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LP<br />
REVIEWS<br />
das. Der schroffe, manchmal recht einfach<br />
gestrickte Heavy Metal des Britny-Fox-<br />
Debüts (1988) hat hin und wieder was von<br />
frühen Kiss mit einem Sänger, der irgendwo<br />
zwischen Tom Keifer (Cinderella) und Brian<br />
Johnson (AC/DC) agiert. Textlich <strong>to</strong>ben sich<br />
die Schönlinge bei Mädchen, bei Prügeleien<br />
und in patriotischen Huldigungen aus.<br />
Nebenbei wird eine herrliche “Gudbuy T’<br />
Jane”-Version (Slade) runtergerotzt. BOYS<br />
IN HEAT (1989) ist keinen Deut anders.<br />
Bei den Texten überwiegen zwar nun die<br />
Geschichten über Mädchen, trotzdem regiert<br />
Headbanger-S<strong>to</strong>ff. Auch das “Hair Of <strong>The</strong><br />
Dog”-Cover (Nazareth) ist bestens gelungen.<br />
Klanglich ist das schwere Vinyl weit vorn,<br />
lediglich die Coverabbildungen haben nicht<br />
die Klarheit der Originale und sehen aus wie<br />
über einen – wenn auch teuren – Kopierer<br />
gezogen.<br />
(Steamhammer/SPV, 1988/1989,<br />
10/13 Tracks) jub<br />
THE DAVE BRUBECK<br />
QUARTET<br />
AT CARNEGIE HALL<br />
Dave Brubeck hat<br />
nach<br />
Schätzungen<br />
12.000 Auftritte absolviert<br />
– und das<br />
liegt durchaus im Bereich<br />
des Möglichen,<br />
gehörte der Mann zu<br />
den aktivsten t Jazzern aller Zeiten. Sein wohl<br />
eindrucksvollstes Livedokument ist die Doppel-LP<br />
(hervorragendes Mastering, jeweils<br />
180g-Pressungen, Klappcover), das mit dieser<br />
Veröffentlichung seinen 50. Geburtstag feiert.<br />
Beginnt mit einer swingenden Fassung des<br />
“St. Louis Blues”, schlängelt sich die traumhaft<br />
zusammenspielende Band durch Bar-Jazz<br />
(“Sou<strong>the</strong>rn Scene”), modernen Ragtime (“It’s<br />
A Raggy Waltz”), das rhythmisch ungemein<br />
vertrackte “Blue Rondo A La Turk” bis hin zu<br />
ihrem bekannten “Take Five”, dem wohl bekanntesten<br />
Beispiel für einen 5/4-Takt. Trotz<br />
der halsbrecherischen Improvisationen dominiert<br />
die leichte Zugänglichkeit der Musik, die<br />
auch Genre-Fremde anspricht.<br />
(Speakers Corner, 1963, 12 Tracks) at<br />
MOUNTAIN<br />
CLIMBING!<br />
Hätten Mountain eine<br />
ähnlich bizarre Karriere<br />
hingelegt, wie es<br />
später Black Sabbath<br />
taten, würde CLIM-<br />
BING!<br />
vermutlich<br />
den gleichen Stellenwert<br />
als früher füh Heavy-Metal-Meilenstein<br />
erreicht haben wie das Sabbath-Debüt. Immerhin<br />
lag zwischen den Veröffentlichungsterminen<br />
der beiden LPs 1970 nicht mal ein<br />
Monat. Und man ist bei Songs wie “Mississippi<br />
Queen” oder “Never In My Life” (mit<br />
einer hypnotisch treibenden Basstrommel)<br />
geneigt zu behaupten, dass die Riffs des<br />
Amis Leslie West gar noch ein paar Tonnen<br />
schwerer wogen als die seines britischen<br />
Kollegen Tony Iommi. Wenngleich Mountain<br />
in dem versonnenen “<strong>The</strong> Laird” durchblicken<br />
ließen, dass auch sie Hippie-Festival-getestet<br />
waren, bestimmte eine sägende<br />
