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CD<br />
REVIEWS<br />
RAY WILSON<br />
CHASING SHADOWS<br />
Ein Stimmproblem hatte Ray Wilson ja<br />
noch nie, weder als Frontmann seiner eigenen<br />
Band Stiltskin noch als Sänger von<br />
Genesis Ende der 90er. Somit steht und fällt<br />
die Klasse seiner Solo-Alben mit der Qualität<br />
der Songs, die ihm und seinen Co-Au<strong>to</strong>ren<br />
dafür einfallen. Für den Großteil der<br />
Musik von CHASING SHADOWS hat der<br />
schottische Musiker wieder mit dem Stuttgarter<br />
Au<strong>to</strong>r und Produzent Peter Hoff zusammengearbeitet,<br />
ein eingespieltes Duo,<br />
das keinerlei Probleme damit hat, auch<br />
über Albumlänge für klasse Melodien zu<br />
sorgen. Von akustisch zarten Klängen über<br />
die Wilson-typischen, herrlich Midtempo-<br />
Hymnen reicht die Bandbreite bis hin zu<br />
kernigem Rock. Allererste Sahne auch<br />
die instrumentale Umsetzung, wunderbar<br />
transparent eingefangen von Toningenieur<br />
und RPWL-Frontmann Yogi Lang – und<br />
mit dem Saxofon von Marcin Kajper wurde<br />
das Soundspektrum noch um eine weitere<br />
Facette erweitert. Erstklassiger Rock-Pop,<br />
der tief unter die Haut geht!<br />
(Jaggy D/Soulfood, 2013, 12/53:24) us<br />
ELECTRIC LIGHT<br />
ORCHESTRA<br />
LIVE<br />
Soviel<br />
offizielles<br />
Livematerial gibt<br />
es von ELO nicht.<br />
Von der COM-<br />
PLETE LIVE COL-<br />
LECTION mal abgesehen.<br />
Die Fans<br />
reagierten deshalb auch geradezu euphorisch,<br />
als im Zuge der avisierten ZOOM-<br />
Tour 2001 eine Live-DVD herauskam. Auf<br />
der gab es zwar nur Jeff Lynne und Richard<br />
Tandy als Orchestra-Gesichter, aber die<br />
aufeinander eingespielte Resttruppe machte<br />
ihren Job tadellos. Jetzt erscheint ein Teil<br />
davon für den CD-Player aufbereitet. Das<br />
klingt gut, ist aber – mit Verlaub – doch nur<br />
Jeff Lynne mit hochkarätiger Begleitcombo.<br />
Aber solange Mastermind Lynne dabei<br />
ist, können ELO vermutlich die abenteuerlichsten<br />
Besetzungslisten aufweisen. “Evil<br />
Woman”, “Livin’ Thing”, “Confusion”<br />
– das Konzert ist voll von Mega-Hits, die<br />
sich kaum von den Studioversionen unterscheiden.<br />
Mit den banalen Bonus-Tracks<br />
“Out Of Luck” (Rockabilly) und „Cold<br />
Feet” (Ballade) will Lynne dann noch zwei<br />
Solonummern als neues ELO-Material verkaufen.<br />
(Frontiers/Soulfood, 2013, 13/50:43) jub<br />
CACTUS<br />
THE COLLECTION<br />
Sie waren in den 70ern das amerikanische<br />
Gegenstück zu Led Zeppelin: Carmine Appice,<br />
Tim Bogert, Jim McCarty sowie der<br />
1982 vers<strong>to</strong>rbene Rusty Day spielten mit<br />
ihrer Band Cactus heftigen Blues-Rock, fast<br />
schon Hard Rock. Für THE COLLECTION<br />
kommt es jetzt zu einer recht sonderbaren<br />
Zusammenstellung: Neun Songs wurden von<br />
ihrem 2006er Album CACTUS V (mit Jimmy<br />
Kunes am Mikrofon) ausgewählt, dazu<br />
mit “Evil” eine Live-Aufnahme aus dem Jahr<br />
2007 sowie drei bisher unveröffentlichte Original-Cactus-Songs<br />
aus dem Jahr 1970; darunter<br />
das gut zwölfminütige “Please Don’t<br />
