Interview Miley CYRUS: Wird gerade erwachsen (Vorschau)
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101 Seiten<br />
FASHION<br />
September 2013<br />
4 Eurȯ.<br />
Charlotte<br />
GAINSBOURG<br />
führt uns in<br />
Versuchung …<br />
Dree (& Mariel!)<br />
HEMINGWAY<br />
– oder warum ein großer Name<br />
Fluch und Segen sein kann<br />
Robert<br />
PATTINSON<br />
bei Tageslicht<br />
Charlotte ROCHE<br />
und Carla JURI<br />
reden über<br />
„FEUCHTGEBIETE“<br />
<strong>Miley</strong><br />
<strong>CYRUS</strong><br />
wird <strong>gerade</strong> <strong>erwachsen</strong><br />
09<br />
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SMALL TALK<br />
Kleine Gespräche mit großen Leuten<br />
S. 45<br />
.<br />
Inhalt<br />
Superstars<br />
Auf dem Weg nach vorne<br />
Amirah Kassem King Krule<br />
S. 50 S. 52<br />
MILEY <strong>CYRUS</strong><br />
17 Minuten mit dem Teeniestar,<br />
der jetzt <strong>erwachsen</strong> sein will<br />
S. 54<br />
My Fashion<br />
Aussehen wie Nicolette Krebitz<br />
S. 60<br />
Wow<br />
Schöne Dinge für den September<br />
S. 62<br />
REISE ZUR KUNST<br />
Jerry Saltz’ Postkarten von der<br />
Biennale in Venedig<br />
S. 72<br />
NOW<br />
Kultur im September<br />
S. 76<br />
Warum Roland Emmerich<br />
wieder das Weiße Haus in die<br />
Luft sprengen muss<br />
S. 80<br />
Dior x Andy<br />
Raf Simons trifft Warhol trifft<br />
unseren Geschmack<br />
S. 82<br />
Dreaming of a<br />
WHITE SWEATER<br />
S. 84<br />
KENNEN SIE VERONIQUE<br />
BRANQUINHO?<br />
Die belgische Designerin meldet sich zurück<br />
S. 86<br />
Bag Lady<br />
Wer behauptet, Geld mache nicht glücklich,<br />
geht wohl in die falschen Läden<br />
S. 90<br />
Elsa SCHIAPARELLI<br />
Die Rückkehr einer Legende<br />
S. 94<br />
WOW, S. 62 SCHIAPARELLI, S. 94<br />
Carla Juri &<br />
Charlotte Roche,<br />
S. 142<br />
Editorial<br />
S. 33<br />
S. 36<br />
Impressum<br />
Mitarbeiter<br />
S. 40<br />
Abonnement<br />
S. 97/201<br />
Diese Hemingways, S. 100<br />
King<br />
Krule,<br />
S. 52<br />
Sweaters,<br />
S. 84<br />
Nicolette<br />
Krebitz,<br />
S. 60<br />
FOTOS: Glen Luchford Kate Moss 1994/Christie’s Images Ltd. 2013; Olaf Wipperfürth; Ronald Dick, Styling: Ingo Nahrwold; Ronald Dick; Charlotte Wales, Styling: Clare Byrne; dpa Picture-Alliance/Copyright © CSU Archives/Everett
©T&CO. 2013.<br />
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FRANKFURT GOETHESTRASSE 20 069 92 00 270<br />
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Inhalt<br />
DIESE<br />
HEMINGWAYS<br />
Genie und Wahnsinn, Schönheit und<br />
Depressionen: Wie Mariel und<br />
Dree Hemingway trotz des Fluchs, der auf der<br />
Familie liegt, zu überleben versuchen<br />
S. 100<br />
ROBERT PATTINSON<br />
Er hat die Werwölfe besiegt, Kristen Stewart<br />
überlebt und ist mit Twilight unsterblich<br />
geworden: Das <strong>Interview</strong> mit einem Vampir<br />
S. 120<br />
So sieht’s aus:<br />
DER LOOK DER<br />
NEUEN SAISON<br />
fotografiert von<br />
Giampaolo Sgura<br />
S. 130<br />
Carla JURI &<br />
Charlotte ROCHE<br />
Als der Roman Feuchtgebiete erschien,<br />
errötete ein ganzes Land. Im gleichnamigen<br />
Kinofilm vermisst die wunderbare<br />
Carla Juri unsere Schamgrenzen neu<br />
S. 142<br />
Human League<br />
Fashion! Fashion! Fashion!<br />
Fotografiert von Craig McDean<br />
S. 152<br />
CHARLOTTE GAINSBOURG<br />
Sie ist die heimliche Prinzessin Frankreichs, die<br />
einzige Frau, die Lars von Trier aushält,<br />
und dennoch bleibt sie ein Mysterium – wie<br />
es scheint, auch für sich selbst<br />
S. 162<br />
Marc JACOBS &<br />
Naomi<br />
CAMPBELL<br />
Zu Hause im Münchner Maison Louis Vuitton<br />
S. 172<br />
BRAD ELTERMAN<br />
Sein Studio war der Sunset Strip, sein Material<br />
die Ikonen des Pop. Unser Portfolio feiert den<br />
ersten Paparazzo des Rock ’n’ Roll<br />
S. 184<br />
Elie SAAB<br />
Der libanesische Designer schneidert<br />
nicht nur teure Couture, er<br />
definiert jetzt auch, wie Luxus riecht!<br />
S. 192<br />
Robert<br />
Pattinson<br />
S. 120<br />
BEAUTY KOLUMNE<br />
Rihanna! Diane Kruger!<br />
Angelina Jolie!<br />
S. 196<br />
Beauty Trends & News<br />
S. 198<br />
PARTY<br />
Berlin Fashion<br />
Week/Unterwegs mit<br />
Olivier Zahm<br />
S. 202<br />
Flashback<br />
Bianca Jagger<br />
S. 210<br />
.<br />
FOTO: Nan Goldin für Christian Dior Parfums
ASTRID MUÑOZ / PHOTOGRAPHER & MODEL<br />
.
Discover more at esprit.com<br />
.