Gitarrenwalze das Klangbild der LP. Und<br />
dass diese Brachialgewalt analog wiedergegeben<br />
ihre Kraft am besten entfaltet, liegt auf<br />
der Hand. Von daher ist es ein Segen, dass<br />
es CLIMBING! jetzt wieder auf Vinyl gibt.<br />
(Steamhammer/SPV, 1970, 9 Tracks) jub<br />
BOB DYLAN<br />
NASHVILLE SKYLINE +<br />
OH MERCY<br />
Zwei ider wohl unterschiedlichsten h t LPs von<br />
Bob Dylan als audiophile 180g-Vinyl-Wiederveröffentlichungen,<br />
die jede für sich für<br />
die zeitlose Relevanz dieses Künstlers steht.<br />
1969 wandelte er (mit Unterstützung von<br />
Johnny Cash, Earl Scruggs, Kenny Buttrey<br />
und Bob Woot<strong>to</strong>n) mit NASHVILLE SKY-<br />
LINE aus heiterem Himmel auf Country-<br />
Pfaden, auch heute noch gehören Titel wie<br />
“Girl From <strong>The</strong> North Country” und “Lay<br />
Lady Lay” zu den Highlights dieses Genres.<br />
Auch 1989, als er mit OH MERCY zum Ende<br />
einer künstlerisch eher schwachen Dekade<br />
noch einmal ein großartiges Album vorlegte,<br />
war dies eine Überraschung. Produzent Daniel<br />
Lanois gelang es, mit einer ganzen Schar<br />
erlesener Musiker (darunter die Neville<br />
Bro<strong>the</strong>rs) die mehr kratzig gesprochenen als<br />
gesungenen und kryptisch wie selten daherkommenden<br />
Texte Dylans in das ideal dazu<br />
passende musikalische Umfeld zu betten.<br />
Aus heutiger Sicht darf man die Bedeutung<br />
dieser beiden Alben noch höher einschätzen,<br />
besonders wenn man bedenkt, dass sowohl<br />
OH MERCY als auch NASHVILLE SKY-<br />
LINE die Fundamente für den Stil sind, mit<br />
dem Bob Dylan auch heute noch auf seiner<br />
„Never Ending Tour” unterwegs ist.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1969 + 1989,<br />
11 + 11 Tracks) us<br />
EUROPE<br />
OUT OF THIS WORLD /<br />
PRISONERS IN PARADISE<br />
Als Europe 2004 zurückkehrten,<br />
zuckten<br />
die meisten Rockfans<br />
mit den Achseln. Die<br />
Schweden<br />
brachte<br />
man mit blonden Dauerwellen<br />
und langen<br />
Glitzermänteln t l in Verbindung – und mit dem<br />
Melodic-Heavy-Rocker “Final Countdown”,<br />
der 1986 vor allem wegen des Keyboardintros<br />
gezündet hatte. Und das war obendrein mächtig<br />
von den Orgelfanfaren Keith Emersons<br />
abgeschaut. Mittlerweile sind Europe wieder<br />
gut im Geschäft und beeindrucken mit satten<br />
Retro-Rockalben. Allerdings kann der Fünfer<br />
durchaus mit S<strong>to</strong>lz auf seinen 80er-S<strong>to</strong>ff<br />
schauen. Der FINAL COUNTDOWN-Nachfolger<br />
OUT OF THIS WORLD (1988), den<br />
SPV jetzt im Vinyl-Doppelpack mit der 91er<br />
Erfolgs-LP, PRISONERS IN PARADISE,<br />
wiederveröffentlicht hat, bietet ohne Ausnahme<br />
starke Songs. Vielleicht sind die zwei Balladen<br />
ein wenig vorhersehbar, wenn Europe<br />
allerdings rocken, sind sie stimmig: starke Melodien,<br />
unverbrauchte Riffs, clevere Gitarrensoli,<br />
Hammondklänge. Das war Melodic Metal<br />
der besseren Sorte. Die Sleaze-Metal-Welle<br />
ging an Europe nicht spurlos vorüber, weshalb<br />
