong> hatte<br />
ich spätabends gucken dürfen, wenn alle anderen Kinder meiner Straße<br />
bereits seit Stunden schliefen. Dabei lag ich auf der Wohnzimmercouch<br />
und war in meinen grünen Bademantel gehüllt.<br />
<strong>Die</strong>ses Auto war so ganz anders und so viel schöner als alles, was<br />
ich bislang von deutschen Straßen kannte. Dagegen wirkten Wagen wie<br />
der karge DKW F-102, der fantasielos gestaltete Audi 60 oder der eckige<br />
Borgward P-100 trotz geschwungener Heckflossen wie schlechte autobauerische<br />
Scherze. Das waren kantige, ohne jede Formschönheit dahingleitende<br />
Kisten, in denen gewöhnlich ältere Herren mit grauen Schläfen saßen, die<br />
verkniffen übers Steuer spähten. <strong>Die</strong> Buckel-Volvo-Fahrer erschienen mir<br />
verglichen damit wie Menschen, die immerzu und überall in den Urlaub<br />
fuhren: ewig jugendliche, ausgelassene, gutgelaunte Zeitgenossen, die<br />
Sonnenbrillen trugen, den linken Ellbogen lässig aus dem offenen<br />
Seitenfenster lehnten und geradewegs in die untergehendende<br />
schwedische Mittsommersonne hineinzufahren schienen.<br />
Seite 40 ■ GoodTimes 1/2013
Dabei galt die erste Buckel-Volvo-Serie in Schweden zunächst als<br />
ausgemachter unternehmerischer Flop. Denn nachdem die ersten<br />
2300 Käufer in den Genuss des Vorzugspreises von 4800 Kronen gekommen<br />
waren (obwohl der Einstiegspreis bei gut 8000 gelegen hatte),<br />
schreckten viele kauflustige Schweden vor der nun geltenden weitaus<br />
höheren Kaufsumme zurück. Außerhalb Schwedens indes mutierte<br />
das zu ebener Erde dahinschwebende Raum-Schiff namens „Buckel"<br />
innerhalb kürzester Zeit zum Renner. Und schon im März 1947 konnte<br />
Volvo keine Bestellungen mehr fürs erste Herstellerjahr annehmen – die<br />
Auftragsbücher waren randvoll. Dabei kam<br />
das erste Modell des Typs, das Modell A,<br />
offiziell erst 1950 auf die Straße – in einer<br />
Stückzahl von 4782 PVs –, und die deutschen<br />
Käfer-Piloten schielten voller Neid<br />
hinüber zu ihren schwedischen Freunden.<br />
Wer einen Buckel-Volvo fuhr, schien in<br />
meinen Augen ein besserer, ein glücklicherer<br />
Mensch zu sein, hatte mehr Stil<br />
und Freude am Fahren – und genoss von<br />
vornherein meine ungeteilte Sympathie.<br />
Als wir dann von Oslo kommend<br />
erneut durch Schweden, das gelobte<br />
Land der Buckel-Volvos, in Richtung Heimat fuhren, schwor ich mir,<br />
später, wenn ich reich und berühmt sein würde, mir einen ganzen<br />
Stall solcher Buckel-Volvos zuzulegen. Für jeden Wochentag einen,<br />
und jeder in einer anderen Farbe. Mit dem Reichtum wurde es dann<br />
leider nichts, und dementsprechend auch nichts mit dem geplanten<br />
Fuhrpark „Made in Sverige". Doch meiner Zuneigung für das an eine<br />
zum Sprung ansetzende Raubkatze erinnernde Gefährt tat das keinen<br />
Abbruch. Im Gegenteil. Ich setzte meiner Buckel-Volvo-Liebe in<br />
meinem ersten Roman ein kleines erzählerisches Denkmal, und wenn<br />
heute irgendwo eines dieser formvollendeten Fahrzeuge meinen Blick<br />
kreuzt, bin ich im Handumdrehen wieder<br />
der Siebenjährige von damals, mitsamt<br />
seinen Fantasien.<br />
Strandidylle mit dem Mittsommer-Volvo 1955.<br />
zahllosen VW Käfer das<br />
Straßenbild dominierten,<br />
das nur dann und wann<br />
durch einen exquisiten Ferrari 500 Superfast<br />
in Stahlblau oder einen edlen, silberfarbenen<br />
Facel-Vaga HK 500 bereichert wurde, eroberte der<br />
Buckel-Volvo mit Macht die Straßen und die Herzen<br />
auf Avantgardistischeres abonnierter Vierradfans.<br />
Ich war inzwischen ein verliebter<br />
Teenager, quälte mich durch die<br />
gymnasiale Öde und kam eines Tages in<br />
den irrwitzigen Genuss, einen meerblauen<br />
Buckel-Volvo nicht nur berühren – sondern<br />
auch damit fahren zu dürfen, als<br />
Beifahrer versteht sich. Mein um acht<br />
Jahre älterer polnischer Freund Janek,<br />
der eben seine Ausbildung zum Kfz-<br />
Meister abgeschlossen hatte, war aufs<br />
Ganze gegangen und hatte sein bis dahin<br />
Erspartes in einen zwölf Jahre alten<br />
Schweden investiert.<br />
Man schrieb das Jahr 1977: <strong>Die</strong> RAF zog ihre Blutspur durch den<br />
deutschen Herbst, Elvis biss in Gras, und „Rocky" kam in die Kinos,<br />
und die erste Fahrt in Janeks PV 544 war eine Fahrt ins Glück. Denn<br />
wie wir so durch Hanaus Umland cruisten, durch die offenen Fenster<br />
wirbelte die warme Sommerluft ins Wageninnere, war alles andere plötzlich<br />
nebensächlich: die Tatsache, dass ich die Versetzung nicht schaffen<br />
würde ebenso wie der Umstand, dass ich, was das andere Geschlecht<br />
betraf, noch immer nicht auf Öl gestoßen war. Doch durch die abgerundete<br />
Windschutzscheibe des PV 544 erschien das alles plötzlich<br />
klein und unbedeutend, Fliegenschiss auf einem sich drehenden<br />
Globus. Ich fasste neue gewagte Pläne, sagte mich<br />
innerlich von der von einer Großmutter für mich geplanten<br />
Karriere in irgendeinem<br />
Ausbildungsbetrieb<br />
los, verweigerte den<br />
Ab 1950 verpassten dessen Macher dem Buckel-Volvo diverse kleinere<br />
Schönheitsoperationen. Doch weil diese beherzigten, was als<br />
ungeschriebenes Gesetz unter klugen Fahrzeugbauern gilt, nämlich dass<br />
das Neue durchaus neu, aber niemals charakterverändernd sein darf,<br />
fielen diese stets partiell und wohlüberlegt aus. <strong>Die</strong> Modelle B und C<br />
bekamen blinkende Chromleisten und einen verschönerten Grill, auch<br />
wenn der Wagen weiterhin nur in Schwarz zu haben war. Farbe kam<br />
schließlich mit dem Modell D, im Jahr 1952, ins Programm, und man<br />
konnte fortan zwischen einem schicken Maroonrot und dem bewährten<br />
Taubengrau wählen. Bis man sich schließlich 1956 – trotz der<br />
Erfolgsstory des Buckel-Volvo – dafür entschied, dem Wagen nun einen<br />
echten Relaunch zu verpassen. <strong>Die</strong> Idee des PV 544 war geboren – und<br />
das Gefährt startete in ein zweites Leben. Der Beliebtheit des Wagens<br />
schadete das nicht, im Gegenteil. Der PV 544 avancierte zum veritablen<br />
Exportschlager – und auch hier<br />
zu Lande, wo bislang 2CVs,<br />
Citroen Ami 6 oder die<br />
Kriegsdienst und beschloss, Schriftsteller zu werden. Und wenn mein<br />
Umsatz als Schreiber dereinst reichen sollte, würde ich mir ebenfalls<br />
einen 544 zulegen: einen maroonroten mit Weißwandreifen, grün<br />
getönten Scheiben, Sonnenschute über der Windschutzscheibe und<br />
Hornstoßstangen, wie ich sie von der Baureihe E her kannte.<br />
Das ist inzwischen 33 Jahre her. Ich bin tatsächlich Schriftsteller<br />
geworden, doch einen maroonroten Buckel-Volvo habe ich nie<br />
besessen. Doch noch bleibt mir genügend Zeit, mir diesen Traum zu erfüllen.<br />
Bis dahin surfe ich durchs Netz auf der Suche nach dem Richtigen.<br />
Und wie formulierte es dereinst meine Kollegin und Freundin Judith<br />
Hermann so treffend: fend: „Das Schönste ist immer der<br />
Moment davor!" Nicht<br />
ganz, könnte<br />
ich mit Blick auf<br />
die im Netz zum<br />
Verkauf stehenden<br />
544er erwidern.<br />
Doch das<br />
wäre eine anderee<br />
Geschichte.
Weltraumspielzeug<br />
<strong>Die</strong> 60er Jahre waren nicht nur das Jahrzehnt<br />
der Beatles und der Rolling Stones. Nicht nur<br />
Flower-Power und freie Liebe waren bestimmend<br />
für diese Zeit, es war auch das Jahrzehnt des<br />
ersten großen Aufbruchs der Menschheit in den<br />
Weltraum. Und die Eroberung des Alls erfuhr<br />
einen ersten Höhepunkt am 21. Juli 1969, als<br />
mit Neil Armstrong der erste Mensch seinen<br />
Fuß auf den Boden des Mondes setzte. Damit<br />
hatte sich ein Jahrhunderte alter Traum der<br />
Menschheit erfüllt und der Wettlauf der beiden<br />
Supermächte USA und UdSSR um die Eroberung<br />
des Erdtrabanten seinen Abschluss gefunden.<br />
<strong>Die</strong> Eroberung des Alls<br />
im Kinderzimmer<br />
Zeichnung: © N. Müller<br />
Begonnen hatte dieser Wettlauf bereits kurz nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg. Zuerst hatte die UdSSR die Nase vorn. <strong>Die</strong> Russen<br />
schossen 1957 mit Sputnik den ersten Satelliten in den Weltraum,<br />
und Juri Gagarin war der erste Mensch, der an Bord einer Raumkapsel<br />
die Erde umrundete. Erst in den 60er Jahren holten die Amerikaner<br />
auf und zogen schließlich an den Russen vorbei. Maßgeblichen Anteil<br />
daran hatte der amerikanische Präsident John F. Kennedy, der den<br />
Amerikanern 1961 versprach, in den nächsten zehn Jahren einen<br />
Astronauten auf dem Mond landen zu lassen. Mit diesem Versprechen<br />
war nicht nur das folgende milliardenschwere Raumfahrtprogramm der<br />
Nasa auf den Weg gebracht, es löste auch einen regelrechten Boom<br />
in den Kinderzimmern aus, denn unzweifelhaft waren die 60er Jahre<br />
auch das Jahrzehnt des Weltraumspielzeugs, in Sammlerkreisen meist<br />
nur Space Toys genannt.<br />
er allerdings glaubt, Space Toys wären mit Erfindung der<br />
WWeltraumfahrt erstmals hergestellt worden, liegt total falsch. So<br />
gibt es bereits ganz frühe Spielsachen, die man eindeutig dem Bereich<br />
Space Toys zuordnen kann. <strong>Die</strong> Firma Hausser stellte schon in den<br />
20er Jahren Figuren von Außerirdischen her, und auch bei Steiff gab<br />
es einen Alien. In den USA kamen zusammen mit<br />
Filmen wie „Flash Gordon" und „Buck Rogers" in<br />
den 30er Jahren eine ganze<br />
Anzahl zugehöriger<br />
Spielzeuge, vor allem Weltraumgewehre und pas-<br />
sendes Zubehör, auf den Markt.<br />
Durchaus nicht verwunderlich, da in der<br />
Literatur, im Kino<br />
und im Radio die<br />
Weltraumfahrt bereits zu dieser Zeit<br />
eine große Rolle spielte und die<br />
Menschen von<br />
der Idee, nichtirdi-<br />
sches Leben zu treffen, faszi-<br />
niert<br />
waren. Bereits Ende<br />
des 19. Jahrhunderts<br />
hatte der französische<br />
Autor Jules<br />
Verne mit seinen Büchern<br />
fantastischen<br />
Inhalts,<br />
unter anderem „Von der<br />
Erde zum Mond", großen<br />
Erfolg, und man denke<br />
nur daran, wie groß die<br />
Panik in den USA war,<br />
als<br />
Orson Welles 1938<br />
sein Hörspiel „Krieg der<br />
Welten" über das Radio ausstrahl-<br />
te. In den 50er Jahren spielten dann<br />
Ufos eine große Rolle, und bis heute<br />
Apollo-Mondlandefähre Eagle,<br />
Japan, Ende 60er Jahre<br />
glauben viele daran, dass 1947 in Roswell, New Mexico, ein Ufo abgestürzt<br />
ist und ein Außerirdischer den Amerikanern in die Hände fiel.<br />
All das erklärt, warum man in den 50er und 60er Jahren so viele<br />
Space Toys herstellte. Führend in der Produktion war damals Japan,<br />
und die Kennzeichnung „Made in Japan" ist in diesem Fall meist<br />
ein Ausweis der Güte der Spielsachen und eines entsprechenden<br />
Sammlerwerts. In der Blütezeit wurden alleine in Japan mehrere tausend<br />
verschiedene Space Toys hergestellt. t. Bevorzugtes Objekt der Kinder<br />
waren Roboter, die mit der Zeit auch immer mehr<br />
verschiedene Funktionen erhielten und meist<br />
batteriebetrieben waren. Es gab welche, die<br />
rauchten, die einen Fernsehschirm schirm an der<br />
Stelle des Oberkörpers hatten und sich mit<br />
langsamen Schritten vorwärtsbewegten,<br />
rtsbewegten,<br />
oder welche, die man sogar fernsteuern<br />
konnte. Größter Markt für die japanischen<br />
Hersteller waren die USA.<br />
Verständlich. Denn erstens<br />
war dort durch die Nasa<br />
und ihr Weltraumprogrammm<br />
das Thema bei den Kindernn<br />
ständig aktuell, und zweitens<br />
hatte man einfach<br />
genug Geld, um importierte<br />
Spielsachen zu kaufen. Aber<br />
auch in Deutschland wurde<br />
einiges an japanischem<br />
Weltraumspielzeug verkauft,<br />
und so kann man nach wie<br />
vor mit etwas Glück auf dem<br />
Flohmarkt oder im Internet das<br />
eine oder andere schöne Objekt<br />
erwerben.<br />
I<br />
n Deutschland wurde aber<br />
nicht<br />
nur das aus Japan importierte<br />
Weltraumspielzeug verkauft, man hatte auch<br />
eine eigene Produktion. <strong>Die</strong> fiel aber äußerst<br />
bescheiden aus, wenn man bedenkt, wie viele<br />
verschiedene Spielsachen in Deutschland zwischen<br />
1950 und 1970 hergestellt wurden. Bereits<br />
in den 50er Jahren hatte Technofix einen sehr<br />
ansprechenden, ganz aus Blech<br />
ten Raumgleiter im Programm, später stellte<br />
Technofix einige Weltraumbahnen her, alle heute<br />
allerdings sehr selten und entsprechend teuer.<br />
hergestell-<br />
Von der Firma Seidel gab es einen Sputnik-<br />
Japanischer Blechroboter,<br />
Seite 42 ■ GoodTimes 1/2013<br />
frühes Modell um 1960
Satelliten und von Dux eines der heute begehrtesten t Stücke, den<br />
Astroman, einen wirklich tollen Roboter. Und auch Hausser-Elastolin<br />
hatte vier Weltraumfiguren im Programm. Aus DDR-Produktion gab<br />
es eine große Zahl an Mondfahrzeugen und Raketen, hier schien man<br />
für das Thema Weltraum fast offener zu sein als in der westdeutschen<br />
Spielwarenproduktion. Eines der Highlights der westdeutschen<br />
Produktion ist ganz sicher die Orion VIII von Arnold, die man nach dem<br />
Vorbild der Bavaria-Fernsehserie herstellte.<br />
D<br />
Raumfahrer und<br />
Außerirdische<br />
von Hausser-<br />
Elastolin um 1960<br />
eutschland hatte zwar<br />
keinen Anteil<br />
am amerikanischen<br />
Weltraumprogramm,<br />
aber in Sachen Science Fiction<br />
war man trotzdem recht erfolg- reich. Bis heute unvergessen ist die<br />
legendäre Fernsehserie „Raumpatrouille Orion" (siehe <strong>kult</strong>! Nr.4), deren<br />
erste Folge am 17. September 1966 vom WDR für die ARD ausgestrahlt<br />
wurde und von der man sieben<br />
Folgen in<br />
den Bavaria-Ateliers München<br />
n herstellen<br />
ließ. Sehr bald wurden auch<br />
die Folgen<br />
der in drei Staffeln produzierten e amerika-<br />
nischen Serie „Raumschiff Enterprise" im<br />
deutschen Fernsehen gezeigt.<br />
Bis heute im Verkauf,<br />
und damit vermut-<br />
lich die<br />
langlebigste<br />
Heftromanserie<br />
der<br />
Welt, ist<br />
„Perry Rhodan"<br />
(siehe <strong>kult</strong>! Nr.2),<br />
dessen<br />
Erstausgabe<br />
bereits 1961 erschien.<br />
Zwischenzeitlich gibt es mehr<br />
als 2600 Hefte<br />
mit über 150.000 Seiten. Selbst Comics mit<br />
Weltraumthemen th wurden in<br />
Deutschland gezeichnet, bei<br />
Sammlern unvergessen ist<br />
„Nick – Der Weltraumfahrer"<br />
aus dem Walter Lehning<br />
Verlag. Dessen erstes Heft<br />
wurde in Rekordzeit nach<br />
dem Start von Sputnik produziert, in Anlehnung an den Namen des<br />
Satelliten hatte man den Namen der Serie<br />
gewählt.<br />
arum übt gerade das Weltraumspielzeug auf<br />
Wviele Sammler eine so große Faszination aus?<br />
Der Hauptgrund ist vermutlich, dass man sich in den 50er und<br />
60er Jahren eine gänzlich andere Vorstellung davon machte, wie<br />
die Welt im 21. Jahrhundert aussehen würde. Zwar können die<br />
Helden der Weltraumromane von damals mit ihren Raumschiffen<br />
Wir können<br />
auch Musik!<br />
Heft 5/2012<br />
Heft 4/2012<br />
Heft 3/2012<br />
Heft 2/2012<br />
Heft 1/2012<br />
Heft 6/2011<br />
Alle zwei<br />
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GoodTimes 1/2013 ■ Seite 43
meist problemlos Sprünge durch Raum und Zeit<br />
machen und so Entfernungen von mehreren<br />
Lichtjahren in einer Sekunde zurücklegen,<br />
aber an Erfindungen wie das Internet<br />
oder das iPad dachte keiner der Autoren,<br />
Zeichnung: © N. Müller<br />
zwei originalverpackte Sets Major Matt<br />
Mason von Mattel um 1970<br />
Kaugummis mit Raumfahrerfiguren, in<br />
den späten 60er und frühen 70er Jahren<br />
auch in Deutschland sehr beliebt<br />
und so brauchen die Computer der<br />
Raumschiffe oft Tage, bis sie Informationen<br />
zusammengetragen haben, und die<br />
Passagiere auf Weltraumbahnhöfen lesen<br />
ganz selbstverständlich Zeitungen und<br />
Zeitschriften aus Papier. Genau diese<br />
Naivität spiegelt sich auch in<br />
den<br />
Weltraumspielsachen<br />
wider. Quietschend und<br />
ruckelnd liefen die Roboter<br />
durchs<br />
Kinderzimmer,<br />
eher eine Mischung<br />
aus<br />
Blechbüchse e und uraltem<br />
Fernseher als hochmodernes<br />
technisches Gerät, und<br />
trotzdem waren die<br />
Kinder<br />
fasziniert<br />
und glaubten an<br />
eine Zukunft voller<br />
technischer<br />
Lösungen<br />
und<br />
Orion VII. von Arnold,<br />
superselten,<br />
bekannt aus der<br />
Serie Raumpatrouille<br />
Wunder. Nach zwei Weltkriegen sehnten sich<br />
die Menschen nach einer besseren und<br />
schö-<br />
neren Zukunft, nach einer friedlichen Welt. Der<br />
Fortschrittsglaube der Menschen ging so weit,<br />
dass viele meinten, im Jahre 2000 seien alle<br />
Probleme gelöst unddie die ganze Menschheit<br />
würde sorgenlos und in Frieden leben.<br />
Roboter würden den Menschen die<br />
Arbeit abnehmen, und mit gro-<br />
ßen Raumschiffen könnte man<br />
den Weltraum besiedeln, so<br />
dass es genug Platz<br />
für alle Menschen<br />
gäbe. <strong>Die</strong>se Utopien<br />
der Erwachsenen fanden ganz<br />
besonders ihren Niederschlag bei<br />
den Space Toys. Man kann sich<br />
heute darüber freuen, denn<br />
sonst<br />
gäbe es nicht all die bunten<br />
Roboter<br />
und Raumschiffe mit ihren vielseitigen<br />
en<br />
Funktionen, auch<br />
wenn man etwas über die<br />
Vorstellungen der damali-<br />
gen Zeit, wie es im 21.<br />
Jahrhundert ausse-<br />
hen würde, lächeln<br />
mag.<br />
W<br />
a s<br />
gilt<br />
es<br />
zu<br />
beachten, wenn man selbst<br />
eventuell Space Toys sammeln<br />
möchte? Wie bei allen<br />
Sam melgebieten<br />
sollte<br />
man sich zuerst<br />
ausgie-<br />
big<br />
informieren und nicht<br />
das<br />
erstbes te Stück kau-<br />
fen.<br />
Auch hier gibt es in<br />
der Zwischenzeit viele Replika,<br />
die man nur schwer von den<br />
Originalen unterscheiden kann,<br />
die<br />
aber immer nur einen<br />
Bruchteil alter Stücke wert sind.<br />
Ebenfalls ist es wichtig zu wis-<br />
sen, dass es sehr schwer ist, alte<br />
Roboter oder Raumschiffe, die<br />
defekt sind, zu reparieren.<br />
Wer keine Erfahrung hat,<br />
wird es kaum schaffen.<br />
Auf jeden Fall muss man<br />
immer einen eventuell<br />
vorhandenen Batteriekasten<br />
überprüfen, möglicherweise ist er von Batteriesäure<br />
beschädigt. Wer im Internet kauft, sollte sich immer<br />
vorher die Originalität und die Funktionstüchtigkeit<br />
bescheinigen<br />
lassen. Da es so unglaublich viele<br />
verschiedene Themen gibt, wäre es sinnvoll, sich<br />
auf einen Bereich zu spezialisieren. Das können<br />
Raumschiffe<br />
oder Roboter sein, es gibt aber auch<br />
abgeschlossene Spielsysteme wie Major<br />
Matt<br />
Mason von Mattel, das sich in<br />
großen Teilen am Nasa Mondprogramm<br />
orientierte. Eines gilt aber immer beim<br />
Sammeln: Kaufen Sie nur, was Ihnen<br />
gefällt, und bezahlen Sie nie mehr, als<br />
ein<br />
Stück Ihnen persönlich wert ist,<br />
Klingonenraumschiff<br />
denn nur dann hat man wirklich dauerhaft<br />
Freude an seiner Sammlung.<br />
von Dinky Toys<br />
70er Jahre<br />
Jörg Trüdinger<br />
Seite 44 ■ GoodTimes 1/2013
ENDLICH AUF<br />
CD UND DVD!<br />
Aus der TV<br />
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Z auberkästen<br />
Von Thorsten Pöttger<br />
tge<br />
DER GRIFF IN DIE TRICKKISTE<br />
Hokuspokus, Simsalabim, dreimal schwarzer Kater" – wem<br />
"<br />
klingelt es da nicht wonniglich in den Ohren, wenn er solche<br />
Sprüche liest? Seit vielen Jahrhunderten lassen Jung und<br />
Alt sich verzaubern. Aber: Ein Magier muss nicht gleich vor<br />
einem Millionenpublikum die Chinesische Mauer verschwinden<br />
lassen. Für den Anfang tut es beispielsweise auch ein einfacher, er, aber tiver Kartentrick im kleinen Kreis. Materialien und eine Anleitung zum<br />
Üben sind seit über 200 Jahren in den unterschiedlichsten Zauberkästen<br />
zu finden. Wohl dem, der heute einen hat, denn dann klappt es vielleicht auch<br />
effek-<br />
irgendwann mit dem Brief aus Hogwarts.<br />
Rational, völlig magiefrei betrachtet, dienten<br />
und dienen Zauberkästen – mit der Betonung<br />
auf dem zweiten Bestandteil des gesetzten Wortes – nur einem einzigen n Zweck: der<br />
Aufbewahrung der notwendigen Utensilien. Sei es,<br />
zusammen-<br />
dass sie mehr oder weniger lose darin klappern oder einen festen Platz haben.<br />
herum-<br />
Erstmals schriftlich wird einer dieser<br />
„Werkzeugkoffer" in einem Nürnberger<br />
Katalog aus dem Jahr 1803 unter der<br />
Bezeichnung „ein Taschenspieler-<br />
Apparat" erwähnt. Seitdem hat sich viel<br />
getan, heutzutage wird unter einem<br />
Taschenspieler vermutlich eher ein<br />
gaunerhafter Trickbetrüger verstanden.<br />
Im 19. Jahrhundert ließ – soweit<br />
bekannt – ein Zauberkasten noch keine<br />
Rückschlüsse auf sein Inneres zu. Heute funkeln dem Betrachter<br />
vom Titel sehr oft leuchtende Kinderaugen eines Jungmagiers in<br />
„Arbeitskluft" entgegen, umringt von auf den Inhalt bezogenen<br />
Der Punx-Zauberkoffer erschien als erster seiner Art<br />
im Nachkriegsdeutschland.<br />
Grafiken. Von aufgedruckten Zahlen sollte sich niemand in die<br />
Irre führen lassen: Hundert Tricks bedeuten nicht gleich hundert<br />
Zubehörteile, viele magische Momente lassen sich auch mit alltäg-<br />
lichen Haushaltsgegenständen erzeugen.<br />
I n den frühen 50er Jahren wurde es für<br />
praktizierende Künstler des zaubernden<br />
Zauberkasten Marke "<br />
Hokus Pokus", Verlag J.W.<br />
Spear & Söhne (um 1900)<br />
Seite 46 ■ GoodTimes 1/2013<br />
Gewerbes es üblich, ihren guten Namen einem<br />
Kasten zu leihen oder gar<br />
aktiv an dessen<br />
Gestaltung mitzuwirken. Für den deutschsprachigen<br />
Raum<br />
kann als einer der ersten<br />
Stifter Ludwig<br />
Hannemann-Punx genannt<br />
werden. Sein 1956 von ASS herausgebrach-<br />
ter<br />
Punx-Zauberkoffer enthielt ein beson-<br />
ders<br />
ausführliches Anleitungsheft. Zu den<br />
Klassikern muss „Der große Zauberkünstler"<br />
gezählt werden. Von 1958 bis 1987 befand<br />
sich<br />
dieser Ravensburger Zauberkasten<br />
auf dem Markt. Zaubergilden-Mitglied<br />
Martin Michalski konzipierte ihn auf der<br />
Erfahrungsgrundlage mehrerer hundert<br />
Zaubershows. Kniffs und Utensilien wurden<br />
speziell für Kinderhände „begreifbar<br />
gemacht".<br />
Später richtete Ravensburger die Kästen auch für verschiedene<br />
Altersgruppen ab sechs, acht und zehn Jahren sowie mit einzelnen<br />
Tricks für den kleinen Geldbeutel eutel aus. Weitere prominente<br />
Namensgeber für Zauberkästen<br />
waren in der Bundesrepublik<br />
beispielsweise Hardy für den<br />
Otto Maier Verlag („Hardys<br />
Kinderzauberspiele") oder<br />
Wittus Witt für ASS („Wittus<br />
Witt Zaubershow"). Als weitere<br />
Nachkriegsproduzentenn<br />
deutscher Zauberkunst sind<br />
Franz Dumke aus Blankenheim<br />
(Nürburg Spiele) sowie die<br />
Fürther Firmen Kleefeld und Noris<br />
(bis 1975) zu nennen. Während sich<br />
FX Schmid auf Spiele mit Karten<br />
spezialisierte, kooperierte Schmidt<br />
Spiel + Freizeit mit dem spanischen<br />
Hersteller Hanky Panky.<br />
1981 erschien unter dem Titel<br />
„Hokus Pokus" letztmalig ein<br />
Der erste Ravensburger Zauberkasten,<br />
Autor Martin Michalski (1958)
HOKUSPOKUS<br />
Zauberkasten der Nürnberger Firma Spear, der<br />
eine für Deutschland zusätzliche „Handarbeit"<br />
erfordernde Premiere bereithielt: <strong>Die</strong> Tricks wurden<br />
nicht fix und fertig geliefert, sondern mussten erst<br />
noch aus Kartonbögen gebastelt werden.<br />
1975 brachte die US-Firma Remco einen<br />
Zauberzylinderhut auf den Markt. Er enthielt<br />
neben den Trickutensilien ein paar gehei-<br />
me<br />
Fächer. In<br />
Deutschland wurde der<br />
Hut von der Firma Stelter aufwändig<br />
beworben unter der Annahme eines gro-<br />
ßen Erfolgs, der jedoch ausblieb und bis<br />
in den Konkurs führte. Des Weiteren gab<br />
es zu jener Zeit im Land der unbegrenz-<br />
ten Möglichkeiten<br />
Micky Maus persönlich<br />
auch<br />
in Form eines<br />
Zauberautomaten:<br />
Etwa 30<br />
Zentimeter hoch<br />
stand<br />
Disneys<br />
Geschöpf auf einem kleinen<br />
Podest, aus dessen Rückseite mehrere<br />
Hebel herausragten, mit denen die Arme in<br />
Bewegung gesetzt werden konnten. Ein weiterer<br />
Griff ließ – wie auch aus zahlreichen (Trick-)<br />
Filmen bekannt – Wasser aus der Blume an<br />
Mickys Revers hervorschie-<br />
ßen. Ein einmaliges Set<br />
lieferte 1976 für den amerikanischen<br />
Markt erneut<br />
Remco mit „The Magic<br />
Stage": Der Zauberkasten beinhaltete eine Art<br />
Bühnenrahmen, in den sich drei<br />
verschiedene Kulissen<br />
mit jeweils drei bis<br />
vier Kunststücken<br />
einhängen ließen.<br />
<strong>Die</strong><br />
offenkundigste,<br />
auf den ersten<br />
Blick<br />
sichtbare Veränderung<br />
in den 70ern betraf das Material der<br />
Zauberkästen samt Inhalt: Waren die<br />
frühen Exemplare meist ganz aus Holz<br />
gefertigt, hielt nun der Kunststoff Einzug,<br />
den Experten oftmals als qualitativ geringwertiger<br />
einschätzten. Besonders Artikel aus<br />
Japan wurden mit einer Klarsichthülle<br />
überspannt, statt per Holzdeckel mit oder<br />
ohne Scharnier verschlossen<br />
zu werden.<br />
Natürlich ging<br />
diese<br />
Umgestaltungg<br />
umso stärker auch aus<br />
Kostengründen<br />
vonstatten,<br />
je stärker die Zauberkästen von der<br />
Spielwarenindustrie statt von eigenständigen<br />
Zauberfirmen wie Conradi-Horster<br />
produziert wurden. Andererseits bedeutete<br />
das<br />
Plastik aber auch Chancen, berichtet<br />
Michaela Magin, Pressereferentin von Ravensburger: „<strong>Die</strong>s machte<br />
auch die Herstellung neuartiger Zauberutensilien möglich, die<br />
das Angebot an Tricks erweiterten." Mittlerweile kann von einer<br />
Verdoppelung der ursprünglichen Anzahl an Kunststücken gesprochen<br />
werden. Eine interessante Ausnahme in Sachen Material bildete<br />
1984 der Kasten von Smarties (!), das<br />
damit offensichtlich auch viele, viele bunte<br />
Tricks präsentieren wollte. Ähnlich prickelnde<br />
Spannung versprach der im selben Jahr von<br />
Söhnlein Brillant auf den Markt gebrachte<br />
Zauberkasten.<br />
Heute finden Zauberkünstler und solche,<br />
die es werden wollen, oft eine DVD oder<br />
einen Download-Code in ihrem Kasten vor.<br />
Auf der Ravensburger-Website beispielsweise<br />
können Lernvideos und passende Musik zur<br />
Untermalung der Show freigeschaltet werden.<br />
Dennoch kommt ein auf den Spuren Harry<br />
Potters wandelndes Kind früher oder später nicht<br />
darum herum, im Schweiße seines Angesichts,<br />
ausgestattet mit haptischen und rednerischen<br />
Fähigkeiten, sicheres Auftreten vor Publikum<br />
zu üben. Denn schon Johann Wolfgang von<br />
Goethe pries die Taschenspielerkunststücke seiner Enkel als „ein<br />
herrliches Mittel zur Übung in freier Rede und Erlangung einiger<br />
körperlichen und geistigen Gewandtheit". Deswegen zählt der<br />
Zauberkasten seiner Kindeskinder, den er 1830 für sie besorgen<br />
ließ, bis heute zum Bestand des Düsseldorfer Goethe-Museums.<br />
Michaela Magin formuliert die lang zurückliegende Diagnose<br />
des Dichterfürsten aktuell so: „Beim Zaubern trainieren Kinder<br />
zahlreiche Fähigkeiten wie Fingerfertigkeit,<br />
Geschicklichkeit, Selbstbewusstsein und<br />
Sprachgewandtheit." Also in diesem<br />
Sinne, liebe Kinder: Lasst<br />
auch mal die Maus<br />
neben dem Computer<br />
liegen und zaubert sie<br />
Goethe erwarb diesen Koffer<br />
1830 für seine Enkel (zu sehen<br />
im Goethe-Museum Düsseldorf)<br />
stattdessen aus einem<br />
Hut. Aber nicht den<br />
Trick verraten!<br />
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GoodTimes 1/2013 ■ Seite 55<br />
NEU!