.<br />
Charlotte Gainsbourg<br />
FOTO Driu Crilly & Tiago<br />
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Dree Hemingway<br />
FOTO Sebastian Faena<br />
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EDITORIAL<br />
Mein Lieblingslokal in New York hieß damals Elaine’s, wir<br />
haben hier unvergessliche Abende verbracht, mit<br />
Freunden, bis spät in die Nacht. Elaine Kaufman hielt<br />
Hof, und ganz Manhattan war zu Gast: die Künstler, die Literaten,<br />
die Journalisten, die Exzentriker, die Stadtneurotiker. Irgendwann<br />
kannten uns die Kellner, und wir bekamen immer unseren Lieblingstisch.<br />
Woody Allen hat das Restaurant in seinem Film Manhattan<br />
verewigt. Die Stadt war damals das Zentrum der Welt. Wenn ich<br />
nicht in New York sein konnte, gab es nur ein Magazin, das mich in<br />
der Ferne über das Stadtgespräch auf dem Laufenden hielt: <strong>Interview</strong>.<br />
Jetzt sitze ich an meinem neuen Schreibtisch in Berlin, bin die<br />
Chefredakteurin der deutschen Ausgabe von <strong>Interview</strong>. Berlin ist das<br />
neue New York, heißt es. Keine Ahnung, ob Andy Warhol das<br />
bestätigen würde. Aber: Er hat die urbane Vitalität geliebt, den Small<br />
Talk der Großstadt, die Mode, den Glamour, die Stars. New York<br />
kommt mir inzwischen vor wie ein Mythos von gestern. Elaine’s<br />
gibt es nicht mehr. Europa liegt vorn, so kreativ wie nie zuvor.<br />
Deutschland ist ein spannendes Land geworden, vielleicht sogar<br />
so spannend wie New York, damals, als wir bei Elaine’s saßen.<br />
Wir wollen ein spannendes Magazin für dieses Land machen.<br />
Ganz im Sinne von Andy Warhol: <strong>Interview</strong> war immer das<br />
Leitmedium der Leser, die sich für Menschen interessieren, die<br />
ihrer Zeit einen Schritt voraus sind. Wenn auch manchmal<br />
nur eine Nacht lang, an einem Ort wie Elaine’s.<br />
Lisa Feldmann,<br />
fotografiert von<br />
Dimitri Jeurissen<br />
33
.<br />
Impressum<br />
EDITOR IN CHIEF<br />
Lisa FELDMANN<br />
Deputy Editor in Chief JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />
Creative Direction Art DIMITRI JEURISSEN<br />
and SANDER VERMEULEN for BASEDESIGN<br />
Art Director DOMINIK SCHATZ<br />
Fashion Director KLAUS STOCKHAUSEN<br />
Photography Director FRANK SEIDLITZ<br />
Senior Editor HARALD PETERS<br />
Editor HEIKE BLÜMNER<br />
Beauty Editor BETTINA BRENN<br />
Assistant Photography DOROTHEA FIEDLER<br />
Assistant Fashion CAROLINE LEMBLÉ<br />
Assistant Editorial WIEBKE SCHUIRMANN<br />
Interns KATHARINA EDER, RAHA EMAMI KHANSARI<br />
International Fashion Director JULIA VON BOEHM<br />
International Editor at Large NAOMI CAMPBELL<br />
International Editor ALIONA DOLETSKAYA<br />
Art Department<br />
ALEXANDER NUSSBAUMER, OLE A. H. TRUDERUNG<br />
Digital<br />
Executive Editor NINA SCHOLZ, Junior Editor KATHARINA BÖHM<br />
Intern ISABEL LEONHARDT<br />
Managing Editor & Chef vom Dienst SILKE MENZEL<br />
Textchefin ELISABETH SCHMIDT<br />
Schlussredaktion ULRIKE MATTERN,<br />
RALPH SCHÜNGEL, KERSTIN SGONINA<br />
MITARBEITER DIESER AUSGABE<br />
Doug Aitken, Anastasia Barbieri, Jan Brandt, Clare Byrne,<br />
Miguel Enamorado, Sönke Hallmann, Friederike Jung, Karen Kaiser,<br />
Nicolette Krebitz, Ingo Nahrwold, Charlotte Roche, Jerry Saltz,<br />
Hella Schneider, Karl Templer, Christian Werner<br />
Casting by Samuel Ellis Scheinman for DMCasting<br />
FOTOGRAFEN DIESER AUSGABE<br />
Jakob Axelmann, Driu Crilly & Tiago Martel, Marleen Daniëls, Ronald Dick,<br />
Brad Elterman, Sebastian Faena, Nan Goldin, Jean-Paul Goude, Markus Jans,<br />
Jan Kapitän, Jonas Lindström, Christian Macdonald, Craig McDean,<br />
Markus Pritzi, Giampaolo Sgura, Heji Shin, Mario Sorrenti, Charlotte Wales,<br />
Jan Welters, Olaf Wipperfürth, Olivier Zahm<br />
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AUF SEITE 97<br />
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GESCHENKS<br />
PRODUKTION<br />
Lithografie Max-Color, Wrangelstraße 64, 10997 Berlin<br />
Druck Mohn Media Mohndruck GmbH,<br />
Carl-Bertelsmann-Straße 161 M, 33311 Gütersloh<br />
Manufacturing Director Oleg Novikov<br />
Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt<br />
Lisa Feldmann<br />
Board of Directors <strong>Interview</strong> Publishing House Germany<br />
VLADISLAV DORONIN, BERND RUNGE<br />
BMP Media Holdings, LLC, Chairman PETER M. BRANT<br />
www.interew.de
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A ZIG-ZAG IN TIME 1953 - 2013<br />
60 Years of Style
Impressum<br />
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HERAUSGEBER & GESCHÄFTSFÜHRER<br />
Bernd RUNGE<br />
PUBLISHING DIRECTOR<br />
Anja SCHWING<br />
Assistentin der Geschäftsführung: VIKTORIA MOSIN<br />
Tel.: 030/2000 89-126, viktoria.mosin@atelier-publications.de<br />
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Advertising Director IRIS GRÄBNER<br />
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Frankreich, Großbritannien und USA CHARLOTTE WIEDEMANN<br />
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Communications Manager CHARLOTTE WIEDEMANN<br />
Marketing Manager WILKIN SCHRÖDER<br />
Assistenz KATHLEEN MASSIERER, Tel.: 030/2000 89-165<br />
IT Manager PATRICK HARTWIG<br />
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<strong>Interview</strong> erscheint zehnmal im Jahr in der <strong>Interview</strong> PH GmbH.<br />
Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste vom 1. Januar 2013.<br />
Alle Rechte vorbehalten.<br />
Für unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird<br />
keine Haftung übernommen.<br />
Andy Warhol’s <strong>Interview</strong> (TM). All rights reserved.<br />
<strong>Interview</strong> Germany is published under a sublicense from LLC Publishing House <strong>Interview</strong>;<br />
<strong>Interview</strong> is a registered trademark of <strong>Interview</strong> Inc.<br />
Reproduction in any manner in any language in whole or in part<br />
without prior written permission is prohibited.<br />