Go”, das einen mit seiner rohen Energie fast<br />
umbläst. Und wer die wenigen April-Konzerte<br />
von Cactus in der Besetzung Appice<br />
(dr, voc), McCarty (g), Kunes (voc) – ergänzt<br />
von Pete Bremy (b) und Randy Pratt (har) –<br />
verpasst hat, kann sich auf der beiliegenden<br />
DVD mit einen 2007er Auftritt davon vergewissern,<br />
dass diese Herren immer noch sehr<br />
gut wissen, wie man beinharten Blues-Rock<br />
auf die Bühne bringt.<br />
(MFP <strong>Music</strong> Productions, 2013,<br />
13/75:35, DVD 110 Min.) tk<br />
HARDIN & YORK<br />
THE WORLD’S SMALLEST<br />
BIG BAND<br />
Einen musikalischen<br />
Patchwork-Teppich<br />
mit Beatrahmen lieferten<br />
Eddie Hardin<br />
(voc, keys) und Pete<br />
York (dr), die beiden<br />
Ex-Mitglieder<br />
der Spencer Davis Group, auf ihrem dritten<br />
Duo-Album: Sie vermengten Einflüsse aus<br />
Jazz, R&B, Blues, Rock’n’Roll und Boogie<br />
in ihren Stücken. Live spielten sie das Werk<br />
im Studio ein, verfremdeten die Beatles im<br />
“Nor<strong>the</strong>rn Medley” (mit “Lady Madonna”<br />
und “Norwegian Wood”) sowie ebenfalls per<br />
Medley R&R-Standards, tendierten mit dem<br />
eher mittelmäßigen Opener “Just A Case Of<br />
Time” (die einzige Nummer mit dezenter<br />
Gastbegleitung) in Richtung <strong>The</strong> Nice, ehe<br />
Highlights wie “Love, A Song For You” oder<br />
“<strong>The</strong> Pike” folgten. Gitarre? Bass? Vermisst<br />
man nicht. Wie schon bei der 2008er Neuauflage<br />
gibt sechs Songs einer Radio-Livesendung<br />
und zwei ebenfalls live (in Deutschland<br />
mitgeschnittene) Stücke als Bonus.<br />
(Esoteric/Rough Trade, 1969,<br />
14/76:14) pro<br />
THE FABULOUS THUNDER-<br />
BIRDS<br />
ON THE VERGE<br />
Die 1977 gegründeten Fabulous Thunderbirds<br />
legen ihr Album Nr. 13 (plus fünf<br />
Kompilationen) vor. Kontinuität ist eines<br />
ihrer Markenzeichen, denn die neue Platte<br />
der Texaner klingt ebenso unaufgeregt wie<br />
stilistisch souverän, ebenso gediegen wie<br />
verhalten bissig – mit zwei Worten gesagt:<br />
leicht altväterlich. Ihre besten Jahre (1986-<br />
1991) hat die Gruppe um den freilich noch<br />
immer kraftvollen Sänger und bei Bedarf<br />
eine rüde Mundharmonika spielenden Kim<br />
Wilson bestimmt hinter sich, und auch der<br />
Verlust des fähigen Gitarristen Jimmie<br />
Vaughan (Stevie Rays Bruder) konnte nie<br />
völlig kompensiert werden. Die aktuellen<br />
Saitengreifer Johnny Moeller und Mike<br />
Keller sind ordentlicher Durchschnitt,<br />
mehr leider nicht. Trotz allem langt es aber<br />
noch immer für ausgefeilten elektrischen<br />
Blues und Roadhouse-R&B texanischer<br />
Prägung. Fast alle Songs hat Mastermind<br />
Wilson im Verein mit den Produzenten Kevin<br />
Anker, David Earl und Steve Gomes<br />
geschrieben, und mit “I Want To Believe”,<br />
“Too Much Water” und “Got To Bring It<br />
With You” sind immerhin drei dabei, die<br />
genug Qualität haben, irgendwann mal auf<br />
einer weiteren „Best Of”-Sammlung zu<br />
landen.<br />
(Severn Records/inakustik, 2013,<br />
10/45:37) hjg<br />
WOLVESPIRIT<br />
DREAMCATCHER<br />
