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BAHN EXTRA Deutsche Reichsbahn 1939 (Vorschau)

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RHEINGOLD UND SVT<br />

Sommer <strong>1939</strong>: Die letzten<br />

Fahrplan-Einsätze bei der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong><br />

06, 50 UND E 19<br />

Die Lokneuheiten des<br />

Jahres: Erfolgsmodelle<br />

und Fehlschläge<br />

ANGESPANNTE LAGE<br />

Betrieb und Netz der<br />

<strong>Reichsbahn</strong> zwischen<br />

Fortschritt und Mangel<br />

2.2014 MÄRZ / APRIL | € 12,90 A: € 13,30, CH: SFR 18,90, BENELUX: € 14,90<br />

<strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Reichsbahn</strong><br />

<strong>1939</strong><br />

Eisenbahn im Krieg:<br />

• Die <strong>Reichsbahn</strong> und der Aufmarsch<br />

• Die Entstehung der Ostbahn<br />

• Das Unglück von Genthin


Schlachten, Technik,<br />

Feldherren<br />

Das neue Heft ist da.<br />

Jetzt am Kiosk!<br />

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www.clausewitz-magazin.de/abo


Slg. Stefan Ponzlet (oben), Carl Bellingrodt/Slg. Eisenbahnstiftung (unten links), XXXXX (unten rechts)<br />

Die Zeitenwende<br />

Deutschland vor 75 Jahren: Zu Beginn des Sommerfahrplans bietet die <strong>Reichsbahn</strong><br />

noch den gewohnten Betrieb mit umfangreichem Verkehrsangebot und modernen Zügen,<br />

neue Lokomotiven werden vorgestellt. Aber der Krieg, den die NS-Führung seit<br />

langem vorbereitet, rückt näher. Ende August <strong>1939</strong> folgen die ersten Einschnitte bei der<br />

<strong>Reichsbahn</strong>, Anfang September greift das <strong>Deutsche</strong> Reich Polen an. Dieses Heft<br />

blickt zurück auf die Zeitenwende, die alles verändern sollte. Auch für die <strong>Reichsbahn</strong><br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 3


Inhalt | DIE REICHS<strong>BAHN</strong> <strong>1939</strong><br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Thomas Hanna-Daoud<br />

Verantwortlicher<br />

Redakteur<br />

Hauptautoren in diesem Heft<br />

Dr. Alfred Gottwaldt<br />

leitet die Abteilung<br />

Schienenverkehr im <strong>Deutsche</strong>n<br />

Technikmuseum<br />

Berlin und hat zahlreiche<br />

Bücher und Aufsätze zur<br />

Verkehrsgeschichte,<br />

darunter der <strong>Reichsbahn</strong><br />

1920–1945, veröffentlicht.<br />

am 15. Mai <strong>1939</strong> trat der Sommerfahrplan der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Reichsbahn</strong> in Kraft. Wenige Tage zuvor hatte sie den elektrischen<br />

Betrieb auf der Strecke Nürnberg – Saalfeld eröffnet, mit dem<br />

neuen Fahrplan führte sie nochmals neue Fernverbindungen ein.<br />

Bis zum 7. Oktober <strong>1939</strong> sollte die Fahrplansaison nun dauern.<br />

Doch die Kursbücher wurden früher Makulatur als erwartet. Schon<br />

am 22. August <strong>1939</strong> richtete die <strong>Reichsbahn</strong> einen Notfahrplan ein,<br />

reduzierte das Angebot und stellte die Fernschnellzüge weitgehend<br />

ab. Ein Vorzeichen des Krieges, auf den die national sozialistische<br />

Führung hingearbeitet hatte. Und auch wenn der Alltag im „Dritten<br />

Reich“ schon militarisiert war, bedeutete das abermals eine Zäsur.<br />

Fortan bestimmten militärische Belange das Geschehen auf und<br />

neben den Bahngleisen.<br />

Diesen Wandel in der Geschichte der Zwischenkriegs-<strong>Reichsbahn</strong><br />

dokumentieren wir mit diesem Heft. Unsere Autoren haben<br />

viele Daten, Fakten und zum Teil bisher kaum bekannte Informationen<br />

zusammengestellt, die das Jahr <strong>1939</strong> in seiner ganzen Gegensätzlichkeit<br />

zeigen. Und die erahnen lassen,<br />

welches Unheil damals seinen Lauf nahm.<br />

Sehen Sie selbst ... !<br />

Das Mitropa-Kursbuch<br />

vom Sommer <strong>1939</strong><br />

Slg. Andreas Knipping<br />

Andreas Knipping<br />

ist Richter am Sozialgericht<br />

in München und hat<br />

sich in vielen Veröffentlichungen<br />

mit der Eisenbahngeschichte<br />

befasst.<br />

Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong><br />

ist dabei eines seiner<br />

Schwerpunktthemen.<br />

50<br />

Die<br />

Fahrpläne der <strong>Reichsbahn</strong> vor und nach Kriegsbeginn:<br />

die Änderungen, die Konsequenzen im Betrieb Slg. Gerhard<br />

Dirk Winkler<br />

arbeitet bei einem Schienenfahrzeughersteller<br />

in Deutschland und<br />

beschäftigt sich ebenso<br />

mit Eisenbahn- und<br />

Fahrzeuggeschichte,<br />

unter anderem zur<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong>.<br />

Titelfotos<br />

Slg. Eisenbahnstiftung (großes Bild),<br />

Slg. Dr. Alfred Gottwaldt (kl. Bild o.l.,<br />

SVT in Berlin Anhalter Bahnhof <strong>1939</strong>),<br />

Slg. Peter Schricker (2, o.M., o.l.)<br />

Rücktitel: Slg. Stefan Ponzlet,<br />

Slg. Gerhard, Slg. Dr. Brian Rampp (o., v.l.),<br />

Carl Bellingrodt/Slg. Helmut Brinker<br />

(gr. Bild u.)<br />

Autorenfotos:<br />

U. Miethe (2: A. Knipping, THD), privat (2)<br />

4


mit dem Glacier Express<br />

Großes Gewinnspiel<br />

Seite 35<br />

Eine Fahrt 1.Klasse<br />

Inhalt<br />

16<br />

Große Anforderungen –<br />

kleiner Spielraum: ein<br />

Blick auf die <strong>Reichsbahn</strong><br />

<strong>1939</strong> RVM/Slg. H. Brinker<br />

Chronik<br />

6 Dem Konflikt entgegen<br />

Chronik: Daten und Fakten zum Jahr <strong>1939</strong><br />

Bilderbogen<br />

8 An der Wendemarke<br />

Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong> <strong>1939</strong><br />

40 Abschied von der „Fahrt ins Blaue“<br />

Die letzten Einsätze der Aussichtstriebwagen<br />

58 Von Technik und Romantik<br />

Das Bildarchiv des Reichsverkehrsministeriums<br />

80 Reisen und schauen<br />

<strong>Reichsbahn</strong>-Reklame der späten 1930er-Jahre<br />

90 Nach Polen und weiter<br />

Die erste Kriegszeit<br />

Hintergrund<br />

16 Zwischen Fortschritt und Rückschlag<br />

Eine Bestandsaufnahme der <strong>Reichsbahn</strong><br />

26 Expansion nach Süden und Osten<br />

Karte: die geopolitischen Veränderungen 1938/39<br />

82<br />

32<br />

Mit der E 19 wird eine neue<br />

Hochleistungs-Ellok vorgestellt<br />

Slg. Rampp<br />

Die „Ostbahn“ übernimmt einen Teil<br />

des Bahnbetriebs im besetzten Polen<br />

Familienbesitz Dorpmüller/Slg. Gottwaldt<br />

Fahrzeuge<br />

28 Kontraste im Dampflokbau<br />

Die Baureihen 06 und 50<br />

32 Schnellfahrer ohne Einsatzbereich<br />

Die Baureihe E 19<br />

36 Spitzentempo und Treibachsbruch<br />

Die Rekordfahrt des SVT 137 155<br />

66 Moderne <strong>Reichsbahn</strong>?<br />

Der Fahrzeugpark der RBD München<br />

88 Einfache Loks in großer Zahl<br />

Moderne Traktion im Krieg<br />

Betrieb<br />

44 Das Jahr der „Mobilmachung“<br />

Die Vorbereitungen für den „Polenfeldzug“<br />

48 Jablunka-Pass und Weichselbrücken<br />

Erste Kämpfe mit Eisenbahn-Bezug<br />

50 Verwaltung des Mangels<br />

<strong>Reichsbahn</strong>-Fahrplan vor und nach Kriegsbeginn<br />

72 Unglück vor Weihnachten<br />

Die Katastrophe von Genthin<br />

74 Im Krieg fertig gestellt<br />

Die Nordsüd-S-Bahn in Berlin<br />

82 Die neue Verwaltung<br />

Die „Ostbahn“ in Polen<br />

Ständige Rubriken<br />

98 <strong>Vorschau</strong>, Leserservice, Impressum<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 1/2014 5


Chronik | DATEN UND FAKTEN ZUM JAHR <strong>1939</strong><br />

Dem Konflikt<br />

entgegen<br />

In den Jahren der NS-Herrschaft nimmt <strong>1939</strong> eine Sonderstellung ein.<br />

Lange hat das Regime den Angriffskrieg vorbereitet, nun beginnt es ihn.<br />

Die wichtigsten Ereignisse von Politik und <strong>Reichsbahn</strong> <strong>1939</strong> in Kürze<br />

19. Januar <strong>1939</strong>: AEG liefert die Schnellfahrversuchsellok<br />

E 19 01 an die <strong>Reichsbahn</strong>;<br />

die Lok hat die Bauart 1’Do1’-w4e. Bis 1940<br />

werden drei weitere E 19 gebaut.<br />

15. März <strong>1939</strong>: Nachdem das Münchner<br />

Abkommen dem Reich nur die deutschsprachigen<br />

Randgebiete der Tschechoslowakei<br />

zugesprochen hat, lässt Hitler die Wehr -<br />

macht auch in die tschechisch besiedelten<br />

Kerngebiete Böhmens und Mährens einmarschieren.<br />

Für die deutsche Kriegsvorbereitung<br />

scheinen die dortige Rüstungsindustrie<br />

(wie Škoda in Pilsen), Rohstoffe sowie staat -<br />

liches Gold und jüdisches Privatvermögen<br />

in Prag unverzichtbar.<br />

Die Böhmisch-Mährischen Bahnen (BMB)<br />

oder „Protektoratsbahnen“ bleiben unter<br />

Aufsicht des Reichsverkehrsministeriums<br />

und des in Prag amtierenden Reichspro -<br />

tektors selbstständig. Die Slowakei wird<br />

unter deutscher Kontrolle „unabhängig“.<br />

17. März <strong>1939</strong>: Anlieferung der leichten<br />

1’E-Güterzugdampflok 50 001 von Henschel<br />

22. März <strong>1939</strong>: Offizielle Anlieferung der<br />

2’D2’h3-Stromlinien-Schnellzugdampflok<br />

06 001 von Krupp<br />

23. März <strong>1939</strong>: Litauen tritt das in der Folge<br />

des Versailler Vertrages unter die Aufsicht<br />

des Völkerbundes gestellte und 1923 annektierte<br />

Memelland (das ist der nordöstlichste<br />

Teil Ostpreußens) an das <strong>Deutsche</strong> Reich<br />

ab. Die <strong>Reichsbahn</strong>direktion (RBD) Königsberg<br />

übernimmt das Streckennetz, 17 Lokomotiven<br />

und 166 Wagen.<br />

10. Mai <strong>1939</strong>: Eröffnung des elektrischen<br />

Betriebs Nürnberg – Saalfeld<br />

15. Mai <strong>1939</strong>: Inkrafttreten des letzten Friedensfahrplans.<br />

Das Netz der Schnelltrieb -<br />

wagen (Zuggattung FDt) erreicht seine größte<br />

Ausdehnung. Neu sind die Verbindungen<br />

Berlin – Frankfurt (M) – Basel, Dortmund –<br />

Basel, Wesermünde (heute Bremerhaven) –<br />

Hannover – Magdeburg – Leipzig sowie Hamburg-Altona<br />

– Magdeburg – Halle – Leipzig –<br />

Dresden. Der mit speziellem Wagenpark<br />

laufende Fernschnellzug „Rheingold“ befährt<br />

jetzt den Laufweg Hoek van Holland – Köln –<br />

Basel mit Fortsetzung nach Mailand; diese<br />

Fortführung nach Süden betont die Bedeutung<br />

der politischen Partnerschaft mit dem<br />

faschistischen Italien. Auf der Strecke Nürnberg<br />

– Bamberg – Saalfeld wird der elektrische<br />

Regelbetrieb aufgenommen.<br />

23. Juni <strong>1939</strong>: Rekordfahrt eines Schnelltriebwagens:<br />

Der SVT 137 155 erreicht zwischen<br />

Hamburg und Berlin 215 km/h.<br />

22. August <strong>1939</strong>: Die <strong>Reichsbahn</strong> geht zur<br />

Sicherung des Truppenaufmarschs für den<br />

Angriff gegen Polen auf einen Notfallplan<br />

über. Der Einsatz von Dieseltriebwagen (einschließlich<br />

der spektakulären Schnelltriebwagen)<br />

für den öffentlichen Verkehr wird<br />

zur Einsparung von Treibstoff fast völlig eingestellt.<br />

Viele Schnellzüge entfallen; die<br />

Fahrzeiten der verbleibenden Verbindungen<br />

werden verlängert.<br />

23. August <strong>1939</strong>: Reichsaußenminister<br />

Joachim von Ribbentrop unterzeichnet in<br />

Moskau einen Nichtangriffspakt mit der<br />

Sowjetunion. Die Weltöffentlichkeit und<br />

Hitlergegner sind gleichermaßen überrascht,<br />

war doch antikommunistische Propaganda<br />

bislang ein Grundpfeiler des nationalsozialistischen<br />

Regimes gewesen. Noch weiß<br />

niemand vom geheimen Zusatzprotokoll, in<br />

dem beide Mächte Osteuropa und insbesondere<br />

Polen in „Interessensphären“ aufteilen;<br />

der geplante deutsche Überfall auf Polen ist<br />

damit von sowjetischer Seite „abgesichert“.<br />

29. August <strong>1939</strong>: Anlieferung der 2’C1’h3-<br />

Stromlinien-Schnellzugdampflok 01 1001<br />

von der BMAG<br />

1. September <strong>1939</strong>: Mit dem „Polenfeldzug“<br />

beginnt der Zweite Weltkrieg. Sofort wird<br />

der in der Zwischenkriegszeit unabhängige<br />

Freistaat Danzig besetzt und annektiert.<br />

Die Wehrmacht rückt schnell vor. Schwere<br />

Luftangriffe insbesondere mit den neuen<br />

Sturzkampfbombern zerstören Bahnhöfe<br />

und Brücken und lähmen damit den polnischen<br />

Nachschub. Mit der Bombardierung<br />

Warschaus beginnen die für den Zweiten<br />

Weltkrieg charakteristischen Luftangriffe<br />

auf Wohngebiete.<br />

Unmittelbar hinter der vorrückenden Front<br />

erschießen deutsche Mordkommandos<br />

tausende Priester, Lehrer, Wissenschaftler,<br />

Publizisten und andere Persönlichkeiten des<br />

öffentlichen Lebens. Der Anteil jüdischer<br />

Opfer ist besonders groß.<br />

28. September <strong>1939</strong>: Ein „Grenz- und<br />

Freundschafts(!)vertrag“ zwischen dem<br />

<strong>Deutsche</strong>n Reich und der Sowjetunion prä -<br />

zisiert den Verlauf der Demarkationslinie.<br />

Anders als bisher vorgesehen werden die<br />

Wojewodschaft Lublin und der östliche Teil<br />

der Wojewodschaft Warschau sowie die ans<br />

östliche Ostpreußen angrenzenden polnischen<br />

Landkreise Augustów und Suwalki<br />

der deutschen Interessensphäre zugeschlagen.<br />

Zum Ausgleich wird das (unabhängige<br />

und von seinem Schicksal nichts ahnende)<br />

Litauen wie schon zuvor Lettland und Estland<br />

dem sowjetischen Zugriff überlassen.<br />

6. Oktober <strong>1939</strong>: Die letzten polnischen<br />

Feldtruppen ergeben sich.<br />

8. und 12. Oktober <strong>1939</strong>: <strong>Deutsche</strong> Verordnungen<br />

regeln die Binnengliederung der<br />

eroberten polnischen Gebiete. Die preußischen<br />

Provinzen Schlesien und Ostpreußen<br />

werden vergrößert; der westliche und nördliche<br />

Großteil des Territoriums wird auf<br />

die neuen Reichsgaue „Westpreußen“ und<br />

„Posen“ verteilt, die trotz Übernahme historischer<br />

preußischer Provinzbezeichnungen<br />

nicht zu dem formell noch existierenden<br />

Land Preußen kommen.<br />

Mit Verordnungen vom 2. November <strong>1939</strong><br />

und 29. Januar 1940 werden die neuen<br />

Reichsgaue in „Danzig-Westpreußen“ und<br />

„Wartheland“ umbenannt. Viele Ortsnamen<br />

werden fortan eingedeutscht. Teilweise<br />

werden alte deutsche Bezeichnungen reaktiviert,<br />

teilweise werden polnische Namen<br />

phonetisch in deutsche umgeformt, teilweise<br />

werden neue Namen frei erfunden. In<br />

den neuen Teilen des Reiches amtieren<br />

fortan die Reichs bahndirektionen Danzig<br />

und Posen.<br />

Die zentralen Teile Polens werden im<br />

„Generalgouvernement“ mit Verwaltungssitz<br />

in Krakau einem kolonialen Status unterworfen.<br />

Als Bahnverwaltung wird die<br />

„Ostbahn“ eingerichtet, deren Verwaltungsstruktur<br />

in den folgenden Jahren immer<br />

mehr der <strong>Reichsbahn</strong> angeglichen wird.<br />

9. Oktober <strong>1939</strong>: Eröffnung des Abschnitts<br />

Potsdamer Platz – Anschluss Wannseebahn<br />

und damit Vollendung der Berliner Nordsüd-S-Bahn<br />

5. Dezember <strong>1939</strong>: Anlieferung der 2’C1’h3-<br />

Stromlinien-Schnellzugdampflok 03 1001<br />

von Borsig<br />

22. Dezember <strong>1939</strong>: In Genthin (Strecke<br />

Berlin – Magdeburg) ereignet sich ein Auffahrunfall<br />

zweier D-Züge. Es gibt 186 Tote<br />

und 106 Verletzte. Damit wird dies das<br />

schwerste Unglück der deutschen Eisenbahngeschichte.<br />

Andreas Knipping/GM<br />

6


<strong>Reichsbahn</strong>-Betrieb vor Kriegsbeginn: links die neu gelieferte 41 187 am 7. Juni<br />

<strong>1939</strong> mit einem Messzug bei Ulm, unten 58 1368 am 27. August <strong>1939</strong> vor einem<br />

Güterzug bei Hohenlimburg RVM/Slg. Eisenbahnstiftung (l.), Bellingrodt/Slg. Helmut Brinker (u.)<br />

Schnell rücken die deutschen Angreifer beim „Polen-Feldzug“ vor. Adolf Hitler<br />

und sein Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel (mit aus -<br />

gestrecktem Arm), inspizieren einen umgestürzten polnischen Panzerzug auf<br />

dem Bahnhof Lochow, vermutlich an der Strecke Warschau – Malkinia Slg. Gottwaldt<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 7


Bilderbogen | DIE DEUTSCHE REICHS<strong>BAHN</strong> <strong>1939</strong><br />

Die <strong>Reichsbahn</strong> ist <strong>1939</strong> ein weltweit angesehenes Verkehrsunternehmen.<br />

Sie besitzt wegweisende Fahrzeuge, der Betrieb beeindruckt durch den hohen<br />

technischen Entwicklungsstand. Das qualifiziert sie auch für andere Zwecke:<br />

den Eroberungskrieg, den Hitlerdeutschland ab September des Jahres führt<br />

An der<br />

8


Wendemarke<br />

Am 3. Juni <strong>1939</strong> sind E 44 095 und E 18 43 mit D 40 Berlin – München<br />

bei Kronach unterwegs. Rund drei Wochen zuvor hat die <strong>Reichsbahn</strong> auf<br />

diesem Abschnitt den elektrischen Betrieb eröffnet; die beiden Zug loks<br />

gehören zum Modernsten, was es in ihrem Triebfahrzeugbestand gibt<br />

Carl Bellingrodt/Slg. Helmut Brinker<br />

9


Bilderbogen | DIE DEUTSCHE REICHS<strong>BAHN</strong> <strong>1939</strong><br />

Im Dienst des Kunden<br />

Ob Fernreisen oder Güterfracht, die <strong>Reichsbahn</strong> ist der wichtigste<br />

Verkehrsträger des Reiches und der größte Arbeitgeber außerdem.<br />

Ihre Belegschaft umfasst <strong>1939</strong> fast eine Million Menschen<br />

Nächtliche Impression in Köln<br />

Hauptbahnhof, einem der Dreh- und<br />

Angelpunkte des <strong>Reichsbahn</strong>betriebs<br />

im Westen. So hell wie auf<br />

dem Foto des Reichsverkehrsministeriums<br />

wird der Bahnhof<br />

ab September <strong>1939</strong> jedoch nicht<br />

mehr erstrahlen; mit Kriegsbeginn<br />

greifen im Bahnbetrieb Verdunklungsmaßnahmen<br />

Slg. Gerhard<br />

Großer Andrang herrscht auf<br />

dem Bahnhof bei Berlin, als<br />

die preußische P 8 mit ihrem<br />

Personenzug eintrifft. Das Verkehrsaufkommen<br />

ist in den 30er-Jahren<br />

kontinuierlich angestiegen<br />

Slg. Eisenbahnstiftung<br />

10


Blick in den Motorraum eines<br />

Schnelltriebwagens (SVT).<br />

Bis zu 160 km/h erreichen die<br />

„Fliegenden Züge“, die in einem<br />

Fernzugnetz von Berlin hinaus<br />

ins Reich fahren. Im August <strong>1939</strong><br />

werden sie jedoch abgestellt;<br />

den Treibstoff braucht man nun<br />

für Kriegsfahrzeuge RVM/Slg. Gerhard<br />

Kistenversand auf einem Landbahnhof.<br />

Längst nicht überall stehen für die Verladung<br />

technische Hilfsmittel zur Verfügung;<br />

oft muss man improvisieren Slg. Gerhard<br />

Mit einem Personenzug erreicht 93 077 am<br />

13. August <strong>1939</strong> den Haltepunkt Liesen an<br />

der Strecke Winterberg – Allendorf (Eder).<br />

Fotograf Carl Bellingrodt hält dort die illustre<br />

Nebenbahn-Garnitur im Bild fest; es ist sein<br />

letzter Ausflug vor Kriegsbeginn Slg. H. Brinker<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 11


Bilderbogen | DIE DEUTSCHE REICHS<strong>BAHN</strong> <strong>1939</strong><br />

Moderne Bahn<br />

Stromlinienfahrzeuge, Hochleistungs-Elloks<br />

und neue Transporttechniken bereichern<br />

im Laufe der 1930er-Jahre den Bahnbetrieb.<br />

Doch fehlt der <strong>Reichsbahn</strong> das Geld<br />

für eine umfassende Modernisierung<br />

12<br />

Mit neuen Reisezugwagen verbessert die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> den Fahrkomfort. Und auch Dritte<br />

wollen das <strong>Reichsbahn</strong>-Ambiente werbend<br />

nutzen: Vorstellung einer Reiseschreib -<br />

maschine, aufgenommen in Erfurt im Juni <strong>1939</strong><br />

Slg. Dr. Brian Rampp


Hochrangige Vertreter von <strong>Reichsbahn</strong> und Hersteller<br />

präsentieren sich mit der Schnellzuglok 01 1001 bei der<br />

Berliner Maschinenbau-AG. Die <strong>1939</strong> gelieferte Maschine ist<br />

die Erste einer neuen, stromlinienverkleideten Dreizylinder-<br />

Reihe; an dritter Stelle von links steht Richard Paul Wagner,<br />

leitender Dampflokkonstrukteur bei der <strong>Reichsbahn</strong><br />

und maßgeblich auch für diese Loktype verantwortlich<br />

Slg. Dirk Winkler<br />

Am 6. Juni <strong>1939</strong> ist 64 423 mit einem Personenzug in der<br />

Fränkischen Schweiz unterwegs, im Bild bei Gößweinstein. Die<br />

Einheitstenderlok aus den 20er-Jahren gehört im <strong>Reichsbahn</strong>-<br />

Bestand zu den moderneren Maschinen C. Bellingrodt/Slg. H. Brinker<br />

In den frühen 30er-Jahren hat Johann Culemeyer ein Straßentransportsystem<br />

für Eisenbahnwagen und schwere Lasten entwickelt.<br />

In der Steiermark befördert ein Culemeyer-Straßenzug <strong>1939</strong> ein<br />

60 Tonnen schweres Hochdruckwassergerät Slg. Eisenbahnstiftung<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 13


Bilderbogen | DIE DEUTSCHE REICHS<strong>BAHN</strong> <strong>1939</strong><br />

VT 137 290, ein Verbrennungstriebwagen<br />

der Bauart Ruhr, auf Propagandafahrt<br />

in Österreich. Seit dem Machtantritt Hitlers<br />

wird die <strong>Reichsbahn</strong> für politischmilitärische<br />

Ziele der Nazis vereinnahmt –<br />

die <strong>Reichsbahn</strong>-Führung stellt sich<br />

dabei bereitwillig zur Verfügung<br />

Slg. Dirk Winkler<br />

Zuckerrübenverladung<br />

im Raum<br />

Posen im Oktober <strong>1939</strong>.<br />

So friedlich die Szenerie<br />

wirkt – seit einem<br />

Monat herrscht Krieg<br />

und diese Region<br />

gehörte zu den Ersten,<br />

welche die <strong>Deutsche</strong>n<br />

erobert haben<br />

Slg. Dr. Brian Rampp<br />

14


Ein General der Infanterie im Zug,<br />

aufgenommen im September <strong>1939</strong>.<br />

Der „Polenfeldzug“ bindet erhebliche<br />

Kapazitäten der <strong>Reichsbahn</strong>, der<br />

zivile Fahrplan wird dafür reduziert;<br />

weitere Einschränkungen folgen<br />

Slg. Dr. Brian Rampp<br />

Mit <strong>Reichsbahn</strong>-Tenderlok 89 7449 sammeln Eisenbahner<br />

im Mai <strong>1939</strong> in Berlin für das Winterhilfswerk. Offiziell als<br />

Fürsorgeeinrichtung deklariert, dient die Organisation in<br />

Wirklichkeit der Kriegsvorbereitung; Geld- und Sachspenden<br />

werden für militärische Zwecke verwendet Slg. Dr. Brian Rampp<br />

Zwischen Frieden und Krieg<br />

Seit 1938 erstreckt sich der <strong>Reichsbahn</strong>-Betrieb auf ein „großdeutsches“ Netz, das auch<br />

das „angeschlossene“ Österreich umfasst. Mit dem Angriff auf Polen kommen ab September<br />

<strong>1939</strong> weitere Gebiete hinzu – und Aufgaben, welche die <strong>Reichsbahn</strong> noch mehr belasten<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 15


Hintergrund | BESTANDSAUFNAHME ZUR REICHS<strong>BAHN</strong><br />

Unter der NS-Herrschaft hatte<br />

sich die Lage für die <strong>Reichsbahn</strong><br />

eher verkompliziert als vereinfacht.<br />

Der Transportbedarf wuchs, ohne<br />

dass die Fahrzeugbeschaffung<br />

damit Schritt hielt. Eine Bestandsaufnahme<br />

am Vorabend des Krieges<br />

Die leitenden Beamten der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Reichsbahn</strong> (DRB) hatten <strong>1939</strong><br />

längst wachsende Probleme zu<br />

meistern. Der Reichsverkehrsminister und<br />

Ge neral direktor der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong>,<br />

Julius Dorpmüller, feierte seinen 70. Geburtstag<br />

am 24. Juli <strong>1939</strong> in angespannter Lage.<br />

Die Transporte von Baustoffen für den seit<br />

1936 gebauten „Westwall“ vom Hochrhein<br />

bis an die niederländische Grenze überforderte<br />

das Streckennetz im westlichen Teil des<br />

Reiches, den Wagenpark und den Bestand<br />

an Güterzugloks; der Bedarf lag bei bis zu<br />

8.000 Wagen pro Tag, von der 29. Woche 1938<br />

bis zur 9. Woche <strong>1939</strong> hatte die <strong>Reichsbahn</strong><br />

eine Gesamttransportleistung von 656.966<br />

Ton nen erbracht. Gleichzeitig banden die<br />

bautechnischen Visionen Hitlers, welche die<br />

Zwischen<br />

Fortschritt<br />

und<br />

Rückschlag<br />

16


Umgestaltung ganzer Städte wie Berlin und<br />

München vorsahen, schon erhebliche Beförderungskapazitäten.<br />

Einige Konzentrationslager<br />

wie Flossenbürg und Mauthausen (im<br />

„angeschlossenen“ Österreich) hatten die Nationalsozialisten<br />

bewusst in der Nähe ergiebiger<br />

Granitsteinbrüche platziert. Dort beuteten<br />

sie die Arbeitskraft der Gefangenen bis<br />

zum Tode aus; gleichzeitig setzte das größenwahnsinnige<br />

Bauprogramm eine riesige Kavalkade<br />

von Güterzügen in Lauf, um die<br />

Steinlieferungen zu bewältigen.<br />

Lücken im Dampflok-Bestand<br />

Unbehagen weckte hie und da auch die unübersehbare<br />

Intensität der Aufrüstung. Abgesehen<br />

von der damit aufgebauten<br />

Bedrohung – darunter<br />

litten die überfällige Neu -<br />

beschaffung von Eisenbahn-<br />

Am 10. April <strong>1939</strong> ver lassen 17 305,<br />

eine S 10 der ehemaligen Lübeck-<br />

Büchener Eisenbahn, und Einheits lok<br />

24 020 mit einem Personenzug Lübeck<br />

Hbf. Solches Miteinander von alt und<br />

neu ist nicht ungewöhnlich Slg. Schricker<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 17


Hintergrund<br />

| BESTANDSAUFNAHME ZUR REICHS<strong>BAHN</strong><br />

technik und der aktuelle Betrieb. Das zeigte<br />

sich zum Bei spiel beim Dampflokbestand.<br />

Nachdem in der Weltwirtschaftskrise tausende<br />

von Länderbahn-Güterzugloks aus -<br />

gemustert wor den waren, hatten die Ersatzbeschaffungen<br />

starker Einheitsloks noch<br />

längst kein befriedigendes Maß erreicht.<br />

Ende 1938 gab es hiervon je zwei Baumuster<br />

der Baureihen 41 und 45 sowie 35 zweizylindrige<br />

und 111 dreizylindrige 1’E-Güterzug -<br />

loks der Baureihen 43 und 44. Noch fataler<br />

war die Entwicklung bei den Personenzugloks<br />

für Hauptbahnen. Nach dem Auslauf<br />

der Beschaffung von 38ern preußischer und<br />

sächsischer Bauart in den 20er-Jahren waren<br />

für das ganze Riesennetz der <strong>Reichsbahn</strong> genau<br />

15 Exemplare der Baureihe 62 in Betrieb<br />

gegangen. Demgegenüber verschlangen<br />

allein die Geschütze und Betonarmierungen<br />

des Westwalls in den letzten Vorkriegsjahren<br />

fünf Prozent der Stahlproduktion des <strong>Deutsche</strong>n<br />

Reiches.<br />

Rein zahlenmäßig war der Triebfahrzeugbestand<br />

im Jahr der großen, formal noch<br />

friedlichen Expansion 1938 erheblich an -<br />

gewachsen. In Österreich hatte man 1.865<br />

normalspurige und 54 schmalspurige<br />

Dampflokomotiven und -triebwagen sowie<br />

Viele Loks kamen 1938/39<br />

zur <strong>Reichsbahn</strong>; doch die<br />

meisten waren überaltert<br />

Nichts scheint die Eisenbahnidylle vom Juni <strong>1939</strong> stören zu<br />

können, als 98 1035 ihren Personenzug von Immenstadt nach<br />

Sonthofen im Allgäu bringt. Doch es ist eine Idylle auf Zeit –<br />

und, bedingt durch die finanzielle Auszehrung der <strong>Reichsbahn</strong>,<br />

bald auch eine auf Pump RVM/Slg. Eisenbahnstiftung<br />

Die Übernahme der Localbahn AG hat der <strong>Reichsbahn</strong> 1937/38<br />

verschiedene Fahrzeugexoten verschafft. Am 8. Juni <strong>1939</strong><br />

begegnen sich ET 185 01 (links) und ET 184 41 im Bahnhof Tettnang<br />

Carl Bellingrodt/Slg. Helmut Brinker<br />

225 normalspurige und 16 schmalspurige Elloks<br />

übernommen, in der Tschechoslowakei<br />

877 Dampflokomotiven und 136 Motortriebwagen.<br />

Indes: Diese Bestände waren überaltert!<br />

Die Baujahre der vormaligen BBÖ-Lokomotiven<br />

reichten zurück bis 1869, dieje -<br />

nigen der vormaligen SD-Loks bis 1882. Die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> konnte keineswegs von den<br />

Übernahmen profitieren, sondern musste<br />

ganz im Gegenteil sogleich Triebfahrzeuge,<br />

Wagen und Signaltechnik in die annektier -<br />

ten Gebiete abgeben. Die im übernommenen<br />

Österreich tätige Wiener Lokomotivfabrik<br />

Floridsdorf baute Lokomotiven großenteils<br />

für den Bedarf der heimischen „Ostmark“.<br />

Brennpunkt elektrischer Betrieb<br />

Unter verschiedenen Aspekten war die elektrische<br />

Zugförderung eine Alternative. Bei<br />

anhaltender Überbeanspruchung der Kohleförderung<br />

von Ruhr, Saar und Oberschlesien<br />

bot die beispielsweise in Thüringen und insbesondere<br />

in den österreichischen Alpen erschließbare<br />

Wasserkraft eine nicht zu unterschätzende<br />

Energiereserve. Doch konn ten<br />

die Streckenelektrifizierung und die Beschaffung<br />

elektrischer Triebfahrzeuge nicht<br />

mit der gewünschten Steigerung der modernen<br />

Traktion mithalten, zumal sie mit ihrem<br />

Bedarf an importpflichtigem Kupfer den Autarkiebestrebungen<br />

im Vorfeld einer kom-<br />

18<br />

Am 20. Mai <strong>1939</strong> steht der erste Bus der Verbindung nach München vor Berlin Anhalter Bahnhof<br />

zur Abfahrt bereit. Bald schon werden Kraftfahrzeuge vor allem Kriegszwecken dienen<br />

Slg. Dr. Brian Rampp


Schnellzuglok 01 105 wartet <strong>1939</strong> in Berlin Anhalter Bahnhof auf die Ausfahrt. Ende der 30er-<br />