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.<br />
Mitarbeiter<br />
DOUG AITKEN sprach mit Charlotte Gainsbourg (ab Seite<br />
162). Der kalifornische Künstler, Jahrgang 1968, arbeitet<br />
mit Fotografie, Video und Skulpturen, er macht Performances,<br />
Installationen und zwischendurch auch mal Dinge kaputt.<br />
Doch als Nächstes fährt Aitken Zug. Für sein Projekt Station<br />
to Station will Aitken von New York nach San Francisco<br />
fahren, und dort, wo er anhält, gibt es Kunst. Damit er die<br />
Kunst nicht alleine machen muss, hat er viele Künstler mit<br />
an Bord, unter anderem Urs Fischer, Carsten Höller,<br />
Kenneth Anger und Liz Glynn. Und weil Kunst allein nicht<br />
reicht, gibt es auch Musik, zum Beispiel von den Fiery<br />
Fur naces und Charlotte Gainsbourg. Bevor die Reise losgeht,<br />
hat er Gainsbourg noch schnell interviewt.<br />
40<br />
SEBASTIAN FAENA fotografierte Dree<br />
Hemingway (ab Seite 106). Seinen ersten<br />
großen Auftritt hatte Faena 2008 mit einer<br />
20-seitigen Strecke im V Magazine. Seither<br />
hat der 1980 in Buenos Aires geborene<br />
Fotograf bewiesen, dass er ein einzigartiges<br />
Talent hat, Bilder zu schaffen, die einerseits<br />
an Filmszenen erinnern (er war früher einmal<br />
Regisseur), bei denen andererseits aber auch<br />
das Interesse an Sex nicht zu kurz kommt.<br />
Unvergessen ist in dieser Hinsicht etwa die<br />
Strecke Nun Head fürs Pop Magazine, in der<br />
es um erotisierte Nonnen ging, oder<br />
Footballers’ Wives fürs V Magazine, die von<br />
erotisierten Fußballerfrauen handelte.<br />
Inzwischen hat ungefähr jedes berühmte<br />
Model für ihn posiert, manche sogar mehrfach.<br />
So kennen sich Dree Hemingway, die<br />
er für uns fotografierte, und er bereits von<br />
früheren Arbeiten. Ihr Shooting für <strong>Interview</strong><br />
betrachten Sebastian Faena und Dree<br />
Hemingway als eine Hommage an Drees<br />
1996 verstorbene Tante, die Schauspielerin<br />
Margaux Hemingway.<br />
NAN GOLDIN fotografierte<br />
Robert Pattinson (ab Seite 120).<br />
Sie ist bekannt für direkte und<br />
ehrliche Fotografie, die oft die<br />
intimsten und traurigsten<br />
Momente des Lebens zeigt. In<br />
den vergangenen Jahren begann<br />
die 59-jährige Amerikanerin,<br />
auch für große Modehäuser wie<br />
Bottega Veneta und Christian<br />
Dior zu arbeiten, ohne dabei ihren<br />
einzigartigen Stil zu verlieren.<br />
Das gilt auch für ihre<br />
Fotos von Robert Pattinson, dem<br />
mit Abstand beliebtesten (Ex-)<br />
Vampirdarsteller unserer Zeit.<br />
RONALD DICK fotografierte Carla Juri (ab Seite 142).<br />
Heute arbeitet und lebt Ronald Dick abwechselnd in London<br />
und Berlin und fotografiert für große Marken (Nike,<br />
BMW) und Magazine (Another Magazine, W), doch bis es so<br />
weit kam, verbrachte er seine Jugend damit, Bilder in seinem<br />
eigenen kleinen Fotolabor in Stuttgart zu entwickeln, hörte<br />
dabei Heavy Metal oder spielte zwischendurch Schlagzeug.<br />
Sein Interesse an Gegenkulturen hat er sich bewahrt. Für uns<br />
fotografierte Ronald Dick die Schauspielerin Carla Juri.<br />
CHARLOTTE ROCHE sprach mit Carla Juri (ab<br />
Seite 142). In High Wycombe geboren, in Deutschland<br />
aufgewachsen und als Moderatorin bei Viva bekannt geworden.<br />
Den ganz großen Durchbruch hatte die 35-Jährige<br />
allerdings 2008 mit ihrem ersten Roman Feuchtgebiete, der<br />
allein in Deutschland weit über eine Million Exemplare<br />
verkauft und so viel Wirbel verursacht hat, dass die Verfilmung<br />
unvermeidlich war. Für <strong>Interview</strong> hat Roche<br />
(u. l.) exklusiv mit der großartigen Hauptdarstellerin<br />
Carla Juri gesprochen.<br />
FOTOS: Sofía Achaval; ddp images; Steffi Loos/ddp images; Nicolas Kantor/Majestic
paris cannes courchevel london new york luxemburg peking<br />
.
Hello!<br />
.<br />
FOTO: Simins/WWD/Fairchild Photo Service; © Condé Nast<br />
Ein Bild und seine<br />
Geschichte<br />
Die legendäre<br />
„Vogue”-Chefredakteurin<br />
in<br />
ihrem Büro<br />
Dass sie da war, erkannten ihre Mitarbeiter daran, dass die Rigaud-<br />
Duftkerze in ihrem Büro brannte. Gemischt mit dem Aroma ihrer<br />
Zigaretten ergab sich eine persönliche Note, so unverwechselbar und<br />
eigen wie alles im Leben von DIANA VREELAND. Die hübschen<br />
Dosen mit dem Zebradruck, in denen die Kerzen geliefert wurden,<br />
dienten als Bleistifthalter, weil sie sich im Ambiente ihrer geliebten roten<br />
Wandfarbe so prächtig machten. Und wurden jetzt zur Inspiration der<br />
W-Seite 63. Willkommen in unserer September-Ausgabe!<br />
43
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.<br />
Small Talk<br />
KLEINE GESPRÄCHE MIT GROSSEN LEUTEN:<br />
RUTH WILSON, LILY COLLINS, MATT<br />
DAMON, CARINE ROITFELD & JOËL DICKER<br />
FOTO: Greg Williams © Disney 2013<br />
Spionieren Sie?<br />
Die Schauspielerin Ruth Wilson,<br />
31, ist eine schlechte Lügnerin<br />
INTERVIEW: Für den Dreh von Lone Ranger sind Sie lange<br />
in der Wüste gewesen, in der auch Breaking Bad gedreht<br />
wurde. Hatten Sie seltsame Träume dort?<br />
RUTH WILSON: Der Sauerstoff ist dort ein wenig dünner.<br />
Außerdem kriegt man ganz viel Nasenbluten in<br />
Albuquerque, ich weiß nicht, warum. Aber an meine Träume<br />
kann ich mich leider nicht erinnern. Ich habe keine<br />
Träume. Also schon, aber ich weiß nichts von ihnen. Ich<br />
weiß, dass oft Haie darin auftauchen.<br />
INTERVIEW: Haie? Wieso das denn?<br />
WILSON: Ich denke, es ist wegen Der Weiße Hai. Spielberg<br />
ist schuld. Er hat die Haie in meinen Traum gepflanzt.<br />
INTERVIEW: Kennen Sie den neuen Hai-Film Sharknado?<br />
WILSON: Ja, der ist bestimmt lustig! Man könnte ihn jetzt<br />
schon einen Klassiker nennen, denke ich.<br />
INTERVIEW: Die Idee ist brillant. Ein Tornado aus Haien.<br />
Dass da noch niemand früher draufgekommen ist …<br />
WILSON: Ich habe mal versucht, meine Angst vor Haien zu<br />
