Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Fo<strong>to</strong>: © Jim Rakete<br />
Kein Country – mehr Hammond<br />
In Nashville im Studio von Produzent Bob Ezrin<br />
(Pink Floyd, Alice Cooper, Kiss) entstand NOW<br />
WHAT?!, das neue Album von Deep Purple. Doch<br />
um Country <strong>Music</strong> haben Sänger Ian Gillan, Bassist<br />
Roger Glover, Drummer Ian Paice, Gitarrist<br />
Steve Morse und Keyboarder Don Airey einen<br />
weiten Bogen gemacht. Stattdessen rocken sie<br />
satt, inspiriert. Morse ließ <strong>GoodTimes</strong>-Mitarbeiter<br />
Philipp Roser hinter die Kulissen der Entstehungsgeschichte<br />
des Albums blicken. Glover<br />
bezeichnet es als "<br />
Schnappschuss eines Augenblicks,<br />
wie es alle Purple-Scheiben waren".<br />
einzige Knackpunkt. Übrigens war Ian immer mit uns<br />
im Aufnahmeraum. Er sang in einer komplett schallisolierten<br />
Kabine mit, um ein Gefühl für die Songs<br />
und außerdem gleich Textideen zu entwickeln.<br />
Ist von diesen frühen Gesangsversuchen Ians was<br />
auf der CD zu hören?<br />
Nein. Er und Bob Ezrin nutzten diese Möglichkeit zur<br />
Feinabstimmung der Songs. Ian warf sowieso immer<br />
wieder alles über den Haufen, was Texte und Songtitel<br />
angeht. Wir hatten nur Arbeitstitel, weil Ian die<br />
endgültigen Bezeichnungen wirklich erst in letzter<br />
Sekunde festlegte. Ich habe kurz vor der Pressung<br />
einige Mixe zur Freigabe zugeschickt bekommen, auf<br />
denen noch ganz „falsche" Titel standen (lacht).<br />
Ihr hattet mehrere Songwriting-Sessions …<br />
Steve, du bist gerade mit Ian und Roger auf Interviewreise.<br />
Nerven die immer gleichen Fragen nicht?<br />
Nein! Ich habe nichts dagegen, über etwas zu spre-<br />
Wir zogen uns für zwei Wochen nach Spanien zurück,<br />
chen, wenn es positiv ist. Manchmal kann ich ja nur die Band, niemand sonst, und schrieben. Danach<br />
kleine Dinge einbauen, die helfen,<br />
waren wir noch einmal für zwei Wochen<br />
in Deutschland, bei einer Sound-<br />
die Welt, die Kultur ein klein wenig<br />
besser zu machen – einfach mal weg<br />
firma in der Nähe von Dortmund, die<br />
von dieser Wegschau-Mentalität hin<br />
eine große Probenbühne hat. Daran<br />
zu einer Einstellung, einander beizu-<br />
schloss sich einige Monate später eine<br />
stehen und zu helfen. So wie früher,<br />
Session in Nashville mit Bob Ezrin<br />
die gute alte Schule des Miteinanders.<br />
an, bei der dann auch Ian dabei war<br />
Habt ihr das Album auch wie früher<br />
und wo wir das Material verfeinerten.<br />
aufgenommen, mit allen Musikern<br />
Ich sagte zu den anderen: Bitte jetzt<br />
in einem Raum?<br />
nichts Neues mehr schreiben, wir haben<br />
so viel gutes Material, ich kann<br />
Ja, die aktuelle Technologie ermöglicht<br />
es uns, alles mit modernsten Geräten festzuhalten<br />
und weiterzuverarbeiten, obwohl man es in der ein Gedächtnis wie ein Computer.<br />
mir das nicht alles merken! Aber zum Glück hat Bob<br />
guten, alten Art spielt. Dieser Ansatz erlaubte es uns, Warum habt ihr überhaupt einen externen Produzenten<br />
dazugeholt?<br />
alles so zu spielen, dass es auch live problemlos umzusetzen<br />
ist – selbst wenn es für eine Band mit viel Wir wollten neutrale Ohren und jemanden, der endgültige<br />
Entscheidungen traf. Ich hatte bei Kansas<br />
Harmoniegesang, aber nur einem Sänger natürlich<br />
schwierig ist, das live hinzukriegen. Aber das ist der schon mit ihm gearbeitet und war deshalb ein starker<br />
Befürworter. Roger Glover ist ein wunderbarer Produzent,<br />
wir alle haben schon eigene Alben produziert,<br />
aber manchmal ist es einfach hilfreich, sich Verstärkung<br />
von außen zu holen. Es sollte ein starkes Album<br />
werden, denn wer weiß schon, ob Deep Purple je wieder<br />
eine Studioplatte machen werden. Ich will hier<br />
keine Gerüchte in die Welt setzen, aber es besteht<br />
nun mal die ma<strong>the</strong>matische Möglichkeit, dass es die<br />
letzte Scheibe in dieser Zusammensetzung ist – wir<br />
werden schließlich alle nicht jünger und gesünder.<br />
Täuscht es, dass Hammond und Keyboards auf diesem<br />
Album sehr dominant sind?<br />
Da ist was dran. Bob mag Dons Spiel und hat in seinem<br />
Leben so viele Gitarren produziert, dass er davon<br />
inzwischen krank wird (lacht). Nein, im Ernst: Don<br />
stand auf den letzten Platten weniger im Vordergrund,<br />
das war jetzt einfach mal fällig. Und er spielt<br />
schließlich großartig!<br />
Das Album ist Jon Lord gewidmet …<br />
Ja, er starb, als wir an NOW WHAT?! arbeiteten. An<br />
diesem Tag tüftelte ich an einigen Gitarrenparts,<br />
habe ein paar Overdubs eingespielt, manche Stellen<br />
von Nebengeräuschen gereinigt. Ich pendelte zwischen<br />
dem Regie- und dem Aufnahmeraum. Als ich<br />
zurück in den Kontrollraum kam, waren Ian Paice<br />
und die anderen dort versammelt. Sie mögen mich<br />
ja, sind aber sonst nicht dabei, wenn ich meine Parts<br />
abschließend bearbeite. Ian sagte mir, was passiert<br />
war – ich war wie vor den Kopf geschlagen! Ich<br />
wusste nicht, dass es so schlimm um Jon gestanden<br />
hatte, und war der Ansicht, dass die medizinische<br />
Behandlung gut angeschlagen habe. Wenige Tage<br />
zuvor hatte Jon mir noch eine Mail geschickt und<br />
sich dafür bedankt, dass ich auf CONCERTO mitgespielt<br />
hatte.<br />
Seite 18 ■ <strong>GoodTimes</strong> 3/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>