Jahre werden die Einheitsmaschinen stark, teils übermäßig beansprucht Slg. Eisenbahnstiftung<br />

menden Kriegswirtschaft entgegenstanden.<br />

Der Übergang auf Aluminium gestaltete sich<br />

technisch schwierig. Immerhin gelang es<br />

<strong>1939</strong>, die in Großserie gelieferte, recht<br />

uni versell einsetzbare E 44 in einem Probeexemplar<br />

E 44 082 als „Heimstoffloko mo tive“<br />

auszuführen. Anstelle von 2.820 Kilogramm<br />

Kupfer und 280 Kilogramm Kup ferlegierung<br />

wurden 1.400 Kilogramm Alu minium oder<br />

125 Kilogramm Silumin verwendet, was abgesehen<br />

vom Rohstoffaspekt auch eine willkommene<br />

Gewichts einspa rung bedeutete.<br />

Die hier gewonnenen Erfahrungen erlaub -<br />

ten es später, die Mehrzwecklok ab E 44 126<br />

als „Kriegselektrolok“ mit Transformatorund<br />

Motorwicklungen aus Aluminium wei -<br />

ter zu beschaffen.<br />

Nach der Übernahme der elektrischen<br />

Strecken der Österreichischen Bundesbahnen<br />

(BBÖ) über den Arlberg und die Tauern<br />

sowie zum Brenner hinauf fehlten der<br />

<strong>Reichsbahn</strong> spürbar die dort notwendigen<br />

schweren Güterzugloks. In Zeiten öster -<br />

reichischer Selbstständigkeit hatte man sie<br />

während einer anhaltenden Wirtschaftskrise<br />

nicht benötigt. Nunmehr musste beschleu -<br />

nigt zu der nur in 18 Exemplaren vorhandenen<br />

sechsachsigen E 93 das stärkere und<br />

schnellere Nachfolgemodell E 94 entwickelt<br />

werden. Die Lieferung des ersten Exemplars<br />

war aber erst 1940 möglich. Der Verkehr auf<br />

der Brenner-Nordrampe hatte zwischenzeitlich<br />

eine hochpolitische Bedeutung erlangt.<br />

Mussolinis faschistisches Italien unterlag<br />

seit dem Angriff auf Abessinien (heute Äthiopien)<br />

einem internationalen Kohleembargo,<br />

das nur von Deutschland missachtet wurde.<br />

Unablässige Kohletransporte nach Süden<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 19


Hintergrund<br />

| BESTANDSAUFNAHME ZUR REICHS<strong>BAHN</strong><br />

Seit des Kaisers Zeiten teilte sich die Belegschaft der Eisenbahnen in Beamte, (wenige) Angestellte und Arbeiter auf. Einfache, aber anstrengende<br />

körperliche Tätigkeiten wie die Wagenreinigung (Foto) blieb den Arbeitern vorbehalten RVM/Slg. Helmut Brinker<br />

waren der Preis für die italienische Duldung<br />

des Österreich-Anschlusses.<br />

Es fehlte nicht an Ausbauvorschlägen für<br />

das elektrische Netz. Wünschenswert war<br />

die Elektrifizierung mindestens der steigungsreichen<br />

Strecke Salzburg – Wien über<br />

den vorläufigen Endpunkt Attnang-Puchheim<br />

hinaus. Das gleiche galt für die Diagonale<br />

Hagen – Siegen – Friedberg – Hanau –<br />

Aschaffenburg – Würzburg – Nürnberg –<br />

Regensburg – Passau – Wels – Linz; eine<br />

wichtige Strecke für die Abfuhr von Ruhrkohle<br />

in Richtung Süden und Südosten.<br />

Doch allen Verantwortlichen in Reichsverkehrsministerium<br />

und Generaldirektion der<br />

<strong>Reichsbahn</strong> war klar, dass Stahl und Kupfer<br />

und Arbeitskräfte hierfür in absehbarer Zeit<br />

nicht zu mobilisieren sein würden. Man hatte<br />

sich fürs Erste mit der wiederum politisch<br />

20<br />

gewollten Elektrifizierung der Strecke München<br />

– Berlin zu begnügen. Die <strong>1939</strong> und 1940<br />

gelieferten Probelokomotiven E 19 waren<br />

zwar Meisterwerke der Elektrotechnik und<br />

möglicherweise die schnellsten Triebfahrzeuge<br />

weltweit, doch war an eine Serienbeschaffung<br />

nicht zu denken. Noch fehlte auch<br />

der Fahrdraht auf dem für hohe Geschwindigkeiten<br />

in Betracht kommenden Flachlandabschnitt<br />

zwischen Halle/Leipzig und<br />

der Reichshauptstadt Berlin.<br />

Probleme im Schnellzugdienst<br />

In- und ausländische Fahrgäste konnten<br />

noch im Frühjahr <strong>1939</strong> über den weltweit beispiellosen<br />

Schnellverkehr mit Dieseltrieb -<br />

zügen staunen. Die <strong>Reichsbahn</strong> hatte ihn<br />

zum Sommerfahrplan 1936 aufgenommen,<br />

ergänzt durch die elektrische Verbindung<br />

Berchtesgaden – München – Stuttgart, den<br />

dampflokgeführten Henschel-Wegmann-<br />

Zug zwischen Berlin und Dresden sowie ein<br />

mit der Dampflok-Baureihe 05 gefahrenes<br />

Zugpaar zwischen Berlin und Hamburg. Die<br />

reichsweite Netzstruktur wurde sogar mit<br />

dem Fahrplanwechsel im Mai <strong>1939</strong> noch verdichtet.<br />

Zur Verfügung standen für die Triebwagen-Relationen<br />

der „Fliegende Hamburger“<br />

von 1932 und 13 Triebzüge der Bauart<br />

„Hamburg“ von 1935/36 (jeweils zweiteilig),<br />

weiterhin vier Triebzüge der Bauart „Leip-<br />

zig“ von 1936 sowie 14 Züge der Bauart Köln<br />

von 1938 (jeweils dreiteilig). Auch unter Berücksichtigung<br />

der Tatsache, dass das Pionierfahrzeug<br />

von 1932 und die Züge der Bauart<br />

„Leipzig“ eher Versuchscharakter hatten,<br />

war die betriebliche Basis für den zwischen<br />

Basel, Hamburg und Beuthen außerordent-


Außer den Eisenbahnen in den angeschlossenen Gebieten übernahm die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> Ende der 30er-Jahre auch verschiedene deutsche Privatbahnen.<br />

Von der Lübeck-Büchener Eisenbahn stammen Dampflok 17 307 und die<br />

Doppelstockwagen, die im April <strong>1939</strong> als P 605 bei Reinfeld unterwegs sind<br />

Carl Bellingrodt/Slg. Helmut Brinker, Slg. Gerhard (Bild unten rechts)<br />

BMAG-Anzeige von 1940 mit Loks der Zeit: 01.10 (o.)<br />

und Wehrmachts-Doppeldiesellok (u.) Slg. Oliver Strüber<br />

Moderne Güterzug-Elloks wie die E 93 sind bei der <strong>Reichsbahn</strong> <strong>1939</strong><br />

Mangelware (Foto in Geislingen). Die Nachfolgerin E 94 kommt erst 1940<br />

lich weit gespannten Dienst grenzwertig ausgelastet.<br />

Oftmals mussten Reparaturen in<br />

der Nacht ausgeführt werden.<br />

An der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit<br />

arbeiteten auch die Dampfschnellzuglokomotiven.<br />

Zwar war 1938 mit 241 Loko mo ti -<br />

ven der Baureihen 01/02 und 298 Exempla -<br />

ren der Baureihe 03 der beachtliche End -<br />

bestand an Einheitspazifikloks erreicht<br />

worden, doch war man im Betrieb nicht generell<br />

mit ihnen zufrieden. Vor schweren Zügen<br />

machte sich die geringe Verdampfungs -<br />

freude der Kessel mit ihren eigentlich zu<br />

kleinen Feuerbüchsen nachteilig bemerkbar.<br />

Zwar konnten erfahrene Personale mit viel<br />

Geschick ihre D-Züge pünktlich ans Ziel<br />

bringen, doch war der Preis oft eine Überstrapazierung<br />

des Kessels mit der Folge eines<br />

Reparatur be darfs. Vermehrte Schäden wa -<br />

Die Loks 01 10 , 03 10 und 06<br />

wurden <strong>1939</strong> geliefert –<br />

allesamt mit Problemen<br />

ren auch bedingt durch die immer häufigere<br />

Ausnutzung der Höchstgeschwin dig keit von<br />

120 und bei den späteren Serien 130 km/h,<br />

die bei der Konstruktion der Lokomotiven<br />

nicht als regelmäßige Belastung, sondern als<br />

Reserve gedacht war. <strong>1939</strong> wurden gleich<br />

drei neue dreizylindrige Schnellzugloks vorgestellt,<br />

die einer (aufgrund des Krieges dann<br />

um viele Jahre aufgeschobenen) Dauerbelastung<br />

mit sogar 140 km/h standhalten<br />

sollten, die Baureihen 01.10, 03.10 und 06. In<br />

Lauf- und Triebwerken hervorragend konstruiert,<br />

litten auch diese Bauarten unter den<br />

Problemen der von 01 und 03 unverändert<br />

übernommenen und im Falle der 06 lediglich<br />

vergrößerten Kessel. Das dadurch bedingte<br />

Leistungsdefizit sollte durch die Stromlinienverkleidung<br />

nach dem Vorbild der 05 aus<br />

dem Jahre 1935 ausgeglichen werden. Erst<br />

nach <strong>1939</strong> erkannte man, welche Fülle letztlich<br />

unbeherrschbarer Probleme damit verbunden<br />

war. Es kam zu Wärmestaus, Bau -<br />

teile oxidierten leichter, Undichtigkeiten an<br />

Armaturen ließen sich schwerer erken nen.<br />

Zudem wurden das Schmieren und die Reparatur<br />

von Bauteilen vielfach durch die<br />

Verkleidung behindert. Wie bei den Güterzug-<br />

und Personenzuglokomotiven musste<br />

auch im Bereich der Schnellzuglokomotiven<br />

der Länderbahnpark weiterhin schwer beansprucht<br />

werden. Es brauchte nach wie vor<br />

Hauptuntersuchungen der nun schon zwei<br />

bis drei Jahrzehnte alten Vierzylinderver-<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 21


Hintergrund<br />

| BESTANDSAUFNAHME ZUR REICHS<strong>BAHN</strong><br />

Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop am Anhalter Bahnhof in Berlin, <strong>1939</strong>.<br />

In verschiedenen Reisen trifft er Vorbereitungen für den geplanten Krieg Slg. Dr. Brian Rampp<br />

Die politische Lage<br />

Deutschland im Jahr <strong>1939</strong><br />

Beim Jahreswechsel 1938/39 konnten die<br />

deutschen „Volksgenossen“, wie die Nationalsozialisten<br />

die Bürger nannten, eine<br />

je nach Standpunkt sehr unterschiedliche<br />

Bilanz der Zeit seit dem Ende des Ersten<br />

Weltkrieges ziehen. Die Historiker zweifeln<br />

heute nicht daran, dass sich Hitler und sein<br />

Regime bei diesem Jahreswechsel mehrheitlich<br />

großer Beliebtheit erfreuten. Sie<br />

hätten eine freie und geheime Wahl nicht<br />

fürchten müssen. Die Weltwirtschaftskrise<br />

war nicht nur in Deutschland, sondern<br />

auch in den anderen europäischen Industrieländern<br />

und den USA überwunden;<br />

die Aufrüstung hatte speziell im Deut -<br />

schen Reich binnen we niger Jahre den<br />

Umschwung von der Massenarbeitslosigkeit<br />

zum Arbeitskräfte mangel bewirkt. Die<br />

fast im Monatstakt eröffneten neuen Autobahnabschnitte<br />

(das Gesamtnetz hatte am<br />

1. April <strong>1939</strong> eine Länge von 3.065 Kilometern)<br />

galten als Symbole des „Aufbauwerks<br />

des Führers“ – auch wenn bislang nur wenige<br />

Privatleute über Kraftfahrzeuge verfügten,<br />

die eigene Fahrt auf der modernen<br />

Betonfahrbahn also noch weit entfernt lag.<br />

Einstweilen erfüllte man ratenweise den<br />

Sparplan zum Erwerb eines „Kraft-durch-<br />

Freude-Wagens“, der jedoch Jahre später<br />

in militärischer Ausführung an die Wehrmacht<br />

gehen sollte. Dass übrigens die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> maßgeblich für den Autobahnbau<br />

herangezogen wurde (und sich auch<br />

heranziehen ließ), ist eine der vielen paradoxen<br />

Situationen des „Dritten Reichs“.<br />

Das NS-Regime und Europa<br />

Außenpolitisch schien Hitler geradezu<br />

ein Patentrezept des „Blumenfeldzugs“<br />

ent wickelt zu haben. Im März 1938 hatte<br />

er Österreich und nach einem die ganze<br />

22<br />

Welt beängstigenden Säbelrasseln im<br />

Oktober 1938 auch die deutschsprachigen<br />

Randgebiete der Tschechoslowakei,<br />

geographisch ungenau als „Sudetenland“<br />

bezeichnet, ohne einen Schuss Pulver<br />

„heim ins Reich“ geführt.<br />

Stetig verschlimmerte Judenverfolgung<br />

Schwelgendes Pathos und aufgesetzte<br />

Heiterkeit der Zeitungen, des Rundfunks<br />

und der Kinowochenschauen feierten<br />

die Expansion – politische Gegner und<br />

insbesondere Juden in den angeschlossenen<br />

Gebieten hatten keinen Grund zum<br />

Jubeln. Vielmehr machten die Nazis Wien<br />

und die anderen Großstädte der „Ost -<br />

mark“ mit besonderer Entschlossenheit<br />

zu Experimentierfeldern für Demütigung,<br />

Enteignung und Vertreibung der jüdischen<br />

Bevölkerung. Mit der Pogromnacht des<br />

9. November 1938 hatte auch im „Altreich“<br />

die Verfolgung der Juden eine neue Dimension<br />

erreicht. Es begann eine ganze<br />

Serie von schweren Gewalttaten, Verhaftungen,<br />

erpressten Übergaben von Fir -<br />

men, Geschäften und Häusern sowie von<br />

diskriminierenden Rechtsvorschriften.<br />

Selbst wenn nur ein kleiner Teil der christlich<br />

getauften <strong>Deutsche</strong>n Solidarität mit<br />

ihren jüdischen Nachbarn empfand oder<br />

gar diskret zeigte, ist doch ein Unbehagen<br />

über einen Terror über liefert, den man mit<br />

den Brutalitäten der „Macht ergreifung“<br />

1933 überwunden glaubte. „Ordnung“<br />

anstelle der befremdlichen Unruhe zwischen<br />

Novemberrevolution 1919 und Weltwirtschaftskrise<br />

1929 bzw. danach hatte<br />

ja zu den großen Versprechungen der<br />

neuen Machthaber gehört. Der Terror, der<br />

sich am Vorabend des Krieges zeigte,<br />

sollte zudem bald noch weiter steigen.<br />

In der <strong>Reichsbahn</strong>zeit ist der Personenzug für<br />

den Großteil der Bevölkerung das Verkehrs -<br />

mittel für Reisen; Schnellzüge sind zu teuer<br />

und Automobile können sich nur einige Wohl -<br />

habende leisten. Ein Bauer hat in der 3. Wagen -<br />

klasse Platz genommen Slg. Dr. Brian Rampp<br />

bundtypen öst. 310 (DRB-Baureihe 16 0 ),<br />

pr. S 10 1 (DRB 17 10 ) und bay. S 3/6 (DRB 18 4-5 );<br />

das forderte nun schon oft einen kaum mehr<br />

vertretbaren Aufwand.<br />

Eisenbahner im Jahr <strong>1939</strong><br />

Der Personalbestand der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong><br />

hatte seit ihrer Gründung 1920 extreme<br />

Schwankungen erlebt. Mit dem billigen Geld<br />

der Inflationszeit beschäftigte sie zeitweise<br />

mehr als eine Million Männer (und wenige<br />

Frauen). Die letztlich überhöhte Zahl von<br />

Eisenbahnern resultierte auch daraus, dass<br />

die aus den abgetretenen Gebieten über -<br />

gesiedelten Beamten und viele nach dem verlorenen<br />

Krieg entlassene Offiziere und Unteroffiziere<br />

einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung<br />

geltend machen konnten.


Insbesondere für kriegstaugliche Kraftwagen entstand in Wolfsburg das Volkswagenwerk, vor dem 91 1044 im Jahr <strong>1939</strong><br />

Güterwagen rangiert. Längst ist auch die <strong>Reichsbahn</strong> in die Aufrüstung und Kriegsvorbereitung einbezogen<br />

Walter Hollnagel/Slg. Eisenbahnstiftung<br />

Fünf von insgesamt 958.000 Beschäftigten der <strong>Reichsbahn</strong> <strong>1939</strong>: ein Schrankenwärter in<br />

Oberbayern (links) und Eisenbahner auf einem modernen elektrischen Stellwerk (rechts)<br />

RVM/Slg. Oliver Strüber (links), RVM/Slg. Helmut Brinker (rechts)<br />

Andererseits war die <strong>Reichsbahn</strong> spätestens<br />

ab 1924 zu größter Sparsamkeit verpflichtet,<br />

denn sie sollte Gewinne an die Reparationsgläubiger<br />

abführen. Das trug nach der Währungsstabilisierung<br />

Ende 1923 genauso zur<br />

schnellen Personalminderung bei wie die<br />

deutliche Straffung des Betriebes durch laufende<br />

Modernisierung. Allein die Einfüh -<br />

rung der durchgehenden Druckluftbremse<br />

bei den Güterzügen setzte viele tausend<br />

Bremser frei, die zuvor an den Kurbeln der<br />

Handbremsen gearbeitet hatten. Die Umstellung<br />

des Erhaltungswesens auf betriebswirtschaftlich<br />

optimierte <strong>Reichsbahn</strong>-Ausbesse-<br />

rungswerke und die Ausmusterung überalterter<br />

Länderbahndampfloks taten ebenfalls<br />

ihre Wirkung.<br />

Die dadurch bedingte Absenkung des Personalbestandes<br />

ging nahtlos über in die Verminderung<br />

wegen der Verkehrsrückgänge in<br />

der Weltwirtschaftskrise. Hatten 1928 noch<br />

700.663 Eisenbahner Dienst getan, so waren<br />

es am Ende des letzten Jahres der Weimarer<br />

Republik 1932 nur noch 600.595. Beamte<br />

hatte man nicht entlassen können, sondern<br />

beschäftigte sie – mit verminderten Bezügen<br />

– weiter. Doch die Einstellung von Nachwuchskräften<br />

wurde fast völlig beendet. Weil<br />

dies auch für alle anderen Bereiche der staatlichen<br />

Verwaltung galt, waren die beruflichen<br />

Perspektiven für technisch interessierte und<br />

begabte Abiturienten mit der Absicht eines<br />

Ingenieurstudiums genauso düster wie für<br />

einen maschinenbegeisterten Volksschulabsolventen,<br />

der vom Lokführerberuf träumte.<br />

Entlassungen und Neueinstellungen<br />

Mit aller Härte traf die Personalverminderung<br />

die Arbeiter, die üblichem gesetzlichem<br />

Kündigungsrecht unterlagen und wegen<br />

des konjunkturbedingten Niedergangs der<br />

Gleiserneuerung, der Streckenelektrifizierung<br />

und der Fahrzeugausbesserung entlassen<br />

wurden.<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 23


Hintergrund<br />

| BESTANDSAUFNAHME ZUR REICHS<strong>BAHN</strong><br />

Seit Ende der 20er-Jahre gab es bei den Dampflokomotiven der <strong>Reichsbahn</strong> für den Personenzugverkehr einen eklatanten Fehlbestand.<br />

Nicht verwunderlich, beschränkte sich die Neubeschaffung doch auf ganze 15 Einheitsloks der Baureihe 62. Im März <strong>1939</strong> befährt 62 002<br />

mit P 535 die Müngstener Brücke RVM/Slg. Eisenbahnstiftung<br />

Nach einem Tiefstand von 593.430 Eisenbahnern<br />

1933 stieg deren Zahl wieder kräftig<br />

an, auf im Jahresdurchschnitt:<br />

insgesamt davon Beamte<br />

1936 663.000 282.000<br />

1937 703.500 284.000<br />

1938 773.200 355.000<br />

(davon 55.000 ex BBÖ und 9.000 ex ČSD)<br />

<strong>1939</strong> 958.000 363.000<br />

1940 sollte dann die Millionengrenze wieder<br />

überschritten werden.<br />

Interessanterweise nahm die Gruppe der<br />

<strong>Reichsbahn</strong>beamten in den Wachstums -<br />

jahren des „Dritten Reiches“ nur geringfügig<br />

zu. Obwohl das nationalsozialistische Beamtenrecht<br />

besonders effektive Instrumente<br />

der politischen Disziplinierung bereithielt,<br />

deckte man den neuen Bedarf lieber mit Arbeitern<br />

ab, deren Löhne unter den Besoldungsgruppen<br />

der Beamten lagen. Nützlich<br />

in diesem Sinne war der Ausbildungsgang<br />

des „<strong>Reichsbahn</strong>-Junghelfers“ im Sinne<br />

einer verkürzten Lehre, die den Absolventen<br />

als Arbeiter zu unteren Beamtentätigkeiten<br />

im Bahnhofs- und Zugdienst ertüchtigte.<br />

Die schnelle Steigerung des Beamtenanteils<br />

1938/39 war mit der Übernahme der Dienststellen<br />

in den Annexionsgebieten zu erklä -<br />

ren, wo bei den volksdeutschen Eisen bah -<br />

24<br />

Der <strong>Reichsbahn</strong>-Fahrzeugbestand <strong>1939</strong><br />

Fahrzeugbestand Ende <strong>1939</strong><br />

Fahrzeugart Anzahl darunter Vergleichszahl für 1927<br />

Dampflokomotiven<br />

Schnellzugloks 1.233 542 Einheitsdampfloks, Bauart 2’C1‘ h2/h3<br />

Personenzugloks 3.699 2.680 preußische P 8<br />

Güterzugloks 9.740 2.351 preußische G 10<br />

Personenzugtenderloks 2.929 474 Einheitsloks, Baureihen 62 und 64<br />

Güterzugtenderloks 5.443 377 Einheitsloks für Nebenbahnen, Baureihe 86<br />

Zahnradloks 32 21 österreichische Loks für den Erzberg<br />

Lokalbahnloks 458 allesamt bayer., österr. und tschech. Loks mit<br />

Achsfahrmasse unter 13 Tonnen<br />

Gesamtzahl Dampfloks 23.826 24.839<br />

Elektrische Lokomotiven 846 18 Schmalspurloks für die Mariazeller Bahn 316<br />

Dieselloks 2 4<br />

Kleinloks mit Akkumulatorantrieb 47 –<br />

Kleinloks mit Dieselantrieb 1.010 –<br />

Kleinloks mit Benzolantrieb 154 –<br />

Elektr. Oberleitungstriebwagen 1.294 –<br />

Elektr. Stromschienentriebwagen 945 allesamt für S-Bahn Berlin<br />

Dampftriebwagen 22<br />

Elektr. Akkumulatortriebwagen 180<br />

Verbrennungsmotortriebwagen 778 14 österr. Schmalspurtriebwagen<br />

Gesamtzahl Triebwagen 3.219 583<br />

Personenwagen 67.356 1.106 Schmalspur 61.764<br />

Schlafwagen 103<br />

Gepäckwagen 21.636 228 Schmalspur 21.002<br />

Gefangenenwagen 62<br />

Gedeckte Güterwagen 230.434 963 Schmalspur 226.551<br />

Offene Güterwagen 401.740 4.113 Schmalspur 436.915<br />

Dienstgüter-/Bahndienstwagen 22.131 1.165 Schmalspur 10.831


Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Posen dem neu bzw. wieder geschaffenen Polen zuge -<br />

schlagen. Am 10. September <strong>1939</strong> von der Wehrmacht eingenommen, hat der hiesige Bahnhof<br />

im Oktober bereits deutsche Beschilderung erhalten; er gehört nun zur <strong>Reichsbahn</strong> Slg. Dr. Rampp<br />

nern eine für den Beamtenstatus ausreichende<br />

„nationale Loyalität“ vorausgesetzt<br />

werden konnte und bei denen vielfach auch<br />

die Tätigkeit einer Beamtenfunktion entsprach.<br />

Selbstverständlich setzte das Regime bei<br />

der Übernahme von Arbeitskräften für den<br />

öffentlichen Dienst in den Expansionsgebieten<br />

mit besonderer Konsequenz seine Kriterien<br />

der Ausgrenzung durch. Im „Altreich“<br />

waren schon 1933 fast alle Juden entlassen<br />

und seitdem auch die wenigen, insbesondere<br />

wegen ihres Kriegsdienstes 1914–18 noch geschützten<br />

Beamten jüdischen Glaubens in<br />

den zwangsweisen Ruhestand gedrängt worden.<br />

1938/39 wurden dann keine Juden mehr<br />

Mit P 4129 überquert 78 161 am 4. Juni <strong>1939</strong> bei Behringersdorf<br />

die Reichsautobahn. Auch am Bau der (für Militärzwecke gedachten)<br />

Fernstraßen ist die <strong>Reichsbahn</strong> beteiligt Carl Bellingrodt/Slg. Helmut Brinker<br />

übernommen. Ebenfalls ausgeschlossen<br />

waren Wortführer des christlich-ständestaatlichen<br />

Systems, das in Österreich 1934–38<br />

geherrscht hatte, weiterhin Sozialdemokraten,<br />

Kommunisten und Männer, die eine<br />

Loyalität gegenüber der Tschechoslowakei<br />

bzw. Polen hatten erkennen lassen.<br />

Zweiteilung der Belegschaft<br />

Die traditionelle Zweiteilung das Personalkörpers<br />

in Beamte und Arbeiter schon aus<br />

Kaisers Zeiten blieb über Weimarer Repub -<br />

lik und Nazizeit hinweg bis nach 1945 unberührt<br />

(und zwar bis zur Bahnprivatisierung<br />

1994). Die auf Lebenszeit ernannten Beam -<br />

ten bildeten in den Laufbahngruppen des einfachen,<br />

mittleren, gehobenen und (akademisch<br />

gebildeten) höheren Dienstes den<br />

fachlich kompetenten Kernbereich des hierarchischen<br />

Apparats. Die je nach Bedarf als<br />

Junghelfer vereinfacht oder als Handwerker<br />

voll ausgebildeten Arbeiter erfüllten bei der<br />

<strong>Reichsbahn</strong> die Massenaufgaben – eine<br />

durchgängige Mechanisierung technischer<br />

Vorgänge gab es noch nicht. Arbeiter waren<br />

tätig im Gleisbau, in der Betreuung der<br />

Trie bfahrzeuge in den Betriebswerken, in<br />

der Fahrzeugreparatur in den Ausbesserungswerken<br />

oder auch in der Reinigung<br />

von Fahrzeugen und Anlagen. Dabei gab<br />

es Überschneidungen zwischen Beamtenund<br />

Arbeiterfunktionen, beispielsweise im<br />

Schrankenwärter- oder Lokheizerdienst. Die<br />

für die Übernahme ins Beamtenverhältnis<br />

vorgesehenen Arbeiter galten als „Hilfs -<br />

beamte“.<br />

<strong>1939</strong> noch nicht relevant war im Bahndienst<br />

der Anteil der Frauen, die etwa im<br />

Schalterdienst oder in der behördlichen<br />

Schreibarbeit die bei der Bahn stets klein gebliebene<br />

Fraktion der Angestellten verstärkten.<br />

Und es gab noch keine Zwangsarbeiter,<br />

die aus halb Europa nach Deutschland verschleppt<br />

wurden. Das sollte sich jedoch mit<br />

dem im September <strong>1939</strong> angefangenen Krieg<br />

bald ändern.<br />

Ohnehin stellte Hitlers Expansionspolitik<br />

in der Folge an die <strong>Reichsbahn</strong> kaum mehr<br />

zu bewältigende Anforderungen. In dem<br />

Maße, in dem ab Herbst <strong>1939</strong> das <strong>Reichsbahn</strong>-Einflussgebiet<br />

wuchs, verschärften<br />

sich auch die vorher schon bestehenden<br />

strukturellen Probleme und Mängel. Und es<br />

sollte nur eine Frage der Zeit sein, bis aus<br />

dem strategischen Transportmittel Eisen -<br />

bahn ein strategisches Ziel der Gegner werden<br />

würde. So, wie es die Wehrmacht beim<br />

Überfall auf Polen bereits mit dem dortigen<br />

Eisenbahnwesen praktiziert hatte.<br />

Andreas Knipping/GM<br />

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<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 25<br />

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Karte | DEUTSCHLAND 1938/39<br />

26


Expansion<br />

nach Süden und Osten<br />

Die geopolitische Entwicklung<br />

im Überblick: die Grenzen<br />

des <strong>Deutsche</strong>n Reiches und<br />

ihre Veränderungen von<br />

Frühjahr 1938 bis Ende <strong>1939</strong><br />

Basis: Mitropa-Kursbuch vom Sommer <strong>1939</strong>;<br />

Übersichtskarte der Fernverbindungen durch Europa<br />

Die Farben verteilen sich wie folgt:<br />

Grenzen des <strong>Deutsche</strong>n Reiches bis März 1938<br />

Grenzen des Freistaats Danzig bis August <strong>1939</strong><br />

Grenze nach dem Anschluss Österreichs<br />

im März 1938<br />

Grenze nach dem Anschluss des Sudetenlandes<br />

im Oktober 1938<br />

Grenze zwischen dem Protektorat Böhmen<br />

und Mähren und der Slowakei ab März <strong>1939</strong><br />

Nordgrenze Ostpreußens nach dem Anschluss<br />

des Memellands im März <strong>1939</strong><br />

deutsche Ostgrenze in Polen ab Oktober <strong>1939</strong><br />

Ostgrenze des Generalgouvernements<br />

ab Oktober <strong>1939</strong><br />

Karte: Slg. Andreas Knipping/Bearbeitung: Anneli Nau<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 27


Fahrzeuge | DIE BAUREIHEN 06 UND 50<br />

Größer, schwerer, schlechter: Die Schnellzuglok 06<br />

beeindruckte zwar durch ihre Dimensionen,<br />

erwies sich jedoch als Fehlkonstruktion. Im Regelbetrieb<br />

wurde sie kaum eingesetzt<br />

Hermann Maey/Slg. Dr. Daniel Hörnemann<br />

Kontraste<br />

im Dampflokbau<br />

28<br />

Mit der Schnellzuglok 06 und<br />

der Güterzuglok 50 wurden<br />

<strong>1939</strong> zwei völlig gegensätzliche<br />

Dampfloktypen an die <strong>Reichsbahn</strong><br />

ausgeliefert. Das gilt auch für<br />

den Betriebseinsatz: Die eine Lok<br />

blieb ein glückloser Gigant,<br />

die andere entwickelte sich zum<br />

Jahrhunderterfolg<br />

Der Zustrom neuer Dampflokomotivgattungen zur Reichs -<br />

bahn war in den 30er-Jahren bescheidener, als man es aufgrund<br />

der großzügigen Typenprogramme aus der Frühzeit<br />

der Einheitsloks hätte erwarten können. Von neuen Personenzugloks<br />

mit den Achsfolgen 2’C und 1’D1‘ (drei bzw. vier Kuppelachsen) war<br />

keine Rede mehr, auch nicht von einer schweren Tenderlok mit der<br />

Achsfolge 1’D1’. Anstelle der geplanten 1’C- und 1’D-Güterzugloks<br />

erschienen 1936/37 die 1’D1‘-Eilgüterzuglok 41 und die mit ihr eng<br />

verwandte, um einen Treibradsatz und einen Zylinder größere 45.<br />

<strong>1939</strong> folgten dann zwei Dampfloktypen, die jede auf ihre Art Geschichte<br />

schreiben sollten: die Schnell zuglok der Baureihe 06 und<br />

die Güterzuglok der Baureihe 50.<br />

Baureihe 06: die größte deutsche Schnellzuglok<br />

Schon seit ihrer Gründung fehlte der <strong>Reichsbahn</strong> eine vollwertige<br />

Schnellzugdampflok mit vier Kuppelachsen. Die sächsische XX HV<br />

(<strong>Reichsbahn</strong>-Baureihe 19 0 ) war zu kompliziert, die preußische P 10<br />

(<strong>Reichsbahn</strong>-Baureihe 39 0 ) litt unter zu kleinen Kuppelrädern und<br />

einem missglückten Stehkessel; beide Loktypen konnten vor schwe-


en Schnellzügen im Mittelgebirge nicht<br />

gänzlich befriedigen. Deshalb sollte zur Entlastung<br />

der immer wieder überforderten<br />

Loks mit drei Kuppelachsen (vor allem den<br />

Einheitsloks 01 und 03) endlich eine schwere<br />

Schnell zuglok entstehen. In dem Zusammenhang<br />

hätte eigentlich die Bemühung um<br />

einen besonders leistungsfähigen Kessel<br />

selbstverständlich sein müssen. Stattdessen<br />

verlängerte man den längst an die Grenzen<br />

von Verdampfungsfreude und vertretbaren<br />

Reparaturkosten gelangten Kessel der 01<br />

von der Rohrlänge 6.800 auf neu 7.500 Milli-<br />

Werbeanzeige der Firma Krupp für die 06<br />

aus dem Jahr <strong>1939</strong>; bald wurde es aber<br />

schon still um die Lok Slg. Oliver Strüber<br />

Jahre hatten gezeigt, dass der Eigenwiderstand<br />

einer vierachsigen Antriebseinheit im<br />

starren Rahmen insbesondere im Gleis -<br />

bogen einen erheblichen Teil der Lokomotivleistung<br />

aufzehrt. Mit jeder Vergrößerung des<br />

Raddurchmessers verlängerte sich auch<br />

zwangsläufig diese Antriebseinheit – bei der<br />

06 mit ihren vier Kuppelachsen betrug er<br />

6.750 Millimeter.<br />

Keinen Gedanken verschwendeten die<br />

Konstrukteure an eine Längen- und Gewichtseinsparung<br />

mit einem vorlaufenden<br />

Krauss-Helmholtz-Gestell und demgemäß<br />

meter – ohne dabei die Feuerbüchse angemessen zu vergrößern. Die<br />

Kohlemenge, die für eine der Kesselgröße entsprechende Verdampfungsleistung<br />

notwendig gewesen wäre, hätte jeden Heizer geradezu<br />

planmäßig überfordert. Problematisch war auch die Übernahme des<br />

Treibraddurchmesser 2.000 Millimeter von den Konstruktionen mit<br />

drei Kuppelachsen. Die Lokomotiverprobungen der 20er- und 30ernur<br />

einer Laufachse. Die Ma schine erhielt Drehgestelle vorne und<br />

hinten; zusammen mit dem fünfachsigen Tender präsentierte sie<br />

sich so als 223 Tonnen schwerer, 26.520 Millimeter langer Gigant.<br />

Nach dem Vorbild der Versuchslok 05 erhielt die derart ent -<br />

standene 06 eine Stromlinienverkleidung. Für eine Höchstgeschwindigkeit<br />

von 140 km/h und einen im Mittelgebirge zu erwartenden<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 29


Fahrzeuge | DIE BAUREIHEN 06 UND 50<br />

Die Güterzuglok der Baureihe 50 wurde eine der<br />

besten Einheitsdampfloks; in großer Stückzahl gebaut,<br />

blieb sie Jahrzehnte lang im Dienst. Im Bild Lok 50 291, die<br />

<strong>1939</strong> bei der Wiener Lokomotivenfabrik entstand<br />

Carl Bellingrodt/Slg. Dirk Winkler<br />

Einsatz hauptsächlich mit 90 bis 120 km/h versprach diese teure, für<br />

den Betrieb schwierige Sonderausrüstung allerdings kaum Vorteile.<br />

Lediglich das dreizylindrige Triebwerk fand in der Fachwelt Anerkennung.<br />

Vermutlich ahnten Bahnverwaltung und Herstellerwerk<br />

Krupp schon während des Baus der beiden Musterexemplare, dass<br />

man mit ihnen wenig Freude haben würde. Die Herstellung zog<br />

sich von 1936 bis <strong>1939</strong> hin.<br />

Die systematische Erprobung durch das Versuchsamt Grunewald<br />

und der Regelbetrieb zwischen Frankfurt (Main) und Würzburg bzw.<br />

Erfurt entlarvte die größte deutsche Schnellzuglok als Fehlkonstruktion.<br />

Irgendwelche Vorteile gegenüber den viel kleineren Maschinen<br />

der Baureihen 01, 03 oder 39 bot sie nicht. Bei Kriegsende waren<br />

beide Exemplare abgestellt. Die DB ließ zwar noch eine Skizze zur<br />

Reaktivierung mit zeit gemäßen Neubaukesseln mit Verbrennungskammer<br />

fertigen, verzichtete aber auf die Verwirklichung und gab<br />

die beiden Maschinen 1951 zur Verschrottung frei – mit gerade einmal<br />

zwölf Jahren Dienstalter.<br />

Baureihe 50: Güterzuglok für Krieg und Frieden<br />

Ganz anders sollte es sich bei der zweiten, <strong>1939</strong> ausgelieferten Maschine<br />

verhalten. Sie wurde von der <strong>Reichsbahn</strong> auch sehnlich erwartet,<br />

denn noch immer war die Standardgüterzuglok für Strecken<br />

30<br />

mit schwächerem Oberbau die preußische G 10 (<strong>Reichsbahn</strong>-Baureihe<br />

