Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
CD<br />
REVIEWS<br />
CHEAP TRICK<br />
THE COMPELETE EPIC ALBUM<br />
COLLECTION<br />
Knusprig-knackige Gitarrenriffs, fast schon<br />
liebliche Popmelodien, manchmal geradezu<br />
subversive, zwischendurch aber auch infantile<br />
Texte, dazu hard-rockige Rhythmen,<br />
gelegentliche Glam-Anleihen – das waren<br />
die musikalischen Markenzeichen des US-<br />
Quartetts Cheap Trick. Das bot ab 1973 mit<br />
dem Schönling Robin Zander als Sänger, dem<br />
Exzentriker Rick Nielsen an der Gitarre, S<strong>to</strong>iker<br />
Bun E. Carlos an den Drums und Tom<br />
Petersson am Bass reichlich akustischen wie<br />
optischen Unterhaltungswert. Spätestens mit<br />
dem Ohrwurm “I Want You To Want Me” (US<br />
#4, D #18) und der Live-LP AT BUDOKAN<br />
(1978) hatte sich der Vierer aus Rockford, Illinois,<br />
weltweit in die Riege der Rock-Topstars<br />
gespielt, nachdem das selbst betitelte Debüt<br />
1977 nur in Japan größere Beachtung gefunden<br />
hatte – dort gab es gleich Gold. Alle 13<br />
Alben, die die Band zwischen 1977 und1990<br />
für Epic aufnahm, gibt es jetzt in einer satten<br />
Box auf 14 CDs, da AT BUDOKAN auf zwei<br />
Silberlingen in der Vollversion THE COM-<br />
PLETE CONCERT von 1998 enthalten ist.<br />
Die Alben sind teilweise um Bonus-Tracks ergänzt,<br />
einige wurden eigens für das Boxset remastert;<br />
das von Todd Rundgren produzierte<br />
NEXT POSITION PLEASE (1983) gibt es<br />
hier in der „Authorized Version”. CHEAP<br />
TRICK weist dieselben fünf Bonus-Tracks<br />
auf wie das 1998er Reissue; Gleiches gilt für<br />
das von Steve Albini produzierte IN COLOR<br />
(1977); das von Tom Werman betreute HEA-<br />
VEN TONIGHT (1978) hat dieselben zwei<br />
Bonus-Songs wie die 98er Ausgabe. DREAM<br />
POLICE, 1979 erneut mit Werman, ist identisch<br />
mit dem Re-Release von 2006 (4 Live-<br />
Bonus-Nummern). Vier Songs umfasst die EP<br />
FOUND ALL THE PARTS (1980), die jetzt<br />
wie das im gleichen Jahr erschienene Album<br />
ALL SHOOK UP unverändert übernommen<br />
wurde. In die Kategorie Remastert fallen<br />
schließlich ONE ON ONE (1982), STAN-<br />
DING ON THE EDGE (1985), THE DOC-<br />
TOR (1986), LAP OF LUXURY (1988) und<br />
BUSTED (1990). Abgerundet wird die Box<br />
mit einem 40-seitigen Booklet. Ärgerlich: Die<br />
Texte auf den Coverrückseiten sind selbst mit<br />
Lupe kaum zu entziffern. Dennoch insgesamt<br />
eine gelungen kompakte Teil-Werkschau.<br />
(Sony <strong>Music</strong>, 2013)<br />
pro<br />
CHIMERAS<br />
MISTAKEN FOR GRANTED<br />
Reichlich wirr sind die Geschichten um dieses<br />
Album, das die Chimeras (die damals aber aus<br />
rechtlichen Gründen unter dem Namen „Pis<strong>to</strong>leros”<br />
unterwegs waren) 1995 zu Ehren des<br />
zwei Jahre zuvor vers<strong>to</strong>rbenen Songwriters<br />
Doug Hopkins aufnahmen. Mit den Gin Blossoms<br />
(mit Jesse Valenzuela, heute bei Calexico)<br />
sorgte der Musiker aus Arizona Ende der<br />
80er für ein paar frühe Americana-Hymnen,<br />
bevor er wegen Drogen und Alkohols aus der<br />