PRISONERS um einiges härter ausfiel – und<br />
noch besseres Material servierte als der Vorgänger.<br />
Allein “Little Bit Of Lovin’” fährt die<br />
halbe Miete ein. Ungünstig ist bei der Zwei-<br />
LP-Ausgabe, dass die Album-Rückseite mit<br />
dem PRISONERS-Cover den ganzen Label-<br />
Firlefanz enthält und deshalb die Wirkung der<br />
Darstellung stört.<br />
(Steamhammer/SPV, 1988/1991,<br />
12/12 Tracks) jub<br />
MOLLY HATCHET<br />
BEATIN’ THE ODDS +<br />
THE DEEDS IS DONE<br />
Als Originalsänger ii Danny Joe Brown Molly<br />
Hatchet 1980 zum ersten Mal verließ, hatten<br />
die Sou<strong>the</strong>rn Rocker gerade zu einem<br />
Höhenflug angesetzt. Das erste Album mit<br />
Ersatz Jimmy Farrar, BEATIN’ THE ODDS<br />
(1980) – und ausgerechnet das wichtige<br />
dritte –, warf die Band zurück. Die Fans akzeptierten<br />
die kraftvolle Stimme des Neuen<br />
nicht, was rückblickend bedauerlich ist, hatte<br />
das BEATIN’-Material doch durchaus Potenzial.<br />
Die schmissige Härte der Songs wurde<br />
von Farrars Organ trefflich unterstützt. Bei<br />
LP Nummer sechs, THE DEED IS DONE<br />
(1984), war Brown längst wieder da. Und<br />
das Album zeigt Molly Hatchet im ELIMI-<br />
NATOR-Fieber. Der Millionenseller von ZZ<br />
Top hatte gerade ein Jahr zuvor kommerzielle<br />
Schranken durchbrochen und damit die gesamte<br />
Südstaaten-Rockszene auf den Kopf<br />
gestellt. Und der aufgepeppte Sound bekam<br />
auch Molly Hatchet erstaunlich gut. Sachen<br />
wie “Satisfied Man”, “Good Smoke And<br />
Whiskey” oder “She Does She Does” haben<br />
unheimliches Feuer, sind mehr treibender<br />
Heavy Rock statt Country-lastiges Sou<strong>the</strong>rn-<br />
Epos. Es ist eine Wonne, die Alben als Vinyl<br />
zu genießen. Auch machen die opulenten Coverzeichnungen<br />
im LP-Format weitaus mehr<br />
Spaß als unter CD-Bedingungen. Einziges<br />
Manko der Wiederveröffentlichungen: Die informativen<br />
Innersleeves der Originale fehlen.<br />
(Steamhammer/SPV, 1980 + 1984,<br />
9 + 11 Tracks) jub<br />
DANGEROUS TOYS<br />
DANGEROUS TOYS /<br />
HELLACIOUS ACRES<br />
Wer sich an die Dangerous<br />
Toys erinnert,<br />
wird erst einmal von<br />
Dankbarkeit<br />
durchfahren,<br />
wenn er dieser<br />
Tage die Wiederveröffentlichung<br />
der beiden<br />
ersten Alben der US-Band in irgendeinem<br />
Tonträger-Laden entdeckt. Die Band um den<br />
einstigen Watch<strong>to</strong>wer-Sänger Jason McMaster<br />
beeindruckte 1989 mit ihrem Sleaze-<br />
Metal-durchtränkten, selbst betitelten Debüt<br />
außerordentlich, was sich nicht nur in den<br />
Verkaufszahlen niederschlug. Die Band hatte<br />
ein kochend heißes Gebräu aus Blues-Rock<br />
und Heavy Metal angerührt, dem Ganzen eine<br />
Popappeal-Note verpasst und es ohne Zinnober<br />
aufgenommen. Das klang herrlich unangestrengt,<br />
ging mächtig ab und erhielt durch<br />
die witzig-skurrilen Texte eine zusätzliche<br />
Vinyl<br />
Partytauglichkeit. Kommerziell kam HEL-<br />
LACIOUS ACRES (1991) an die Auftakt-LP<br />
