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GoodTimes - Music from the 60s to the 80s The Who (Vorschau)

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aria<br />

Fo<strong>to</strong>: © Jim Summaria<br />

kuliert, woran das gelegen haben mag, ohne dass Antworten gegeben werden.<br />

Selbst Chris Charlesworth, der bei THE WHO BY NUMBERS (1975) als Executive<br />

Producer geführt wird und 1982 das Buch „<strong>The</strong> <strong>Who</strong>" publizierte,<br />

ist verwundert. Allerdings scheinen die Analysten und Rezensenten<br />

zu überhören, dass es zwischen der Riege Beatles, S<strong>to</strong>nes, Hollies<br />

& Co. und den chaotischen <strong>Who</strong> eklatante Unterschiede im Songmaterial<br />

gab. Dort, wo andere zum Teil perfekt funktionierende<br />

Arrangementgerüste entstehen ließen, in die geschickt eingängige<br />

Melodien integriert wurden, erschienen <strong>Who</strong>-Nummern manchmal<br />

nur fragmentarisch. Selbst ihre größten Hits sind oft nur Rhythmus.<br />

Pete Townshend dachte bei seinen Kompositionen irgendwie um die<br />

Ecke. Man muss nur die 67er-Singles "Pictures Of Lily" und "I Can<br />

See For Miles" betrachten, um dies zu verstehen. "Pictures" scheint<br />

die gesamte Spielzeit über nicht preiszugeben, wo es eigentlich hin<br />

will. Und "Miles" wirkt durchweg bedrohlich, ohne diese Spannung<br />

irgendwann aufzulösen. Diese Art von Musik bedurfte einer Auseinandersetzung,<br />

für die sich auch bei der stets wachsenden Zahl<br />

der Albumkäufer nur wenige bereit fühlten. Kein Wunder, dass die<br />

wie ein Konzeptalbum angelegte dritte LP, THE WHO SELL OUT, im<br />

Dezember 1967 keine Begeisterungsstürme auslöste. Die stilistische<br />

Vielfalt wurde als Unentschlossenheit interpretiert, die kantigen Melodien<br />

galten vermutlich als eher misslungen, und das Anreichern<br />

der Platte mit Radiospots dürfte kaum jemand verstanden und deshalb vor allem<br />

als störend empfunden haben.<br />

Hinzu kamen die Townshend-Texte: "I’m A Boy" hatte Transsexualität zum<br />

Inhalt, "Lily" sprach fast unverhohlen von Masturbation – vielleicht nicht<br />

gerade das, worüber die Kids während einer Schulparty tuschelten. Live blieben<br />

<strong>The</strong> <strong>Who</strong> auch in dieser etwas drögen Zeit eine sichere Bank – schon wegen der<br />

finalen Abrissveranstaltung, die in den Augen der mehr und mehr unter Drogen<br />

stehenden Fans zwar immer bedrohlichere Ausmaße annahm, allerdings auch<br />

völlig neue Deutungsvarianten eröffnete. Den Hippies in Monterey dürften ob<br />

des Schlachtfests auf der Bühne die Herzen in die Hosen gerutscht sein. Alles war<br />

gut gelaufen auf dem Festival der großen Gefühle. Am Sonntag, dem 18. Juni,<br />

dritter Tag des Events, sorgten Ravi Shankar, Blues Project, <strong>The</strong> Group With No<br />

Name, Big Bro<strong>the</strong>r & <strong>The</strong> Holding Company und Buffalo Springfield für dicke<br />

Seifenblasen, kunterbunte Regenbögen und gelbe Pferde auf orangenen Wiesen.<br />

Dann wurden <strong>The</strong> <strong>Who</strong> rausgelassen. Gewandet waren sie artgerecht, von Frieden<br />

Fo<strong>to</strong>: © Jim Summaria<br />

und Liebe spürten die rund 90.000 Besucher allerdings nichts. Als Townshend<br />

und Kollegen nach knapp 30 Minuten schließlich die gesamten Bühnenapparaturen<br />

pulverisiert hatten, kam das einem Kulturschock gleich; wobei die meisten<br />

Anwesenden nicht so recht wussten, ob sie nun das kalte Grausen packte oder<br />

der Schauer, der da über den Rücken lief, eine Form von Begeisterung war. Sogar<br />

Jimi Hendrix, der noch die Grateful Dead als Puffer bekam, um sich auf seinen<br />

Auftritt vorzubereiten, hatte es nicht leicht: Er musste gegen die Mördershow der<br />