Band geworfen wurde. Er gründete daraufhin<br />
mit seinen Freunden Lawrence und Mark Zubia<br />
die Chimeras, bevor er auch diese Band<br />
(unvermittelt und während eines Auftrittes)<br />
verließ. Lange galt das einzige Album dieser<br />
Band als vermisst, jetzt wurde MISTAKEN<br />
FOR GRANTED (wieder-)entdeckt, liefert<br />
staubtrockenen, rockigen 90er-Jahre-Americana,<br />
bei dem immer wieder das Vermächtnis<br />
von Doug Hopkins durchschimmert.<br />
(Cactus Rock Records, 1995, 10/44:07) us<br />
TOTO + THE BYRDS +<br />
SADE + BONEY M.<br />
ALL TIME BEST –<br />
DIE GRÖSSTEN HITS<br />
Auch die nächsten Ausgaben der Reclam<br />
Musik Edition erscheinen wieder in dem charakteristischen<br />
Gelb, in dem dieser Verlag seit<br />
Urzeiten große Literatur in kleinen Heftchen<br />
abdruckt. Wie gewohnt liefert das Booklet<br />
einen mehrseitigen deutschen Text zu jedem<br />
Künstler/Band, dazu noch werden die wichtigsten<br />
Alben auf einem Zeitstrahl in Kontext<br />
zu anderen his<strong>to</strong>rischen Ereignissen gesetzt.<br />
Natürlich kommt der Rückblick auf das Schaffen<br />
von To<strong>to</strong> (16/76:58) nicht ohne Hits wie<br />
“Africa”, “Rosanna” und “Hold <strong>The</strong> Line”<br />
aus, bietet mit Titeln wie “Jake To <strong>The</strong> Bone”<br />
oder “Wings Of Time” auch Stücke abseits der<br />
ausgetretenen Pfade. Diese wurden bei den<br />
Byrds (27/75:45) im Laufe ihrer langen Karriere<br />
oft genug verlassen, so dass der Rückblick<br />
auf Titel wie “Mr. Tambourine Man”,<br />
“Turn! Turn! Turn!”, “Eight Miles High”<br />
oder “Hickory Wind” von ganz alleine zu einer<br />
höchst abwechslungsreichen Geschichte<br />
wird. Mit lasziv-softem Soul überraschte Sade<br />
(16/74:58) Mitte der 80er das weltweite Pop-<br />
Publikum, chronologisch geht es von “Your<br />
Love Is King” und “Smooth Opera<strong>to</strong>r” über<br />
“Love Is Stronger Than Pride” bis zu “Please<br />
Send Me Someone To Love” aus dem Jahr<br />
1993. Lange nicht mehr gehörte Lieder liefert<br />
dann der Sampler von Boney M. (17/77:47),<br />
der neben den Megahits “Daddy Cool”, “Ma<br />
Baker” und “Rivers Of Babylon” auch Ausflüge<br />
nach “Belfast”, Russland (“Rasputin”) oder<br />
in die Karibik (“Kalimba De Luna”) liefert.<br />
(Sony <strong>Music</strong>, 2013, 4 CDs)<br />
tk<br />
NEIL SEDAKA<br />
THE DRUGSTORE’S ROCKIN’<br />
Ende der 50er Jahre war das New Yorker<br />
Brill Building das Zentrum amerikanischer<br />
Popträume. Auch Neil Sedaka gehörte (im<br />
Verbund mit Texter Howard Greenfield) zu<br />
den Songwritern, die dort für sich und andere<br />
Hits am Fließband komponierten. Neben den<br />
poppigen Songs wie “Oh! Carol”, “Calendar<br />
Girl”, “Happy Birthday Sweet Sixteen” oder<br />
“Next Door To An Angel” konnte Neil Sedaka<br />
aber auch rocken. Eingespielt von den<br />
besten New Yorker Sessionmusikern (darunter<br />
Saxofonist King Curtis) entstanden wenig<br />
bekannte, fetzige Titel wie “No Vacancy”, “I<br />
Go Ape” oder die eigene, unwiderstehliche<br />
Fassung des von ihm für Connie Francis geschriebenen<br />