überwinden, und in Südafrika einen Tauchgang gemacht.<br />
Also, ich war natürlich in einem Käfig. Ein Hai hat die<br />
ganze Zeit den Käfig angefressen …<br />
INTERVIEW: Was wäre eigentlich aus Ihnen geworden, wenn<br />
Sie sich nach dem Geschichtsstudium nicht für die<br />
Schau spielerei entschieden hätten?<br />
WILSON: Keine Ahnung. Ich mochte die Vorstellung,<br />
Archäologin zu werden. Aber wahrscheinlich habe ich die<br />
Sache romantisch verklärt – zwei Frauen erzählten mir<br />
heute, sie hätten den gleichen Traum gehabt. Vielleicht hat<br />
es mit Indiana Jones zu tun. Ich meine, in der Hitze<br />
abzuhängen und die ganze Zeit Relikte auszubuddeln, was<br />
soll daran eigentlich toll sein?<br />
INTERVIEW: Und wie wäre es mit dem Beruf des Spions?<br />
Das ist Ihr Großvater ja unter anderem gewesen.<br />
WILSON: Auf keinen Fall! Ich kann nicht lügen. Ich werde<br />
dann total rot. Ich werde sogar rot, wenn ich nicht lüge,<br />
sondern nur durch den Zoll will. Ich wäre nutzlos. Oder<br />
das wäre mein Trick, permanent rot werden, sodass alle<br />
denken: „Ah, die ist bestimmt keine Spionin!“<br />
Von Raha Emami Khansari<br />
Jetzt im Kino: „Lone Ranger“<br />
45
"Бim Dreh gab<br />
es Ktüme mit<br />
zugenähten<br />
Mündern. Wenn<br />
ein Kind das<br />
Set besucht<br />
hätte, es hätte<br />
st Albträume<br />
bekmen"<br />
„Chroniken der<br />
Unterwelt –<br />
City of Bones“<br />
startet am<br />
29. August<br />
Schlecht geträumt?<br />
Die Schauspielerin Lily Collins, 24,<br />
dreht lieber Horrorfilme, als dumme<br />
Fragen zu stellen<br />
INTERVIEW: Mit 15 hatten Sie bereits eine eigene Kolumne<br />
in Elle Girl, und ein paar Jahre später haben Sie fürs<br />
amerikanische Fernsehen Celebritys interviewt. Gab es mal<br />
ein besonders unangenehmes <strong>Interview</strong>?<br />
LILY COLLINS: Die <strong>Interview</strong>s waren eigentlich immer super,<br />
viel unangenehmer war es, wenn meine Chefs von mir<br />
verlangten, dass ich den Leuten total persönliche Fragen<br />
stelle. Aber als ich das nicht wollte, sagten sie nur: „Okay,<br />
dann macht jemand anderes den Job.“<br />
INTERVIEW: Das heißt, Sie haben sich geweigert?<br />
COLLINS: Ja, ich hatte da einfach keinen Bock drauf. Ich<br />
wusste ja aus eigener Erfahrung, wie blöd es ist, so was<br />
gefragt zu werden. Die Leute dachten einfach: „Oh, die ist<br />
jung. Die können wir dafür abkommandieren.“ Ich fand<br />
sowieso, dass es zu dem Zeitpunkt viel zu viel Negatives im<br />
Small Talk<br />
Journalismus gab, weshalb ich lieber etwas Positives dazu<br />
beitragen wollte.<br />
INTERVIEW: Womit wir beim Thema wären: In Ihrem<br />
neuen Film Chroniken der Unterwelt – City of Bones<br />
versuchen Sie etwas Positives beizutragen, indem Sie sich<br />
einer Gang Jugendlicher anschließen, die Dämonen<br />
killen und coole Runentattoos tragen.<br />
COLLINS: Ja, und im nächsten Film kriege ich noch mehr<br />
davon! Dann muss ich noch länger im Make-up-Trailer<br />
abhängen …<br />
INTERVIEW: Beim Dreh hatten Sie auch Kollegen, die<br />
Kostüme mit zugenähten Mündern tragen mussten.<br />
COLLINS: Oh ja! Die konnten nicht mal was essen und ihre<br />
Getränke bloß mit Strohhalm trinken. Am Set war<br />
das richtig lustig anzusehen, wie 20 Leute mit identischen<br />
Gesichtern nebeneinander am Strohhalm saugen.<br />
INTERVIEW: So ein zugenähter Mund ist auch nicht<br />
besonders kommunikativ.<br />
COLLINS: Das Lustige war, dass sie ja eigentlich sprechen<br />
konnten, nur eben unter der Maske. Man hörte dann so<br />
einen Haufen Menschen summen und labern, ohne dass sich<br />
ihre Münder bewegten. Wenn ein Kind das Set besucht<br />
hätte, es hätte sofort Albträume bekommen!<br />
INTERVIEW: Bekommen Sie Albträume, wenn Sie sich einen<br />
richtig guten Horrorfi lm anschauen?<br />
COLLINS: Ich liebe Horrorfi lme, aber ich habe grundsätzlich<br />
Albträume danach! Deshalb schaue ich sie mir nur mit<br />
einem geschlossenen und einem offenen Auge an. Oft halte<br />
ich mir auch die Ohren zu: Schließlich ist ein Großteil<br />
der Filme nur deshalb gruselig, weil die Musik so gruselig ist.<br />
Von Raha Emami Khansari<br />
Diät gemacht?<br />
Hollywoodstar Matt Damon,<br />
42, ist in seinen neuen<br />
Filmen Toyboy und Cyborg<br />
INTERVIEW: Was erwarten Sie von der Zukunft,<br />
Herr Damon?<br />
MATT DAMON: Sie meinen wegen Elysium? Ich bin da<br />
Optimist. Auf jeden Fall bin ich optimistischer als Neill<br />
Blomkamp, mein Regisseur. In den vergangenen paar<br />
Hundert Jahren gab es doch enorme Verbesserungen<br />
für uns Menschen. Jedenfalls könnte es wesentlich<br />
beschissener aussehen.<br />
INTERVIEW: Haben Sie die körperlichen Veränderungen<br />
.<br />
FOTOS: (linke Seite) Matt Carr/Getty Images; Armando Gallo/interTOPICS, (rechte Seite) David X Prutting/BFAnyc.com
gereizt, die Sie sowohl für Elysium als auch für Behind The<br />
Candelabra durchmachen mussten?<br />
DAMON: Ehrlich gesagt, nein. Privat ziehe ich eher den<br />
gemütlichen Look vor. Dafür muss ich mich nur einer<br />
Mops-Diät unterziehen<br />
INTERVIEW: Die Verwandlung, die Sie in beiden Filmen<br />
machen, ist jedenfalls enorm.<br />
DAMON: Ja, und keiner der Filme lässt die plastische<br />
Chirurgie besonders gut aussehen, haha.<br />
INTERVIEW: Sie wollten also einfach mal was ganz anderes<br />
machen?<br />
DAMON: Nicht wirklich. Ich bin in meiner Karriere einfach<br />
an einem Punkt angelangt, an dem ich mich allein wegen<br />
des Regisseurs für Filme entscheide. Ich habe schon bei<br />
Projekten zugesagt, für die es noch nicht mal ein Drehbuch<br />
gab und die trotzdem gut wurden, weil der Regisseur es<br />
einfach draufhatte.<br />
INTERVIEW: Und das war auch bei Behind The Candelabra<br />
und Elysium der Fall?<br />
DAMON: Ja. Der eine ist von Steven Soderbergh, mit dem<br />
ich mittlerweile sieben Filme gedreht habe, der andere von<br />
Neill Blomkamp, der vorher District 9 gedreht hat. Und<br />
