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TIPP<br />
BLACK ANGELS<br />
Vier Engel aus Texas<br />
Psychedelic – die gute alte spacige,<br />
„bewusstseinserweiternde", „die Seele<br />
offenbarende" Hippie-Mucke – boomt.<br />
Mal wieder. Denn seit seiner Geburt Ende<br />
der Sixties erlebte es schon so manches<br />
Revival. Doch selten trieb es so viele<br />
Blüten wie aktuell.<br />
Einen erheblichen Teil zum neuerlichen<br />
Boom beigetragen haben die Black<br />
Angels. Die „Schwarzen Engel", benannt<br />
nach dem Velvet-Underground-Song<br />
"<strong>The</strong> Black Angel’s Death Song", zählen<br />
seit ihrer Gründung 2004 zur Speerspitze<br />
der weltweiten Neo-Psych-Szene.<br />
Die Band, die aus derselben Stadt stammt<br />
wie die Hippie-Überväter <strong>The</strong> 13th Floor<br />
Eleva<strong>to</strong>rs, hat einen wachsenden Fankreis<br />
und sorgt als regelmäßiger Headliner des<br />
„Austin Psych Fest" – einer Art Burg-<br />
Herzberg-Festival auf Texanisch – für<br />
immer neue, nachwachsende Anhänger<br />
des Genres. Ende April dieses Jahres standen<br />
zur sechsten Auflage des dreitägigen<br />
Konzertmarathons unter anderem auf der<br />
Bühne: <strong>The</strong> Moving Sidewalks (mit Billy<br />
Gibbons von ZZ Top), Kaleidoscope (UK),<br />
Black Rebel Mo<strong>to</strong>rcycle Club, Silver Apples<br />
und Acid Mo<strong>the</strong>rs Temple sowie 13th-<br />
Floor-Eleva<strong>to</strong>rs-Ikone Roky Erickson.<br />
Nun präsentieren die Black Angels<br />
mit INDIGO MEADOW (Blue Horizon/<br />
Soulfood) ihr fünftes Album. Zur<br />
Gruppe gehören: Alex Maas (voc/g),<br />
Christian Bland (g/keys), Kyle Hunt (b/<br />
keys) und Stephanie Bailey (dr/perc).<br />
Schon in der grafischen Covergestaltung<br />
greift INDIGO MEADOW LP-Motive der<br />
13th Floor Eleva<strong>to</strong>rs, der Seeds und<br />
des Quicksilver Messenger Service auf.<br />
Es wäre jedoch verfehlt, die Black<br />
Angels trotz aller Referenzen in die<br />
Fo<strong>to</strong>: © Courtney Chavanell<br />
Vergangenheit in die Retro-<br />
Schublade zu stecken. Klar,<br />
sie erfinden das Genre<br />
nicht neu. Doch ihr agiler<br />
Einfallsreichtum sowie das<br />
Integrieren neuerer Sounds<br />
und Stile (Grunge, Drone,<br />
Electronica etc.) vermeidet<br />
ENTDECKT – EMPFOHLEN<br />
ein bloßes Verharren in<br />
früheren Jahrzehnten.<br />
Schon der vorab über<br />
einschlägige<br />
Internet-<br />
Videokanäle veröffentlichte<br />
Song "Don’t Play<br />
With Guns" bläst selbst<br />
an harte Garagen-Psych-<br />
Prä-Punkbands wie die<br />
Seeds oder die Standells<br />
gewohnten Hörern heftig<br />
um die Ohren: Da knallen metallische<br />
Gitarrenriffs sowie Fuzz- und Drone-<br />
Sounds aus den Boxen, dass es eine<br />
wahre Freude ist. Der Song entstand nur<br />
wenige Tage vor dem Massaker bei der<br />
Kinovorführung des Batman-Films „<strong>The</strong><br />
Dark Knight Rises" in Aurora, Colorado,<br />
das die Diskussion über eine Verschärfung<br />
der Waffengesetze in den USA neu entfachte.<br />
Ähnliche Lärmnummern sind der<br />
wuchtige Opener und Titelsong "Indigo<br />
Meadow" sowie das von einem Led-Zepartigen<br />
Riff vorwärts getriebene "Evil<br />
Things". Ruhigere, dunkle Stücke wie<br />
"Love Me Forever" und "Holland" erinnern<br />
dagegen eher an die Doors, die<br />
neben den 13th Floor Eleva<strong>to</strong>rs schon<br />
immer die zweite große Referenzband<br />
der Black Angels waren.<br />
Frank Schuster<br />
BRIXTONBOOGIE<br />
Blues für die Gegenwart<br />
Urban Blues, Blues-Kollektiv, musikalische<br />
Kosmopoliten: Schlagworte für<br />
die Hamburger Formation Brix<strong>to</strong>nboogie.<br />
Der Sänger, Harpspieler, Gitarrist und<br />
Produzent Krisz Kreuzer rief die Band<br />
2005 ins Leben, die 2009 ihr Debüt URBAN<br />
BLUES veröffentlichte und jetzt den trefflich<br />
betitelten Nachfolger CROSSING<br />
BORDERS präsentiert. Dass zwischen<br />
beiden Alben über drei Jahre vergingen,<br />
