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CD REVIEWS Country & Folk<br />
DEADSTRING BROTHERS<br />
CANNERY ROW<br />
Steelguitar, Westernklampfe und Close-<br />
Harmony-Gesang: Für den sonnigen Album-Opener<br />
“Like A California Wildfire”<br />
greifen die Deadstring Bro<strong>the</strong>rs tief in die<br />
Country-Kiste. Dabei wurde die Band aus<br />
Detroit, Michigan, doch bislang immer mit<br />
den Rolling S<strong>to</strong>nes verglichen! Okay, dem<br />
Eröffnungsstück ihres fünften, nach einem<br />
John-Steinbeck-Roman benannten Albums<br />
CANNERY ROW ist deutlich anzuhören,<br />
dass die Combo um den Sänger/Gitarristen<br />
Kurt Marschke vorübergehend in die<br />
Country-Hochburg Nashville, Tennessee,<br />
gezogen ist. Doch gleich danach geht es<br />
mit Songs wie “It’s Morning Irene”, “Oh<br />
Me, Oh My” und “Lucille’s Honky Tonk”<br />
ziemlich blues- und roots-rockig weiter.<br />
Außerdem sei daran erinnert, dass auch<br />
die S<strong>to</strong>nes mitunter ihre Country-Affinität<br />
ausleben (“Wild Horses”, “Dead Flowers”<br />
etc.). CANNERY ROW ist ein fabelhaftes<br />
Album! Gute Kompositionen und Harmonien,<br />
Songs, die anstatt mit Retro-Schick<br />
mit purer, schöner Zeitlosigkeit glänzen.<br />
Und mit dem Titelstück und ihrem “Song<br />
For Bobbie Jo” haben sie Balladen für<br />
die Ewigkeit geschrieben, wie man sie so<br />
schön von den S<strong>to</strong>nes schon lange nicht<br />
mehr gehört hat.<br />
(Bloodshot/Indigo, 2013, 11/40:49) frs<br />
CARLOS NÚÑEZ<br />
DISCOVER<br />
Mit Formulierungen<br />
wie „<strong>The</strong> Jimi<br />
Hendrix of <strong>the</strong> Bagpipes”<br />
oder „<strong>The</strong><br />
New King of <strong>the</strong><br />
Celts” hat die internationale<br />
Presse<br />
schon längst die Ausnahmeklasse dieses<br />
Musikers aus Galizien entdeckt. Mit einem<br />
Doppelalbum kann man sich nun selbst ein<br />
Bild von Carlos Núñez machen, bestens<br />
belegt durch über zwei Stunden Musik aus<br />
seiner fast 20-jährigen Karriere. Dabei konzentriert<br />
sich DISCOVER neben Kostproben<br />
aus seinen instrumentalen Ausflügen<br />
nach Brasilien, Portugal oder Irland vor<br />
allem auf seine Kollaborationen mit anderen<br />
Künstlern. Auch hier ist die Bandbreite<br />
enorm, reicht von Klassik (Montserrat<br />
Caballé, Orquesta Sinfónica De Galicia)<br />
über keltischen Folk (Sinéad O’Connor,<br />
<strong>The</strong> Chieftains, Sharon Shannon) und Weltmusik<br />
(Andreas Vollenweider, Compay<br />
Segundo, David Lindley, Ry Cooder) bis<br />
zu Vertretern aus Rock, Pop und Country<br />
(Roger Hodgson, Jackson Browne, Linda<br />
Ronstadt, Los Lobos).<br />
(RCA/Sony <strong>Music</strong>, 2013,<br />
19/76:33, 20/67:39) us<br />
TOWNES VAN ZANDT<br />
SUNSHINE BOY – THE UN-<br />
HEARD STUDIO SESSIONS &<br />
DEMOS 1971–1972<br />
Zu Beginn der 70er Jahre war der Country/Folksänger<br />
Townes van Zandt auf<br />
der Höhe seiner Kunst. Mit HIGH, LOW<br />
AND IN BETWEEN (1971) und THE<br />
LATE GREAT TOWNES VAN ZANDT<br />
(1972) erschienen zwei Alben in Folge,<br />
die trotz kommerziellen Misserfolgs heute<br />