von District 9 war ich ein großer Fan. Außerdem ist die<br />
Geschichte von Elysium eine sehr treffende Metapher auf<br />
unsere heutige Welt.<br />
INTERVIEW: Und was sagt diese Metapher?<br />
DAMON: Das darf ich nicht verraten, weil Neill auf dem<br />
Standpunkt beharrt, dass der Film gar keine Message<br />
hat. Beziehungsweise sagt er: „Die Message dieses Films ist,<br />
dass er ein Blockbuster ist.“<br />
INTERVIEW: Und er ist ein Science-Fiction-Film. Würden<br />
Sie eigentlich gern mal selbst ins All fliegen?<br />
DAMON: Nein, wer will das schon?<br />
INTERVIEW: Justin Bieber will das.<br />
DAMON: Justin Bieber will ins All fliegen?<br />
INTERVIEW: Ja, er hat schon einen Flug bei Richard<br />
Branson gebucht.<br />
DAMON: Oh wirklich? Den hätte ich gerne bezahlt (lacht).<br />
Es gibt ja viele Wissenschaftler, die der Ansicht sind, wir<br />
müssten uns dort nach Alternativen umsehen, wenn wir<br />
weiterhin bestehen wollen. Ich habe aber gar kein großes<br />
Interesse daran. Wie die Welt von Weitem aussieht, schaue<br />
ich mir lieber auf ein paar Fotos an. Ist auch viel günstiger.<br />
Von Katharina Böhm<br />
Jetzt im Kino: „Elysium“<br />
" den letzten paar<br />
ndert Jahren gab es doch<br />
enme Verbesserungen<br />
für uns Menschen. Jedenfalls<br />
könnte es wesentlich<br />
beschissener aussehen"<br />
Small Talk<br />
Nervös gewesen?<br />
Carine Roitfeld, 58, erklärt, warum<br />
sie lieber Beifahrerin ist<br />
CARINE ROITFELD: Wie war noch mal Ihr Name?<br />
INTERVIEW: Raha.<br />
ROITFELD: Raha?! C’est difficult.<br />
INTERVIEW: Ihren Namen richtig auszusprechen fällt mir<br />
aber auch nicht leicht.<br />
ROITFELD: Carine?!<br />
INTERVIEW: Nein, ich meinte Ihren Nachnamen.<br />
ROITFELD: Roitfeld! Ah, das ist doch einfach. Denken Sie<br />
einfach an Lagerfeld.<br />
INTERVIEW: Ach so! Wollen wir uns ein wenig übers<br />
Autofahren unterhalten?<br />
ROITFELD: Sehr gerne.<br />
INTERVIEW: Haben Sie denn einen Führerschein?<br />
ROITFELD: Ja. Hat mich aber auch vier Prüfungen gekostet,<br />
um ihn zu bekommen.<br />
INTERVIEW: Oh, wirklich? Was ist denn da immer wieder<br />
schiefgegangen?<br />
ROITFELD: Beim ersten Mal habe ich vergessen, den<br />
Sicherheitsgurt anzulegen. Da bin ich quasi direkt beim<br />
Anfahren durchgefallen. Was bei den anderen Malen<br />
passiert ist, weiß ich nicht mehr so genau. Na ja, am Ende<br />
hat’s ja dann geklappt.<br />
INTERVIEW: Waren Sie nervös?<br />
ROITFELD: Puh, kann ich mich auch nicht mehr dran<br />
erinnern. Ich war auf jeden Fall früher sehr viel mit dem<br />
Auto unterwegs, als die Kinder noch im Haus waren und<br />
ich sie ständig irgendwohin fahren musste: zur Schule, zum<br />
Fußball, zum Reiten oder was auch immer. Aber jetzt, wo<br />
sie groß sind und nicht mehr zu Hause wohnen, mag ich es<br />
auch nicht mehr. Außerdem bin ich gefährlich.<br />
INTERVIEW: Sie meinen, Sie sind eine gefährliche<br />
Autofahrerin?<br />
ROITFELD: Ja! Sie wissen schon: Mal bin ich am Telefon,<br />
.<br />
47
48<br />
dann gucke ich in der Gegend herum, weil ich mir<br />
irgendwas draußen anschaue, oder suche verzweifelt nach<br />
einem Parkplatz – das ist alles zu viel für mich.<br />
INTERVIEW: Wo sitzen Sie denn am liebsten im Auto?<br />
ROITFELD: Auf dem Beifahrersitz, damit ich mich mit dem<br />
Fahrer unterhalten kann. Außer natürlich, ich kenne<br />
die Person nicht oder mag sie nicht besonders, dann sitze<br />
ich lieber hinten.<br />
INTERVIEW: Korrigieren Sie den Fahrer auch?<br />
ROITFELD: Nein, ganz und gar nicht. Schließlich liegt das<br />
Vergnügen ja <strong>gerade</strong> darin, nicht Auto fahren zu müssen:<br />
aus dem Fenster zu schauen und sich die Welt anzugucken,<br />
Musik zu hören, die Musik auszusuchen, zu träumen<br />
und keine Sorgen zu haben. Und am besten ist es natürlich,<br />
wenn man in einem richtig schönen Auto sitzt.<br />
INTERVIEW: Was macht denn ein Auto richtig schön für<br />
Sie?<br />
ROITFELD: Am allerwichtigsten ist der Geruch. Und ich<br />
mag es, wenn sich Autos sportlich und stark anfühlen.<br />
INTERVIEW: Weil Sie sich dann sicherer fühlen?<br />
ROITFELD: Nein, überhaupt nicht. Heutzutage ist es den<br />
Leuten ja so wichtig, dass das Auto sehr sicher ist, aber mir<br />
ist das eigentlich total egal.<br />
INTERVIEW: Erinnern Sie sich noch an das Auto Ihrer<br />
Eltern?<br />
ROITFELD: Oh ja! Es war ein Citroen, und mir ist in diesem<br />
Auto ständig schlecht geworden, weil es so ein ganz<br />
spezielles Federungssystem hatte, das einen ständig hat<br />
auf und ab hüpfen lassen. Wenn wir aufs Land gefahren<br />
sind, musste meine Mutter oft anhalten, weil ich mich<br />
immer wieder übergeben musste.<br />
Von Raha Emami Khansari<br />
Irving gelesen?<br />
Der Schriftsteller Joël Dicker,<br />
28, hat einen Bestseller über<br />
New England geschrieben<br />
INTERVIEW: Herzlichen Glückwunsch zu dem plötzlichen<br />
Erfolg. Sind Sie überrascht?<br />
JOËL DICKER: Unbedingt, zumal ich ja erst wenige Monate<br />
zuvor ein anderes Buch veröffentlicht hatte. Drei Jahre habe<br />
ich gebraucht, um dafür überhaupt einen Verleger zu<br />
finden. Aber mein französischer Verleger war so dermaßen<br />
begeistert von Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert,<br />
dass er es sofort auf den Markt bringen wollte.<br />
INTERVIEW: Sie nicht?<br />
DICKER: Na ja, ich dachte mir: „Ein neues Buch von dem<br />
gleichen Autor in dem gleichen Verlag – wer soll das<br />
kaufen?“<br />
INTERVIEW: Wie es aussieht, haben es alle gekauft.<br />
DICKER: Deswegen bin ich ja auch so überrascht.<br />
INTERVIEW: Und das zweite Buch haben Sie geschrieben, als<br />
Sie für das erste einen Verlag gesucht haben.<br />
DICKER: Genau, denn ich hatte ja alle Zeit der Welt.<br />
Small Talk<br />
Allerdings ist es eigentlich gar nicht mein zweites Buch, es<br />
ist mein sechstes.<br />
INTERVIEW: Oh!<br />
DICKER: Ja, aber die anderen wurden nicht veröffentlicht.<br />