Charthits “Stupid Cupid”. Dazu<br />
noch drei rare Stücke aus Sedakas allererster<br />
Session mit den Tokens aus dem Jahr 1956<br />
und mit “Oh, Neil” die aus Spaß von Carol<br />
King gesungene, humorvolle Antwort auf<br />
“Oh! Carol”, Sedakas Liebeserklärung an seine<br />
Brill-Building-Kollegin.<br />
(Bear Family, 2013, 31/75:40) us<br />
KEE MARCELLO<br />
JUDAS KISS<br />
Nach allerlei juristischem<br />
Ärger mit<br />
seinem<br />
Management<br />
meldet sich der<br />
frühere Europe-Gitarrist<br />
Kee Marcello nun<br />
mit JUDAS KISS zurück<br />
ükim aktuellen Rockgeschehen. Natürlich<br />
steht sein Instrument im Zentrum des harten<br />
Rock, den der Schwede pflegt und immer<br />
wieder mal mit Sound- und Stilelementen<br />
modernerer Genretrends versetzt. Ein paar<br />
ruhige Momente gibt’s dazu, beispielsweise<br />
wenn er Joy Division covert (“Love Will<br />
Tear Us Apart”). Meist dominiert traditioneller<br />
Hard Rock mit Sinn für Melodien,<br />
messerscharfe Riffs und durchdachte Solos.<br />
Für einen Glanzpunkt sorgt das Duett “And<br />
Forever More” mit Sängerin Akane Liv (Liv<br />
Moon). Anerkennung verdient auch das<br />
gelungene Bemühen, sich nicht zu sehr an<br />
seine Ex-Band anzulehnen, sondern eigene<br />
Klangwege zu gehen. Und auch als Sänger<br />
überzeugt Marcello.<br />
(7Hard/New <strong>Music</strong> Distribution,<br />
2013, 13/58:10) pro<br />
DEEP PURPLE<br />
NOW WHAT?!<br />
Steve Morse eröffnet NOW WHAT?! zwar<br />
mit einem angenehm flüssigen Gitarrenlauf,<br />
doch insgesamt tönen die Keyboards/Hammondorgel<br />
dominanter als auf den letzten<br />
Werken der Hard-Rock-Dauerbrenner –<br />
feurig im Geiste Jon Lords und doch mit eigener<br />
Handschrift gespielt von Don Airey.<br />
Dazu spannende, fruchtbare Duelle von<br />
Airey und Morse, die einige Glanzlichter<br />
setzen. Ian Gillan ist immer noch gut bei<br />
Stimme und meidet höhere Töne geschickt;<br />
die Rhythmiker Roger Glover (b) und Ian<br />
Paice (dr) grooven elegant wie druckvoll.<br />
Die Songs haben Hand und Fuß, entwickeln<br />
ihre Finessen oft erst bei mehrfachem Hören<br />
und können so richtig entzücken (“Hell<br />
To Pay”). Souverän, tight, spielfreudig und<br />
stärker als der Vorgänger RAPTURE OF<br />
THE DEEP (2005). Es rockt einfach satt,<br />
ohne in Routine zu erstarren.<br />
(ear<strong>Music</strong>/edel, 2013, 11/57:06) pro<br />
NIGHT RANGER<br />
BIG IN JAPAN<br />
Ihren Gig in Tokio am 8. April 1997 nahmen<br />
die (zumindest in den USA und Japan)<br />
AOR-Könige auf, der 1998 als ROCK IN<br />
JAPAN ‘97 erstmals, dann als TOKYO<br />
BLITZ 2005 erneut veröffentlicht wurde.<br />
Um ein 14-minütiges Interview mit Gitarrist<br />
Brad Gillis und Drummer Kelly Keagy<br />
ergänzt (oder gestreckt), firmiert der<br />
Tonträger als Doppel-CD nun ansonsten<br />
unverändert unter BIG IN JAPAN. An den<br />
Rock<br />
melodischen Hard-Rocknummern gibt es<br />
wenig zu mäkeln: ordentliche Songs, handwerklich<br />
perfekt präsentiert, mit beachtlichem<br />
Unterhaltungswert und positiver<br />
Ausstrahlung. Highlights waren “Sister<br />