erklärt der Bandleader<br />
damit, dass alle Mitglieder<br />
neben Brix<strong>to</strong>nboogie weitere<br />
Projekte verfolgen.<br />
„Und dann gab es auch<br />
eine Phase 2011, als wir was<br />
komplett anderes probieren<br />
wollten, aber einer falschen<br />
Abbiegung an der Kreuzung<br />
gefolgt sind. Was wir da<br />
probierten, war viel elektronischer.<br />
Das kann man zwar<br />
machen, das ist dann aber<br />
nicht mehr Brix<strong>to</strong>nboogie.<br />
Es hätte nicht mehr die<br />
Tiefe des Blues gehabt."<br />
Also hieß es: Kommando<br />
zurück, alles zurück auf<br />
Null, sich auf die alte Stärke<br />
besinnen und sie weiterentwickeln.<br />
Auch personell hat sich etwas getan:<br />
Gitarrist Micky Wolf ist ausgestiegen,<br />
weil er laut Kreuzer zu sehr mit anderen<br />
© Pressefo<strong>to</strong><br />
Projekten ausgelastet gewesen sei und sich<br />
auch musikalisch in eine andere Richtung<br />
entwickelt habe. Als Gast ist er allerdings<br />
noch auf einem neuen Track vertreten,<br />
„schließlich haben wir uns freundschaftlich<br />
getrennt. Micky spielt auf ’John <strong>The</strong><br />
Revela<strong>to</strong>r’ Slidegitarre. Aber insgesamt ist<br />
das Album weniger gitarrenlastig ausgefallen."<br />
Neu dazuges<strong>to</strong>ßen ist Rapper<br />
AJay, der speziell die Cover-Version von<br />
Tom Waits' "Way Down In <strong>The</strong> Hole" um<br />
eine Rap-Passage anreicherte. „Da es sich<br />
um eine Bearbeitung handelt, brauchten<br />
wir die Freigabe durch Waits, die er uns<br />
erteilte und über seinen deutschen Verlag<br />
die Mitteilung zukommen ließ: ‚I love<br />
this song very, very much,<br />
let's go for it!'” Weiter mit<br />
dabei sind Sängerin Masch<br />
Litterscheid und Vokalist<br />
Wayne Martin, außerdem<br />
kamen bei den Aufnahmen<br />
zahlreiche Gäste hinzu.<br />
Geblieben<br />
ist auch das<br />
Bemühen, die<br />
Tradition des<br />
Blues in die Gegenwart zu<br />
überführen, neue Elemente<br />
einzubringen, ohne dabei<br />
den „spirituellen Kern"<br />
zu zerstören. Mal sind es<br />
Popmelodien, dann wieder<br />
Dancefloor- und HipHop-<br />
Elemente, Turntable-<br />
Passagen, Funk-Tupfer;<br />
sie machen die vielfältigen<br />
Songs zu modernem<br />
urbanen Blues, der den<br />
Geist des Mississippi-Delta<br />
atmet, aber eben auch Fans<br />
anspricht, die mit purem<br />
Blues nichts anfangen können.<br />
Die meisten der 16 Songs auf CROSSING<br />
BORDERS sind Eigenbauten, aber außer<br />
der Waits-Vorlage gibt es noch ein paar<br />
Traditionals und eine weitere Cover-<br />
Version: "Black Betty", noch bekannt<br />
in der Fassung von Ram Jam (1977)<br />
und Manfred Mann's Earth<br />
Band (1972). Es ist allerdings<br />
Lead Belly, dem der<br />
Song aus den frühen 30er<br />
Jahren als Au<strong>to</strong>r zugeschrieben<br />
wird. Kreuzer:<br />
„Viele berühmte Musiker<br />
beziehen sich auf Lead<br />
Belly, ob das Nirvana oder<br />
Eric Clap<strong>to</strong>n sind – da fand<br />
ich i es spannend, das Stück<br />
mal in einen<br />
neuen Kontext zu stellen,<br />
aus der Tradition heraus in die Moderne<br />
sozusagen."<br />
Geändert hat sich in den letzten Jahren<br />
aber noch etwas bei Brix<strong>to</strong>nboogie: die<br />
Akzeptanz in der Bluesszene. War die<br />
Band anfangs vor allem bei Puristen<br />
noch auf vehemente Ablehnung ges<strong>to</strong>ßen,<br />
so wächst inzwischen die Toleranz.<br />
„Das liegt wohl mit daran, dass viele<br />
Bluesfans selbst offener werden, aber<br />
auch weil sie sehen, dass wir dem Blues<br />
eine jüngere Zuhörerschaft zuführen –<br />
und wenn wir irgendwo live gespielt<br />
haben, die Menschen uns auf der Bühne<br />
erlebt haben, werfen viele Skeptiker ihre<br />
Bedenken über Bord", freut sich Kreuzer<br />
(Jahrgang 1962) auf anstehende Konzerte<br />
mit Brix<strong>to</strong>nboogie.<br />
Philipp Roser<br />
Seite 68 ■ <strong>GoodTimes</strong> 3/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>