INTERVIEW: Wie alt waren Sie denn, als der erste Roman<br />
fertig war?<br />
DICKER: 20.<br />
INTERVIEW: Sie sind ein Schnellschreiber.<br />
DICKER: Nein, eigentlich nicht. Nur ein Buch pro Jahr.<br />
INTERVIEW: Aber Sie haben doch nebenbei auch noch<br />
studiert?<br />
DICKER: Ja, und gearbeitet. Halbtags.<br />
INTERVIEW: Sie sind Jurist?<br />
DICKER: Genau. Und nach dem Studium hatte ich die<br />
Wahl, das Staatsexamen zu machen, um Anwalt zu werden.<br />
Aber dann hätte ich keine Zeit gehabt, Bücher zu<br />
schreiben. Also habe ich mich für die Bücher entschieden<br />
und nebenbei gearbeitet.<br />
INTERVIEW: Wo denn?<br />
DICKER: Im Parlament in Genf.<br />
INTERVIEW: Was bereitet Ihnen beim Schreiben die größten<br />
Probleme?<br />
DICKER: Die Ideen zu sortieren und herauszufinden, welche<br />
Idee gut ist und welche nicht.<br />
INTERVIEW: Welche Idee war denn die erste bei Harry<br />
Quebert?<br />
DICKER: Die Handlung sollte an der amerikanischen<br />
Ostküste spielen, weil ich die Erfahrungen, die ich dort<br />
gemacht habe, einbringen wollte. Ich habe mal viel Zeit in<br />
New England verbracht.<br />
INTERVIEW: Wann denn?<br />
DICKER: Als Kind. Ich hatte Verwandte da.<br />
INTERVIEW: Ach so, und ich dachte, es sei eine Verbeugung<br />
vor John Irving, dass die Handlung in New England spielt.<br />
DICKER: Ich habe noch nie John Irving gelesen.<br />
INTERVIEW: Nie?<br />
DICKER: Nie!<br />
INTERVIEW: Jeder hat schon John Irving gelesen!<br />
DICKER: Ich weiß. Deswegen habe ich mir jetzt auch Garp<br />
besorgt.<br />
Von Harald Peters<br />
„Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“<br />
ist bei Piper erschienen<br />
.<br />
FOTO: Jeremy Spierer
.<br />
FOLLOWPEPE<br />
SHOP ONLINE AT<br />
PEPEJEANS.COM
Amirah<br />
Kassem<br />
BACKT KUCHEN FÜR<br />
DIE FASHION-WELT<br />
V Harald Peters<br />
Foto Jakob Axelman<br />
.<br />
Talents<br />
50<br />
Grob vereinfacht lässt sich die<br />
Menschheit in zwei Gruppen<br />
einteilen: jene, die Kuchen essen,<br />
und jene, die sie backen. Wobei Amirah<br />
Kassem zu jener besonderen Gruppe von<br />
Kuchenbäckern zählt, die ihre Arbeit für<br />
Leute ausführt, die schon von Berufs wegen<br />
eigentlich keinen Kuchen mögen. Wie das?<br />
Als die gebürtige Mexikanerin vor zwei<br />
Jahren nach New York übersiedelte, versuchte<br />
sie ihr Glück zunächst als Praktikantin bei<br />
Modemagazinen. Anschließend arbeitete sie<br />
für Marken wie BLK DNM und J.Lindeberg<br />
und kam bei ihrem Wirken im Herzen der<br />
Modeindustrie auf die verblüffende Idee, dass<br />
Backwaren wahrscheinlich die Sache sind,<br />
die dieser Branche wirklich fehlen. Dem<br />
Nebenwiderspruch, dass Models eigentlich<br />
keine Kuchen mögen oder zumindest, wenn<br />
sie den Modelberuf noch ein wenig länger<br />
ausüben wollen, besser nicht besonders<br />
mögen sollten, begegnete sie dadurch, dass<br />
ihre Kuchen nicht wie Kuchen aussehen,<br />
sondern beispielsweise wie Steaks, Totenköpfe,<br />
Turnschuhe, Fotokameras und Simba<br />
aus Disneys Der König der Löwen. Sie sagt:<br />
„Ich habe Disney schon immer geliebt.“<br />
Und so wie Kassem Disney liebt, scheint die<br />
New Yorker Modewelt Kassem zu lieben,<br />
weil längst keine Modeparty mehr ohne eine<br />
Bestellung in ihrem Flour Shop auskommt:<br />
sockenförmige Kekse zur Store-Eröffnung des<br />
fröhlichen Sockenherstellers Happy Socks,<br />
ein Handtaschenblechkuchen für Stella<br />
McCartney. „Ich hätte nie gedacht, dass ich<br />
damit irgendwie immer noch in der<br />
Modeindustrie arbeite“, sagt Kassem, sie<br />
könne sich aber beim besten Willen nichts<br />
Besseres vorstellen.<br />
HAIR Anna<br />
S c h n e i d e r<br />
MAKE-UP Linda<br />
Gradin / L’Atelier<br />
PHOTO ASSISTANT<br />
Koji Ishibashi
.<br />
porsche design<br />
www.porsche-design.com
.<br />
King<br />
Krule<br />
FEIERT SEIN COMEBACK<br />
MIT SEINEM DEBÜT<br />
V Harald Peters<br />
Foto Ronald Dick<br />
Superstar Talents<br />
52<br />
Wieso sich auf einen Namen<br />
beschränken, wenn man viele<br />
haben kann? Obwohl er als<br />
Archy Samuel Marshall in London zur Welt<br />
kam, feierte er seine ersten Erfolge als Zoo<br />
Kid, bevor er es im vergangenen Jahr für<br />
eine gute Idee hielt, sich – inspiriert von<br />
dem Elvis-Film King Creole und der Band<br />
Kid Creole & The Coconuts – in King<br />
Krule umzubenennen (wobei wir an dieser<br />
Stelle nicht weiter darauf eingehen wollen,<br />
dass er nebenbei auch als DJ JD Sports und<br />
Edgar the Beatmaker in Erscheinung tritt).<br />
Pünkt lich zu seinem 19. Geburtstag am<br />
24. August veröffentlicht er sein wunderbares<br />
erstes Album, das den interessanten Titel<br />
6 Feet Beneath The Moon (Beggars) trägt,<br />
denn King Krule ist vom Mond fasziniert:<br />
„Er hat eine dunkle und eine helle Seite.<br />
Das mag ich. Und dass man zu ihm hochschaut.<br />
Das macht den Mond sehr metaphorisch.“<br />
Analog zur Mond-Metapher hat<br />
King Krules Musik Töne und Stille<br />
zwischen den Tönen sowie eine Stimme, zu<br />
der man allerdings nicht hochschauen muss,<br />
weil sie aus ungeahnter Tiefe kommt. „Seit<br />
ich 2009 in den Stimmbruch kam, geht sie<br />
immer weiter bergab. Bald bin ich nur noch<br />
der Bass meiner Songs, und man hört mich<br />
gar nicht mehr singen.“ King Krule sieht<br />
zwar wie der Sohn von Schauspielerin Tilda<br />
Swinton aus, doch er klingt wie der<br />
Großvater des verstorbenen Clash-Sängers<br />
Joe Strummer. Da passt es, dass er vorzugsweise<br />
wütend wirkt und die Umstände<br />
wie auch die Zumutungen des Daseins<br />
anprangert, wobei eine Zumutung des<br />
Daseins wiederum die Liebe ist, weswegen<br />
er, wenn er nicht <strong>gerade</strong> wütend ist,<br />
sehnsuchtsvolle Liebeslieder anstimmt.<br />
„Keine Ahnung, warum da niemand drüber<br />
schreibt“, sagt er. „Man missachtet meine<br />
liebevolle Seite.“ Wir nicht.
WILLOW TOTE BERLIN KURFÜRSTENDAMM 184 T. (0)30 23257450 MULBERRY.COM<br />
.