57 10 ). Ende 1935 liefen davon nicht weniger als 2.352 Exemplare.<br />

Die mit 60 km/h bescheidene Höchstgeschwindigkeit konnte bei<br />

der von der <strong>Reichsbahn</strong> mit Nachdruck betriebenen Beschleunigung<br />

des Güterverkehrs nicht mehr genügen. Schon die Massenbeschaffung<br />

von Dieselkleinloks, die Nachrüstung der preußischen G 8 1 mit<br />

Die große Feuerbüchse machte die<br />

Baureihe 50 kriegstauglich – und auch<br />

im Frieden vielseitig verwendbar<br />

einer Laufachse (Umbau von 55 25 auf 56 2 ), die Neukonstruk tion der<br />

41 mit 90 km/h und der Übergang zu neuen Güterwagen typen mit<br />

weitem Achsstand hatten diesem Ziel gedient.<br />

Ein weiterer Schritt war nun die Fertigung einer „Ersatz-G 10“;<br />

sie sollte mit Vorlaufachse dieselben 80 km/h gewährleisten, die<br />

schon die 1937 in Serie gegangene Baureihe 44 auf Strecken mit<br />

20 Tonnen Achsfahrmasse erreichte. Zunächst dachte man an eine<br />

Lok der Achsfolge 1’D, doch die besaß man eigentlich mit der 56 20<br />

(pr. G 8 2 ) schon in ausreichender Zahl. Nur ein Fünfkuppler würde<br />

das nötige Reibungsgewicht garantieren. Mit dem vorderen Krauss-<br />

Helmholtz-Gestell und dem Kuppelraddurchmesser 1.400 Millimeter


zeigte die 50 einige Verwandtschaft mit der<br />

44. Der Tender kam für die leichtere Lok mit<br />

26 statt 34 Kubikmeter Wasser aus. Damit<br />

ließ er sich auch niedrig genug halten, um<br />

ihn aus provinziellen Wasserkränen älterer<br />

Bauart speisen zu können.<br />

Ein letztlich politischer Gedanke wurde<br />

für die konstruktive Ausgestaltung der 50<br />

maßgebend: Um auch minderwertige Kohle<br />

verwenden zu können, sollte die neue Güterzuglok<br />

endlich eine großzügig bemessene<br />

Feuerbüchse erhalten – wie sie schon allen<br />

Einheitsloks von der 01 beginnend gut getan<br />

hätte. Kurzfristig mochte man annehmen,<br />

Etliche Firmen waren an der Fertigung der<br />

Baureihe 50 beteiligt, unter anderem auch<br />

Schichau in Elbing Slg. Oliver Strüber<br />

dass mit den schlechteren Brennstoffen die<br />

in den soeben übernommenen österreichischen und sudetendeutschen<br />

Betriebswerken übliche Kohle aus der zerschlagenen Tschechoslowakei<br />

gemeint sei. Kritischere Beobachter erkannten jedoch<br />

in der neuen 50 bereits die Lokomotive für den baldigen Polen- und<br />

späteren Russlandfeldzug.<br />

Betrieblich war die neue Güterzuglok vom ersten Tage an ein<br />

voller Erfolg. Niemand hat ihr die Qualifikation als eine der besten<br />

Einheitsloks abgesprochen. Unter Kriegsund<br />

Nachkriegsbedingungen war sie vor Gü -<br />

terzügen, Personenzügen und Militärtransporten,<br />

vor Schnellzügen auf steigungsreichen<br />

Strecken sowie auf längeren Nebenbahnen<br />

und im schweren Rangierdienst<br />

universell einsetzbar. Insgesamt 3.141 Exemplare<br />

wurden von der Baureihe 50 für die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> gebaut, Lieferungen an andere<br />

Verwaltungen und Nachbauten noch nicht<br />

einmal eingerechnet! Sie diente zudem als<br />

Basis für zahlreiche Versuche und Umbau -<br />

ten, um die Dampflok technisch weiter zu<br />

verbessern.<br />

Noch im Zweiten Weltkrieg wurde aus der<br />

50 die Kriegslok 52 abgeleitet, die in ihrer Stückzahl selbst die Vorgängerin<br />

übertraf. Die Grund konstruktion brachte es damit auf mehr<br />

als 10.000 Exemplare. Damit gehört die Familie 50/52 zu den meistgebauten<br />

Lokomotiven der Welt. Und nicht nur das: Die für den<br />

Krieg konzipierte Dampflok sollte in den Friedenszeiten danach<br />

noch Jahrzehnte lang im Dienst bleiben – im Osten ebenso wie im<br />

Westen des Kontinents. Andreas Knipping<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 31


Fahrzeuge | DIE BAUREIHE E 19<br />

Schnellfahrer<br />

ohne Einsatzbereich<br />

Auch für den elektrischen Betrieb erhielt die <strong>Reichsbahn</strong> <strong>1939</strong> neue<br />

Lokomotiven. Die aus der E 18 abgeleitete E 19 erreichte 180 km/h<br />

und war für den hochwertigen Reisezugverkehr München – Berlin<br />

vorgesehen. Mit dem Krieg änderte sich die Situation schlagartig<br />

32


Feierstunde an der Frankenwaldbahn: E 19 02 führt am 10. Mai <strong>1939</strong> den<br />

Eröffnungszug für den elektrischen Betrieb Slg. Dr. Brian Rampp<br />

Dafür ist die neue Ellok vorgesehen: hochwertige<br />

Fernreisezüge, insbesondere zwischen München und<br />

Berlin. Am 2. Juni <strong>1939</strong> hat E 19 02 den Fernschnellzug<br />

FD 79 München – Berlin übernommen, im Bild bei<br />

Stockheim in Oberfranken. Erst drei Wochen zuvor<br />

hat die <strong>Reichsbahn</strong> den elektrischen Betrieb zwischen<br />

Nürnberg und Saalfeld eröffnet Carl Bellingrodt/Slg. Dirk Winkler<br />

Mit der geplanten Elektrifizierung der Strecke München –<br />

Nürnberg – Halle/Leipzig – Berlin wollte die <strong>Reichsbahn</strong><br />

den hochwertigen Reisezugdienst modernen elektrischen<br />

Lokomotiven übertragen. Ausgehend von den Erfahrungen mit den<br />

Lokomotiven der Baureihe E 18 leitete man aus ihrer Konstruktion<br />

eine neue Lokomotive ab, für die eine Höchstgeschwindigkeit von<br />

180 km/h vorgesehen war.<br />

Von der E 18 zur Schnellfahrlok<br />

Bereits ab 1935 hatte die <strong>Reichsbahn</strong> die E 18 in größerer Stückzahl<br />

für den anspruchsvollen Schnellzugdienst auf allen wichtigen Fernstrecken<br />

Mittel- und Süddeutschlands sowie auf den schlesischen<br />

Strecken beschafft. Für die Beförderung der künftigen FD-Züge<br />

München – Berlin sollte nun eine weitere Schnellzugmaschine<br />

bestellt werden. Die <strong>Reichsbahn</strong> forderte für den anspruchsvollen<br />

Dienst eine Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h sowie eine Geschwindigkeit<br />

von 60 km/h auf den Rampen der Frankenwaldbahn<br />

– Vorgaben, welche die E 18 nicht mehr erfüllen konnte. Die höchste<br />

zulässige Geschwindigkeit der neuen Lok wurde auf 220 km/h festgesetzt,<br />

um im Bedarfsfall auf neu elektrifizierten Strecken mit entsprechendem<br />

Oberbau und Linienführung Züge mit dieser Geschwindigkeit<br />

fördern zu können. Aus dem Leistungsprogramm der<br />

E 18 abgeleitet, jedoch mit höheren Anforderungen für Spitzengeschwindigkeit<br />

und Zugkraft entwarfen und bauten die AEG sowie<br />

Siemens/Henschel die E 19.<br />

Anfang <strong>1939</strong> wurde E 19 01, die 5.000. Lokomotive der AEG, an die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> geliefert. Ihr folgte noch die E 19 02. Die E 19 0 von AEG<br />

glich in den Abmessungen der E 18 vollständig, nur die Laufräder<br />

waren größer ausgeführt worden. Der Fahrmotor wurde neu konstruiert,<br />

generell jedoch der Federtopfantrieb beibehalten. Zur Gewichtsreduzierung<br />

wurde der geschweißte Rahmen dünner als bei<br />

der E 18 ausgeführt, Teile des Wagenkastens und Anbauteile führte<br />

man in Aluminium aus. Der Haupttransformator wurde von der E 18<br />

abgeleitet, das Schaltwerk neu entwickelt. Äußerliche Unterschiede<br />

zur Baureihe E 18 sind vor allem in den geänderten Lüfter- und Fensteranordnungen<br />

zu erkennen.<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 33


Fahrzeuge | DIE BAUREIHE E 19<br />

Die Siemens-Schuckert-<br />

Werke reihten die Fahrzeugneuheit<br />

auch in die Firmentradition<br />

ein. Werbeanzeige<br />

vom November <strong>1939</strong> mit<br />

der weltweit ersten Ellok<br />

von 1879 und einer E 19<br />

Slg. Oliver Strüber<br />

Blick auf das Gestell aus Laufachse und Treibachse mit aufgesetztem Doppelmotor, wie es bei E 19 11 und E 19 12<br />

verwendet wurde. Diese beiden Lokomotiven entstanden bei Henschel und SSW Slg. Dirk Winkler<br />

Zu Vergleichen hatte die SSW den Auftrag erhalten, ebenfalls<br />

zwei Maschinen dieser Baureihe zu entwickeln. Die zusammen mit<br />

Henschel gebauten E 19 11 und 12 (E 19 1 ) besaßen entgegen den<br />

AEG-Loks der E 18/E 19 vier Doppelmotoren des Typs WBDM 265;<br />

diese schlossen mit den Bodenblechen des Rahmens ab, so dass im<br />

Maschinenraum mehr Platz für die elektrische Ausrüstung blieb.<br />

Die weitgehend geschweißten Fahrmotoren wiesen mit 5,63 Kilogramm<br />

pro Kilowatt die bis dahin günstigste Materialausnutzung<br />

bei der <strong>Reichsbahn</strong> auf. Mit der Reihen schaltung der Motoren war<br />

gegenüber der E 19 0 eine höhere Klemmenspannung bei kleineren<br />

Strömen möglich, was sich positiv auf die Auslegung der elektri -<br />

schen Komponenten und deren Gewicht auswirkte.<br />

Die Kombination aus Zahnradgetriebe, Hohlwelle und Federtopfantrieb<br />

behielt man bei. Die Maschinen erhielten unter anderem<br />

eine neue Steuerung mit Grob- und Feinstufenschaltwerk, einen<br />

Haupttransformator mit Röhrenwicklung sowie eine Widerstandsbremse.<br />

Stromschienen, die Niederspannungswicklung sowie die<br />

Wicklung der im Trafo eingebauten Zusatzumspanner wurden aus<br />

Aluminium gefertigt. Die Bremswiderstände wurden in einem Dachaufbau<br />

über dem Haupttransformator untergebracht und konnten<br />

zusätzlich durch druckluftbetätigte Klappen im vorderen Bereich<br />

des Aufbaus durch den Fahrtwind gekühlt werden. Das Brems -<br />

gestänge der E 19 1 lag außen, zudem wurde der Achsstand gegen -<br />

über E 18 und E 19 0 leicht verändert. Äußerlich unterschieden sich<br />

die E 19 1 von der AEG-Ausführung auch noch durch eine andere Anordnung<br />

der Lüftungsgitter an den Fahrzeugseitenwänden.<br />

Triebfahrzeuge ohne Aufgabe<br />

Für E 19 01 hatte man eine auffallende Farbgebung gewählt: schwarzer<br />

Rahmen, wobei unter anderem die Sandkästen und die Schürze<br />

in Rot gehalten waren, weinroter Anstrich des Wagenkastens, der<br />

mit silbergrauen Zierleisten unterstrichen wurde, aluoxidfarbenes<br />

Dach. Gegenüber den Ursprungsmaschinen der AEG wiesen die<br />

von SSW/Henschel gelieferten E 19 1 in der Ursprungslackierung<br />

34<br />

Die E 19 waren bis Mitte der<br />

1960er-Jahre die stärksten<br />

deutschen Elektrolokomotiven<br />

schwarze Schürzen und Sandkästen auf, hingegen waren die Bremsanlage<br />

inklusive der Bremsbacken rot lackiert worden.<br />

Noch vor der endgültigen Abnahme durch die <strong>Reichsbahn</strong> för -<br />

derte E 19 02 am 10. Mai <strong>1939</strong> den Eröffnungszug auf der neu elektrifizierten<br />

Strecke Nürnberg – Bamberg – Probstzella – Saalfeld. Alle<br />

vier Maschinen der Reihe E 19 wurden von der <strong>Reichsbahn</strong> erst<br />

nach umfangreichen Erprobungsfahrten übernommen. Bei Messfahrten<br />

erbrachte E 19 01 eine Leistung von 5.280 kW, E 19 11 sogar<br />

von 5.700 kW. Damit waren sie bis Mitte der 1960er-Jahre die stärksten<br />

deutschen Elektrolokomotiven. Zwischen Bamberg und Forchheim<br />

wurden für E 19 01 vor dem Messwagen des <strong>Reichsbahn</strong> -<br />

zentralamts München immerhin 180 km/h gemessen.<br />

In Dienst gestellt wurden alle vier Maschinen erst 1940 im Bw<br />

Nürnberg Hbf. Die auffällige Lackierung war allerdings dem schlichteren<br />

Einheitsgrün gewichen. Zwischen Ende März und Mitte Ok -<br />

tober 1940 wurden E 19 02 (30.03.1940), E 19 01 (29.05.1940), E 19 11<br />

(15.05.1940) und E 19 12 (15.10.1940) von der <strong>Reichsbahn</strong> abge nom -<br />

men. Den planmäßigen Einsatz der E 19 im hochwertigen FD-<br />

Zugverkehr unter Ausnutzung ihrer Höchstgeschwindigkeit hatte<br />

der Kriegsbeginn im September <strong>1939</strong> inzwischen verhindert. Die<br />

FD-Züge, die nur Wagen der 1. und 2. Klassen führten, verkehrten<br />

letztmalig am 22. August <strong>1939</strong>.<br />

Damit entfiel auch eine Serienbeschaffung dieser speziellen Lokomotiven.<br />

Es blieb bei der Splittergruppe aus vier Exemplaren; sie<br />

wurden in den Kriegsjahren vor D-Zügen genutzt und befuhren die<br />

Strecke, für die sie konstruiert worden waren. Nach dem Krieg<br />

kamen sie zur <strong>Deutsche</strong>n Bundesbahn, wo sie bis in die 70er-Jahre<br />

Verwendung fanden, ebenfalls meist im Raum Franken. An ihrem<br />

Nischendasein änderte sich freilich nichts mehr. Dirk Winkler/GM


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Frage 1: Wie heißt die Bahnverwaltung, welche die <strong>Deutsche</strong>n<br />

im „Generalgouvernement Polen“ einrichteten? (S. 82)<br />

Frage 2: Wer konstruierte den Schnelltriebwagen SVT 137 155?<br />

(S. 36; nur der Familienname ist gesucht)<br />

Frage 3: Welche Firma fertigte die Schnellzugdampfloks<br />

der Baureihe 06? (S. 28)<br />

Frage 4: Mit welchem Antrieb wurden die E 44 und E 44.5<br />

ausgerüstet? (S. 66)<br />

Frage 5: Bei welchem Ort befanden sich die Eisenbahnbrücken über<br />

die Weichsel, welche von den <strong>Deutsche</strong>n bei Kriegsbeginn angegriffen<br />

wurden? (S. 48)<br />

Frage 6: Wie lautet der Name des berühmten <strong>Reichsbahn</strong>-Fernschnellzugs,<br />

der zuletzt zwischen Mailand, Basel und Hoek van<br />

Holland verkehrte und im August <strong>1939</strong> abgestellt wurde? (S. 50)<br />

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§ 14<br />

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Einsendeschluss: 30. April 2014


Fahrzeuge<br />

| SCHNELLTRIEBWAGEN „BAUART KRUCKENBERG“<br />

Spitzentempo<br />

und Treibachsbruch<br />

Mit stromlinienförmigen Triebwagen in Leichtbauweise<br />

machte sich Franz Kruckenberg in den 30er-Jahren einen Namen.<br />

Im Juni <strong>1939</strong> kam der dreiteilige SVT 137 155 zwischen Berlin<br />

und Hamburg auf sensationelle 215 km/h. Aber technische<br />

Probleme und der Kriegsbeginn setzten der Entwicklung ein Ende<br />

Zwei berühmte „silberne Züge“ hat der Luftfahrtingenieur und<br />

Eisenbahnpionier Franz Kruckenberg (1882–1965) im Jahrzehnt<br />

vor dem Zweiten Weltkrieg für die <strong>Reichsbahn</strong> entwickelt<br />

und zu Spitzengeschwindigkeiten gebracht. Am Sonntag, dem<br />

21. Juni 1931, erzielte sein propellergetriebener „Schienenzeppelin“<br />

während einer Versuchsfahrt zwischen Berlin und Hamburg die<br />

Tempo-Höchstmarke von 230 km/h. Und acht Jahre später, am<br />

23. Juni <strong>1939</strong>, erreichte der Schnelltriebwagen mit der Betriebs -<br />

nummer SVT 137 155 auf demselben Streckenabschnitt sensationelle<br />

215 km/h! Dennoch sind beide Projekte grandios gescheitert.<br />

Der Bau und die Erprobung des dreiteiligen Schnelltriebwagens<br />

„Bauart Kruckenberg“ hatten sich über mehrere Jahre bis Anfang<br />

1938 hingezogen. Das Fahrzeug wurde von den Vereinigten Westdeutschen<br />

Waggonfabriken A. G. in Köln-Deutz gefertigt. Der<br />

70 Meter lange und 113 Tonnen schwere Zug mit 100 Sitzplätzen<br />

verkörperte zahllose Neuerungen. Er besaß zwei Maybach-Dieselmotoren<br />

des Typs GO 6 mit jeweils 600 PS Leistung in den Über -<br />

hängen der Kopfglieder, hatte hydraulische<br />

Kraftüber tragun gen sowie eine Gummi -<br />

kugelfederung mit Lenkern zwischen Drehgestellen<br />

und Wagenkästen in geschweißter<br />

Schalenbauweise.<br />

Die ersten Erprobungen<br />

Am 27. Januar 1938 begannen interne Probefahrten<br />

mit dem „Fliegenden Silberling“,<br />

wie der Schnelltriebwagen gelegentlich genannt<br />

wurde, von Köln Hauptbahnhof rheinaufwärts<br />

nach Mainz. Drei Wochen später,<br />

am 15. Februar 1938, waren zahlreiche<br />

Reichs bahnbeamte versammelt, um an einer<br />

Vorführungsfahrt mit dem SVT 137 155 von<br />

Köln über Wuppertal nach Hagen teilzunehmen.<br />

Trotz besonderer Laufgüte bei hoher<br />

Geschwindigkeit sorgte sich Kruckenberg<br />

dabei um die kostbaren leichten Laufwerke<br />

des Fahrzeugs. Auf der Rückfahrt brannten<br />

die Anlassmotoren der Dieselmaschinen wegen<br />

eines Schaltfehlers durch. Die Lieferfirma<br />

AEG konnte Ersatz erst binnen drei<br />

Monaten liefern.<br />

Am 3. Mai 1938 war der dreiteilige<br />

Schnelltriebwagen bei einer weiteren Probefahrt<br />

erstmals am Hauptbahnhof in Han-<br />

36<br />

Am 23. Juni 1937 erklärte Franz Kruckenberg<br />

seinen Eintritt in die Nationalsozialistische<br />

<strong>Deutsche</strong> Arbeiter-Partei und wurde unter der<br />

Mitgliedsnummer 4 386 725 aufgenommen.<br />

Aufnahme am Platz „Nr. 100“ in seinem drei -<br />

teiligen Schnelltriebwagen, Anfang 1938<br />

Nachlass F. Kruckenberg/Slg. Gottwaldt<br />

nover zu sehen, also in der Stadt, wo 1930 der „Schienenzeppelin“<br />

entstanden war. Am 19. Mai 1938 übergab Westwaggon den<br />

SVT 137 155 zur weiteren Erprobung an die <strong>Reichsbahn</strong>. Die<br />

Einladun gen zur Vorführungsfahrt des neuen ,,Schnelltriebwagens<br />

Bauart Kruckenberg“ am 29. Juni 1938 waren bereits verschickt, als<br />

er sich zwei Tage vorher zur letzten Probefahrt auf die Tour begab.<br />

Der Hinweg auf der rund 290 Kilometer langen Paradestrecke von<br />

Berlin nach Hamburg wurde anstandslos zurückgelegt. Aber auf<br />

der Rückfahrt von der Elbe über Büchen, Hagenow Land,<br />

Wittenberge und Neu stadt (Dosse) machte sich zwischen<br />

Paulinenaue und Nauen am Berger Damm, etwa 30 Kilometer vor<br />

Spandau, plötzlich Brand geruch im Fahrzeug bemerkbar, und die<br />

Geschwindigkeit fiel ab. Im Bahn hof Falkensee fiel sofort eine rotglühende<br />

Treibradnabe auf, denn die Achse war gebrochen.<br />

Kein Fehler der Konstruktion hatte wohl den Schaden verursacht,<br />

sondern vermutlich war ein nachlässig montiertes Achslager heißgelaufen.<br />

So entschlossen sich Kruckenberg, Westwaggon und<br />

<strong>Reichsbahn</strong>, eine Ersatzachse nach den vorhandenen<br />

Zeichnungen anfertigen zu las -<br />

sen. Weil die deutschen Maschinenfabriken<br />

durch Rüstungsaufträge inzwischen stark<br />

beschäftigt waren, sollte dies ein ganzes Jahr<br />

dauern.<br />

Die Rekordfahrt <strong>1939</strong><br />

Der Fahrplanwechsel am 15. Mai <strong>1939</strong> verging,<br />

bevor das Lieferwerk Westwaggon in<br />

Köln die Reparatur des SVT 137 155 abgeschlossen<br />

hatte. Noch vor der nächsten Probefahrt<br />

wünschte Kruckenberg, dass auch<br />

die Achsen des anderen Maschinenwagens<br />

unbedingt kontrolliert werden sollten. Er<br />

konn te aber die Kosten für den Ausbau nicht<br />

tragen, weshalb dies unterblieb.<br />

Am Freitag, dem 23. Juni <strong>1939</strong>, führte das<br />

<strong>Reichsbahn</strong>-Versuchsamt für Lokomotiven<br />

und Triebwagen in Grunewald eine glück -<br />

liche Probefahrt zwischen Berlin-Charlottenburg<br />

und Hamburg Hauptbahnhof durch.<br />

Dabei fiel als sehr erfreulich auf, wie nach<br />

der Anfahrt mit zwei Motoren eine der<br />

beiden Dieselmaschinen vollkommen ausreichte,<br />

um die für den Normalbetrieb des<br />

Wagens vorgesehene Höchstge schwindig -


Gruppenfoto nach der Rekordfahrt des SVT 137 155 am 23. Juni <strong>1939</strong><br />

auf dem Bahnhof Wittenberge. Mit dabei sind Ministerialrat Hermann<br />

Stroebe (5. v. l.) als Triebwagenreferent und Ministerialdirektor Werner<br />

Bergmann (7. v. l.) als Abteilungsleiter für Maschinentechnik im<br />

Reichsverkehrsministerium. Das Lokomotiv-Versuchsamt war durch<br />

Regierungsbaurat Ewald Hüttebräucker (6. v. l.) vertreten MTU Friedrichshfn.<br />

Seitenansicht des Schnelltriebwagens SVT 137 155. Bei ihm lagen<br />

die Motoren nicht mehr in den Drehgestellen, sondern waren erstmals<br />

in den Vorbauten untergebracht Nachlass F. Kruckenberg/Slg. Gottwaldt<br />

keit von 160 km/h zu fahren. Bei der Rückreise nach Berlin mochte<br />

sich Franz Kruckenberg wehmütig an die Zeit acht Jahre zuvor erinnert<br />

haben, als er hier am 21. Juni 1931 mit seinem ,,Schienenzeppelin“<br />

von Bergedorf nach Spandau dahingerast war und bei<br />

Karstädt ein Tempo von 230 km/h erreicht hatte. Auch am 23. Juni<br />

<strong>1939</strong> wurde kurz hinter Ludwigslust die höchste Fahrstufe eingelegt,<br />

bis die Tachometernadel schließlich auf 215 km/h Geschwindigkeit<br />

kletterte!<br />

Der Wagenlauf war überraschend gut und wurde zum Triumph<br />

für Franz Kruckenberg, dessen Ansehen unter den mitfahrenden<br />

<strong>Reichsbahn</strong>-Ingenieuren beständig wuchs. Die Auswertung des<br />

Mess streifens in Berlin ergab, dass genau fünf Minuten fünf<br />

Sekunden lang das Tempo mehr als 200 km/h betragen hatte.<br />

Voller Stolz ließen die Eisenbahnabteilungen des Reichsverkehrsministeriums,<br />

auf deren Rechnung der Wagen gebaut war, eine entsprechende<br />

Meldung durch die gleichgeschalteten Blätter im <strong>Deutsche</strong>n<br />

Reich gehen. In Heft 27 der Zeitschrift „Die <strong>Reichsbahn</strong>“ vom<br />

5. Juli <strong>1939</strong> erschien auf Seite 678 eine Mitteilung, die den Titel „Neuer<br />

Geschwindigkeitsrekord bei der <strong>Reichsbahn</strong> – Schnelltriebwagen<br />

fährt 215 Stundenkilometer“ trug. Darin hieß es: „Am 23. Juni <strong>1939</strong><br />

wurde auf der Strecke Berlin – Hamburg unter Leitung des <strong>Reichsbahn</strong>-Versuchsamts<br />

für Lokomotiven und Triebwagen in Berlin-<br />

Grunewald eine Versuchsfahrt mit einem dreiteiligen Schnelltriebwagen<br />

durchgeführt, der nach Vorschlägen des Ingenieurs Kruckenberg<br />

im Auftrag der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong> gebaut worden ist.<br />

Dieses Fahrzeug ist in Weiterentwicklung des von Ingenieur<br />

Kruckenberg gebauten Propellerwagens entstanden, hat jedoch an<br />

Stelle des Propellers den im Schnelltriebwagenbetrieb seit Jahren<br />

bewährten Achsantrieb erhalten.<br />

Die Gesamtdieselleistung von 1200 PS wird durch zwei Maybach-<br />

Motoren von je 600 PS erzeugt. Die hydraulischen Getriebe sind von<br />

Die außergewöhnliche Gestalt des<br />

Fahrzeugs war nach neuen strömungs -<br />

technischen Erkenntnissen entwickelt<br />

der AEG unter Mitwirkung von Professor Föttinger gebaut worden.<br />

Das dreiteilige Fahrzeug bietet 100 Sitzplätze 2. Klasse und enthält<br />

die für den Fernverkehr notwendigen Nebenräume. Besonders bemerkenswert<br />

ist die außergewöhnliche Gestalt des Fahrzeugs, die<br />

nach den neuesten strömungstechnischen Erkenntnissen entwickelt<br />

worden ist und daher bei hohen Geschwindigkeiten einen außerordentlich<br />

geringen Luftwiderstand bietet. Weiterhin ist als neuartige<br />

Lösung die Ausbildung des Laufwerks hervorzuheben, die dem Fahrzeug<br />

einen sehr ruhigen Lauf auch bei hohen Geschwindigkeiten<br />

verleihen soll.<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 37


Fahrzeuge<br />

| SCHNELLTRIEBWAGEN „BAUART KRUCKENBERG“<br />

Werbeprospekt<br />

der Vereinigten<br />

Westdeutschen<br />

Waggonfabriken AG<br />

für den dreiteiligen<br />

Schnelltriebwagen<br />

„Bauart Kruckenberg“<br />

von 1938.<br />

Er zeigt auch<br />

das mit Kugeln<br />

gefederte Triebdrehgestell<br />

und<br />

das Laufdrehgestell<br />

Nachlass F. Kruckenberg/<br />

Slg. Gottwaldt<br />

Die jetzt ausgeführte Versuchsfahrt, die im Rahmen einer längeren<br />

Versuchsreihe zur eingehenden Erprobung des Fahrzeugs durchgeführt<br />

wurde, nahm einen recht befriedigenden Verlauf. Auf der Rückfahrt<br />

von Hamburg nach Berlin konnten ohne Schwierigkeit und bei überraschend<br />

gutem Lauf über einen längeren Streckenabschnitt Stundengeschwindigkeiten<br />

von über 200 km und eine Spitzen geschwin digkeit<br />

von 215 km Stundengeschwindigkeit erreicht werden.<br />

Mit dieser Triebwagenschnellfahrt hat die <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong><br />

erneut einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt mit einem Fahr -<br />

zeug, das für den öffentlichen Verkehr bestimmt ist, also keine Sondereinrichtungen<br />

zur Erzielung außergewöhnlicher Leistungen enthält.<br />

Dieser dreiteilige Schnelltriebwagen wird nach Beendigung<br />

der Versuchsreihe demnächst auf der Strecke Berlin – Hamburg dem<br />

öffentlichen Verkehr übergeben werden.“<br />

...und der weitere Einsatz<br />

Schon zwei Tage nach der erfolgreichen Sonderfahrt mit dem<br />

SVT 137 155, am 25. Juni <strong>1939</strong>, wurde der neue Zug sonntags in nicht<br />

ausgenutzten FDt-Plänen zwischen Berlin Lehrter Bahnhof und<br />

Hamburg-Altona zur Prüfung der Batterieladung erprobt: Ein Tempo<br />

von 200 km/h war schon nach neun Minuten herausgefahren, als<br />

hinter Block Stresow plötzlich ein Ruck durch den ganzen Wagen<br />

ging! Die Motoren wurden abgestellt, eine Notbremsung eingeleitet,<br />

und der Zug kam kurz vor dem Bahnhof Karstädt zum Stillstand.<br />

Eine Achse des Triebgestells war blockiert!<br />

Kaum gelang es der herbeigerufenen Hilfslokomotive, den Triebwagen<br />

SVT 137 155 bis nach Wittenberge von der Strecke zu ziehen.<br />

Im nahegelegenen <strong>Reichsbahn</strong>-Ausbesserungswerk zeigte sich, dass<br />

wiederum eine Achse gebrochen war, diesmal am anderen Triebdrehgestell<br />

unter der Küche. In Essen erfuhr Franz Kruckenberg<br />

telefonisch, dass eine neue Konstruktion und die Herstellung eines<br />

Ersatzstücks bei Krupp mindestens 14 Monate dauern sollte: Lieferfrist<br />

Sommer 1940!<br />

38<br />

Als „kriegswichtig“ wurde der SVT 137 155 nicht angesehen und<br />

geriet bald in Vergessenheit. Vermutlich rollte er trotz seines Defekts<br />

noch während des Krieges nach Dresden, 1944 vielleicht sogar bis<br />

nach Altenberg, dann wieder nach Dresden-Pieschen. Ein Berliner<br />

Eisenbahner berichtete später, dieser Wagen sei noch 1950 einmal<br />

von Dresden nach Berlin-Karlshorst geschleppt worden. Dort habe<br />

ihn Kruckenberg persönlich untersucht.<br />

Nachkriegszeit in Ost und West<br />

Nach dem Krieg gelang es Franz Kruckenberg auch, mit der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bundesbahn ins Geschäft zu kommen. Im Auftrag ihres Ersten<br />

Präsidenten Edmund Frohne (1891–1971) leitete er zwischen 1950<br />

und 1953 noch den Entwurf von zwei unterschiedlichen Schnelltriebwagen<br />

der Baureihe VT 10. Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong> in der<br />

DDR hat ab 1963 ihre älteren Schnelltriebwagen im internationalen<br />

Verkehr durch neue Züge der „Bauart Görlitz“ mit der Baureihenbezeichnung<br />

VT 18.16 (spätere Baureihe VT 175) ersetzt. Auch deren<br />

Formgebung orientierte sich offensichtlich noch an Kruckenbergs<br />

Schnelltriebwagen von 1938, denn dieser war in der DDR verblieben.<br />

Danach wurde das Fahrzeug wieder für eine längere Zeit am Rande<br />

des <strong>Reichsbahn</strong>ausbesserungswerks Wittenberge abgestellt; seine<br />

Motoren waren längst ausgebaut.<br />

Im Mai 1967 war die Zerlegung des Wagens weitgehend abgeschlossen.<br />

Zurück blieb nur der Küchentrakt als eine Art von Gartenlaube.<br />

1989 fand man im Abstellgleis einige Teile vom Triebgestell<br />

des Wagens SVT 137 155 mit Motor, Flüssigkeitsgetriebe und den<br />

charakteristischen Gummikugeln. Zwischen Februar 1997 und Oktober<br />

2010 war eine daraus im Bw Leipzig Süd hergestellte abstrakte<br />

Fassung des „Silberlings“ mit einem Maybach-Motor im Verkehrsmuseum<br />

Dresden ausgestellt.<br />

Dr. Alfred Gottwaldt<br />

Literaturhinweise – Mehr zum Thema SVT 137 155<br />

Franz Kruckenberg: Fernschnellbahn und Verkehrshaus.<br />

Heidelberg 1959.<br />

Alfred Gottwaldt: Der Schienenzeppelin. Freiburg 2006.<br />

Jan-Henrik Peters: Mit Weltrekord auf Abstellgleis.<br />

In: Eisenbahn geschichte Nr. 22 ( 2007).