<strong>kult</strong>ige TV-Serien der70 e r<br />
lt<br />
l ig<br />
TV S<br />
CHARTERBOOT<br />
+<br />
Fernsehen mit Suchtgefahr<br />
Aus dem reichhaltigen TV-Angebot, das in den 70ern serviert wurde,<br />
ragen zwei Serien hervor – ganz vorne weg <strong>Die</strong> Partridge Familie", eine<br />
"<br />
Soap mit Musikverlängerung in die Charts und auf die Bühnen dieser<br />
Welt, und S.O.S. Charterboot", ein wild gewordener Reiseprospekt<br />
"<br />
mit einem Gutmenschen namens Matt, der die Wellen en reitet und<br />
Gangster zur Strecke bringt.<br />
Wir reden hier nicht vom Kinderprogramm, von „Lassie" oder<br />
„Flipper", die unsere frühen Jahre vor der Flimmerkiste<br />
bestimmten, sofern wir in den 50er Jahren des 20.<br />
Jahrhunderts geboren wurden. Nein, hier geht’s um jene Serien, die<br />
den Eintritt in die Pubertät mit all ihren Hormonschüben, Träumen,<br />
Irrungen und Wirrungen markierten und vermeintlich unseren Blick<br />
auf die Welt schärften, die Welt der Erwachsenen, die Welt des Sex ’n<br />
Crime, die Welt der Liebe. Zeitgenossen, die in den späten 60ern die<br />
Beatles und Rolling Stones für sich entdeckt hatten oder schlimmere<br />
„Affenmusik"-Combos (wollte man den verschreckten Eltern glauben),<br />
gaben der „Partridge Family" oder „S.O.S. Charterboot" zwar nicht das<br />
Prädikat „cool", aber hingeschaut wurde trotzdem.<br />
Aus heutiger Sicht ist das Konsumverhalten der Vor-Internet-<br />
Generation nicht anders zu bezeichnen als erratisch. Heute kann man<br />
seine Lieblingsprogramm dank „Sendung verpasst? Dann Mediathek<br />
anklicken" schauen, wann immer es in den täglichen Stundenplan<br />
passt. Früher musste man, da es außer umständlichem Aufzeichnen<br />
keine Speichermöglichkeiten gab, justament dann schauen, wenn das<br />
gewünschte Programm lief. Und die Streitereien der Generationen<br />
über „Sportschau" oder „Beat-Club" sind Legion und legendär, da es<br />
ja in normalen deutschen Haushalten keine<br />
Zweitgeräte gab. Also, wir beamen uns zurück<br />
in die mediale Steinzeit, wo anno Schnuff<br />
in Konkurrenz zu Ernst Huberty (ja, das<br />
war der „Sportschau"-Zeremonienmeister mit<br />
dem breiten Scheitel und den über den Kopf<br />
gelegten Resthaaren) „S.O.S. Charterboot"<br />
im ZDF lief. <strong>Die</strong> friedliche Koexistenz der<br />
beiden Gebührensender ARD und ZDF<br />
war seinerzeit gar nicht sooo friedlich.<br />
Immer mal wieder versuchten die „jungen<br />
Mainzer" vom Lerchenberg den alten ARD-<br />
Stationsvorstehern in die Suppe zu spucken.<br />
Und das gelang zumindest bei einem Fußballfreund namens Uwe ganz<br />
gut. Der schrieb: „Ich war (und bin immer noch) ein großer Fußballfan.<br />
So auch 1972, als ,S.O.S. Charterboot' zum ersten Mal im ZDF lief.<br />
Der Bundesliga-Skandal hatte gerade meinen<br />
Lieblingsspielern Volkmar Groß, Zoltan Varga<br />
und Arno Steffenhagen die Spielberechtigung<br />
bedroht und später geraubt – und es war<br />
Winterpause, aber dennoch lief die ARD-<br />
,Sportschau' zeitgleich zu ,S.O.S. Charterboot'.<br />
Als ganz kleines Kind war ich ein riesiger Fan<br />
von Ty Hardin in ,Bronco', also habe ich der<br />
Ernst-Huberty-Versuchung widerstanden und<br />
,S.O.S. Charterboot' geschaut. Oh, wie toll!<br />
Ty Hardin geriet als Moss Andrews immer<br />
wieder in Schwierigkeiten, die Frauen fielen<br />
ihm zu Füßen, und das von ihm gesteuerte<br />
Motorboot raste durch die australische Szenerie. Unvergessen ist mir<br />
die Titelmelodie (...). Damals, kaum elf Jahre alt, beschloss ich auszuwandern,<br />
und zwar nach Australien, um ein zweiter Moss Andrews zu<br />
Seite 56 ■ GoodTimes 1/2013
werden. Ausgewandert bin ich, aber<br />
nicht nach Australien, sondern in die<br />
USA. Und als ,S.O.S. Charterboot'<br />
später im Jahr nicht mehr lief,<br />
hatte mich auch die Bundesliga<br />
wieder, ohne meine dann bereits<br />
gesperrten Fußballhelden!” (Quelle:<br />
www.tv-nostalgie.de) Uwe, danke<br />
für den Beitrag, denn du hast in<br />
wenigen Worten zusammengefasst,<br />
was „S.O.S Charterboot", ursprünglich<br />
eine Serie des australischen<br />
Senders Seven Network, televisionär<br />
ausmachte. Der Schauspieler<br />
Ty Hardin (aka Moss Andrews) lieh<br />
ihr seine markant männlichen,<br />
eine Reihe blendaxweißer gerader<br />
Zähne entblößenden, wettergegerbten,<br />
meist von einem Lächeln<br />
umspielten Gesichtszüge, in die<br />
Gutmenschentum, Siegeswille und<br />
Unbeirrbarkeit als Textur eingegraben<br />
waren. Australien<br />
lieferte die kitschigen<br />
Postkartenansichten<br />
von Surf und Turf, von<br />
Meeresbrandung, malerischen<br />
Buchten und weißem<br />
Strand. Ty, dessen Vorname<br />
so knapp war wie die Bikinis<br />
der agierenden Damen,<br />
hatte leichtes Spiel bei den<br />
Ladys. In Bayern nennt<br />
man dieses Phänomen<br />
hingebungsvoller Frauen<br />
„gema’te Wies’n". Und so<br />
fertig gemäht wie die Wiesn<br />
war auch das Erfolgsrezept von „Riptide",<br />
wie der bebilderte Reiseprospekt im Original<br />
hieß. <strong>Die</strong> Vorgeschichte, der so genannte<br />
Subtext zu dem, was der Zuschauer<br />
zu sehen bekam, war drehbuchtechnisch<br />
noch relativ ausgefuchst. Moss Andrews<br />
(Ty Hardin) wird, obwohl schon jahrelang<br />
down under, von allen nur „der Amerikaner"<br />
genannt. Ehrerbietung für die große Nation,<br />
der er entstammt? Ja! Hinweis auf die<br />
Freiheitsliebe und den Gerechtigkeitssinn<br />
der Amis? Auch das! Nachdem Tys australische<br />
Frau in Amerika bei einem Autounfall<br />
ums Leben gekommen ist, verzichtet der<br />
Tüchtige, aber Gramgebeugte, von da an<br />
immer etwas in sich Gekehrte auf eine<br />
Karriere als Geschäftsmann und begibt sich<br />
mit der Yacht Safari auf den großen Törn<br />
über den Atlantik nach Australien. Dort<br />
hilft er seinem in finanzielle Bedrängnis<br />
geratenen Schwiegervater Barney Duncan<br />
(der Schauspieler Chris Christensen verstarb<br />
Moss Andrews (Ty Hardin) war der blonde Mann<br />
für alle Fälle und meist in hübscher Begleitung ...<br />
während der Dreharbeiten) und macht die auf Grund gelaufene<br />
Charterboot-Firma (daher der deutsche Serienname) wieder flott. In<br />
den 26 Folgen, von denen anno 1972 20 das ZDF und sechs später<br />
von einem Münchner Pay-TV-Sender gestrahlt wurden, tut der<br />
aufrechte, muskulöse, stets hilfsbereite und von Frauen wie Motten<br />
umschwärmte Moss/Ty nur Gutes. Denn, wie immer – das Paradies wird<br />
von Gangstern bedroht, die das weiß schaumbekronte Meer für ihre<br />
dunklen Machenschaften nutzen. Moss, der ursprünglich ja nur seinen<br />
Schwiegervater besuchen wollte, macht zuerst das marode Unternehmen<br />
wieder flott, vermietet die Atlantik-erprobte Yacht an Angler und löst<br />
dann en passant unknifflige Kriminalfälle. Im Fernsehlexikon von<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 57<br />
Michael Reufsteck und Stefan Niggemeier heißt es:<br />
„Moss hilft auch dem Medizinstudenten Neil Winton<br />
(Jonathan Sweet), der sich mit Kriminellen eingelassen<br />
hat, und gibt ihm einen Job. Moss’ Freundin ist Judy<br />
Plenderleith (Sue Costin). Zusammen besiegen sie die<br />
vielen bösen Menschen in der Gegend. <strong>Die</strong> Serie verließ<br />
sich auf die Anziehungskraft von amerikanischen<br />
Gaststars und kaum bekleideten Frauen und sparte<br />
dafür am Drehbuch. Neil und Judy wurden schon<br />
nach kurzem aus der Serie geschrieben: hi „Neil nimmt sein Medizinstudium wieder<br />
auf, Judy taucht ohne Erklärung ab." Klar,<br />
denn es ging ja nur um das – ob der verunglückten<br />
Ehefrau – stets von leichter<br />
Melancholie umwehte, immer der gerechten<br />
Sache verpflichtete, etwas schweigsame,<br />
die Welt in Ordnung bringende Macho-<br />
Mannsbild. Der, das wissen wir dank Uwes<br />
Eintrag, brachte fußballbegeisterte Männer<br />
dazu, nach Amerika auszuwandern. Auf der<br />
Website von www.serienjunkies.org können<br />
sich Spätgeborene oder Wiederseher alle 26<br />
Folgen downloaden und zu Gemüte führen.<br />
Nicht nur in punkto Quantität, sondern auch<br />
was die Strahlkraft angeht, war „<strong>Die</strong> Partridge<br />
Familie" (im Original: „The Partridge<br />
Family") von ganz anderem Kaliber als die<br />
Bootsvermietungsserie. <strong>Die</strong> Daten: vier Jahre<br />
Laufzeit, von 1970 bis 1974, 96 Episoden,<br />
Millionen von Lizenzgebühren, weltweite<br />
Verbreitung, acht Alben, über 25 Millionen verkaufte Einheiten, vergoldete<br />
Singles, Nummer-eins-Erfolge und Millionen gebrochener<br />
Mädchenherzen. David Cassidy, Stiefsohn der Hauptdarstellerin Shirley<br />
Jones aka Serienmutter Shirley Partridge, wurde aufgrund der Sitcom<br />
zum Teenageridol und uneingeschränkten „Bravo"-Liebling. Er sorgte<br />
damals für Kreischalarm wie weiland die Beatles oder später Tokyo<br />
Hotel. Wie immer, wenn „Bravo" ein Thema für sich entdeckt hatte, gab<br />
es – war der Star erst einmal geboren – keine Ausgabe ohne ihn. Und<br />
genau das war dann für echte Rocker und halbe Hippies, denen man zu<br />
dieser Zeit begegnete, auch der Grund, Cassidy & Co. komplett uncool<br />
zu finden. „The Partridge Family" schickte zwar die schnuckelige Susan
Fotos: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Dey als weiblichen Gegenentwurf zu David ins Rennen,<br />
aber männliche Teenager haben es nicht so mit „Vonferne-Anschmachten-und-Schwärmen"<br />
wie weibliche.<br />
eigentlich nur eine Richtung für eine solche Soap:<br />
nach oben. Und folgerichtig g wurden die Partridges so<br />
etwas wie eine fik-<br />
Sie steigen lieber der Schwester vom besten Freund<br />
tionale Ersatzfamilieie<br />
hinterher als ... aber das ist eine andere Geschichte.<br />
für all die vernachlässigten,<br />
mit ihrem<br />
<strong>Die</strong> Story, das Prequel zur Familiensaga Partridge,<br />
bürgerlichen Dasein<br />
kommt einem einerseits bekannt vor (Trapp-Familie,<br />
unglücklichen, in<br />
Kelly Family in schön) und hatte andererseits eine<br />
traurige „Ein-Kind-ein-Hund"-Familien<br />
reale Vorlage.<br />
In den späten<br />
hineingeborenenn<br />
Kids.<br />
60ern waren<br />
The Cowsills Denn wer träumt im Alter von 13<br />
eine wirkli-<br />
aufwärts nicht davon, selbst Popstar<br />
che US-Pop- im Kreise einer Orgelpfeifen-<br />
Familie gewe-<br />
Geschwisterschar zu werden oder<br />
sen, und die zumindest von einem Popstar<br />
Produzenten gefreit zu werden – David Cassidy<br />
hatten sogar alias Keith für die Mädchen und<br />
erwogen, Susan Dey alias Laurie für die<br />
die Cowsills- Jungs? Der Rest der Rasselbande als<br />
Kinder als Identifikationsmuster für die Kleinerenn<br />
TV-Helden im eigenen Familienkreis oder,<br />
zu etablieren, wenn man selbst keine Geschwister<br />
waren aber hat, als Projektionsfläche nach dem<br />
dann von der Motto „Ach, ich hätt so gerne eine(n) n)<br />
Idee abge-<br />
kleine(n)/große(n) Bruder/Schwester".<br />
rückt, weil Siehe oben. Wie üblich in der ameri-<br />
denen wohl kanischen Fernsehwelt traten in den<br />
das schauspie-<br />
vier „Seasons", in der die kitschige,<br />
lerische Rüstzeug fehlte. Außerdem hatte man bereits<br />
blitzsaubere Familien-Pop-Saga von ABC<br />
die Hollywood-Aktrice und<br />
Oscar-Preisträgerin<br />
ausgestrahlt wurde, zahlreiche Gaststarsars<br />
Shirley Jones (1961 hatte sie einen Oscar als „Beste<br />
Nebendarstellerin" in dem Film „Elmer Gantry"<br />
erhalten) als Mama der Partridge-Sippe pflichtet. Nun, die Story: Eine verwitwete Mutter<br />
ver-<br />
in Erscheinung, darunter alle drei späteren „Charlie’s Angels" (Farah<br />
Fawcett, Cheryl<br />
Ladd, Jaclyn<br />
Smith), Jodie Foster, Richard<br />
Pryor, Louis Gossett Jr., Rob<br />
(Shirley Partridge) tritt auf Drängen ihrer Kinder<br />
Reiner,<br />
Countrystar Johnny<br />
mit ihnen als Popgruppe auf und tourt in einem<br />
Cash und Davy Jones von<br />
umfunktionierten Schulbus durch die Staaten.<br />
den<br />
Monkees,<br />
der ande-<br />
<strong>Die</strong>ses zwischen Vorstadt-Tristesse und<br />
ren, im Reagenzglas eines<br />
On-the-road-Leben changierende<br />
Marketingstrategen gezüch-<br />
Dasein bildet die Folie, auf der<br />
teten Fiktionsband.<br />
sich die Familienprobleme (oder<br />
Und ebenso<br />
sollte man sagen: Problemchen?)<br />
wie bei den<br />
entwickeln: Bruder-Schwester-ester-<br />
Monkees,<br />
die<br />
Zoff, Bruder-Bruder-<br />
auch auf Basis<br />
Streitereien, Mutter-Sohn-<br />
einer<br />
TV-Serie<br />
Kabalen, Mutter-Tochter-ter-<br />
groß<br />
wurden<br />
und<br />
dann<br />
Gezänk, Garagen-Romantikntik<br />
und Popruhm, Tourlebenen<br />
musikalisch<br />
Shirley Jones<br />
und Schulalltag, schö-<br />
reüssierne<br />
Frauen und grantligege<br />
ten,<br />
schrieb<br />
Manager, Pubertätsstress,<br />
man für die<br />
Verliebtheiten, Nickeligkeiten<br />
Partridge<br />
undsoweiter-<br />
Familie süß-<br />
undsofort. „<strong>Die</strong> Partridge<br />
liches,<br />
kalorienreicheselben<br />
Familie" bediente – nach dem-<br />
Muster wie später die<br />
Pop-Konfekt.<br />
singende Altkleidersammlung<br />
„I Think I Love<br />
namens Kelly Family – die<br />
You", der wohl<br />
Sehnsüchte Heranwachsender<br />
bekannteste<br />
Hit<br />
nach Nestwärme, Zusammenhalt,<br />
der TV-Popper,<br />
einer emotional stabilen und sta-<br />
stand 1970 18<br />
bilisierenden Familienarchitektur.<br />
Wochen<br />
lang<br />
Wenn dann noch ein gehöriger<br />
auf Platz eins<br />
Spritzer Pop und Glamour kommen und ein adretter, sau-<br />
notierte<br />
in<br />
Dave Madden<br />
dazu-<br />
der US-Charts,<br />
Trotz Haschisch-Konsum-Beichte und Sex<br />
berer, gut aussehender Töchter-<br />
mit Groupies wurde David Cassidy sein England in den Top 20 und schaffte es hier zu Lande<br />
und Schwiegermutter-Traum<br />
Saubermann-Image nie los ...<br />
bis unter die ersten 30. Insgesamt wurden, allerdings mit<br />
wie David Cassidy, dann gibt’s Foto: © Davids/Zill/Bildarchiv Hallhuber<br />
zunehmend rückläufigem Ergebnis, 89 Songs veröffentlicht, die<br />
Seite 58 ■ GoodTimes 1/2013
Debüt-LP THE PARTRIDGE<br />
FAMILY ALBUM verkaufte<br />
sich millionenfach, belegte<br />
Platz vier der Billboard-<br />
Charts und erhielt einen<br />
glänzenden Goldüberzug.<br />
Dass mit Ausnahme von<br />
David Cassidy und Shirley<br />
Jones kein Castmitglied<br />
musikalisch wirklich aktiv<br />
war, änderte nichts an<br />
dem Erfolg des cleveren<br />
Konzepts. War auch vollkommen<br />
wurscht. Cassidy,<br />
für den die Partridge-Rolle<br />
Fluch und Segen zugleich<br />
war, startete dank seiner<br />
Rolle eine überaus erfolgreiche<br />
Solokarriere. Er war es auch, der<br />
sich gegen die Produzenten durchsetzte,<br />
als die von ihm verlangten, bloß die<br />
Lippen zu bewegen. Man entdeckte<br />
sein Talent und ließ ihn und Mama<br />
Shirley tatsächlich ans Mikro.<br />
Obwohl sich David Cassidy bereits<br />
1972 in einem „Rolling Stone"-<br />
Interview über das Saubermann-Image<br />
der Serie und seiner Rolle mokiert, und<br />
seine Fangemeinde als fast nackter<br />
Coverboy und mit Geständnissen über<br />
Haschisch-Konsum und Groupie-Sex<br />
schockiert hatte, blieb das Image des<br />
David Cassidy<br />
hübschen Bengels an ihm hängen.<br />
Selbst ein solcher Ausritt<br />
Susan Dey konnte dem Idol nichts anhaben,<br />
Cassidy bekam 30.000<br />
Fanbriefe täglich … Erst nach<br />
dem Aus der Erfolgsserie,<br />
deren Quoten ab 1973 erodierten,<br />
begann der Abstieg<br />
des Teenidols David Cassidy.<br />
Obwohl noch drei Jahre<br />
hintereinander, von 1973<br />
bis 1975, stolzer Gewinner<br />
des goldenen „Bravo"-Otto<br />
als beliebtester Sänger(!),<br />
scheiterten alle Versuche,<br />
in Amerika an den großen<br />
Partridge-Erfolg<br />
anzuknüpfen.<br />
<strong>Die</strong> Folge: Depression,<br />
Alkoholmissbrauch,<br />
das<br />
Danny Bonaduce Übliche ... Erst zehn Jahre<br />
später gelang „Darling David" (Buchtitel) das dringend notwendige<br />
Comeback, um seine leeren Haushaltskassen wieder einmal aufzufüllen<br />
und seiner teuren Pferdepassion weiter nachgehen zu können.<br />
Da war die Welt der Partridge Family noch in Ordnung.<br />
Mama Partridge (Shirley Jones) im Kreise ihrer Rasselbande.<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 59<br />
Jeremy Gelbwaks <strong>Die</strong> „Partridge Family"<br />
war zu ihrer besten Zeit<br />
wie der Zuckerguss auf<br />
einem Kuchen, lecker,<br />
aber eigentlich nicht<br />
wirklich nötig; wie ein<br />
Pflaster auf einer Wunde,<br />
die an der frischen Luft<br />
viel besser abheilen<br />
würde, beruhigend, aber<br />
überflüssig. Sicher ist –<br />
die singende TV-Familie<br />
(pro Folge zirka zwei<br />
Songs) hat den Boden<br />
bereitet für alle Teen-<br />
Soaps und Castingshows<br />
und groß angelegten<br />
Marketingcoups.<br />
Denn<br />
zur besten Zeit brachte deren<br />
Markennamen dem Sender 500<br />
Millionen Dollar Lizenzgebühr<br />
ein – für Humbug, den niemand<br />
braucht(e), Fans weltweit aber<br />
vor Glück quieken ließ. Spiele,<br />
Magazine,<br />
Spielzeuginstrumente,<br />
Pausenbrotdosen,<br />
Klamotten,<br />
Federmäppchen, Bücher, Badetücher<br />
– alles mit den Logos bzw. den<br />
Konterfeis der angebeteten Partridge<br />
People. Das man eine solche<br />
Verwertungskette nicht gerne reißen<br />
lässt, ist klar. Alle Versuche,<br />
diese mittelschwere Industrie wieder<br />
aufleben zu lassen, einmal in<br />
Form eine Animationsserie, dann<br />
2004 als „New Partridge Family" mit<br />
öffentlichem, vom Kabelsender VH1<br />
in Auftrag gegebenen Casting („In<br />
Search Of The Partridge Family"),<br />
blieben Versuche. Denn eines verkennen<br />
die Marketingstrategen gerne:<br />
<strong>Die</strong> ursprüngliche TV-Familie war<br />
zwar auch ein zusammengewürfelter<br />
Haufen, aber viele der Songs<br />
waren echte Pop-Ohrwürmer, und<br />
Jones, Cassidy und Dey Glücksfälle<br />
der Casting-Verantwortlichen. Das<br />
Ganze hatte Charme und Schmiss. Ich geb’s heute gerne zu – immer<br />
wenn meine kleine Schwester die Serie schaute, schaute ich mit.<br />
Und manche der klebrigen Pop-Schmonzetten kann ich bis heute<br />
mitsummen, wenn sie denn mal im Radio laufen. "I’ll Meet You<br />
Halfway", "Doesn’t Somebody Want To Be Wanted", "Breaking Up<br />
Is Hard To Do". Es gab (und gibt) weitaus schlechtere TV-Pop-<br />
Soaps, und wer nicht die DVD-Boxen mit den kompletten Staffeln<br />
besitzt – im Netz findet man alles, was das Fanherz begehrt. Und<br />
wie der ewig verlegene Hugh Grant in dem Kinohit „Vier Hochzeiten<br />
und ein Todesfall" gekonnt stammelt: „Mit den Worten von David<br />
Cassidy, ähm, als er noch bei der Partridge Familie war, äh, ‚I Think<br />
I Love You’."<br />
<strong>Die</strong> 70er Jahre waren auch in punkto Krimi eine sehr ertragreiche<br />
Zeit, Klassiker, wohin das Serienauge schaut – „<strong>Die</strong> Straßen von<br />
San Francisco" mit dem unruhigen Jungspund Inspector Steve<br />
Heller (Michael Douglas) und seinem zerknautschten, schon weisen<br />
Vorgesetzten Detective Lieutenant Mike Stone (Karl Malden),<br />
„Einsatz in Manhattan", „Detektiv Rockford – Anruf genügt", „Hawaii<br />
Five-0", „Petrocelli", „Der Chef", „Ihr Auftritt, Al Mundy" oder „Der<br />
Kommissar" mit dem unvergessenen Erik Ode. Doch das ist eine andere<br />
Geschichte, und die wird im nächsten <strong>kult</strong>! erzählt.<br />
Teddy Hoersch<br />
Fotos: © Davids/Bildarchiv Hallhuber
Spielzeugkataloge:<br />
Als fantasievolle Bilder Begierden weckten<br />
Vorfreude reude ist bekanntlich die schönste<br />
Freude. Man erinnere nere<br />
sich an die<br />
Kindertage,<br />
wenn<br />
Weihnachten hten<br />
oder der<br />
Geburtstag tag<br />
näherrückten. rückte<br />
en. Schon Wochen<br />
oder<br />
sogar<br />
Monate im Voraus war die<br />
Neugier auf die zu erwartenden ende en tollen<br />
len<br />
Geschenke enk groß. Und ein bisschen glaub-<br />
te man zu wissen, was da auf einen<br />
e<br />
zukommen<br />
könnte: nte:<br />
Unzählige Male hatte<br />
te<br />
man den Spielzeugprospekt eugp<br />
pek<br />
ekt von<br />
Vedes oder<br />
den Weihnachtskatalog h<br />
atal des ortsansässi-<br />
sä<br />
ss<br />
gen Kaufhauses uses<br />
durchgeblättert tert<br />
und<br />
angekreuzt,<br />
was man noch<br />
unbedingt ngt<br />
brauchte.<br />
Da a gab es das schnittige ige Kettcar, die Carrera-<br />
Rennbahn, welche einem eine Formel-1-<br />
Karriere zu offerieren schien, und für die<br />
Mädchen gab es sprechende Puppen mit einer<br />
Kleiderfülle, wie sie sonst nur Schauspielerinnen und Prinzessinnen<br />
hatten. Wer schon lesen und schreiben konnte, hatte vermutlich schon<br />
lange vor Weihnachten den dem Katalog<br />
meist beiliegenden Wunschzettel ausgefüllt.<br />
Logisch, dass der Zettel lang<br />
und länger wurde, so lang, dass weder<br />
die Eltern noch Oma, Opa und Tante<br />
Gretel alles kaufen konnten. Und dass<br />
es den Weihnachtsmann nicht gab,<br />
hatte man leider schon vor Beginn der<br />
eigenen Schulkarriere leidvoll erfahren<br />
müssen.<br />
Wer 2012 in ein Spielzeuggeschäft<br />
geht und sich die aktuellen<br />
Spielzeugkataloge anschaut, fragt sich,<br />
was aus den liebevoll gemachten kleinen<br />
Kunstwerken der 60er und 70er<br />
Jahre geworden ist. Mit Ausnahme von Lego und Playmobil gibt<br />
es kaum mehr aufwändig gestaltete Kataloge, in denen sich Fotos<br />
erstklassiger Fotografen befinden. Wenn es heute überhaupt noch<br />
einen Farbkatalog gibt, dann scheinen die Bilder von den Azubis<br />
zwischen Frühstücks- und Mittagspause geknipst worden zu sein. Für<br />
diesen Qualitätsverlust gibt es ganz sicher mannigfaltige Gründe. Der<br />
Preisdruck in der Spielwarenbranche ist einer davon, aber auch der<br />
Vormarsch der digitalen Fotografie hat dazu geführt, dass<br />
heute jeder mit einer guten Kamera glaubt, er<br />
könne ebenso gute Fotos machen.<br />
Allerdings war der Weg zu gut<br />
gestalteten und den kindlichen<br />
Nutzer faszinierenden und fesselnden<br />
Spielzeugkatalogen<br />
lang. Im 19. Jahrhundert<br />
hatten die<br />
Spielzeughersteller und<br />
Großhändler meist<br />
nur Muster bücher für<br />
ihre Handelsvertreter.<br />
Mit denen reisten<br />
diese durch das<br />
Deutsche Reich von<br />
Spielwarenhändler zu<br />
Spielwarenhändler und nahmen die Bestellungen auf. Wenn genug<br />
Aufträge zusammengekommen waren, wurden diese nach Nürnberg<br />
geschickt – zum Sitz der meisten Großhändler und<br />
Hersteller. <strong>Die</strong> Vertreter lebten auch damals schon von<br />
den Provisionen auf die verkauften Artikel.<br />
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden dann<br />
erste Händlerkataloge hergestellt, die in den<br />
Verkaufsräumen der Spielzeugläden zur Ansicht auslagen<br />
und in Ausnahmefällen auch mal an gute Kunden<br />
rausgingen. Erst in den 20er Jahren kamen verstärkt<br />
Kundenkataloge auf, die man nach Bezahlung einer so<br />
genannten Schutzgebühr mit nach Hause nehmen konnte.<br />
Am weitesten verbreitet waren Verkaufskataloge von<br />
großen Spielwarenhändlern und Kaufhäusern, die einen<br />
Überblick über das Gesamtsortiment boten. Noch aber<br />
wurden die Spielwaren einfach nur abgebildet, häufig<br />
war nicht<br />
einmal der<br />
Hersteller genannt. <strong>Die</strong> bedeutendsten<br />
Großhändler vertrieben<br />
die Spielwaren sogar<br />
unter ihrem eigenen Namen,<br />
was es den Sammlern heute<br />
oft nahezu unmöglich macht,<br />
alte Spielsachen genau einzuordnen.<br />
In den 50er Jahren erkannten<br />
Händler und Hersteller, r,<br />
dass sich mit einem optisch<br />
gut gemachten Katalog<br />
die Nachfrage steigern ließ.<br />
Besonders viel Wert wurde auf<br />
einen künstlerisch anspruchsvollen<br />
Umschlag gelegt, nicht selten engagierte<br />
man dafür bekannte Künstler.<br />
Bei Märklin gestaltete der bekannte<br />
Maler Hans Liska über Jahre die<br />
Seite 60 ■ GoodTimes 1/2013
Titelseite, kein Wunder, dass gerade diese Kataloge bei den<br />
Sammlern heute hochbegehrt sind. Immer mehr wurde aber<br />
auch die Druckqualität gesteigert und mit dem Einzug des<br />
Farbdrucks in den 60er Jahren eine neue Stufe erreicht.<br />
In den 70er Jahren wurden von den Grafikern in den Spielzeugkatalogen<br />
dann manchmal ganze Spielwelten erschaffen, was der Fantasie<br />
der Kinder unendlich viel Nahrung gab. Manche dieser Bilder sind<br />
uns auch heute noch gegenwärtig, als habe man den Katalog gerade<br />
erst durchgeblättert: Eine große Märklin-Anlage mit der neuen<br />
Elektrolokomotive E03 im Vordergrund oder ein Kinderzimmer, das mit<br />
Tischkicker, umfangreich bestücktem Kaufladen und Legosteinen ausgestattet<br />
war. Alles natürlich akkurat aufgebaut und direkt zum Spielen<br />
einladend. Besonders kreativ war man damals bei Mattel.<br />
<strong>Die</strong> Figuren der<br />
Weltraumserie „Major<br />
Matt Mason" wurden immer im Einsatz auf dem Mond<br />
dargestellt, und welcher Junge wünschte sich nicht, die<br />
Abenteuer der Astronauten von Apollo 11 oder 13 nachzuspielen?<br />
Auch die Konkurrenz Mattels aus dem Hause<br />
Hasbro stellte die Mitglieder des „Action Team" grundsätzlich<br />
im Einsatz dar und weckte so die Begierde, diese<br />
Erlebnisse nachzuspielen. Hersteller von Plastikbausätzen<br />
wie Airfix oder Lindberg engagierten erstklassige Zeichner<br />
für die Katalogdarstellung. <strong>Die</strong> Bilder zeigten zwar nicht<br />
die Originalmodelle, setzten in die Köpfe der Kinder<br />
und Jugendlichen aber Bilder, wie die Modelle aussehen<br />
könnten. Selbst Hersteller so biederer Produkte wie<br />
Modellbahnhäuschen erschufen wahre Kunstwerke für ihre Ktl Kataloge.<br />
Noch heute schwärmen 50-jährige Männer von der „Rennanlage<br />
Nürburgring", die Faller über lange Jahre im Programm hatte.<br />
Vermutlich haben bei vielen heutigen Sammlern die Kataloge<br />
ihrer Kindheit oft einen größeren Eindruck hinterlassen als die<br />
Spielsachen, die sie selbst besaßen. Gerade jenes Spielzeug, das man<br />
damals wieder und wieder in den Katalogen betrachtete und aus<br />
welchem Grund auch immer nie bekam, ist heute besonders begehrt.<br />
Man denke nur daran, wie viele Kinder gerne ein Märklin-Krokodil<br />
oder einen Distler-Porsche<br />
besessen hätten, aber nie<br />
eine dieser Ikonen der deutschen<br />
Spielzeuggeschichte<br />
und Sinnbilder des deutschen<br />
Wirtschaftswunders<br />
bekamen, da sie den Eltern<br />
in<br />
der Regel viel zu teuer<br />
waren. Für Sammler sind alte<br />
Kataloge darum einerseits als<br />
Nachschlagewerk sehr interessant,<br />
um herauszufinden, was<br />
wann wo und zu welchem Preis<br />
verkauft wurde.<br />
iel wichtiger und vermut-<br />
öfter genutzt werden Vlich<br />
Spielzeugkataloge der 50er<br />
bis 70er Jahre aber, um einfach<br />
darin zu blättern und in<br />
Nostalgie zu schwelgen. Um sich<br />
an die Zeit zu erinnern, als man<br />
abends mit der Taschenlampe<br />
unter der Bettdecke stunden-<br />
lang<br />
den Weihnachtskatalog von<br />
Vedes auswendig lernte. Spannend wird es auch sein, wie die Spielsachen<br />
von heute in 30 oder 40 Jahren dokumentiert sind, auf die E-Mails und<br />
Internetseiten des Jahres 2012 wird man dann auf jeden Fall kaum mehr<br />
zugreifen können, und Kataloge aus Papier<br />
gibt es ja leider nicht mehr so viele.<br />
Jörg Trüdinger<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 61
MARTIN BÖTTCHER<br />
Von Alan Tepper<br />
Er gehört zu den ganz Großen der Filmmusik und wird in einem<br />
Namenszug mit internationalen Koryphäen wie Henry Mancini oder<br />
Ennio Morricone genannt. Martin Böttcher hat durch seine Melodien<br />
nicht nur die unvergesslichen Karl-May-Filme begleitet und sie zu<br />
Kultstreifen gemacht, er schrieb auch zahlreiche Themen für die<br />
Edgar-Wallace-Klassiker,<br />
" Derrick", Der Alte", die auf May basierende<br />
Serie Kara Ben Nemsi Effendi", Es muss nicht immer Kaviar<br />
" "<br />
"<br />
sein" und das Sonderdezernat K 1". 2004 wurde Böttcher für sein<br />
"<br />
Lebenswerk das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen – eine mehr<br />
als gerechtfertigte Auszeichnung. Doch Ehrungen können die Magie der<br />
Kompositionen des vor Energie übersprudelnden 85-Jährigen nur im<br />
Ansatz widerspiegeln. Der größte Verdienst Böttchers liegt darin, dass<br />
er die Menschen mit seinen multidimensionalen Klanglandschaften verzaubert,<br />
inspiriert und glücklich gemacht hat.<br />
Herr Böttcher, Sie sind in Berlin<br />
Titel „Putzke will es wissen", der<br />
aufgewachsen und stammen<br />
von einem einfachen Mann aus<br />
aus einer musikalischen Familie.<br />
dem Volk handelt, der sich mit dem<br />
Zuerst beschritten Sie aber<br />
Finanzamt auseinandersetzen muss.<br />
andere Wege ...<br />
Schon seit frühester Jugend begeisterte<br />
Grob lässt sich Ihr musikali-<br />
mich die Fliegerei, und ich<br />
sches Werk in Dokumentar-<br />
absolvierte alle nur erdenklichen<br />
und<br />
Industriefilme,<br />
Flugscheine. Bei der Wehrmacht<br />
Kinofilme,<br />
Kompositionen<br />
strebte ich die Laufbahn eines<br />
für Einzelinterpreten wie<br />
Testpiloten an, doch glücklicherweise<br />
zum Beispiel den unvergess-<br />
ging das Kerosin aus, so<br />
lichen Hans Albers und<br />
dass man mich nicht einsetzte.<br />
Auftragsarbeiten für das<br />
Ich wurde Fallschirmjäger. Nach<br />
Fernsehen unterteilen. Wann<br />
einer Verwundung kam ich in<br />
Swingend-lässig-locker<br />
ging es mit dem Kino los?<br />
Kriegsgefangenschaft und übte dort<br />
Der Produzent Artur Brauner verpflichtete<br />
wie ein Wahnsinniger Gitarre. Unmittelbar nach der Entlassung ging es<br />
nach Hamburg. Dort stieg ich in das Orchester von Willy Steiner ein. t mich 1955 für den Film „Der Hauptmann und sein Held".<br />
Großen Erfolg hatte dann ein Jahr darauf „<strong>Die</strong> Halbstarken", der den<br />
Bundesfilmpreis 1957 gewann. In meiner Band spielten unter anderem<br />
Ernst Mosch an der Posaune und Hansi Last am Bass. Danach häuften sich<br />
die Angebote. Meine Auftraggeber schätzten die Geschwindigkeit, in der<br />
ich arbeiten konnte. Da wurde nicht lange gefackelt. Ich habe mich mit<br />
dem Projekt beschäftigt, die Musik geschrieben und bin einige Tage darauf<br />
ins Studio gegangen, um die Stücke mit dem Orchester einzuspielen.<br />
Ihre Karriere kam ins Rollen, als Sie Gitarrist beim NDR<br />
wurden. Stammt aus in dieser Lebensphase Ihr ausgeprägtes<br />
Melodieempfi nden?<br />
Der Jazz und allgemein die amerikanische Musik haben mich zur<br />
Improvisation angeleitet. Ich empfand diese Zeit als außerordentlich<br />
hilfreich, denn als Studiogitarrist musste ich mir von einem Moment<br />
zum anderen verschiedene Melodien einfallen lassen. Da oftmals<br />
Klangeffekte gefragt waren, konzentrierte ich mich auf die so genannten<br />
Gitarrentrickaufnahmen und wurde zu einem Soundbastler. Meine<br />
Arbeit brachte mir den zweiten Platz im deutschen Jazz-Poll ein.<br />
Ab 1954 arbeiteten Sie fast nur noch als Komponist,<br />
Arrangeur und Orchesterleiter. Wie kam es zu diesem<br />
Wandel?<br />
Als Gitarrist musste ich pro Tag nur zwei Songs einspielen,<br />
was mich nach einiger Zeit langweilte. Ich war zwar<br />
beim NDR gut abgesichert, doch ich wollte mehr erreichen.<br />
Meinen ersten Kompositionsauftrag absolvierte ich für das<br />
Bundesfinanzministerium. Es war ein Dokumentarfilm mit dem<br />
Sie hatten auch die Ehre, für Hildegard Knef zu komponieren<br />
und sogar mit Romy Schneider zu arbeiten ...<br />
Ich habe 1958 unter anderem mit Romy den<br />
Titel "Merci Monpti" eingespielt. Sie war ein<br />
liebenswürdiges, fleißiges Mädchen und damals<br />
noch ein wenig schüchtern.<br />
Ich verfolgte<br />
mit Begeisterung ihre<br />
Filmkarriere in Frankreich.<br />
Romy legte eine unglaubliche<br />
Entwicklung als<br />
Charakter-Darstellerin<br />
Jugendjahre der Stars<br />
hin.<br />
© Pressefotos<br />
Seite 62 ■ GoodTimes 1/201313
Wissen Sie eigentlich, wie viele<br />
Kompositionen Sie kreiert haben?<br />
Oh, nein – ich habe sie noch nicht<br />
gezählt, schätze aber, dass es einige<br />
Tausend sind. Es waren ja nicht nur<br />
die Stücke an sich, sondern auch<br />
Klangfragmente, die in einem Film<br />
eingesetzt wurden, um bestimmte<br />
Spannungsbögen zu untermalen.<br />
Ihr Kollege Peter Thomas,<br />
der Schöpfer der Melodie zur<br />
Raumpatrouille", wurde neben<br />
"<br />
den Beiträgen zu den Jerry<br />
Cotton"-Filmen oft mit den "<br />
<strong>kult</strong>igen Edgar-Wallace-Streifen in<br />
Verbindung gebracht. Sie haben da aber auch mitgemischt ...<br />
Ja, aber nicht in dem Umfang wie Peter, mit dem ich heute noch gerne<br />
telefoniere. Ich habe unter anderem „Der Fälscher von London" und „Der<br />
Edgar-Wallace-Filme mit Martin Böttchers Musik<br />
Der Fälscher von London (1961)<br />
Das Gasthaus an der Themse (1962)<br />
Das Phantom von Soho (1963)<br />
Der schwarze Abt (1963)<br />
Das Ungeheuer von London-City (1964)<br />
Der Mönch mit der Peitsche (1967)<br />
<strong>Die</strong> blaue Hand (1967)<br />
schwarze Abt" geschrieben. Horst Wendlandt,<br />
d<br />
Chef der Rialto-Film, beauftragte mich mit der<br />
Musik. Neben den Melodien an sich experimentierten<br />
wir damals mit Klangeffekten und haben uns ständig etwas<br />
Neues einfallen lassen, um die Zuschauer zum Gruseln zu bringen. Es<br />
Hier passt<br />
jeder Ton<br />
gab kaum technische Möglichkeiten, und<br />
so<br />
ließen wir nichts unversucht. Ich habe<br />
in<br />
dieser Zeit sehr viel über Klänge und<br />
Soundmöglichkeiten gelernt, was mir später<br />
zugute kam.<br />
Auch heute noch verblüfft die ausgezeichnete<br />
Klangqualität der<br />
Aufnahmen ...<br />
Wir haben auf Schnürsenkeln aufgenommen<br />
(Bezeichnung der Bänder, die tatsächlich<br />
so breit wie Schnürsenkel waren,<br />
Anm. d. Autors). Uns standen noch keine<br />
Mehrspurgeräte zur Verfügung, und so mus-<br />
sten<br />
wir<br />
live aufzeichnen. n Aus<br />
Hamburg kam der Ansatz der geschickten<br />
Mikrofon-Platzierung. Eigentlich wurde nur ein Mikro über dem Orchester<br />
aufgehängt. Um die Lautstärkeverhältnisse der Instrumente untereinander<br />
zu regeln, mussten sich die von Natur aus kräftigeren Instrumente, zum<br />
Beispiel Bläser, weiter nach hinten setzen und die leiseren näher an das<br />
Mikro rücken – das war die Lösung aller Probleme. <strong>Die</strong> Streicher nahmen<br />
wir meist danach auf, da sie schwer einzupegeln<br />
waren. Bei den Karl-May-Filmen nutzten wir<br />
manchmal zusätzliche Mikrofone, aber trotzdem<br />
lief alles sehr schnell. <strong>Die</strong> Aufnahmen waren<br />
nach einen Tag im Kasten, selten wurde noch<br />
ein halber Tag drangehängt. Ich bin kein Freund<br />
langer Studiosessions. Wenn man die richtigen<br />
Musiker hat, wird das Stück einmal geprobt und<br />
danach direkt aufgenommen. Muss man es zu<br />
häufig wiederholen, wird es lahm und verliert<br />
seinen Reiz.<br />
Stichwort: t Karl May. Mit der Musik zu diesen Filmen erlangten<br />
Sie Weltruhm und erreichen heute noch – 50 Jahre nach der<br />
NEU!!!<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 63<br />
www.sonymusic.de<br />
Erhältlich bei:
Karl-May-Filme mit Martin Böttchers Musik<br />
Der Schatz im Silbersee (1962)<br />
Winnetou 1. Teil (1963)<br />
Der Schut (1964)<br />
Winnetou 2. Teil (1964)<br />
Unter Geiern (1964)<br />
Der Ölprinz (1965)<br />
Winnetou 3. Teil (1965)<br />
Old Surehand (1965)<br />
Winnetou und das Halbblut Apanatschi (1966)<br />
Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten (1968)<br />
Erstaufführung von Der Schatz im Silbersee" – ein Riesenpublikum,<br />
das von der Schönheit "<br />
der Melodien begeistert ist ...<br />
Ich bekam einen Anruf von Horst Wendlandt, der meinte: „Martin – wir<br />
machen was Neues – Karl May." Ich entgegnete ihm: „Oh je, da habe<br />
ich ja gar keine Ahnung. Ich habe ja noch nicht<br />
mal ein Buch gelesen." Er schickte mir dann einige<br />
Muster. Ich sah Pierre Brice und Lex Barker, die<br />
durch die Steppe ritten, und war sofort von den tollen<br />
und gestochen scharfen Bildern angetan. Dann<br />
setzte ich mich ans Klavier, und schon hatte ich das<br />
Grundthema, von dem ich Horst am Telefon acht<br />
Takte vorspielte. Sein Kommentar war knapp und<br />
bündig: „Das ist es!" Dann machte ich mich an die<br />
Arbeit und schrieb die gesamte Filmmusik, stoppte<br />
die Zeit, die für die Instrumentaleinsätze vorgesehen<br />
war, und suchte nach geeigneten Stimmungen. Ich<br />
habe die Musik zum „Silbersee" auf einem etwas<br />
altersschwachen Flügel komponiert, der heute im<br />
Steigenberger Parkhotel in Radebeul steht. <strong>Die</strong><br />
Titelmelodie, die „Old Shatterhand Melodie", wurde<br />
als Single auf den Markt gebracht und platzierte<br />
sich hervorragend in der Hitparade. Ich bin immer<br />
wieder erstaunt, wie viele ältere Herrn mir noch schreiben und darüber<br />
berichten, wie die Musik ihre Jugend prägte. Aber es gibt auch junge<br />
Fans, die sich für die Melodien begeistern – besonders Musiker, die auf<br />
der Basis der Kompositionen Cover-Versionen aufbauen.<br />
Man muss<br />
Kompromisse se schließen und – ganz wichtig ig<br />
– auch mal<br />
den Kopf einziehen können.<br />
Zu Ihrem 85. Geburtstag haben Sie sich einen<br />
persönlichen Wunsch erfüllt und ein 4-CD-Boxset<br />
zusammengestellt ...<br />
Mir war es wichtig, gleichzeitig einen repräsentativen<br />
Querschnitt meiner Musik zu präsentieren, aber<br />
auch einige weniger bekannte Stücke wieder aus der<br />
Versenkung zu holen. Ich hatte glücklicherweise von der<br />
Firma Warner Brothers freie Hand bekommen und konn-<br />
te mich so „austoben". <strong>Die</strong> Box ist eine tolle Ergänzung<br />
zu den wunderschönen Editionen wie „Wilder Westen<br />
– Heißer Orient", einer 8-CD-Ausgabe mit einem fast<br />
200 Seiten starken Buch, die das Spezialisten-Label Bear<br />
Family auf den Markt gebracht hat.<br />
Haben Sie schon Pläne für die Zukunft gemacht? Gibt es neue<br />
Projekte?<br />
Im Moment arbeite ich an keinen konkreten Aufträgen. Ich lasse mich<br />
mal überraschen, was da so auf mich zukommt.<br />
Es ist ein Phänomen, dass die Karl-May-Filme, für die Sie komponiert<br />
haben, zum Beispiel die Winnetou-Trilogie und sogar<br />
Ihre vorletzte Arbeit im Themenzirkel May, Winnetou und<br />
Shatterhand im Tal der Toten", eindeutig zu den erfolgreicheren<br />
"<br />
Streifen zählen, während Old Shatterhand" von 1964 oder die<br />
in Südamerika spielenden "<br />
Der Schatz der Azteken" und <strong>Die</strong><br />
Pyramide des Sonnengottes" "<br />
(beide 1965) zu den schwächeren "<br />
Adaptionen zählen ...<br />
Lassen Sie das bloß nicht die Kollegen hören! Ich persönlich führe das<br />
auf die Chemie der Menschen untereinander zurück. Wir arbeiteten<br />
alle aus dem Bauch heraus und hatten viele Freiheiten – das sind<br />
ideale Voraussetzungen für Künstler. Es passte einfach, wir beeinflussten<br />
uns gegenseitig und schufen zusammen ein Gesamtwerk, an das<br />
man sich gerne erinnert. Erst kürzlich, vor der Premiere des Karl-May-<br />
Festivals in Bad Segeberg, kürte man mich zum Ehrenhäuptling. <strong>Die</strong><br />
Geschäftsführerin Ute Thienel überreichte mir eine Urkunde auf Leder<br />
und einen prachtvollen Federschmuck. Im März dieses Jahres fand<br />
in Berlin ein großes Karl-May-Festival statt, bei dem ich meine alten<br />
Freunde wiedertraf. Pierre Brice war gekommen, und auch Mario Adorf<br />
zählte zu den Gästen. Neben einer Autogrammstunde gab es Vorträge,<br />
die Uraufführung einer TV-Dokumentation von Cordula Kablitz-Post<br />
und Diskussionen mit den Fans. Ich habe den Abend sehr genossen.<br />
In Zeiten, in denen Scheidungen zum<br />
ganz normalen Alltag gehören, stellt<br />
Ihre Ehe ein Novum dar. Sie sind mittlerweile<br />
seit vielen Jahren mit der in den<br />
50ern sehr erfolgreichen Schauspielerin<br />
Anneliese Kaplan verheiratet. Gibt es da<br />
ein Geheimrezept?<br />
Seite 64 ■ GoodTimes 1/2013<br />
MARTIN BÖTTCHER<br />
<strong>Die</strong> 85 größten Film- und TV-Melodien<br />
Von Martin Böttcher anlässlich seines 85.<br />
Geburtstages eigens zusammengestellt, enthält<br />
die 4-CD-Box einen Querschnitt seiness<br />
Schaffens. <strong>Die</strong> erste CD ist allein den Karl-May-<br />
Filmen vorbehalten. Das Spektrum reicht hier<br />
von Titeln aus den Klassikern wie Der Schatz<br />
"<br />
im Silbersee" über Winnetou I–III" bis hin zu<br />
"<br />
dem weniger bekannten Winnetou und das Halbblut Apanatschi". Der<br />
"<br />
zweite Silberling enthält entweder populäre Einspielungen ("The Good,<br />
The Bad And The Ugly" oder "High Noon") oder Eigenkompositionen<br />
( Pater Brown Thema" oder Endstation Liebe"). Auf der dritten CD<br />
" "<br />
dreht sich fast alles um das reichhaltige Werk Böttchers, das er zu<br />
Krimis beisteuerte. Von Melodien aus Sonderdezernat K1" über<br />
"<br />
Derrick – Ein Koffer aus Salzburg" bis hin zur <strong>kult</strong>igen Titelmusik<br />
"<br />
aus Es muß nicht immer Kaviar sein" kann sich der Hörer von unterschiedlichsten<br />
Arrangements und Melodien verzaubern lassen. Auf der<br />
"<br />
abschließenden CD ist ein zeitlicher Querschnitt von Edgar Wallace<br />
(Titelmusik aus Der Fälscher von<br />
London")<br />
n")<br />
"<br />
über Evergreens<br />
("Guantanamera")<br />
bis zum Forsthaus "<br />
Falkenau" zu finden.<br />
In dem 16-seitigen<br />
Booklet wurden<br />
Quellenangaben und<br />
eine kurze Biografi e<br />
berücksichtigt.<br />
Autogrammadresse:<br />
Martin Böttcher<br />
c/o I. Bernasconi<br />
Lungolago P. Roncaioli 63<br />
CH 6827 Brusino Arsizio/Tessin<br />
(Autogrammanfragen nur per Post!<br />
Bitte einen selbst adressierten<br />
Rückumschlag und einen internationalen<br />
Antwortschein beilegen.)