als Meisterwerke gelten. Auf der 2-CD-<br />
Anthologie SUNSHINE BOY – THE UN-<br />
HEARD STUDIO SESSIONS & DEMOS<br />
1971–1972 kann man nun viele der Songs<br />
in reduzierten, entschlackten Studiosession-<br />
und Demoversionen hören. “Pancho<br />
& Lefty” etwa, das später durch Emmylou<br />
Harris, Willie Nelson und Merle Haggard<br />
Berühm<strong>the</strong>it erlangte, ist in einem sehr viel<br />
intimer klingenden Mix, ohne Streicher und<br />
Bläser, zu hören; das wunderbare “Sad Cinderella”<br />
übertrifft, nur von träumerischen<br />
Akustikgitarren- und Pianotupfern getragen,<br />
gar die später veröffentlichte Version.<br />
Fans des am Neujahrstag 1997 im Alter<br />
von nur 52 Jahren ges<strong>to</strong>rbenen, zeitlebens<br />
depressiven und alkoholkranken Sängers<br />
können sich darüber hinaus über weitere<br />
Raritäten freuen, etwa die rare, psychedelische<br />
Single-B-Seite “Sunshine Boy”,<br />
sowie eine Reihe Songs, die es nie auf ein<br />
Studio-Album, sondern nur in Van Zandts<br />
Livereper<strong>to</strong>ire brachten, darunter die Jimmie-Rodgers-Nummer<br />
“T For Texas”, das<br />
Traditional “Old Paint” sowie das fabelhafte<br />
S<strong>to</strong>nes-Cover “Dead Flowers” (als<br />
Studiosession und Demo vertreten), das in<br />
einer Livefassung bereits im Kultfilm „<strong>The</strong><br />
Big Lebowski” zu besonderen, späten Ehren<br />
kam.<br />
(Omnivore/Soulfood, 2013,<br />
16/53:02, 12/42:31) frs<br />
STEVE MARTIN &<br />
EDIE BRICKELL<br />
LOVE HAS COME FOR YOU<br />
Er gehört zu den<br />
vielseitigsten Künstlern,<br />
die man sich<br />
nur vorstellen kann.<br />
Schon seit Ende der<br />
60er Jahre ist Steve<br />
Martin als Stand-<br />
Up-Comedian, Filmstar, Buchau<strong>to</strong>r und<br />
Musiker erfolgreich. Als experimentierfreudiger<br />
Banjospieler und Bluegrasskomponist<br />
erhielt er je zwei Grammys für seine<br />
Comedy- und Musikalben. Nun erscheint<br />
mit LOVE HAS COME FOR YOU ein<br />
Bluegrass-Album, für das er die Texanerin<br />
Edie Brickell – Paul Simons Frau, seit Ende<br />
der 80er mit ihrer Folk-Rockband <strong>The</strong> New<br />
Bohemians erfolgreich – als ergänzende<br />
Singer/Songwriter-Kraft gewinnen konnte.<br />
Gemeinsam entstanden wunderschöne, oft<br />
sehr melodische Bluegrass-Songs, dominiert<br />
von Brickells Stimme und Martins<br />
Banjo. Für den Rest der musikalischen<br />
Umsetzung sorgten neben Martins Begleitband,<br />
den Steep Canyon Rangers, Cracks<br />
wie die Jazzbassistin Esperanza Spalding,<br />
die Gitarristen Waddy Wachtel (Everly<br />
Bro<strong>the</strong>rs, Bob Dylan, Rolling S<strong>to</strong>nes) und<br />
Sean Watkins (Nickel Creek) sowie die<br />
junge Fiddlespielerin Sara Watkins. Ein<br />
„Muss” für Bluegrass-Fans!<br />
(Concord/Universal, 2013, 13/36:29) us<br />
ZUPFGEIGENHANSEL<br />
ERICH SCHMECKEN-<br />
BECHER<br />
DER VOGEL SEHNSUCHT –<br />
LIVE<br />
Zwischen Romantik und Klassenkampf setzt<br />
Erich Schmeckenbecher, einst eine Hälfte<br />
des Duos Zupfgeigenhansel, auf die Kraft<br />
des Liedes, das er nur mit Stimme und Akustikgitarre<br />
sowie gelegentlicher Mundharmonika<br />