.<br />
/ 7<br />
Minuten<br />
mit …<br />
<strong>Miley</strong><br />
Cyrus<br />
Eine Kindheit im Schaugeschäft (als<br />
Mädchen sammelte sie die Schlüpfer<br />
am Bühnenrand ein, die ihrem Vater<br />
zugeworfen wurden), eine Jugend im<br />
Fernsehen (Hannah Montana, kreisch!),<br />
der reichste Teeniestar aus dem<br />
Disney-Stall (#nimmdasjustinbieber):<br />
Um <strong>Miley</strong> Cyrus muss man sich keine<br />
Sorgen machen – und wer sich über ein<br />
paar Ecstasy (sie ist 20!) tatsächlich<br />
aufregt, soll halt um acht ins Bett gehen<br />
V Jörg Harlan Rohleder<br />
Fot Heji Shin<br />
54<br />
INTERVIEW: Du kommst <strong>gerade</strong> aus London.<br />
Wahrscheinlich war die Aufregung um Baby-Prinz George<br />
noch größer als die Entrüstung über dein neues Video.<br />
MILEY <strong>CYRUS</strong>: Gerade als wir die Stadt verließen, kamen<br />
die Breaking News: „Kate fährt ins Krankenhaus.“<br />
Den richtigen Wahnsinn, der dann folgte, haben wir also<br />
gar nicht mitbekommen. Und ehrlich gesagt, war ich<br />
ganz froh darüber. Sonst hätte ich in jedem <strong>Interview</strong> nur<br />
über das Baby sprechen müssen.<br />
INTERVIEW: Amerika braucht eigentlich keine Royals: Ihr<br />
habt die Kennedys, Oprah, die beiden Justins und natürlich<br />
dich, <strong>Miley</strong> Cyrus.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Oprah ist unsere Queen. Ob ich als Prinzessin tauge,<br />
bezweifle ich.<br />
INTERVIEW: Du bist vielleicht eher der Prinz-Harry-Typ –<br />
zumindest, wenn man sich die Party in deinem neuen<br />
Video anschaut. Eigentlich wirkt es eher wie fünf Partys<br />
auf einmal.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Das soll auch so sein! Ein wildes Party-Mash-up<br />
aller Partys, auf denen ich in den vergangenen Jahren Spaß<br />
hatte. Das meiste basiert auf echten Begebenheiten.<br />
Pullover STELLA<br />
McCARTNEY<br />
Hose & Sandaletten<br />
GIVENCHY BY<br />
RICCARDO TISCI<br />
Schmuck PRIVAT
<strong>Miley</strong> Cyrus<br />
56<br />
INTERVIEW: Die Aufregung um dein Video war bemerkenswert.<br />
In England wurde es zensiert. Angeblich, weil es zu<br />
sexy sei. MTV darf es dort nicht spielen.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Weswegen wir eine bravere Version vorlegen mussten.<br />
INTERVIEW: Kontroversen verkaufen sich immer am besten.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Dennoch frage ich mich, was falsch läuft: Alle<br />
regen sich über mein kleines Video auf – und in Amerika<br />
erschießt George Zimmerman einen 17-jährigen<br />
schwarzen Jungen und wird freigesprochen. Die Medien<br />
sollten sich mal darauf besinnen, was wirklich wichtig und<br />
berichtenswert ist. Es wird echt Zeit, dass wir bestimmte<br />
Dinge wieder in die richtigen Relationen setzen: Warum<br />
dürfen in Amerika in Filmen mit der Altersfreigabe ab 13<br />
ständig Leute niedergemetzelt, aber nicht eine einzige<br />
„Ich kann ja nicht<br />
,We Can’t Stop’ singen<br />
und dann nicht sagen,<br />
was ich denke!“<br />
Titte gezeigt werden? Und dann fragen sich alle, wie die<br />
Welt zu so einem brutalen und gewalttätigen Ort<br />
verkommen konnte.<br />
INTERVIEW: Na ja, man darf in Amerika ja auch mit 18 in<br />
den Krieg ziehen – und erst mit 21 Bier bestellen.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Ganz genau.<br />
INTERVIEW: Was hat eigentlich dein Vater zu all dem<br />
Spanking im Video gesagt?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Der findet das Video super. Er schaut mir ja nicht<br />
auf den Arsch. Das wäre auch gruselig, oder? Außerdem<br />
darf er sich nicht beschweren: Mein Dad hat ziemlich viel<br />
Erfolg wegen seines eigenen Hinterns gehabt.<br />
INTERVIEW: Mittlerweile wurde das Video fast 100<br />
Millionen Mal auf Youtube angeklickt: Schaust du<br />
heimlich nach, damit du nicht verpasst, wenn die 100<br />
Millionen erreicht sind?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Nein, ich verfolge nur Twitter. Meine Fans werden<br />
sich schon melden, wenn es so weit ist. Heute morgen<br />
fehlten noch 12 000 Klicks.<br />
INTERVIEW: Machen Klickzahlen, Follower und Ruhm<br />
süchtiger als Pot?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Hell no!<br />
INTERVIEW: Ich durfte vorhin eine Handvoll Stücke hören<br />
– aber keiner verriet, wie das Album denn heißen wird.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Wenn ich dir das verrate, muss ich dich<br />
umbringen. Leider.<br />
INTERVIEW: Okay, verrate es mir.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Das ist ein billiger Trick! Dafür bin ich zu schlau.<br />
INTERVIEW: Als Hannah Montana wurdest du zum<br />
größten Teeniestar, den Disney je erfunden hat. Du warst<br />
die All-American-Daughter einer ganzen Nation, die dir<br />
dabei zugesehen hat, wie du älter und immer erfolgreicher<br />
wurdest. Ein wenig erinnert deine Jugend an die Truman<br />
Show. Fühlte sie sich auch so an?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Die Truman Show ist einer meiner absoluten<br />
Lieblingsfilme. Ich liebe Truman.<br />
INTERVIEW: Im Gegensatz zu ihm bekamst du dafür<br />
wenigstens ein paar ziemlich fette Schecks.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Das stimmt. Ich wurde bezahlt. Und im Gegensatz<br />
zu Truman wusste ich, dass Amerika mir bei jedem meiner<br />
Schritte zuschaut.<br />
INTERVIEW: Stell ich mir furchtbar stressig vor.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Vor allem weil die Leute wirklich denken, sie würden<br />
mich kennen – deshalb denken sie auch, sie dürften<br />
über mich urteilen.<br />
INTERVIEW: Kann jemand in deiner Position eigentlich verstehen,<br />
warum so viele Menschen wegen dir durchdrehen,<br />
<strong>gerade</strong>zu besessen sind?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Ich kann gut nachvollziehen, warum man Fan von<br />
irgendwas ist oder wird. Mit der Besessenheit tue ich mich<br />
deutlich schwerer. Ich verstehe, wenn man die Musik oder<br />
einen Film einer Person toll findet und alles darüber<br />
wissen will. Aber ich kapiere nicht, warum Menschen, die<br />
sich kein bisschen für die künstlerische Arbeit einer Person<br />
interessieren, es toll finden, sich Tag und Nacht Celebritys<br />
ohne Make-up oder im Bikini anzuschauen.<br />
INTERVIEW: Von was warst du denn Fan in deiner Zeit als<br />
Teenager? Welche Poster hingen in deinem Jugendzimmer?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Metallica!<br />
INTERVIEW: Ach ja?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Klar. Aber auch, weil mein Bruder total Angst vor<br />
Metallica hatte. Er dachte, es sei die Musik des Teufels.<br />
Damals teilten wir uns ein Zimmer – und ich besorgte mir<br />
das größte Metallica-Poster, das ich finden konnte, und<br />
hängte es so auf, dass er jeden Abend vorm Einschlafen<br />
darauf schauen musste. Ich war eine ziemlich gemeine<br />
kleine Schwester.<br />
INTERVIEW: Du wurdest mit 12 für Hannah gecastet,<br />
hattest mit 16 vier Nummer-eins-Alben und wurdest<br />
bereits dann von Forbes als der reichste Teenager<br />
Hollywoods geführt. Es macht durchaus Sinn, dass du dir<br />
mit 17 den Schriftzug „Just Breathe“ unter deine linke<br />
Brust hast stechen lassen.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Eine Freundin von mir ist an Mukoviszidose<br />
gestorben, als ich 17 war, ihr habe ich dieses Tattoo<br />
gewidmet. Aber natürlich ist es auch als Hinweis für mich<br />
gedacht: einfach mal durchatmen. Daran denke ich<br />
immer, wenn alles zu viel wird: atmen, <strong>Miley</strong>, atmen.<br />
INTERVIEW: Hat Disney dir eigentlich einen Therapeuten<br />
zur Seite gestellt, um mit dem ganzen Druck und der<br />
großen Verantwortung leben zu lernen?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Ich brauche keinen Psychiater, ich schreibe Songs<br />
– und im Gegensatz zu einer Sitzung beim Therapeuten<br />
stehe ich am Ende nicht mit leeren Händen da …<br />
INTERVIEW: Themen, für die du dich seit Jahren<br />
starkmachst, sind die gleichgeschlechtliche Ehe und die<br />
Rechte von Homosexuellen.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Die <strong>gerade</strong> in Kalifornien legalisiert wurde! Leider<br />
war ich gar nicht da, als es endlich so weit war: Ich bin<br />
mir sicher, West Hollywood dreht <strong>gerade</strong> völlig durch. Ich<br />
kann nicht glauben, dass es überhaupt so lange gedauert<br />
hat. Wahrscheinlich werden meine Kinder die Tatsache,<br />
dass früher Menschen gleichen<br />
Geschlechts nicht heiraten durften,<br />
für ebenso abstrus halten,<br />
wie ich die Vorstellung, dass es<br />
tatsächlich Rassentrennung<br />
in Amerika gab.<br />
INTERVIEW: Und das sagt jemand,<br />
der aus Nashville kommt.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Für ein Mädchen aus den<br />
Südstaaten bin ich ganz schön<br />
liberal. Ich will die Menschen<br />
dort nicht verteidigen, aber viele<br />
Spricht schnell,<br />
spricht druckreif:<br />
<strong>Miley</strong> beim <strong>Interview</strong><br />
im Hotel Adlon<br />
.