Schon das Cover macht hier klar, wohin die<br />
Reise geht: zurück in die Zeiten, als sich<br />
Psychedelic mit Hard Rock verband, als<br />
Bands wie Iron Butterfly, Hawkwind oder<br />
Black Sabbath harte Gitarrenriffs mit ausufernden<br />
Solos und fremdartigen Melodiestrukturen<br />
verbanden. Dabei bauen Wolvespirit<br />
ihre verschachtelten Klangtürme auf<br />
drei Säulen auf: die <strong>to</strong>nnenschwere Gitarre<br />
von Rio Eberlein, die zupackende Hammondorgel<br />
seines Bruders Oliver sowie<br />
die ideal dazu passende und rohe Energie<br />
versprühende Stimme von Sängerin Debbie<br />
Koye. Damit DREAMCATCHER auch mit<br />
au<strong>the</strong>ntischem Klang punkten kann, hat die<br />
Würzburger Band mit Michael Wagener<br />
einen Produzenten (Skid Row, Ozzy Osbourne,<br />
Metallica, Lordi) verpflichtet, der<br />
diesem Album einen ungemein wuchtigen<br />
Sound verpasste. Wenn es ihnen jetzt noch<br />
gelingt, ihr Songwriting über Albumlänge<br />
dem restlichen Top-Niveau anzupassen,<br />
sollte dem ganz großen Durchbruch nichts<br />
mehr im Wege stehen!<br />
(Spirit S<strong>to</strong>ne Records, 2013, 10/54:28) us<br />
BON JOVI<br />
WHAT ABOUT NOW<br />
Was soll das Quartett<br />
aus New Jersey denn<br />
machen? Es muss den<br />
Massengeschmack<br />
bedienen, den es seit<br />
einem<br />
Vierteljahrhundert<br />
trifft und es<br />
so zu einer der erfolgreichsten Rockbands<br />
der Gegenwart gemacht hat. Und so liefern<br />
Bon Jovi auf WHAT ABOUT NOW<br />
massenkompatiblen Erwachsenen-Rock,<br />
der problemlos im Radio gespielt werden<br />
kann. Getragen von der Stimme Jon Bongiovis,<br />
der Arenenrocker ebenso gut drauf<br />
hat wie (weitgehend schmalzfreie) Schmuseschleicher,<br />
und der durchaus originellen<br />
Gitarrenarbeit Richie Samboras. Breitwandig,<br />
flott, mit Country-Rocktupfern, die in<br />
den USA derzeit so angesagt sind. In den<br />
Texten gebärdet sich die Band auf ihrem<br />
zwölften Album zwischendurch patriotisch,<br />
gibt der Frontmann mal den Soldaten<br />
(“Army Of One”), mal den Nicht-Soldaten<br />
(“Because We Can”). Nett, gekonnt, eben<br />
massentauglich.<br />
(UMG/Universal, 2013, 12/51:42) pro<br />
SPIN DOCTORS<br />
IF THE RIVER WAS WHISKEY<br />
Sind es wirklich schon 22 Jahre, seit das<br />
legendäre POCKET FULL OF KRYPTO-<br />
NITE erschien? Unvergessen jedenfalls<br />
jene Verbindung von Grunge, Funk-Sensibilität<br />
und R&B, deren Erfolg die heute<br />
wieder in Originalbesetzung antretenden<br />
New Yorker nie wiederholen konnten. Die<br />
Idee zu diesem bluesigen Album liegt bereits<br />
ein Vierteljahrhundert zurück, und<br />
gemeint war kein gemütliches Cover-Werk,<br />
sondern eine Verarbeitung von allem, was<br />
jemals unter Bluesflagge gefahren wurde,<br />
zu eigenen Songs. Dass diese so lange<br />
abgehangen reifen konnten, befruchtete<br />
den Aufnahmeprozess nun: drei Tage live<br />
im Studio, fertig. Anspieltipp könnte der<br />
“Traction Blues” sein – bei dem Blues mit<br />
treibendem Blues-Rock übersetzt werden<br />
Rock<br />
muss. Staunend hört man Eric Schenkman<br />