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Straße<br />

PLZ<br />

Ort<br />

Datum und rechtsverbindliche Unterschrift Bahn 2/14


Bilderbogen<br />

| DIE LETZTEN EINSÄTZE DER AUSSICHTSTRIEBWAGEN<br />

Abschied von der „Fahrt ins Blaue“<br />

Die Ausflugstouren in den Aussichtstriebwagen waren der Renner im Sonderfahrtenprogramm<br />

der <strong>Reichsbahn</strong>. Mit Kriegsbeginn <strong>1939</strong> fanden sie dann ein jähes Ende. Sowohl die beiden<br />

Elektrotriebwagen als auch die drei Dieseltriebwagen wurden abgestellt<br />

40


Mit zwei Elektrotriebwagen<br />

hatte die <strong>Reichsbahn</strong> 1935 das<br />

Angebot begonnen. Hier eines<br />

der Fahrzeuge im Bahnhof<br />

Garmisch-Partenkirchen<br />

Großzügig verglaste und komfortable Fahrzeuge für den Touristikverkehr<br />

auf der Schiene, wie man sie heute vom Glacierund<br />

Bernina-Express in der Schweiz kennt, sind keine Er -<br />

findung der jetzigen Zeit. Unter dem Konkurrenzdruck des Straßenomnibusses<br />

ließ schon die <strong>Reichsbahn</strong> in den 30er-Jahren spe -<br />

zielle Aussichtstriebwagen bauen – besser bekannt unter dem<br />

Namen „Gläserner Zug“. Es entstanden zwei elektrische Triebwagen<br />

(elT 1998 und 1999) sowie drei Fahrzeuge mit dieselhydraulischem<br />

Antrieb (VT 137 240, 462, 463).<br />

Eine „Fahrt ins Blaue“ mit den elektrischen Triebwagen (Baujahr<br />

1935) in die bayerischen und österreichischen Alpen oder mit den<br />

Dieseltriebwagen (Baujahre 1936–39) ins Rhein-, Mosel- oder<br />

Lahntal entwickelte sich sogleich zum Renner im Sonderfahrtenprogramm<br />

der <strong>Reichsbahn</strong>. Den Ausflugsreisenden wurde nicht nur<br />

eine einmalige Sicht auf die Landschaft geboten, sie konnten auch<br />

dem Triebwagenführer über die Schulter blicken und die befahrene<br />

Strecke lief wie im Film vor ihren Augen ab. Die Sitze waren umklappbar,<br />

man saß immer in Fahrtrichtung. Etwas Besonderes waren<br />

die Dieseltriebwagen: Das Rollverdeck konnte geöffnet werden –<br />

bei schönem Wetter genoss man die Fahrt wie im Cabrio.<br />

Der Kriegsbeginn <strong>1939</strong> und die Folgen<br />

Der Beginn des Zweiten Weltkriegs beendete <strong>1939</strong> den Einsatz. Noch<br />

war die Durchhalteparole „erst siegen, dann reisen“ nicht geschaffen,<br />

aber die „Fahrt ins Blaue“ trotzdem schon zu Ende. Die Strecken<br />

sollten militärischen Zwecken dienen. Die Fahrzeuge wurden abgestellt,<br />

zwei von ihnen – VT 137 462 und elT 1999 – fielen Luftangriffen<br />

zum Opfer. Die übrigen drei Triebwagen gelangten zur <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bundesbahn. Dort wurden 1960 bzw. 1962 die Dieselfahrzeuge<br />

VT 137 240 und 463 (zuletzt VT 90 500 und 501) ausgemustert;<br />

elT 1998 (jetzt ET 91 01 bzw. ab 1968 dann 491 001) blieb im Einsatz<br />

und wurde am 12. Dezember 1995 bei einem Zugunglück im Bahnhof<br />

Garmisch-Partenkirchen schwer beschädigt. Er steht heute im Bahnpark<br />

Augsburg. Leonhard Bergsteiner<br />

Panoramasicht bei der<br />

Reise durch die Alpen:<br />

Die Fahrten der Gläsernen<br />

Züge erfreuten sich in der<br />

zweiten Hälfte der 1930er-<br />

Jahre großer Beliebtheit<br />

Aufnahmen des Beitrags: Slg. Gerhard<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 41


Bilderbogen<br />

| DIE LETZTEN EINSÄTZE DER AUSSICHTSTRIEBWAGEN<br />

Auch der <strong>Reichsbahn</strong>-Kalender<br />

würdigte die Fahrzeuge mit<br />

Abbildungen, hier ein Motiv mit<br />

einem Dieseltriebwagen 1937<br />

Damit die Rundumsicht der Reisenden nicht<br />

größer beeinträchtigt wurde, blieb dem<br />

Triebfahrzeugführer in den Dieselzügen nur<br />

eine „Nische“ zum Steuern des Fahrzeugs<br />

Nach dem großen Erfolg der Elektrozüge legte die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> mit drei Dieseltriebwagen nach. Im Bild<br />

VT 137 240 bei einem Halt in Wissen an der Sieg<br />

42


Rundumsicht und, so gewünscht, auch Fahrten unter freiem Himmel:<br />

Bei den gläsernen Dieseltriebzügen ließ sich das Dach öffnen<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 43


Betrieb<br />

| DIE VORBEREITUNGEN FÜR DEN POLENFELDZUG<br />

Das Jahr der<br />

„Mobilmachung“<br />

Seit Januar <strong>1939</strong> arbeitete die Wehrmacht Aufmarschpläne<br />

für den Angriffskrieg aus. Nachdem die „Resttschechei“ im März<br />

<strong>1939</strong> ohne Kampfhandlungen eingenommen worden war,<br />

konzentrierten sich die Vorbereitungen auf Polen. Der <strong>Reichsbahn</strong><br />

kam dabei von Beginn an eine wichtige Rolle zu<br />

Anfang Oktober 1938 hatte die Wehrmacht<br />

aufgrund des „Münchner<br />

Ab kommens“ die deutschsprachigen<br />

Randgebiete der Tschechoslowakei<br />

kampflos besetzen können. Hitler war enttäuscht,<br />

dass der vorbereitete Krieg gegen<br />

das Nachbarland ausgeblieben war. Wich -<br />

tige Industriebetriebe sowie für die klamme<br />

deutsche Finanzwirtschaft attraktive jüdi -<br />

sche Vermögen und staatliche Goldreserven<br />

waren außerhalb des deutschen Zugriffs<br />

geblieben.<br />

Einen von Hitler unterschriebenen Zettel<br />

mit einer angeblichen Garantie des „peace<br />

for our time” hatte der englische Ministerpräsident<br />

Chamberlain bei seiner Rückkehr<br />

Der Aufmarsch für den<br />

„Fall Weiß“ verlangte<br />

optimale Verschleierung<br />

nach London triumphierend vorgezeigt.<br />

Die deutsche Führung hielt sich mit solcher<br />

Romantik nicht auf. Am 13. Januar <strong>1939</strong> gab<br />

die Transportabteilung im Generalstab des<br />

Heeres eine Weisung über „Aufmarsch trans -<br />

porte im Mobilmachungsjahr <strong>1939</strong>/40“ he -<br />

raus.<br />

Der Begriff „Mobilmachung“ umschrieb<br />

einen riesenhaften Auftrag. Das aus stehenden<br />

Truppen und Reservisten zu bildende<br />

Kriegsheer umfasste 3.754.000 Mann, dazu<br />

mussten aus Wehrmachts- und Privatbeständen<br />

400.000 Pferde sowie 200.000 Straßenfahrzeuge<br />

beigebracht werden.<br />

Ziel <strong>1939</strong>: „Resttschechei“ und Polen<br />

Verharmlosend als Transportübungsaufgaben<br />

(„Trüa“) bezeichnet, sollten bis zum<br />

1. März zwei Varianten mit den Elementen<br />

„Grenzsicherung/Verteidigung West“ und<br />

„Fall Ost“ (Trüa 5) bzw. „Fall Südost“ (Trüa 8,<br />

Zerschlagung der „Resttschechei“) bear bei -<br />

tet werden. Nachdem am 15. März <strong>1939</strong> der<br />

„Fall Südost“ durch wiederum kampflosen<br />

44<br />

Einmarsch in die zentralen Gebiete Böh -<br />

mens unter Mährens erledigt war, erging am<br />

3. April die „Führerweisung 1 a“, wonach<br />

nunmehr ausschließlich ein Angriff gegen<br />

Polen vorzubereiten war. Wachsamkeitsoder<br />

Handlungsbedarf an allen anderen<br />

Grenzen wurde nicht gesehen. Die Erpressungspolitik<br />

des März <strong>1939</strong> hatte für den<br />

deutschen Aufmarsch den zusätzlichen Vorteil<br />

gebracht, nun auch die unter deutscher<br />

Kontrolle unabhängig gewordene Slowakei<br />

einbeziehen zu können. Der künftige Angriff<br />

würde also Polen vom Süden, Westen und<br />

Norden in die Zange nehmen können.<br />

Eine der schwierigsten Auflagen für die<br />

Wehrmacht war die Beachtung der propagandistischen<br />

Fiktion, dass Polen durch die<br />

Verweigerung von Verhandlungen über Verkehrsfragen<br />

zwischen dem Reich und Ostpreußen<br />

im „Korridor“ einen Angriff provoziere.<br />

Deshalb war optimale Verschleierung<br />

des Aufmarschs für den „Fall Weiß“ verlangt.<br />

Beginn der Detailplanung<br />

Die am 14. Januar <strong>1939</strong> herausgegebenen allgemeinen<br />

Bestimmungen über „Aufmarschvorbereitungen<br />

von Landmärschen und Eisenbahntransporten“<br />

sahen zur Entlastung<br />

der Eisenbahn vor:<br />

a) nicht motorisierte Truppen mit Standort<br />

in Grenznähe sollen die Straße benutzen,<br />

wenn das Aufmarschgebiet dadurch<br />

schneller als per Bahn zu erreichen ist.<br />

b) Bei Einheiten mit Kettenfahrzeugen und<br />

Standort nicht weiter als 100 Kilometer<br />

vom vorgesehenen ersten Einsatzraum<br />

sollen die Räderfahrzeuge auf der Straße,<br />

die Kettenfahrzeuge auf dem Schienenweg<br />

transportiert werden.<br />

c) Sonstige motorisierte Truppen sollen für<br />

Distanzen bis zu etwa 300 Kilometern und<br />

Einheiten von größerer Stärke als ein Regiment<br />

in jedem Fall die Straße benutzen.<br />

Ab Januar <strong>1939</strong> wurden dann allmählich in<br />

Kraft gesetzt


a) die Möglichkeiten der Personalverstärkung<br />

für die den Bahndienststellen beigeordneten<br />

Transportkommandanturen und<br />

Bahnbevollmächtigten der Wehrmacht,<br />

b) die Aktivierung des der Transport ab tei -<br />

lung eigenen Fernschreibnetzes „Hektor“<br />

wochentags von 9 bis 17 Uhr und sams -<br />

tags von 9 bis 14 Uhr,<br />

c) der Befehl zur ständigen Aktualisierung<br />

der Transportbearbeitungen bei Änderungen<br />

von Stärke oder Zusammensetzung<br />

derTruppen, Stand- und Aufstellungsorte,<br />

d) das Verbot, ohne Genehmigung des Transportchefs<br />

Umbauten von Strecken vorzunehmen,<br />

wenn diese entweder eine täg -<br />

liche Leistung von 72 Zügen hatten oder<br />

wenn ihre Betriebsfähigkeit für mehr als<br />

48 Stunden verringert würde,<br />

e) die Bereithaltung fahrbarer Laderampen<br />

an verschiedenen Orten und transpor -<br />

tabel in Güterwagen.<br />

Kalender für den Aufmarsch<br />

Im Hinblick auf die Kapazität der Reichs -<br />

bahn und die Geheimhaltung wurde ab Frühjahr<br />

eine Zweiteilung des Vorhabens konzipiert.<br />

Ab Ende des Monats Juni <strong>1939</strong> wurde un -<br />

terschie den in<br />

a) Schanzbewegungen der ersten und zweiten<br />

Rate sowie die Verlegung von vier Infanteriedivisionen<br />

zwischen 26. Juni und<br />

15. Juli und fünf weiteren zwischen 15. Juli<br />

und 4. August im Bahn- und Landtrans -<br />

port an die Ostgrenze; dieses Bündel von<br />

Maßnahmen konnte einem Beobachter<br />

noch als „die vom Führer befohlenen Maß -<br />

nahmen zur Sicherung der Ostgrenze“<br />

erklärt werden,<br />

b) Schanzbewegungen der dritten Rate 3. bis<br />

14. August und Übungen zur Verdeckung<br />

des beginnenden Aufmarschs in Form von<br />

üblichen Manövern, bei denen dann der<br />

offiziell noch angekündigte Rück trans -<br />

port entfallen sollte. Zur Terminierung<br />

un auffälliger Truppentransporte nach<br />

Ostpreußen bot es sich an, eine riesige<br />

Parade anlässlich des 25. Jahrestages der<br />

Schlacht bei Tannenberg 1914 anzukündigen.<br />

Zugleich wurden 30.000 Angehörige<br />

des Reichsarbeitsdienstes über die Ostsee<br />

nach Ostpreußen gebracht, die statt der<br />

ab Ende Juni einberufenen Reservis ten in<br />

der Landwirtschaft aushelfen sollten.<br />

Im Mai <strong>1939</strong> verlässt ein Truppentransportzug<br />

den Bahnhof Kitzingen. In ähnlicher Form<br />

beförderte die <strong>Reichsbahn</strong> ab Juni Verbände für<br />

den Angriff auf Polen Richtung Reichsgrenze –<br />

getarnt als Manöver, Teil eines Reichsparteitags<br />

bzw. der Feiern zu „25 Jahre Tannenberg-<br />

Schlacht“ Slg. Eisenbahnstiftung<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 45


Betrieb<br />

| DIE VORBEREITUNGEN FÜR DEN POLENFELDZUG<br />

Abschiedsfoto vor der Fahrt in den Krieg<br />

an einem <strong>Reichsbahn</strong>-Bahnhof. Auch wenn<br />

die Mehrzahl der Wehrmachtssoldaten<br />

auf der Schiene in Richtung polnische<br />

Grenze befördert wurden; einige Truppenteile<br />

nutzten auch Straßenverbindungen<br />

Slg. Stefan Ponzlet<br />

c) Manöver und Großereignisse im gesam -<br />

ten Reichsgebiet wie insbesondere der alljährliche<br />

Reichsparteitag sollten wie üblich<br />

transporttechnisch vorbereitet werden,<br />

um dann wie vorgeplant „plötzlich“<br />

auszufallen.<br />

Mit dem Übergang von der dritten Stufe der<br />

Schanzbewegungen zum endgültigen Truppenaufmarsch<br />

wurde die Tarnung schwie -<br />

riger.<br />

Auch wenn Soldaten in der Nähe der<br />

polnischen Grenze zeitweise für friedliche<br />

Erntearbeiten freigegeben wurden, war ihre<br />

Massierung im Osten nun doch unüber -<br />

sehbar geworden. Im nächsten Schritt<br />

musste die <strong>Reichsbahn</strong> etwa 220 Züge für<br />

die „A-Bewegung“ bereitstellen.<br />

Die reichsweite Information der regionalen<br />

Transportkommandanturen geschah bei<br />

einer Zusammenkunft von 21. bis 24. Juni<br />

im thüringischen Oberhof. Mit erstaunlicher<br />

Offenheit erstellte man von Mitte Juli bis<br />

19. August <strong>1939</strong> im Gebiet der Stadt Danzig<br />

über die untere Weichsel einen im Vergleich<br />

zur vorhandenen Fähre leistungsfähigeren<br />

46<br />

Waschpause in Köln-Mülheim; in kürzester Frist wurden im Spätsommer <strong>1939</strong> rund drei<br />

Millionen Menschen in die Bereitstellungsgebiete gebracht Slg. Stefan Ponzlet<br />

Übergang in Gestalt einer von deutschen Pionieren<br />

gebauten 36-Tonnen-Ponton brücke.<br />

Absage der Großereignisse<br />

Am 12. August wurde der <strong>Reichsbahn</strong> mitgeteilt,<br />

dass die beiden größten für das östliche<br />

Reichsgebiet angekündigten Manöver entfallen<br />

würden. Der gleichzeitige Hinweis,<br />

dass die dafür vorgesehenen Transporte<br />

trotzdem stattfinden würden, vermittelte den<br />

zuständigen Dienststellen in geschickter<br />

Form die Zielrichtung der Maßnahmen. Am<br />

15. August um 14:30 Uhr wurde der Chef der<br />

5. Abteilung des Generalstabes des Heeres<br />

davon in Kenntnis gesetzt, dass auch der<br />

„Reichsparteitag des Friedens“ (!) durch<br />

Hitler abgesagt war. Bis zum Mittag des<br />

17. August wurden die Bahndienststellen


über die neue, nunmehr militärische Verwendung<br />

des bereits zusammengezogenen Leermaterials<br />

informiert und zur Umbildung der<br />

Parteitagszüge in Militärzüge aufgefordert.<br />

Ebenfalls am 15. August wurde der 19. August<br />

zum ersten „A-Tag“ bestimmt.<br />

Die Fahrpläne der „A-Bewegung“ waren<br />

bereits zu Friedenszeiten aufgestellt worden<br />

und konnten problemlos in Kraft gesetzt werden.<br />

Damit überlappen sollte sich die „Y-Bewegung“,<br />

deren Tage rückwärts nummeriert<br />

waren. Sie sollte sich vom „Y - 6.“ (zu lesen<br />

Das Leermaterial der<br />

Parteitagszüge wurde in<br />

Militärzüge umgebildet<br />

als „Y minus 6“) Tag bis zum Tag des ersten<br />

Grenz über tritts „Y“ entwickeln. Dies sollte<br />

nach Hitlers Befehl vom 23. August („Y - 3“)<br />

der 26. August <strong>1939</strong> sein. Am 24. August wurden<br />

wesentliche für den „Y - 2“-Tag vorgesehene<br />

Befehle erteilt, und zwar<br />

a) der Befehl des Transportchefs an das<br />

Reichsverkehrsministerium zum Ablauf<br />

der Y-Bewegung,<br />

b) der Befehl zur Bereitstellung des Leermaterials<br />

für den „Fall Weiß“, nämlich 1.700<br />

Züge im Höchstleistungsfahrplan (diese<br />

Zahl entstand aus der Addition eines<br />

reduzierten Friedensfahrplans mit dem<br />

Militärfahrplan – im Gegensatz zu 1914,<br />

als der Militärfahrplan tagelang den gesamten<br />

zivilen Verkehr verdrängt hatte),<br />

c) der Y-Befehl an die motorisierten Teile zum<br />

Vorziehen aus dem „Bereitstellungsgebiet<br />

1“ bzw. den Standorten in das „Bereitstellungsgebiet<br />

2“,<br />

d) der Y-Befehl an fünf Infanteriedivisionen<br />

für Mobilmachung und<br />

e) der Befehl zur Verlegung von Teilen der<br />

Luftwaffe in Richtung Grenze.<br />

Am Abend des 24. August liefen die Transporte<br />

an. Am „Y - 1“-Tag 25. August musste<br />

bis spätestens 12:00 Uhr der endgültige Be -<br />

fehl Hitlers für den „Fall Weiß“ ergehen, da -<br />

mit ein höchstens zwei Stunden danach<br />

zu ergehender „X-Befehl“ den genauen An -<br />

griffs termin festsetzen konnte.<br />

Am 25. Au gust um 20:30 Uhr begann die<br />

Landmarschbewegung aller Truppen aus<br />

den Bereitstellungsgebieten in Richtung polnische<br />

Grenze. Die Absage der von allen informierten<br />

Beamten und Offizieren längst<br />

nicht mehr erwarteten Tannenbergfeier kam<br />

erst am 28. August.<br />

Verschiebung um sechs Tage<br />

Kurz nach Beginn der großen Bewegungen<br />

erreichte ein Haltebefehl Hitlers die Truppe.<br />

Die insbesondere gegenüber England gepflegte<br />

Fiktion einer Verhandlungsbereitschaft<br />

bis zum letzten Augenblick ließ einen<br />

Aufschub des Angriffs ratsam erscheinen.<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014<br />

Dazu kamen plötzlich aufgetretene und<br />

bald wieder verdrängte Bedenken Hitlers<br />

wegen eines bekannt gewordenen britischpol<br />

nischen Bündnisvertrages. Durch die<br />

Verschiebung wurde es – unter Behebung<br />

ei niger Stauungen – möglich, einen Teil der<br />

für die „Y +“-Tage vorgesehenen Verlegungen<br />

noch vor Beginn der Kampfhand lun -<br />

gen zu erledigen.<br />

Einschließlich der vorsichtshalber getroffenen<br />

Sicherungsmaßnahmen im Westen<br />

wurden in kürzester Frist rund drei<br />

Millionen Menschen, 400.000 Pferde und<br />

200.000 Fahrzeuge in die Bereitstellungsgebiete<br />

gebracht. Dazu kamen die notwendigen<br />

Ergänzungen mit Waffen, Munition, Gerät,<br />

Verpflegung, Betriebsstoff usw.<br />

Der Angriffsbefehl<br />

Am 31. August <strong>1939</strong> um 12:40 Uhr befahl<br />

Hitler endgültig den Angriff am 1. September<br />

<strong>1939</strong> um 4:45 Uhr. (Seine Verkündung<br />

am selben Tage, „seit 5:45 Uhr“ werde „zurückgeschossen“,<br />

stimmte also nicht ein -<br />

mal in zeitlicher Hinsicht.) 57 aktive Divisionen<br />

be gannen befehlsgemäß mit dem<br />

Angriff, der schnell zum militärischen Erfolg<br />

führte.<br />

Das Reichsverkehrsministerium stellte<br />

anschließend eine Bilanz auf. Die <strong>Reichsbahn</strong><br />

hatte einsetzen müssen:<br />

– 13.800 Personenwagen,<br />

– 79.800 (von insgesamt 196.000) gedeck -<br />

ten Güterwagen,<br />

– 36.800 (von insgesamt 46.000) Rungenwagen,<br />

– 42.900 (von insgesamt 71.500) offenen<br />

Güterwagen und<br />

– 12.100 sonstige Wagen.<br />

Das waren mehr als dreimal so viele Wagen<br />

als von der Wehrmacht zuvor veranschlagt!<br />

Gefahren wurden<br />

– im Friedensfahrplan 337 Züge (vorhe-<br />

rige Wehrmachtsschätzungen: 300)<br />

– im Höchstleistungsfahrplan 4.107 Züge<br />

(vorherige Schätzung: 1.700).<br />

Kommende Katastrophe<br />

Einschließlich der Züge in Richtung Westen<br />

erbrachte die <strong>Reichsbahn</strong> nach eigener Bilanz<br />

eine Abfuhr von 14.857 Zügen im Vergleich<br />

zur Wehrmachtsprognose von 4.000<br />

Zügen. Der schnelle Sieg im Polenfeldzug<br />

und das Stillhalten der Franzosen und Engländer<br />

im Westen ließen den Kontrast zwischen<br />

der zu optimistischen militärischen<br />

Prognose und der tatsächlichen Auslastung<br />

der Bahn in diesem Krieg noch nicht zum<br />

Problem werden. Im Frankreich feld zug<br />

1940 waren jedoch krisenhafte Entwick -<br />

lungen im Transportwesen nicht mehr zu<br />

übersehen. Und im Ostfeldzug 1941 sollten<br />

sie schließlich zur kriegsentschei den den<br />

Katas trophe werden. Andreas Knipping<br />

<br />

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Betrieb<br />

| ERSTE KÄMPFE MIT EISEN<strong>BAHN</strong>-BEZUG<br />

Der Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August <strong>1939</strong> hatte dem deut -<br />

schen Diktator die Sorge genommen, auf seinem Feldzug<br />

gegen Polen auch gleich einen Konflikt mit der Sowjetunion<br />

zu riskieren. Das wollte Adolf Hitler umgehend nutzen und setzte<br />

den Angriff auf das Nachbarland auf den 26. August <strong>1939</strong> fest. So -<br />

gleich sollten Kommandounternehmen verkehrstechnische Schlüs -<br />

selpositionen in Polen unter deutsche Kontrolle bringen.<br />

Vorstoß zum Jablunka-Pass<br />

In diesem Sinne sah die Wehrmacht den 800 Meter langen Eisenbahntunnel<br />

unter dem Jablunka-Pass als besonders interessant an.<br />

Er gehörte zu der ursprünglich von der Kaschau-Oderberger Bahn<br />

gebauten Strecke aus der zentralen Slowakei nach Oberschlesien;<br />

über diese Verbindung sollte die Wehrmacht in Richtung Teschen/<br />

Dzieditz vordringen können. Die nach dem wichtigsten Fluss benannte<br />

Region, als „Olsa-Gebiet“ in die Geschichte eingegangen, gehörte<br />

erst seit November 1938 zu Polen. Die von der Abtretung der<br />

Sudetengebiete an Deutschland geschwächte Tschechoslowakei<br />

hatte sich einer polnischen Gebietsforderung beugen müssen.<br />

Unter dem Kommando eines Leutnants Herzner überschritt am<br />

25. August <strong>1939</strong> eine „Kampforganisation Jablunka“ aus militärisch<br />

ausgebildeten Volksdeutschen bei Čadča die slowakisch-polnische<br />

Grenze. Gekleidet waren die etwa 30 Männer teils in Zivil und teils<br />

in polnische (!) Uniformen. Die Verschiebung des Angriffsbefehls<br />

am Abend des 25. August konnte dieser Truppe nicht mehr rechtzeitig<br />

mitgeteilt werden, weil ihre Funkgeräte in der zerklüfteten und bewaldeten<br />

Landschaft keinen Empfang hatten. So setzten sie ihren<br />

Vormarsch fort, noch bevor der Zweite Weltkrieg begann. Die Män -<br />

ner erklommen den Jablunka-Pass. Ihre Befehle lauteten, den Pass<br />

zu nehmen, die Sprengung des darunter verlaufenden Eisenbahntunnels<br />

zu verhindern und alle Sprengmittel zu demontieren. Für<br />

den nächsten Tag war die Übergabe an die von Žilina nach rückende<br />

Wehrmacht vorgesehen.<br />

Für den Fall eines deutschen<br />

Angriffs war mit einer polnischen<br />

Sprengung zu rechnen<br />

Die Einheit überrumpelte die polnischen Verteidiger des Grenzbahnhofs<br />

Mosty, zerschoss die Scheiben des Bahnhofgebäudes,<br />

besetzte Bahnhof und Telefonzentrale und nahm einige im Wartesaal<br />

sitzende Arbeiter gefangen. Jedoch übersahen die Eindringlinge<br />

ein im Keller eingerichtetes Telefon, mit dem die Telefonistin Dienst -<br />

stellen im Landesinneren informieren konnte. Als polnische Kräfte<br />

nachrückten und eigene Verstärkung ausblieb, entschied sich Herz -<br />

ner, zur slowakischen Grenze zurückzukehren. Seine Truppe schlug<br />

sich in sechseinhalb Stunden zur Grenze durch. Noch war Heuchelei<br />

angesagt: Am 26. August <strong>1939</strong> entschuldigte sich eine Abordnung<br />

Jablunka-Pass<br />

und<br />

Weichsel<br />

brücken<br />

Schon vor dem Überfall<br />

auf Polen versuchte ein deutscher<br />

Verband im August <strong>1939</strong>, eine<br />

polnische Eisenbahnstrecke<br />

einzunehmen. Ohne Erfolg. Auch<br />

das Vorhaben der Wehrmacht,<br />

nach Kriegsbeginn die Weichsel-<br />

Verbindung nach Dirschau<br />

unbeschadet zu erobern, misslang.<br />

Die Bilanz der ersten Kampf -<br />

handlungen mit Eisenbahn-Bezug<br />

war dennoch blutig<br />

48


deutscher Offiziere für einen angeblich „von einem Unzurechnungsfähigen<br />

verursachten Zwischenfall“. Als die Wehrmacht am 1. September<br />

<strong>1939</strong> tatsächlich angriff, funktionierte die von polnischer<br />

Seite ausgelöste Sprengung des Tunnels planmäßig. Die erste<br />

Militäraktion des Zweiten Weltkriegs mit Eisenbahn-Bezug war in<br />

jeder Hinsicht gescheitert.<br />

Die Weichselbrücken bei Dirschau<br />

Bei Kriegsbeginn versuchte die deutsche Wehrmacht erneut, ein<br />

Eisenbahn-Ziel in Polen zu vereinnahmen. Ein besonders neuralgischer<br />

Bereich der deutsch-polnischen Grenze war in der Zwischenkriegszeit<br />

– und im Falle eines Angriffs – der Unterlauf der Weichsel.<br />

Nur eine einzige leistungsfähige Verbindung führte von Marienburg<br />

(in Westpreußen, verkehrsgeographisch jedoch zum abgetrennten<br />

Ostpreußen gehörend) durch das Gebiet der Freien Stadt Danzig<br />

und sodann in Gestalt einer Straßen- und einer Eisenbahnbrücke<br />

über den breiten Strom in das im polnischen Korridor gelegene Dirschau.<br />

Für den Fall eines deutschen Angriffs war mit einer polnischen<br />

Sprengung zu rechnen.<br />

Ab Mitte Juli <strong>1939</strong> erkundete die deutsche Seite so heimlich wie<br />

sorgfältig die Aufstellung der polnischen Posten, den Verlauf der<br />

Sprengleitungen und die möglichen Sprengstellen.<br />

Am 1. September <strong>1939</strong> versteckten sich auf dem deutschen Grenzbahnhof<br />

und deutsch-polnischen Lokwechselbahnhof Marienburg<br />

mehrere Pionierkompanien in einem leeren Güterzug, der dann der<br />

polnischen Seite wie üblich als abholbereit gemeldet wurde. Aus<br />

Dirschau kam eine Lok mit polnischem Personal. Die <strong>Deutsche</strong>n<br />

töteten den Lokführer und den Heizer – es waren die ersten Toten<br />

des Zweiten Weltkriegs – und ersetzten sie durch eine deutsche<br />

Besatzung in polnischen Eisenbahneruniformen. Der Zug setzte<br />

sich in Richtung Danziger Gebiet und Weichselbrücke in Bewegung,<br />

in einigem Abstand gefolgt von einem behelfsmäßigen Panzerzug.<br />

Damit die Fahrt dieser Züge nicht in Richtung Dirschau gemeldet<br />

werden konnte, ermordeten von Danzig aus operierende Kommandotrupps<br />

20 an der Strecke Dienst verrichtende polnische Eisenbahner.<br />

Noch bevor die Züge die Brücke erreicht hatten, griffen Sturzkampfbomber<br />

der deutschen Luftwaffe um 04:33 Uhr den Bahnhof<br />

Dirschau und den Unterstand an, von dem aus die Sprengung geleitet<br />

werden sollte. Dadurch gewarnt, konnten polnische Kräfte die an<br />

der Brücke angebrachten Tore schließen und zusätz liche Sperren<br />

anbringen. Noch bevor die aus den Zügen gesprun genen deutschen<br />

Soldaten die Hindernisse überwinden und die Sprengleitungen<br />

durchschneiden konnten, sprengten die Polen um 06:10 Uhr und<br />

06:40 Uhr zwei Pfeiler der Eisenbahnbrücke.<br />

Für den Bahnverkehr war dies ein Debakel: Es sollte bis zum<br />

18. Oktober <strong>1939</strong> dauern, bis ein beschränkter Verkehr über eine<br />

Behelfsbrücke anlaufen konnte.<br />

Andreas Knipping<br />

Mit Kriegsbeginn versuchte die Wehrmacht, die Eisenbahnbrücken<br />

bei Dirschau unbeschadet zu erobern. Aber der Angriff vom<br />

1. September <strong>1939</strong> wurde zum Fiasko; den polnischen Verteidigern<br />

gelang die Sprengung der Brücke, die Verbindung blieb bis Mitte<br />

Oktober unterbrochen (Bild vom 8. September <strong>1939</strong>) Slg. Dr. Brian Rampp<br />

O l<br />

s a<br />

g e<br />

b i<br />

e t<br />

Jablunkapass<br />

Im November 1938<br />

hatte Polen seine<br />

Grenze westwärts<br />

ausgedehnt und<br />

tschechoslowakisches<br />

Gebiet<br />

vereinnahmt; die<br />

magentafarbene<br />

Linie markiert den<br />

übernommenen<br />

Bereich. In diesem<br />

liegt auch der<br />

Jablunka-Pass,<br />

den ein deutscher<br />

Verband im Vorfeld<br />

des Angriffs auf<br />

Polen für den Auf -<br />

marsch einnehmen<br />

wollte<br />

Slg. Andreas Knipping/<br />

Bearbeitung: Anneli Nau<br />

Das Streckennetz<br />

rund um Dirschau<br />

<strong>1939</strong>; von Marienburg<br />

aus versuchte<br />

die Wehrmacht,<br />

die Eisenbahn -<br />

brücken über die<br />

Weichsel unversehrt<br />

einzunehmen<br />

Slg. A. Knipping<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 49


Betrieb<br />

| REICHS<strong>BAHN</strong>-FAHRPLAN VOR UND NACH KRIEGSBEGINN<br />

Verwaltung<br />

des Mangels<br />

Gestützt auf den Winterfahrplan 1935/36, wurde schon 1936 mit<br />

der Ausarbeitung eines Fahrplanes für den Kriegsfall begonnen.<br />

Spätestens 1938 war die <strong>Reichsbahn</strong> aktiv in die Vorbereitungen für<br />

den Krieg einbezogen und wurde das größte Transportunternehmen<br />

für die Wehrmacht. <strong>1939</strong> galt bei ihr letztmals ein Friedensfahrplan<br />

50


Dienst im Thüringer Wald: Am 1. Juni <strong>1939</strong> ist 94 1167 mit P 3073 auf dem Weg zum Rennsteig (Bild bei Thomasmühle).<br />

Auch im Nahverkehr reduzierte die <strong>Reichsbahn</strong> zu Kriegsbeginn den Betrieb, aber weniger als im Fernverkehr Slg. Brinker<br />

Am 20. April <strong>1939</strong>,<br />

dem reichsweit<br />

mit immensem<br />

Pathos began -<br />

genen „Führergeburtstag“,<br />

hält<br />

Carl Bellingrodt<br />

den nordwärts<br />

fahrenden FD 101<br />

„Rheingold“<br />

bei Boppard am<br />

Rhein im Bild<br />

fest. Es sollte<br />

der letzte Führergeburtstag<br />

sein,<br />

an dem der<br />

luxuriöse Fernschnellzug<br />

im<br />

Einsatz war<br />

Slg.der Eisenbahnstiftung<br />

Bereits 1938 musste die <strong>Reichsbahn</strong><br />

umfangreiche Veränderungen in der<br />

Betriebsführung vornehmen. Nach<br />

dem „Anschluss“ Österreichs an das <strong>Deutsche</strong><br />

Reich im Frühjahr wurde die Österreichische<br />

Bundesbahn (BBÖ) in die <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Reichsbahn</strong> (DRB) überführt und der Betriebsdienst<br />

schleppend angeglichen. Die<br />

Zahl der über Passau abgefertigten Güterzüge<br />

hatte sich beispielsweise im Oktober<br />

1938 mehr als verdoppelt, doch wurde die<br />

zolltechnische Behandlung der Güter erst<br />

Ende 1938 abgeschafft. Anpassungen an die<br />

organisatorische Struktur der <strong>Reichsbahn</strong>,<br />

Fahrplanänderungen und die beschleunigte<br />

Ausrüstung der österreichischen Güterzuglokomotiven<br />

und -wagen mit Druckluft -<br />

bremsen zogen sich weit über das Jahr 1938<br />

hinaus.<br />

Diesem ersten expansiven Schritt folgten<br />

seit Anfang Oktober 1938 weitere Gebiets -<br />

besetzungen in benachbarten Staaten, die<br />

erst im März <strong>1939</strong> mit dem Einmarsch in Litauen<br />

und der Besetzung des Memelgebietes<br />

ein Ende fanden. Jeder dieser politischen<br />

Schrit te zur Einverleibung benachbarter Gebiete<br />

musste durch die <strong>Reichsbahn</strong> als größtem<br />

Verkehrsträger im <strong>Deutsche</strong>n Reich<br />

ge tra gen werden. Die Transportleistungen<br />

wuch sen, die Fahrpläne im Reise- und Güter -<br />

zug verkehr waren beständig den neuen<br />

Er for dernissen anzupassen.<br />

Die großen militärischen und industriel -<br />

len Bauvorhaben im Reich hatten zudem<br />

zu einer erheblichen Wanderungsbewegung<br />

von Arbeitskräften geführt, welche vornehmlich<br />

die <strong>Reichsbahn</strong> bewältigen musste. Der<br />

Urlaubs- und Feiertagsverkehr brachte die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> immer wieder an den Rand ihrer<br />