Kaugummibilder<br />
Vom Karl-May-Motiv<br />
zum 2.0-Straßenschick<br />
Ob in Drageeform oder als Streifen: Der Kaugummi ist in allerler<br />
Munde. Pflegebewusste Menschen kauen den, der die Zähne reinigen<br />
soll. Nikotinsüchtigen dient die zumeist weiße Masse als Mittel,<br />
um gegen ihr Laster anzukämpfen. Gegen Mundgeruch soll er<br />
helfen, auch die Konzentration beleben. In der modernen Zeit wird<br />
Kaugummi (die Artikel der" und das" sind laut Duden gleichsam<br />
" "<br />
möglich) gern als modernes Hilfsmittel gegen oder für was auch<br />
immer angesehen. Heutzutage achten Käufer auf Zuckerfreiheit und<br />
möglichst wenig Zusatzstoffe. Im Gegensatz zu früher, denn da<br />
haben Leute jeglichen Alters beim Kaugummikauf vor allem<br />
auf eines geachtet: das richtige Bildchen zu erwischen.<br />
K<br />
augummibilder wurden spätestens in den 60er und<br />
70er Jahren zu absoluten Rennern. Mal waren sie<br />
um die runde oder längliche Masse gewickelt, mal<br />
in Verpackungen mit hineingeschoben.<br />
Auf Geschmacksrichtungen legten die<br />
Bildsammler weniger Wert. Durften sie<br />
angesichts mancher Sorten auch nicht.<br />
Viel interessanter war ja das, was nach dem<br />
Kauf geschah. Vorsichtig musste das silberfarbige<br />
oder bunte Glanzpapier geöffnet<br />
werden. Schließlich durfte das Bild nicht<br />
zerreißen oder knicken. <strong>Die</strong> Spannung stieg mit jedem weiteren Griff,<br />
der das Motiv ein wenig mehr durchblicken ließ. Dann war es endlich<br />
da. Und je nach Bild konnte es wahre Freudenstürme auslösen. Heiß<br />
begehrt waren Szenen aus Western mit Revolverhelden<br />
oder Indianern. Häufig stammten die Aufnahmen aus<br />
relativ aktuellen Filmen, die bereits im Kino liefen.<br />
„Goldrausch in Kalifornien" zum Beispiel oder „Der<br />
Mann aus dem Westen". Nicht nur die wichtigsten<br />
Hauptdarsteller blickten den Betrachter mit ernsterr<br />
Miene an. Ganze Saloons und Westernstädte waren<br />
auf den kleinen Bildchen zu sehen, die der Form<br />
einer Briefmarke ähnelten. Daneben setzte die<br />
Pinneberger Firma OK Kaugummi GmbH auch auf<br />
Mord- oder Kampfszenen, die – am Set fotografiert<br />
– auf das glatte Stück Papier gedruckt worden sind.<br />
Beliebt waren vor allem bei den Jungs von<br />
den Wild-West-Motiven die „Rothäute":<br />
Indianer in ihrer für Filme wie Winnetou<br />
und Co. typischen Kluft mit vielen Fransen<br />
und Musterbordüren, die mit grimmigemm<br />
Gesichtsausdruck samt Lanze in der Hand in die<br />
Ferne schauten. Manches Bild zeigte sie auch<br />
vertieft in Gespräche – wahrscheinlich über<br />
den nächsten Schachzug im Kampf gegen die<br />
„Weißen". Auf dem nächsten Motiv saß der<br />
Häuptling beinahe meditierend im Schneidersitz<br />
vor seinem Tipi, einer allseits beliebten Filmkulisse,<br />
und ließ Rauchzeichen auftsteigen. Wer den OK's Big<br />
Bub Bubble Gum kaufte, bekam nicht nur eine Sorte<br />
mit langem, ulkigem Namen, sondern grundsätzlich<br />
eine begehrte visuelle Überraschung dazu.<br />
Mit dem Auswickeln des klebrig-süßen<br />
Kaugummis entschwand man schnell<br />
in<br />
eine Welt voll Fantasie. <strong>Die</strong><br />
Bildchen regten zum Träumen an, oder sie<br />
riefen die schon im Kino gesehenen Filme wiederer<br />
ins Gedächtnis zurück. Das Kaugummi auspacken<br />
war eine Philosophie, eine kleine Entdeckungsreise.<br />
Es lief so zaghaft ab, wie<br />
heute<br />
leidenschaftliche<br />
Vinylhörer ihre Platten auf den Spieler<br />
legen. Es sollte ja nichts kaputtge-<br />
hen. Und hatte der Käufer mal das<br />
Pech, an ein Kaugummibild zu<br />
geraten, das er schon besaß,<br />
wurde kurzerhand das nächste<br />
Stück Gummi gekauft. Aber<br />
das nun doppelte Bild wurde<br />
natürlich nicht weggeworfen.<br />
Im Gegenteil: Es wurde<br />
rege getauscht, vor allem wahre<br />
Sammler konnten ja nie genug<br />
haben. <strong>Die</strong> Gleichgesinnten trafen<br />
sich in den heimischen (Kinder-)<br />
Zimmern und auf der Straße und breiteten t ihre Kollektionen<br />
stolz auf Teppich oder Bürgersteig<br />
aus.<br />
Und es wurde geschachert. Der<br />
eine hatte ein Bild, das der<br />
andere seit Wochen versuchte zu<br />
bekommen.<br />
Der nächste<br />
wollte<br />
die<br />
Sammlung in<br />
eine<br />
bestimm-<br />
te Richtung<br />
lenken,<br />
zum<br />
Beispiel nur Cowboybilder. So<br />
tauschte oder verkaufte er jegliche anderen Motive, die<br />
nicht seinem Gusto entsprachen. Und der ein oder andere legte auch Wert<br />
darauf, nur Motive einer bestimmten Marke zu besitzen.<br />
<strong>Die</strong> Leidenschaft der Halbwüchsigen, die Bildchen aus den<br />
Packungen zu sammeln, löste einen Boom unter den verschiedenen<br />
Herstellern aus. Wer beim Publikum in sein und genügend<br />
Absatz machen wollte, der musste früher oder später statt ollen Papiers<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 65
unte „Beilagen" benutzen, um den „chewing gum" zu umwickeln.<br />
In den 50er Jahren ging es los mit naheliegenden Darstellungen. Der<br />
unter Abenteuer suchenden Knirpsen hochgeschätzte Karl May durfte<br />
zum Beispiel nicht fehlen. 1954 prangten Motive von Carl Lindeberg<br />
auf den Kaugummizugaben einer Hamburger Firma, Marke „Bubble<br />
Gum". <strong>Die</strong> tollen, großen Blasen, die mit den Kaugummis entstanden,<br />
waren zwar abgefahren, aber selbstredend sehr viel weniger spannend<br />
als die Abbildungen des jeweiligen Idols. Durch den Erfolg dieser Aktion<br />
wurde hauptsächlich in den 60er Jahren die Karl-May-Kollektion ay-Kollektion erweitert<br />
um Szenenausschnitte von den gleichnamigen<br />
Festspielen, die seit 1952 im Kalkbergstadion<br />
in Bad Segeberg (Schleswig-Holstein) aufgeführt<br />
werden. Richtige Serien entstanden damals rund<br />
um „Der Schatz im Silbersee", „Old Surehand" und<br />
„Unter Geiern". Der Clou: Es waren Farbfotos. Für<br />
die Zeit vielleicht keine absolute Seltenheit mehr,<br />
doch bedenkt man, dass selbst Zeitschriften noch<br />
Schwarzweiß-Seiten druckten und (deutsche)<br />
Filme in den 60er Jahren oft noch<br />
ohne Farbpigmente über den Bildschirm<br />
flimmerten, war das für so kleine Gimmicks<br />
in Kaugummipackungen ein Hit. Ganze<br />
Sammlerreihen konnten so entstehen, wo<br />
meist noch die Motive in selbst angelegtenn<br />
Bänden eingeklebt wurden. <strong>Die</strong> obligatorischen<br />
Sammelbücher, die es gleich<br />
passend zu den Bildchen zu erwerben<br />
gab, wurden erst einige Zeit später zu<br />
gängigen Verkaufsschlagern.<br />
Eine andere Sammelleidenschaft als<br />
Indianer und Cowboys hatte, wer<br />
abends vom Bolzplatz heimkehrte. Dann<br />
guckte man sich seine Vorbilder nicht in<br />
der Zeitung an, sondern legte sich die<br />
Kaugummibilder der Fußballstars nebeneinander.<br />
Zumindest wenn man Fan von<br />
Eintracht Frankfurt war, dem Deutschen<br />
Meister von 1959. Passend zu diesem<br />
Erfolg erschien bei den bereits erwähnten<br />
OK Kaugummis 1960 eine stilvolle<br />
Reihe von Bildern, die den Kaugummis beigelegt waren. Nach Art einer<br />
Autogrammkarte war die gesamte Frankfurter Kicker-Elf abgedruckt, mit<br />
Unterschriften und winzig kleinen Beschreibungen neben den Fotos.<br />
All das steckte in einem Kaugummi-Set. Auch Spieler in Siegerpose mit<br />
Pokal oder Motive mit Zweikämpfen und gekonnten Balltricks wickelten<br />
Sammler bald aus den Kaugummis heraus.<br />
Mitte der 60er Jahre begann<br />
die Münchner Americana,<br />
eine hauptsächlich auf die Produktion<br />
von Kaugummis spezialisierte Firma,<br />
die geschmacksintensive Masse mit<br />
Beilage zu verkaufen. Einige Jahre gab<br />
es die Wickelbilder, nach einer kurzen<br />
Unterbrechung folgten weitere Fotos. .<br />
<strong>Die</strong> Nachfrage war einfach zu groß. Mit<br />
den 70er Jahren wurde die Qualität der<br />
Bildchen professioneller. So brachte Americana die Motive<br />
sogar im Einzelverkauf heraus. Design und Format waren<br />
zum Teil gleich, gec nur wickelte wc ete man die de Bilder besagter<br />
Firma<br />
nicht<br />
mehr aus den<br />
Verpackungen<br />
aus,<br />
sondern<br />
kaufte sie in Tüten,<br />
wo<br />
unterschiedliche<br />
Darstellungen<br />
zusammengefasst<br />
waren. Gerade die<br />
so begehrten Fußballstars<br />
wurden<br />
hochwertiger<br />
abgebildet. <strong>Die</strong> Fotosos<br />
drohten nicht mehr<br />
gleich zu zerreißen;<br />
dank der Pappe, die den<br />
Bildrücken stärkte. Wie heutzutage die Fotos<br />
der WM-Helden, die auch in Supermärkten für<br />
entsprechende Einkaufssummen ausgegeben<br />
werden, wollte man damals eine ganze Serie<br />
seiner Mannschaft aufbauen.<br />
Natürlich kam auch dann<br />
wieder der große Tausch<br />
zustande, denn doppelte<br />
Motive waren weniger<br />
gefragt. Für eine bessere<br />
Übersichtlichkeit<br />
gaben<br />
die Händler, anfangs<br />
noch gratis, Sammelalben<br />
aus, in denen die<br />
Kaugummibilder<br />
Einzug hielten. So ließen iß sich ih<br />
die eigenen Schätze prima vor<br />
anderen Sammlern präsentieren.<br />
Americana legte aber neben Alben<br />
für Fußballer ein Augenmerk auf<br />
Spezialgenres. <strong>Die</strong> beliebte<br />
Kindertrickserie<br />
„Biene<br />
Maja" erhielt eine eigene<br />
Reihe, genauso wie zum<br />
Beispiel<br />
das<br />
Motto Technik.<br />
Hierbei<br />
wurden<br />
Kutschen,<br />
Dreiräder,<br />
Dampf bügeleisen<br />
und andere<br />
Wunderwerke<br />
der Zeit verewigt.<br />
Vervollständigt wurden die<br />
Darstellungen mit Erklärungen. Etwa bei den süßen Figuren der<br />
Trickserie, also Maja, Willi, Grashüpfer Flip und Co., wo unter den<br />
Bildern in kurzen Sätzen etwas zur Szene stand. Oder bei den<br />
Maschinen und Geräten, auf denen hinten längere Informationen zu<br />
Erfinder und Nutzen standen. Für die auf Kaugummibildern verewigten<br />
Personen war dieser Fakt ein Zeichen großer Popularität. Ob nun<br />
Schauspieler oder Sportler – wer im Kaugummi steckte, konnte sich seines<br />
Ruhms sicher sein. Je nach Marke und Zeit war bekannt – ähnlich<br />
heute die Strategie bei den Überraschungseiern –, welche Motivserie<br />
sich aktuell horten ließ.<br />
I<br />
n Westdeutschland waren die Kaugummibilder längst<br />
wichtiger Begleiter von Kindheit und Jugend, als<br />
die Erfindung auch in der DDR Einzug hielt. Dort waren<br />
Kaugummis von „drüben" allein schon ob ihres Geschmacks,<br />
ihrer Konsistenz und der bunten Farben eine begehrte<br />
Delikatesse. <strong>Die</strong> bebilderten Beilagen machten<br />
das Ganze aber noch wertvoller. Wer<br />
nicht mit Westverwandschaft gesegnet war,<br />
kam nur durch kostenintensiven Einkauf<br />
an seine Idole aus der Kaugummi-Packung:<br />
auf dem Schwarzmarkt des Schulhofes oder<br />
hinterm Wohnblock, wo Spielkameraden –<br />
die mit Westverwandschaft – die bunten<br />
Zettel feilboten. Im Gegensatz zu den<br />
Kaugummis aus dem Westen, die meist<br />
weich waren und den Geschmack einige Zeit behielten, kamen die DDR-<br />
Versionen vergleichsweise holzhart daher. Viele hatten eine quadratische<br />
Form, waren lieblos in Silberpapier eingewickelt und bestanden<br />
aus nicht näher definierbaren Zutaten, die bestenfalls krachsüß waren,<br />
mit den fruchtigen Kaugummis im Westen aber nichts gemein hatten.<br />
Seite 66 ■ GoodTimes 1/2013
Als die DDR-Wirtschaft erkannte, dass Kaugummibilder unter jungen<br />
Leuten enorm gefragt waren, sollte eine Lizenzversion der OK-Produkte<br />
auf den Ost-Markt kommen. „Big Babaloo" hieß die Serie. Motive,<br />
die in den 70er und später<br />
auch 80er Jahren in<br />
der BRD gefragt waren,<br />
wie etwa Disneyfiguren<br />
und Asterix und Obelix,<br />
sollten jedoch nicht auf<br />
Kaugummibildern der DDR<br />
prangen. Ein eigener<br />
Künstler, in der DDR<br />
heimisch, musste kreativ<br />
werden. <strong>Die</strong> bereits<br />
bekannten Comics von<br />
Jürgen Günther waren<br />
der FDJ genehm. Er<br />
hatte sich bei einer<br />
Ausschreibung durchgesetzt und zwar mit<br />
seinen Geschichten ht um „Otto und Alwin", zwei befreundete Zootiere.<br />
Otto war dabei ein grüner Orang-Utan, der mit Pinguin Alwin allerhand<br />
Abenteuer und Späße erlebte. <strong>Die</strong> Geschichten der niedlichen Zoo-<br />
Genossen wurden auf Strips für die Kaugummis herausgebracht. Jeder<br />
Strip hatte mehrere kleine Bildchen mit Sprechblasen. Ganz nach dem<br />
Muster eines Comics eben. Gut 50 dieser Bildergeschichten, die Jürgen<br />
Günther in Windeseile entwickelt hatte, wurden gedruckt und mit den<br />
Kaugummis veröffentlicht. Da es eine Lizenzproduktion war, waren die<br />
Motive nicht nur damals, sondern sind bis heute noch bei Sammlern<br />
äußerst begehrt und sehr wertvoll.<br />
Kaugummibilder wurden spätestens mit den 70er Jahren zunehmend<br />
verspielter. Statt Szenen aus Western- und Indianerfilmen<br />
waren Trickszenen und deren bekannte Figuren die Verkaufsrenner. Das<br />
zog sich teilweise bis in die 90er Jahre hinein. Vor allem bei der Kölner<br />
Marke Hitschler, die die bunten Kugeln entsprechend einwickelte. Neben<br />
Motiven mit dem Pink Panther in Aktion – mal, wie das tollpatschige<br />
Tierchen auf die Schnauze geplumpst war, mal, wie Paulchen Panther den<br />
Schirm aufspannte, weil über ihm die Blumen so ausschweifend gegossen<br />
wurden – gab es eine weniger definierbare Figur namens Pilly, die doch<br />
schon etwas kitschiger wirkte.<br />
I<br />
n den letzten zwei Jahrzehnten des<br />
20. Jahrhunderts wurde nebenn<br />
Sammelbildern ein weitreichender Trend rund<br />
um die Kaugummis geboren: abwaschbare<br />
Tattoos, die innen in<br />
das<br />
Kaugummipapier<br />
gelegt waren. Plötzlich<br />
zierten in den 80er<br />
und 90er Jahren bunte<br />
Bildchen und obskure,<br />
schwarze Motive<br />
dünne Kinderärmchen.<br />
Monster aus Trickserien,<br />
Indianerköpfe<br />
oder das Gesicht von<br />
Micky Maus klebten<br />
auf Oberarmen und am Handgelenk. Mädchen<br />
wie Jungen fühlten sich damit mindestens so<br />
cool und erwachsen wie ihre großen – natürlich<br />
echt tätowierten – Idole. Kaum war das begehrte<br />
Motiv zur Hand, floss das Wasser aus dem Hahn,<br />
um das Abziehbild ausreichend zu befeuch-<br />
ten. Hatte man das nämlich<br />
nicht gemacht oder etwa nicht<br />
geduldig genug beim anschließenden<br />
Drücken auf die Haut<br />
gewartet, so konnte das schöne<br />
Bildchen schnell hin sein:<br />
Entweder haftete es gar nicht<br />
auf der Haut oder löste sich<br />
nur halb vom Zettel. Ein echtes<br />
Ärgernis. Bei geglückter<br />
Mission verließen die Kinder<br />
völlig selig das Waschbecken. Nichts<br />
wie raus zu den Freunden und<br />
angeben. Und nicht nur da wurde<br />
es mit auffälligem Armwedeln und<br />
hochgerollten T-Shirt-Ärmeln präsentiert.<br />
Auch Eltern und Lehrerr<br />
sollten das Bildchen ja nicht über-<br />
sehen. Ein bisschen<br />
Rebellion<br />
steckte<br />
nämlich allemal l in dieser Aktion. Da<br />
die Tattoos jedoch unnatürlich glänzten,<br />
schnappte man sich am besten Mamas<br />
Gesichtspuder und tupfte die Stelle ab. Schon<br />
sah es wie echt aus. Für Wechselfreudige, die<br />
am liebsten jeden Tag mit neuem Motiv<br />
auftrumpfen wollten, gab es angesichts<br />
stark klebender Bilder nur einen Weg: Statt<br />
schmerzvoller, harter Bürste und Wasser (was<br />
meist eh nicht funktionierte) konnte man<br />
zu purem Alkohol oder Baby-Öl greifen, und<br />
schwupps war das nun lästige alte „Tattoo" too"<br />
verschwunden.<br />
Heutzutage sind Bilder in Kaugummis längst keine gängigen<br />
Beigaben mehr. Dafür hat der Begriff „Kaugummibilder" in<br />
den letzten Jahren eine etwas abgewandelte Bedeutung bekommen:<br />
Zumindest für den<br />
britischen Künstler<br />
Ben Wilson in<br />
den Straßen von<br />
London. Sieht er<br />
einen achtlos auf<br />
die Pflastersteine<br />
gespuckten Kaugummi,<br />
so zückt er<br />
Farbe und Pinsel,<br />
kniet nieder und<br />
Der Londoner Künstler Ben Wilson<br />
verschönert ausgespuckte<br />
Kaugummis auf den Straßen.<br />
malt die weiße Kaumasse an.<br />
<strong>Die</strong> fertigen Werke ähneln<br />
runden Stempelmotiven,<br />
die an Einfallsreichtum und<br />
Detailgenauigkeit kaum zu<br />
überbieten sind. In den<br />
vergange-<br />
genen<br />
acht<br />
Jahren hat er mehr als<br />
8000 Mal den Gummi-<br />
Müll verschönert. Mag<br />
der Gedanke, den mit<br />
Spucke durchgekauten<br />
Kaugummi aus fremdem<br />
Mund anzumalen, für<br />
die<br />
meisten eklig erscheinen, so kommt die<br />
Verschönerung des Straßenbilds bei Einheimischen und Touristen<br />
durchaus gut an. Kaugummibilder 2.0 also.<br />
Claudia Tupeit<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 67
Russ Meyer<br />
Von Thorsten Pöttger<br />
Eva, Erotik<br />
und Eruption<br />
" Busenfetischist", " Walt Disney der Sexfilme", " Fellini vom Lande", " Ein-Mann-<br />
Filmfabrik" – es gibt viele Synonyme für den amerikanischen Autorenfilmer.<br />
Keines von ihnen trifft völlig zu, aber jedes hat einen wahren Kern. Im tiefen Tal<br />
der Füchsinnen, Satansweiber und Superhexen beginnt die nicht ungefährliche<br />
Suche nach einem wahren Autorenfilmer, der mit Vorliebe nicht nur portionierte weibliche Körper, sondern vor allem sämtliche Fäden bei der<br />
Produktion seiner Filme in den Händen<br />
wohlpro-<br />
hielt.<br />
Russel Albion Meyer wurde am 21. März 1922 in Oakland,<br />
Kalifornien, geboren. Während über seinen Vater nichts<br />
außer, dem Beruf des Polizisten bekannt ist, weiß man, dass<br />
sein Großvater mütterlicherseits aus Deutschland in die USA auswanderte,<br />
um dort als Farmer zu arbeiten. Russ Meyers Mutter Lydia spielte in<br />
einer seiner wenigen bekannten Kindheitsepisoden eine wichtige Rolle:<br />
Sie kaufte ihrem<br />
Russ Meyer<br />
Sohn im einsetzenden<br />
Teenageralter<br />
nach langem Betteln<br />
seine erste Kamera.<br />
<strong>Die</strong> Legende, dass<br />
sie zur Finanzierung<br />
ihren Ehering versetzen<br />
musste, verkündete<br />
Meyer in<br />
späteren Jahren<br />
selbst. <strong>Die</strong> am<br />
häufigsten an den<br />
Regisseur gestellte Interviewfrage im Zusammenhang mit seiner Mutter<br />
war allerdings eher küchenpsychologischer Art: ob seine Fixierung auf<br />
große Brüste nämlich etwas mit ihr und seiner Kindheit zu tun habe.<br />
Irgendwann hatte Russ Meyer, der Journalisten gern das<br />
erzählte, was sie hören wollten, genug von der Frage:<br />
Ja, meinte er. Seine Mutter habe schöne große Brüste,<br />
ihn gestillt, und dennoch sei er nicht zum Psychiater<br />
gegangen.<br />
Tatsächlich könnte Meyers ehemalige Mitschülerin<br />
Polly in der 11. Klasse den Grundstein für sein<br />
Faible gelegt haben, indem sie bevorzugt in offenherzigen<br />
Dirndln ihren Bleistift auf den Boden fallen ließ, was<br />
nicht nur allmorgendliche Schülerkämpfe um die besten<br />
Plätze an den Pulten zur Folge hatte, sondern den 17-jährigen<br />
Russ bei einem Biokurs durchrauschen ließ.<br />
Zur eigentlichen Probe für ihn wurde seine Zeit in<br />
der US-Armee, in der er dank seiner hervorragenden<br />
Amateurarbeiten zum professionellen Fotografen<br />
ausgebildet wurde.<br />
Mit 20 Jahren zog Staff Sergeant Meyer 1942<br />
in den Krieg – als Frontberichterstatter.<br />
Insbesondere die Ereignisse während der Kämpfe<br />
in Frankreich (1944/45) protokollierte der vor Abenteuerlust<br />
sprühende Fotograf genauestens in mehreren<br />
Alben. Nichtsdestotrotz war das im Militärjargon<br />
als ETO (European Theatre Of Operations) bezeichnete<br />
Unterfangen kein Theater, sondern vor allem gefährlich.<br />
Von einer Knieverletzung infolge eines Autounfalls<br />
abgesehen,<br />
blieb der<br />
späteree<br />
Filmstar aus<br />
der 166.<br />
Foto komp<br />
anie jedoch<br />
unverletzt.<br />
Nachdem Meyer<br />
im März 1945 mit einer amerikanischen Panzerdivision die Saar<br />
überquert hatte, hätte er nur wenige Monate nach der deutschen<br />
Kapitulation nach Japan gehen sollen, wurde im Dezember aber aus<br />
der Armee entlassen, ging zurück nach Oakland. Dort fiel er nach<br />
all den Aktivitäten in der Armee, die er als sein zweites Zuhause<br />
bezeichnete, in dem er die vielleicht wichtigsten Erfahrungen seines<br />
Lebens machte (unter anderem ein Besuch in einem französischen<br />
Bordell), zunächst mal in ein mentales Loch. Auch eine mehrjährige<br />
Tätigkeit als Dokumentarfilmer einer Industriefirma konnte das nicht<br />
ändern, obwohl sie für seine späteren Filme hilfreich werden sollte.<br />
Abwechslung privater Art fand er nachts in Burlesque-Shows.<br />
Richtig auf den Geschmack kam Meyer 1952, als er seine zweite<br />
Frau Eve nicht nur heiratete, sondern auch fotografierte (über<br />
seine erste Frau Betty hüllte er sich stets in Schweigen). Schnell<br />
stellte er fest, dass er selbstständig Geld mit dem Verkauf der<br />
Fotos an Magazine verdienen konnte – darunter 1955 eine<br />
gerade erst zwei Jahre zuvor erstmals erschienene Gazette<br />
namens „Playboy". Eine weitere Erfahrung der Zeit für ihn war,<br />
dass die Anzahl der Verkäufe eines Fotos proportional zudem<br />
Brustumfang der darauf abgelichteten Modelle zunahm.<br />
Da Eve Turner nicht nur über einen großen<br />
Brustumfang, sondern auch einen<br />
ausgedehnten Unternehmergeist verfügte,<br />
gründete sie mit ihrem Ehemann 1958 die<br />
Firma Eve Productions. In deren erstem<br />
Film „Eva und der Mann für alles"<br />
spielte sie selbstredend die Hauptrolle<br />
und nahezu alle weiteren weiblichen<br />
Figuren. Zuerst tüftelte Meyer<br />
ein Konzept aus, wie Nacktheit<br />
auf unproblematischste Weise in<br />
bewegten Bildern dargestellt werden<br />
konnte. <strong>Die</strong> Lösung lautete<br />
Blöße ohne Sex, nach dem altbekannten<br />
Motto „Nur gucken, nicht<br />
anfassen", garniert mit einer Prise<br />
Humor. So entstand der knapp einstündige<br />
Pseudo-Dokumentarfilm<br />
Seite 68 ■ GoodTimes 1/2013
„Der unmoralische Mr. Teas" über einen Voyeur, dessen Blicke sich im<br />
Laufe eines Arbeitstags in einem tiefen Dekollete nach dem anderen<br />
verlieren. Erst beinahe ein Jahr nach dem Aufkreuzen der Polizei bei<br />
der Premiere gelang dem Werk der Durchbruch in einem Kino in San<br />
Francisco. Zuvor war die Auflage der lokalen Zensoren erfüllt worden,<br />
eine Szene herauszuschneiden, in der eine Frau am Ohr eines<br />
Mannes knabberte – beide bekleidet, wohlgemerkt. „Der unmoralische<br />
Mr. Teas" spielte letztlich die rekordverdächtige 400-fache<br />
Summe seiner Produktionskosten ein und löste eine eigentlich<br />
nie wirklich abgeflaute Welle von (S)Exploitationfilmen aus. Den<br />