vorträgt. Zwei Konzerte im Jahr 2011<br />
(Schorndorf/Februar, Stuttgart/November)<br />
hat der 60-Jährige aufgezeichnet und jetzt<br />
im kar<strong>to</strong>nierten Digipak mit aufwändigem<br />
Booklet veröffentlicht. Auch wenn er zwischendurch<br />
ein wenig bitter klingt, glaubt er<br />
immer noch an die Möglichkeit, die Welt mit<br />
mehr oder weniger politischen Liedern zu verbessern,<br />
ob es sich dabei um Eigenkreationen<br />
handelt oder um Ver<strong>to</strong>nungen von Texten<br />
Schillers oder Eichendorffs. Schmeckenbecher<br />
zwingt mit der sparsamen Instrumentierung<br />
regelrecht zum Hinhören und gibt mancherlei<br />
Denkanstöße über die Welt einst, vor<br />
allem aber die von heute, zu sinnieren.<br />
(Polk Musik/Pool <strong>Music</strong>, 2013,<br />
19/58:30) pro<br />
THE WEAVERS<br />
REUNION AT CARNEGIE HALL<br />
1963<br />
Die Weavers gehörten<br />
zu der ersten<br />
Welle des Folkbooms,<br />
die sich von<br />
der Nische aus in<br />
den Mainstream ausbreitete.<br />
Sie hatten<br />
Erfolg, Ef mussten jd jedoch nie ihre Wurzeln<br />
leugnen, sondern standen für einen Trend,<br />
der in den 60er Jahren sowohl in den USA<br />
als auch international Anerkennung fand.<br />
Das Reunion-Konzert präsentiert Pete<br />
Seeger und seine Kollegen in guter Form.<br />
Titel wie das rustikal arrangierte “When<br />
<strong>The</strong> Saints Go Marching In”, ein sehr harmonisches<br />
“Guantanamera”, “If I Had A<br />
Hammer” oder der “San Francisco Bay<br />
Blues” leben von dem naiven Charme,<br />
den die Musiker optimal vermitteln. Das<br />
hervorragende Mastering hat sich hier<br />
besonders ausgezahlt, denn gegenüber<br />
älteren CDs, gewinnt die Analogue-Productions-Ausgabe<br />
an Raumklang, der den<br />
Hörer direkt in die vorderste Reihe versetzt.<br />
(Analogue Productions/Sieveking Sound,<br />
1963, 14/48:49) at<br />
Seite 54 ■ <strong>GoodTimes</strong> 3/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong><br />
KLAUS HOFFMANN<br />
ALS WENN ES GAR NICHTS<br />
WÄR<br />
Zurück zum ursprünglichen Sinne der<br />
Bezeichnung „Liedermacher” geht Klaus<br />
Hoffmann mit seinem neuen Live-Album.<br />
Einzig begleitet von seiner Gitarre sowie<br />
Hawo Bleich am Klavier und unterstützt<br />
durch zahlreiche Zwischenkommentare,<br />
verzichtet er auf ALS WENN ES GAR<br />
NICHTS WÄR ganz bewusst auf alles<br />
verzierende Beiwerk. Stellt seine pure<br />
Musik – und lenkt so natürlich die Aufmerksamkeit<br />
auf seine Liedtexte – in<br />
den Mittelpunkt dieses Konzertabends,<br />
der im November 2012 im Hamburger<br />
Thalia <strong>The</strong>ater mitgeschnitten wurde.<br />
Mit eindringlichen Versionen von Liedern<br />
aus seinem aktuellen Studio-Album<br />
BERLINER SONNTAG (Rezension in<br />
<strong>GoodTimes</strong> 6/2012) beginnt er seine<br />
abwechslungsreiche Reise durch lange<br />
Jahre hochwertiger Liedermacher-Kunst,<br />
geht mit Stücken wie “Blinde Katharina”<br />
und “Was fang ich an in dieser Stadt”<br />
wie selbstverständlich, „als wenn es gar<br />
nichts wär”, zurück bis in die 70er Jahre,<br />
zum Anfang seiner Karriere. Ein zweistündiger<br />