Möglichkeiten. Gegenüber 1937 wurden 1938<br />

rund 30 Prozent mehr D-Züge und 20 Pro -<br />

zent mehr Eilzüge zur Verfügung gestellt,<br />

begleitet durch zusätzliche Saisonzüge und<br />

265 Feriensonderzüge. Der Fahrplan des<br />

Fernverkehrs wurde <strong>1939</strong> nur gering erweitert,<br />

blieb aber im Rahmen der angespannten<br />

Verhältnisse von 1938.<br />

Fernschnellzüge <strong>1939</strong> und danach<br />

In rascher Folge hatte die <strong>Reichsbahn</strong> seit<br />

1934 das Angebot an Fernschnellzügen (FD)<br />

ausgebaut. Neu hinzu kamen Verbindungen<br />

mit Dieseltriebzügen (FDt), die anfänglich<br />

eine schnelle Verbindung ausgewählter<br />

Groß städte mit Berlin darstellten. Ab 1935<br />

Noch zum Sommer <strong>1939</strong><br />

gab es neue FDt-Züge – sie<br />

fuhren bis Ende August<br />

wurden auch innerdeutsche Schnelltriebwagenverbindungen,<br />

zum Beispiel Köln – Hamburg-Altona,<br />

geschaffen. Diese meist kurzen,<br />

nur die 2. Wagenklasse führenden Züge stellten<br />

als FDt-Züge einen Zusatzverkehr zum<br />

vorhandenen D- und Eilzugverkehr sowie<br />

den dampfbespannten FD-Zügen dar. Mit<br />

dem Sommerfahrplan 1936 wurde ab Mai<br />

auf der Strecke Berlin – Breslau – Beuthen<br />

erstmals auch die 3. Wagenklasse in einem<br />

51


Betrieb<br />

| REICHS<strong>BAHN</strong>-FAHRPLAN VOR UND NACH KRIEGSBEGINN<br />

Stichwort<br />

Projekt Einbett<br />

Um im Fernreiseverkehr den Wettbewerb<br />

mit Kraftwagen und Flugzeug bestehen<br />

zu können, plante die <strong>Reichsbahn</strong> Ende<br />

der 1930er-Jahre ein Projekt der „Einbettschlafwagenzüge“.<br />

Der gehobene Komfort<br />

sollte die Schiene als Reisemöglichkeit<br />

noch attraktiver machen; immerhin<br />

hatte die Zahl der Reisenden in Schlafwagen<br />

von 1933 bis 1938 um 386.326 Personen<br />

oder 74,18 Prozent zugenommen.<br />

Im Auftrag der <strong>Reichsbahn</strong> fertigten die<br />

Waggonfabrik Wegmann & Co, Kassel,<br />

und die Linke-Hofmann-Werke AG, Breslau,<br />

insgesamt fünf Entwürfe und Modelle<br />

für 26 Meter lange, eineinhalbstöckige<br />

Schlafwagen mit Seitengang. Für<br />

einen deutlichen Qualitätssprung sollten<br />

je nach Entwurf 15 bis 22 Einbettabteile<br />

pro Wagen sowie Dusch- und Frühstücksräume<br />

sorgen. Der Verzicht auf den Wagenklassenunterschied<br />

und ein tragbarer<br />

Preis für das Einzelabteil (Fahrkarte<br />

2. Klasse plus Liegewagenzuschlag)<br />

würde zudem eine erhebliche Zunahme<br />

der Schlafwagenfahrten bringen.<br />

Seit 1936 setzte die <strong>Reichsbahn</strong> auch elektrische Schnelltriebwagen ein, im Bild elT 1900 in<br />

Geislingen auf der Fahrt von München nach Stuttgart. Nach ziemlich genau drei Jahren wurden<br />

sie kriegsbedingt abgestellt Slg. Oliver Strüber<br />

Schlafwagen-<br />

Fahrplan der<br />

Mitropa von <strong>1939</strong>;<br />

die Planungen für<br />

die komfortablere<br />

Ein-Bett-Variante<br />

liefen zu der<br />

Zeit schon, eine<br />

Realisierung<br />

unterblieb aber<br />

Slg. Dieter Heckl<br />

Neben der Umstellung vorhandener<br />

Schlafwagenkurse auf Einbettschlaf -<br />

wagen sollten Einbettschlafwagenzüge<br />

in die Urlaubsgebiete verkehren. Um<br />

eine ausreichende Nachtruhe zu gewährleisten,<br />

wurde deren Höchstgeschwindigkeit<br />

auf 90 km/h festgelegt. Als Zuglokomotiven<br />

sah man die in Bau befindlichen<br />

Baureihen 45 (Dampflok, Bauart<br />

1’E1‘-h3) und E 94 (Ellok, Achsfolge<br />

Co’Co‘) vor. Die Dampflokomotive sollte<br />

einen 1.000-Tonnen-Zug aus Gepäckwagen<br />

und 19 Schlafwagen für 342 Reisende<br />

befördern; die Ellok war für einen<br />

2.000-Tonnen-Zug aus Gepäckwagen<br />

und 38 Schlafwagen für 684 Reisende<br />

vorgesehen.<br />

Doch dazu kam es nicht: Der Ausbruch<br />

des Zweiten Weltkriegs verhinderte<br />

die weitere Ausführung des Projekts.<br />

Heute erinnert daran nur noch eine<br />

Denkschrift.<br />

Leonhard Bergsteiner<br />

52<br />

Im Juni <strong>1939</strong> ist eine E 44 mit einem Sonderzug im Württembergischen unterwegs. Vor allem<br />

für den Ferienverkehr legte die <strong>Reichsbahn</strong> in jenem Sommer viele zusätzliche Züge ein –<br />

und dann wieder, als der Aufmarsch begann Slg. Dirk Winkler<br />

Schnelltriebwagen mitgeführt. Zudem ergänzte<br />

die <strong>Reichsbahn</strong> den repräsentativen<br />

Triebwagenverkehr durch den Einsatz<br />

des dampfbespannten Henschel-Wegmann-<br />

Zuges auf der Strecke Dresden – Berlin Anhalter<br />

Bahnhof – Dresden. Ab August 1936<br />

kamen erstmals elektrische Schnell trieb -<br />

wagen zwischen München und Stutt gart<br />

zum Einsatz.<br />

Die <strong>Reichsbahn</strong> passte die Verbindungen<br />

über die Jahre und im Rahmen der Ablieferung<br />

neuer Fahrzeuge der stetig wachsenden<br />

Nachfrage an. Mit Einführung des Sommerfahrplans<br />

<strong>1939</strong> richtete sie vier neue Verbindungen<br />

ein: Basel SBB – Karlsruhe – Frankfurt<br />

(Main) – Halle – Berlin Anhalter Bahnhof,<br />

Basel DRB – Karlsruhe – Frankfurt (Main) –<br />

Köln – Dortmund, Leipzig – Magdeburg –<br />

Hannover – Bremen – Wesermünde, Hamburg-Altona<br />

– Magdeburg – Halle – Leipzig –<br />

Dresden Hbf. Auf der Strecke Berlin Lehrter<br />

Bahnhof – Hamburg-Altona wurde ein zusätzliches<br />

Zugpaar eingelegt. Für Mitte August<br />

war weiterhin die Aufnahme eines Zugpaares<br />

auf der Strecke Breslau – Liegnitz –<br />

Görlitz – Dresden-Neustadt – Leipzig vorgesehen.<br />

Sie sollte jedoch nicht mehr zustande<br />

kommen.<br />

Denn am 22. August <strong>1939</strong>, noch vor dem<br />

Überfall auf Polen, schränkte die Reichs -


Auf die Gastlichkeit im Speiseabteil der Schnelltriebwagen (Foto) müssen die Reisenden ab<br />

22. August <strong>1939</strong> verzichten; mit dem in Kraft tretenden Notfahrplan stellt die <strong>Reichsbahn</strong> die<br />

Triebwagen ab. Auch das allgemeine Speisewagen-Angebot wird eingeschränkt Slg. Gerhard<br />

Das Erinnerungsfoto mit Soldat täuscht über<br />

den Ernst der Lage hinweg. Ab Spätsommer<br />

<strong>1939</strong> gelten für die zivilen Reisenden andere<br />

Regeln; die <strong>Reichsbahn</strong> reduziert die Zugzahl<br />

und verlängert die Fahrzeiten Slg. Peter Schricker<br />

bahn ihr Fernreiseangebot deutlich ein. Die<br />

Fernschnellzugverbindungen wurden nahe -<br />

zu komplett eingestellt; auch der FD 101/102<br />

„Rheingold“ Hoek van Holland/Amsterdam –<br />

Basel (– Mailand), bis dato der Paradezug<br />

der <strong>Reichsbahn</strong>, und der Henschel-Wegmann-Zug<br />

verkehrten nicht mehr. Der Einsatz<br />

dieser teils luxuriös ausgestatteten Züge,<br />

die zudem nur einem ausgewählten, mengen -<br />

mäßig kleinen Publikum dienten, hatte in<br />

einem Krieg, der aller verfügbaren Reserven<br />

bedurfte, keinen Platz mehr. Der Sommerfahrplan<br />

von 1941 weist nur noch ein FD-Zugpaar<br />

aus. Einen Ersatz für diese Züge sollte<br />

es nicht geben. Die Reisenden waren nunmehr<br />

auf die verbliebenen Züge in den gleichen<br />

Relationen angewiesen, die allerdings<br />

meist wesentlich längere Fahrzeiten hatten.<br />

Vom Friedens- zum Kriegsfahrplan<br />

Die <strong>Reichsbahn</strong> ging auch in den Sommer<br />

des Jahres <strong>1939</strong> mit der großen Herausforderung,<br />

den Ferienverkehr zu bewältigen. Noch<br />

war es vielen Menschen im <strong>Deutsche</strong>n Reich<br />

möglich, an die See oder ins Gebirge zur Erholung<br />

zu fahren. Dazu gab es die Urlauberströme<br />

der auswärtigen Arbeiter von den<br />

Großbaustellen im Reich, wie den Hermann-<br />

Göring-Werken bei Salzgitter, den Volkswagenwerken<br />

bei Fallersleben oder dem Bau<br />

des Westwalls. Einschränkungen wurde vor<br />

allem bei den Gesellschafts- und Verwaltungssonderzügen<br />

vorgenommen. Zusätzliche<br />

Sonderzugleistungen musste die <strong>Reichsbahn</strong><br />

hingegen für Wehrmachtsurlauber sowie<br />

den Wochenendverkehr auswärtig<br />

beschäftigter Arbeiter oder abgeordneter Beamter<br />

stellen. Im stark belasteten Güterverkehr<br />

suchte sie nach Entlastung durch betriebliche<br />

wie auch bauliche Maßnahmen.<br />

So wurden <strong>1939</strong> geschlossene Kohlezüge eingeführt,<br />

die zur Stabilisierung der Kohleversorgung<br />

im Reich beitragen sollten. Gleichzeitig<br />

war ein besonderer Kohleverkehr von<br />

Saar, Ruhr und Oberschlesien nach Italien<br />

sicherzustellen. Materialtransporte zu den<br />

Baustellen der Industrie, aber auch der Organisation<br />

Todt (Limesprogramm) banden<br />

beträchtliches Wagenmaterial und führten<br />

zu einer Anspannung des Güterzugfahrplans.<br />

Eine weitere Belastung des Regelbetriebs<br />

brachten die verschiedenen militärischen<br />

Aufmärsche für den Angriff. In dieser Zeit,<br />

bis zum Herbst <strong>1939</strong>, wurde der Reisezugverkehr<br />

auf die Züge des so genannten Stammplanes<br />

reduziert, die mit 350 bis 500 Tonnen<br />

Zuggewicht im Fernreiseverkehr nur ungenügend<br />

die Anforderungen erfüllten. Wer reisen<br />

wollte, brauchte Geduld und Zeit. Zusätzlich<br />

wurde der Verkehr durch die mit Kriegsbeginn<br />

eingeführte Verdunkelung von Zügen<br />

und Anlagen erschwert. Das Ein- und Aus-<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 53


Betrieb<br />

| REICHS<strong>BAHN</strong>-FAHRPLAN VOR UND NACH KRIEGSBEGINN<br />

Unterhalb von Burg Lauenstein im Frankenwald sind im Frühjahr <strong>1939</strong> zwei Schnelltriebwagen<br />

unterwegs. Die FDt-Verbindung Berlin – München, von der <strong>Reichsbahn</strong> stolz in solchen<br />

Bildern dokumentiert, hat bald darauf ausgedient; im Krieg sieht man sie als unnötig an<br />

steigen im Dunkeln verlängerte die nicht<br />

fahrplanmäßigen Aufenthalte auf den Bahnhöfen<br />

und führte zu Betriebsschwierigkeiten.<br />

Auch das Gefahrenrisiko stieg. Erst nach<br />

Ende des Polenfeldzuges wurden die Fahrpläne<br />

wieder erweitert, so dass ein ausreichender<br />

Reise- und Güterzugbetrieb gewährleistet<br />

werden konnte.<br />

Von einer Normalisierung konnte jedoch<br />

keine Rede sein. Das zeigt sich auch daran,<br />

dass die <strong>Reichsbahn</strong> jeweils zum 8. Oktober<br />

Besonderes Augenmerk<br />

auf der Sicherstellung<br />

des Weihnachtsverkehrs<br />

<strong>1939</strong>, zum 1. Dezember <strong>1939</strong> und nochmals<br />

zum 21. Januar 1940 einen offiziellen Fahrplanwechsel<br />

durchführte. Kleinere Fahrplanänderungen<br />

nahm sie nahezu wöchentlich<br />

vor und passte so den Betrieb den Erfordernissen<br />

des Kriegsverkehrs an. Das verfüg -<br />

bare Fahrzeugmaterial spielte hierbei eben -<br />

so eine Rolle wie das durch die Okkupation<br />

Polens neuerlich hinzugekommene Netz mit<br />

seinen Strecken und Zugbildungsstationen.<br />

Fronturlauberzüge waren neu mit einzuplanen,<br />

und gleichermaßen auch Lazarett- und<br />

Leichtkrankenzüge sowie Transporte für<br />

Umsiedler, Evakuierungen und Räumungen.<br />

54<br />

Die <strong>Reichsbahn</strong> versuchte der angespannten<br />

Lage durch eine generelle Reduzierung der<br />

Zahl der Reisezüge zu begegnen. Weniger,<br />

aber längere Züge sollten einerseits Transportkapazität<br />

sicherstellen, zum anderen<br />

Personal und Fahrzeuge einsparen helfen.<br />

Das Zuggewicht der Reisezüge wurde auf<br />

600 Tonnen erhöht.<br />

Neben dem Berufsverkehr, der reibungslos<br />

durchzuführen war, wurde besonderes<br />

Augenmerk im Reisezugbetrieb auf die Sicherstellung<br />

des Weihnachtsverkehrs <strong>1939</strong><br />

gelegt, zu dem man die letzten Betriebsre -<br />

serven benötigte. Unter diesen Bedingungen<br />

wurde auch die kurzzeitige Verwendung von<br />

Verbrennungstriebwagen vom 18. Dezember<br />

<strong>1939</strong> bis zum 4. Januar 1940 genehmigt.<br />

Kriegsfolgen für den Fahrzeugpark<br />

Der Geschäftsbericht der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong><br />

für das Jahr <strong>1939</strong> zeigt auf, welche Anforderungen<br />

der Krieg auch an ihren Fahrzeugbestand<br />

stellte. Die <strong>Reichsbahn</strong> musste<br />

zwei- und vierachsige Reisezugwagen für<br />

Truppentransporte sowie Lazarettzüge<br />

stellen, weiterhin höherwertige Reisezug-,<br />

Speise- und Schlafwagen für die zahlreichen<br />

Sonderzüge der Wehrmacht und der Reichsregierung.<br />

Der dadurch hervorgerufene<br />

Fahrzeugmangel ließ sich nicht ausgleichen.<br />

Abfahrsignal für den Schnellzug Berlin –<br />

München – Rom am Anhalter Bahnhof. Der<br />

Bedarf an vierachsigen Reisezugwagen<br />

für das Militär dünnte den Bestand bei der<br />

<strong>Reichsbahn</strong> ab Mitte <strong>1939</strong> aus Slg. Gerhard (2)<br />

Vielmehr hatte das Konsequenzen für den<br />

Regelbetrieb: So wurde der Einsatz von Speisewagen<br />

in den Zügen mit Kriegsbeginn eingeschränkt<br />

und ab dem 1. Juni 1942 gänzlich<br />

eingestellt.<br />

Zusätzliche Transportkapazitäten banden<br />

schon Ende <strong>1939</strong> hunderte von Sonderzügen<br />

für deutsche Flüchtlinge aus Polen, Umsied -<br />

ler aus dem Baltikum und der Sowjetunion<br />

sowie für erste Fremdarbeiter. Aus dem Baltikum<br />

über den Seeweg ankommende 70.000<br />

Baltendeutsche mussten <strong>1939</strong> im <strong>Deutsche</strong>n


Vergleich<br />

Fahrplanbeispiele <strong>1939</strong>/1940<br />

Schon am 22. August <strong>1939</strong> führte die <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Reichsbahn</strong> einen Notfahrplan ein.<br />

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs<br />

kam es dann zu weiteren, erheblichen<br />

Einschränkungen im Zugverkehr.<br />

Das zeigt hier beispielhaft die Gegenüberstellung<br />

für die Strecke München –<br />

Ingolstadt (– Nürnberg). Die Tabelle verzeichnet<br />

den Zugverkehr im Sommer <strong>1939</strong><br />

und nach dem ab 21. Januar 1940 gültigen<br />

Kursbuch – nachdem bereits einige Fahrplanwechsel<br />

vorgenommen waren.<br />

Enthalten sind jeweils alle Züge zwischen<br />

München und Ingolstadt (ohne den Vorortverkehr<br />

München – Petershausen);<br />

darüber hinaus wurden nur die weitergehenden<br />

Zugläufe berücksichtigt.<br />

Der Übersichtlichkeit halber ist lediglich<br />

das Zugangebot in einer Richtung dar -<br />

gestellt, für die Gegenrichtung gilt analog<br />

das gleiche.<br />

Fahrplan Sommer <strong>1939</strong><br />

Zug-Nr D 47 P 217 FDt D 467 E 155 D 139 D 89 FD P 847 P 211 P 209 Vz P 213 D 503 P 207 P 255 E 390 P 889 P 235 D 387 D 463 P 271 D 363 P 243<br />

551 263 213<br />

Verkehrstage TGL TGL W Sais. TGL Sais. TGL TGL TGL TGL TGL Sa TGL Sais. TGL TGL TGL TGL TGL TGL TGL TGL TGL TGL<br />

München Hbf ab 0:00 5:05 6:40 6:45 7:00 8:35 8:55 9:15 9:25 9:43 11:48 12:55 13:07 13:50 15:20 16:52 17:50 19:30 20:20 21:40 22:15 22:30 23:20 23:26<br />

Ingolstadt Hbf an 0:57 6:49 I 7:34 8:02 9:31 9:48 I 10:31 11:29 13:05 14:37 14:50 14:43 17:05 18:35 18:46 20:40 22:00 I I 23:45 I 0:53<br />

Ingolstadt Hbf ab 0:59 7:03 I 7:36 8:04 9:34 9:50 I 10:35 11:44 15:18 14:45 17:15 19:03 18:49 20:42 22:13 I I I 1:07<br />

Treuchtlingen an 1:48 8:36 I I 8:56 I I I 11:33 12:59 16:36 I 20:19 19:42 21:39 23:30 I I I<br />

Treuchtlingen ab 1:56 I I 9:04 I I I 11:41 16:47 I 20:34 19:50 21:47 I I I<br />

Nürnberg Hbf an 2:40 8:31 9:55 11:03 ~ ~ 12:39 18:02 ~ 21:58 20:38 22:47 ~ ~ ~<br />

Würzburg Hbf an 4:33 12:37 12:24 17:20 1:13 1:45 2:49<br />

weiter nach Dortm. Berl. Müns. Berl. Hamb. Hoek Leipz. Würz. Ingol. Eisen. Hamb. Köln Dort- Ingol.<br />

Nordd. An.Bf. Brem. v. H. (Dtm.) Nord Brem. mund Nord<br />

FahrplanJanuar 1940<br />

Zug-Nr D 47 P 217 E 155 D 139 FD P 847 P 209 Vz P 213 P 207 P 255 E 390 P 889 P 235 D 387 D 363 P 271<br />

263 213<br />

Verkehrstage TGL TGL TGL Sais. TGL TGL Sa Sa TGL TGL TGL TGL TGL TGL TGL TGL So<br />

München Hbf ab 0:00 4:53 6:40 10:05 8:50 8:55 11:50 13:00 13:10 14:50 16:40 18:00 20:18 20:30 21:40 22:20 22:30<br />

Ingolstadt Hbf an 1:01 6:51 7:49 11:07 I 10:06 13:13 14:53 15:03 16:37 18:38 19:01 21:32 22:19 I I 23:57<br />

Ingolstadt Hbf ab 1:04 7:03 7:52 11:10 I 10:10 15:28 17:15 19:16 19:05 21:36 I I<br />

Treuchtlingen an 1:55 8:30 8:48 I I 11:07 16:50 20:41 20:01 22:48 I I<br />

Treuchtlingen ab 1:58 8:56 I I 11:15 17:06 20:56 20:10 I I<br />

Nürnberg Hbf an 2:47 9:55 12:51 ~ 12:26 18:38 22:37 21:13 ~ ~<br />

Würzburg Hbf an 4:50 12:20 1:32 2:12<br />

weiter nach Dortm. Berl. HH Dort- Leipz. Ingol. Schw.- Hamb. Dort-<br />

Nordd. Brem. mund Nord furt mund<br />

Weitere bei Kriegsausbruch vorgenommene<br />

Einschränkungen können aus einer<br />

Mitteilung im Amtsblatt der <strong>Reichsbahn</strong>direktion<br />

München vom 13. Oktober <strong>1939</strong><br />

abgeleitet werden. Dort wurde verkündet,<br />

dass ab Samstag, 14. Oktober <strong>1939</strong>, täglich<br />

folgende „neuen Züge“ verkehrten:<br />

Ke 155 München Hbf 7:00 Uhr – Treuchtlingen<br />

8:49 Uhr (weiter bis Nürnberg)<br />

Ke 156 (Nürnberg –) Treuchtlingen 21:20<br />

Uhr – München Hbf 23:08 Uhr<br />

E 390 München Hbf 17:48 Uhr – Treuchtlingen<br />

19:42 Uhr (weiter bis Schweinfurt)<br />

Drei weitere Züge wurden noch zwischen<br />

München und Dachau/Petershausen<br />

eingelegt.<br />

An Samstagen gab es diese „neuen Züge“:<br />

Kp 209 Sa München Hbf 12:00 Uhr – Ingolstadt<br />

Hbf 13:22 Uhr<br />

Kp 270 Sa Ingolstadt Hbf 13:48 Uhr – München<br />

Hbf 15:25 Uhr<br />

Ein weiteres Zugpaar wurde zwischen<br />

Mün chen Hbf und München-Allach eingelegt.<br />

Ab Sonntag, 15. Oktober, kam auch<br />

E 389 Schweinfurt – München (Gegenzug<br />

von E 390) neu hinzu.<br />

Bei den Kürzeln steht „Ke“ für „Kleiner<br />

Eilzug“ und „Kp“ für „Kleiner Personenzug“<br />

– dies waren interne Zuggattungs -<br />

bezeichnungen, die im Kursbuch nicht<br />

vorkamen.<br />

Beim Vergleich mit der Tabelle von <strong>1939</strong><br />

ist allerdings erkennbar, dass es diese<br />

Züge im Sommer <strong>1939</strong> schon gegeben hat.<br />

So gesehen waren sie nicht „neu“, sondern<br />

dürften bei Kriegsbeginn ausgefallen<br />

sein. Bemerkenswert ist, dass sich die<br />

angegebenen Fahrzeiten noch kaum verlängert<br />

haben; bei Ke 155 wäre sogar eine<br />

Verkürzung eingetreten. Diese Züge finden<br />

sich auch in dem ab 21. Januar 1940<br />

gültigen Fahrplan, nun aber mit verlängerten<br />

Fahrzeiten wie bei allen Zügen.<br />

Bei den Personenzügen gab es vor allem<br />

vormittags und abends deutliche Reduzierungen<br />

gegenüber dem Fahrplan von<br />

<strong>1939</strong>. Bei den Schnellzügen entfielen<br />

der Tageszug D 89 München – Hamburg/<br />

Bremen sowie der Nachtzug D 463 München<br />

– Köln. D 363, der die gleiche Relation<br />

bediente, wurde um eine Stunde verschoben<br />

und trat an die Stelle des D 463,<br />

FD 263 hatte das neue Ziel Dortmund statt<br />

Hoek van Holland.<br />

Bei den saisonierten Schnellzügen war<br />

im Sommer <strong>1939</strong> ein Verkehrszeitraum<br />

meist bis Mitte September vorgesehen<br />

(Sommerhauptsaison). Es kann davon<br />

ausgegangen werden, dass diese Züge<br />

auch ohne Kriegsausbruch im Winterfahrplan<br />

keine besondere Rolle gespielt hätten.<br />

Immerhin war noch D 139 München –<br />

Berlin mit Verkehrstagen im März (Ostern)<br />

Das Kursbuch vom Sommer <strong>1939</strong> dokumentiert<br />

den letzten „Friedensfahrplan“. Ihm<br />

folgten ab August <strong>1939</strong> meh rere Fahrplanwechsel<br />

kurz hintereinander Slg. A. Knipping<br />

und Mai (Pfingsten) enthalten; der Zug<br />

dürfte auch zur Weihnachtszeit gefahren<br />

sein. D 139 war schließlich der einzige<br />

Zug nach Berlin, der noch auf der Ingolstädter<br />

Strecke verkehrte. Auch vor<br />

Kriegsausbruch hatte die Strecke wenig<br />

Bedeutung im Berlin-Verkehr; diese Züge<br />

fuhren fast alle über Augsburg. Nur der<br />

Schnelltriebwagen FDt 551 durcheilte die<br />

Strecke ohne Halt bis Nürnberg; aber für<br />

diese Triebwagen war schon am 22. August<br />

<strong>1939</strong> das Aus gekommen. Josef Mauerer<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 55


Betrieb<br />

| REICHS<strong>BAHN</strong>-FAHRPLAN VOR UND NACH KRIEGSBEGINN<br />

Ab Januar 1940 galt für<br />

Reisezüge 90 km/h<br />

Höchstgeschwindigkeit<br />

Reisende am Anhalter Bahnhof in Berlin. Noch geht es recht unbeschwert zu – aber mit dem<br />

„Polenfeldzug“ haben zivile Reisen hinter militärischen Zwecken zurückzustehen Slg. Gerhard<br />

56<br />

Reich verteilt werden. Im Winter <strong>1939</strong>/40 waren<br />

über 120.000 <strong>Deutsche</strong> aus den in der<br />

Sowjetunion liegenden Gebieten von Wolhynien,<br />

Podolien und der Bukowina ins Reich<br />

zu transportieren. Unerwähnt bleibt in dem<br />

offiziellen Geschäftsbericht der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Reichsbahn</strong> für <strong>1939</strong>, dass bereits im Oktober<br />

<strong>1939</strong> erste Deportationszüge mit polnischen<br />

und österreichischen Juden rollten.<br />

Aufgrund des Krieges musste die <strong>Reichsbahn</strong><br />

den Güterzugfahrplan vollkommen<br />

überarbeiten und die Aufenthalts- und Fahrzeiten<br />

sowie die Zugbildung der Verkehrsentwicklung<br />

bis Ende <strong>1939</strong> anpassen. Die<br />

ständige Verdunkelung der Anlagen führte<br />

zu zusätzlichen Schwierigkeiten im Betrieb<br />

und ließ die Rangierleistung im Winter<br />

gegenüber der Vorkriegsleistung um bis zu<br />

20 Prozent sinken. Um die hohe Zahl von erforderlichen<br />

Wehrmachtszügen unter Schonung<br />

des zivilen Regelverkehrs auf den<br />

zweigleisigen Strecken fahren zu können,<br />

wur den im Dezember <strong>1939</strong> die Wehrmacht-<br />

Fahrpläne in den normalen Güterzugfahrplan<br />

eingearbeitet. Damit bestand zum Fahrplanwechsel<br />

zum 1. April 1940 ein gemein -<br />

samer Güter- und Wehrmachtfahrplan.<br />

Der Mangel wird zum Alltag<br />

Der Januar 1940 brachte der <strong>Reichsbahn</strong> die<br />

erste Transportkrise, die zu einer all ge mei -<br />

nen Annahmesperre im Güterverkehr führte.<br />

Am 9. Januar waren rund 100 Züge für die<br />

Wehrmacht in Betrieb, weitere 335 Züge waren<br />

für Truppentransporte und ähnliches bereitgestellt<br />

worden. Nach Angaben für den<br />

18. Januar befanden sich 1.500 Züge auf dem<br />

Gebiet des <strong>Deutsche</strong>n Reiches im Rückstau.<br />

Diese Zahl konnte bis Monatsende auf<br />

916 Züge reduziert werden.<br />

In Berlin und anderen deutschen Groß -<br />

städ ten führte die Transportkrise zu einem<br />

spürbaren Mangel an Kohle und Kartoffeln.<br />

Ursache war neben dem sehr kalten ersten<br />

Kriegswinter und den Wehrmachtstransporten<br />

vor allem die erwähnte Dunkelheit und<br />

die damit verbundene sinkende Rangierleistung<br />

auf den Rangierbahnhöfen. Aufhellungszonen<br />

auf den Rangierbahnhöfen so -<br />

wie der Transport von Kartoffeln in Gepäckund<br />

Reisezugwagen, die ein Beheizen zuließen,<br />

konnten die Krise kaum lindern.<br />

Nach dem sehr rasch erfolgreich abgeschlossenen<br />

Überfall auf Polen schlossen<br />

sich im Frühjahr 1940 die Überfälle auf Dänemark<br />

und Norwegen sowie die Niederlande,<br />

Belgien, Luxemburg und Frankreich<br />

an. Die hierzu notwendigen Mobilmachungen<br />

und Aufmärsche führten zu weiteren<br />

starken Einschränkungen des Eisenbahnverkehrs.<br />

Ausgenommen davon blieb zunächst<br />

nur der Berufs- und Güterverkehr. Die weitgehende<br />

Stilllegung des Omnibusverkehrs<br />

hatte zu einem erhöhten Bedarf im Bahnreiseverkehr<br />

geführt, der jedoch aufgrund der<br />

Truppenbewegungen nicht mehr in ausreichendem<br />

Maße bewältigt werden konnte.<br />

Zwar versuchte die <strong>Reichsbahn</strong> den Reiseverkehr<br />

noch so gut es ging aufrecht zu erhalten,<br />

musste allerdings das Reiseangebot<br />

und die mögliche Wagenzahl der Züge im -<br />

mer weiter reduzieren.<br />

Der zivile Reiseverkehr wurde ab dem<br />

10. Januar 1940 nochmals stark eingeschränkt.<br />

Eine Reduzierung der Reisezugleistungen<br />

auf den Stammfahrplan nahm die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> neuerlich zum 21. Januar 1940<br />

vor. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit<br />

für Reisezüge wurde auf 90 km/h reduziert,<br />

für Durchgangsgüterzüge auf 55 km/h und<br />

für Eil güterzüge auf 60 km/h, zusätzlich<br />

verlän gerte man für die Reisezüge die Aufenthalts-<br />

und Anschlusszeiten. Die Reduzierung<br />

der Güterzuggeschwindigkeiten hatte<br />

zu dem den Hintergrund, bei der nunmehr<br />

zuläs si gen Überladung der Wagen (ab 1940<br />

um eine Tonne) den Oberbau und das<br />

rollende Material zu schonen.<br />

Eine Rückkehr zum Friedensfahrplan<br />

sollte es in den folgenden Kriegsjahren nicht<br />

geben. Reiseeinschränkungen für die Be -<br />

völkerung wurden zum Alltag, Verkehrs -<br />

stockungen und Transportkrisen im Güterverkehr<br />

mehrten sich. Die <strong>Reichsbahn</strong>, das<br />

machten die Verhältnisse unmissver ständ -<br />

lich klar, war weder mit ihren Betriebs -<br />

mitteln und -anlagen noch mit ihrer Orga -<br />

nisation für einen Krieg vorbereitet.<br />

Dirk Winkler


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Die deutsch-deutschen Grenzbahnhöfe<br />

in der Zeit des Kalten<br />

Kriegs: Ein spannender und umfangreich<br />

bebilderter Band zur<br />

Eisenbahn- und Zeitgeschichte.<br />

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Am 7. Dezember 1835 rollte der<br />

»Adler« von Nürnberg nach Fürth:<br />

Das war der Beginn der deutschen<br />

Eisenbahn. Was seither passierte?<br />

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Bilderbogen<br />

| DAS BILDARCHIV DES REICHSVERKEHRSMINISTERIUMS (RVM)<br />

Von Technik und Romantik<br />

Wer in den späten 1930er-Jahren für eine Veröffentlichung Aufnahmen vom <strong>Reichsbahn</strong>-Betrieb<br />

suchte, hatte eine zentrale Anlaufstelle: das Bildarchiv des Pressedienstes des Reichsverkehrsministeriums.<br />

Eine Vielzahl an Fotografen versorgte die Abteilung in Berlin mit Bildmaterial<br />

Alte und neue Verkehrsmittel, harmonisch<br />

in der Landschaft platziert: Diesen Eindruck<br />

vermittelt die <strong>Reichsbahn</strong> auf dem Bild, das bei<br />

Teterow an der Hauptbahn Lübeck – Güstrow –<br />

Stettin aufgenommen wurde. Die Einteilung<br />

mit Loks und Wagen am Rand wirkt recht<br />

außergewöhnlich, rückte man doch sonst eher<br />

den Zug in den Mittelpunkt Slg. Oliver Strüber<br />

Viele RVM-Fotografien entstanden aus dokumentarischer Absicht, wie hier von<br />

einem Stellwerk in Erfurt. Unter dem Foto die für RVM-Aufnahmen typische<br />

Kurzinformation in Schreibmaschinenschrift Slg. Oliver Strüber<br />

Auch der Gleisbau war Teil des (im Bild festgehaltenen) Betriebsgeschehens.<br />

Die Aufnahme verweist auf den Einsatz der <strong>Reichsbahn</strong> für ein intaktes Netz –<br />

das in den 1930er-Jahren unter finanziellen Engpässen litt Slg. Helmut Brinker<br />

58


Mal technisch, mal dokumentarisch, mal stimmungsvoll: Die<br />

Auswahl der Fotografien, die der Pressedienst des Reichsverkehrsministeriums<br />

(RVM) vom Bahnbetrieb besaß, war<br />

von beeindruckender Vielfalt. Fast ebenso beeindruckend war die<br />

Bandbreite derer, welche die Bilder dazu beisteuerten.<br />

Die <strong>Reichsbahn</strong> selbst ließ von den bei den jeweiligen <strong>Reichsbahn</strong>direktionen<br />

angestellten Fotografen Aufnahmen anfertigen.<br />

Sie dokumentierten Bahnbauten und Bauarbeiten, aber sie hielten<br />

auch Eisenbahner im Betriebsdienst, das Reisegeschehen im<br />

Bahnhof oder Züge in der Landschaft im Bild fest. Vielfach fanden<br />

Motive in der <strong>Reichsbahn</strong>-Werbung Verwendung oder dienten zur Illustration<br />

in Fachpublikationen, wie der Hauszeitschrift „Die <strong>Reichsbahn</strong>“.<br />