Briten anstinken, zog aber alle Register und steckte seine Gitarre in Brand. Im<br />

Monterey-Film ist sowohl die <strong>Who</strong>-Aktion als auch Hendrix' Brandschatzung zu<br />

sehen. Und es bedarf keiner großen Beobachtungsgabe, um die gehörigen Unterschiede<br />

zwischen den dauerfrustrierten Rowdys aus England und dem geradezu<br />

feinsinnigen schwarzen Gitarristen zu erkennen.<br />

ngesichts der drohenden Pleite kam es 1969 einem selbstmörderischen Akt<br />

Agleich, mit TOMMY ein Doppel- und ein Konzeptalbum zu veröffentlichen.<br />

Die komplexe S<strong>to</strong>ry, der unglaublich reiche Stilmix, die lyrischen Meisterleistungen<br />

und ein cleverer Promotionfeldzug brachten <strong>The</strong> <strong>Who</strong> zurück ins Spiel. Mit der<br />

Rockoper gelang der Durchbruch in den Staaten (Chartplatz 4). Sie verschaffte<br />

der Gruppe eine unermessliche Reputation. Logisch, dass <strong>The</strong> <strong>Who</strong> mit TOMMY<br />

im<br />

Gepäck auch zur Besetzung des legendären Woods<strong>to</strong>ck-Festivals gehörten.<br />

Aber wie schon in Monterey kam Pete Townshend mit der Hippie-Gemeinde<br />

nicht zurecht: Es sei der amerikanische Traum gewesen, der dort geträumt wurde,<br />

nicht der seine. Und Anfang der 70er erklärte er zu Woods<strong>to</strong>ck kurz und<br />

knapp: „Ich hasste es." Die brachiale Soundmaschine <strong>The</strong> <strong>Who</strong> fegte über die<br />

Blumenkinder hinweg wie ein abstürzender Düsenjet. Der im Woods<strong>to</strong>ck-Film<br />

mit irren Bildschnitten aufbereitete Ausschnitt aus dem <strong>Who</strong>-Auftritt vermittelt<br />

nur annähernd, welche überdimensionale Kraft von der Bühne auf die in Glückseligkeit<br />

aufgelösten Hippies einwirkte. Und es sprach eine enorme Verachtung<br />

aus Townshend, als er nach dramatischen Feedbackausbrüchen seine Gitarre wie<br />

nebenbei hinab in den Bühnengraben warf.<br />

Die Gewalt, die <strong>The</strong> <strong>Who</strong> umgab, machte auch vor dem Peace-and-Love-<br />

Fest in Woods<strong>to</strong>ck nicht halt. Der Angriff Pete Townshends auf den politischen<br />

Aktivisten Abbie Hoffmann, der während des Auftritts des englischen<br />

Quartetts die Bühne betrat und eine Lanze für den inhaftierten White-Pan<strong>the</strong>r-<br />

Führer John Sin clair brechen wollte, ist legendär. Townshend schmetterte dem<br />

Störenfried seine Gitarre in den Rücken, ohne darüber nachzudenken, ob er ihn<br />

dabei schwer verletzen könnte. Man erwartete nach diesem Ereignis von ihm<br />

immer wieder Worte des Bedauerns darüber. Stattdessen erklärte der Londoner,<br />

dass es eine gefährliche Sache sei, ihn während eines Auftritts zu unterbrechen.<br />

Er sei in der Lage, jemanden zu töten, der ihm in solchen Momenten zu nahe<br />

komme.<br />

Als <strong>The</strong> <strong>Who</strong> ins neue Jahrzehnt schritten, gab es längst härtere Bands als sie.<br />

Auch hatte die Gewalt auf und vor den Bühnen neue Qualitäten erreicht.<br />

Dennoch blieben Townshend, Daltrey, Entwistle und Moon einer der extremsten<br />

Live-Acts, den die Welt je gesehen hatte. LIVE AT LEEDS (1970) – von Motörhead-Lemmy<br />

mal als erstes echtes Heavy-Metal-Album bezeichnet, obwohl die<br />

Black-Sabbath- und Led-Zeppelin-Debüts längst erschienen waren – zeichnete<br />

<strong>The</strong> <strong>Who</strong> als jenes gigantische Rock-Monstrum, als das es noch mindestens acht<br />

Jahre durch die Welt <strong>to</strong>urte. Bis zu jenem Tag, an dem Keith Moon starb.<br />

Seite 16 ■ <strong>GoodTimes</strong> 3/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>

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