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Bunte Auswahl – und gewaschen wird auch<br />
Die besten Plattenläden in <strong>GoodTimes</strong>-Land<br />
Folge 11: Checkpoint Charly, Hamburg<br />
Von Oliver Schuh<br />
Es sind seltsame Zeiten. Während New<br />
York City längst keinen einzigen Megas<strong>to</strong>re<br />
mehr zu bieten hat, werden nun<br />
auch in deutschen Metropolen die Regale<br />
geräumt. Das könnte eine Chance sein<br />
für die Nischenbesetzer unter den "<br />
kleinen"<br />
Plattenläden – aber auch die geben<br />
nach und nach auf, weil insbesondere die<br />
CD zunehmend an Wert verliert. Heißt das<br />
Zauberwort "<br />
Vinyl"? Was macht den guten<br />
Laden aus? Ein Beispiel.<br />
E<br />
s war 1980, da eröffnete in der Gärtnerstraße 31<br />
in Hamburg ein Mann namens Karl Mornau einen<br />
Plattenladen, den nannte er Checkpoint Charly.<br />
Hier thronte er jahrelang in einem Ohrensessel aus leicht<br />
abgewetztem Leder und beobachtete seine Kundschaft,<br />
die er je nach Lust und Laune mal mehr und mal weniger<br />
freundlich bediente. Den Kultstatus hat der Laden schon allein durch dieses<br />
... sagen wir mal Unikat erreicht.<br />
Heute sitzt dort Ilja Romanowski, ein nach eigenen Angaben (und auch nach<br />
Einschätzung seiner Kunden) „entspannter und ruhiger, zurückhaltender,<br />
aber durchaus kommunikativer Mensch". Dessen Begeisterungsfähigkeit erwacht<br />
plötzlich, wenn die Frage nach dem richtigen Album gestellt wird. Und<br />
das darf aus den 70ern stammen oder auch von 2013 sein. Der Mann weiß,<br />
dass geschmackvolle Musik nicht seit 30 Jahren <strong>to</strong>t ist, sondern auch heute<br />
noch existiert. Man muss sie nur finden wollen und sich ihr stellen.<br />
Romanowski hat die klassische Ausbildung zum Inhaber eines ungewöhnlichen<br />
Plattenladens hinter sich: wenig Lust auf Schule, lieber Schlagzeug<br />
lernen, Zettel aushängen, eine mäßig erfolgreiche Punkband gründen – und<br />
Der Meister und ein nicht zufällig hingestellter Statist<br />
zwischendurch immer wieder mal kurz überlegen: „Wo will ich eigentlich hin<br />
mit meinem ganzen Talent?" Kommt einem bekannt vor ...<br />
Hier kommen auch die große<br />
Schwester und der große<br />
Bruder ins Bild. Während<br />
seine Schulfreunde Thompson<br />
Twins und Howard<br />
Jones hören, wird er von<br />
den Geschwistern mit Kiss,<br />
Queen (aber nur die ersten<br />
vier Alben), Led Zeppelin,<br />
Deep Purple und Uriah Heep<br />
infiziert, um nur einige zu<br />
nennen.<br />
Mittlerweile kann der heute<br />
43-jährige Ur-Hamburger<br />
auf eine Ausbildung zum<br />
Einzelhandelskaufmann und<br />
zum Tontechniker zurückblicken.<br />
Deutschlandweit ist<br />
er in letztgenannter Funktion<br />
unterwegs gewesen,<br />
um dann 1996 als Azubi bei<br />
Checkpoint Charly anzuheuern.<br />
Drei Jahre später übernahm<br />
er den Laden, der bis heute sein „chaotisches Kleinod" ist.<br />
Stets Struktur im Chaos<br />
„Wir sind ein in Sammlerkreisen geschätzter Umschlagplatz für erstklassige<br />
Second-Hand-Scheiben aller Art und Genres, von DVDs mal abgesehen. Ob<br />
da jemand nach Vicky Leandros, Fats Domino, Elvis, den Beatles, S<strong>to</strong>nes oder<br />
John Zorn Ausschau hält – wer sucht, kann bei uns finden." Ilja Romanowski:<br />
Seite 80 ■ <strong>GoodTimes</strong> 3/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>