Zentralisiert war das Lichtbildwesen der <strong>Reichsbahn</strong> jedoch<br />

lange Zeit nicht; jede Direktion unterhielt ihr eigenes Lichtbildarchiv.<br />

Aus diesem wurden stets Aufnahmen an das Bildarchiv des <strong>Reichsbahn</strong>-Pressedienstes<br />

weitergegeben, dort auf hochwertigem Fotopapier<br />

vervielfältigt und an Redaktionen ausgehändigt. Erst seit<br />

1933, im Zuge der „Gleichschaltung“, erlangte das <strong>Reichsbahn</strong>-Bildarchiv<br />

in Berlin eine übergeordnete, zentrale Funktion.<br />

„Eigene“ und „fremde“ Fotografen<br />

Ein wichtiges Aushängeschild der <strong>Reichsbahn</strong> jener Jahre war auch<br />

der <strong>Reichsbahn</strong>-Kalender, den ihr Pressedienst seit 1927 herausgab<br />

und den sie seit 1929 unter ein jährlich wechselndes Motto stellte.<br />

In dem Rahmen wollte man die Basis der Bildautoren erweitern –<br />

immerhin umfasste ein solcher Kalender mehr als 150 Seiten. Zu<br />

Direktionsfotografen wie Walter Hollnagel (RBD Altona), Paul Trost<br />

(Frankfurt (Main)) oder Ernst Below (Stettin) kamen nun auch<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 59


Bilderbogen<br />

| DAS BILDARCHIV DES REICHSVERKEHRSMINISTERIUMS (RVM)<br />

Dem Pressedienst des RVM war die Betonung des guten Zusammenspiels<br />

der verschiedenen Verkehrsträger wichtig. In diesem Beispiel zu<br />

sehen in Form der Umladung der Luftfrachtgüter von der Bahn in<br />

einen bereitstehenden Lufthansa-Kleinlastwagen Slg. Helmut Brinker<br />

<strong>Reichsbahn</strong>er im Dienst<br />

waren ein gern gewähltes Motiv<br />

der Direktionsfotografen.<br />

Im Bahnhof Rheydt nahm<br />

Walter Hollnagel am 16. Februar<br />

1938 die beiden Mitarbeiter<br />

in ihrer Amtsstube im<br />

Empfangsgebäude auf – samt<br />

dem „Führer“ an der Wand<br />

Slg. Helmut Brinker<br />

60


enommierte Fotografen außerhalb der <strong>Reichsbahn</strong>, zum Beispiel<br />

Willy Pragher aus Berlin oder das renommierte Bildarchiv Dr. Paul<br />

Wolff & Tritschler in Frankfurt (Main). Und, nicht zu vergessen:<br />

eisenbahnbegeisterte Privatleute wie Carl Bellingrodt oder Hermann<br />

Maey. Die beiden gehörten zu den Begründern des „<strong>Deutsche</strong>n<br />

Lokomotivbild-Archivs“, kurz DLA, das bei der Technischen Hochschule<br />

Darmstadt angesiedelt war. Diese Sammlung standardisierter<br />

Lokomotiv-Typenaufnahmen umfasste Ende der 30er-Jahre mehr<br />

als 5.000 Glasplatten. Just zum 1. April <strong>1939</strong> hatte die <strong>Reichsbahn</strong><br />

das DLA samt dessen Leiter Hermann Maey in eigene Dienste übernommen<br />

und der <strong>Reichsbahn</strong>-Filmstelle in Berlin angegliedert; diese<br />

war, ebenso wie das <strong>Reichsbahn</strong>-Bildarchiv, mittlerweile eine Unter -<br />

abteilung des Reichsverkehrsministeriums und in der Berliner Voßstraße<br />

35 angesiedelt. Beide agierten nun als Teil des Pressedienstes<br />

des RVM.<br />

Der beginnende Krieg sollte den dortigen Bildbestand schon bald<br />

um weitere Motive „ergänzen“. Solchen nämlich, die das Kriegsgeschehen<br />

rund um die <strong>Reichsbahn</strong> zeigten; dazu wurden später auch<br />

Direktionsfotografen wie etwa Walter Hollnagel, Ernst Below oder<br />

Walter Berkowski an die Front abkommandiert.<br />

Ein Großteil der alten Direktionsarchive fiel dem Kriegsge sche -<br />

hen besonders der letzten Wochen und Monate zum Opfer, anderes<br />

wurde später blindlings „entsorgt“. Völlig überraschend blieb gerade<br />

das Bildarchiv der RVM-Pressestelle im zuletzt hart umkämpften<br />

Berlin erhalten. Das meiste davon konnte – von einem Straßen bah -<br />

ner geborgen – in einem Versteck noch über die DDR-Zeit hinweg<br />

als Ganzes erhalten werden.<br />

Daneben blieben in verschiedensten Archiven weitere Motive<br />

erhalten. Sie alle legen noch heute Zeugnis ab vom Eisenbahn -<br />

geschehen der späten 30er-Jahre – und vom oftmals meisterlichen<br />

Lichtbildschaffen ihrer Fotografen.<br />

Oliver Strüber<br />

Die Rationalisierung und Beschleunigung des Güterumschlags war<br />

seit den späten 1920er-Jahren ein wichtiges Anliegen der <strong>Reichsbahn</strong>.<br />

Der von den Siemens-Schuckert-Werken gefertigte Elektrohubkarren<br />

war ein Beitrag dazu Slg. Oliver Strüber<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 61


Bilderbogen<br />

| DAS BILDARCHIV DES REICHSVERKEHRSMINISTERIUMS (RVM)<br />

<strong>1939</strong>/40 produzierte das Reichsverkehrs -<br />

ministerium den <strong>Reichsbahn</strong>-Film<br />

„D-Zug-Lok im Dienst“. Mitarbeiter<br />

von „Dix-Film München“ bei Dreharbeiten<br />

mit Protagonistin 03 147 im Bw Stolp<br />

DB Museum<br />

Die Höllentalbahn wird in den 1930er-Jahren zum Experimentierfeld für<br />

den elektrischen Betrieb mit Wechselstrom 25 kV/50 Hz. Das RVM lässt<br />

den technischen Fortschritt auch bildlich festhalten, hier zum Beispiel<br />

das Unterwerk bei Titisee Slg. Helmut Brinker<br />

Fast wie in einem Scherenschnitt rollt<br />

der Personenzug auf dem Bahndamm<br />

der Strecke Schneidemühl – Neustettin<br />

dahin. Künstlerische Motive wie dieses<br />

werden regelmäßig für den <strong>Reichsbahn</strong>-<br />

Kalender eingesetzt Slg. Oliver Strüber<br />

62


Als „Kathedralen der Technik“<br />

Als „Kathedralen der Technik“<br />

wurden Bahnhöfe oftmals gelobt.<br />

wurden Bahnhöfe oftmals gelobt.<br />

Etwas davon strahlt auch die<br />

Etwas davon strahlt auch die<br />

Bahnsteighalle des Personenbahnhofs<br />

von Frankfurt (Oder) aus<br />

Bahnsteighalle des Personenbahnhofs<br />

von Frankfurt (Oder)<br />

Slg. Oliver Strüber<br />

aus<br />

Slg. Oliver Strüber<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 63


Bilderbogen<br />

| DAS BILDARCHIV DES REICHSVERKEHRSMINISTERIUMS (RVM)<br />

„Ankunft eines Wintersport-<br />

Sonderzuges in Weißenstein<br />

(Württ)“ heißt es zu diesem<br />

Bild aus dem Bestand der<br />

RVM-Pressestelle. In Szene<br />

gesetzt wurde es vom<br />

Direk tionsfotograf der<br />

RBD Stuttgart, Bachmann<br />

Slg. Oliver Strüber<br />

Die Ausstrahlung, die Kinder<br />

auf Fotos entfalten, wusste auch<br />

der Pressedienst des RVM für<br />

Werbezwecke zu nutzen. Alle<br />

Faszination des (Eisenbahn-)Reisens<br />

scheint das junge Mädchen<br />

am D-Zug-Fenster zu vereinen<br />

Slg. Helmut Brinker<br />

64


Carl Bellingrodt steuerte<br />

wiederholt Motive für den<br />

alljährlichen <strong>Reichsbahn</strong>-<br />

Kalender bei. Auf diese<br />

Weise landete die von ihm<br />

am 18. September 1938<br />

bei Zell am See aufgenommene<br />

E 22 106 mit dem<br />

P 511 in den Beständen des<br />

RVM-Bildarchivs<br />

Slg. Helmut Brinker<br />

Selbst Kölner Umgangssprache brachte sich bei der Dokumentation des<br />

Eisenbahnbetriebs ein. Der „Rasende Tünnes“, wie der Schnelltriebwagen hier<br />

genannt wird, war 1936 im <strong>Reichsbahn</strong>-Kalender zu finden Slg. Oliver Strüber<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 65


Fahrzeuge<br />

| DER LOKBESTAND DER RBD MÜNCHEN<br />

66


Moderne<br />

<strong>Reichsbahn</strong>?<br />

Junge Elektrotraktion,<br />

Schnelltriebwagen, erste<br />

Einheits dampfloks – das<br />

war die eine Seite des Münchner<br />

Triebfahrzeugparks anno <strong>1939</strong>.<br />

Die andere setzte sich zusammen<br />

aus Länderbahnloks verschiedener<br />

Provenienz und mit überholter<br />

Technik. Welche überwog?<br />

Stangen- und Blindwellen-Antriebe waren <strong>1939</strong> bereits technisch veraltet. Viele Elloks der<br />

RBD München funktionierten aber noch nach diesem Prinzip; so auch die E 79 02, 1927 gebaut<br />

und <strong>1939</strong> eine Einzelgängerin im Bestand (Bild in Berchtesgaden) Hermann Maey/Slg. Peter Schricker<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 67


Fahrzeuge<br />

| DER LOKBESTAND DER RBD MÜNCHEN<br />

M Der Lokbestand der RBD München 01.01.<strong>1939</strong> und 31.12.<strong>1939</strong><br />

ünchen Hauptbahnhof im Früh -<br />

jahr <strong>1939</strong>: Fahrdrähte über den<br />

Gleisen, eine aerodynamische<br />

E 18, stolze Gewinnerin dreier Großer Preise<br />

auf der Pariser Weltausstellung 1937, steht<br />

abfahrbereit vor einem Schnellzug nach<br />

Stuttgart. Ein schnittiger Schnelltriebwagen<br />

(SVT) setzt sich Richtung Berlin in Bewe -<br />

gung. Mit einer E 17 nähert sich eine weitere<br />

Ellok unter der Hackerbrücke der weiten<br />

Halle des neoromanischen Bahnhofsbaus,<br />

Elektrotriebwagen besorgen den Vorort -<br />

verkehr ins westliche Umland. Vier der<br />

sie ben von München ausgehenden Fern -<br />

strecken sind elektrifiziert. Die paar Dampfloks<br />

an den Bahnsteigen, die ihre bayeri -<br />

schen und preußischen Wurzeln nicht verhehlen<br />

können, fallen da kaum noch ins<br />

Gewicht. Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong> – ein<br />

modernes Unternehmen also?<br />

Repräsentative Loks und andere<br />

Der Direktionsbezirk München konnte <strong>1939</strong><br />

als einer der fortschrittlichsten der <strong>Reichsbahn</strong><br />

gelten, war er doch seit den 20er-Jahren<br />

das Zentrum des süddeutschen elektrischen<br />

Netzes. Sehr leistungsfähige und die neueste<br />

technische Entwicklung repräsentierende<br />

Lokomotivbauarten waren in München stationiert:<br />

E 04, E 17, E 18 für den Schnellzugdienst,<br />

dazu die laufachslosen Drehgestellmaschinen<br />

der Reihen E 44 und E 93 für Güterzüge.<br />

Diese seit April <strong>1939</strong> in Rosenheim<br />

stationierten „Krokodile“ standen im Dienst<br />

der deutschen Kohlelieferungen an Italien,<br />

mit denen sich Hitler die „Achsen“-Partnerschaft<br />

mit dem Faschisten Mussolini erkauft<br />

hatte. Außerdem gaben sich die nagelneuen<br />

E 19 aus Nürnberg vor Schnellzügen ein<br />

Stelldichein in München, genauso wie Stuttgarter<br />

und Augsburger E17 und E 18.<br />

Mit der Annexion Österreichs im März<br />

1938 hatte das elektrische Netz im Süden einen<br />

deutlichen Zuwachs erfahren. Da die<br />

österreichische Direktion Innsbruck auf die<br />

<strong>Reichsbahn</strong>direktionen (RBD) Augsburg<br />

Repräsentative Loks und<br />

Erbstücke – der Bestand<br />

war bunt gemischt<br />

und München aufgeteilt wurde, erhielt diese<br />

auch die leistungsfähigen BBÖ-Maschinen<br />

1670 (E 22¹), 1170.100 (E 45¹) und 1170.200<br />

(E 45²). Letztere gehörten ebenfalls bereits<br />

der Generation der Drehgestelllokomotiven<br />

an. D-Züge nach Italien wurden nun im Ab -<br />

schnitt München – Brenner durchgehend<br />

von den Innsbrucker E 22¹ bespannt.<br />

Freilich darf man dabei nicht vergessen,<br />

dass ein beträchtlicher Teil des Ellokparks<br />

<strong>1939</strong> technisch schon nicht mehr auf der<br />

Höhe der Zeit war. Das galt für alles, was wie<br />

E 32 und E 52 mit Blindwellen und Stangen-<br />

68<br />

Baureihe Bauart Baujahre Herkunft Anzahl davon Anzahl davon<br />

gesamt in Betrieb gesamt in Betrieb<br />

01.01.39 31.12.39<br />

17 5 2’Ch4v 1906 ff. BayStB 2 1 2 2<br />

18 4 2’C1’h4v 1908 ff. BayStB 18 12 19 17<br />

38 4 2’Ch4v 1921 BayStB (1) 25 25 25 22<br />

38 10 2’Ch2 1906 ff. KPEV 13 13 13 11<br />

41 1’D1’h2 1936 ff. DRB - - 21 16<br />

44 1’Eh3 1926 ff. DRB 6 6 7 3<br />

50 1’Eh2 <strong>1939</strong> ff. DRB - - 10 8<br />

54 15 1’Ch2 1919 ff. BayStB (1) 62 57 62 52<br />

55 0 Dn2 1893 ff. KPEV 5 4 19 17<br />

56 2 1’Dh2 1913 ff. (A) KPEV 3 3 3 2<br />

56 31 1’Dn2v 1898 ff. BBÖ - - 2 2<br />

57 5 Eh4v 1920 ff. BayStB (1) 3 - 3 1<br />

57 10 Eh2 1910 ff. KPEV 96 77 117 79<br />

58 10 1’Eh3 1917 ff. KPEV 35 24 24 15<br />

64 1’C1’h2t 1928 ff. DRB 28 23 28 20<br />

70 0 1Bh2t 1910 ff. BayStB 41 32 41 39<br />

71 2 1’B1’h2t 1906 ff. BayStB 1 1 1 1<br />

77 1 1’C2’h2t 1923 ff. BayStB (1) 10 9 10 7<br />

78 0 2’C2’h2t 1912 ff. KPEV 17 15 17 15<br />

89 6 Cn2t 1898 ff. BayStB 17 14 16 14<br />

89 7 Cn2t 1906 ff. BayStB 37 32 37 33<br />

91 3 1’Cn2t 1893 ff. KPEV 7 7 - -<br />

92 5 Dn2t 1910 ff. KPEV 11 8 19 16<br />

92 20 Dn2t 1918 ff. BayStB 6 5 6 6<br />

93 0 1’D1’h2t 1914 ff. KPEV 1 - 1 -<br />

94² Eh2t 1905 ff. KPEV 3 3 3 1<br />

94 5 Eh2t 1913 ff. KPEV 10 9 10 9<br />

98³ Bh2t 1908 ff. BayStB 10 6 10 10<br />

98 5 C1’n2t 1897 ff. BayStB 1 1 1 1<br />

98 8 Dh2t 1911 ff. BayStB 14 12 15 14<br />

98 10 D1’h2t 1929 ff. BayStB (1) 14 12 14 13<br />

98 15 C1’n2vt 1897 ff. LAG (x) - - 8 5<br />

98 6 Dn2t 1922 LAG (x) - - 2 1<br />

98 71 Cn2vt 1895 LAG (x) 1 1 2 -<br />

98 72 1’Cn2t 1892 LAG (x) - - 2 2<br />

E 04 1’Co1’ 1933 ff. DRB 4 3 4 4<br />

E 16 1’Do1’ 1927 ff. DRB (2) 21 16 21 18<br />

E 17 1’Do1’ 1928 DRB 6 3 7 5<br />

E 18 1’Do1’ 1935 ff. DRB 14 12 13 11<br />

E 22¹ (1’A)Bo(A1’) 1928 f. BBÖ - - 29 24<br />

E 32 1’C1’ 1925 f. DRB (2) 19 17 19 14<br />

E 36 1’C2’ 1914 ff. BayStB 4 2 4 2<br />

E 44 Bo’Bo’ 1930 ff. DRB 39 32 40 36<br />

E 45¹ Bo’Bo’ 1929 ff. BBÖ (x) - - 15 12<br />

E 45² Bo’Bo’ 1934 ff. BBÖ (x) - - 5 3<br />

E 52 2’BB2’ 1924 ff. DRB (2) 21 16 21 21<br />

E 60 1’C 1927 ff. DRB 14 12 14 11<br />

E 60¹ 1’C 1912 BBÖ (x) - - 2 1<br />

E 61 1’C1’ 1926 BBÖ (x) - - 3 2<br />

E 62 1’C1’ 1912 ff. BayStB 5 4 4 4<br />

E 63 C 1935 ff. DRB 5 5 - -<br />

E 69 Bo<br />

(B)<br />

LAG (x) - - 5 5<br />

E 70 B’B’ 1919 f. BayStB 2 2 2 1<br />

E 73 Bo’Bo’ 1914 BayStB 1 - 1 -<br />

E 75 1’BB1’ 1927 ff. DRB 12 11 12 9<br />

E 77 (1’B)(B1’) 1924 ff. DRB (2) 10 10 11 7<br />

E 79 2’D1’ 1927 DRB (2) 2 - 1 -<br />

E 80 (A1A)(A1A) 1928 f. DRB 5 5 5 4<br />

E 88 E 1924 f. BBÖ (x) - - 4 4<br />

E 89 (1’C)(C1’) 1923 f. BBÖ (x) - - 7 2<br />

E 91 C’C’ 1925 ff. DRB (3) 6 5 6 5<br />

E 93 Co’Co’ 1933 ff. DRB - - 4 4<br />

E 170 Bo’Bo’ 1923 Spandau Hfb. 1 1 1 -<br />

Kö I 6 3<br />

(4)<br />

Kö II 20 16<br />

(4)<br />

Ks 18 17<br />

(4)<br />

Köe 10 8<br />

(4)<br />

Die Versuchslok 18 1001 gehörte ebenfalls zum Bestand der RBD München, kam aber nicht im regulären Betrieb zum Einsatz.<br />

(A)<br />

1936 ff. Umbau aus 55 25 (B) verschiedene Bauformen und Baujahre (x) Im Januar <strong>1939</strong> in den RBD-Bestand übernommen.<br />

(1)<br />

Die Lokbaureihe wurde von der <strong>Reichsbahn</strong> auf der Basis bayerischer Entwürfe beschafft. Sie ist daher als Länderbahntype anzusehen.<br />

(2)<br />

Die Ellokbaureihe wurde von der <strong>Reichsbahn</strong> auf der Basis von Entwürfen der Gruppenverwaltung Bayern beschafft.<br />

(3)<br />

Die Lokbaureihe wurde von der <strong>Reichsbahn</strong> auf der Basis bayerischer/preußischer Entwürfe beschafft. (4) keine Angaben vorhanden<br />

Abkürzungen: BayStB = Königlich Bayerische Staatsbahn (bis 1919), BBÖ = Österreichische Bundesbahnen (bis 1938),<br />

DRB = <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong>, KPEV = Königlich Preußische Eisenbahn-Verwaltung (bis 1919), LAG = Localbahn AG,<br />

Spandau Hfb. = Spandauer Hafenbahn


Auf Basis der bayerischen Länderbahnlok<br />

GtL 4/4 ließ die <strong>Reichsbahn</strong> ab 1929 die Tenderlok<br />

98 10 bauen; bei der RBD München waren <strong>1939</strong><br />

insgesamt 14 dieser Maschinen beheimatet<br />

Hermann Maey/Slg. Peter Schricker<br />

Bayerische Zugloks unter sich: Am 10. Juni <strong>1939</strong> bespannen 17 417 (eine S 3/5)<br />

und 18 478 (eine S 3/6) den D 82 auf dem Weg von Lindau nach München. Beide<br />

Baureihen trugen dazu bei, dass Länderbahnloks im Personenverkehr dominierten<br />

– bei der RBD München wie in anderen Direktionen<br />

Carl Bellingrodt/Slg. Peter Schricker<br />

Die modernste Ellok der <strong>Reichsbahn</strong> ist die E 19. Beheimatet in<br />

Nürnberg, kommt sie regelmäßig nach München; die Aufnahme<br />

zeigt E 19 02 im Bw München Hbf Slg. Peter Schricker<br />

So sieht zeitgemäße Traktion der späten 1930er-Jahre aus: E 44 509,<br />

eine Drehgestell-Ellok mit Tatzlagerantrieb, fährt Personen- und leichte<br />

Güterzüge. Im Bild E 44 509, gebaut 1934 Carl Bellingrodt/Slg. Peter Schricker<br />

antrieben bei geringer Geschwindigkeit<br />

durch die Lande orgelte. Und es galt für<br />

Loko motiven, die noch kein allzu hohes<br />

Alter erreicht hatten.<br />

Über drei elektrifizierte Streckennetze<br />

verfügte die <strong>Reichsbahn</strong> damals. Sie lagen<br />

wie verstreute Inseln im <strong>Deutsche</strong>n Reich<br />

und wurden seit 1933 nur noch in geringem<br />

Umfang erweitert. Die Wehrmacht stand der<br />

Bahnelektrifizierung ohnehin skeptisch gegenüber;<br />

sie schätzte den elektrischen Bahnbetrieb<br />

in einem Krieg als zu störanfällig ein<br />

– zu Unrecht, wie sich zeigen sollte.<br />

Von daher würde man auch erwarten,<br />

dass die Reichsregierung bei ihren Kriegsvorbereitungen<br />

rechtzeitig die Massenproduktion<br />

von leistungsstarken und schnellen<br />

Güterzugdampflokomotiven veranlasst<br />

hätte. Doch dem war nicht so. Aus finanziellen<br />

wie wirtschaftlichen Gründen und wegen<br />

der vielen für höhere Achslasten noch nicht<br />

tauglichen Strecken unterblieb bis Mitte<br />

30er-Jahre die Serienbeschaffung und weitere<br />

Konstruktion von Einheitsdampfloks<br />

für den Güterverkehr. Erst ab 1936 gab die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> den Weiterbau der 44 und die<br />

Konstruktion sowie Auslieferung der 41 in<br />

Auftrag, die 50 folgte ab <strong>1939</strong>.<br />

Der Bestand für den Güterverkehr<br />

Werfen wir einen Blick auf die Güterbahnhöfe<br />

der RBD München. Fünfkuppler preußischer<br />

Provenienz, vor allem die Gattungen<br />

G 10 (57 10 ) und G 12 (58 10 ) bestimmten neben<br />

der bayerischen G 3/4 (54 15 ) das Bild – Maschinen<br />

mit 60 bzw. 65 km/h Höchst -<br />

geschwindigkeit und einer Leistung zwischen<br />

1.000 und 1.500 PS. Kurz vor Kriegs -<br />

beginn erhöhte man im Juli <strong>1939</strong> den Bestand<br />

der Nassdampftype G 7¹ (Baureihe 55º,<br />

660 PS, Höchstgeschwindigkeit 50 km/h),<br />

und zwar um 14 auf 19 Stück. Dazwischen<br />

tummelten sich Tenderloks – sämtlich aus<br />

der Länderbahnzeit. Während zu dieser Zeit<br />

eine mit modernster Technik hochgerüstete<br />

Armee einen Krieg gegen die führenden<br />

Mächte Europas vorbereitete, bot sich auf<br />

den Schienen der <strong>Reichsbahn</strong>direktion<br />

München nicht selten das Bild des frühen<br />

20. Jahrhunderts.<br />

Auch wenn Südbayern für die ersten<br />

Kriegsmaßnahmen, nämlich den Überfall<br />

auf Polen, nicht gerade im Zentrum des Geschehens<br />

lag, hatte das dortige Schienennetz<br />

mit dem Knoten München am Schnittpunkt<br />

der West-Ost- und Nord-Süd-Magistralen<br />

eine wichtige Funktion in der Kriegs logistik<br />

und Versorgung der deutschen Wirtschaft<br />

und Bevölkerung. Außerdem befanden sich<br />

im Raum München sowie um Mühldorf<br />

kriegswichtige Unternehmen und große<br />

Für die Kriegslogistik<br />

hatten die Strecken der<br />

RBD große Bedeutung<br />

Militärareale. Und schließlich lagen in Südbayern<br />

noch die Zulaufstrecken ins jüngst<br />

annektierte Österreich sowie zu den verbündeten<br />

Staaten Italien, Ungarn, Rumänien<br />

und Bulgarien.<br />

Im Jahr zuvor hatte sich die RBD Mün -<br />

chen in unmittelbarer Nähe zu zwei vom NS-<br />

Regime provozierten Krisenherden befunden:<br />

Österreich (Februar/März 1938) und<br />

Tschechoslowakei (Mai bis September 1938).<br />

Zweimal musste deshalb der Bestand an Güterzuglokomotiven<br />

kurzfristig aufgestockt<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 69


Fahrzeuge<br />

| DER LOKBESTAND DER RBD MÜNCHEN<br />

Rund um die bayerische<br />

Landeshauptstadt<br />

erstreckte sich einer von<br />

drei elektrischen Inselbetrieben<br />

der <strong>Reichsbahn</strong>.<br />

Von der Stangen-Ellok E 77,<br />

15 Jahre vorher gefertigt,<br />

waren <strong>1939</strong> noch elf Stück<br />

bei der RBD München.<br />

Sie verrichteten vor allem<br />

Dienst vor Personenzügen<br />

Carl Bellingrodt/Slg. Peter Schricker<br />

werden. Die <strong>Reichsbahn</strong> konnte zur logistischen<br />

Unterstützung der eventuell notwendigen<br />

Militäraktionen jedoch nur preußische<br />

Länderbahnloks bereitstellen: bei der Österreichkrise<br />

16 G 10, bei der Sudetenkrise zehn<br />

G 7¹, 23 G 8¹ (55 25 ), 19 G 10 und 57 G 12.<br />

Erst ab November 1938 wies die <strong>Reichsbahn</strong><br />

der RBD München nagelneue Güterzugloks<br />

zu: zuerst sechs 44er (Bw Treuchtlingen)<br />

und ab Januar <strong>1939</strong> dann 21 Maschinen<br />

aus dem ersten Baulos der Baureihe 41.<br />

Diese stationierte man überwiegend in<br />

Ingolstadt und Treuchtlingen sowie beim<br />

Bw München Ost. Die 16 dort beheimateten<br />

41er liefen fast ausschließlich zwischen München<br />

Ost Rbf bzw. München-Trudering und<br />

Treuchtlingen. Zu ihren Leistungen zählte<br />

wie bei der E 93 auch der Transport der Kohlezüge<br />

für Italien. Kurz vor Kriegsbeginn<br />

teilte man dem Münchner Bezirk schließlich<br />

noch zehn fabrikneue 50er zu. Mit 38 G 10,<br />

die an die Bw München Hbf, Rosenheim und<br />

Garmisch überstellt wurden, erweiterte die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> den Bestand an Güterzugloks in<br />

Südbayern nochmals für die Transporterfordernisse<br />

des Krieges.<br />

Der Bestand im Personenverkehr<br />

Was den Personenverkehr betriftt, so dominierte<br />

auf vielen wichtigen Strecken der<br />

RBD München und nahezu allen ihren Nebenbahnen<br />

nach wie vor der Dampfbetrieb,<br />

von ein paar Diesel- und Speichertrieb wa -<br />

gen abgesehen. Was für den Güterverkehr<br />

festgestellt wurde, galt auch hier: Standard<br />

waren Loktypen aus der Länderbahnzeit.<br />

Schnell- und Eilzüge zählten zur Domäne<br />

der bayerischen S 3/6 (18 4 ), überwiegend Maschinen<br />

der älteren Baulose. Sie kam wie die<br />

preußische P 8 (38 10 ) und die bayerische<br />

P 3/5 H (38 4 ) auch vor Beschleunigten Personenzügen<br />

zum Einsatz. Im Umland ver kehr<br />

von München dampften preußische T 18 (78º)<br />

70<br />

und bayerische Pt 3/6 H (77¹). Auf den ländlichen<br />

Nebenbahnen verdingten sich weitere<br />

Bayern, so die Pt 2/3 (70º), das „Glaskastl“<br />

(98³) sowie D-Kuppler und Einzelgänger. Lediglich<br />

die 28 auf die Bahn betriebswerke<br />

Freilassing, Ingolstadt, Mühldorf, München<br />

Ost und Rosenheim verteilten Einheitsloks<br />

der Baureihe 64 erinnerten vor 1938 daran,<br />

Die NS-Politik zielte auf<br />

eine Vernachlässigung<br />

der <strong>Reichsbahn</strong><br />

Die Schlepptenderlok der<br />

Baureihe 41 war eine<br />

der Einheitsloktypen, die<br />

Ende der 1930er-Jahre den<br />

Bestand der Münchner<br />

Direktion aufstockten (im<br />

Bild eine Maschine in<br />

Aschaffenburg). Vorher<br />

hatte nur die Tenderlok der<br />

Baureihe 64 die moderne<br />

Generation der <strong>Reichsbahn</strong>dampfloks<br />

vertreten<br />

Slg. Dr. D. Hörnemann<br />

dass die <strong>Reichsbahn</strong> moderne Dampfloks<br />

entwickelt hatte. Sie machten ganze 15 Prozent<br />

aller Dampfpersonenzugloks der RBD<br />

München aus.<br />

Damit kehren wir zurück zur eingangs<br />

gestellten Frage: Wie modern war der Lokbestand<br />

der <strong>Reichsbahn</strong> am Vorabend des<br />

Zweiten Weltkriegs? Gerade die Hälfte der<br />

Elloks besaß moderne Antriebsarten (die<br />

Maschinen der vormaligen Österreichischen<br />

Bundes bah nen (BBÖ) und der Localbahn<br />

AG sowie Rangierelloks nicht mitgerechnet).<br />

Für die Logistik des Krieges benötigte die<br />

Wehrmacht Güterzugschlepptenderlokomotiven<br />

mit einer Höchstgeschwindigkeit von<br />

über 75 km/h und im Leistungsbereich von<br />

über 1.600 PS. Von 268 Güterzugschlepptendermaschinen<br />

bei der RBD München erfüllten<br />

ganze 38 (das sind 14 Prozent) diese Anforderung.<br />

Nimmt man die 35 Elloks der Reihen<br />

E 44 (abzüglich der neun zwischen Freilassing<br />

und Berchtesgaden eingesetzten<br />

E 44 5 ) und E 93 dazu, so verbessert sich die<br />

Bilanz an modernen Güterzugloks auf<br />

24 Prozent. Rechnet man die Kriegslok des<br />

Ersten Weltkriegs, die G 12, noch mit, so<br />

besaß die Direktion München 32 Prozent<br />

Güter zug loks im Leistungsbereich über<br />

1.500 PS. Das heißt aber auch: 68 Prozent<br />

lagen darunter. Ein weiteres Manko bestand<br />

in der unwirtschaftlichen Lokvielfalt aus<br />

35 Dampflok- und 29 Ellokgattungen (22<br />

ohne die Ex-BBÖ-Loks); darunter fanden<br />

sich nicht weniger als 23 Splittergattungen,<br />

Baureihen mit geringer Stückzahl also.<br />

Diese Zahlen bestätigen die These, dass<br />

die <strong>Reichsbahn</strong> das „Aschenputtel des Drit -<br />

ten Reiches“ war. Hinter einer propagan -<br />

distischen Fassade von Modernität verbarg<br />

sich die von der Hitler-Regierung gewollte<br />

Vernachlässigung der Eisenbahn. Damit waren<br />

auch die Transportkrisen zu Krieg s -<br />

beginn vorprogrammiert, vor denen unter<br />

anderem die „Dienststelle Wehrwirtschaftsstab“<br />

1938 gewarnt hatte. Die Folgen der<br />

NS-Verkehrspolitik sollten sogar noch den<br />

beiden deutschen Bahnen nach Krieg und<br />

Besatzungs zeit schwer zu schaffen machen.<br />

Peter Schricker


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Betrieb<br />

| DIE KATASTROPHE VON GENTHIN<br />

Unglück<br />

vor Weihnachten<br />

Am Morgen des 22. Dezember <strong>1939</strong><br />

ereignete sich in Genthin der schwerste<br />

Unfall der deutschen Eisenbahn -<br />

geschichte. Im Bahnhof fuhr D 180<br />

auf den zum Halten gebrachten D 10<br />

auf, es gab 186Tote und 106Verletzte.<br />

Hauptursache war menschliches<br />

Versagen; zum Unglück trug aber<br />

auch ein kriegsbedingter Mangel bei<br />

Am Abend des 21. Dezember <strong>1939</strong> stand der Potsdamer Bahnhof<br />

in Berlin ganz im Zeichen des vorweihnachtlichen Reiseverkehrs.<br />

Es waren die ersten Weihnachten im Krieg, was dem<br />

Auf kom men keinen Abbruch tat: Der Schnellzug D 10 mit dem Laufweg<br />

über Magdeburg nach Köln war außerordentlich überbelegt,<br />

selbst im Gepäckwagen fuhren noch Reisende mit. Zwar verließ er<br />

pünktlich um 23:15 Uhr die Station, doch die zeitbedingten Umstände<br />

machten sich unterwegs bald bemerkbar. Die kriegsbedingte<br />

Verdunkelung und der Andrang der Reisenden verzögerten das<br />

Aus- und Einsteigen in Potsdam und Brandenburg. Der Zug bekam<br />

27 Minuten Verspätung, was dazu führte, dass ihm der nächste<br />

Schnellzug D 180 über Kassel nach Neunkirchen schließlich im<br />

Blockabstand folgte.<br />

Eine Kette von Fehlern<br />

Auch in der Folge gab es Hindernisse im Betriebsablauf. Mit<br />

Rücksicht auf einen vorauslaufenden Eilzug musste D 10 nämlich<br />

außerplanmäßig im kleinen Bahnhof Kade stehen bleiben, wenig<br />

später verlangsamte er die Fahrt wieder, um regulär im Bahnhof der<br />

Kleinstadt Genthin zu halten. Für den Folgezug D 180 war dort kein<br />

Halt vorgesehen; er hätte vor Genthin warten müssen, bis der D 10<br />

das Bahnsteiggleis in Richtung Magdeburg geräumt hatte. Doch<br />

hier stellte sich der erste Fehler einer Kette ein, an deren Ende die<br />

Aufräumarbeiten an den Trümmern der beiden D-Züge<br />

in Genthin am 22. Dezember <strong>1939</strong>. In der Nacht zuvor<br />

ist im Bahnhof D 180 auf D 10 aufgefahren – 186 Menschen<br />

verlieren bei dem Unglück ihr Leben Slg. Erich Preuß<br />

72


Katastrophe geschah. Der Wärter des Blocks Belicke – vor Gen -<br />

thin gelegen – ließ sein Signal auf „Halt“ stehen, nur: D 180 hielt<br />

nicht. Zum Entsetzen des Wärters missachtete das Personal der<br />

Zuglok 01 158 das Signal, der Zug fuhr ohne jede Vermin derung<br />

der Geschwindigkeit weiter. Der Wärter stürzte ans Telefon und<br />

alarmierte den folgenden Schrankenposten sowie das Stellwerk<br />

Genthin Ost, dessen Personal die letzte Möglichkeit hatte, den<br />

auf D 10 auflaufenden D 180 zu bremsen – ihn zu stoppen, war<br />

schon nicht mehr möglich.<br />

Der Stellwerkswärter von Genthin Ost reagierte umgehend.<br />

Mit der Handlampe gab er dem Schnellzug das Notsignal, dieser<br />

hielt mit kreischenden Bremsen an. Allerdings handelte es sich<br />

um eine tragische Verwechslung, durch die der Unfall endgültig<br />

nicht mehr zu verhindern war. Denn der Zug, der nun vor Gen -<br />

thin stand, war nicht D 180, sondern der vorausfahrende D 10. Sekunden<br />

später, am 22. Dezember <strong>1939</strong> um 0:55 Uhr, fuhr D 180 mit<br />

etwa 100 km/h auf D 10 auf. Vier Wagen des D 10 entgleisten,<br />

ebenso Lok 01 158 und sechs Wagen des D 180. Aus den teilweise<br />

übereinander liegenden, schwer beschädigten Wagen wurden insgesamt<br />

186 Tote und 106 Verletzte geborgen. Der – völ lig unschuldige<br />

– Blockwärter von Belicke setzte in derselben Nacht seinem<br />

Leben ein Ende.<br />

Goldene Zeiten.<br />

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Ein technischer Missstand<br />