darin enthaltenen körperlichen Akt deutete Meyer mit Hilfe von<br />
Metaphern an, beispielsweise 1962 in der Westernparodie „Wilde<br />
Weiber im nackten Westen", indem er Bilder aus der Natur mit der<br />
Richard-Wagner-Komposition „Walkürenritt" untermalte. Nachdem er<br />
1964 erkannt hatte, dass allein mit nackten Frauen kein Blumentopf<br />
zu gewinnen war, erschuf er eine neue Art des Sexfilms, die sein<br />
Markenzeichen werden sollte.<br />
Der für lediglich 37.000 (!) Dollar gedrehte Schwarzweiß-<br />
Film „Lorna – Zu viel für einen Mann" gilt als Prototyp des<br />
„Roughies" (rough = grob, hart, roh). Nicht nur, dass zum ersten<br />
Mal überhaupt Sexszenen in eine zusammenhängende<br />
Geschichte eingebettet wurden,<br />
darüber hinaus standen seitdem in fast allen<br />
Meyer-Filmen Schlägereien, Morde und<br />
Vergewaltigungen an der Tagesordnung.<br />
Das Drehbuch für „Lorna" schrieb Meyer<br />
zusammen mit James Griffith, der<br />
in dem Film die Rolle des Predigers<br />
spielte. Dadurch, dass er als „griechischer<br />
Chor" das<br />
Geschehen kommentierte<br />
und die Bösen<br />
am Ende ihre gerechte<br />
Strafe erhielten, wurde<br />
dem Geschehen ein<br />
gewisser „religiöser Stempel"<br />
aufgedrückt, der Sittenrichtern die<br />
Butter vom Brot nahm und den Vorwurf von<br />
Pornografie entkräftete. <strong>Die</strong> schlichte Story<br />
kam allerdings nicht nur in der US-Provinz,<br />
sondern erstmals auch besonders gut bei<br />
intellektuellen Kritikern an: Sie fassten den<br />
Film als sozialkritische Parodie auf, obwohl<br />
der Regisseur persönlich versicherte, „so<br />
ernsthaft wie nur was" vorgegangen zu<br />
sein. Schlussendlich war der Schlüssel zum<br />
Erfolg des Films die von der Stripperin Lorna<br />
Maitland verkörperte Titelfigur, deren Körper<br />
dank der berühmten Badesequenz im See<br />
besonders anregend in Szene gesetzt werden konnte. Russ Meyers Frau<br />
Eve zeigte sich allerdings alles andere als begeistert darüber, dass ihr<br />
Gemahl zum ersten Mal den Geschlechtsverkehr nicht mehr nur durch<br />
visuelle Symbole andeutete, sondern Mann und Frau augenscheinlich<br />
in intimer Zweisamkeit präsentierte. <strong>Die</strong> Scheidung ließ nicht mehr<br />
allzu lange auf sich warten.<br />
Auch der Hollywood-Produzent Albert Zugsmith zählte zu den<br />
zahlreichen Zuschauern von „Lorna" – und holte den Regisseur<br />
noch im selben Jahr nach Berlin, um ihn dort John Clelands Erotik-<br />
Bestseller „Fanny Hill" verfilmen zu lassen. Grundsätzlich und auch in<br />
den Nächten nach Drehschluss war der konservative Meyer sehr angetan<br />
von der von Kommunisten umringten Großstadtinsel (und der deutschen<br />
Darstellerin Rena Horten, die seine Lebensabschnittsgefährtin<br />
wurde). Dass er entgegen der Zusage von Zugsmith und seiner persönlichen<br />
Erwartung „nur" dessen Co-Regisseur wurde, gefiel ihm<br />
überhaupt nicht. Da überrascht es nicht, dass „Fanny Hill" trotz großen<br />
Erfolgs in Deutschland und den USA nicht als ein für ihn typischer Film<br />
bezeichnet werden kann.<br />
1965 drehte Russ Meyer im Auftrag des Produzenten George Costello<br />
nach anfänglicher Skepsis (zu wenig Sex, zu viel Handlung) seinen<br />
bis dato teuersten und nach Meinung mancher Kritiker besten Film,<br />
der erst nach einer Umbenennung beim Publikum ankam. Den Titel<br />
„Mudhoney" entlieh der Regisseur einem Zitat von Oscar Wilde. Zuvor<br />
war das Werk unter dem Namen „Rope Of Flesh"<br />
in Kombination mit dem Filmplakat, auf dem<br />
die finale Hängeszene dargestellt wurde,<br />
als Horrorfilm missverstanden worden.<br />
Der deutsche Titel „Im Garten der Lust"<br />
war auch nicht besser. Entscheidend für<br />
das Prädikat „wertvoll" war letztlich die<br />
Schilderung der Kehrseite des amerikanischen<br />
Traums in der Rezession<br />
der 30er Jahre.<br />
der Erfolg von<br />
Weil „Mudhoney" zunächst<br />
nicht abzusehen war, drehte<br />
Meyer noch im selben Jahr<br />
einen weiteren Film, den er<br />
auf die Mitte der 60er anlaufenden<br />
Autokinos ausrichtete. Dennoch<br />
würde die Behauptung, er habe durch<br />
„Motorpsycho … wie wilde Hengste" die<br />
Motorradfilm-Welle angeschoben, zu weit<br />
führen. <strong>Die</strong> kleinen Modelle waren verwendet<br />
worden, um Kosten zu sparen (hier<br />
ist die Rede ausdrücklich von Maschinen),<br />
und das Gangstertrio setzt im Film seine<br />
Flucht im Auto des Opfers fort. Eher kann<br />
„Motorpsycho" als Vorläufer jener amerikanischen<br />
Werke gelten, die traumatisierte<br />
Heimkehrer aus dem Vietnamkrieg thema-<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 69
tisierten – auch wenn die Vorgeschichte des Mörders<br />
dem Regisseur, der persönlich in die Rolle eines Sheriffs schlüpfte, nur<br />
als Mittel zum Zweck diente. Haji, die Darstellerin von Ruby, schickte<br />
Meyer zwar drehbuchbedingt in die Wüste, aber dennoch tauchte<br />
die Mexikanerin von nun an in weiteren seiner Filme auf. <strong>Die</strong> weibliche<br />
Hauptrolle im Nachfolger „<strong>Die</strong> Satansweiber von Tittfield", in<br />
dem die Damen den Spieß umdrehten,<br />
spielte allerdings eine andere: Dass<br />
die kräftige Tura Satana ihre Stunts<br />
selbst ausführte und beim Transport<br />
der Filmausrüstung helfen konnte,<br />
waren nur zwei ihrer Vorzüge. Da ihr<br />
der Drehort zu abgeschieden von der<br />
triebstillenden Welt lag, forderte sie<br />
während der dreiwöchigen Arbeiten<br />
für sich einmal pro Nacht Sex mit dem<br />
Kamera-Assistenten ein – mit Erfolg.<br />
<strong>Die</strong>ses Abkommen passte prächtig zum<br />
dominanten Frauenbild des Films, in<br />
dem fehlende Nacktszenen mit sadistischer<br />
Gewalt kompensiert wurden. Zur<br />
Kultfigur des B(usen)-Movie wurde die<br />
2011 verstorbene Satana allerdings erst<br />
später. Das aus künstlerischer Sicht zu<br />
vernachlässigende „Mondo Topless",<br />
eine „dokumentarische" Mischung aus<br />
Schnellschuss und Resteverwertung,<br />
warf immerhin so viel Geld ab, dass<br />
Meyers Schwarzweiß-Ära abgeschlossen<br />
werden konnte. Böse Zungen<br />
würden ohnehin behaupten, das einzig<br />
neue Element in den nächsten<br />
Produkten des Autorenfilmers sei<br />
nichts anderes als die Farbe gewesen.<br />
1967 befand sich die Drive-in-<br />
Kinoszene noch in voller Blüte.<br />
Das bedeutete, dass Meyer nach<br />
wie vor Auflagen der Kinobesitzer<br />
beachten musste, um sein Zelluloid<br />
vor ihrer Schere zu bewahren: keine<br />
Brustwarzen, keine Nacktszenen.<br />
Immerhin konnten sich seine drei Hauptdarstellerinnen in dem<br />
Detektivfilm „<strong>Die</strong> liebestollen Hexen" die Bikinimodelle untereinander<br />
teilen, da sie identische Körpermaße aufwiesen (105-60-90, falls es<br />
jemanden interessiert). Geworben wurde mit dem Trio übrigens als „Big<br />
6". Babette Bardot war eh seit „Mondo Topless" mit dem Regisseur<br />
zusammen, die Deutsche Adele Rein verschwand anschließend wieder<br />
in der Versenkung, und Alaina Capri erhielt ebenso die Hauptrolle im<br />
nächsten Film, der genau wie „<strong>Die</strong> liebestollen Hexen" zwar nicht den<br />
Weg in die deutschen Kinos fand, aber in den Autokinos der USA mit<br />
diesem oft zusammen im Doppelpack gezeigt wurde. „Guten Morgen<br />
… und auf Wiedersehen" schilderte die auf physische Bedürfnisse reduzierte<br />
Liebe zwischen einer nymphomanischen jungen Frau und einem<br />
älteren, von ihr betrogenen Mann.<br />
Als 1968 der US-Trend von Leinwänden unter freiem Himmel zurück<br />
zu geschlossenen Kinosälen ging, reagierte Meyer sofort: Für<br />
„Null Null Sex" ging er mit der Inszenierung von Nacktheit weiter, ohne<br />
dabei Metaphern wie die Fontäne eines<br />
Springbrunnens oder eines aufsteigenden<br />
Drachen außer Acht zu lassen.<br />
Persönlich bezeichnete er den Film als<br />
Übergangswerk, in dem diesmal eine<br />
hintergangene Ehefrau Anlass zur Rache<br />
besaß. Und während die Studenten auf<br />
die Barrikaden gingen und Flower Power<br />
den Siegeszug um die Welt antrat, grübelte<br />
Russ Meyer darüber nach, wie<br />
er ein Werk erschaffen konnte, das in<br />
Sachen Sex alles bisher Dagewesene in<br />
den Schatten stellen würde.<br />
Das schockierende Resultat lautete<br />
„Vixen – Ohne Gnade,<br />
Schätzchen", vom Regisseur selbst als<br />
erster und einziger ernsthafter eigener<br />
Versuch bezeichnet, einen Erotikfilm<br />
zu drehen. „Vixen" (deutsch: Füchsin,<br />
zänkisches Weib) sicherte nicht nur<br />
Meyers finanzielle Zukunft (nach<br />
einem Jahr war das Hundertfache der<br />
Produktionskosten eingespielt), sondern<br />
revolutionierte auch das Sexkino. <strong>Die</strong><br />
Titelfigur ist alles andere als unzufrieden<br />
mit sich und der Welt und macht<br />
nicht einmal vor dem eigenen Bruder<br />
Halt. Gespielt wurde sie von Erica<br />
Gavin, die dank ihrer sinnlichen bis<br />
animalischen Ausstrahlung auch beim<br />
weiblichen Publikum Eindruck hinterließ.<br />
Das Zittern der Hauptdarstellerin<br />
in der heißen Lesben-Liebesszene zwischen<br />
Vincene Wallace und ihr soll<br />
nicht gestellt gewesen sein. <strong>Die</strong> Lösung<br />
für das Rätsel, warum sie keine erfolgreiche Filmkarriere starten konnte,<br />
werden Produzenten mit ins Grab genommen haben.<br />
kam bei „Vixen" erstmals im Zeichen der Zeit eine poli-<br />
Hinzu tische Dimension in einem Sexstreifen, indem Kommunismus,<br />
Rassismus und Kriegsdienstverweigerung thematisiert wurden. Wenn<br />
Russ Meyer in seinen Filmen soziale Probleme auf die Leinwand brachte,<br />
dann tat er dies jedoch eher aus eigenem Interesse, um sich vor<br />
Klagen zu schützen. <strong>Die</strong> Strategie ging zwar nur selten auf, doch folgte<br />
dank „Vixen" bald der Lockruf aus Hollywood.<br />
Seite 70 ■ GoodTimes 1/2013
Vorher nahm Meyer noch einen Film in Angriff, dessen Realisierung<br />
beinahe an zwei Hunden gescheitert wäre. Genauer gesagt,<br />
an der empörten Reaktion der Eigentümerin der Vierbeiner auf die<br />
Beschwerde eines Motelbesitzers darüber, dass die Tiere in Abwesenheit<br />
ihres Frauchens auf den Zimmerteppich machten. <strong>Die</strong> Dame hieß Linda<br />
Ashton. Sie war gerade mit Dreharbeiten an „Megavixens" beschäftigt.<br />
Nach den Vorwürfen reiste sie schnurstracks samt ihrer Köter ab, und<br />
Regisseur Meyer stand ohne Hauptdarstellerin da. <strong>Die</strong> Rettung in der Not<br />
hieß Uschi Digard, Fotomodell aus Europa, die immer dann mit nackter<br />
Haut und kommentierender Stimme einsprang, wenn die Story ein<br />
Loch hatte. Den Zuschauern und Russ Meyer, der sie zunächst zu einer<br />
Stammdarstellerin und später zu seiner Produktionsassistentin machte,<br />
war es nur recht. Doch auch Charles Napier in der Rolle des psychopathischen<br />
Polizisten wusste zu überzeugen.<br />
Erneut wurde eine Lesbenszene gedreht –<br />
schließlich hatte Meyer mit „Vixen" einen<br />
Ruf erworben, den es zu verteidigen galt,<br />
was nicht ganz gelang.<br />
Es reichte aber aus, um die Herren<br />
in Hollywood nervös werden<br />
zu lassen. Fox-Produzent Richard D.<br />
Zanuck trat mit den Rechten an einen<br />
Nachfolger zu „Das Tal der Puppen",<br />
1967 mit Sharon Tate entstanden, an den<br />
unabhängigen Filmemacher heran. Nicht<br />
weil er von der Kunst des Regisseurs<br />
begeistert war – Meyers Aufgabe lautete<br />
schlichtweg, Einnahmen zu generieren.<br />
Dass er dies auf niedrigerem Niveau mit<br />
geringeren finanziellen Mitteln konnte,<br />
hatte er nachdrücklich bewiesen. Das<br />
Studio hingegen hatte sich 1962 mit<br />
der Verfilmung von „Cleopatra", dem<br />
damals teuersten Film der Geschichte,<br />
verspekuliert. Meyer holte den jungen<br />
Filmkritiker Roger Ebert als Co-Autor<br />
ins Boot. Das Ende vom Lied trug den Titel „Blumen ohne Duft"<br />
mit den ehemaligen „Playboy"-Bunnys Dolly Reed und Cynthia<br />
Myers in zwei der Hauptrollen. <strong>Die</strong>se angeblich zufällig getroffene<br />
Personalpolitik trug nicht unwesentlich<br />
zur Werbewirksamkeit bei. Edy<br />
Williams wurde für die Rolle<br />
des Pornostars Ashley St. Ives<br />
engagiert – und von 1970<br />
bis 1975 Russ Meyers dritte<br />
Ehefrau, nach dem schlagzeilenträchtigen<br />
Motto<br />
„Hollywood-Regisseur<br />
heiratet junges Starlet".<br />
Obwohl „Blumen ohne<br />
Duft" der erste Film in<br />
der Geschichte des Fox-<br />
Studios war, für den<br />
jugendliche Zuschauer<br />
nicht zugelassen wurden,<br />
waren die Produzenten<br />
mit dem Ergebnis zufrieden<br />
– und das Publikum<br />
sowieso. Russ Meyer war<br />
der festen Überzeugung,<br />
es in Hollywood geschafft<br />
zu haben, auch wenn er<br />
sich dort nicht wohlfühlte.<br />
Doch<br />
der<br />
Schein trog.<br />
Nachdem seine<br />
nächsten beiden<br />
Filme „The Seven<br />
Minutes" und „Black<br />
Snake" aus teils<br />
Zitate: Meyer über Meyer<br />
„Ich schlage meinen Vorteil aus Sex, aber ich behandle ihn mit<br />
Humor." (1961)<br />
„Sie mögen bemerkt haben, dass alle meine Darstellerinnen zwei<br />
Dinge gemeinsam haben." („Wall Street Journal", April 1968)<br />
„Eine Menge zweitklassiger Typen in diesem Geschäft halten<br />
es für sexy, eine Dame vor der Kamera auszuziehen. Sie<br />
liegen falsch. Was sexy ist, ist die Situation." (1969)<br />
„Ich greife auf das zurück, was ich am besten kann – große<br />
Busen und kantige Gesichter." („Chicago Daily News", 1974)<br />
„Meine Filme sind alle auf die eine oder andere Art Parodien.<br />
Sie sind abstrakte Fantasien voller gigantischer Mädchen,<br />
die sich benehmen wie keine Frau, die man jemals trifft, von<br />
denen man sich aber wünscht, dass sie sich genauso verhalten.<br />
Aggressiv, knallhart." („Chicago Free Weekly", 1974)<br />
„Ich bin wahrscheinlich einer der Letzten, der heute noch einen<br />
Film mit einem Haufen Unbekannter allein aufgrund seines<br />
Namens drehen und aus ihm einen Erfolg machen kann –<br />
vorausgesetzt, ich halte mich an meine Formel."<br />
(„Washington Post", 1976)<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 71<br />
unerklärlichen, teils erklärbaren Gründen (weniger nacktes Fleisch im<br />
Vergleich zu früher) Flops an den Kinokassen geworden waren, war<br />
Meyers Hollywood-Karriere nach wenigen Jahren wieder beendet. Sein<br />
erneut selbst produziertes Comeback fiel dafür 1975 mit „Supervixens<br />
– Eruption" umso aufsehenerregender aus, allein schon auf Grund<br />
des Einstiegs mit dem Horst-Wessel-Lied und der Tankstelle Martin<br />
Bormanns Super Service. Der Werbeslogan zum Film lautete nicht von<br />
ungefähr „Russ Meyers ‚Vixen’ war nicht groß genug". „Drüber, drunter<br />
und drauf" ging es ein Jahr später weiter. <strong>Die</strong>smal bekam ein gewisser A.<br />
Schwartz sein Fett weg – Ähnlichkeiten seiner Person mit einem ehemaligen<br />
deutschen Führer und seiner Behausung zu Schloss Neuschwanstein<br />
waren beabsichtigt und lassen sich durch Anzeigen, in denen ein Hitler-<br />
Double gesucht wurde, sogar belegen. Nachdem Herr Schwartz seine<br />
perversen Spiele mit drei großbusigen<br />
Damen und einem jungen Herrn getrieben<br />
hat, wird er in seiner Badewanne von<br />
einem Piranha getötet, den ein im Laufe<br />
des Films noch ausfindig zu machender<br />
Eindringling zu Wasser lässt. Von der<br />
weiblichen Hauptrolle ließ Meyer diesmal<br />
die Finger – die schöne Raven de la Croix<br />
hatte seinen Eindrücken nach persönliche<br />
Probleme. Stattdessen rückte er „Kitten"<br />
Natividad als kommentierenden „griechischen<br />
Chor" ins Bild, die seitdem für ihre<br />
„Bikini Walks" bekannt ist. <strong>Die</strong> Trägerin<br />
der Titel „Miss Nude Universe" und „Miss<br />
Nude Cosmopolitan" stand auch 1979<br />
„Im tiefen Tal der Superhexen" nicht nur<br />
für diese Rolle erneut zur Verfügung,<br />
sondern auch für mehrere Jahre dem<br />
Regisseur an seiner Seite.<br />
In den 80ern wurde es ruhiger um<br />
Russ Meyer. Im Zeitalter von Peep-<br />
Shows und Videokassetten hatte er<br />
Konkurrenz bekommen, wenngleich er<br />
natürlich von dem VHS-Geschäft und der Wiederveröffentlichung<br />
seiner Filme in West-Deutschland profitierte. Ein letztes, dialogfreies<br />
Spätwerk entstand 2001 mit „Pandora Peaks", in dem das<br />
gleichnamige 90er-Jahre-Bademoden-Modell mal mehr, mal weniger<br />
bekleidet umherstolzierte. An dem von langer Hand geplanten<br />
Mammutprojekt „The Breast Of Russ Meyer", das sein Leben und<br />
Werk in mehreren Stunden dokumentieren sollte, verlor er leider<br />
das Interesse. Stattdessen brachte er 2000 eine selbstverständlich<br />
voluminöse dreiteilige Autobiografie in Buchform (angeblicher<br />
Autor: Adolph Schwartz) heraus, für die Fans bis zu zehn Jahre vor<br />
Veröffentlichung vorab bezahlt hatten. Im selben Jahr wurde bei<br />
ihm Alzheimer diagnostiziert. Am 18. September 2004 verstarb Russ<br />
Meyer an den Folgen einer Lungenentzündung. Seine Inspiration für<br />
ihm nachfolgenden Künstlergenerationen ist ungebrochen. Wer sich<br />
davon noch überzeugen will, wird unmittelbar auf DVD<br />
oder früher oder später im Nachtprogramm eines<br />
<strong>kult</strong>urell angehauchten deutsch-französischen<br />
TV-Senders fündig.
Michael Schanze<br />
Der freundliche<br />
Von Christian Simon<br />
" Flitterabend"-Mann<br />
darf heute böse sein<br />
Michael Schanze war der Mann mit dem "<br />
Plopp", machte "<br />
Kinderquatsch"<br />
und gewann auch mal den "<br />
Bravo"-Otto in Bronze. Der heute 65-Jährige<br />
war aber nicht etwa nur etwas für Kinder oder Halbwüchsige. In seiner<br />
langjährigen Karriere besang er Schallplatten, moderierte abendfüllende<br />
Unterhaltungs-Shows oder trat in Spielfilmen auf. Häufig stand er an<br />
der Spitze, manchmal war er ganz unten. Der Entertainer blickt auf die<br />
Berg- und Talfahrt seines Lebens zurück.<br />
© Pressefoto<br />
Foto: © Zill/Bildarchiv Hallhuber<br />
Es gibt ein schönes Lied von Reiner Schöne: "Werd’ ich noch<br />
jung sein, wenn ich älter bin". Wie jung fühlst du dich?<br />
Ich fühl' mich eigentlich ganz gut. Gelogen wäre, wenn ich jetzt sagen<br />
würde, ich fühl' mich wie 20. Dafür macht mir das Treppensteigen doch<br />
mehr Mühe als früher.<br />
Aber f it bist du?<br />
Ja, ich denke schon. In den vergangenen Jahren hatte ich<br />
nicht so viel Glück mit meiner Gesundheit. Ich habe von<br />
einem gebrochenen Brustwirbel über mehrere Knieoperationen<br />
bis hin zur Prothese so einiges mitgemacht. Das war schon ein<br />
Eingriff in mein Leben. Wenn man die Grenzen seines Körpers<br />
erkennt – das muss man erst einmal verdauen.<br />
Du hast es doch anscheinend sehr gut verdaut. <strong>Die</strong><br />
Talfahrt ist vorbei. Du bist mittlerweile ein anerkannter r<br />
Schauspieler.<br />
Es ist ja kein Eingeständnis, sondern ein Fakt, dass ich in diesem<br />
heutigen Theatergeschäft ein Späteinsteiger bin. Nach anfänglichem<br />
Schauspielunterricht hat mein Leben Anfang der 70er<br />
Jahre eine andere Wendung genommen. Wenn ich jetzt mit über<br />
60 plötzlich am Theater alle möglichen Rollen spielen darf, dann n liegt die<br />
Betonung auf alle möglichen Rollen. Ich war böse, ich war zynisch, ich<br />
war jähzornig, ich war weiß der Henker was – all das, was ich in meinem<br />
Fernsehleben nie sein durfte und auch ehrlich gesagt von innen nie sein<br />
wollte. Aber nach all den Jahren ist es für mich wie ein Geschenk, dass<br />
ich plötzlich in andere Charaktere einsteigen darf. Das ist schon etwas<br />
Besonderes. Wer hat schon das Glück, dass – wenn man in meinem<br />
Alter ist – er noch einmal so eine Art Neuanfang erleben darf?<br />
Jeder Schauspieler hat ja so seine eigene Art, Text zu lernen ...<br />
Ja, und ich lerne gut in der Badewanne. Und in den letzten<br />
Monaten bin ich auch immer mehr dazu übergegangen, nicht<br />
Du bist ein alter Hase" in die-<br />
sem Geschäft. " Beeinflussen dich<br />
nur meinen Text, sondern das ganze Stück zu lernen. Das ist<br />
eine große Hilfe. Dann hast du auch keine Hänger, weil du immer<br />
weißt, wie es weitergeht.<br />
© Pressefoto<br />
Seite 72 ■<br />
GoodTimes 1/2013<br />
Kritiken noch, oder geht das bei dir links rein und rechts wieder<br />
raus?<br />
Elegant ausgedrückt müsste ich jetzt sagen, Kritiken machen mir nicht<br />
mehr viel aus. Aber im Gegenteil – ich habe das Gefühl, die Haut wird<br />
immer dünner. Aber man lernt mit der Zeit, sich das rauszupicken, was<br />
wirklich fundiert ist. Man kann besser unterscheiden,<br />
ob<br />
einer an dem Abend lieber mit seiner Freundin<br />
ausgegangen wäre, statt die Pflicht zu haben, zur<br />
Theaterpremiere zu gehen, dann eine Wut hat und<br />
alles grundsätzlich nicht gut findet. Man kann es<br />
noch besser sagen: Irgendwann lernst du zu unterscheiden,<br />
ob derjenige, der über dich schreibt, die<br />
richtige Elle anlegt. Ein Beispiel: Am Ernst-Deutsch-<br />
Theater haben wir eine Farce gespielt. Das ist ein<br />
auf die Spitze getriebenes Boulevardstück mit einem<br />
abstrusen Witz. Wenn da jetzt einer drinsitzt und<br />
sagt, er vermisst Dinge im Kleist'schen Sinn, dann ist<br />
die falsche Elle angelegt.<br />
Oft liest man den Satz Von der Show-Treppe<br />
auf die Theaterbühne". Hast du das selber mitgesteuert, " oder kam<br />
es einfach auf dich zu?<br />
Da habe ich schon ganz kräftig mitgesteuert. Ich habe schon in den<br />
70er Jahren in Berlin vom Theaterdirektor Jürgen Wölfer gehört, dass er<br />
mich nicht einplanen konnte, weil ich so viele Fernsehverpflichtungen<br />
hatte. Wenn das mal anders würde, jederzeit gerne. Und genau so kam<br />
es dann auch. Ich hatte 1995<br />
diese totale Umwälzung in meinem<br />
Privatleben. <strong>Die</strong> Trennung<br />
von der Ehefrau ... Und da fragt<br />
man sich dann: Möchtest du so<br />
weitermachen oder nicht? Und<br />
ich hatte einfach das Gefühl,<br />
es muss jetzt eine Veränderung<br />
eintreten. Dazu kam noch, dass<br />
eine<br />
e TV-Sendung von mir zu diesem Zeitpunkt nicht gerade erfolgreich<br />
war („NKL Show", Anm. d. Autors.). Das hat dann auch noch gerade in<br />
mein<br />
Bild von mir selbst gepasst. Mein Unterbewusstsein hat signalisiert:<br />
„Es ist jetzt einfach genug." Erst haben wir in „Flitterabend" die Leute<br />
verheiratet, und dann spielen wir um die Ausbildung ihres ersten Kindes.<br />
Das<br />
war doch von Anfang an eine Vanille-Knoblauch-Mischung. Und<br />
Unstimmigkeiten mit dem Lotteriegesetz ergaben sich auch noch.<br />
Dann habe ich den Wandel gesteuert. Nun, eins muss man auch<br />
wissen: Wenn du einen Platz im Fernsehen freimachst, wird er für<br />
dich nicht freigehalten.