nicht mehr ran, wenngleich sie sich in den<br />
USA noch einmal für ein paar Wochen in den<br />
Top 100 platzierte. Musikalisch ist die Zweite<br />
dicht an ihrem Vorgänger, klingt ein bisschen<br />
bluesiger und kommt sogar noch einen Hauch<br />
rotziger und wilder. “Gimme’ No Lip” und<br />
“Sticks & S<strong>to</strong>nes” sind programmatisch für<br />
HELLACIOUS: Diese ausgeflippten Rocker<br />
lassen keinen Stein auf dem anderen. Und<br />
das Bad-Company-Cover “Feel Like Makin’<br />
Love” tönt wie extra für die Dangerous Toys<br />
geschrieben: Dieser Vinyl-Doppeldecker wird<br />
bei all jenen, die zugreifen, die nächsten Wochen<br />
nicht mehr so schnell vom Plattenteller<br />
verschwinden. Versprochen!<br />
(Steamhammer/SPV, 1989/1991,<br />
11/11 Tracks) jub<br />
YES<br />
MAGNIFICATION<br />
Das Jahr 2001 bescherte<br />
mit MAGNI-<br />
FICATION das 19.<br />
Studio-Album<br />
von<br />
Yes mit den Gründungsmitgliedern<br />
Jon Anderson (voc),<br />
Steve Howe (g), Chris Squire (b) und Alan<br />
White (dr) – und ein Orchester ersetzte die<br />
Keyboards. Abgehakt waren die Ausflüge in<br />
den Pop, Prog-Rock war angesagt, dessen<br />
Präsentation mit dem Orchester harmonierte,<br />
auch wenn die Scheibe damals auf ein recht<br />
geteiltes Kritikerecho stieß. Das norddeutsche<br />
Label Sireena präsentiert MAGNIFICA-<br />
TION jetzt erstmals überhaupt auf Vinyl und<br />
hat die 57 Minuten Musik auf drei LP-Seiten<br />
verteilt. So viel Rillenraum hat dem vorzüglichen<br />
Klang des Yes-Bombast-Rock gut getan,<br />
er kommt in der 180g-Pressung bestens<br />
zur Entfaltung. Und den Kaufreiz für Käufer<br />
der auf 1000 Exemplare limitierten Erstauflage<br />
dürfte das lilafarbene Vinyl nur erhöhen.<br />
(Sireena/Broken Silence, 2001,<br />
10 Tracks) pro<br />
BANGLES<br />
DIFFERENT LIGHT<br />
Sie waren ein 80er-<br />
Phänomen.<br />
Denn<br />
selten war eine<br />
Frauenkapelle<br />
so<br />
konturenlos wie die<br />
Bangles. Ihr smarter<br />
Pop tat niemandem<br />
weh und war vermutlich gerade deshalb<br />
kurzzeitig so immens erfolgreich. DIFFE-<br />
RENT LIGHT von 1986 dürfte weltweit<br />
ein paar Millionen Einheiten abgesetzt haben,<br />
was nicht verwundert, befanden sich<br />
doch vier Single-Hits auf der LP (“Manic<br />
Monday”, “Walking Like An Egyptian”,<br />
“If She Knew What She Wants”, “Walking<br />
Down Your Street”). Der Rest der Scheibe<br />
ist durchwachsen. Während zum Beispiel der<br />
Titelsong gut kommt, langweilt “Standing In<br />
<strong>The</strong> Hallway” unendlich. “Let It Go” und<br />
“September Gurls” sind dann wieder herrlicher<br />
<strong>60s</strong>-Pop, “Return Post” swingt hingegen<br />
uninspiriert vor sich hin. Bangles-Fans<br />
gibt es aber immer noch reichlich, und deren<br />
DIFFERENT LIGHT-Original ist vielleicht<br />
derart abgenudelt, dass sie sich über die Wiederveröffentlichung<br />
der LP freuen werden.<br />
(Yellow/SPV, 1986, 13 Tracks) jub<br />
Seite 48 ■ <strong>GoodTimes</strong> 3/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>