Aus technischer Sicht hätte sich das Unglück sogar noch vermeiden<br />

lassen. Die Strecke Berlin – Magdeburg war mit der hochmodernen<br />

Induktiven Zugsicherung ausge rüstet, beim Überfahren<br />

des Halt zeigenden Signals wären normalerweise die Bremsen<br />

der Lokomotive durch einen Gleismagneten ausgelöst worden.<br />

Doch war die Lok trotz Ausfalls der Anlage zur Fahrt zugelassen<br />

worden – der kriegsbedingte Lokmangel bei der <strong>Reichsbahn</strong><br />

machte es möglich. Zu einer Zeit, da es die Indusi erst auf wenigen<br />

Strecken und wenigen Triebfahrzeugen gab, kann freilich der Einsatz<br />

einer Schnell zug lok ohne Indusi nicht als ganz besonders<br />

sträfliche Ausnahme gelten. So lag die Schuld letztlich beim Lokführer<br />

und Heizer der 01 158. Der Lokführer wurde 1940 zu einer<br />

Gefängnisstrafe von drei Jahren verurteilt.<br />

In Genthin erinnert heute ein Denkmal vor dem Bahnhof an<br />

den Unglückstag, an dem sich der – von der Anzahl der Opfer her<br />

– schlimmste Unfall der deutschen Eisenbahngeschichte ereignete.<br />

Einige Stunden später kam es übrigens bei der <strong>Reichsbahn</strong> noch<br />

zu einem weiteren schweren Unglück: Eben falls am 22. Dezem -<br />

ber <strong>1939</strong> stießen auf der Strecke Radolfzell – Friedrichshafen<br />

Personenzug 21154 und ein Güterzug zusammen. 101 Tote und<br />

28 Menschen lautete die abermals traurige Bilanz.<br />

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Die Fahrplansituation<br />

zwischen Berlin und<br />

Magdeburg, dargestellt<br />

anhand des Sommerkursbuchs<br />

<strong>1939</strong>. Kurz<br />

hintereinander verließen<br />

D 10 und D 180<br />

Berlin, wobei D 180 bis<br />

Magdeburg großteils<br />

durchfuhr. So verhielt<br />

es sich auch in dem<br />

Fahrplan, der am<br />

22. Dezember <strong>1939</strong> galt<br />

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der Aufbruchzeit nach dem<br />

Zweiten Welt-<br />

krieg und dem Ausbau des Schienennetzes in der Alpenrepublik,<br />

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Betrieb<br />

| DIE NORDSÜD-S-<strong>BAHN</strong> IN BERLIN<br />

Im Krieg<br />

fertig gestellt<br />

Sechs Jahre lang wurde<br />

in Berlin an der Nordsüd-<br />

S-Bahn gebaut, einer<br />

großteils unterirdischen<br />

Strecke. Die durchgehende<br />

Eröffnung fiel bereits in die<br />

Kriegszeit: Am 9. Oktober<br />

<strong>1939</strong> fuhren die ersten<br />

Züge für die Öffentlichkeit<br />

Als am 1. September <strong>1939</strong> der Zweite<br />

Weltkrieg begann, war mancher Beamte<br />

bei der <strong>Reichsbahn</strong>direktion<br />

Berlin davon überrascht. Die Gedanken<br />

drehten sich nämlich zuerst um etwas anderes:<br />

Man stand nur wenige Wochen vor der<br />

Eröffnung des letzten Abschnitts der Nordsüd-S-Bahn.<br />

Diese sollte – grob gesprochen<br />

– den Durchgang elektrischer Gleichstromzüge<br />

zwischen den Vororten Bernau, Oranienburg<br />

und Velten im Norden sowie den<br />

Vororten oder Städten Potsdam, Teltow und<br />

Zossen im Süden durch das Herz der Hauptstadt<br />

ermöglichen. Man war sechs Jahre lang<br />

damit beschäftigt gewesen und konnte das<br />

Projekt auch im Krieg nicht abbrechen.<br />

Am 9. Oktober <strong>1939</strong> ging der neue Tunnelabschnitt<br />

zwischen dem Tiefbahnhof „Potsdamer<br />

Platz“ und „Anhalter Bahnhof (un-<br />

ten)“ mit dem Anschluss zur Wannseebahn<br />

in öffentlichen Betrieb. Am 6. November <strong>1939</strong><br />

folgte noch die Verbindung vom Anhalter<br />

Bahnhof nach Lichterfelde Ost an der alten<br />

Vorortstrecke der Anhalter Bahn. Bereits ein<br />

halbes Jahr zuvor, am 15. April <strong>1939</strong>, war im<br />

Zentrum Berlins der Streckenabschnitt der<br />

Nordsüd-S-Bahn zwischen den Stationen<br />

„Unter den Linden“ und „Potsdamer Platz“<br />

eröffnet worden.<br />

74


Reichsverkehrsminister Julius Dorpmüller hält am 8. Oktober<br />

<strong>1939</strong> auf der Station „Anhalter Bahnhof (unten)“ der Berliner<br />

Nordsüd-S-Bahn eine Rede zur Eröffnung des durchgehenden<br />

Betriebs. Einen Tag später beginnt auf der Strecke auch der<br />

öffentliche Bahnverkehr Slg. Gottfried Marx<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 75


Betrieb<br />

| DIE NORDSÜD-S-<strong>BAHN</strong> IN BERLIN<br />

Bei der Eröffnungsfahrt am 8. Oktober <strong>1939</strong> entstand diese Aufnahme. Im Viererabteil der S-Bahn reisen (v.l.) die<br />

<strong>Reichsbahn</strong>beamten Max Grabski, Julius Dorpmüller, Werner Bergmann und Clemens Marx. Grabski hat das<br />

Projekt der Nordsüd-S-Bahn geleitet Slg. Gottfried Marx (Foto), Slg. Dr. Alfred Gottwaldt (Broschüre)<br />

Mit dem Bau der Berliner Stadtbahn von<br />

1882, die auf Viadukten von West nach Ost<br />

oder umgekehrt durch die Innenstadt ver -<br />

läuft, war das Konzept einer oberirdischen<br />

Durchmesserlinie in einer Me tropole erfolgreich<br />

verwirklicht worden. Sie sollte die<br />

Kopfbahnhöfe der „ersten Generation“ aus<br />

der Anfangszeit der Eisenbahn funk tional<br />

ergänzen. Bereits um 1911 hatte der Architekten-Verein<br />

zu Berlin einen Wettbewerb<br />

ausgeschrieben, wie entsprechende Nordsüd-Verbindungen<br />

für den Fernverkehr und<br />

auch für den Nah verkehr aussehen könnten,<br />

die allerdings unter der Erde verlaufen soll -<br />

ten. Daraus wurde aufgrund der politischen<br />

und wirtschaftlichen Entwicklungen für<br />

viele Jahre nichts, obwohl sich die <strong>Reichsbahn</strong><br />

dem Gedanken nach 1920 nicht verschloss.<br />

Erst mit den autoritären Eingriffen<br />

Hitlers in die Berliner Stadtplanung ab 1933<br />

wurde dieses große Projekt für den Nahverkehr<br />

wieder in Angriff genommen.<br />

Mitwirken der RBD Berlin<br />

An dem Vorhaben zum „Bau der Nordsüd-<br />

S-Bahn“ in Berlin waren viele Architekten,<br />

Bauingenieure und andere Eisenbahner beteiligt.<br />

Von der örtlichen <strong>Reichsbahn</strong> direk -<br />

tion Berlin mit Sitz in ihrem markanten<br />

Verwaltungsgebäude am „Großadmiral-von-<br />

Koester-Ufer“ (heute Schöneberger Ufer) haben<br />

der Architekt und Abteilungs präsi dent<br />

76<br />

Die Strecke entsprach<br />

Ideen, die bis Anfang des<br />

Jahrhunderts reichten<br />

Max Grabski (1878–1968) als Leiter des Projekts<br />

sowie die beamteten Bau meis ter Richard<br />

Brademann und Günther Lüttich mitgewirkt.<br />

Zahllose Arbeiter der Baufirmen haben<br />

an dieser Strecke gebaut.<br />

Die umfangreiche Planung wurde in drei<br />

Teilen nacheinander realisiert: Der Nord -<br />

abschnitt reichte vom Stettiner Bahnhof bis<br />

zum Tiefbahnhof an der Friedrichstraße. Daran<br />

schloss sich der mittlere Abschnitt vom<br />

Bahnhof Friedrichstraße bis zum Potsdamer<br />

Platz an. Und schließlich folgte der Süd -<br />

abschnitt vom Potsdamer Platz über den<br />

Anhalter Bahnhof (unten) bis zum Bahnhof<br />

Kolonnenstraße.<br />

Während der Bauarbeiten nahe der Station<br />

„Unter den Linden“ kam es am 20. Au -<br />

gust 1935 zu einem Einsturz, bei dem im unsicheren<br />

märkischen Sand neben dem Brandenburger<br />

Tor nicht weniger als 19 Männer<br />

ihr Leben lassen mussten. Am 28. Juli 1936,<br />

also zu den Olympischen Spielen in Berlin,<br />

war bereits der Nordabschnitt zwischen dem<br />

Stettiner Tiefbahnhof, dem „Humboldthain“<br />

sowie der Station „Unter den Linden“ als die<br />

„erste unterirdische <strong>Reichsbahn</strong>strecke“ in<br />

Betrieb genommen worden.<br />

Ab 1. Juli 1937 ging die großräumige<br />

Ei senbahnplanung für Hitlers künftige Welthauptstadt<br />

„Germania“ auf die neue <strong>Reichsbahn</strong>baudirektion<br />

Berlin über. Zum Prä si -<br />

denten dieser <strong>Reichsbahn</strong>baudirektion wur -<br />

de Alfred Pückel (1881–1971) bestellt, der<br />

„den Entwurf und die Bauten zur Umgestaltung<br />

der Berliner Bahnanlagen“ leitete. Er<br />

hatte sich zuvor als Chef der Obersten Bauleitung<br />

für Reichsautobahnen in Frankfurt<br />

am Main bewährt. Doch trotz seiner raumgreifenden<br />

Ideen konnte die <strong>Reichsbahn</strong>direktion<br />

Berlin ihr Projekt mit der Nordsüd-<br />

S-Bahn noch ohne sein Zutun abschließen.<br />

„Schlichte Feierstunde“<br />

Wenige Wochen nach dem nicht für jeden<br />

vorhersehbaren Kriegsbeginn waren die<br />

Bau arbeiten am südlichen Abschnitt des Berliner<br />

Nord-Süd-Tunnels der S-Bahn doch beendet.<br />

Am Sonntag, dem 8. Oktober <strong>1939</strong>, eröffnete<br />

Reichsverkehrsminister und <strong>Reichsbahn</strong>-Generaldirektor<br />

Julius Dorpmüller<br />

(1869–1945) mit einer „schlichten Feier stun -<br />

de“ während einer Sonderfahrt den durchgehenden<br />

Betrieb auf dem Abschnitt zwischen<br />

den Stationen „Potsdamer Platz“ und<br />

„Anhalter Bahnhof (unten)“ in Richtung<br />

Schöneberg und zur Wannseebahn weiter<br />

nach dem Südwesten. Im Eröffnungszug der<br />

S-Bahn am 8. Oktober <strong>1939</strong> waren neben<br />

Dorpmüller und Grabski mit von der Par tie:


Die Linienführung der Berliner Nordsüd-S-Bahn mit sämtlichen Bahnanlagen innerhalb der Ringbahn; die Darstellung stammt von einem Plan<br />

der <strong>Reichsbahn</strong>direktion Berlin von 1935 Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />

der Leiter der Maschinentechnischen Ab tei -<br />

lung im Reichsverkehrsministerium, Werner<br />

Bergmann (1877–1956), sowie der Ber liner<br />

<strong>Reichsbahn</strong>-Direktionspräsident Clemens<br />

Marx (1871–1953). Er sollte wenige Wochen<br />

später aus Altergründen in den Ruhestand<br />

treten.<br />

Der Sonderzug kehrte nach kurzem Aufenthalt<br />

am Bahnhof Schöneberg zum Anhalter<br />

Tiefbahnhof zurück. Am folgenden Montag,<br />

dem 9. Oktober <strong>1939</strong>, wurde der durchgehende<br />

S-Bahn-Betrieb zwischen Wannsee<br />

und Oranienburg aufgenommen, wenige<br />

Tage später auch der Betrieb in den Relationen<br />

Mahlow – Velten und Lichterfelde Ost –<br />

Bernau.<br />

Der Architekt Richard Brademann<br />

Den unterirdischen S-Bahnhof „Stettiner<br />

Bahnhof“ an der Berliner Invalidenstraße<br />

hatte noch der Oberreichsbahnrat Günther<br />

Lüttich (1884–1957) geplant. Dagegen wurde<br />

die Architektur sämtlicher neuen S-Bahn -<br />

höfe zwischen dem Bahnhof Humboldthain<br />

im Norden und dem Anhalter Bahnhof (unten)<br />

im Süden von dem <strong>Reichsbahn</strong>-Architekten<br />

Richard Brademann (1884–1965) bestimmt.<br />

Er blieb ein bis heute wegen seiner<br />

Bauten bekannter und wegen seiner politischen<br />

Überzeugungen umstrittener Baumeister.<br />

Die gelungenen Entwürfe etwa zu<br />

den Bahnhöfen Wannsee, Sundgauer Straße<br />

Der Architekt Richard<br />

Brademann entwarf<br />

zwischen 1924 und<br />

1940 zahlreiche Bahn -<br />

höfe für die Berliner<br />

S-Bahn. Bei der Nordsüd-S-Bahn<br />

gestaltete<br />

er fast alle Stationen<br />

Bundesarchiv Berlin<br />

oder Westkreuz in Berlin, seine Kleingleichrichterwerke<br />

an der Ringbahn, die anderen<br />

Stromversorgungsbauwerke und seine Stellwerke<br />

für die <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong> weisen<br />

internationalen Rang auf. Doch er war be -<br />

reits am 1. März 1932 der NSDAP (Mitgliedsnummer<br />

1.011.267) beigetreten und hatte sich<br />

gleich nach der Machtübergabe an die<br />

NSDAP im Frühjahr 1933 als Denunziant<br />

jüdischer Kollegen hervorgetan. Vier Jahre<br />

später war er selbst blamiert, denn nun kam<br />

heraus, dass auch er eine „jüdische Großmutter“<br />

hatte. Nur nach einem „Gnaden erweis“<br />

Hitlers vom Dezember 1937 durfte er weiter<br />

in der Partei und bei der <strong>Reichsbahn</strong> bleiben.<br />

Der Baustil Richard Brademanns ent -<br />

wickelte sich allmählich fort. Bei der Ver -<br />

kleidung der Bahnsteigwände wich er von<br />

den dunklen Fliesen der frühen Jahre ab und<br />

wandte sich nach 1935 „wegen der beengten<br />

Höhe“ der Stationen einer Nutzung von<br />

weißen Opakglasplatten zu. Es handelt sich<br />

dabei um einen der seltenen Fälle von Dekoration<br />

im Stil des „Art Deco“ in Berlin. Zur<br />

Gestaltung des Tiefbahnhofs am Anhalter<br />

Bahnhof schrieb Brademann anlässlich der<br />

Eröffnung: „Hier wurden die Wandflächen<br />

mit Glasplatten in großem Format belegt, an<br />

denen der Staub nicht haftet und die leicht<br />

zu reinigen sind. Gegen diese weißen Wände<br />

setzen sich die Stützen auf den Bahnsteigen<br />

und zwischen den Gleisen mit grünblauer<br />

Glasverkleidung ab, so daß der Anhalter<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 77


Betrieb<br />

| DIE NORDSÜD-S-<strong>BAHN</strong> IN BERLIN<br />

Plan des Tiefbahnhofs am Anhalter<br />

Bahnhof mit dem Askanischen Platz<br />

und der Saarlandstraße (heute Stresemannstraße);<br />

darin ist auch ein<br />

geplanter Abzweig der S-Bahn zum<br />

Görlitzer Bahnhof eingezeichnet<br />

Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />

Bahnhof gegenüber dem Bahnhof Potsda -<br />

mer Platz eine eigene Note erhält und damit<br />

für den Reisenden leichter kenntlich ge -<br />

macht ist. Die Kapitelle der Säulen ergänzen<br />

mit ihrem Goldton das Weiß und Grünblau<br />

der Glasplatten.“ Ein Lieferant der Opakglasplatten<br />

am S-Bahnhof Potsdamer Platz war<br />

die „Schlesische Spiegelglas-Manu fak tur<br />

Carl Tielsch“ aus Waldenburg-Altwasser in<br />

Schlesien. Heute sind die Glasscheiben am<br />

Anhalter Bahnhof, die eine Fläche von mehr<br />

als 4.000 Quadratmetern aufwiesen, durch<br />

jüngere Kunststoffplatten ersetzt, während<br />

am Potsdamer Platz teilweise noch Glas zu<br />

finden ist.<br />

Von <strong>1939</strong> in die Zukunft?<br />

Die Schöpfer der Bahnhöfe „Potsdamer<br />

Platz“ und „Anhalter Bahnhof (unten)“ und<br />

ihre Kollegen bei der <strong>Reichsbahn</strong> träumten<br />

von einer Zukunft des Nahschnellverkehrs<br />

mit 160 Zügen pro Stunde. Die Planungen<br />

der Nationalsozialisten für ihre Welthauptstadt<br />

„Germania“ nahmen Bahngelände des<br />

vormaligen Anhalter und Potsdamer Fernbahnhofs<br />

für Prachtbauten in Anspruch; sie<br />

sahen unermessliche Neubauten in Berlin<br />

vor, darunter bei der S-Bahn. Dazu schrieb<br />

78<br />

der Journalist Wolfgang Peters in einem<br />

propagandistischen Heft des Reichsverkehrsministeriums<br />

aus der Serie „Großdeutschlands<br />

Eisenbahner“ von 1941/42<br />

siegesgewiss: „Der Nahverkehr wird einmal<br />

dadurch ausgebaut, dass weitere Eisen bahn -<br />

strecken, wie die nach Königswusterhausen,<br />

Nauen und Werneuchen, in das S-Bahnnetz<br />

einbezogen werden, und daß ferner der S-<br />

Bahn-Verkehr durch die Stadt wesentlich erweitert<br />

wird. Durch die Leitung der Fernzüge<br />

auf den Ring wird die alte Stadtbahn viergleisig<br />

für den Nahverkehr frei. Außer der<br />

Design der neuen<br />

Strecke: Die typische<br />

Bahnsteigbank<br />

auf dem Anhalter<br />

Tiefbahnhof am<br />

8. Oktober <strong>1939</strong>,<br />

da hinter eine der<br />

mit grünen Glasplatten<br />

verkleideten<br />

Hallenstützen<br />

Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />

schon bestehenden Nordsüd-S-Bahn wird<br />

noch eine zweite Nordsüdbahnlinie geschaffen<br />

werden. Dadurch wird Berlin künftig in<br />

ostwestlicher und nordsüdlicher Richtung je<br />

zwei leistungsfähige S-Bahn-Verbindungen<br />

erhalten, die imstande sein werden, jede Erweiterung<br />

des Zubringerverkehrs aus den<br />

Außenbezirken aufzunehmen.“<br />

Mit dem kurzen Teilstück zwischen Lichterfelde<br />

Ost und Lichterfelde Süd wurde am<br />

9. August 1943 der letzte Abschnitt der Berliner<br />

S-Bahn während des Krieges auf elektrischen<br />

Betrieb umgestellt. Bald darauf waren


Der unterirdische S-Bahnhof Potsdamer Platz<br />

wurde am 15. April <strong>1939</strong> eröffnet. Wände<br />

und Stützen waren mit weißen Opakglasplatten<br />

verkleidet, im Zwischengeschoss der<br />

„mittleren Verkehrshalle“ befanden sich eine<br />

Ladenstraße und kreuzförmige Treppen<br />

Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />

sämtliche Ausbaupläne nur noch Makulatur.<br />

Der weitere Kriegsverlauf verursachte enor -<br />

me Schäden und Zerstörungen bei der Berliner<br />

S-Bahn; nur wenige Tage vor Kriegsende<br />

im Mai 1945 wurde der Nordsüd-Tunnel am<br />

Landwehrkanal gesprengt.<br />

Oberirdisch wies ein modernes S-Bahn-<br />

Neonschild auf den Zugang zum S-Bahnhof<br />

Potsdamer Platz hin. Die Zugangstreppen<br />

erhielten „in Stahlkunstguß modellierte<br />

Umwehrungen“. Im Hintergrund sind die<br />

historischen Torhäuser von Karl Friedrich<br />

Schinkel zu erkennen (Bild von <strong>1939</strong>)<br />

Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />

Am 22. April <strong>1939</strong> nahm ein Amateur den<br />

Bahnhof unter dem Potsdamer Platz in Berlin<br />

mit seinen weißen Glasplatten auf. Soeben<br />

erreicht ein S-Bahn-Zug des „Stadtbahner“-<br />

Typs die Station Heinz Meyer/Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />

Die Zeit nach dem Krieg<br />

Der oberirdische Anhalter Fernbahnhof am<br />

Askanischen Platz wurde am 18. Mai 1952<br />

für den Bahnverkehr stillgelegt, seine Ruine<br />

1959 fast vollständig abgerissen. Vom 13. August<br />

1961 bis zum November 1989 zählten<br />

die „Geisterbahnhöfe“ an der Berliner Nordsüd-S-Bahn,<br />

ausgenommen der Tiefbahnhof<br />

Friedrichstraße als Zugang zu einer Kontrollstelle,<br />

zu den eisenbahntechnischen Kurio -<br />

sitäten der geteilten Stadt.<br />

Nach dem „S-Bahn-Vertrag“ vom Früh -<br />

jahr 1984 wurde der Anhalter Tiefbahnhof<br />

als letzte Station im amerikanischen Sektor<br />

von der BVG im Westen Berlins über nom -<br />

men und tatkräftig moder nisiert. Durch -<br />

gefärbte Glasplatten waren mittlerweile<br />

uner schwinglich geworden, so griff man zu<br />

Kunststoffmaterial.<br />

Ein Brand im August 2004 setzte dem Bauwerk<br />

nochmals zu, das noch immer den traditionsreichen<br />

Namen „Anhalter Bahnhof“<br />

trägt.<br />

Von modischen Umbenennungen blieb<br />

auch die Berliner Nordsüd-S-Bahn nicht verschont.<br />

Schon zu frühen DDR-Zeiten wurde<br />

aus dem Stettiner Bahnhof der politisch korrekte<br />

„Nordbahnhof“ gemacht. Weil an der<br />

Prachtstraße „Unter den Linden“ künftig weitere<br />

Tiefbahnhöfe der U-Bahn entstehen,<br />

heißt die Station der S-Bahn neuerdings<br />

„Brandenburger Tor“. Dr. Alfred Gottwaldt<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 79


Bilderbogen<br />

| REICHS<strong>BAHN</strong>-REKLAME DER SPÄTEN 1930ER<br />

Reiseträume in Schwarz und Orange:<br />

Reisetipps und Fahrtenangebote<br />

kombiniert diese Broschüre der<br />

<strong>Reichsbahn</strong>direktion Köln<br />

Slg. Dr. Daniel Hörnemann<br />

Für verschiedene deutsche Regionen<br />

gab die <strong>Reichsbahn</strong>zentrale für den<br />

deutschen Reiseverkehr so genannte<br />

Verkehrsbücher heraus, welche die<br />

dortigen Sehenswürdigkeiten in Wort<br />

und Bild erläuterten Slg. Oliver Strüber<br />

Die Ausflugstouren als Sonderfahrten waren ein fester Bestandteil im<br />

Reiseangebot der <strong>Reichsbahn</strong>; sie legte dafür auch eigene Grußkarten auf.<br />

Der Krieg machte dem bald ein Ende Slg. Peter Schricker<br />

Eine Heftreihe stellt die<br />

Magistralen vor. Dazu zählt<br />

in den 1930er-Jahren auch<br />

die Verbindung Berlin –<br />

Würzburg – Stuttgart<br />

Slg. Oliver Strüber<br />

Reisen und schauen<br />

Schöne Ziele in Deutschland und Europa, attraktive<br />

Zugverbindungen – die Werbung der <strong>Reichsbahn</strong> setzt gegen<br />

Ende des Jahrzehnts auf Romantik und Sehenswürdigkeiten.<br />

Nichts in den Heften deutet darauf hin, dass bald ein Krieg<br />

Erholungsfahrten unmöglich machen wird; es sei denn,<br />

es handelt sich um eine Erholung von der Front ...<br />

Wöchentlich erschien die Mitropa-Zeitung,<br />

hier die Ausgabe vom 21. August <strong>1939</strong>. Sie<br />

enthielt Reiseinformationen, Veranstaltungshinweise<br />

und Werbung Slg. Dieter Heckl<br />

80


Das Thema „Grüße von der<br />

Sonderfahrt“ legte die <strong>Reichsbahn</strong><br />

in verschiedenen Ausführungen<br />

auf. Plattformwagen<br />

wie in der romantischen Darstellung<br />

dieser Postkarte dürften<br />

im Betrieb dafür wohl eher<br />

selten verwendet worden sein<br />

Slg. Dr. Daniel Hörnemann<br />

Entspannte Urlaubsatmosphäre<br />

verspricht der <strong>Reichsbahn</strong>-Prospekt<br />

von <strong>1939</strong>. Wenige Monate später<br />

herrscht Krieg, und bald darauf gibt<br />

die NS-Propaganda Durchhalteparolen<br />

aus wie „erst siegen, dann reisen“<br />

Slg. Gerhard<br />

Im Ausland wirbt die <strong>Reichsbahn</strong>zentrale für den deutschen<br />

Reiseverkehr mit fremdsprachigen Broschüren für Besuche<br />

in Deutschland. Schwer vorstellbar, dass sich Werbende und<br />

viele der Beworbenen bald schon feindselig gegenüber stehen<br />

Slg. Oliver Strüber<br />

Der Rhein ist als Urlaubserlebnis eine<br />

der Paradestrecken der <strong>Reichsbahn</strong>.<br />

Und eine, bei der man den Titel der<br />

Broschüre wörtlich nehmen kann ...<br />

Slg. Oliver Strüber<br />

Die gedeckte Tafel für unterwegs:<br />

Als „Kaffee-Sonderfahrt“ bot die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> vermutlich eintägige<br />

Ausflugsreisen an<br />

Slg. Dr. Daniel Hörnemann<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 81


Betrieb<br />

| DIE „OST<strong>BAHN</strong>“ IN POLEN<br />

Die neue<br />

Verwaltung<br />

Das von Deutschland besetzte Polen wurde in zwei<br />

Interessensbereiche aufgeteilt: die „eingegliederten Gebiete“<br />

und das „Generalgouvernement“. Während in Ersteren<br />

die <strong>Reichsbahn</strong> den Eisenbahnbetrieb führte, entstand für<br />

Letzteres mit <strong>Reichsbahn</strong>-Beteiligung die „Ostbahn“<br />

Mit dem deutsch-sowjetischen Überfall<br />

auf Polen begann der Zweite<br />

Weltkrieg. Es war nicht Adolf<br />

Hitler allein, der diesen Krieg geplant hatte<br />

und ab dem 1. September <strong>1939</strong> führte, sondern<br />

es waren ebenso seine zahllosen Fachleute<br />

in Wehrmacht, Rüstung und Verwal -<br />

tung. Dazu gehörte auch der alte Reichs -<br />

verkehrsminister Julius Dorpmüller (1869–<br />

1945), der am 24. Juli <strong>1939</strong> seinen 70. Geburtstag<br />

begangen hatte. Dessen Ziel blieb es, die<br />

Leistungsfähigkeit der deutschen Staats -<br />

bahn selbst bei extremen Konflikten unter<br />

Beweis zu stellen. Am 6. September <strong>1939</strong> veröffentlichte<br />

er in Heft 36 der Zeitschrift „Die<br />

<strong>Reichsbahn</strong>“ einen unmissverständlichen<br />

Aufruf an sein Personal, das im Jahresdurchschnitt<br />

958.000 bis 971.000 Kräfte umfasste:<br />

„<strong>Deutsche</strong> Eisenbahner! <strong>Deutsche</strong> Männer<br />

des Flügelrades! Wir alle stehen entschlos -<br />

sen in unverbrüchlicher Treue hinter dem<br />

Führer im Kampf für die Zukunft unseres<br />

herrlichen Reiches!“<br />

Auch während des „Blitzkriegs“ gegen Polen<br />

bewährte sich als „rollendes Führerhauptquartier“<br />

der seit 1937 entstandene<br />

Dienstzug der Reichsregierung. Für die Hilfe<br />

der <strong>Reichsbahn</strong> in ihrem ersten Feldzug<br />

dankte der Oberbefehlshaber des Heeres,<br />

General Walther v. Brauchitsch (1881–1948),<br />

wortreich dem Verkehrsminister, nach dem<br />

sich die letzten polnischen Truppen am 6. Oktober<br />

<strong>1939</strong> ergeben hatten. In „Die <strong>Reichsbahn</strong>“,<br />

Heft 41 vom 11. Oktober <strong>1939</strong>, schloss<br />

Dorpmüller den nächsten Aufruf wie folgt:<br />

„Eure Leistungen in den letzten Wochen in<br />

der Heimat und im Operationsgebiet stellen<br />

sich den unvergänglichen Taten unserer<br />

Wehrmacht würdig zur Seite. Ich wußte, daß<br />

ich mich auf Euch verlassen kann, und ich<br />

bin stolz auf Euch! Es lebe der Führer und<br />

unser herr liches Großdeutschland!“<br />

In etwas mehr<br />

als vier Wochen<br />

nehmen die<br />

deutschen<br />

Truppen das<br />

Nachbarland<br />

ein. Zerstörte<br />

Eisenbahnbrücke<br />

und entgleiste<br />

polnische Güter -<br />

zuglokomotive<br />

an einem unbekannten<br />

Ort<br />

in Polen, <strong>1939</strong><br />

Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />

82


Ende Oktober <strong>1939</strong> unternimmt Reichsverkehrsminister und <strong>Reichsbahn</strong>-Generaldirektor<br />

Julius Dorpmüller eine Inspektionsreise in das Generalgouvernement<br />

und den Bereich der Ostbahn. Das Bild vom 31. Oktober zeigt ihn auf dem Bahnhof<br />

Petrikau mit feldgrauer Uniform in unbekannter Begleitung. Der Eisenbahner<br />

links trägt eine Bahnschutzuniform mit „Gardelitzen“ am Kragen, wie sie anfangs<br />

an die <strong>Reichsbahn</strong>beamten in Polen ausgegeben wurde<br />

Familienbesitz Dorpmüller/Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 83


Betrieb<br />

| DIE „OST<strong>BAHN</strong>“ IN POLEN<br />

Zur selben Zeit reiste der deutsche Verkehrsminister<br />

über die bisherige Grenze<br />

nach Danzig, Dirschau und Tschenstochau<br />

zu einer Inspektion; er wollte sich informieren,<br />

wie Polen auch mit Hilfe seiner, der deutschen<br />

Eisenbahnverwaltung unterworfen<br />

wurde. An Bildern fällt auf, dass er seit September<br />

<strong>1939</strong> bei öffentlichen Auftritten nun<br />

zumeist Uniform trug, denn nicht nur die<br />

Treffen mit Militärs und Eisenbahnpionieren<br />

ließen ihm ein solches Dienstkleid sinnvoll<br />

erscheinen.<br />

Neue Einteilung Polens<br />

Hier soll es vor allem um das erste Jahr der<br />

neuen Bahnverwaltung im eroberten Polen<br />

gehen, etwa den Zeitraum von September<br />

<strong>1939</strong> bis zum Sommer 1940. Anfangs wurden<br />

eigene Eisenbahnbetriebs direktionen in<br />

Lodsch – für das alte „Kongresspolen“ – und<br />

in Posen zur praktischen Instandsetzung der<br />

Strecken gebildet.<br />

Nach der deutschen Besetzung des Nachbarlandes<br />

im Oktober <strong>1939</strong> stand das Reichsverkehrsministerium<br />

vor der Aufgabe, die<br />

Eisenbahnen des eroberten Gebietes mit<br />

einer neuen Organisationsstruktur zu ver -<br />

sehen. Sie hatte dabei nach Hitlers Entscheidungen<br />

besondere Rücksicht auf die endgültige<br />

poli tische Aufteilung Polens zwischen<br />

den „eingegliederten Gebieten“ von Posen,<br />

Westpreußen und Ostoberschlesien einer -<br />

seits sowie dem „Generalgouverne ment“<br />

(GG) mit Regierungssitz in Krakau andererseits<br />

zu nehmen.<br />

Viele Beamte der <strong>Reichsbahn</strong> bewarben sich freiwillig zur Ostbahn, um Karriere zu machen.<br />

Doch auch schwache Eisenbahner wurden aus der Heimat abgeordnet, weil ihre Vorgesetzten<br />

etwas Abstand gewinnen wollten – hier ein Beispiel vom April 1940 Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />

Bildung neuer Direktionen<br />

Mit Wirkung vom 1. November <strong>1939</strong> entstanden<br />

zwei neue <strong>Reichsbahn</strong>direktionen für<br />

die ins <strong>Deutsche</strong> Reich aufgenommenen<br />

Gaue „Westpreußen“ in Danzig und „Wartheland“<br />

in Posen. Zu den wichtigsten Strecken<br />

der <strong>Reichsbahn</strong>direktion Danzig gehörten<br />

ein Abschnitt der vormals preußischen Ostbahn<br />

von Berlin nach Königsberg zwischen<br />

Konitz und Elbing sowie ein langer Abschnitt<br />

Durch Verordnung wurde<br />

am 9. November <strong>1939</strong><br />

die Ostbahn gegründet<br />

der „Kohlenmagistrale“ aus Oberschlesien<br />

zwischen Bromberg und der Ostseeküste. Im<br />

neuen „Warthegau“ übernahm die <strong>Reichsbahn</strong>direktion<br />

Posen den Betrieb. Die bereits<br />

vorhandene <strong>Reichsbahn</strong>direktion Oppeln<br />

wurde um den Raum Kattowitz in dem<br />

gleichfalls zum Reich geschlagenen Gebiet<br />

Ostoberschlesiens erweitert. Dort befand<br />

sich das große Steinkohlenrevier.<br />

Zugleich wurde mit „Verordnung des Generalgouverneurs<br />

über die Verwaltung des<br />

Eisenbahnwesens im General gouverne -<br />

ment“ vom 9. November <strong>1939</strong> eine „General-<br />

Übersichtskarte der Ostbahn; schraffiert ist die erst im August<br />

1941 hinzugekommene Direktion Lemberg dargestellt. Bild aus<br />

dem „Archiv für Eisenbahnwesen“ 1960, Seite 30 Slg. Gottwaldt<br />

84


<strong>Deutsche</strong> Eisenbahner aus der <strong>Reichsbahn</strong>direktion Kassel auf einer polnischen Dampflok in Krakau im Herbst <strong>1939</strong>. Die 117 Tonnen schwere<br />