" Flitterabend", Hätten Sie heut’ Zeit für mich" usw. Vermisst<br />
du ab und an das " Fernsehen und die große Show, oder ist das für<br />
dich abgehakt?<br />
Es ist nicht abgehakt, und ich denke auch gerne daran zurück. Ich könnte<br />
mir auch vorstellen, in einem Massenmedium vorzukommen, aber<br />
nicht um jeden Preis. Eine gute Rolle in einem schönen Stück würde mir<br />
mehr entsprechen, als eine Show-Treppe runterzuwalken.<br />
Zu deinem Geburtstag schrieb eine Zeitung: Der Mann mit<br />
dem Plopp". Das ist für dich wohl auch ein bleibendes " Image?<br />
Das ist einfach ein Markenzeichen geworden, das anfangs gar nicht<br />
unbedingt gerne gesehen war. <strong>Die</strong> Idee kam von einer Kommilitonin an<br />
der Hochschule für Fernsehen und Film, die sagte: „Du, mach doch mal<br />
diesen Backenschnalzer, diesen Plopp!" <strong>Die</strong> hat auch das Wort erfunden.<br />
Und die hat dann auch den Text geschrieben für das „Eins, Zwei oder<br />
Drei – Lied". <strong>Die</strong> verantwortlichen Herren haben dann gesagt: „Das ist<br />
aber nichts, wenn sich ein halbwegs erwachsener Mensch andauernd<br />
den Finger in den Mund steckt." Und trotzdem ist es mein<br />
Markenzeichen geworden.<br />
Wäre eine Koch-Show im Fernsehen etwas für<br />
dich?<br />
Kochen gefällt mir schon sehr gut, aber normale<br />
Koch-Shows im Fernsehen gibt’s genug. Was<br />
mir gefallen könnte, wäre so eine Mischung aus<br />
Kochen und Talk. Etwas gemeinsam fabrizieren<br />
und sich dabei unterhalten. Das, was Bio (Alfred<br />
Biolek, Anm. d. Autors) mal erfunden hat, so<br />
etwas könnte ich mir schon vorstellen. Ich könnte<br />
mich auch mit Leuten ganz gut unterhalten, ohne<br />
mit ihnen zu kochen.<br />
Wenn wir gerade vom Kochen sprechen – was<br />
hältst du von Diäten?<br />
Eigentlich halte ich gar nichts mehr davon. Ich bin ein Opfer von<br />
Diäten. Ich habe so gut wie alles probiert und bin das Jo-Jo im Reinformat.<br />
Abnehmen, zunehmen. Der Körper sagt „schlechte Zeiten, ich speichere".<br />
Das geht nur mit einer kapitalen Essensumstellung. Als Initialzündung<br />
kann man natürlich mal mit einer Diät anfan-ngen.<br />
Aber danach muss man sein Essen umstellen,<br />
auch mal auf „Mangel-Basis". Ein bisschen<br />
mehr Eiweiß täte uns allen gut, und auch in<br />
Richtung Trennkost sollte man denken. Aber<br />
das ist ein schlimmes Thema.<br />
Bühnenmenschen sind ja bekanntlich<br />
eitel. Deine Anzugsgröße hat sich nun<br />
mal ein bisschen verändert. Gehst du<br />
damit locker um?<br />
Nun ja, ich habe mich jetzt bei der Tournee<br />
gefreut, dass eine blaue Hose, die ich in dem<br />
Stück trage, plötzlich gerutscht ist. Nur, das<br />
kann ich niemandem weiss machen, der mich anschaut.<br />
Aber für mich sind es die kleinen Glücksmomente. Ich gehe noch einen<br />
Schritt weiter – ich glaube, dass ich ein paar Rollen als Hänfling nicht<br />
bekommen hätte. Ich glaube, dass ich in der Tat nicht nur vom<br />
Kopf her, sondern auch vom Körper her aus diesem frühe-<br />
ren Fernsehkästchen rausgewachsen bin und vielleicht<br />
sogar dadurch jetzt einige Rollen bekomme, die mir<br />
früher nie angeboten worden wären. Wenn da ein<br />
Brocken Mannsbild steht, dann hat der weniger die<br />
Hypothek „Ach, der ist lieb und nett zu Kindern".<br />
W Was sind für dich heute unerfüllte Träume?<br />
Wenn ich heute zum Beispiel in Berlin auf der<br />
Bühne stehe, und der Vorhang geht auf, dann<br />
denke ich mir „Lieber Gott, was für ein Geschenk".<br />
Und von diesem Geschenk wusste ich vor ein paar<br />
Michael Schanze mit seiner<br />
Wochen noch gar nichts. In diesem Beruf kann jede<br />
Caterin Monika" und<br />
" neue Rolle zu einer Wunscherfüllung werden! Und da<br />
Christian Simon<br />
kommen noch einige Rollen auf mich zu, zum Beispiel „Der<br />
eingebildete Kranke" und andere aus der Weltliteratur. Und noch<br />
eins, so lächerlich sich das jetzt vielleicht anhört, aber es kommt aus dem<br />
Herzen: Ich habe es in den letzten Jahren erfahren – ich wünsche mir,<br />
dass die Gesundheit mitspielt, und den Rest mache ich irgendwie alleine.<br />
Foto: © Zill/Bildarchiv Hallhuber<br />
WEIHNACHTEN KANN KOMMEN:<br />
LOLITA<br />
Weihnachten in den Bergen (1969)<br />
Erhältlich ab 09.11.<br />
VICO TORRIANI<br />
Weihnacht in Europa (1966)<br />
Erhältlich ab 09.11.<br />
ANITA<br />
Fröhliche Weihnachtszeit mit Anita (1972)<br />
Erhältlich ab 09.11.<br />
<br />
ROY BLACK<br />
Weihnachten bin ich<br />
zu Haus (1968)<br />
PETER ALEXANDER<br />
Schöne Weihnacht mit<br />
Peter Alexander (1965)<br />
KAREL GOTT<br />
Weihnachten in der<br />
goldenen Stadt (1969)<br />
<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 73<br />
KELLY FAMILY<br />
Festliche Stunden<br />
bei der Kelly Family (1980)
DAS JAHR 1972<br />
Von Bernd Matheja<br />
Einmarsch<br />
der Nationen<br />
<strong>Die</strong> Zwei": Roger Moore (l.), Tony Curtis<br />
"<br />
Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />
Terrorist im<br />
olympischen Dorf<br />
1972<br />
olympischen Dorf. Der dilettantische Befreiungsversuch auf dem<br />
Zeitgeschichte<br />
München, 5.9.: Der Sport wird getötet – palästinensische Attentäter<br />
des „Schwarzen September" nehmen elf Israelis als Geiseln im<br />
Flugplatz Fürstenfeldbruck scheitert: Alle Sportler, fünf Terroristen<br />
und ein Polizist sterben. Kein<br />
Abbruch der Spiele, IOC-<br />
Präsident Avery Brundage<br />
erklärt: „The games must go<br />
on!" *** Horror auch schon am<br />
30.1. in Londonderry: britische<br />
Soldaten erschießen bei<br />
einer Demo für Bürgerrechte<br />
13 Zivilisten. Das Datum geht als „Nordirischer Blutsonntag" in die<br />
Geschichte ein. *** Eskalation durch RAF-Terroristen in der BRD:<br />
Bombenanschläge mit Toten und Verletzten am 11.5. (Frankfurt), 15.5.<br />
(Karlsruhe), 19.5. (Hamburg) und 24.5. (Heidelberg).<br />
Der Staat schlägt zurück: Am 1., 7. und 15.6. werden<br />
in Frankfurt, Hamburg und Hannover führende<br />
Mitglieder der Rote Armee Fraktion verhaftet:<br />
Andreas Baader, Holger Meins, Jan Carl Raspe,<br />
Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. *** Annäherung<br />
beider deutscher Staaten: Am 3.6. tritt das<br />
Transitabkommen<br />
in Kraft, am<br />
21.12. wird der<br />
Grundlagenvertrag<br />
unterzeichnet.<br />
Am 14.9. hatte die Bundesrepublik<br />
außerdem die diplomatischen<br />
Beziehungen zu Polen aufgenommen.<br />
*** Cape Canaveral: Nach Apollo<br />
16 (16.4.) endet mit dem Start von<br />
Apollo 17 am 7.12. das langjährige<br />
Nasa-Projekt der Amerikaner. Eugene<br />
Cernan ist der letzte Astronaut, der den<br />
Mond betritt, bevor er mit Ron Evans<br />
Olympia am Boden, die Fußballer<br />
obenauf. Dem Mond wird adieu<br />
gesagt, eine Superband in spe<br />
begrüßt. In Washington stinkt's, es<br />
gibt Geschlechtsorgane im Hals, und<br />
Jesus erscheint singend in Münster.<br />
Schwer was los im bis dahin längsten<br />
Jahr des Gregorianischen Kalenders!<br />
und Harrison Schmitt am 19.12. auf der Erde landet.<br />
Das US-Folgeprogramm heißt Skylab. *** Dicke Luft<br />
in Washington: Im Oktober kommt heraus, dass<br />
die republikanische Regierung in den Einbruch ins<br />
Hauptquartier der Demokraten steckt. Kennwort:<br />
Watergate-Affäre. <strong>Die</strong> „Washington Post"-<br />
Journalisten Carl Bernstein und Bob Woodward<br />
(im späteren Film „<strong>Die</strong> Unbestechlichen"/„All<br />
The President's Men" von Robert Redford<br />
und Dustin Hoffman gespielt) werden durch<br />
ihre glänzenden Recherchen<br />
weltberühmt. *** Trotz des Skandals<br />
gewinnt Richard Nixon am 7.11. die<br />
Präsidentschaftswahlen gegen George<br />
McGovern. Nixon hatte zuvor mit<br />
einem China-Besuch punkten können<br />
und am 26.5. mit Leonid Breschnew<br />
die Salt-1-Verträge<br />
Willy Brandt<br />
(Ziel: Eindämmung des nuklearen Wettrüstens) mit<br />
der Sowjetunion unterzeichnet. *** Fünf Wochen<br />
später wird in der BRD Willy Brandt erneut zum<br />
Kanzler gewählt, nachdem die SPD am 19.11.<br />
erstmals stärkste Bundestagsfraktion geworden<br />
war. Seinem Kabinett gehört als Finanzminister<br />
Helmut Schmidt an. Er hatte zuvor außerdem das<br />
Wirtschaftsressort geleitet, nachdem Karl Schiller<br />
am 7.7. zurückgetreten war. *** Drei weitere<br />
Entscheidungen aus Bonn: Bund und Länder<br />
beschließen am 28.1. den Radikalenerlass<br />
(keine Verträge für „Extremisten" im öffentlichen<br />
<strong>Die</strong>nst). Der Grundwehrdienst wird am<br />
23.6. von 18 auf 15 Monate reduziert und das<br />
aktive Wahlalter auf 18 Jahre gesenkt. *** Als<br />
Reaktion auf die Ereignisse in München und den<br />
bundesweiten RAF-Terror kündigt Innenminister<br />
Hans-<strong>Die</strong>trich Genscher am 13.9. den Aufbau<br />
der GSG 9 an, einer Spezialeingreiftruppe<br />
Seite 74 ■ GoodTimes 1/2013
des Bundesgrenzschutzes. *** Am 22.5. erfolgt die Umbenennung<br />
des ehemaligen Ceylon in die Republik Sri Lanka. *** <strong>Die</strong> erste<br />
Weltumweltkonferenz beginnt am 5.6. in Stockholm. *** Am 21.11.<br />
tritt die DDR der Unesco bei, am 31.12. verlässt Portugal die seit 1946<br />
aktive Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft<br />
und Kultur. *** Seit dem 1.1. amtiert der Österreicher Kurt Waldheim<br />
als Generalsekretär der Vereinten Nationen. Über Jahrzehnte erstrecken<br />
sich immer neue Vorwürfe zu seiner dubiosen Vergangenheit während<br />
der Naziherrschaft. Unvergessen die Einschätzung des Bundeskanzlers<br />
(1983–1986) Fred Sinowatz: „Nehmen wir also zur Kenntnis, dass<br />
nicht Waldheim bei der SA war, sondern nur sein Pferd." ***<br />
1972<br />
olympischen Sommerspiele in München (26.8.–11.9.) fortgesetzt.<br />
Sport<br />
Trotz der kriminellen, tödlichen Begleitumstände (s. oben) wurden die<br />
Ulrike Meyfarth<br />
Erfolgreichste Nation wurde die Sowjetunion mit 50x Gold, 27x Silber<br />
und 22x Bronze. <strong>Die</strong> DDR kam<br />
auf Rang 3 der Nationenwertung<br />
(20/23/23), die BRD auf Platz 4<br />
(13/11/16). In bester Erinnerung<br />
bleibt der Nachwuchs: die australische<br />
Schwimmerin Shane Gould<br />
(15), Hochspringerin Ulrike<br />
Meyfarth (16) und die russische Turnerin Olga Korbut (17), die zusammen<br />
sieben Goldmedaillen abtransportierten. <strong>Die</strong> bis heute unglaublichste<br />
Kampfszene im Ringersport gelingt Wilfried <strong>Die</strong>trich (1933–1992;<br />
„Der Kran von Schifferstadt"): Per Schulterwurf besiegt er den 13<br />
Jahre jüngeren 200-kg-Koloss Chris Taylor<br />
(USA). *** Auch die Winterspiele in Sapporo<br />
(Japan) vom 2.–13.2. hatte die Sowjetunion<br />
dominiert: 8x Gold, 5x Silber, 3x Bronze<br />
(BRD: 3/1/1). *** <strong>Die</strong> Vierschanzentournee<br />
1971/72 der Skispringer gewinnt der Norweger<br />
Ingolf Mork – ohne einen Sieg in den vier<br />
einzelnen Wettbewerben. *** Fußball: BRD-<br />
Meister wird der FC Bayern München, der an<br />
allen Spieltagen Platz 1 belegt und den 1. FC<br />
Köln und Fortuna Düsseldorf auf die Plätze verweist. Den DFB-Pokal<br />
holt sich Schalke 04 am 1.7. mit einem 5:0 in Hannover gegen den<br />
1. FC Kaiserslautern. DDR-Titelträger ist erstmals der 1. FC Magdeburg,<br />
Pokalsieger wird der FC Carl Zeiss Jena. Fußballer des Jahres werden<br />
Günter Netzer (Mönchengladbach) und Torwart Jürgen Croy<br />
(Jena). *** Europa: Als bester Spieler wird Franz Beckenbauer<br />
ausgezeichnet. Den Landesmeistercup gewinnt Ajax Amsterdam (2:0<br />
gegen Inter Mailand), den der Pokalsieger die Glasgow Rangers<br />
(3:2 gegen Dynamo Moskau). *** Im Juli strampelt Eddy Merckx<br />
(Belgien) bei der Tour de France zum vierten Mal auf Platz 1,<br />
Robert<br />
Fisher<br />
gefolgt von den ewigen Konkurrenten<br />
Felice Gimondi (Italien) und Raymond<br />
Poulidor (Frankreich). *** Wintersport im<br />
Sommer: Am 10.8. wird der Eishockeyclub<br />
Kölner Haie gegründet, der zwischen<br />
1977 und 2002 acht Meistertitel erringt.<br />
*** Formel-1-Weltmeister im Motorsport<br />
ist der Brasilianer Emerson Fittipaldi, zu ihm aufs Treppchen steigen<br />
Jackie Stewart (Schottland/2.) und der Neuseeländer Dennis Hulme (3.).<br />
*** Das „Match des Jahrhunderts" findet ab 11.7. in Reykjavik (Island)<br />
statt: Nachdem es bis dahin ausschließlich russische Schachweltmeister<br />
gegeben hatte, besiegt der extrovertierte Amerikaner Robert "<br />
Bobby"<br />
Fisher (1943–2008)<br />
diesmal Boris Spasski<br />
(*1937) aus Leningrad,<br />
der am 1.9. nach 21 von<br />
24 Partien aufgibt. ***<br />
<strong>Die</strong> vielleicht spielstärkste<br />
deutsche Fußball-<br />
Nationalmannschaft<br />
der Geschichte holt sich<br />
am 18.6. in Brüssel den<br />
Wilfried <strong>Die</strong>trich<br />
<strong>Die</strong> deutsche Fußball-Nationalmannschaft<br />
Conchita Martinez<br />
Titel des Europameisters, durch ein 3:0 gegen<br />
die Sowjetunion. Ihr Meisterstück hatte die<br />
Elf um Günter Netzer, Franz Beckenbauer<br />
und Gerd Müller bereits im Viertelfinale am<br />
29.4. beim 3:1 gegen England im Londoner<br />
Wembley-Stadion abgeliefert. *** BRD-Sportler<br />
des Jahres sind die Leichtathleten Klaus<br />
Wolfermann und Heide Rosenthal sowie die<br />
Hockey-Nationalmannschaft der Herren. DDR:<br />
Wolfgang Nordwig (Leichtathletik), Karin Janz<br />
(Turnen) und die 4x400-Meter-Staffel der Frauen. *** Später populäre<br />
Sportler werden geboren, darunter Basketballer Shaquille O'Neal (6.3.),<br />
Tennisstar Conchita Martinez (16.4.), Skiläuferin Katja Seizinger<br />
(10.5.), die Fußballer Giovane Elber (23.7.), Luis Figo (4.11.) und Steffi<br />
Jones (22.12.). Es stirbt der schwedische Formel-1-Rennfahrer Joakim<br />
Bonnier am 11.6. bei einem Sportwagenunfall in Le Mans. ***<br />
Funk & Fernsehen<br />
1972<br />
Namensänderung mit politischem Kalkül: Am 3.1. wird aus dem<br />
(Ost-)Deutschen Fernsehfunk (DFF) das „Fernsehen der DDR". *** 26<br />
Tage später beginnt die bis zum Schluss populärste Showreihe des<br />
Senders: Ein Kessel Buntes", live aus dem Friedrichstadtpalast in<br />
"<br />
Berlin übertragen, bleibt mit 118 Ausgaben<br />
bis 1992 gefeierter Programmbestandteil.<br />
Zu den wechselnden Gastgebern gehören<br />
u.a. DDR-Topstars wie Willi Schwabe, Helga<br />
Hahnemann, Heinz Rennhack, Gunther<br />
Emmerlich und Dagmar Frederic. *** Musik<br />
kommt auf den Bildschirm: In den USA<br />
wird die beliebte Mike Douglas Show"<br />
"<br />
eine Woche lang von John Lennon und<br />
Yoko Ono co-moderiert. *** Innerhalb von nur vier Tagen beginnen<br />
im amerikanischen Fernsehen drei Erfolgsserien. 14.9.: „The<br />
Waltons" (CBS; 221 Folgen bis 1981; mit Richard Thomas); 16.9.:<br />
Streets Of San Francisco" (ABC; 121 Episoden bis 1977; mit<br />
"<br />
Karl Malden und Michael Douglas);<br />
17.9.: „M.A.S.H." (CBS; 251 Folgen<br />
bis 1983; mit Alan Alda). <strong>Die</strong> beiden<br />
Erstgenannten laufen ab 1975<br />
bzw. 1974 als Renner auch in der<br />
BRD. *** Für Kinder produzieren die<br />
Engländer schöne Tiergeschichten<br />
Michael Douglas & Karl Malden<br />
um das Pferd Black Beauty" (52<br />
"<br />
Folgen), die am 8.9.1974 erstmals auch im ZDF zu sehen sind. Der<br />
Nachwuchs freut sich seit dem 23.1.72 über die spielerisch-lehrreiche<br />
(und später vielfach ausgezeichnete) Sendung mit der Maus", erstmals<br />
mit diesem Titel. *** Am 1.4. werden in den alten Bundesländern<br />
"<br />
20 Millionen Hörfunkteilnehmer errechnet. *** Im Fernsehen/West<br />
werden zu Rennern: Einmal "<br />
im Leben", die unterhaltsamen<br />
Abenteuer der Familie<br />
Semmeling beim nervtötenden<br />
Eigenheimbau, mit Antje<br />
Hagen und Fritz Lichtenhahn<br />
(es hagelt anschließend böse<br />
Handwerkerproteste!); die<br />
Einmal im Leben"<br />
Showreihen „Hätten Sie heut<br />
"<br />
Zeit für mich?" (Gastgeber: Michael Schanze) und „Eine Frau<br />
bleibt eine Frau" (Lilli Palmer); der Musikladen" von Radio<br />
"<br />
Bremen mit Manfred Sexauer (bis 1978 im<br />
Moderationsteam mit Uschi Nerke) tritt am<br />
13.12. die schwere Nachfolge des „Beat-<br />
Club" in der ARD an. 90 Ausgaben laufen<br />
bis zum 29.11.1984, erreichen aber – die<br />
Musikszene hat sich grundlegend verändert<br />
– nicht das Flair des Vorgängers. *** Krimi-Fans haben im ZDF<br />
ab 11.7. mächtig Spaß an der britischen TV-Krimiserie <strong>Die</strong> Zwei"<br />
"<br />
(„The Persuaders!") um Lord Brett Sinclair (Roger Moore) und Playboy<br />
Danny Wilde (Tony Curtis). <strong>Die</strong> stark veränderten deutschen Texte<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 75
von Rainer Brandt („Lordchen, du musst schneller sprechen, sonst<br />
bist du nicht synchron!"; „Hände hoch, ich bin Achselfetischist!")<br />
machen den 24-Folgen-Klamauk<br />
erst zu einem amüsant-<strong>kult</strong>igen<br />
Programm-Highlight, die englischsprachigen<br />
Originale sind<br />
eher staubtrocken. *** Neuheiten<br />
von der Technik, auch in<br />
einem Jahr ohne Internationale<br />
Funkausstellung: Philips präsentiert<br />
ein erstes HiFi-Stereo-Tonbandgerät sowie als Weltpremiere einen<br />
Bildplattenspieler mit Laserstrahlabtastung, von Blaupunkt kommt<br />
die neue Suchlaufsteuerung für Farbfernsehgeräte, und Saba schafft<br />
Bedienungserleichterungen für Verbraucher durch ein „TV-Diagnose-<br />
System". *** Ein weiterer<br />
Dauerläufer gelingt ab<br />
18.7. dem DDR-Fernsehen<br />
mit<br />
" Außenseiter –<br />
Spitzenreiter",<br />
ausgedacht<br />
und bis zum<br />
14.12.2011 auch moderiert<br />
von Hans-Joachim<br />
Wolfram. <strong>Die</strong> Sendung<br />
läuft noch immer, jetzt<br />
im Programm des MDR.<br />
*** Langzeitwirkung auch in den USA: Nach dem Debüt im Oktober<br />
1955 wird am 27.10. Folge Nr. 5000 der Kinderserie „Captain<br />
Kangaroo" (CBS) ausgestrahlt. Erst 1984 ist Schluss. *** Auch in<br />
diesem Jahr wird die Goldene Kamera" der Programmzeitschrift<br />
"<br />
„Hörzu" verliehen. Preisträger unter den Fernsehschaffenden sind<br />
u.a. „Kommissar" Erik Ode, der Autor und Regisseur <strong>Die</strong>ter Wedel<br />
sowie die Schauspielerinnen Monica Bleibtreu und Lilli Palmer. ***<br />
Rund zwei Millionen Autoradios sind inzwischen in bundesdeutschen<br />
Fahrzeugen installiert und registriert. *** Ein Jubiläum feiert die ARD<br />
am 26.12.: 20 Jahre „Tagesschau". ***<br />
1972<br />
Film<br />
Viele Film-, Fernseh- und Bühnenschauspieler(innen), die sich inzwischen<br />
– national und/oder international – einen Namen machen<br />
konnten, erblicken 1972 das Licht der Welt. Eine Auswahl: Muriel<br />
Baumeister (24.1.), Anneke Kim Sarnau<br />
(25.2.), Benno Fürmann (17.1.), Henning Baum<br />
(20.9.); Gwyneth Paltrow (28.9.), Vanessa<br />
Paradis (22.12.), Ben Affleck (15.8.), Jude Law<br />
(29.12.). *** In hiesige Kinos kommen nach<br />
wie vor Filme vom Kaliber à la „Kinderarzt Dr.<br />
Fröhlich", „Grün ist die Heide", „Immer Ärger<br />
mit Hochwürden", „Ein Käfer gibt Vollgas"<br />
und „Lass jucken, Kumpel"; großes Kritikerlob Anneke Kim Sarnau<br />
erhalten aber auch engagierte Arbeiten wie Werner Herzogs<br />
Aguirre, der Zorn Gottes" (Klaus Kinski), Wim Wenders' Handke-<br />
"<br />
Verfilmung „<strong>Die</strong> Angst des Tormanns beim Elfmeter" mit Kai Fischer<br />
und Arthur Brauss sowie die Faßbinder-Werke „Bremer Freiheit"<br />
Klaus<br />
Kinski<br />
1972<br />
und „<strong>Die</strong> bitteren Tränen der<br />
Petra von Kant". Einer weiteren<br />
Literaturumsetzung gelingt<br />
sogar beides: Gute Rezensionen<br />
und (!) viele Zuschauer kann<br />
Alfred Vohrers „Der Stoff, aus<br />
dem die Träume sind" (nach<br />
Johannes Mario Simmel, mit<br />
Herbert Fleischmann) für sich<br />
verbuchen. *** International ist es ein exzellentes Filmjahr, in dem<br />
ausnehmend viele Klassiker entstehen, darunter Steven Spielbergs<br />
„Das Duell" (Dennis Weaver), Alfred Hitchcocks „Frenzy" (Jon Finch),<br />
Sam Peckinpahs „Getaway" (Steve McQueen/Ali MacGraw), Francis<br />
Ford Coppolas "<br />
Der Pate" (Marlon Brando), Peter Bogdanovichs „Is<br />
was, Doc?" (Barbra Streisand) und „Paper Moon" (Ryan O'Neal) sowie<br />
Woody Allens „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten ...". ***<br />
Zu einem Kult-Porno gerät „Deep Throat",<br />
in dem bei einer jungen Frau die Klitoris<br />
in den Hals verlegt wird. Darstellerin Linda<br />
Lovelace stürzt der Film später in schwe-<br />
re psychische Probleme. *** Bei der Oscar-<br />
Verleihung 1973 (für das Filmjahr 1972) räumt<br />
„Cabaret" gewaltig ab: Es regnet gleich acht<br />
Auszeichnungen, u.a. für die Regie von Bob<br />
Fosse und die superbe Hauptdarstellerin Liza<br />
Minnelli. Drei Statuen<br />
gehen an „Der Pate" als besten Film, für das<br />
beste Drehbuch und den dominanten Marlon Brando. *** <strong>Die</strong> beliebten<br />
„Bravo-Ottos" nehmen bei den Schauspielern Ryan O'Neal und<br />
Uschi Glas mit nach Hause. *** In den Top 10 nach Besucherzahlen<br />
in BRD-Lichtspielhäusern stehen u.a. „Vier Fäuste für ein Halleluja",<br />
„Schulmädchen-Report, 3. Teil", „Freibeuter<br />
der Meere", „<strong>Die</strong> tollkühne Hexe in ihrem<br />
fliegenden Bett" und „Lucky Luke". ***<br />
Für immer schließt sich in diesem Jahr der<br />
Vorhang für Robert Meyn (3.2.; *1896),<br />
George Sanders (25.4.; *1906), „Bonanza"-<br />
Star Dan Blocker („Hoss"; 13.5.; *1928),<br />
die umwerfende „Miss Marple"-Darstellerin<br />
Margaret Rutherford (22.5.; *1892), die<br />
große Dänin Asta Nielsen (25.5.; *1881),<br />
DDR-Star Günther Simon (25.6.; *1925), Leo G. Carroll (16.10.;<br />
*1892), bekannt u.a. als Chef in der TV-Krimi-Reihe „The Man From<br />
U.N.C.L.E.".<br />
1972<br />
Musik<br />
Das staatliche DDR-Schallplattenlabel<br />
Amiga startet eine seiner populärsten<br />
LP-Kopplungsreihen: HALLO Nr. 1–12<br />
erscheinen 1972/73. Später folgen sechs weitere<br />
Ausgaben, und mit HALLO, THE BEST 1<br />
und 2 (auf Unionton) geht das Projekt erst<br />
2001 zu Ende. *** Nachhaltige Alben gelingenn<br />
u.a. Neil Young (HARVEST), Deep Purple (MACHINE<br />
HEAD),<br />
den Rolling Stones (EXILE ON MAIN STREET) und Alice Cooper<br />
(SCHOOL'S OUT). Sie enthalten Songs wie "Heart Of Gold" und<br />
"Smoke On The Water"; bleibende Titel kommen<br />
auch von Elton John ("Rocket Man"), von den<br />
Kinks ("Celluloid Heroes") und Roberta Flack<br />
("Killing Me Softly With His Song"). *** <strong>Die</strong><br />
Electrola/Köln fusioniert mit der Carl Lindstöm<br />
GmbH zur EMI Electrola. *** Beim Grand Prix<br />
(heute ESC) siegt am 25.3. in der Ulster Hall<br />
von Edinburgh Vicky Leandros mit "Après<br />
toi" für Luxemburg: 128 Punkte. Auf den<br />
Plätzen 2 und 3: die New Seekers mit "Beg,<br />
Steal Or Borrow" (114 P.) und Mary Roos<br />
– das Orchester für ihr "Nur die Liebe lässt<br />
uns leben" (107 P.) wird von Paul Kuhn<br />
dirigiert. *** Von solchen Erfolgen träumen<br />
vier junge Schweden noch. Agnetha<br />
Fältskog, Björn Ulvaeus, Benny<br />
Margaret Rutherford<br />
Andersson und Anni-Frid Lyngstad<br />
formieren sich – um schon zwei Jahre<br />
später als Abba eine gigantische Karriere mit "Waterloo" zu star-<br />
ten. *** Tierisch: Loriot<br />
singt als TV-Elefant<br />
Wum "Ich wünsch<br />
mir eine kleine<br />
Miezekatze" und<br />
landet damit an<br />
der Spitze der<br />
Single-Charts. ***<br />
Mit den renommierten<br />
Grammys<br />
Abba<br />
werden in den<br />
Seite 76 ■ GoodTimes 1/2013
USA u.a. Carole King, James Taylor, The Carpentersers<br />
und als Newcomer(in) Carly Simon ausgezeichnet.<br />
Im R&B-Bereich erhalten Aretha Franklin,<br />
Bill Withers, Lou Rawls und Ike & Tina Turner<br />
die begehrte Auszeichnung. *** In Hamburg<br />
gründen die ehemaligen A&R-Manager Bruno<br />
Wendel und Günther Körber das Brain-Label<br />
als Ableger von Metronome Records. Ihre Marke<br />
wird zur Topadresse für Kraut- oder Deutsch-Rock mit<br />
Interpreten wie Cluster,<br />
The Sweet<br />
Tangerine Dream, Guru Guru,<br />
Birth Control, Grobschnitt und<br />
Popol Vuh. *** <strong>Die</strong> erfolgreichsten<br />
UK-Songs des Jahres sind<br />
"Without You" (Nilsson), "Puppy<br />
Love" (Donny Osmond), "Long<br />
Haired Lover From Liverpool"<br />
(Jimmy Osmond) und "Amazing<br />
Grace", das die Royal Scots<br />
Dragoon Guards instrumental auf<br />
ihren Säcken dudeln – alle Titel<br />
belegen fünf Wochen lang Platz<br />
1 der Hitlisten. In den US-Charts<br />
hält Roberta Flack diesen Rang<br />
sechs Wochen mit "The First Time<br />
Ever I Saw Your Face". Mouth &<br />
MacNeal ("Hello-A") und die Windows ("How Do You Do") sind die<br />
Abräumer in Deutschland (je acht Wochen auf Platz 1) – genau wie<br />
"Wig Wam Bam" von The Sweet, die mit Gary Glitter, Slade, T. Rex<br />
und anderen das Glam-Rockgenre in den Mittelpunkt des Interesses<br />
rücken. *** Auch Deutschsprachiges hält sich lange in den Fanohren,<br />
z.B. Juliane Werdings Anti-Drogensong "Am Tag, als Conny Kramer<br />
starb" (Original: "The Night They Drove Old Dixie Down" von Joan<br />
Baez), "Komm, gib mir deine Hand"<br />
von Tony Marshall, Jürgen Marcus'<br />
"Eine neue Liebe ist wie ein neues<br />
Leben" und (das im Dezember 1971<br />
erschienene) "Du lebst in deiner Welt":<br />
Daisy Door (= Evelyn van Ophuisen aus<br />
Duisburg) wird zum Ein-Hit-Wunder,<br />
nachdem der Titel im TV-Krimi „Als die<br />
Blumen Trauer trugen" aus der Serie<br />
Beth Hart<br />
„Der Kommissar" zu hören ist. *** <strong>Die</strong> deutsche Niederlassung der<br />
amerikanischen Kinney Corporation wird zur WEA (Warner/Elektra/<br />
Atlantic). *** Geboren werden u.a. Sänger Sasha (Schmitz; 5.1.),<br />
Rockröhre Beth Hart (24.1.), der US-Rapper Busta Rhymes (Trevor<br />
Smith; 20.5.) und Geri Halliwell (6.8.). *** Vom Mikro verabschieden<br />
sich die Gospelikone Mahalia Jackson (27.1.; *1911), Sopranistin<br />
Erna Sack (2.3.; *1898), Stone-The-Crows-Gitarrist Les Harvey (3.5.;<br />
*1944), Bluesmusiker Mississippi Fred McDowell (3.7.; *1904) und<br />
"Lili Marleen"-Sängerin Lale Andersen (29.8.; *1905). ***<br />
Vermischtes aus<br />
1972<br />
aller Welt<br />
1972 ist ein Jahr der Flugzeug-Katastrophen. Allein bei Abstürzen<br />
auf Ibiza und Teneriffa, in London, Moskau, Palermo, Miami, in<br />
nimmt die 1956 gegründete Lach- und<br />
" Schießgesellschaft" die Arbeit wieder<br />
auf. *** Erste Vorstellung eines<br />
berühmten Theaterstückes am 18.5. in<br />
Halle an der Saale: „<strong>Die</strong> neuen Leiden<br />
des jungen W." von Ulrich Plenzdorf.<br />
*** Verbesserte Bedingungen: Der<br />
schwedische Automobilbauer Volvo<br />
setzt ab dem 3.8. auf Arbeitsgruppen<br />
statt Fließbandfertigung. *** „Lass dein<br />
<strong>Die</strong>ter Hildebrandt<br />
Auto leer, wenn du voll bist!" lautet der<br />
aktuelle Werbeslogan gegen Alkohol<br />
am Steuer. Ein „Frank S. Thorn" wird<br />
zum markanten Reklamegesicht. Er heißt<br />
eigentlich Hans Meyer und hat zwölf Jahre<br />
zuvor Puschkin-Wodka angepriesen. *** <strong>Die</strong><br />
Forscher Godfrey Hounsfield (England) und<br />
Allan MacLeod Cormack (Südafrika) schaffen<br />
Großes, ihnen gelingt der Durchbruch für die<br />
Computertomografie. *** Ein anderer Tüftler<br />
denkt sich Unverzichtbares für die Kurzen<br />
aus: Ernst A. Bettag (1929–2003; BIG-Spielwarenfabrik Fürth)<br />
erfindet das Bobby Car", von<br />
"<br />
dem bis 2003 rund 30 Millionen<br />
Stück gebaut und verkauft werden.<br />
*** Am 29.4. findet im<br />
katholischen Münster die erste<br />
deutsche Schwulen-Demo statt.<br />
*** Andreas Pavel (*1945) aus<br />
Aachen stellt 1972 einen ersten<br />
"<br />
Stereobelt" her. Er meldet ihn<br />
1977 als „Batteriebetriebene,<br />
elektroakustische, miniaturisierte<br />
Anordnung für die hochwertige<br />
stereofone Wiedergabe<br />
von Hör-Ereignissen" zum<br />
Patent an, doch viele deutsche<br />
Hersteller lehnen ab. Sony<br />
nennt das Gerät ab 1979 einfach<br />
„Walkman" – 23 Jahre<br />
Rechtsstreit folgen, es geht um<br />
zig Millionen. *** Bei Bauarbeiten in der Berliner Invalidenstraße wird<br />
ein Skelett gefunden – es handelt sich definitiv um die Überreste<br />
des gesuchten Nazi-Schwerverbrechers Martin Bormann. Der<br />
„Abfall" wird erst 1999 endgültig verbrannt und auf Staatskosten<br />
anonym in der Ostsee entsorgt. *** Im Juni bringt Hewlett<br />
Packard den ersten Taschenrechner<br />
auf den Markt, der nicht nur die<br />
Grundrechenarten beherrscht. Das<br />
Gerät wiegt ein halbes Pfund und ist<br />
für schlappe 1987 D-Mark zu haben.<br />
*** 1972 sterben in Deutschland erstmals<br />
mehr Menschen (965.689) als<br />
Heinrich Lübke<br />
Heinrich Böll<br />
geboren werden (901.657). Bis 2010<br />
erhöht sich das Verhältnis auf 858.768<br />
zu 677.947. Im Jahr 1950 war es noch umgekehrt mit 1.116.701<br />
zu 748.329. *** 10.4.: Ein schweres Erdbeben im Iran kostet über<br />
5000 Menschen das Leben. *** Beliebteste Vornamen sind laut BRD-<br />
Standesämtern Nicole, Claudia und Tanja sowie Michael, Christian<br />
und Andreas. DDR: Kathrin, Daniela, Manuela und Thomas, Sven,<br />
Marco *** Prominente Verstorbene 1972: der niederländische<br />
den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Königs Wusterhausen<br />
(DDR) sterben über 1000 Passagiere.<br />
In den Anden (Uruguay) überleben im<br />
Oktober 16 Menschen 72 Tage lang,<br />
indem sie Teile der 29 Opfer aufessen.<br />
*** Deutschland-Premiere des Musicals Künstler M.C. Escher (27.3.; *1898), Alt-Bundespräsident<br />
Jesus Christ Superstar" von Andrew Heinrich Lübke (6.4.; *1894), FBI-Gründer J. Edgar<br />
"<br />
Reiner Schöne<br />
Lloyd Webber am 18.2. in Münster. Vier Hoover (2.5.; *1895), Unternehmer r Friedrich Flick<br />
Monate nach der New Yorker Uraufführung spielt Reiner Schöne die (20.7.; *1883), Ex-US-Präsident Harry S. Truman<br />
Hauptrolle. *** Bedeutende Ehrung: Schriftsteller Heinrich Böll (26.12.; *1884).<br />
(1917–1985) erhält am 18.12. in Stockholm den Literaturnobelpreis.<br />
Der Friedensnobelpreis wird in diesem Jahr nicht verliehen. ***<br />
1972<br />
München, 30.11.: Das – neben den „Stachelschweinen" aus Berlin –<br />
bekannteste Kabarett um <strong>Die</strong>ter Hildebrandt löst sich auf. Erst 1976<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 77
Von Horst Berner<br />
E g m o n t<br />
Ehapa und Entenhausen sind<br />
untrennbar miteinander verbunden, seit dort<br />
die Micky Maus" im Jahr 1951 ihre verlegerische<br />
"<br />
Heimat fand. Aus dem gleichen Haus kommen die erfolgreichen<br />
Lustigen Taschenbücher", die einen unterhaltsamen<br />
"<br />
Mix aus Maus- und Enten-Comics bieten. Am 9. Oktober 1967<br />
gestartet, blicken die Macher der Reihe 45 Jahre später auf<br />
sage und schreibe 434 publizierte Titel zurück. <strong>Die</strong><br />
gelten inzwischen Jung und Alt als begehrtee<br />
Lese- und Sammelobjekte.<br />
Neu" heißt es in großen Lettern<br />
auf der zeitgenössischen Anzeige<br />
„ des Ehapa Verlags gegen Ende<br />
des Jahres 1967, mit der das jüngste<br />
Produkt beworben wird: „Walt Disneys<br />
Lustige Taschenbücher". Für 2,50<br />
Mark kommt „Der Kolumbusfalter"<br />
am 9. Oktober in den hiesigen<br />
Buch- und Zeitschriftenhandel und<br />
trägt auf dem Titelbild, quasi als<br />
Empfehlung, das Logo der Micky<br />
Maus. Das inklusive Umschlag 260<br />
Seiten starke Buch im handlichen<br />
Format 12,5 x 19 Zentimeter, in dem<br />
Disney-Bildgeschichten von italienischen Autoren abgedruckt werden,<br />
en<br />
entspricht zwar nicht unbedingt der damals am deutschen Markt<br />
gängigen Form von Comics, passt damit aber ganz gut in die Zeit. Ein<br />
bisschen revolutionär durfte es schon sein in jenem Jahr, in dem die<br />
sogenannte Kommune 1 in West-Berlin gegründet wird, das Musical<br />
„Hair" seine Uraufführung in New York erlebt, der Mini-Rock von<br />
Mary Quant die Modewelt aufrüttelt, die Beatles mit SGT. PEPPER’S<br />
LONELY HEARTS CLUB BAND zum radikalen Wandel der Popmusik<br />
beitragen, ARD und ZDF das Farbfernseh-Zeitalter einläuten, der NSU<br />
RO 80 als Sensationsauto gefeiert wird, die „Mao-Bibel" zum Bestseller<br />
gerät und „alle vom Wetter reden", mit Ausnahme der Mitglieder vom<br />
Sozialistischen Deutschen Studentenbund.<br />
Während die beliebten b Enten<br />
Dagobert und Donald Duck<br />
das Titelbild der Erstausgabe zieren<br />
en<br />
(Zeichnung: Marco Rota), kommt in der<br />
Zweitausgabe „Hallo … hier Micky!" (Z.:<br />
Giovan Battista Carpi) die Maus zu plakativen<br />
Ehren. Auf den Innenseiten präsentieren<br />
ren<br />
sich die entsprechenden Disney-Charaktere<br />
ere<br />
in einer Reihe von Kurzgeschichten, en, die<br />
in eine Rahmenhandlung eingebettet et sind.<br />
Rasch entwickelt sich die Buchreihe mit dem<br />
hohen<br />
Spaßfaktor,<br />
deren<br />
Vorlagen<br />
über lange Zeit aus<br />
den<br />
italienischen<br />
Serien „I Classici<br />
di Walt Disney"<br />
und<br />
„Topolino"<br />
kommen,<br />
zum<br />
Bestseller.<br />
Im<br />
Jahr 1973<br />
sind<br />
bereits<br />
26 Bände im<br />
Handel<br />
erhältlich,<br />
h,<br />
wie das abgebildete Inserat zeigt.<br />
Dass die einzelnen Bände zunächst<br />
Seite 78 ■ GoodTimes 1/2013
fast immer eine inhaltliche Trennung<br />
von Enten- und Maus-Universum bieten,<br />
ist dabei ebenso eine Besonderheit<br />
wie der aus Kostengründen alternierende<br />
Abdruck einer Doppelseite in Farbe und<br />
in Schwarzweiß bis zur Nummer 118:<br />
„Donald, der Weltenbummler" vom 3.<br />
März 1987. Erwähnenswert auch, dass<br />
die Übertragungen der Comics anfangs<br />
noch von Erika Fuchs und dann über viele<br />
Jahre von „Asterix"-Übersetzerin Gudrun<br />
Penndorf angefertigt werden.<br />
<strong>Die</strong> Nummer 119 „Fern von Entenhausen", die<br />
am 21. April 1987 in den Verkauf kommt, steht<br />
in mancher Hinsicht für einen Wandel. Der bisherige<br />
Titel „Lustige Taschenbücher" wird zu „Lustiges<br />
Taschenbuch", und das Logo verändert seine<br />
Form. Vor allem erscheint das „LTB", wie es kurz<br />
genannt wird, nun aber monatlich, und zwar komplett<br />
in Farbe. Zeitgleich erlebt der Gag mit dem<br />
Buchrückenmotiv seine Premiere. So gelangen von<br />
der Ausgabe 119 bis zur 165 Teilstücke von populären<br />
Disney-Figuren vor gelbem Hintergrund zur<br />
Darstellung, was dann bei den im Regal nebeneinander<br />
gereihten Büchern ein attraktives Gesamtbild ergibt. <strong>Die</strong>se geniale<br />
Idee hat seither nichts von ihrer Faszination verloren, weswegen<br />
sie mit weiteren Illustrationen bis heute zur Anwendung kommt. Dass<br />
Donald Duck in Band 119 als Marco Polo bis nach China reist und als<br />
Dolliver Duck nach Liliput und ins Reich der Riesen kommt, ist typisch<br />
für die fantasievoll gestrickten Abenteuer der Reihe. Nicht wenige<br />
Geschichten basieren auf Vorlagen aus Literatur, Film oder Musik:<br />
„Tausendundeine Nacht" kommt als „Donald Baba" in Band 16, „<strong>Die</strong><br />
ten Anspielungen auf die wahren<br />
Liverpooler Pilzköpfe sind unverkennbar.<br />
Großer Comic-Klamauk<br />
ist, dass die vier Musiker ihre<br />
letzten gemeinsamen Aufnahmen<br />
in einem Studio in Entenhausen<br />
eingespielt und das Tonband<br />
nach heftigem Streit und<br />
Auflösung der Band ausgerechnet<br />
im Garten der Ducks vergraben<br />
haben. Bei Donalds erbärmlichem<br />
Verhältnis zum Glück kann sich<br />
jeder ausmalen, dass das<br />
wertvolle Dokument wenige<br />
Chancen auf eine behutsame<br />
Konservierung hat.<br />
Als wichtigste Protagonisten<br />
in den „LTB"-Bänden agiert natürlich die Elite der<br />
Disney’schen Comicfiguren. Auf Seiten der Enten sind das<br />
Donald Duck, Tick, Trick und Track, Daisy Duck, Onkel Dagobert,<br />
die<br />
Panzerknacker und Daniel Düsentrieb, auf Seiten der Maus<br />
heißen sie Micky, Minni, Goofy, Kommissar Hunter, das Schwarze<br />
Phantom und Kater Karlo. <strong>Die</strong> Liste der Charaktere, die in den<br />
bis dato erschienenen „LTB"-Ausgaben aufgetreten sind, umfasst<br />
freilich weit mehr als 300 Namen. Einer dieser unglaublichen<br />
Hel den ist Phantomias, das Alter Ego von Donald Duck. In<br />
der Nummer<br />
41: „Donald<br />
Im Rah-<br />
mal ganz<br />
men<br />
durchge-<br />
drei Musketiere" als „Donald und die drei Musketiere" in Band 60,<br />
anders" vom 9.<br />
hend farbig gedruck-<br />
„Carmen" und „Aida" als „Carmen olé" und „Holde Aida" in Band<br />
Au gust 1976<br />
ter Neuauflagen von<br />
älteren<br />
88, „Reise um die Erde in 80 Tagen" als „Mit 80 Talern um die<br />
ist der ewige<br />
" LTB"-Ausgaben<br />
erhielten einzelne Bände<br />
Welt" in Band 123, „Der Name der Rose" als „Im Namen der<br />
Pechvogel<br />
neue Titel, neue Titelbilder<br />
Mimose" in Band 142, „<strong>Die</strong> Abenteuer des Tom Sawyer" als<br />
in seiner<br />
und ein Buchrückenmotiv.<br />
neuenn<br />
Aus<br />
"<br />
„<strong>Die</strong> Abenteuer des Mick Sawyer" in Band 153, „Odysseus" als<br />
Donald mal ganz<br />
anders" wurde auf diese<br />
„Streit um Odysseus" in Band 224, „Der Herr der Ringe" als<br />
Rolle als<br />
Weise „Der Herr der Klinge" in Band 319 oder „Star Wars" als „<strong>Die</strong><br />
Rächer der<br />
"<br />
Jetzt kommt<br />
Phantomias!".<br />
Weltraumritter" in Band 338. Kurz gesagt, die Autoren und<br />
Armen und<br />
Zeichner, deren Namen nach Jahrzehnten des anonymen Tuns<br />
seit der Ausgabe 245 vom 31. März 1998 im „LTB" auch endlich Kater Karlo<br />
Entrechteten erstmals in Deutschland<br />
zu sehen. <strong>Die</strong> ursprüngliche Ideee<br />
genannt sind, lassen ihrem starken Einfallsreichtum freien Lauf.<br />
dazu kommt von der italienischen<br />
E<br />
Autorin Elisa Penna. Texter Guido Martina<br />
ine recht originelle Kurzgeschichte – jedenfalls aus der Sicht von und Zeichner Giovan Battista Carpi verhelfen<br />
Beatles-Fans – kommt in Band 369 zum Abdruck. Von Mark „Paperinik", wie er im Original heißt, dann<br />
und Laura Shaw geschrieben, vom italienischen Zeichner Massimo<br />
Fecchi für die am 9. Oktober 2010 erschienene<br />
im Juni 1969 zu seinem Debüt. Mit Maske,<br />
schwarzem Umhang und cooler Ausrüstung<br />
Jubiläumsausgabe „40 Jahre Walt Disney Lustiges aus der Werkstatt von Daniel Düsentrieb,<br />
Taschenbuch" in Szene gesetzt, t, bringt „Es war<br />
wozu die voll automatische<br />
genau … vor 40 Jahren"<br />
Knockout-Faust gehört, steigt<br />
ein<br />
Wiedersehen<br />
Donald zum Superhelden<br />
mit der berühmtes-<br />
von Entenhausen auf. Eine<br />
ten und erfolgreichs-<br />
Bestimmung, mit der sich auch hiesige ige Leser auf<br />
ten Rockband aller<br />
Anhieb anfreunden konnten. Folge davon: Weitere<br />
Zeiten: die Käfer. <strong>Die</strong><br />
Stories mit dem neuen Star Phantomias gehörten<br />
auf 26 Seiten gezeig-<br />
fortan zum festen Bestandteil des „LTB".