dabei zu, wie er den deckigsten Rhythmusklang<br />
seines Fußpedal-Spektrums auf die<br />
Axt packt. Noch mehr fast punkiges Vollgas<br />
gibt der Titelsong, während “Sweetest<br />
Portion” akustischer Mississippi-Melancholie<br />
huldigt und “Scotch And Water<br />
Blues” tatsächlich eine 12-Bar-Ballade in<br />
bester Tradition liefert. Klar tummeln sich<br />
zu viele im Bluesbecken, aber die Spin<br />
Doc<strong>to</strong>rs schwimmen oben, gefährlich.<br />
(Ruf/inakustik, 2013, 10/43:29) utw<br />
WHITESNAKE<br />
MADE IN JAPAN<br />
Livedokumente von<br />
David<br />
Coverdales<br />
Whitesnake gibt es<br />
einige. Doch selbst<br />
wenn man alle besitzt,<br />
kommt man nur<br />
schwer an MADE IN<br />
JAPAN vorbei. Zum einen ist die Band<br />
hart wie selten, zum anderen ist es eine<br />
Wonne, dem entrückten Zusammenspiel<br />
der beiden Gitarristen Doug Aldrich und<br />
Reb Beach zuzuhören. Die zwei Meister<br />
ihres Fachs entfesseln einen Tornado, der<br />
die kleinen Japaner hörbar völlig wahnsinnig<br />
macht. Coverdale setzt diesem Wirbelsturm<br />
der Sechssaiter eine kraftstrotzende<br />
Gesangsvorstellung entgegen, dass man<br />
meinen könnte, hier geht es um die Weltmeisterschaft<br />
der Heavy-Rockbands. Die<br />
Song auswahl spart die bluesgetränkten<br />
Frühwerke im Großen und Ganzen aus.<br />
Und so kommen Stücke wie “Love Ain’t<br />
No Stranger”, “Still Of <strong>The</strong> Night” oder<br />
“Fool For Your Loving” zum Zuge. Die<br />
zweite CD hält ein paar Songs in Soundcheck-<br />
und Akustikversionen bereit. Die<br />
beigefügte DVD dieses ansprechenden Pakets<br />
beinhaltet das auf CD gebannte Konzert<br />
in Bildern.<br />
(Frontiers/Soulfood, 2013, 12/74:33,<br />
8/41:35, + DVD) jub<br />
CURRENT SWELL<br />
LONG TIME AGO<br />
Viertes Album der Kanadier aus Vic<strong>to</strong>ria,<br />
British Columbia. Die singenden Gitarristen<br />
Scott Stan<strong>to</strong>n und Dave Lang, Bassist<br />
Ghosty Boy und Schlagzeuger Chris<br />
Petersen beweisen aufs Neue, dass man<br />
auch innerhalb des überfüllten Americana-<br />
Beckens nach wie vor ein eigenes Profil<br />
gewinnen kann, wenn die Songs Format<br />
haben und niemand bei den Details schludert.<br />
Wie hier. Dank fließender Leichtigkeit<br />
gehen der beschwingte Folk (“Long Time<br />
Ago”, “Brad’s Song”, “Shelter”) und der<br />
zum Mitsingen animierende Rock (“Honest<br />
Man”, “Stumble” und vor allem “Too<br />
Cold” – erste Single, die ein Hit werden<br />
sollte!) problemlos ins Ohr. Und zwischen<br />
diesen beiden Eckpunkten ist auch genug<br />
Raum für herrlich bluesige Töne (“I Want A<br />
Bird”). Mit diesem vielseitigen Programm<br />
haben sich Current Swell in Kanada bereits<br />
einen sehr respektablen Namen gemacht<br />
und durch fleißiges Touren auch jede Menge<br />
Fans in Australien und vor allem Brasilien<br />
gewinnen können. Das Erscheinen von<br />
LONG TIME AGO ist nun auch Anlass,<br />
erstmals Europa „heimzusuchen”. Herzlich<br />
willkommen!<br />
(Nettwerk/Soulfood, 2013, 11/42:12) hjg<br />
Seite 36 ■ <strong>GoodTimes</strong> 3/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>