Tenderlokomotive der Gattung OKz 32-3 mit der Achsfolge 1’E1’ wurde von der Ostbahn zur Baureihe 95 3 gemacht Slg. Dr. Gerhard Düsterhaus<br />

direktion der Ostbahn“ (Gedob) mit Sitz in<br />

Krakau gegründet, um die übrigen vormals<br />

polnischen Strecken zu betreiben. Am 17. November<br />

<strong>1939</strong> kam das „Gesetz über die Errichtung<br />

der Ostbahn“ für das Generalgouvernement<br />

heraus.<br />

Der Begriff „Ostbahn“ war früher schon<br />

mehrfach in Preußen und Bayern sowie in<br />

Österreich und Frankreich verwendet worden;<br />

aktuell gab es noch die „<strong>Reichsbahn</strong> -<br />

direktion Osten“ mit Sitz in Frankfurt (Oder).<br />

Bereits am 15. Dezember <strong>1939</strong> wurde der<br />

erste Fahrplan der Ostbahn veröffentlicht.<br />

Der Betriebsleiter ihrer Eisenbahnbetriebsdirektion<br />

Krakau, Oberreichsbahnrat Phi -<br />

lipp Mangold (1887–1955), rief zum Jahreswechsel<br />

<strong>1939</strong>/40 voller Überzeugung im<br />

Amtsblatt seiner Behörde aus: „Die Nach -<br />

welt wird uns einst um das Glück beneiden,<br />

in dieser großen Zeit gelebt und unserem genialen<br />

Führer beim Bau Großdeutschlands<br />

geholfen zu haben.“ Der einsetzende heftige<br />

Winter mit Temperaturen bis zu minus 40<br />

Grad Celsius machte es sehr schwierig, sämtliche<br />

Züge überhaupt zu fahren. Die „Krakauer<br />

Zeitung“ vom 27. Januar 1940 schrieb<br />

dazu: „Der letzte Kälteeinbruch und die immer<br />

wieder einsetzenden Schneefälle haben<br />

auch unserer <strong>Deutsche</strong>n Ostbahn einen<br />

Strich durch die Rechnung gemacht. Der Reiseverkehr<br />

mußte bis zu 30 Prozent eingeschränkt<br />

werden.“<br />

Die Generaldirektion der Ostbahn<br />

Von Anfang 1940 bis Anfang 1945 befand sich<br />

eine Behörde mit der Bezeichnung „Ge-<br />

neraldirektion der Ostbahn“ (Gedob) am<br />

Matejkiplatz 12 in Krakau. Das vormalige<br />

Dienstgebäude der Polnischen Staatseisenbahnen<br />

lag nur wenige Gehminuten vom<br />

Krakauer Hauptbahnhof entfernt. Der Platz<br />

war nach Jan Matejko benannt, einem Maler<br />

patriotischer Historiengemälde. Noch heute<br />

befinden sich polnische Eisenbahndienststellen<br />

in dem massiven Bauwerk.<br />

Nach dem Vorbild des Reichsverkehrs -<br />

ministeriums war die Gedob zunächst in<br />

sechs Abteilungen gegliedert, welche jeweils<br />

die üblichen Referate umfassten. Die zur Leitung<br />

des Eisenbahnwesens im Generalgouvernement<br />

erforderlichen oberen und mittleren<br />

deutschen Beamten bis hinab zum<br />

Bahnhofsvorsteher oder Gruppenleiter wurden<br />

noch im Oktober <strong>1939</strong> aus dem Personalbestand<br />

der <strong>Reichsbahn</strong> abgeordnet, teilweise<br />

nach freiwilligen Meldungen. Sie<br />

be hielten die Dienstbezeichnungen zum Beispiel<br />

als <strong>Reichsbahn</strong>inspektoren auch während<br />

ihrer Zeit bei der Ostbahn. Anfangs trugen<br />

sie Bahnschutzuniformen und bekamen<br />

Handfeuerwaffen.<br />

Die Zahl der deutschen Dienstkräfte im<br />

Bereich der Gedob stieg allmählich von etwa<br />

5.000 Mann im Jahr 1940 bis zuletzt – mit den<br />

<strong>Deutsche</strong> Dienstkräfte<br />

beaufsichtigten die<br />

polnischen Eisenbahner<br />

aus der besetzten Sowjetunion zurückgedrängten<br />

Kräften – auf mehr als 20.000 Mann<br />

im Jahre 1944 an. Sie führten im praktischen<br />

Bahnbetrieb die Aufsicht über die einhei -<br />

mischen Eisenbahner. Zur Weiterbildung<br />

dien te die „Zentralschule der Ostbahn“ in<br />

Makow-Podhalanski an der Strecke von Krakau<br />

nach Zakopane.<br />

Wichtigste Aufgaben der Ostbahn waren<br />

– nach Beseitigung der im September <strong>1939</strong><br />

entstandenen Schäden – eine beständige Mithilfe<br />

bei der Ausplünderung des unterworfe-<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 85


Betrieb<br />

| DIE „OST<strong>BAHN</strong>“ IN POLEN<br />

nen Landes, die Umsiedlung der „Wolhyniendeutschen“<br />

mit Pferd und Wagen aus der<br />

Sowjetunion ins Reich, die geheime Vorbereitung<br />

des Russlandfeldzugs bis Mitte 1941<br />

und danach die massive Versorgung der deutschen<br />

Besatzungsarmeen in der Sowjetunion.<br />

Ostbahn-Präsident Adolf Gerteis<br />

Die Ostbahn war 1940 in vier Betriebsdirektionen<br />

mit Sitz in Krakau, Lublin, Radom<br />

und Warschau unterteilt. Ab 1. August 1941<br />

kam mit Galizien die Direktion Lemberg<br />

hinzu. Die Direktion Lublin wurde daraufhin<br />

aufgelöst, so dass ab Ende 1941 in vier Direktionen<br />

in Krakau (1.333 Kilometer), Lemberg<br />

Adolf Gerteis<br />

war als deutscher<br />

Eisenbahnbeamter<br />

von 1911 bis 1952<br />

tätig. Bei der „Ostbahn“<br />

fungierte er<br />

ab Februar 1940 als<br />

Präsident; später<br />

machte er bei der<br />

Bundesbahn Karriere<br />

Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />

(2.471 Kilometer), Radom (1.999 Kilometer)<br />

und Warschau (1.228 Kilometer) insgesamt<br />

7.090 Kilometer Streckenlänge bestanden.<br />

Im Mai 1943 wurde auch die Radomer Direktion<br />

auf die Nachbarbezirke aufgeteilt. Die<br />

Zahl der Lokomotiven bei der Ostbahn stieg<br />

von 1.135 Stück im Januar 1940 auf 2.400<br />

NSDAP-Mitglieder an<br />

der Spitze: Auf Emil Beck<br />

folgte Adolf Gerteis<br />

Stück im Sommer 1944 an. Eigene Ostbahn-<br />

Ausbesserungswerke bestanden 1940 in Neu-<br />

Sandez, Pruszkow, Radom, Tarnow und in<br />

Warschau-Praga.<br />

Chef der Ostbahn-Generaldirektion war<br />

während ihrer ersten Monate noch Emil<br />

Beck (1887–1982), ein altes NSDAP-Mitglied<br />

seit dem 1. Februar 1931, der Anfang 1940<br />

zum neuen Präsidenten der <strong>Reichsbahn</strong>direktion<br />

Berlin aufstieg. Vom 26. Februar 1940<br />

bis zum Kriegsende war aber der verantwortliche<br />

erste Mann bei der Ostbahn sein bisheriger<br />

erster Vertreter und Betriebsleiter, Adolf<br />

Gerteis (1886–1957). Der nunmehrige Präsident<br />

war NSDAP-Mitglied seit dem 1. April<br />

1936 und bei der Verstaatlichung der Lübeck-<br />

Büchener Eisenbahn von dieser Gesellschaft<br />

1938 wieder zur <strong>Reichsbahn</strong> gekommen.<br />

Sein Posten in Krakau wurde dadurch aufgewertet,<br />

dass Gerteis ab 6. April 1940 zugleich<br />

als „Leiter der Haupteilung Eisenbahn<br />

in der Regierung des General gouverne -<br />

ments“ besonders bestallt war.<br />

Organisatorische Unklarheiten<br />

Ob die Ostbahn eigentlich „ein Teil oder eine<br />

Tochter der <strong>Reichsbahn</strong>“ bildete, war zutiefst<br />

umstritten. Das Geld der Ostbahn sollte in<br />

das Budget des Generalgouverneurs Hans<br />

Frank (1900–1946) fließen, doch andererseits<br />

erhielt sie gewisse betriebliche Anweisungen<br />

sowie Betriebsmaterial vom Reichsverkehrsministerium.<br />

Diese unklare Regelung führte<br />

zu beständigen Reibungen zwischen Generalgouverneur<br />

und Reichsverkehrsminister.<br />

Diese wurden noch verschärft, als Dorpmüller<br />

im Januar 1942 auch den Bahnbetrieb in<br />

der besetzten Sowjetunion übernahm und<br />

seitdem etwa zwei Drittel der Züge aus dem<br />

Reich nach Russland über das Gebiet der<br />

Ostbahn als einer für die <strong>Reichsbahn</strong> „fremden<br />

Verwaltung“ hinweg geführt werden<br />

mussten.<br />

Seinen Kollegen bei der Eisenbahn galt<br />

Gerteis als Karrierist und Christ zugleich.<br />

Von 1940 bis 1945 war er mit der Ostbahn an<br />

Zwangsarbeit und Deportation der polnischen<br />

Juden beteiligt. Nach der Flucht in die<br />

amerikanische Besatzungszone Deutschlands<br />

wurde er im Januar 1950 noch zum<br />

Stellvertretenden Generaldirektor der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bundesbahn gemacht. Mitte 1952 trat<br />

er in den Ruhestand.<br />

Das polnische Personal<br />

Der Bahnbetrieb der Ostbahn litt von Anfang<br />

an unter gravierendem Personalmangel, verschärft<br />

durch erhebliche Defizite an Mate -<br />

rial, Bauten und Maschinen. Damit waren<br />

die von Politik, Militär und Wirtschaft geforderten<br />

großen Transportleistungen nur mühsam<br />

zu erbringen. Die Gedob versuchte deshalb,<br />

ihre etwa 50.000 polnischen Dienstkräfte<br />

durch „angemessene Bezahlung“ und<br />

„günstige Arbeitsbedingungen“ sowie gewisse<br />

„soziale Maßnahmen“ zu motivieren,<br />

den Dienst bei der Ostbahn zuverlässig zu<br />

Die Gliederung und die leitenden Mitarbeiter der Generaldirektion der „Ostbahn“, Stand vom April 1940.<br />

Die Mitarbeiter hatte man vielfach von der <strong>Reichsbahn</strong> gewonnen Slg. Dr. Alfred Gottwaldt (3)<br />

86


Szene vor dem Warschauer Hauptbahnhof, aufgenommen im Winter <strong>1939</strong>/40. Das neue, überhaupt erst unter deutscher Leitung fertig<br />

gestellte Empfangsgebäude trägt bereits zweisprachige Beschriftungen in deutsch und in polnisch Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />

verrichten. Die „volksdeutschen“ Eisenbahner<br />

aus Polen hat man dabei stets bevorzugt.<br />

Durch Lohnerhöhungen für die polnischen<br />

wie für die deutschen Eisenbahner wurde<br />

die Zahl der nicht zur Arbeit erscheinenden<br />

nichtdeutschen Kräfte merklich vermindert,<br />

doch fand diese Politik nicht immer die Zustimmung<br />

des Generalgouverneurs Frank.<br />

Auf solche Weise wurde – bis 1944 weit ge -<br />

hend mit Erfolg – auch Sabotage bei der Ostbahn<br />

vorgebeugt.<br />

Juden bei der Ostbahn<br />

Das besetzte Gebiet Polens wurde bald zu einem<br />

Exerzierfeld für die deutsche Judenpolitik.<br />

Wie alle Dienststellen und Firmen im<br />

Generalgouvernement beschäftigte auch die<br />

Ostbahn seit <strong>1939</strong> an zahllosen Orten eine<br />

große Zahl jüdischer Zwangsarbeiter. Schon<br />

am 14. Oktober <strong>1939</strong> entstand eine propagandistische<br />

Aufnahme mit dem Titel „Zur Arbeit<br />

herangezogene Juden auf dem Bahnhof Warschau<br />

Hauptbahnhof“ für das Bildarchiv der<br />

Generaldirektion. Typische Tätigkeiten der<br />

Juden bestanden im kräfte zehrenden „Er-<br />

satz von nicht vorhandenen Maschinen“ bei<br />

der Ostbahn. Die Menschen wurden beim<br />

Verladen von Lokomotivkohle, beim Um -<br />

laden von Gepäck oder von Fracht sowie<br />

zum Schneeräumen eingesetzt, ferner zu<br />

Erd arbeiten bei Baumaßnahmen. Herabwürdigungen<br />

sollten folgen.<br />

Bereits am 26. Januar 1940 bestimmte Generalgouverneur<br />

Frank, dass den Juden in<br />

seinem Gebiet die Benutzung der Eisenbahn<br />

verboten sei. Einige Tage später wurde ein<br />

entsprechender Aushang auf sämtlichen<br />

Bahnhöfen der Ostbahn angebracht; übrigens<br />

viel früher als im Reich ab September<br />

1941. Schon am 2. Februar 1940 schrieb das<br />

Nachrichtenblatt der Generaldirektion der<br />

Ostbahn offen: „Die Ghettos in Warschau<br />

und Lublin vermitteln ein anschauliches Bild<br />

von der Gefahr, die das Judentum für die Völker<br />

bedeutet, denn auch die Juden, die früher<br />

Macht und Einfluß in Deutschland besaßen,<br />

haben ihre Urheimat in den schmutzigen<br />

und verwahrlosten – zum Teil unterirdischen<br />

– Behausungen dieser östlichen Ghettos.“<br />

Am 20. Februar 1941 wurde die Verordnung<br />

des Reiseverbots erneuert und fand so<br />

Eingang in die zweisprachige „Eisenbahn-<br />

Verkehrsordnung für das General gouverne -<br />

ment“ vom 1. Januar 1942.<br />

Gegen Jahresende 1941 setzten die systematische<br />

Deportation der polnischen Juden<br />

und ihre Ermordung im Vernichtungslager<br />

Belzec bei Lublin ein. Das Vernichtungslager<br />

Sobibor bei Lublin nahm seinen Betrieb im<br />

Frühjahr 1942 auf. Im Vernichtungslager<br />

Treblinka bei Malkinia fand binnen weniger<br />

Monate ab 22. Juli 1942 die Mehrzahl der<br />

Warschauer Juden den Tod. Insgesamt<br />

brachte die Ostbahn mehr als 1,5 Millionen<br />

Menschen in diese Mordfabriken.<br />

In den Ausbesserungswerken der Ost -<br />

bahn waren jüdische Facharbeiter unverzichtbar.<br />

Typisch für die geistige Haltung der<br />

deutschen Beamten bei der Ostbahn war die<br />

Bemerkung ihres Präsidenten Gerteis während<br />

einer Besprechung mit Generalgouverneur<br />

Frank am 22. September 1942. Dem -<br />

nach konnte er die noch bei der Ostbahn<br />

beschäftigten 24.000 Juden nicht für die Ver -<br />

nichtung freigeben – solange seine Ver wal -<br />

tung keine geeigneten „Ostarbeiter“ als<br />

Ersatz erhielt. Dazu kam es innerhalb von<br />

Jahresfrist bis zum Herbst 1943.<br />

Dr. Alfred Gottwaldt<br />

Literaturhinweise –<br />

Mehr zum Thema Ostbahn<br />

Werner Pischel: Die Generaldirektion<br />

der Ostbahn in Krakau <strong>1939</strong> – 1945.<br />

In: Archiv für Eisenbahnwesen 1964, S. 1.<br />

Michael Reimer, Volkmar Kubitzki:<br />

Eisenbahn in Polen <strong>1939</strong> – 1945.<br />

Stuttgart 2004.<br />

Wolfgang Scharf: Eisenbahnen zwischen<br />

Oder und Weichsel. Freiburg 1981.<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 87


Fahrzeuge<br />

| MODERNE TRAKTION IM KRIEG<br />

Wehrmachtsübung mit einer Kleinlok<br />

der <strong>Reichsbahn</strong> 1938/39. Im Krieg wurden die<br />

kleinen Triebfahrzeuge zahlreich von Wehrmachtsdienststellen<br />

eingesetzt Slg. Dirk Winkler<br />

Ende Mai 1934 beschloss der Verwaltungsrat<br />

der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong>-<br />

Gesellschaft (DRG), ein umfang -<br />

reiches Programm zur Beschaffung von<br />

Triebwagen aufzulegen. Geringere Personalkosten<br />

durch den einmännigen Betrieb, niedrigere<br />

Betriebskosten, kürzere Reisezeiten<br />

und größere Flexibilität gegenüber lokbespannten<br />

Zügen gaben den Ausschlag dafür.<br />

Geplant war, den Bestand von rund 60.000<br />

Reisezugwagen zu halbieren und den Personen-<br />

und Eilzugverkehr auf Hauptbahnen<br />

sowie den gesamten Nebenbahnpersonenverkehr<br />

künftig mit Triebwagen durchzuführen.<br />

Ein 1935 vorgelegtes Vereinheitlichungsprogramm<br />

konzentrierte sich auf sechs Bauarten,<br />

das in der überarbeiteten Fassung nur<br />

noch vierachsige Triebwagen sowie einige<br />

Sonderbauarten enthielt. Mit den Verbrennungstriebwagen<br />

hatte die <strong>Reichsbahn</strong> sehr<br />

erfolgreich begonnen, auf Haupt- und Nebenbahnen<br />

Personenzugleistungen mit geringer<br />

Nachfrage abzudecken, sowie einige<br />

dampfgeförderte Eilzugleistungen durch<br />

Triebwagen ersetzt. Zudem hatte sie seit 1933<br />

kontinuierlich ein Netz von Schnelltrieb -<br />

wagenleistungen aufgebaut, das vornehm -<br />

lich im hochwertigen FD-Zugdienst, also nur<br />

für Reisende der 1. und 2. Wagenklasse,<br />

angesiedelt war.<br />

88<br />

Einfache Loks<br />

in großer Zahl<br />

Mitte der 1930er-Jahre hatte sich die <strong>Reichsbahn</strong> ein<br />

Modernisierungsprogramm für ihren Fahrzeugpark<br />

auferlegt. Schwerpunkte waren Verbrennungstriebwagen<br />

und eine Erweiterung des elektrischen<br />

Betriebs. Im Krieg blieb davon nicht viel übrig<br />

Zeitgleich hatte 1934 das <strong>Reichsbahn</strong>zentralamt<br />

ein Diesellokprogramm aufgelegt, in<br />

dem bis zu fünf Bauarten vorgesehen waren,<br />

von denen je eine Versuchslokomotive beschafft<br />

werden sollte, um die neuen tech -<br />

nischen Möglichkeiten zu erproben und<br />

Lo komotiven für höhere Leistungen und<br />

Fahr geschwindigkeiten zu entwickeln. Zu -<br />

dem wurden in großer Stückzahl Kleinlo<br />

ko motiven mit Verbrennungs motoren be -<br />

schafft, die den Rangierdienst auf Unterwegsbahnhöfen<br />

vereinfachen sollten.<br />

Eine größere Bedeutung maß die <strong>Reichsbahn</strong><br />

ab 1933 auch wieder der Elektrifizierung<br />

bei. Die Vorhaben umfassten die Weiterführung<br />

von Arbeiten in Bayern und Württemberg<br />

sowie als eines der größten Projek -<br />

te die durchgehende Elektrifizierung der<br />

Strecke München – Berlin. Zwar blieben die<br />

Stückzahlen der gelieferten elektrischen<br />

Lokomotiven im Vergleich zu den Dampfloks<br />

eher gering, doch zeichnete sich eine Typi -<br />

sierung der Lokomotiven und Triebwagen<br />

ab, die auch hier einen wirtschaftlicheren<br />

Betrieb erreichen sollte.<br />

Mit der beginnenden Aufrüstung kamen<br />

die Projekte ins Stocken. Nur eine Type aus<br />

dem fünf Bauarten umfassenden letzten


Truppen- und Materialtransport mit einer E 44. Neben der 1940 vorgestellten<br />

E 94 war dies die einzige Elloktype, welche die <strong>Reichsbahn</strong> – in vereinfachter<br />

Kriegsversion – weiter bauen ließ Slg. Stefan Ponzlet<br />

vor schweren Eisenbahngeschützen. Seit<br />

Mitte August <strong>1939</strong> wurden die <strong>Reichsbahn</strong>direktionen<br />

angewiesen, ausgewählte Triebwagenbauarten<br />

vordringlich ausbessern zu<br />

lassen. Ungenannter Hintergrund war ihr<br />

vorgesehener Einsatz für die Wehrmacht.<br />

Ende September <strong>1939</strong> waren rund 80 Verbrennungstriebwagen<br />

von der <strong>Reichsbahn</strong><br />

an die Wehrmacht abgegeben, zumeist<br />

bereits in neuer, dunkelgrauer Lackierung.<br />

Besonders im 1940 begonnenen Westfeldzug<br />

wurden die Triebwagen zur Streckenerkundungen<br />

und -inbesitznahmen in den überfallenen<br />

Gebieten eingesetzt. Später waren die<br />

<strong>Reichsbahn</strong>triebwagen verteilt über halb<br />

Europa; sie beförderten Mannschaften, Einsatzstäbe<br />

und Kriegsgerät an die Fronten,<br />

waren leicht verlegbare Stabsquartiere der<br />

Befehlshaber oder dienten als Zuggerät bei<br />

Eisenbahn-Geschützen. Auch die Kleinlokomotiven<br />

wurden gern und zahlreich durch<br />

Wehrmachtsdienststellen genutzt. Es gab Beschränkungen<br />

der Kraftstoffversorgung für<br />

den zivilen Verkehr, aber im militärischen Bereich<br />

setzte man Triebfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren<br />

ein. Die <strong>Reichsbahn</strong> war bemüht,<br />

wenigstens die Triebwagen mit Ottomoren<br />

auf Gas be trieb umzustellen, wodurch<br />

ein – geringer – Bestand weiterhin einer zivilen<br />

Nutzung zur Verfügung stand.<br />

Zwischen Saalfeld und Probstzella entstand das Bild mit E 18 045 und ihrem Schnellzug. Die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> wollte die E 18 im Krieg weiter beschaffen, stoppte diese Pläne aber Slg. Gerhard<br />

Fahrzeugprogramm von 1935 wurde realisiert:<br />

eine 1’C1’-Nebenbahn-Diesellok mit<br />

hydraulischem Blindwellenantrieb, die im<br />

Sommer 1935 als V 16 101 (spätere V 140 001)<br />

zur <strong>Reichsbahn</strong> gelangte. Im Februar 1936<br />

wurde das Diesellok-Programm der DRG<br />

mit Verweis auf die Schwierigkeiten bei der<br />

Beschaffung von Treiböl abgebrochen. Die<br />

Zahl der von 1937 bis <strong>1939</strong> ausgelieferten Verbrennungstriebwagen<br />

belief sich über alle<br />

Bauarten auf 181 Stück. Dem standen knapp<br />

1.000 Dampflokomotiven gegenüber. Zwar<br />

gab es nach 1937 ein überarbeitetes Ver -<br />

einheitlichungsprogramm bei den Verbren-<br />

nungstriebwagen, doch mit dem Überfall auf<br />

Polen und der weitgehenden Einstellung des<br />

zivilen Triebwagenverkehrs ab Ende August<br />

<strong>1939</strong> wurden alle Vorhaben zur Makulatur.<br />

Ende <strong>1939</strong> waren die bis dahin zuständigen<br />

Dezernate bereits aufgelöst.<br />

Dienstbare Helfer für das Militär<br />

Bereits vor Kriegsbeginn hatten militärische<br />

Stellen Triebwagen wie auch Kleinloks in unterschiedlichen<br />

Einsatzfällen erprobt. Seit<br />

November 1938 testete die Wehrmacht einzelne<br />

Verbrennungstriebwagen und begutachtete<br />

ihre Einsatzfähigkeit insbesondere<br />

Zuverlässiger elektrischer Betrieb<br />

Den elektrischen Betrieb hielt die Reichs -<br />

bahn in vollem Umfang aufrecht. Der Streckenausbau<br />

wurde fortgesetzt, wenn auch<br />

mit vermindertem Tempo, da Arbeitskräfte<br />

und Rohstoffe fehlten. Nur wenige Projekte<br />

wurden weitergeführt, darunter das Großvorhaben<br />

München – Berlin. Nach Verzögerungen<br />

erreichte der Fahrdraht von Saalfeld<br />

aus 1942 Leipzig.<br />

Insgesamt war der elek trische Betrieb,<br />

wie sich im Kriegsverlauf zeigte, weit<br />

weniger störanfällig als vom Generalstab erwartet.<br />

Nach Luftangriffen waren die Fahrleitungsanlagen<br />

oft schneller wieder instand<br />

gesetzt als Oberbau und Brücken. Trotzdem<br />

hatte der Chef des Transportwesens der<br />

Wehrmacht im Jahr 1941 die Zustimmung zu<br />

einem groß angelegten Ausbauprogramm<br />

verweigert.<br />

Anfang 1940 sah die <strong>Reichsbahn</strong> noch die<br />

Beschaffung der Baureihen E 18, E 44 und<br />

E 94 vor; zwei Jahre später wurde lediglich<br />

der Bau von E 94 und E 44 als Kriegs-Elektrolokomotiven<br />

– in vereinfachter Form – weiter<br />

zugelassen. Der Bau der Schnellzugloks<br />

E 180 und E 19 wurde dagegen <strong>1939</strong> einge -<br />

stellt, 1940 rollten auch die letzten Exemplare<br />

der aus Österreich stammenden E 18 2 (ex.<br />

BBÖ Rh 1870) auf die Gleise. Von nun an kamen<br />

einfache Massenprodukte in den Trieb -<br />

fahrzeug bestand – bis weit über den Krieg<br />

hinaus.<br />

Dirk Winkler<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 89


Bilderbogen<br />

| DIE ERSTE KRIEGSZEIT<br />

Nach Polen<br />

Mit dem 1. September <strong>1939</strong> ist die – bestenfalls trügerische –<br />

Friedenszeit in Deutschland vorbei. Spätestens jetzt fährt die<br />

<strong>Reichsbahn</strong> unter Kriegsbedingungen. In einem Konflikt, der lange<br />

dauert und nach dem nichts mehr so sein wird wie vorher<br />

90


„Auf nach Ostpreußen!“ steht auf der Rückseite dieses Fotos, datiert auf <strong>1939</strong> mit<br />

dem Aufnahmeort Hagen Hauptbahnhof. Einheiten des Reichsarbeitsdienstes<br />

warten auf die Bahnfahrt in die (außer der Stadt Danzig) zum <strong>Deutsche</strong>n Reich<br />

gehörende Exklave, in der ebenfalls schon der Krieg gegen Polen vorbereitet<br />

wird. Der Reichsarbeitsdienst errichtet dort Verteidigungsanlagen und ersetzt<br />

Reservisten, welche die Wehrmacht für den Angriff einberufen hat Slg. Stefan Ponzlet<br />

und weiter<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 91


Bilderbogen<br />

| DIE ERSTE KRIEGSZEIT<br />

In zahlreichen Zügen bringt die <strong>Reichsbahn</strong> militärisches Gerät an den „Gefechtsort“,<br />

wie diese Geschütze und Kübelwagen des Heeres. Die Transporte setzen sich<br />

fort; das Bild aus Polen entstand vermutlich im Frühjahr 1940 Slg. Stefan Ponzlet<br />

Während des „Blitzkriegs“ gegen Polen benutzen<br />

Adolf Hitler und sein Außenminister Joachim<br />

von Ribbentrop im September <strong>1939</strong> den<br />

Dienstzug der Reichsregierung als „rollendes<br />

Führerhauptquartier“. Der Sonderzug wurde<br />

eigens für die NS-Führung gebaut;<br />

in Bildmitte ein Salonwagen<br />

Library of Congress/<br />

Slg. Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz<br />

Noch ist es vor allem die Eisenbahn des<br />

Gegners, die ins Fadenkreuz der Angriffe<br />

gerät. Zerstörter polnischer Güterzug<br />

bei Graudenz am 27. September <strong>1939</strong><br />

Slg. Dr. Brian Rampp<br />

Die andere Seite des Krieges:<br />

Für die Verwundeten auf<br />

deutscher Seite werden<br />

Lazarettzüge eingesetzt –<br />

zusammengestellt aus<br />

<strong>Reichsbahn</strong>-Wagenmaterial<br />

Slg. Dieter Heckl<br />

92


Der Krieg beginnt<br />

Ein von <strong>Deutsche</strong>n inszenierter „polnischer Überfall“ dient dem Hitler-<br />

Regime als Vorwand, um das Nachbarland anzugreifen. Polen kann dem<br />

deutschen Vormarsch nur wenig entgegen setzen; auch mit Hilfe des<br />

Transportmittels <strong>Reichsbahn</strong> kommt die Wehrmacht schnell voran<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 93


Bilderbogen<br />

| DIE ERSTE KRIEGSZEIT<br />

Die neuen Machthaber<br />

Ohne Skrupel etabliert die deutsche Führung ihre Herrschaft im eroberten<br />

Polen; Alltagsgeschäfte stehen dabei neben Verfolgung und Rassenwahn.<br />

Die <strong>Reichsbahn</strong> erweitert ihr Streckennetz und ihren Fahrzeugbestand<br />

Zum Schutz vor bzw. Auskurieren von Krankheiten<br />

müssen Soldaten „Entseuchungszüge“ aufsuchen.<br />

Bild in Debica, 24. Oktober <strong>1939</strong> Slg. Dr. Brian Rampp<br />

Im September <strong>1939</strong> war die<br />

deutsche Eroberung der<br />

Weichsel brücken bei Dirschau<br />

misslungen, im Oktober<br />

<strong>1939</strong> ermöglicht eine Notbrücke<br />

wieder den Übergang. Die<br />

Postkarte zeigt die Einweihung<br />

Slg. Stefan Ponzlet<br />

94


Insignien der Macht:<br />

auf <strong>Reichsbahn</strong>-Besitz<br />

umgezeichneter<br />

Wagen der Polnischen<br />

Staatsbahn, aufgenommen<br />

im Oktober <strong>1939</strong><br />

Slg. Dr. Brian Rampp<br />

Wehrmachtssoldaten warten in Kattowitz auf den Zug. Der Bahnhof ist bereits „umgeschildert“<br />

und verfügt nun auch über eine „NSDAP-Reiseleitung“ Slg. Stefan Ponzlet<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 95


Bilderbogen<br />

| DIE ERSTE KRIEGSZEIT<br />

Eine Lok der Baureihe 50 steht mit einem<br />

Militärzug abfahrbereit, aus den Wagen<br />

blicken Leute des Heeres. In strategischer<br />

Hinsicht wird die Eisenbahn im Zweiten<br />

Weltkrieg noch eine wichtige Rolle spielen –<br />

als Verkehrsträger ebenso wie als Ziel<br />

Slg. Stefan Ponzlet<br />

„Von Warschau zum Rhein<br />

und Westwall“ steht auf<br />

dem Wagen, aus dem sich<br />

Männer des Maschinengewehr-<br />

Bataillons 31 für ein Erinnerungsfoto<br />

lehnen. Der Einsatz in Polen<br />

scheint beendet, der nächste<br />

Kriegsschauplatz wartet<br />

Slg. Stefan Ponzlet<br />

96


Wenig spektakulär geht das erste Kriegsjahr in Friedrichsruh (Strecke<br />

Hamburg – Büchen) zu Ende. Eine Dampflok der Baureihe 56 20 fährt am<br />

Silvestertag <strong>1939</strong> durch ruhige Winterlandschaft. Wer ahnt, dass diesem<br />

Kriegswinter noch fünf weitere folgen, mit wachsendem Elend und Leid<br />

auf allen Seiten? Walter Hollnagel/Slg. Eisenbahnstiftung<br />

Die nationalsozialistische Propaganda<br />

geht leichtfertig darüber hinweg, tatsächlich<br />

fordern auch die Kämpfe in Polen Opfer.<br />

Wehrmachtssoldaten erweisen in Lamza<br />

den getöteten Kameraden die letzte Ehre<br />

RVM/Slg. Gerhard<br />

Der Krieg geht weiter<br />

Noch im Herbst <strong>1939</strong> plant die NS-Führung die nächsten<br />

Angriffe. Polen galt nur als ein Zwischenziel. Auch deshalb<br />

wird dies der schlimmste Konflikt der Menschheitsgeschichte;<br />

am Ende gibt es mehr als 60 Millionen Tote weltweit<br />

<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 97


<strong>Vorschau</strong><br />

| IM NÄCHSTEN HEFT<br />

Impressum<br />

2/2014 | März/April<br />

25. Jahrgang | Nummer 129<br />

Thema: Bahn-Atlas Deutschland<br />

Reisetipps für die Saison<br />

Internet: www.eisenbahnwelt.de<br />

Redaktionsanschrift:<br />

<strong>BAHN</strong>-<strong>EXTRA</strong><br />

Postfach 40 02 09 l 80702 München<br />

Tel. +49 (0) 89.13.06.99.720, Fax -700<br />

E-Mail: redaktion@geramond.de<br />

Redaktionsleitung: Michael Krische<br />

Verantwortl. Redakteur: Thomas Hanna-Daoud<br />

Redaktion: Martin Weltner, Alexandra Wurl<br />

Redaktionsassistenz: Brigitte Stuiber<br />

Layout: Ralf Puschmann, Rico Kummerlöwe<br />

Mitarbeit: Norbert Bartel, Leonhard Bergsteiner,<br />

Helmut Brinker, Joachim Bügel,<br />

Dr. Alfred Gottwaldt, Andreas Knipping,<br />

Alexander Losert, Josef Mauerer, Anneli Nau,<br />

Erich Preuß, Dr. Brian Rampp, Michael Reimer,<br />

Peter Schricker, Oliver Strüber, Dirk Winkler,<br />

Markus Wunderlich u.v.m.<br />

Abo-Hotline, Kundenservice,<br />

GeraMond-Programm<br />

Tel. (0180) 5 32 16 17*<br />

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Verantwortlicher Redakteur <strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong><br />

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Das kleine Magazin<br />

über die große Bahn<br />

Das neue<br />

Heft ist da.<br />

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Der Weg in den Krieg<br />

Das Jahr <strong>1939</strong> wird für die <strong>Reichsbahn</strong> ein Jahr der Gegensätze<br />

und ein Jahr des Wandels: Sie erhält neue Lokbaureihen<br />

und setzt die Elektrifizierung fort, aber ab dem Spätsommer<br />

bestimmt der Krieg den Bahnbetrieb. Dieses Heft dokumentiert<br />

ein Eisenbahn-Jahr, nach dem nichts mehr so war wie zuvor<br />

www.eisenbahnwelt.de ISBN 978-3-86245-195-1

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