Eine Besonder heit der Reihe „Lustiges<br />
Taschen buch" ist, dass die einzelnen<br />
Bände nachgedruckt werden, sie somit<br />
für die Leser im Handel stets verfügbar<br />
sind. Zum 16. Oktober 2012 liegen exakt<br />
434 Ausgaben vor. Im Regal nehmen<br />
diese gut sieben Meter Stellfläche ein<br />
und bieten grob überschlagen an die<br />
113.000 Seiten Lektüre. Jährlich kommen<br />
13 Novitäten dazu, seit das „LTB"<br />
im Jahr 1994 sein Erscheinen auf einen<br />
vierwöchigen Rhythmus umgestellt hat.<br />
Dass es der Schmöker Monat für Monat<br />
auf gut 230.000 verkaufte Exemplare<br />
mit einer Reichweite von fast einer halben<br />
Million Leser bringt, ist bester Beleg für<br />
die<br />
enorme Popularität des Titels. 225<br />
Millionen „Lustige Taschenbücher"<br />
hat der Egmont Ehapa Verlag seit der<br />
Erstausgabe im Oktober 1967 unters<br />
Volk gebracht. Eine imposante Zahl,<br />
der Inbegriff einer Erfolgsstory. Apropos pos Erstausgabe:<br />
sgab<br />
abe:<br />
„Der Kolumbusfalter" in der ersten Auflage zum Preis<br />
von 2,50 DM und mit aufgedrucktem Micky-Maus-<br />
Kopf ist laut dem „Comic-Preiskatalog 2012" in druckfrischer<br />
Erhaltung unbegreifliche 1800 Euro wert.<br />
Vorrangigstes Motiv beim Erwerb eines „Lustigen<br />
Taschenbuchs" sind sicher die darin abgedruckten<br />
Comics. Dass eine ansprechende Verpackung,<br />
sprich ein gelungener Umschlag mit einem raffinierten<br />
Titelbild, die Kaufentscheidung erleichtert,<br />
kann jedoch nicht von der Hand gewiesen werden.<br />
Auch in dieser Hinsicht hat das „LTB" einiges zu<br />
bieten. Besondere Gestaltungen zu Jubiläen, runden<br />
Geburtstagen einzelner Hauptfiguren oder ausgefalle-<br />
nen Ereignissen haben inzwischen eine lange Tradition.<br />
Seit<br />
der Ausgabe 150, die mit dem ersten Glanzeinband<br />
aufwartete, gab es davon etliche Nachläufer: etwa die<br />
Bände 236, 239, 293 und 383 oder, ganz clever, der<br />
Jubiläumsband 369 in den beiden Varianten Gold<br />
und Silber. Optisch pfiffig muten die Bände 385<br />
mit einer Art Hologramm, 397 mit Prägedruck der<br />
Panzerknacker vor Dagoberts Geldspeicher sowie<br />
372 und 398 mit je einem 3D-Bild von Phantomias<br />
an. Das gute alte Wackelbild kommt auf dem Cover<br />
von Band 424 „Donalds Lieblinge" zum Einsatz und<br />
macht bei verändertem Blickwinkel gleich drei Motive<br />
sichtbar: Donald, Daisy und die beiden im legendären<br />
Wagen mit der Nummer 313.<br />
Das „Lustige Taschenbuch" ist in seinem 45-jährigen<br />
Bestehen am hiesigen Comicmarkt längst<br />
zu einer festen Größe mit Klassikerstatus geworden.<br />
Der Riesenerfolg enerfo<br />
der Reihe hat Egmont Ehapa immer wieder zur<br />
Produktion einer Vielzahl von weiteren Ausgaben im Stil des „LTB"<br />
ermutigt, die neben bekanntem Material auch bisher unveröffentlichte<br />
Comics bieten. Namentlich erwähnt seien die Titel „LTB Spezial", die<br />
„LTB Enten-Edition", die „LTB Maus-Edition", das „LTB Weihnachten",<br />
das „LTB Premium" (in dem Phantomias, Supergoof und einige<br />
andere Superhelden von Entenhausen das Sagen haben) oder die<br />
ambitionierte, iert<br />
seit Mitte des Jahres 2009 erscheinende ende<br />
„LTB English<br />
Edition". Bei den so genannten Jubiläums- oder Sondereditionen,<br />
die bis dato stets mit vier Bänden aufgelegt wurden,<br />
gibt<br />
es inzwischen isch<br />
fünf Sammelboxen zu den Themen<br />
„40 Jahre LTB: 1967–2007", „Happy<br />
Birthday Micky: 1928–2008", „Donald<br />
Duck: 75 Jahre Spaß", „Das Beste aus<br />
LTB 1–400" und „<strong>Die</strong> Panzerknacker: 60<br />
Jahre knackige Zeiten". Eine sechste Box<br />
ist<br />
zum Jahresende 2012 in Vorbereitung<br />
und rückt die reichste Ente der Welt in den<br />
Mittelpunkt: „65 Jahre Dagobert Duck".<br />
Damit nicht genug, bietet auch die<br />
Ehapa Comic Collection – das ist die<br />
Verlagsmarke von Egmont Ehapa, die für<br />
den<br />
Buchhandel produziert – in ihrem<br />
Programm eine Menge von Disney-Titeln.<br />
Eine<br />
der gelungensten Buchreihen der jüngeren<br />
Vergangenheit ist mit „Enthologien"<br />
überschrieben und umfasst aktuell 14 Bände.<br />
<strong>Die</strong> Comics in diesen bis zu 456 Seiten starken Wälzern<br />
sind aus dem „Lustigen Taschenbuch" und dessen<br />
Spin-offs kompiliert, werden hierfür aber nach Themen<br />
geordnet. Enten- und Maus-Fans (denn auch Micky<br />
und die Seinen sind in diesen Geschichten vertreten)<br />
aller Altersstufen garantieren diese attraktiv gestalteten<br />
Hardcover-Ausgaben gute Unterhaltung. Momentan gibt<br />
es sogar Überlegungen in den Redaktionsstuben der ECC,<br />
das „LTB" als Buchhandelsausgabe mit festem Einband<br />
zu produzieren. Am Konzept, so heißt es, wird gearbeitet,<br />
ein Erscheinungsdatum ist aber noch nicht gewiss.<br />
• Buch 1: Duckanchamun I – Im Tal der Enten<br />
• Buch 2: Duckanchamun II – Im Zeichen der Sphinx<br />
• Buch 3: Ente in Antik – Orakel und andere<br />
Debakel<br />
• Buch 4: Cowboys, Enten und Indianer –<br />
High Noon in Entenhausen<br />
• Buch 5: Enten entern! – Meuterei auf der Mounty<br />
• Buch 6: So ein Theater! – Donald setzt sich in Szene<br />
• Buch 7: NullNull Duck – Quak niemals nie!<br />
• Buch 8: Mitten ins Herz! – Liebesgrüße aus<br />
Entenhausen<br />
• Buch 9: Enten, Mäuse und Moneten –<br />
Geschichten rund ums Geld<br />
• Buch 10: Huch! – Gänsehaut in Entenhausen<br />
• Buch 11: Hex! Hex! – Zauberhaftes<br />
Entenhausen<br />
• Buch 12: Enten im All – Donaldchens<br />
Mondfahrt<br />
• Buch 13: Anas sapiens – Vom Nest in die Höhle<br />
• Buch 14: Ritter Donalds Schwafelrunde<br />
– Minnesang und Entenlyrik<br />
Abbildungen: © Disney 2012/Egmont Ehapa Verlag GmbH<br />
Seite 80 ■ GoodTimes 1/2013
<strong>kult</strong>! Bücher<br />
Von Alan Tepper<br />
Für den Winter ist eine Offensive der Lesegeräte geplant.<br />
Texte, die nicht mehr unter das Copyright fallen, sollen in<br />
monströs großen Medienpaketen unters Volk gebracht werden,<br />
so dass man "<br />
Viel" für sein Geld bekommt. Angeblich sollen<br />
Geiz ja immer noch geil sein und die Quantität über der Qualität<br />
stehen. Doch mal ehrlich – ist es nicht wichtiger, sich mit einem<br />
ausgewählten Buch zu befassen, sich in eine Atmosphäre<br />
Kultbücher – Geschätzt, geliebt, gelobt<br />
hineinfallen zu lassen, es zu genießen, sich inspirieren oder<br />
einfach nur unterhalten zu lassen? Durch ein Überangebot wird<br />
die Wahl nur erschwert, die Einzigartigkeit von Literatur auf ein<br />
Ramschniveau gedrückt. Da ziehe ich doch lieber den Gang<br />
zur ortansässigen Buchhandlung vor, in der man von fachkompetenten<br />
Angestellten beraten wird und ein ganz besonderes<br />
Schätzchen entdeckt ...<br />
Bram Stoker – "<br />
Dracula"<br />
Abraham („Bram") Stoker wurde am 8.11.1847 nahe Dublin geboren<br />
und verstarb am 20. April 1912 in London. Er studierte am Trinity-<br />
College und leitete einige Jahre das Londoner Lyceum Theatre. <strong>Die</strong><br />
wenigen Kurzgeschichten und Romane des Autors werden von seinem<br />
Meisterwerk „Dracula", dessen Erfolg erst nach seinem Tod einsetzte,<br />
blutrot überstrahlt. Mittlerweile hat der Vampir Einzug<br />
in die Gegenwarts<strong>kult</strong>ur genommen, ja, er erlebt sogar<br />
seit mehreren Jahren ein ungeahntes Revival. Anne<br />
Rice und ihr „Gespräch mit einem Vampir" (1976)<br />
legte den Grund-Grabstein für die Rückkehr der<br />
Untoten, die durch viele Filme, unter anderem sind die<br />
Reißer mit Christopher Lee von Hammer Productions<br />
erwähnenswert, mittlerweile ein Eigenleben entwickelt<br />
haben. <strong>Die</strong> „Blut-Serie" von Kim Harrison, Charlaine<br />
Harris’ i’Romane und vor allem die „Bis(s)"-Bücher von Stephenie Meyer<br />
und die darauffolgenden Kino-Blockbuster lassen den tageslichtscheuen<br />
Unhold und seine zahlreichen Nachkommen nicht zur Ruhe kommen.<br />
Doch Stokers Roman ist nach wie vor unübertroffen. Obwohl es nicht der<br />
erste Text war, der einen Vampir porträtierte, überzeugt der Stoff durch<br />
die dichte, düstere Atmosphäre und die sich stetig steigernde Spannung<br />
– und das auf über 500 Seiten. Ein weiteres Stilmerkmal sind die verschiedenen<br />
Perspektiven, die Stoker durch individuelle Tagebucheinträge<br />
der Protagonisten vermittelt. „Dracula" beginnt mit der Reise Jonathan<br />
Harkers, der mit dem Grafen Dracula über den Ankauf eines Hauses in<br />
London verhandelt. Nach einiger Zeit erkennt Harker, dass er es mit<br />
einem Vampir zu tun hat, aber kann unbehelligt flüchten. Doch Dracula<br />
folgt ihm nach London, wo er sein finsteres Treiben fortsetzt, sich eine<br />
Gefolgschaft aufbaut und in Harkers Braut verliebt und sie gefügig macht.<br />
Harker und seine Freunde verbünden sich mit dem Gelehrten Professor<br />
van Helsing, und schon beginnt der Kampf mit Kruzifixen, geweihten<br />
Hostien – und – klaro – Knoblauch. Obwohl der Stoff schon häufig seziert<br />
und in verschiedensten Medien „serviert" wurde, hat noch niemand die<br />
klaustrophobe Eindringlichkeit des Originals übertroffen.<br />
J.R.R. Tolkien – "<br />
Der Hobbit oder hin und zurück"<br />
John Ronald Reuel Tolkien (3.1.1892–2.9.1973) hat mit seiner Trilogie<br />
„Der Herr der Ringe" das zentrale Werk der modernen Fantasy verfasst.<br />
Neben „Das Silmarillion" gehört auch „Der Hobbit" zu seinen wichtigsten<br />
Veröffentlichungen. Da das Buch aktuell von Regisseur<br />
Peter Jackson als Dreiteiler verfilmt wird, wird sicherlich<br />
das einstmals als Kinderbuch – was es nun nicht mehr ist<br />
–<br />
konzipierte Werk, das vom Autor überarbeitet wurde,<br />
eine Renaissance erleben. Es spielt in Mittelerde und<br />
handelt von Bilbo Beutlin, der vom Zauberer Gandalf<br />
und 13 Zwergen aufgesucht wird. Es ist der Beginn<br />
einer ereignisreichen und gefährlichen Reise, bei der dem<br />
Drachen Smaug ein gestohlener Schatz abgejagt werden<br />
soll – und ja, auch ein geheimnisvoller Ring taucht auf, der im epochalen<br />
Nachfolgewerk „Der Herr der Ringe" die entscheidende Rolle spielen wird.<br />
Zwar hat „Der Hobbit oder hin und zurück" nicht die Magie der Ring-<br />
Trilogie, eignet sich aber als Einstieg in das Universum Tolkiens, der mit<br />
seinen Werken Generationen verzauberte – und das nicht nur in den verrückten<br />
Hippie-Sechzigern, sondern auch in den letzten Jahren.<br />
Ray Bradbury – "<br />
Fahrenheit 451"<br />
Am 6. Juni diesen Jahres, einen Tag nach dem Tod von Ray Bradbury<br />
(geb. 22.8.1920), gedachte der amerikanische Präsident Barack<br />
Obama des talentierten Autors, der „unsere Kultur neu erschuf und unsere<br />
Vorstellungswelt erweiterte". Obwohl Bradbury hervorragende Science-<br />
Fiction-Romane wie zum Beispiel „Der tätowierte Mann", verfilmt 1968,<br />
oder die „Mars-Chroniken" verfasst hatte, steht sein<br />
Name synonym mit „Fahrenheit 451" (1953), das<br />
zusammen mit George Orwells „1984" und Aldous<br />
Huxleys „Schöne neue Welt" zu den wichtigsten<br />
Dystopien (Anti-Utopien) des 20. Jahrhunderts zählt.<br />
Der Regisseur François Truffaut verfilmte das Werk 1966<br />
meisterhaft, doch konnte er nicht die Eindringlichkeit<br />
des Romans wiedergeben. „Fahrenheit 451" – das ist<br />
die Temperatur, bei der Bücher Feuer fangen und lichterloh<br />
lhverbrennen. Guy Montag gehört zu den Feuerwehrmännern, die in<br />
einem autoritären Staat in der nahen Zukunft nicht die Aufgabe haben,<br />
Feuer zu bekämpfen, sondern sie zu legen, um Bücher zu verbrennen,<br />
die – wie ihm sein Vorgesetzter Captain Beatty erklärt – die Menschen<br />
nur verwirren und mit unnötigen Ideen und Gedankenwelten konfrontieren.<br />
Der neue Staat will seine Bürger unter allen Umständen ruhigstellen<br />
und wehrt sich gegen subversives Gedankengut. Montag lernt das junge<br />
Mädchen Clarisse McClellan kennen, die „verrückt" ist und sich mit unnötigen<br />
Perspektiven „abplagt". Zunehmend entwickelt sich Montag zum<br />
Außenseiter, beginnt zu lesen und muss schließlich sein eigenes Haus<br />
entzünden. Als Staatsfeind wird er gejagt und flüchtet in die Wildnis, wo<br />
er auf eine Gruppe Menschen trifft, die zu lebendigen Büchern geworden<br />
sind, also Werke auswendig gelernt haben, um sie der Nachwelt zu bewahren.<br />
„Fahrenheit 451" kann multipel ausgedeutet werden, und zwar als<br />
Warnung vor autoritären Systemen, als Angriff auf die Konsumgesellschaft<br />
oder als „feuriges" Pamphlet für die Bedeutung der Imagination. Eines ist<br />
aber sicher: Das Werk belegt erneut die Bedeutung der Science-Fiction als<br />
literarisches Genre, da hier Visionen, Spekulationen und Extrapolationen<br />
ideal umgesetzt werden können.<br />
Albert Camus – "<br />
Der Fremde"<br />
Neben Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir zählt Albert Camus<br />
(7.11.1931–4.1.1960) zu den wichtigsten Vertretern des französischen<br />
Existenzialismus, obwohl er sich selbst lieber als autonomen<br />
Philosoph bezeichnete. Ihm wurde 1957 der Literaturnobelpreis verliehen.<br />
Neben „Der Mythos des Sisyphos", „Der Mensch<br />
in der Revolte" und „<strong>Die</strong> Pest" gehört „Der Fremde"<br />
aus dem Jahr 1942 zu seinen zentralen Werken.<br />
In dem Roman schildert Camus die Geschichte des<br />
unbedeutenden Angestellten Meursaults, ein stark<br />
ausgeprägtes Individuum, der durch eine schicksalhafte<br />
Wendung zum Mörder wird. Er erkennt die<br />
Absurdität und letztendliche Sinnlosigkeit des Lebens<br />
in einer Gesellschaft, die dem Einzelnen Normen<br />
und Verhaltensmuster überstülpt. Dadurch beginnen<br />
ein Prozess der inneren Befreiung und die Erkenntnis des Selbst. Als<br />
Meursault kurz vor seiner Hinrichtung mit einem Geistlichen spricht,<br />
erläutert er seine neu gefundene Perspektive. Ein Monumentalwerk, das<br />
zum Denken und Philosophieren anregt.<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 81
Gerüchte, Mythen, Märchen:<br />
Wie der Rock-Fan in der DDR<br />
Geschichten über seine Stars erfand<br />
Elvis, die Beatles, Kiss oder die Sex Pistols – Objekte<br />
der Begierde. Es genügte den Fans nie, nur die Musik<br />
ihrer Lieblinge zu konsumieren. Das Drumherum war<br />
mindestens genauso spannend, und es lieferte den Stoff<br />
für hitzige Schulhofgespräche, stundenlange Debatten<br />
auf Partys. <strong>Die</strong> Halbwüchsigen zwischen Westerland<br />
und Bodensee wurden regelmäßig gefüttert: Was mit<br />
der "<br />
Bravo" in den 50ern begann, wurde spätestens in<br />
den 70ern mit einer Vielzahl an Musikzeitschriften zu<br />
einem eigenen Wirtschaftszweig. Das Radio versorgte die<br />
Infizierten mit den neuesten Hits, das TV zeigte die Stars<br />
in Bewegung, und Vinyl gab es irgendwann im Überfluss.<br />
Zwischen Hiddensee und Fichtelberg sah es hingegen<br />
ganz anders aus.<br />
Der Rock-Fan in der DDR wurde kurz<br />
gehalten. <strong>Die</strong> 60er waren eine reine<br />
Ödnis. Einzige Musikzeitschrift: die<br />
„Melodie & Rhythmus". Sie wandte<br />
sich genau wie das Jugendmagazin<br />
„Neues Leben"<br />
erst in den 70ern<br />
verstärkt populären<br />
internationalen Künstlern zu.<br />
Infos gab es zwar, diese hinkten<br />
den realen Ereignissen aber meist<br />
Monate, ja manchmal Jahre hinterher.<br />
Und nicht selten verstärkten<br />
die Geschichten in den Blättern das, was in<br />
Ostdeutschland sich um die Stars in einem schier<br />
unerschöpflichen Ausmaß rankte: Gerüchte, Mythen<br />
und Märchen.<br />
Wenngleich die Beatles und die Rolling Stones unbestritten<br />
als die Bands mit der größten Popularität<br />
betrachtet werden können, dürften Kiss bei den<br />
windigen Stories, die über sie in den 70ern und frühen 80ern in der<br />
DDR kursierten, die Nase vorn gehabt haben. Der Umstand ergab sich<br />
nicht zuletzt daraus, dass das US-amerikanische Heavy-Metaltheater<br />
in den Ost-Medien nicht stattfand. Wer Musik der Band hören wollte,<br />
musste seine Westverwandtschaft angraben – so er welche hatte – oder<br />
jemanden kennen, der jemanden kannte, der jemanden kannte, der<br />
Kiss-LPs besaß. <strong>Die</strong> wahrscheinlichste<br />
Möglichkeit, Kiss-Musik aufs eigene<br />
Tape zu bannen, war das Überspielen<br />
der vermutlich<br />
73. Kopie<br />
eines Songs,<br />
der meist<br />
nicht mehr preisgab als die Bassdrum<br />
und ein melodiöses Gegrummel, das<br />
dem Geräusch von in einem Plastekarton<br />
geschüttelten Wackersteinen nahekam.<br />
Und irgendwann machte sich unter<br />
den Musikkopierern die Ansicht breit,<br />
sie würden beim Überspielen von<br />
"Love Gun" bereits mit einem Bein im<br />
Knast stehen. Kiss seien Nazis, hieß<br />
es. Deshalb hätten die Kulturoberen<br />
die Band verboten. Wer<br />
erwischt würde: Stasi-<br />
Haft. <strong>Die</strong> Debatten in<br />
den Westmedien über<br />
das Kiss-Logo mit<br />
den beiden runenartigen<br />
„S" gossen Öl ins<br />
Feuer. Zitat aus dem<br />
„Spiegel" im Mai 1980:<br />
„<strong>Die</strong> ‚SS-Schergen des<br />
Rock'n'Roll' (‚Neue<br />
Zürcher Zeitung'),<br />
die mit infernalischem<br />
Show-Gebaren<br />
und faschistischem<br />
Gestus bundesdeutsche<br />
Teenies im<br />
Blitzkrieg eroberten,<br />
führen die Nazi-Runen<br />
im Namenszug." Es<br />
wurde in dem Polit-<br />
Magazin darüber sinniert,<br />
dass die bundesdeutsche<br />
Justiz bei der<br />
Verwendung der „SS"-<br />
Rune mit zweierlei Maß messe und das Beispiel eines politischen<br />
Aktivisten angeführt, der 300 Mark Strafe wegen des Tragens eines<br />
Anti-Strauß-Stickers zahlen musste, auf dem das „ß" zum Doppel-S<br />
in Runenschrift umfunktioniert worden war. „Neues Leben" griff diese<br />
Nazi-Diskussion begierig auf und veröffentlichte zwei Seiten, die einen<br />
Gene Simmons in jener bizarren Pose zierten, die der Bassist einnimmt,<br />
wenn er bei Live-Konzerten zum Song "God Of Thunder" unter das<br />
Hallendach auf eine Plattform gehievt wird. Da war es: Das erste<br />
Kiss-Bild in einer ostdeutschen Zeitung. Den Aufklärungsartikel – der<br />
dem Quartett bestenfalls die musikalische Qualität einer drittklassigen<br />
Schülercombo beschied – werden viele gar nicht oder nur oberflächlich<br />
gelesen haben. Das Gene-Simmons-Bild hat sich aber vermutlich fast<br />
jeder Bezieher der Zeitschrift ausgeschnitten.<br />
Zu jenem Zeitpunkt hatte das Faschismus-Märchen, das sich um Kiss<br />
rankte, merkwürdige und auch nicht ungefährliche Blüten getrieben.<br />
So hieß es zum Beispiel, die US-Rocker würden ihre Konzerte mit<br />
der Aufforderung „Wollt ihr den totalen Krieg?" beginnen. Beweisen<br />
konnte das zwar niemand, wer<br />
allerdings den „Hottest band in<br />
the world"-Spruch zu Beginn<br />
der ALIVE-Alben in der bereits<br />
erwähnten Rumpelqualität auf<br />
einer Kassette hatte, wusste<br />
dem aber auch nichts entgegenzuhalten.<br />
Denn was da<br />
wirklich in die Massen gebrüllt<br />
wurde, war eh nicht zu verstehen.<br />
Hartnäckig hielt sich auch<br />
das kuriose Gerücht, es gebe<br />
einen Kiss-Titel, der "Bombs<br />
Over London" lautete und die<br />
Bombardierung der englischen<br />
Hauptstadt durch die deutsche<br />
Luftwaffe im Zweiten<br />
Seite 82 ■ GoodTimes 1/2013
Blue Öyster Cult Standarten am bandeigenen<br />
Pkw vor, die ein ok<strong>kult</strong>es Symbol trugen.<br />
Da war der Bezug schnell hergestellt:<br />
Standarte Symbol Ok<strong>kult</strong>ismus Himmler-SS.<br />
Heavy-Metalbands standen eine Zeitlang<br />
eh unter Generalverdacht, bevor sie von den<br />
Punks abgelöst wurden.<br />
Das Dämonisieren einiger Idole aus dem<br />
Westen in den Ostmedien ging grundsätzlich<br />
nach hinten los. <strong>Die</strong> Nazi-Keule gegen diverse Rocker sorgte nicht<br />
Blue Öyster Cult<br />
etwa zur angewiderten,<br />
ideologisch motivierten<br />
Abkehr der Fans, sondern<br />
trieb den in den<br />
Fokus gestellten Bands<br />
weitere Anhänger zu.<br />
<strong>Die</strong> genannten Blue<br />
Öyster Cult waren bis<br />
zu dem erwähnten<br />
Zeitschriftenbeitrag in<br />
der DDR nahezu unbekannt.<br />
In Cliquen, die härtere Musik bevorzugten, stieg danach der Anteil<br />
der BÖC-Neugierigen zusehends.<br />
Weltkrieg verherrlicht haben soll. Unter den Anhängern der Band<br />
wurde das Stück gesucht wie weiland der Heilige Gral von König Artus'<br />
Rittern der Tafelrunde.<br />
Da war es am Ende nur eine Frage der Zeit, bis sich in die Anhängerschaft<br />
von Kiss vermehrt Leute mischten, die die Band weniger wegen ihrer<br />
Musik verehrten. Neo-Nazis, die es hüben wie drüben gab, fühlten sich<br />
angezogen. Und so kam es schon mal vor, dass sich Bewunderer der<br />
NS-Ideologie mit dem Kiss-Logo schmückten oder sogar zu fanatischen<br />
Fans des Quartetts mutierten, um dabei dem Nazi-Mythos um die Band<br />
noch mehr Futter zu geben.<br />
Der zunehmende Zugang der DDR-Bevölkerung zu Westmedien – die<br />
Hauptstädter waren mit West-Berlin in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft<br />
immer in einer bevorzugten Ausnahmesituation gewesen – entzog schließlich<br />
den Gerüchteküchen mehr und mehr<br />
die Gewürze, was sich letztlich auch im<br />
Umgang mit Kiss zeigte, die zu Beginn<br />
der 80er mit "I Was Made For Lovin'<br />
You" in den Jugendsendungen des<br />
Rundfunks hoch- und runtergenudelt<br />
wurden. Und die ebenfalls in dieser Zeit<br />
einsetzende Verkabelung ausgesuchter<br />
Gebiete (Neubrandenburg machte den<br />
Anfang) trug das Westfernsehen in die<br />
guten Stuben.<br />
Der staatstragende Antifaschismus der<br />
DDR heftete sich für eine gewisse Zeit<br />
auch an die Fersen von Nazareth und<br />
Blue Öyster Cult. <strong>Die</strong> Blues-Rocker fielen<br />
mit ihrem Platten-Cover für NO MEAN CITY unter den Nazi-Verdacht.<br />
Wo damals der „Enthüllungsartikel" erschien, ist bedauernswerterweise<br />
der Vergessenheit anheimgefallen. Dem Duktus der ungeprüften<br />
Denunziation nach zu urteilen, könnte aber durchaus einmal mehr das<br />
Jugendheft „Neues Leben" seine Finger im Spiel gehabt haben. Während<br />
Nazareth ihrem Monster auf der LP-Hülle vermutlich eine zu sehr an einen<br />
Wehrmachtshelm erinnernde Kopfbedeckung verpasst hatten, warf man<br />
Foto: © Zill/Bildarchiv Hallhuber<br />
Nazareth<br />
<strong>Die</strong> Gerüchte über das Gebaren diverser Punkprotagonisten kamen<br />
schnell auf. Als sich die Medien im Westen und im Osten in der<br />
Bewertung der neuen Jugendsub<strong>kult</strong>ur noch einig waren, fand man<br />
in DDR-Beiträgen über die respektlosen und destruktiven Bands aus<br />
Großbritannien häufig Zitate und Fotos aus BRD-Zeitschriften. Logisch,<br />
dass die Begeisterung der gerade im realen Sozialismus heranwachsenden<br />
neuen Generation keine Grenzen kannte. <strong>Die</strong> ersten Punkcliquen<br />
streiften beinahe ebenso zeitig durch die ostdeutschen Großstädte wie<br />
jenseits des Eisernen Vorhangs durch die Westmetropolen. Und wer<br />
aufpasste, wurde sogar im Jugendfunk mit Musik versorgt. Auf Stimme<br />
der DDR, ein Sender, der allabendlich ab 19 Uhr die unterschiedlichsten<br />
Formate für Jugendliche anbot, lief ein Special über die Sex<br />
Pistols und ihre Wirkung auf die Musikindustrie. Zu jenem Zeitpunkt<br />
hatten Senderverantwortliche – sicherlich im Verbund mit den halbwegs<br />
zurechnungsfähigen Kulturniks – die Punkbewegung als ein<br />
antikapitalistisches Phänomen wahrgenommen, was Namen wie The<br />
Clash, Sid Vicious, The Damned oder Tenpole Tudor auch ins Ostradio<br />
hob. <strong>Die</strong> Stories über Skandale oder Ereignisse flossen aber weiter<br />
spärlich. Also verpassten die Fans ihren Idolen jene Zügellosigkeit, die<br />
sie selbst gern ausgelebt hätten. Manchmal kamen die Geschichten<br />
der Wirklichkeit nahe, oft schossen sie weit übers Ziel hinaus. Zum<br />
Beispiel die imaginäre Fäkalaktion eines Johnny Rotten, der angeblich<br />
vor Publikum seine Hose heruntergelassen und unmittelbar neben dem<br />
Mikroständer seinen Darm entleert haben sollte. Bezeichnend dabei<br />
die Gleichgültigkeit, mit der diese<br />
Räuberpistole weitererzählt wurde.<br />
Denn vorstellen konnte sich das vermutlich<br />
niemand.<br />
Dass die Fans aber auch mit dieser<br />
unappetitlichen Geschichte näher am<br />
Geschehen waren, als sie es selbst für<br />
möglich gehalten hätten, belegte in<br />
den späteren 80ern ein Typ namens<br />
GG Allin, der sogar das Publikum<br />
in der ersten Reihe an seinen<br />
Verdauungsvorgängen teilhaben ließ.<br />
Allin starb 1993 an einer Überdosis<br />
Heroin.<br />
<strong>Die</strong> Rolling Stones und die DDR verbindet auf jeden Fall das Debakel<br />
vom 7. Oktober 1969. Eigentlich Republikgeburtstag und Feiertag,<br />
machte das Gerücht die Runde, Jagger & Co. würden auf dem Dach des<br />
Springer-Verlagshauses unmittelbar an der Mauer ein Konzert geben.<br />
Der Staatsmacht blieb die Ankündigung nicht verborgen, und so<br />
zogen am Abend – als die staatlichen Feierlichkeiten in der Hauptstadt<br />
ihrem Höhepunkt entgegengingen – neben hunderten Stones-Fans<br />
GoodTimes 1/2013 Seite 83
Foto: © Bernd Woick<br />
Zu Hunderten zog es ostdeutsche Stones-<br />
Fans am 7. Oktober 1969 an die Mauer.<br />
auch Polizeieinheiten zum<br />
Spittelmarkt, von wo aus<br />
man das Verlagshaus bestens<br />
einsehen konnte. Als die<br />
Uniformierten versuchten, die<br />
Musikbegeisterten abzudrängen,<br />
kam es zu Ausschreitungen.<br />
120 junge Leute wurden festgenommen.<br />
Dabei war ein Stones-Konzert<br />
nie geplant gewesen. Das<br />
Gerücht basierte auf der zwei<br />
Wochen zuvor salopp dahingeplapperten<br />
Vorstellung eines Rias-<br />
Moderators, der es witzig gefunden<br />
hätte, wenn die Rolling Stones ausgerechnet<br />
zum 20. Geburtstag der DDR<br />
auf dem Springer-Dach ein Konzert<br />
gäben.<br />
<strong>Die</strong> DDR stand mit den Stones sehr<br />
lange auf Kriegsfuß. Sie seien verboten, hieß es oft. Doch<br />
ganz so einfach war das nicht. Und das wussten auch die<br />
Jugendlichen, weshalb man sich die Abstinenz der britischen<br />
Band in den sozialistischen Medien mit der Klausel<br />
des „Unerwünschten" erklärte. Erzählte ein Schlaumeier<br />
beim Lauschen von "Angie" mal wieder, dass man ja gerade<br />
etwas Gefährliches täte, da die Rolling Stones verboten<br />
seien, wusste ein noch größerer Schlaumeier: „Verboten<br />
sind die nicht. <strong>Die</strong> sind nur unerwünscht." Was es damit<br />
auf sich hatte, war niemandem bekannt. Aber auf jeden<br />
Fall fühlte sich nach diesem Spruch jeder der Anwesenden<br />
wieder inmitten der Legalität.<br />
Mick Jagger war für den sehnsüchtig auf die westlichen<br />
Stars und ihre ausgelebte Individualität blickenden<br />
ostdeutschen Teenager das Symbol rebellischer<br />
Freiheit schlechthin. Bei dem Sänger der damals lautesten,<br />
wildesten, schmutzigsten, aggressivsten und was<br />
nicht alles Band der Welt hielt man alles für möglich.<br />
Und als in einem analytischen Beitrag einer DDR-<br />
Zeitung über Rockmusik als Zeichen des Niedergangs<br />
des Kapitalismus die in drastischen Bildern beschriebene<br />
Live-Performance Jaggers mit „und erhob sich schnaufend<br />
zu einem Geschlechtsakt" endete, traute man ihm<br />
auch Masturbation in aller Öffentlichkeit zu.<br />
Als mindestens „unerwünscht" galt unter den wissenden Rock-Fans der<br />
Titel "Moscow" von – ja von wem eigentlich? Kiss? Würde passen, denn<br />
die waren ja eh die Bösen. Wonderland? Klang wie ein Fantasiename aus<br />
der Mythen-Ecke, weil niemand so recht zu wissen schien, wer den Song<br />
denn nun eigentlich sang. Aber auf jeden Fall war das Lied ein heißes<br />
Eisen. Weshalb sich scheinbar niemand die Mühe machte, den Text zu<br />
übersetzen, um das Rätsel um die düstere Stimmung im Zusammenhang<br />
mit dem Fanal des Kommunismus – also Moskau – zu lösen, wird eines<br />
der ungelösten Rätsel der Rockhistorie bleiben. Wer sich aber nur annähernd<br />
eine Vorstellung machen möchte, wie im Osten um Stars und<br />
Foto: © Bernd Woick<br />
Foto: © Bernd Woick<br />
Jubelfeier am Alex, die DDR<br />
feiert ihr 20-jähriges Bestehen<br />
Foto: © Bernd Woick<br />
Musik ein unergründliches Mysterium entstand, sollte<br />
den Film „Sonnenallee" schauen, wo auch Wonderlands<br />
"Moscow" zwei sehr ulkige Auftritte hat.<br />
Der illegale Handel mit Gruppenfotos und ominösem<br />
Merchandisingmaterial blühte. Wer eine „Bravo" besaß,<br />
in der es reichlich Bildmaterial gerade angesagter Acts<br />
gab, hatte die Lizenz zum Gelddrucken. <strong>Die</strong> Motive<br />
wurden abfotografiert, vervielfältigt und verkauft. Dabei<br />
wirkten die Stars auf den oft recht miserabel aufbereiteten<br />
Schwarzweiß-Darstellungen cooler als im Original.<br />
Es blieb immer noch Raum für Interpretationen, die<br />
Qualität der Fotos hatte den Ruch des Verbotenen, und<br />
sie öffneten die Tür in eine unerreichbare Welt nur einen<br />
winzigen Spalt.<br />
Besonders beliebt: die Kassettenbilder. Das<br />
waren Fotografien, die wegen ihrer Größe genau<br />
unter das Sichtfenster einer Kassettenhülle<br />
passten. Von Landstrich zu Landstrich wurden<br />
dafür unterschiedliche Preise gezahlt. 20<br />
Ost-Mark waren aber keine Seltenheit. Für das<br />
gleiche Geld konnte man bereits eine LP des<br />
staatlichen Amiga-Labels erstehen und hatte<br />
sogar noch vier Mark übrig. Drei Motive seien<br />
als Beispiele für das Eigenleben dieses Marktes<br />
genannt, auf dem in den verschiedenen Regionen der<br />
Arbeiter- und Bauern-Republik zahllose Geschichten<br />
erzählt werden können, die aber regional begrenzt<br />
wirkten. Da wäre das Mülltonnenfoto von Uriah Heep.<br />
Vermutlich stand wie so oft ein Poster Pate, das die<br />
Band herumlungernd in einem spärlich eingerichteten<br />