Christian”, “(You Can Still) Rock In America”,<br />
“Eddie’s Coming Out Tonight”. Ärgerlich<br />
ist allerdings die Neubetitelung, die<br />
manchem (unaufmerksamen) Night-Ranger-Fan<br />
eine Doublette in der Sammlung<br />
bescheren dürfte.<br />
(Collec<strong>to</strong>rs Dream/Soulfood, 2013,<br />
11/41:38, 8/48:11) pro<br />
ADAM ANT<br />
IS THE BLUEBLACK HUSSAR<br />
IN MARRYING THE GUNNERS<br />
DAUGHTER<br />
New Romantic ist zurück.<br />
Und sie bringt<br />
ihren wohl schillerndsten<br />
Protagonisten mit:<br />
Adam Ant. Offenbar<br />
hat er gefehlt. In England<br />
sind seine Konzerte<br />
restlos ausverkauft, die Comeback-CD<br />
mit dem selbstironischen Bandwurm-Titel<br />
geht vortrefflich. Und das zu Recht. Adam Ant<br />
ist derart nahe an den Ants-Zeiten wie lange<br />
nicht. Der zur Maskerade neigende Künstler<br />
hat es tunlichst vermieden, die ausgeflippten<br />
Perkussions-Feste der Erfolgsalben zu kopieren.<br />
Vielmehr überspringt er diese Phase bei<br />
seinem Trip in die Vergangenheit und hat in<br />
Songs wie “Punkyoungirl”, “Hardmen<strong>to</strong>ughblokes”<br />
oder “Sausage” mehr von dem angepissten<br />
Punk von einst als von einem gereiften<br />
Musiker mit Sendungsbewusstsein. Ant nölt,<br />
singt gottgleich, gibt sich angeödet, lässt die<br />
Gitarren braten, pflegt den Minimalismus,<br />
verliert sich in Mono<strong>to</strong>nie, lärmt, flüstert – und<br />
ist vor allem unberechenbar. ... HUSSAR ...<br />
ist ein wahrhaft großes Album und hoffentlich<br />
der Anfang einer neuen Ära.<br />
(BlueBlack Hussar/Alive, 2013,<br />
17/68:49 ) jub<br />
CERAMIC DOG<br />
YOUR TURN<br />
Ceramic Dog ist Marc Ribots Free-Funk-<br />
Psych-Elektro-Punk-Band. Dieser wiederum<br />
ist einer der wichtigsten US-amerikanischen<br />
Gitarristen der Gegenwart, der sich vor allem<br />
durch sein unaufdringliches und doch effektvolles<br />
Spiel als seit RAIN DOGS eingesetzter<br />
Aventgarde-Gitarrist bei Tom Waits einen Namen<br />
gemacht hat. Was so vielseitig im ersten<br />
Satz und seitens der Promoter von Ceramic<br />
Dog versprochen wird, kennzeichnet dann<br />
tatsächlich das zweite Album YOUR TURN<br />
von Ribots Trio – eine furiose Mischung unterschiedlicher<br />
Stile. Die Band nimmt sich gar<br />
“Take Five” des jüngst vers<strong>to</strong>rbenen Dave<br />
Brubeck in bislang noch nicht gehörter Rauheit<br />
an. Die anderen Stücke sind zur Hälfte Instrumentals,<br />
in denen Ribot zeigen kann, dass<br />
er nicht nur ein Meister der Effektgeräte, sondern<br />
auch der schnellen Finger auf dem Griffbrett<br />
ist. Dass er kein meisterlicher Sänger ist,<br />
schadet den sechs Songs mit Gesang nicht,<br />
vielmehr wünscht man sich die Melange aus<br />
Feedbackgitarren und immens druckvollem<br />
Bass- und Schlagzeugspiel schon bald auf<br />
deutschen Bühnen, denn es ist anzunehmen,<br />
dass sie erst dort ihre volle Wirkung haben<br />
wird.<br />
(Yellowbird/Soulfood, 2013, 13/52:05) an<br />
Seite 46 ■ <strong>GoodTimes</strong> 3/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>