Weg, den man gerne mitgeht.<br />
(Stille <strong>Music</strong>/Indigo, 2013, 22/65:22,<br />
22/61:37) us<br />
CHIP TAYLOR & THE NEW<br />
UKRAINIANS<br />
F**K ALL THE PERFECT<br />
PEOPLE<br />
Mit seiner skandinavischen<br />
Tourband<br />
<strong>The</strong> New<br />
Ukrainians<br />
hat<br />
Altmeister<br />
Chip<br />
Taylor, der den Lebensunterhalt<br />
auch<br />
schon als Profigolfer und professioneller Zocker<br />
verdiente, ein Country-Folkalbum aufgenommen,<br />
auf dem er wie eine Mischung<br />
aus Leonard Cohen und Johnny Cash klingt,<br />
als ob er mit seiner Band im Wohnzimmer<br />
drauflos spielte, ohne vorher groß geprobt<br />
zu haben. Spontan, rau, erdig, mit Songs<br />
über das Unterwegssein und das Leben im<br />
Schatten; Songs, bei denen der Boss seine<br />
Spielanweisungen durch den Raum ruft. Oft<br />
wirkt das S<strong>to</strong>rytelling-Ergebnis düster, aber<br />
nicht verzweifelt, manchmal mit bluesigem<br />
Unter<strong>to</strong>n, dann wieder honky<strong>to</strong>nkmäßig.<br />
Kaum zu glauben, dass dieser Akteur einst<br />
Klassiker wie “Wild Thing” oder “Angel Of<br />
<strong>The</strong> Morning” verfasste! Und “<strong>The</strong> Baby”<br />
klingt hier viel eindringlicher als 1972 bei<br />
den Hollies.<br />
(Trainwreck/inakustik, 2012, 16/70:02) pro<br />
COUNTRY<br />
COUNTRY<br />
Weit zurück in die frühen Tage des Country-Rock<br />
führt diese wunderschöne, aber<br />
heutzutage leider völlig vergessene LP der<br />
Band Country aus dem Jahr 1971. Leadsänger<br />
Tom Snow wurde später vor allem<br />
als Songwriter berühmt, schrieb erfolgreich<br />
Titel für Joe Cocker, Olivia New<strong>to</strong>n-John,<br />
Linda Ronstadt, Barry Manilow, Barbra<br />
Streisand oder Deniece Williams (“Let’s<br />
Hear It For <strong>The</strong> Boy” aus dem Film Footloose).<br />
Begonnen hatte er seine Musikkarriere<br />
1965 in Gram Parsons’ Band <strong>The</strong> Like.<br />
Musikalische Gäste auf COUNTRY sind u.a.<br />
Lowell George (Little Feat) und Mark Andes<br />
(Spirit, Firefall). Zusammen mit dem zweiten<br />
Sänger und Gitarristen Michael Fondiler<br />
schrieb Snow herrliche Country-Rocksongs,<br />
die noch dazu (u.a. von Atlantic-Records-<br />
Gründer Ahmet Ertegun) hervorragend in<br />
Szene gesetzt wurden. So ist es einerseits ein<br />
Rätsel, warum diese LP seinerzeit nicht den<br />
verdienten Erfolg hatte, andererseits freut<br />
man sich heute über eine solch hochwertige<br />
Ausgrabung. Dicke Empfehlung!<br />
(Slipstream Records, 1971, 17/51:15) us<br />
RILO KILEY<br />
RKIVES<br />
Mit 16 raren Perlen aus gut einer Dekade<br />
Rilo Kiley ist RKIVES bestückt. Dieser musikalische<br />
Rückblick setzt sich zusammen aus<br />
neun bisher unveröffentlichten Stücken, dazu<br />
seltene B-Seiten und andere Raritäten. Lässt<br />
die Herzen der Fans dazu noch mit einem opulenten<br />
24-seitigen Booklet voller persönlicher<br />
Fo<strong>to</strong>s, selbst gestalteter Collagen und handgeschriebener<br />
Songtexten höherschlagen. Und<br />
wer die Songwriting-Fähigkeiten von Jenny<br />
Lewis und Blake Sennett durch ihre regulären<br />
Alben und EPs schon kennt, der, wird kaum