Raum zeigte. <strong>Die</strong> Unterbelichtung stellte die<br />
Möbel fast einheitlich schwarz dar, weshalb Heep<br />
auf einer Müllhalde<br />
abgelichtet worden<br />
zu sein schienen. <strong>Die</strong><br />
Vorlage dürfte nicht halb so spektakulär<br />
gewirkt haben.<br />
Dann das Nude-Poster von Queen,<br />
das die Band eng beieinanderstehend<br />
mit freiem Oberköper zeigte.<br />
Als blasse Schwarz-weiß-Kopie<br />
ragte einzig der zu allem Überfluss<br />
im oberen Motivbereich angeordnete<br />
Roger Taylor mit seinem hellen<br />
Haar heraus. Und wer auf einem<br />
Bandbild am meisten auffällt, ist<br />
der Sänger. Das war ein ungeschriebenes<br />
Gesetz. Schon kursierte die<br />
Vorstellung, die glasklare bis in die höchsten Töne hinaufsteigende<br />
Frontstimme der neuen Superstars gehöre dem blonden Schönling.<br />
Und schließlich das Empire-State-Building-Motiv von Kiss, womit<br />
wir wie der<br />
bei jener<br />
Band wären,<br />
die am<br />
Anfang der<br />
Geschichte<br />
stand. <strong>Die</strong><br />
wie Außerirdische<br />
wirkenden<br />
Typen<br />
konnte man sich<br />
nicht einfach so<br />
ansehen. Der Betrachter wurde geradezu zum Spinnen gezwungen.<br />
Und so besagt die Legende, die vier Musiker hätten unter Lebensgefahr<br />
das Foto von sich schießen lassen. Paul Stanley sei sogar beinahe hinabgestürzt,<br />
konnte aber gerade noch so vor dem Tod gerettet werden.<br />
Im Westen war halt alles möglich.<br />
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.<br />
Jens-Uwe Berndt<br />
Seite 84 ■ GoodTimes 1/2013
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GoodTimes 1/2013 ■ Seite 85
J.R.R. Tolkien<br />
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im Reich<br />
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Fantasy<br />
„In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit.” <strong>Die</strong>se Worte standen am Anfang einer<br />
literarischen Lawine. Mit ihnen wurde die Begründung eines komplett neuen Genres<br />
eingeleitet, ein Kult ohnegleichen, der bis heute Bestand hat. Aufgeschrieben hat diesen<br />
mittlerweile legendären Satz zu Beginn der 1930er Jahre ein damals knapp 40-jähriger<br />
Oxford-Professor namens John Ronald Reuel Tolkien. „Ich wusste nicht, warum ich das<br />
getan hatte, ich weiß es auch jetzt noch nicht”, bekannte der Engländer viel später, „ich<br />
wusste nur, dass ich damit eine Saga begründet hatte, was ich lange Zeit nicht wahrhaben<br />
wollte und was ich nie beabsichtigt hatte.”<br />
JR.R. Tolkien erblickte am 3. Januar 1892 als Sohn des englischen<br />
Bankangestellten Arthur Tolkien und der englischen Hausfrau Mabel<br />
. Tolkien im südafrikanischen Bloemfontein das Licht der Welt. Mabel<br />
behagte das Klima an dem exotischen Ort bald nicht mehr, zudem litt<br />
sie unter Einsamkeit – Gründe genug für die junge Frau von Anfang<br />
20, im April 1895 mit John und seinem mittlerweile geborenen, zwei<br />
Jahre jüngeren Bruder Hilary Arthur Reuel einen Dampfer zurück in die<br />
britische Heimat zu besteigen. J.R.R. würde fortan bis an sein<br />
Lebensende in England sein Zuhause haben. Der spätere<br />
Oxford-Professor für Philologie war definitiv ein<br />
Sprachgenie, beherrschte Latein und Altgriechisch<br />
in allen Finessen, auch Deutsch und andere germanische<br />
Sprachen waren ihm vertraut, er beherrschte<br />
leidlich Französisch, Spanisch und Italienisch, zudem<br />
brachte er sich selbst Altisländisch, Walisisch, Gotisch,<br />
die Grundzüge des Finnischen sowie alte Formen des<br />
Englischen bei. Wobei Tolkien an die Grammatik<br />
als Wissenschaftler heranging. Sie im Gespräch zu<br />
verwenden, fiel dem eher Introvertierten meist<br />
schwer. Ähnlich wissenschaftlich kreierte er auch<br />
die Fantasiesprachen in seinen Büchern, für eine<br />
profane Unterhaltung waren diese kaum zu<br />
gebrauchen. Tolkiens literarischer Output ist eher<br />
bescheiden: Neben einigen Kurzgeschichten,<br />
Novellen und Gedichten besteht sein Hauptwerk<br />
letztlich aus drei Romanen. Zum einen dem<br />
eher fragmentarischen Wälzer „Das Silmarillion”,<br />
dann dem Kinder- und Jugendbuch „Der Hobbit” und schließlich h dem<br />
Megaseller „Der Herr<br />
der Ringe”.<br />
<strong>Die</strong> Geschichte für<br />
die junge Generation,<br />
die mit dem Satz „In<br />
einem Loch im Boden,<br />
da lebte ein Hobbit”<br />
begann, wurde 1936<br />
vollendet, einem renommierten britischen bii Verlag vorgelegt und ein<br />
Jahr später unter dem Titel „The Hobbit” in die Läden gebracht. Mit<br />
dermaßen beachtlichem Erfolg, dass Verleger Stanley Unwin seinen<br />
Autor Tolkien bat, ihm möglichst rasch einen Nachfolger für das<br />
Buch zu liefern, von ähnlichem Umfang – also knapp 300 Seiten –<br />
und wie der Vorgänger für eine jugendliche Leserschaft geeignet.<br />
J.R.R. machte sich zügig ans Werk. Um 17 (!) Jahre<br />
später „Allen & Unwin” ein Monster von weit mehr<br />
als 1000 Seiten vorzulegen, ob seiner Komplexität<br />
für Minderjährige völlig ungeeignet und in seiner<br />
wuchtig-klassischen Erzählform eigentlich vollkommen<br />
antiquiert. Und doch: Das „Monster” wurde<br />
im Laufe eines Jahres, unterteilt in drei Bücher,<br />
auf die Menschheit unter dem Titel „The<br />
Lord Of The Rings” losgelassen. Obwohl diese<br />
Veröffentlichungsweise bei Tolkien auf heftigen<br />
Widerstand stieß, entwickelte sich die Trilogie weltweit<br />
Das Silmarillion<br />
zum Mega-Bestseller und schließlich zum Pionierwerk<br />
eines eigenen literarischen Genres.<br />
Als J.R.R. Tolkien am 2. September 1973 im englischen Ferienort<br />
Bournemouth starb, war er einer der meistgelesenen Autoren des 20.<br />
Jahrhunderts. Jetzt, zu Beginn des neuen Jahrtausends, stehen er und<br />
sein überschaubares Werk für den Begriff Kult schlechthin. Unabhängig<br />
davon, dass Tolkien seine epochalen Werke in der Freizeit verfasste,<br />
gilt er als Begründer der modernen Fantasy-Literatur. In Deutschland<br />
war die „Herr der Ringe”-Trilogie 2008 noch vor der Bibel das bestverkaufte<br />
Buch. Das liegt in erster Linie daran, dass der Brite mit seiner<br />
Seite 86 ■ GoodTimes 1/2013
Fantasiewelt „Mittelerde” und den dort lebenden unterschiedlichsten<br />
Geschöpfen eine in sich stimmige, geschlossene Welt erschaffen hat,<br />
mit eigenen Sprachen, Stammbäumen und Biografien. Tolkien war den<br />
Geschöpfen seiner Fantasie tiefer verpflichtet als ein Erzähler, der nach<br />
Belieben über seinen Stoff verfügen kann.<br />
Mittelerde, wie J.R.R. seinen Mikro-, oder eigentlich Makrokosmos<br />
nannte, ist weitaus mehr als bloß gut erfunden. Mittelerde ist in sich<br />
wunderbar stimmig,<br />
hier kann man<br />
sich als Leser jederzeit<br />
verlieren. Kein<br />
Wunder, dass dieser<br />
Kosmos weltweit<br />
jede Generation<br />
aufs Neue in sich<br />
aufsaugt, die Bücher<br />
aus jener Sagenwelt<br />
zu modernen<br />
Klassikern avanciert<br />
sind. Über 150<br />
Millionen Mal hat<br />
sich alleine „Der<br />
Herr der Ringe" seit dem ersten Erscheinen des Buches im Jahr 1954<br />
weltweit verkauft. Der archaische Kampf Gut gegen Böse in der magischen<br />
Welt der Hobbits und Orks, Zauberer und Elben, den J.R.R.<br />
Tolkien darin erzählt, wurde in den<br />
Köpfen der begeisterten Leser zu<br />
Bildern. Es war nur eine Frage der<br />
Zeit, bis die zahlreichen Gestalten<br />
aus Tolkiens Fantasie den Sprung<br />
auf die Leinwand schafften.<br />
Das allerdings war eine echte<br />
Mammutaufgabe. Denn der „Herr<br />
der Ringe" umfasst rund 1200<br />
Seiten, randvoll mit unzähligen<br />
Haupt- und Nebenfiguren, mit<br />
komplexen Erzählsträngen, mit<br />
eigenen Zeitepochen, Ländern<br />
und Landschaften. Der neuseeländische<br />
Regisseur Peter Jackson<br />
nahm sich dieser<br />
Herausforderung<br />
an: Jeweils kurz vor<br />
Weihnachten der<br />
Jahre 2001, 2002<br />
und 2003 kamen<br />
die drei Teile des<br />
Buches als Film in<br />
die Kinos. Wenn man<br />
alle Einspielergebnisse<br />
plus Fanartikel zusammenzählt,<br />
dann ist<br />
„Der Herr der Ringe”<br />
die erfolgreichste<br />
Filmtrilogie aller<br />
Noch skeptisch, während die Zwerge auf eine<br />
Entscheidung fürs Abenteuer drängen: Bilbo<br />
Zeiten. Außerdem<br />
wurden die drei Teile 30 Mal für den Oscar nominiert sowie mit 17<br />
dieser begehrten Trophäen ausgezeichnet. Jetzt hat Jackson auch<br />
den „Hobbit” zu cineastischem Leben erweckt. <strong>Die</strong> Filmcrew bestand<br />
zum Großteil aus alten Bekannten der „Herr der Ringe"-Trilogie. Dazu<br />
gehörte auch eine vertraute Schauspielerriege: Ian McKellen ist wieder<br />
als Zauberer Gandalf zu sehen, Andy Serkis als tragischer Bösewicht<br />
Gollum, Orlando Bloom als Elb Legolas, Christopher Lee als Gandalfs<br />
Gegenspieler Saruman und Hugo Weaving als Elben-Chef Elrond. Cate<br />
Blanchett spielt die Elbenkönigin Galadriel, die im „Hobbit"-Buch nicht<br />
vorkommt. Und Elijah Wood verkörpert einmal mehr den Hobbit Frodo.<br />
Als Neuzugang ist der Brite Martin Freeman dabei („Per Anhalter durch<br />
die Galaxis"). Er bekam für die Hauptrolle des jungen Bilbo Beutlin,<br />
Onkel von<br />
Hobbit Frodo,<br />
den Zuschlag.<br />
Den alten Bilbo<br />
spielt Ian Holm,<br />
der diese Rolle<br />
bereits in den<br />
„Ringe"-Filmen<br />
verkörperte.<br />
Jackson hat das<br />
Kinderbuch mit seinem<br />
Autorenteam<br />
umgeschrieben und<br />
an den Geschmack eines<br />
Erwachsenenpublikums<br />
angepasst. Um die Geschichte<br />
logischer erzählen zu können,<br />
bediente er sich bei den erklärenden Anhängen, die Tolkien dem „Herrn<br />
der Ringe" angefügt hatte. Damit kamen im Film Nebenszenen dazu,<br />
die in der „Hobbit"-Vorlage nur angedeutet sind, wie zum Beispiel die<br />
Rückkehr des dunklen Herrschers Sauron oder das Treffen der Weisen<br />
von Mittelerde. All diese Erweiterungen schneiden die Handlung nicht<br />
nur auf Erwachsene zurecht, sie schaffen auch eine Verbindung zu den<br />
„Ringe"-Filmen. Dazu kam, dass Jackson einige Kritiker der „Ringe"-<br />
Filme ernstnahm und nun im „Hobbit" die Figuren humorvoller und<br />
noch sympathischer daherkommen.<br />
Trotz der nicht mal 400 Seiten des<br />
Buches und trotz dessen viel weniger<br />
komplexen Handlung als beim<br />
„Herrn der Ringe" brauchte Jackson<br />
für den „Hobbit" zwei Filme. Teil<br />
eins, „Der Hobbit: Eine unerwartete<br />
Reise",<br />
wird am 13.<br />
Dezember<br />
2012 in die<br />
deutschen<br />
Kinos kommen.<br />
Teil<br />
Hobbit Bilbo Beutlin macht sich mit Zwergen- zwei „Der<br />
Begleitung auf die Reise ins Unbekannte Hobbit: Hin<br />
und zurück"<br />
wird am 12. Dezember<br />
2013 folgen. Wie der „Herr der Ringe” ist wie-<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 87<br />
© „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise"<br />
der eine waschechte<br />
High-Fantasy-<br />
Filmadaption erster<br />
Klasse zu erwarten.<br />
<strong>Die</strong> „Hobbit"-<br />
Kinoversion könnte<br />
ein Prequel werden,<br />
das, so hoffen die<br />
Fans und Kritiker,<br />
neben der hochklassigen<br />
Verfilmung<br />
der „Ringe"-Trilogie<br />
bestehen kann. Und das Publikum weltweit wieder<br />
hineinzieht in die Tolkien-Welt und erneut das<br />
magische Feuer entfacht, das erst die Bücher und<br />
dann die Jackson-Filme in die Herzen der Fans<br />
trugen. Aktuelle Literatur zum Filmstart von „Der<br />
Hobbit”, allesamt im Oktober erschienen: Michael<br />
Fuchs-Gamböck & Thorsten Schatz: „Der Herr<br />
der Ringe in 60 Minuten” (Thiele-Verlag); Stefan<br />
Servos: „Bilbos Reise zum Erebor” (Heel-Verlag);<br />
Michael Coren: „J.R.R. Tolkien – Der Mann,<br />
der ,Herr der Ringe' und den ,Hobbit' erschuf”<br />
(Heel-Verlag).<br />
Michael Fuchs-Gamböck & Thorsten Schatz
Michel<br />
Vaillant:<br />
Abb.: © Graton Éditeur / "<br />
Zack" Edition<br />
Mehr als "<br />
" und "<br />
"<br />
Im französischen Sprachraum gehören die Abenteuer von Michel Vaillant zu den Klassikern der Comicliteratur.<br />
it<br />
Doch auch hiesigen Lesern ist der Rennfahrer, der auf allen Pisten dieser Welt zu Hause ist, seit Jahrzehnten hnte<br />
n eine<br />
vertraute Figur. Ein neues Team von Textern und Zeichnern verhilft der Erfolgsfi gur nun, knapp sechs Jahre nach<br />
dem letzten Album, zum großen Comeback. Horst Berner, Übersetzer der deutschen Ausgabe von „Michel Vaillant"<br />
an<br />
in der „Zack" Edition, berichtet über das neue Album und gibt Einblicke in die schillernde Editionsgeschichte der im<br />
Jahr 1957 von Jean Graton geschaffenen Serie.<br />
Er ist fünffacher Weltmeister, gewann<br />
fünfmal bei den 24 Stunden von Le<br />
Mans, zweimal bei den 500 Meilen<br />
von Indianapolis, zweimal bei den 500<br />
Meilen von Daytona und errang daneben<br />
noch viele weitere Siege in unzähligen<br />
Wettkämpfen im Rennsport. Michel<br />
Vaillant ist fraglos der erfolgreichste<br />
Rennfahrer aller Zeiten, was unter anderem<br />
damit zu tun hat, dass er in allen Disziplinen ein Ass ist: ob in der<br />
Formel 1, der Formel 2, bei den Prototypen, in der GT Championship<br />
oder bei Rallyes. Dazu kommt,<br />
dass seine Karriere bereits gegen<br />
Ende der 50er Jahre begonnen<br />
hat, ein Ende aber noch längst<br />
nicht in Sicht ist. Denn, und das<br />
ist der entscheidende Punkt, der<br />
Mann ist praktisch unsterblich,<br />
er altert kaum und präsentiertrt<br />
sich stets in Bestform – kein<br />
Wunder bei einer Comicfigur.<br />
Geistiger Vater des glorreichen Helden im Rennzirkus ist Jean Graton,<br />
der am 10. August 1923 in Nantes geboren wurde. Sein Enthusiasmus<br />
fürs Zeichnen führte ihn 1947 aus der Heimatstadt an der Loire nach<br />
Brüssel, ins damalige Zentrum des Comic-Schaffens. Nach ersten<br />
Versuchen für die Zeitschrift „Les Sports" und etlichen vierseitigen<br />
Kurzgeschichten in der Serie „Histoires de l’Oncle Paul" für „Spirou"<br />
startete er im Juni 1953 die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem<br />
zweiten großen belgischen Comic-<br />
Magazin, „Tintin". Das von Hergé<br />
und seiner Erfolgsreihe „Tintin et<br />
Milou" („Tim und Struppi") geprägte<br />
Heft bot die ideale Bühne für eine<br />
realistisch gezeichnete Abenteuerserie<br />
(siehe auch <strong>kult</strong>! Nr. 6). Bereits der<br />
erste Beitrag „La première ronde",<br />
der beim Grand Prix von Belgien in<br />
Francorchamps spielt, ließ in Text<br />
und Bild die große Begeisterung von<br />
Graton für den Motorsport erahnen.<br />
Auslöser dafür war, laut eigener<br />
Aussage, ein Besuch der 24 Stunden<br />
von Le Mans mit dem Vater, als er<br />
gerade mal 14 Jahre zählte. <strong>Die</strong> Idee<br />
zur Gestaltung eines Renn<br />
I<br />
E<br />
g<br />
t<br />
V<br />
„<br />
S<br />
D<br />
g<br />
–<br />
H<br />
e<br />
Von Horst Berner<br />
Jean Graton mit seinem Sohn<br />
Philippe, der heute die Geschicke<br />
von "<br />
Michel Vaillant" lenkt.<br />
zur Gestaltung eines Rennfahrers als Serienheld nahm 1957 Gestalt an.<br />
In fünf kurzen Comics lieferte Graton grobe<br />
Einblicke in das von der Familie Vaillant<br />
geführte Unternehmen, in dem die geschätzten<br />
Autos der fiktiven französischen Marke<br />
Vaillante gebaut werden. Dass „vaillante" für<br />
„beherzt" oder „tapfer" steht, sei an dieser<br />
Stelle vermerkt.<br />
<strong>Die</strong> packende 63-Seiten-Erzählung „Le<br />
grand Défi" („<strong>Die</strong> große Herausforderung")<br />
– abgedruckt in den belgischen „Tintin"-<br />
Heften 1 bis 43 von 1958 (parallel dazu<br />
erschien eine Ausgabe für Frankreich mit<br />
Seite 88 ■ GoodTimes 1/2013
anderer Nummerierung und teilweise anderen<br />
Inhalten) n) – markierte dann eine Art<br />
Grundstein<br />
n<br />
für die Saga<br />
„Michel<br />
Vaillant".<br />
Hier wurden<br />
nicht<br />
nur<br />
wichtige<br />
Figuren der<br />
Serie eingeführt,<br />
das Geschehen h bot auch unzählige<br />
Informationen zu und genaueste<br />
Darstellungen von technischen<br />
Details, wie es das zuvor in Comic-<br />
Form nicht gegeben gg hatte. Graton<br />
fand damit zu seiner<br />
Erfolgsformel,<br />
die<br />
jugendlichen<br />
Leser<br />
entdeckten<br />
einen neuen<br />
Helden auf dem<br />
Papier, dessen tollkühnen<br />
Eskapaden<br />
sie gespannt entgegenfieberten.<br />
Jean Graton mit dem Rennfahrer Alain Prost.<br />
Dazu zählten unter<br />
anderem so namhafte Männer wie der französische Rennfahrer Alain<br />
Prost (*1955) oder der belgische Automobildesigner Luc Donckerwolke<br />
(*1965), die nicht zuletzt durch ihre Begeisterung für „Michel Vaillant"<br />
zu ihrer Bestimmung gefunden haben.<br />
B<br />
is Ende des Jahres 1975 entwickelte Jean<br />
Graton für „Tintin" unzählige Geschichten, die<br />
bei Lombard im Rahmen der populären Albumreihe<br />
„Michel Vaillant" ihren Nachdruck fanden. Nach<br />
Verlagswechseln zu Dargaud, Fleurus und<br />
Novedi publizierte Graton ab 1982 seine<br />
Comics im eigenen Verlag, wo Anfang des<br />
Jahres 2007 der bislang letzte, 70. Titel „24<br />
heures sous influence" erschienen ist. In deutscher<br />
Fassung kam diese<br />
Episode im gleichen Jahr<br />
als „24 Stunden unter<br />
Druck" in der „Zack"<br />
Edition heraus.<br />
Zu diesem Zeitpunkt hatte Jean Graton aus<br />
Altersgründen bereits den Zeichenstift an die<br />
jüngeren Mitarbeiter im Studio Graton weitergereicht,<br />
während die Drehbücher zu den Stories<br />
seit 1994 und „La piste de Jade" („Eine Spur von<br />
Jade") von seinem Sohn Philippe Graton (*1961) verfasst wurden. Als<br />
engagierter Journalist und angesehener Fotograf frischte er die Serie<br />
mit zeitgemäßen Themen auf. So kamen in Band 68: „China Moon"<br />
die Technologie des Wasserstoffantriebs in einem Vaillante zur Sprache<br />
oder in Band 70 der Leistungsdruck und damit verbunden das Problem<br />
des Dopings im Rennsport.<br />
D<br />
ass „Michel Vaillant" heute wieder in aller Munde ist, hat mit dem<br />
regen Treiben von Philippe Graton zu tun. Neben seinem Wirken als<br />
Szenarist für die Comics betätigte er sich auch als Drehbuchschreiber<br />
für den Film „Chaque victoire à un prix" („Jeder Sieg hat seinen Preis"),<br />
den Luc Besson 2003 mit Sagamore Stévenin (*1974) in der Hauptrolle<br />
als actionreiches Bleifußspektakel für die große Kinoleinwand produzierte.<br />
Zum 50-jäh-rigen<br />
Jubiläum des<br />
Rennfahrers startete der<br />
Verlag Lombard 2008<br />
eine<br />
eindrucksvolle,<br />
20 Bände umfassende<br />
Gesamtausgabe mit allen<br />
„Michel<br />
Vaillant"-Geschich<br />
ten. Ergänzende redaktionelle<br />
Beiträge schaffen Einblicke in<br />
die Kreation der Comics und stellen<br />
diese in den Kontext zum wahren<br />
Rennsportgeschehen im jeweiligen<br />
Zeitraum. Bedauerlicherweise für<br />
hiesige Leser gibt es die gegenwärtig<br />
17 Titel umfassende Buchreihe<br />
bis jetzt nur im französischen<br />
Original. Auch die Publikation der<br />
klassischen Albumreihe hat Philippe Graton in neue Hände gelegt. Ab<br />
2010 publizierte Dupuis die besagten 70 Titel in feinen Hardcover-<br />
Ausgaben, womit die Serie in Belgien und Frankreich nun erstmals in<br />
einer einheitlichen Form bei einem Verlag vorliegt.<br />
Der jüngste Streich von Philippe Graton<br />
ist freilich die Ankündigung einer neuen<br />
Staffel von „Michel Vaillant"-Comics bei<br />
Dupuis, die von ihm selbst und Denis Lapière<br />
getextet und von Marc Bourgne und Benjaminn<br />
Benéteau gezeichnet werden. „Au nom du<br />
fils" erscheint im November 2012, die deutsche<br />
Ausgabe „Im Namen des Sohnes" ist für<br />
2013 in der „Zack" Edition in Planung. Bereits<br />
der Titel lässt erahnen, dass nun auch die<br />
junge Generation im Vaillant-Clan, Jean-Pierres<br />
Sohn Jean-Michel und Michels Sohn Patrick,<br />
aktiv ins<br />
Firmengeschehen<br />
eingreifen.<br />
Wer<br />
sich vorab<br />
Vier zentrale Figuren in der Welt von "<br />
Michel Vaillant": Bruder Jean-Pierre Vaillant, Technikgenie und Rennleiter des Teams;<br />
Steve Warson, US-amerikanischer Rennfahrer, der mit Unterbrechungen zum Vaillante-Rennstall gehört; der Leader und<br />
seine Tochter Ruth, ewige Widersacherin in vielen Rennen.<br />
einen Eindruck vom neuen<br />
Erscheinungsbild der Serie machen<br />
will, dem eröffnet der sogenannte<br />
Work-in-progress-Band, den<br />
der Mosaik Verlag zur diesjährigen<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 89
Frankfurter Buchmesse in limitierter<br />
Auflage produziert hat, interessante<br />
Einblicke. Darin ngezeigt sind<br />
erste übersetzte<br />
Seiten,<br />
französische<br />
Original seiten,<br />
getuschte<br />
und skizzierte<br />
Seiten<br />
sowie andere<br />
Michel Vaillant aus der<br />
Fragmente<br />
aus Feder von Marc Bourgne<br />
der Entstehungs-ngsgeschichtdes<br />
und Benjamin Benéteau.<br />
Comics.<br />
So<br />
viel sei verraten:<br />
Michel<br />
Vaillant gibt<br />
darin ein großes<br />
Comeback<br />
bei der World<br />
Touring Car<br />
Championship.<br />
Ganz so überraschend<br />
Rennfahrer Alain Menu<br />
verwandelt sich in Michel<br />
Vaillant, sein Chevrolet<br />
in einen Tourenwagen<br />
der<br />
Marke<br />
Vaillante.<br />
kommt das nicht, denn beim WTCC-Rennen an<br />
der portugiesischen Atlantikküste in Portimao<br />
am 3. Juni 2012 machten die neuen Autoren<br />
mit einer ausgefallenen PR-Aktion auf sich<br />
aufmerksam. Da nahm doch tatsächlich der<br />
Schweizer Profifahrer Alain Menu (*1963) auf<br />
Chevrolet, der in einen Vaillante umgewandelt<br />
wurde, in Gestalt von Michel Vaillant am<br />
Rennen teil und gewann den zweiten Lauf.<br />
Fiktion und Realität gehörten zwar schon<br />
immer zur Serie, da sich Michel Vaillant stets<br />
mit echten Rennfahrern zu messen hatte,<br />
Philippe Graton überreicht dem Pilot seinen Helm.<br />
dieser Auftritt war dennoch<br />
mehr als spektakulär.<br />
In Deutschland erreichte<br />
„Michel Vaillant" den<br />
größten Bekanntheitsgrad<br />
zweifellos in den<br />
1970er Jahren, als die<br />
Comiczeitschrift „Zack" und<br />
die Taschenbuchreihe<br />
e<br />
„Zack Parade" aus<br />
dem<br />
Koralle<br />
Verlag<br />
regelmäßig<br />
seine<br />
Abenteuer druckten.<br />
Erstmals zu<br />
sehen war der<br />
Rennfahrer jedoch ab 1965<br />
in der vom Ehapa Verlag<br />
herausgegebenen Heftreihe<br />
„Mickyvision", wobei er<br />
da eigenartigerweise in<br />
den deutschstämmigen<br />
„Michael Voss" umbenannt<br />
wurde. Alben von<br />
„Michel Vaillant" erschienen<br />
zwischen 1966 und 2004<br />
in<br />
den<br />
Verlagen Ehapa,<br />
Koralle, Carlsen und<br />
Seven Island, die<br />
inzwischen zum<br />
Teil als gesuch te<br />
Raritäten gelten.<br />
Im Juni des Jahres<br />
2006 begann dann<br />
der Berliner Mosaik<br />
Verlag, in dem<br />
seit 1999 auch<br />
monatlich die<br />
wiederbelebte Fassung von<br />
„Zack" als „das<br />
Magazin<br />
für europäische<br />
Comic-<br />
Kultur"<br />
er scheint, den<br />
Nachdruck<br />
der Serie<br />
„Michel<br />
Vaillant"<br />
in einer<br />
anspruchsvollen<br />
Bearbeitung.<br />
Neu<br />
übersetzt,<br />
lesefreundlich<br />
gelettert<br />
und<br />
in bester Druck qualitätt<br />
hat es diese Ausgabe<br />
mittlerweile auf weit<br />
über 30 Titel gebracht. In<br />
naher Zukunft, so darf<br />
der Liebhaber dieses<br />
Klassikers hoffen, liegt<br />
die bedeutendste Comic-<br />
Serie aus der Welt des<br />
Motorsports dann auch<br />
endlich in deutscher<br />
Sprache komplett und<br />
in der chronologisch<br />
richtigen Reihenfolge<br />
vor.<br />
Michel Vaillant<br />
<strong>Die</strong> 70 Alben<br />
der Staffel 1:<br />
1. Le grand defi (1959)<br />
<strong>Die</strong> große Herausforderung (Mosaik, 2012)<br />
2. Le Pilot sans Visage (1960)<br />
Wettrennen mit einem Phantom * (Carlsen, 1989)<br />
3. Le Circuit de la Peur (1961)<br />
Den Tod vor Augen * (Carlsen, 1989)<br />
4. Route de Nuit (1962)<br />
Finale um Mitternacht * (Carlsen, 1989)<br />
5. La 13 est au depart (1962)<br />
<strong>Die</strong> mysteriöse 13 * (Carlsen, 1990)<br />
6. La Trahison de Steve Warson (1964)<br />
Steve Warsons Geheimnis * (Carlsen, 1990)<br />
7. Les Casse-Cou (1964)<br />
Teufelskerle * (Carlsen, 1991)<br />
8. Le 8eME Pilote (1965)<br />
Der Russe * (Carlsen, 1991)<br />
9. Le Retour de Steve Warson (1965)<br />
Verfolgungsjagd in Amsterdam * (Carlsen, 1991)<br />
10. L’Honneur de SamuraÏ (1966)<br />
<strong>Die</strong> Ehre des Samurai * (Carlsen, 1991)<br />
11. Suspense A Indianapolis (1966)<br />
Entscheidung in Indianapolis * (Carlsen, 1991)<br />
12. Les Chevaliers de Königsfeld (1967)<br />
<strong>Die</strong> Ritter von Königsfeld * (Carlsen, 1992)<br />
13. Concerto pour Pilotes (1966)<br />
Zwischen Himmel und Erde * (Carlsen, 1992)<br />
14. Mach 1 pour Steve Warson (1968)<br />
Mach 1 für Steve Warson * (Seven Island,1999)<br />
15. Le Cirque Infernal (1969)<br />
Der Teufelskreis * (Seven Island, 2000)<br />
16. Km 357 (1969)<br />
Das Geheimnis von Kilometerstein 357 *<br />
(Seven Island, 2002)<br />
17. Le Fantôme des 24 heures (1970)<br />
Das Phantom der 24 Stunden von Le Mans<br />
(Mosaik 2010)<br />
18. De l’huile sur la Piste (1970)<br />
Öl auf der Piste (Mosaik, 2010)<br />
19. 5 Filles dans la Course (1971)<br />
Fünf Mädchen im Rennen * (Seven Island, 1998)<br />
20. Rodeo sur 2 Roues (1971)<br />
Rodeo auf zwei Rädern * (Seven Island, 1996)<br />
21. Massacre pour un Moteur (1972)<br />
Schlacht um einen Motor (Mosaik 2010)<br />
22. Rush (1972)<br />
Rush (Mosaik, 2011)<br />
23. Serie Noire (1973)<br />
Schwarze Serie (Mosaik 2011)<br />
24. Cauchemar (1973)<br />
Alptraum ohne Ende * (Seven Island, 1995)<br />
25. Des Filles et des Moteurs (1974)<br />
Mädchen und Motoren * (Seven Island, 1998)<br />
26. Champion du Monde (1974)<br />
Der Weltmeister (Mosaik, 2011)<br />
27. Dans l’Enfer du Safari (1975)<br />
Safari durch die Hölle (Mosaik, 2011)<br />
28. Le Secret de Steve Warson (1975)<br />
Rätsel um Steve Warson (Mosaik, 2009)<br />
29. San Francisco Circus (1975)<br />
Brennpunkt San Francisco (Mosaik, 2009)<br />
30. Le Prince Blanc (1977)<br />
Der weiße Prinz (Mosaik, 2009)<br />
Seite 90 ■ GoodTimes 1/2013
31. Les jeunes Loups (1978)<br />
<strong>Die</strong> jungen Wölfe (Mosaik, 2009)<br />
32. La Revolte des Rois (1979)<br />
Aufstand der Champions (Mosaik, 2010)<br />
33. La Silhouette en Colere (1979)<br />
Der Hitzkopf (Mosaik, 2010)<br />
34. K.o. pour Steve Warson<br />
(1979)<br />
K.o. für Steve Warson<br />
(Mosaik, 2011)<br />
35. Le Galerian (1979)<br />
Der Galeerensklave<br />
(Mosaik, 2012)<br />
36. Un pilote a disparu (1980)<br />
Ein Fahrer ist verschwunden<br />
(Mosaik, 2012)<br />
37. L’inconnu des 1000 pistes<br />
(1980)<br />
Der Unbekannte der 1000<br />
Pisten (Mosaik, 2012)<br />
38. Steve Warson contre<br />
Michel Vaillant (1981)<br />
Steve Warson gegen Michel<br />
Vaillant (Mosaik, 2012)<br />
39. Rallye sur un Volcan (1981)<br />
Rallye auf dem Vulkan * (Ehapa, 1981)<br />
40. Rififi en F1 (1982)<br />
Chaos in der Formel 1 * (Ehapa, 1982)<br />
41. Paris-Dakar (1982)<br />
Rallye der tausend Tränen:<br />
Paris-Dakar! * (Ehapa, 1983)<br />
42. 300 a l’heure dans Paris (1983)<br />
Superrennen: mit 300 Sachen durch<br />
Paris * (Ehapa, 1983)<br />
43. Rendez-vous a Macao (1983)<br />
Rennen um Milliarden *<br />
(Ehapa, 1984)<br />
44. Steve & Julie (1984)<br />
Schock für Steve – der<br />
schwere Unfall von<br />
Julie Wood * (Ehapa, 1985)<br />
45. L’homme de<br />
Lisbonne (1984)<br />
Spionage – der<br />
Mann von Lissabon *<br />
(Ehapa, 1985)<br />
46. Racing-Show (1985)<br />
Racing-Show (Mosaik, 2007)<br />
47. Panique a Monaco (1986)<br />
Panik in Monaco (Mosaik, 2007)<br />
48. Irish Coffee (1986)<br />
Irish Coffee (Mosaik, 2007)<br />
49. Categorie poids Lourds (1987)<br />
Schwere Kaliber (Mosaik, 2007)<br />
50. Le Defi des Remparts (1988)<br />
<strong>Die</strong> Herausforderung der<br />
4 Asse (Mosaik, 2008)<br />
51. Le Caid de<br />
Francorchamps (1989)<br />
Spa-Francorchamps *<br />
(Seven Island, 1998)<br />
52. F 3000 (1989)<br />
F 3000 (Mosaik, 2006)<br />
53. La Nuit de Carnac (1990)<br />
<strong>Die</strong> Nacht von Carnac<br />
(Mosaik, 2006)<br />
54. L’Affaire Bugatti (1991)<br />
<strong>Die</strong> Affäre Bugatti *<br />
(Seven Island, 1998)<br />
55. Une histoire de Fous<br />
(1992)<br />
Einfach verrückt * (Seven Island, 1999)<br />
56. Le Maitre du Monde (1993)<br />
Der Herr der Leader * (Seven Island, 2000)<br />
57. La Piste de Jade (1994)<br />
Eine Spur von Jade *<br />
(Seven Island, 2004)<br />
58. Paddock (1995)<br />
Paddock * (Seven Island, 1997)<br />
59. La Prisonnière (1996)<br />
<strong>Die</strong> Gefangene<br />
(Mosaik, 2007)<br />
60. Victoires oubliees (1997)<br />
Vergessene Siege *<br />
(Seven Island, 1997)<br />
61. La Fievre de Bercy (1998)<br />
Das Fieber von Bercy *<br />
(Seven Island, 1998)<br />
62. Le sponsor (1999)<br />
Der Sponsor *<br />
(Seven Island, 2001)<br />
63. Cairo! (2000)<br />
Cairo! * (Seven Island, 2002)<br />
64. Operation Mirage (2001)<br />
Operation Mirage * (Seven Island, 2002)<br />
65. L’Epreuve (2003)<br />
Der Wettbewerb (Mosaik, 2006)<br />
66. 100.000.000 $ pour Steve Warson (2004)<br />
100.000.000 Dollar für Steve Warson<br />
(Mosaik, 2006)<br />
67. Pour David (2004)<br />
Für David (Mosaik, 2008)<br />
68. China Moon (2005)<br />
China Moon (Mosaik, 2008)<br />
69. Hors-piste en Enfer (2006)<br />
Geradewegs in die Hölle<br />
(Mosaik, 2008)<br />
70. 24 Heures sous Influence<br />
(2007)<br />
24 Stunden unter Druck<br />
(Mosaik, 2007)<br />
* diese deutschsprachigen Titel sind<br />
zurzeit nur auf dem Sammlermarkt<br />
erhältlich, sollen aber nach und nach in<br />
der Zack" Edition aus dem Mosaik Verlag<br />
neu aufgelegt "<br />
werden.<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 91<br />
Neuer Titel aus der<br />
legendären Classic Albums<br />
Serie, der die Entstehung<br />
des Hitalbums „So“ von<br />
Peter Gabriel eindrucksvoll<br />
dokumentiert.<br />
Mit Interviews und Beiträgen<br />
von Peter Gabriel, Co-Produzent<br />
Daniel Lanois, Tontechniker<br />
Kevin Killen und den Musikern<br />
Jerry Marotta, Laurie Anderson,<br />
Tony Levin, Manu Katché und<br />
vielen anderen.<br />
DVD: 1099314E11 . BLU-RAY: 1051514E14<br />
Ab 19.10.2012 auf DVD<br />
und Blu-ray erhältich!<br />
<br />
Ab 19.10.2012 überall im Handel erhältlich<br />
oder bei www.amazon.de/rockschuppen
&<br />
präsentieren:<br />
Das sind die 60 <strong>kult</strong>!-Hits<br />
© Sony Music Catalog&Concept<br />
CD 1<br />
1. Lynyrd Skynyrd – Sweet Home Alabama<br />
2. Toto – Hold The Line<br />
3. Fleetwood Mac – Don’t Stop<br />
4. Terry Jacks – Seasons In The Sun<br />
5. Ram Jam – Black Betty<br />
6. The Sweet – Blockbuster<br />
7. Chris Norman & Suzi Quatro –<br />
Stumblin’ In<br />
8. Don McLean – American Pie (Part 1)<br />
9. Mother’s Finest – Baby Love<br />
10. Lou Reed – Walk On The Wild Side<br />
11. Status Quo – Rockin’ All Over The World<br />
12. Elvis Presley – Way Down<br />
13. Scott McKenzie – San Francisco<br />
14. Harpo – Moviestar<br />
15. Kenny Loggins – Footloose<br />
16. Roy Orbison – Oh Pretty Woman<br />
17. Sailor – Girls, Girls, Girls<br />
18. Deep Purple – Smoke On The Water<br />
19. City – Am Fenster<br />
20. Spliff – Carbonara<br />
CD 2<br />
1. After The Fire – 1980-F<br />
2. Bill Medley & Jennifer Warnes –<br />
(I've Had) The Time Of My Life<br />
3. A-Ha! – Take On Me<br />
4. Madness – Our House<br />
5. New Order – Blue Monday 88<br />
6. Simple Minds –<br />
Don’t You (Forget About Me)<br />
7. Survivor – Eye Of The Tiger<br />
8. Visage – Fade To Grey<br />
9. Frankie Goes To Hollywood – Relax<br />
10. Cyndi Lauper – Girls Just Want To Have Fun<br />
11. Alphaville – Big In Japan<br />
12. The Bangles – Walk Like An Egyptian<br />
13. Bonnie Tyler – Holding Out For A Hero<br />
14. Daryl Hall & John Oates – Maneater<br />
15. Talk Talk – Such A Shame<br />
16. Wham! – Wake Me Up Before You Go Go<br />
17. The Weather Girls – It’s Raining Men<br />
18. Earth, Wind & Fire – September<br />
19. Baccara – Yes Sir, I Can Boogie<br />
20. Boney M. – Daddy Cool<br />
3 CD-Box<br />
im wertigen Digipack<br />
ab sofort im Handel<br />
erhältlich!<br />
UVP: 14,99 €<br />
CD 3<br />
1. Marius Müller-Westernhagen – Mit 18<br />
2. Nena – Irgendwie, irgendwo, irgendwann<br />
3. Heinz Rudolf Kunze – Dein ist mein ganzes Herz<br />
4. Joachim Witt – Goldener Reiter<br />
5. Klaus Lage Band – Faust auf Faust<br />
6. Falco – Der Kommissar<br />
7. Trio – Da Da Da<br />
8. Ideal – Blaue Augen<br />
9. DÖF – Codo<br />
10. Clowns & Helden – Ich liebe dich<br />
11. Hubert Kah –<br />
Wenn der Mond die Sonne berührt<br />
12. Marianne Rosenberg – Mr. Paul McCartney<br />
13. Karel Gott – <strong>Die</strong> Biene Maja<br />
14. Juliane Werding –<br />
Am Tag, als Conny Kramer starb<br />
15. Frank Farian – Rocky<br />
16. Udo Jürgens – Siebzehn Jahr, blondes Haar<br />
17. Ricky Shayne –<br />
Mamy Blue (Deutsche Version)<br />
18. Orchester Martin Böttcher – Winnetou<br />
19. Bernd Clüver –<br />
Der Junge mit der Mundharmonika<br />
20. Karat – Über sieben Brücken musst du geh’n<br />
Seite 92 ■ GoodTimes 1/2013
Es ist immer wieder schön, zu verfolgen welche Bedeutung die 60er, 70er<br />
und 80er Jahre für viele Menschen darstellen. <strong>kult</strong>! zeigt auf eine außergewöhnliche<br />
Weise, wie<br />
ein Heft gemacht werden<br />
soll. Dazu meine<br />
große Anerkennung an<br />
die Macher! Natürlich<br />
verbinden wir alle die<br />
Musik aus dieser Zeit<br />
auch mit ganz persönlichen<br />
Erinnerungen.<br />
© Sony Music Catalog & Concept (disco Tour 2011)<br />
Christian Stronczek hier mit Moviestar<br />
Harpo – auch auf dieser <strong>kult</strong>!-Box<br />
Genau dieses Erlebnis<br />
werden Sie auf dieser<br />
CD <strong>kult</strong>!-Box erfahren!<br />
Eine musikalische<br />
Zeitreise "<br />
Zurück in die 60er, 70er und 80er Jahre"! Vielen Dank für die<br />
rege Teilnahme und das damit verbundene Interesse! Ich wünsche Ihnen<br />
viel Spaß mit diesen 60 <strong>kult</strong>!-Hits und wunderschöne Déjà-Vu-Erlebnisse!<br />
Christian Stronczek (Sony Music)<br />
Wir hatten in der letzten Ausgabe gefragt: Welcher Song ist Ihr <strong>kult</strong>!-Hit"?<br />
"<br />
<strong>Die</strong> Resonanz hat unsere Erwartungen total übertroffen. Vielen Dank an alle<br />
Teilnehmer. Einige davon<br />
sind zusätzlich unserem<br />
Aufruf gefolgt und haben<br />
ein persönliches Foto<br />
aus der <strong>kult</strong>igen Zeit beigelegt.<br />
Fünf dieser tollen<br />
Zeitzeugnisse haben wir<br />
stellvertretend rechts<br />
abgebildet.<br />
Da leider nicht alle der<br />
teilweise auch vielfach<br />
gewünschten Lieder Andy Scott (The Sweet) und Fabian Leibfried<br />
berücksichtigt werden<br />
freuen sich auch schon auf die <strong>kult</strong>!-Box.<br />
konnten, ist eine Folge 2 geplant. Hierbei sollen dann vor allem die 60er<br />
Jahre berücksichtigt werden. Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit der CD-Box.<br />
Jede Party wird damit bestimmt zum Kracher.<br />
Fabian Leibfried (Herausgeber <strong>kult</strong>!)<br />
VERLOSUNG<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>! verlost unter allen Teilnehmern<br />
10x CD-Box<br />
Beantworten Sie bitte folgende Frage:<br />
Mit wieviel Jahren rannte Marius Müller-Westernhagen in Düsseldorf rum?<br />
Stichwort: <strong>kult</strong>!-Box<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Einsendeschluss ist der 31. Januar 2013<br />
NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />
Fax: 0 70 42/37660-188 · email: goodtimes@nikma.de<br />
Foto: © NikMa Verlag<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 93<br />
Eine kleine Auswahl unserer Teilnehmer:<br />
Meine <strong>kult</strong>! Top 3<br />
Rüdiger Schirrmacher, Essen<br />
Titel<br />
Interpret<br />
1. Wig-Wam Bam Sweet<br />
2. Daytona Demon Suzi Quatro<br />
3. My Oh My Slade<br />
Meine <strong>kult</strong>! Top 3<br />
Paul Stockhammer, Freilassing<br />
Titel<br />
Interpret<br />
1. Rock 'n' Roll Music Beatles<br />
2. Love Hurts Nazareth<br />
3. Satisfaction Rolling Stones<br />
Meine <strong>kult</strong>! Top 3<br />
Wolfgang Welke, Walsrode<br />
Titel<br />
Interpret<br />
1. Hippy Hippy Shake Swinging Blue Jeans<br />
2. Angel Of The Morning P.P. Arnold<br />
3. Out Of Time Rolling Stones<br />
Meine <strong>kult</strong>! Top 3<br />
Maxim Weling, Berlin<br />
Titel<br />
Interpret<br />
1. Hell Raiser Sweet<br />
2. Crazy Horses Osmonds<br />
3. His Latest Flame Elvis Presley<br />
Meine <strong>kult</strong>! Top 3<br />
Manfred Birkenbeul, Solingen<br />
Titel<br />
Interpret<br />
1. Imagine John Lennon<br />
2. Tin Soldier Small Faces<br />
3. Waterloo Sunset Kinks<br />
3 CD-Box<br />
14,99 €<br />
Bestellen Sie noch heute!<br />
In unserem <strong>kult</strong>!-Shop auf Seite 31 in diesem Heft.<br />
Oder unter www.goodtimes-magazin.de
Marty<br />
Feldman<br />
Der "<br />
merkwürdige<br />
kleine Mann",<br />
der Frankensteins<br />
<strong>Die</strong>ner war<br />
Wenn man heute den Namen im Bekanntenkreis<br />
erwähnt, schlagen sich neun von zehn Leuten auf<br />
das Stichwort Marty Feldman immer wieder die<br />
flache Hand vor die Stirn: „Ach ja …, der!" Seit 30 Jahren<br />
nicht mehr unter uns und schon nicht mehr präsent? <strong>Die</strong><br />
Erinnerungen an einen ganz großen manisch-depressiven<br />
Komiker mit ebenso großen Augen sind immer noch wach.<br />
Unvergessen sind die Auftritte von Marty Feldman in den<br />
Mel-Brooks-Streifen „Frankenstein Junior" (als „Eigor von<br />
der Nordwand", der seinen Buckel mal links, mal rechts trägt)<br />
sowie „Silent Movie", dem Stummfilm mit den großartigen<br />
Selbstparodien von Burt Reynolds, Paul Newman, Liza Minelli<br />
und Co., in dem von allen Mitwirkenden ausgerechnet der<br />
große Pantomime Marcel Marceau das einzige Wort sagen<br />
durfte: „Non!"<br />
Marty Feldman überzeugte insbesondere hier als legitime Reinkarnation<br />
seines großen Idols, Buster Keaton, mit dem kleinen aber feinen<br />
Unterschied, dass ihm vor der Kamera niemals Traurigkeit im Gesicht<br />
stand. Dennoch ist die Aussage seines Regisseurs Mel Brooks verbürgt,<br />
dass es sich bei Marty Feldman um „das komplizierteste menschliche<br />
Wesen handelt, das ich jemals getroffen habe".<br />
Grund zur Traurigkeit hat er gehabt. 1961, gerade einmal 27-jährig,<br />
wurde bei ihm eine krankhafte Überfunktion der Schilddrüse diagnostiziert<br />
(die so genannte Hyperthyreose), die unter anderem an einem<br />
auffälligen Hervortreten der Augäpfel aus den Höhlen zu erkennen ist –<br />
etwas, das sein Erscheinungsbild auf Lebenszeit veränderte, von ihm in<br />
Interviews aber meist als das Geheimnis seines Erfolges verkauft wurde.<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Originalzitat: „Ich bin der einzige Schauspieler, der jemals ohne Make-<br />
Up in einem Horrorfilm mitmachen durfte." Soviel zu „Frankenstein<br />
Junior".<br />
Oder: „Wenn Orson Welles Krebs hätte und sich eine schreckliche<br />
Perücke aufsetzen würde – er sähe in etwa so aus wie ich." Totales<br />
Understatement. Zum Zeitpunkt dieser öffentlichen Äußerungen war<br />
Feldman ziemlich weit oben angelangt.<br />
<strong>Die</strong> beiden Mel-Brooks-Filme (1974 bzw. 1976) waren eher die späten<br />
Früchte seiner Arbeit. Viel weniger Menschen erinnern sich an<br />
seine bahnbrechenden Arbeiten für die englische BBC in den 60er<br />
Jahren, haben vielleicht noch die legendäre „Marty Feldman’s Comedy<br />
Machine" im Gedächtnis (für die er 1972 die Goldene Rose von<br />
Montreux erhielt). Aber selbst das war nicht der Anfang.<br />
Eigor von der Nordwand"<br />
"<br />
in Frankenstein Junior<br />
Also von vorn: Martin Alan Feldman wurde 1934<br />
als Sohn eines jüdischen Schneiders in London<br />
geboren. Als 15-Jähriger verließ er die Schule, um<br />
Jazztrompeter zu werden, was heutzutage auch<br />
nicht jeder Halbwüchsige machen würde. Benzedrin<br />
und Heroin gehören in diesem Alter auch nicht<br />
zwingend zur Entwicklung dazu, aber Feldman<br />
trennte sich gedanklich schnell vom Establishment<br />
in England: „Hier werden viele Massenmörder hervorgebracht:<br />
Bankangestellte, der Doktor in der<br />
Nachbarschaft und so weiter."<br />
Nach eigenen Angaben entschied er sich früh, die<br />
Rolle des Sonderlings auszufüllen. Ebenso früh<br />
eiferte er mit seinen Freunden Morris und Mitch den<br />
Marx Brothers nach und traf im Alter von 20 Lenzen<br />
in Barry Took auf einen Bruder im Geiste.<br />
In der Folgezeit ersannen die beiden Texte für<br />
Radioprogramme wie „Educating Archie" (unter<br />
anderem mit Benny Hill und Julie Andrews), „We're<br />
In Business" und „The Army Game" (unbedingt<br />
Seite 94 ■ GoodTimes 1/2013
empfehlenswerte Ansammlung skurriler Sketche), die die Leute von den<br />
Sitzen rissen. Dann kam die TV-Produktion „Bootsie & Snudge" mit<br />
Feldman als Hauptautor, und sein Durchbruch als Comedy-Schreiber<br />
war endgültig geschafft. Es war die meistgesehene Sendung im britischen<br />
Fernsehen zu jener Zeit.<br />
Und dann trat der „merkwürdige kleine Mann" (O-Ton Feldman) auch<br />
vor die Kamera, für die „At Last The 1948 Show", in der angehende<br />
Comedy-Stars wie John Cleese, Graham Chapman und Eric Idle ihre<br />
ersten Auftritte hatten. Michael Palin und Terry Jones waren bereits in<br />
der Fernsehserie „The Frost Report" aufgetreten – und schon hat man<br />
alle fünf britische Monty-Python-Mitglieder zusammen (Terry Gilliam<br />
folgte später aus den USA). Marty Feldman hat auch hier Geschichte<br />
mitgeschrieben.<br />
Eine der schönsten Stories ist der „Annoying Train-Passenger", also der<br />
nervige Zuggast: nach diversen Umsetz-Versuchen im leeren Sechser-<br />
Abteil („Entschuldigen Sie, dürfte ich vielleicht da sitzen, wo Sie sitzen?"<br />
„Entschuldigen Sie, jetzt, wo ich da sitze, wo Sie saßen, merke<br />
ich, dass ich lieber dort sitzen würde, wo Sie<br />
bietet Feuer an, aber der nervige Zuggast hat die Zigarette eingesteckt)<br />
„Wollten Sie nicht rauchen?"<br />
„Oh nein, wenn ich die Zigarette jetzt rauche, habe ich keine für<br />
danach."<br />
Und so weiter und so fort.<br />
Loriot muss das begeistert haben, und auch <strong>Die</strong>ter Hallervorden hat<br />
nicht unter Feldman gelitten. Er war seine deutsche Synchronstimme<br />
und hat typische Verhaltensmerkmale des englischen Vorbildes übernommen<br />
– vor allem die Penetranz in aller Unbeirrbarkeit. Schön auch<br />
der Undertaker Sketch – wiederum aus der „At Last The 1948 Show" –<br />
mit zwei an einer Kreuzung konkurrierenden Bestattungsunternehmern<br />
– neben Marty Feldman tritt hier der geniale Spike Milligan an.<br />
Marty Feldman bekam durch den Erfolg oben genannter Kinofilme<br />
Lust und Mut, sich an eigene Kino-Projekte zu wagen. „Drei<br />
Fremdenlegionäre" (1977) mit Michael<br />
Fotos: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
mit Ann-Margret und Michael York in "<br />
Drei Fremdenlegionäre"<br />
jetzt gerade sitzen." usw.). Allein der<br />
folgende (hier kurz gefasste) Dialog<br />
ist der Hammer:<br />
„Entschuldigen Sie, stört es Sie,<br />
wenn ich rauche?"<br />
„Nein, überhaupt nicht."<br />
(Pause)<br />
„Ich wünschte, ich hätte eine Zigarette,<br />
die ich jetzt rauchen könnte …"<br />
„Darf ich Ihnen eine Zigarette anbieten?"<br />
(schon schwer genervt)<br />
„Oh, nein, danke, danke."<br />
„Bitte, nehmen Sie sie."<br />
„Nein, danke, wirklich nicht."<br />
(Pause)<br />
„Ich wünschte, ich hätte die<br />
Zigarette nicht abgelehnt. Oh, wie<br />
sehr wünschte ich mir, ich hätte sie<br />
nicht abgelehnt."<br />
(John Cleese holt noch genervter<br />
die Schachtel aus der Jackentasche,<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
York, Ann-Margret und Sir Peter<br />
Ustinov war eine Abenteuergroteske, die nicht recht<br />
in Erinnerung bleiben wollte, und auch „Dreist und<br />
gottesfürchtig" (1980) zeigte ihn als großen Komiker<br />
und gleichzeitig überforderten Regisseur. Ohnehin<br />
war er nie glücklich in Beverly Hills. Er spielte<br />
lieber mit befreundeten italienischen Kellnern<br />
Fußball, statt sich mit den Reichen und den<br />
Schönen abzugeben. <strong>Die</strong> Folge: zurück zur<br />
reinen Schauspielerei.<br />
Während der Dreharbeiten zum Piratenfilm<br />
„Dotterbart" (Original: „Yellowbeard"<br />
mit Monty Python Graham Chapman) verstarb<br />
Marty Feldman 48-jährig überraschend an<br />
Herzversagen in Mexiko-City – angeblich ausgelöst<br />
durch eine Lebensmittelvergiftung, aber<br />
auch akut angestiegener Drogenkonsum dürfte ein<br />
Grund gewesen sein. Sein Leichnam wurde zur Musik<br />
von "I Can’t Give Anything But Love" in Los Angeles in<br />
der Nähe seines Idols Buster Keaton begraben. Der Song<br />
wurde ausgesucht von seiner Witwe Lauretta, mit der er<br />
23 Jahre verheiratet war und die er mindestens ebenso oft<br />
betrogen hatte. Einer seiner Kommentare dazu: „Der Erfolg<br />
ist mir auf die Eier gegangen."<br />
Oliver Schuh<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 95
<strong>Die</strong> Männer der Karin Dor:<br />
Foto: © DAVI<br />
DS/Bild<br />
ildarchi<br />
v Hallhu<br />
llhuber<br />
Von Christian Simon<br />
Sie ist unbestritten eine deutsche Kinolegende. Als<br />
erstes und einziges deutsches Bond-Girl agierte sie<br />
1966 in Man lebt nur zweimal " an der Seite Sean<br />
" Connerys. Bereits 1962 stand Karin Dor neben Pierre<br />
Brice für den ersten Winnetou-Film Der Schatz im<br />
" Silbersee" vor der Kamera. Mit ihren Rehaugen verzauberte<br />
sie die Kinobesucher und ist bis heute unvergessen<br />
als Ribanna, Winnetous große Liebe. In der Edgar-<br />
Wallace-Reihe sorgte sie für erotisch-gruselige Schauer.<br />
Mit tAlfred Hitchcock drehte sie den Thriller Topas". Los<br />
"<br />
Angeles war lange Zeit ihre Wahlheimat. Wegen ihres an<br />
Alzheimer erkrankten Mannes kehrte sie vor einigen Jahren<br />
nach Deutschland zurück. Seit 2007 ist Karin Dor verwitwet und<br />
lebt heute in Niederbayern.<br />
Sie haben hb in den 1960er Jahren in<br />
Mein Mi Gott, wenn das doch nur zu Italien gehören<br />
würde. <strong>Die</strong> Landschaft ist traumhaft schön, verwundet und<br />
spielt. Ahnten Sie damals schon, aber es fehlte die Freiheit der Leute.<br />
trägt mich jetzt. t.<br />
dass<br />
die Filme so erfolgreich wer-<br />
Sie haben alle Stunts selbst gemacht und Was ich aber<br />
den würden?<br />
sich dabei einmal schwer verletzt. nicht wusste:<br />
Nein, beim<br />
ersten Film überhaupt nicht, das Ich bin vom Pferd gestürzt. Das war bei Das war meinee<br />
hat kein Mensch geahnt. Es hat uns sehr viel „Winnetou II". Wir hatten zwei Schimmel. Kopfwunde, die<br />
Spaß<br />
gemacht, aber keiner hat gedacht, dass Ich sollte meinen warmreiten. Allerdings war so blutete. <strong>Die</strong><br />
es so einschlagen würde. Bei der Premiere war der eine Steigbügel ein bisschen kürzer als wurde dann<br />
es klar, das<br />
merkte man an der Reaktion der der andere. Ich habe ihn angezogen und geklammert.<br />
len, der ist selbstst<br />
mehreren eren Winnetou-Filmen mitge-<br />
Leute.<br />
e.<br />
unterwegs gemerkt, dass es immer noch nicht Schließlich<br />
Sie sind<br />
unvergessen als Ribanna stimmte. Wir waren auf sehr hartem, gestampftem<br />
Lehmboden im Galopp unterwegs, als ich noch einen<br />
hatte ich<br />
– Winnetous große Liebe. Damals<br />
wurden Sie<br />
doch sicher überall die Zügel anzog, um das Pferd zum Stehen zu Haarriss in der<br />
erkannt?<br />
n bringen. Was ich nicht wusste: Der Stallbursche<br />
hatte das Pferd vertauscht – ich saß auf<br />
einem Kaskadeur-Pferd (Pferd für Stunts und<br />
Trickreiten, Anm. d. Autors). Beim Anziehen<br />
der Zügel ging das Pferd auf die Hinterhand.<br />
Normalerweise rollt man sich sofort ab, aber ich<br />
war so geschockt von der Reaktion des Pferdes,<br />
dass es mich so richtig platt auf den Rücken<br />
gelegt hat. Jemand nahm mich auf den Arm<br />
und trug mich rauf, und ich sah, dass er Blut<br />
am Hemd hatte. Ich dachte: Um Gottes wil-<br />
Ja, das ist sogar bis heute so. Ich kriege<br />
immer mer noch<br />
viel Autogrammpost. Von Amerika<br />
und vom Ausland wegen James Bond und<br />
Hitchcock. Aber sonst – aus Europa, der<br />
Tschechei h und wo die alle herkommen, das ist<br />
alles les wegen Karl<br />
May.<br />
Wie war Pierre<br />
Brice denn so?<br />
Sehr, sehr<br />
nett. t. Ich hoffe, er ist noch nett, er<br />
lebt ja noch<br />
(lacht). Er sah damals aus wie ein<br />
Märchenprinz. rinz<br />
Aber man sah dann von Film zu<br />
Film, wie der Schmelz etwas schwand.<br />
Es<br />
war<br />
ja körperlich sehr anstrengend –<br />
wir mussten sehr früh aufstehen, weil<br />
wir etwa<br />
zwei Stunden Fahrt hatten bis<br />
zum Motiv, dann die Hitze und die mit<br />
ihrer Reiterei, erei<br />
ei, das strengte schon sehr an.<br />
Aber<br />
er ist ja ein<br />
Mann, er kann sich das<br />
erlauben.<br />
en.<br />
<strong>Die</strong> Karl-May-Filme entstanden alle<br />
in Jugoslawien, erinnern Sie sich an<br />
die Dreharbeiten?<br />
1959 9 habe<br />
ich<br />
den ersten Film dort<br />
gemacht, und da<br />
gab es gar nichts. Man<br />
musste sich alles le mitbringen. Ich war<br />
nicht so angetan. Ich hab' immer gesagt:<br />
Karin Dor und Pierre Brice<br />
Wirbelsäule. Zwei Zentimeter eterer höher, und ich<br />
wäre gelähmt gewesen für den Rest meines<br />
Lebens.<br />
Sie waren damals mit Harald Reinl verheiratet,<br />
der bei den meisten Winnetou-<br />
Filmen Regie führte. Sie waren sehr jung,<br />
als Sie geheiratet haben.<br />
Ja, knapp 17. Ich habe es aber nicht bereut, wir<br />
hatten ja zehn Jahre eine sehr gute Ehe.<br />
Mit Harald Reinl haben Sie auch die<br />
Edgar-Wallace-Filme gedreht. Klaus<br />
Kinski spielte da meist den<br />
Bösewicht. Er galt schon damals<br />
als ziemlich exzentrisch und unberechenbar.<br />
Sie haben sich aber gut<br />
mit ihm verstanden?<br />
Ja, ich bin herrlich mit ihm ausgekommen<br />
und mochte ihn sehr. Das meiste war ja<br />
alles gespielt. Nur bei Inkompetenz wurde<br />
er fuchsig. Ich werde aber nie vergessen: Er<br />
lebte damals noch in Rom und hatte acht<br />
Tage drehfrei. Wir haben in Jugoslawien<br />
gedreht, und er sagte zu mir: Ich würde<br />
so gerne nach Rom fahren, leihst du mir<br />
dein Auto. Er war aber dafür bekannt,<br />
dass er seine teuren Wagen alle zu Schrott<br />
Seite 96 ■ GoodTimes 1/2013
i<br />
darchiv<br />
Hall<br />
huber<br />
/B ildarc<br />
Foto: DA<br />
VIDS/Bil<br />
fuhr. Und ich hatte damals gerade einen neuen<br />
230 SL. Ich sagte: Du, ich weiß, dass du jedes<br />
Edgar<br />
Wallace<br />
Auto zu Schrott fährst, aber ich vertraue dir<br />
mein Auto an. Acht Tage später brachte er das<br />
Auto picobello wieder zurück, und es war voll<br />
von Geschenken, unglaublich: herrliche Pucci-<br />
Kleider, Zigaretten, Lippenstifte und Crèmes,<br />
alles, was man da unten nicht bekam.<br />
Für "<br />
James Bond " mussten Sie nach<br />
London, um sich vorzustellen.<br />
Ich war stinksauer. Ich wollte in den Urlaub<br />
fahren. Aber meine Agentin buchte mir einen<br />
Flug nach London. Auf dem Flughafen kaufte<br />
sie mir hochhackige Schuhe, in denen ich kaum<br />
laufen konnte, weil sie eine 1,75 Meter große<br />
Blondine suchten. Und ich war 1,65 Meter<br />
und dunkel (lacht). Wir waren nachmittags bei<br />
Produzent Albert Broccoli zum Tee eingeladen.<br />
Während der Unterhaltung fragte er plötzlich,<br />
welchen Bond-Film ich gesehen hätte. Ich<br />
sagte: gar keinen. Worauf er meinte: Oh, that’s<br />
the girl I have to pay a ticket for!<br />
Stimmt es, dass Sie auch Sean Connery<br />
nicht kannten?<br />
Ich kannte ihn tatsächlich nicht. Bei den<br />
ersten Proben dachte ich: Um Gottes willen,<br />
Karin Dor mit Sean Connery<br />
ist der langweilig. Aber als die Klappe fiel, war<br />
plötzlich alles da: der Wahnsinnscharme, die<br />
Coolness und „the sparkle", dieses berühmte<br />
Funkeln in den Augen. Er war phänomenal.<br />
Aber bei Proben hat er sich nie angestrengt. Er<br />
war schon ein toller Typ.<br />
Als Bond-Girl Helga Brandt erleiden<br />
Sie einen spektakulären Tod – Sie werden<br />
von Piranhas aufgefressen. Sie wollten<br />
die Szene unbedingt ohne Double drehen.<br />
Ja, ich wollte das selbst machen, das war ja<br />
nichts Besonderes, da konnte ja nichts passieren.<br />
Es waren also keine echten Piranhas im<br />
Becken ...<br />
Nein, es waren Taucher drin, die mich an den<br />
Füßen ein bisschen runterziehen mussten. Bei<br />
der Probe haben die mich an den Füßen gekitzelt.<br />
Da musste ich erst irrsinnig lachen.<br />
Zwei Jahre später engagierte sie dann<br />
Alfred Hitchcock für den Film Topas".<br />
Waren Sie sehr nervös? "<br />
Ich bekam morgens um vier einen Anruf von<br />
Walter Kohner, meinem Agenten. Er sagte:<br />
Karin, nächste Maschine nach Amerika buchen<br />
und sofort heute noch abfliegen, Hitchcock<br />
will Sie sehen. Das ließ ich mir natürlich<br />
nicht zweimal sagen. Ich wusste aber, dass<br />
Hitchcock schon mit über 90 Schauspielerinnen<br />
Probeaufnahmen gemacht hatte. Deshalb flog<br />
ich nur mit einem Köfferchen rüber und dachte:<br />
Wunderbar, du bleibst acht Tage, hängst noch<br />
ein bisschen Urlaub dran und genießt das.<br />
Es kam bekanntlich anders.<br />
Ich kam rüber und wurde rausbestellt zu<br />
Universal ins Büro von Hitchcock. Sein Büro<br />
war mit Esszimmer und großem Salon, mein<br />
Agent durfte gar nicht mit rein, sondern nur<br />
die Sekretärin vom Hitchcock und ich, wir drei.<br />
Wir haben zu Mittag gegessen, unterhielten<br />
uns. Er war hinreißend. Und plötzlich sagte er:<br />
Kennen sie Miss Edith Head? (<strong>Die</strong> Schneiderin<br />
der Hitchcock-Filme, Anm. d. Autors) Ich sagte:<br />
Topas<br />
Klar, wer kennt sie nicht, mit all ihren Oscars.<br />
Er darauf: Ich glaube, es wäre eine gute Idee,<br />
wenn Sie zu ihr gingen und an sich Maß<br />
nehmen ließen. Das war seine Art, mir klar<br />
zu machen, dass ich die Rolle hatte. Ich bin<br />
beinahe zusammengebrochen, ich habe einen<br />
Jubelschrei losgelassen.<br />
Sie verstanden sich ausgezeichnet mit<br />
Hitchcock. Dabei soll er doch so schwierig<br />
gewesen sein, ein Frauenfeind.<br />
Es hieß immer, er hasst alle Schauspielerinnen.<br />
Ich wurde vorher auch gewarnt, sogar Rock<br />
Hudson hat mich gewarnt: Oh Gott, du Arme.<br />
Aber wir hatten gleich einen guten Draht<br />
zueinander.<br />
Wie sehen Ihre beruflichen Pläne aus?<br />
Eine Theaterrolle, die man mir letztes Jahr im<br />
Januar angeboten hat, habe ich jetzt zugesagt.<br />
Es ist traumhaft, sehr komisch: „Pythonee".<br />
Das spiele ich in Düsseldorf. Nächstes Jahr<br />
spiele ich in Köln nach einem Buch von Esther<br />
Vilar, „Der dressierte Mann". Ein Vier-Personen-<br />
Stück, es sind<br />
zwei Mütter<br />
eines jungen<br />
Paares.<br />
Ich bin die<br />
Mutter von<br />
ihr, Marianne<br />
Rogée ist die<br />
Mutter von<br />
ihm. Ich habe<br />
beim Lesen<br />
so gelacht,<br />
da freue ich<br />
mich richtig<br />
drauf. Karin Dor heute<br />
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Foto<br />
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1/3-AZ hoch
Schulmeister-TV:<br />
Heinz Maegerlein ließ die Kandidaten schwitzen<br />
" Tausende standen an den Hängen und Pisten." "<br />
Und jetzt wickeln die Damen<br />
ihre 100 Meter Brust ab." Zwei Sätze, die Fernsehgeschichte schrieben. Sie<br />
stammen aus dem Munde von Heinz Maegerlein, fast 20 Jahre lang (1958<br />
bis 1976) redseliger Abteilungsleiter Sport beim ehrwürdigen Bayerischen<br />
Rundfunk. Historisch noch bedeutsamer wurde er aber dank seiner elf Jahre<br />
währenden Moderation der Oberlehrer-Quizsendung "<br />
Hätten Sie's gewusst?".<br />
Kaum jemand hätte sich den Mann als Geschichtsoder<br />
Deutschlehrer gewünscht. Seine Show<br />
ähnelte eher dem grauslichen Frontalunterrichtt<br />
am Gymnasium als dem Anspruch gediegenerer<br />
Fernsehunterhaltung. Auf manchmal schon mitleidslose Weise<br />
fertigte er die gut präparierten, aber auch mal mehr, mal weniger<br />
ahnungslosen Kandidaten ab. Und man konnte sich nie ganz des<br />
Eindruckes erwehren, dass er es insbesondere bei den Kandidatinnen<br />
datinnen<br />
nicht ganz verstehen wollte, warum die sich hinter<br />
dem Herd hervorgetraut hatten.<br />
Das Spiel war einfach, die Zeiten zuvor waren schwer<br />
genug gewesen. Nach dem „17 und 4"-Prinzip war<br />
das Ziel, schnellstmöglich 21 Punkte zu erreichen,<br />
je nach Grad der Schwierigkeit gab es<br />
einen bis elf Punkte. Mit den meisten<br />
damaligen Wissensgebieten könnte man<br />
heute keine Show mehr senden, und sei<br />
es um drei Uhr morgens zum Konsum<br />
von Hanf: Pflanzenkunde, Oper,<br />
Sagen der Völker etc. standen auf<br />
dem Fragezettel. „Was versteht man<br />
unter Karnivoren oder Insektivoren?"<br />
„In welchem Jahr wurde Verdis Oper<br />
‚Rigoletto’ uraufgeführt?" „In welcher<br />
Sage kommt Hagen von Tronje vor?"<br />
<strong>Die</strong> Kandidaten saßen wie später<br />
bei Wim Thoelke in schalldichten<br />
Kabinen und wurden von<br />
Maegerlein per Mikrofon zugeschaltet,<br />
wenn sie an der Reihe waren.<br />
Vor jeder Frage wurde ihnen die<br />
dazugehörige Kategorie mitgeteilt<br />
und die Möglichkeit gegeben, den Vermarktung weit vor Wer wird<br />
Schwierigkeitsgrad und die damit Millionär" – das Spiel zur "<br />
Sendung<br />
verbundene Punktzahl anzugeben, die sie mit der Beantwortung<br />
erreichen konnten. <strong>Die</strong> falsche Antwort führte zu entsprechendem<br />
Punktabzug. Das Spannende: Kein Kandidat hatte auch nur die<br />
geringste Ahnung, wie der Punktestand der Konkurrenten war.<br />
„Na, das wundert mich jetzt aber, dass Sie darauf keine Antwort<br />
finden." „Das ist doch eigentlich ganz leicht zu beantworten."<br />
„Na, Sie machen es uns heute aber schwer." Es ist nicht bekannt,<br />
wie viele der schwitzenden Kabineninsassen angesichts des<br />
manchmal arg schulmeisterlichen Tons den Moderator am<br />
liebsten erwürgt hätten. Mit Respekt hatte sein Oberlehrerton hin und<br />
wieder wenig zu tun. <strong>Die</strong> recht bescheidenen Sachpreise – hier mal ein<br />
Radio, dort ein Fotoapparat – treiben einem heute Lachtränen in die<br />
Augen. Damals war es der Hammer. Aber auch heute würde sich der eine<br />
oder andere über den Hauptgewinn, eine BMW Isetta, freuen, und sei es<br />
nur aus purer Nostalgie.<br />
Unvergessen ist der Top-Scorer der Raterunde, ein<br />
Mann namens Rudolf Steiner, Fachgebiet Oper.<br />
Hierbei handelte es sich nicht um den österreichischen<br />
Esoteriker, sondern laut eigenem Bekunden<br />
um einen „Handelsvertreter in Damenunterwäsche",<br />
dem man das gar nicht ansah.<br />
Heinz Maegerlein sah sich in den späten 60ern<br />
zunehmender Kritik ob seines Redeflusses ausgesetzt.<br />
Nach der Berichterstattung von 16<br />
Olympischen Spielen, diversen Europa- und Weltmeisterschaften t jedweder<br />
d<br />
Sportart und vielen anderen Sportereignissen warf man ihm zudem vor,<br />
dass er den jungen Nachrückern im Reporterstamm den Weg versperre.<br />
Noch weitere acht Jahre übte er das Amt des Abteilungsleiters Sport beim<br />
Bayerischen Rundfunk aus, war jedoch kaum noch vor der Kamera zu<br />
sehen. Er starb am 25. Oktober 1998 in Gräfelfing.<br />
Oliver Schuh<br />
Seite 98 ■ GoodTimes 1/2013
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