.<br />
"Alle regen sich über mein Video<br />
auf – und in Amerika erschießt<br />
George Zimmerman einen<br />
17-jährigen schwarzen Jungen<br />
und wird freigesprochen"<br />
57<br />
wissen es einfach nicht besser. Bei mir hat das jedoch<br />
Familientradition: Mein Großvater (Ron Cyrus) war<br />
Politiker in Kentucky, ein Demokrat. Schon ihm war egal,<br />
wer vor ihm stand: weiß, schwarz, gay, straight, total egal.<br />
Sein Blut fließt in meinen Adern. Zudem weiß ich,<br />
welches Glück ich habe, in Los Angeles zu leben. Dort<br />
darf jeder sein, wer oder wie oder was er will. Es<br />
herrscht die absolute Freiheit – und das hat nichts mit<br />
einer angeblichen Oberflächlichkeit zu tun. In L. A.<br />
werden Menschen nicht in Schubladen gesteckt und<br />
abgeurteilt. Für jeden Freak gibt es einen weiteren Freak,<br />
der auch so drauf ist. Das ist L. A. Ich liebe die Stadt.<br />
INTERVIEW: Ein interessantes Sendungsbewusstsein für<br />
einen ehemaligen Disneystar.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Ich kann ja nicht We Can’t Stop singen und dann<br />
nicht sagen, was ich denke! Viele Stars haben Angst, ihre<br />
Meinung zu sagen, weil sie fürchten, jemanden vor den<br />
Kopf zu stoßen. Aber das ist Schwachsinn. Wir werden auf<br />
dieses Podest gehievt – und sollten das auch nutzen. Das<br />
geht natürlich nur, wenn man eine eigene Meinung hat<br />
und nicht nur irgendetwas wie ein Papagei nachplappert.<br />
INTERVIEW: Ach, jetzt kommen die Fragen, die ich nicht<br />
stellen darf. Warum eigentlich nicht?<br />
(Die Aufpasserin der Plattenfirma, Ende 40, die vor dem<br />
<strong>Interview</strong> alle Fragen streng auf die Schlagworte Molly,<br />
Marihuana und Scheidung der Eltern durchforstet hatte –<br />
und in unserem Fall energisch mehr als ein Dutzend mit<br />
einem Kuli wegstrich –, schnellt hoch. Sie schaut, als könnten<br />
ihre Augen Feuer spucken. Nennen wir sie einfachheitshalber<br />
„Drachendame“)<br />
<strong>CYRUS</strong>: Weil ich sonst wieder Ärger bekomme!<br />
INTERVIEW: Du hast also in We Can’t Stop tatsächlich<br />
Molly (Slang für Ecstasy) besungen? In einer<br />
Pressemitteilung heißt es nun, der Text würde „We like to<br />
party/dancing with <strong>Miley</strong>“ lauten – und nicht „dancing<br />
with Molly“.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Rate mal.<br />
DRACHENDAME: Wenn Sie so weiterfragen, müssen wir das<br />
<strong>Interview</strong> jetzt abbrechen.<br />
(Der <strong>Interview</strong>er zeigt <strong>Miley</strong> seine Hand. Auf der Innenseite<br />
steht: Molly)<br />
<strong>CYRUS</strong>: Netter Versuch! Aber ich heiße doch <strong>Miley</strong>.<br />
INTERVIEW: Dann liegt die Verwechslung wohl an deinem<br />
Südstaatenakzent.
.<br />
58<br />
<strong>Miley</strong> Cyrus<br />
<strong>CYRUS</strong>: (lacht) Nur so viel: Es<br />
nervt mich sehr, dass irgendein<br />
Journalist das Ganze an die<br />
große Glocke hängen musste,<br />
um ein wenig Aufmerksamkeit<br />
für seinen schlechten Artikel zu<br />
bekommen. Als die Single<br />
rauskam, störte sich niemand<br />
daran. Und jetzt hat dieser<br />
Journalist es uns allen verdorben.<br />
Wegen ihm musste ich eine neue<br />
Version fürs Radio aufnehmen.<br />
INTERVIEW: Vor einigen Wochen<br />
gab es bereits Ärger, weil du in<br />
einem <strong>Interview</strong> gesagt hast,<br />
Alkohol sei viel gefährlicher als<br />
Marihuana.<br />
<strong>CYRUS</strong>: (zur Drachendame) Es ist<br />
nicht meine Schuld. Er hat<br />
angefangen, darüber zu reden.<br />
DRACHENDAME: Bitte keine<br />
weiteren Fragen zu irgendwelchen<br />
Drogen, das haben wir<br />
doch so besprochen.<br />
INTERVIEW: So gesehen ist es also<br />
wirklich sehr praktisch, dass<br />
du in Los Angeles lebst. Dort ist<br />
Gras legal.<br />
<strong>CYRUS</strong>: Wie gesagt: L. A. ist<br />
perfekt.<br />
INTERVIEW: Aufgewachsen bist<br />
du in Nashville, Tennessee. Dein<br />
Vater, Billy Ray Cyrus, hatte<br />
wenige Monate, bevor du 1992<br />
zur Welt kamst, einen ziemlich<br />
großen Hit mit Achy Breaky Heart. War es als Tochter<br />
merkwürdig zu sehen, wie all die Frauen Daddy<br />
anschmachteten?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Auf jeden Fall. Mein Bruder und ich mussten<br />
immer die ganzen Unterhosen einsammeln, die die Girls<br />
meinem Vater zuwarfen, wenn er auf der Bühne stand.<br />
Manchmal, wenn ich eine besonders große fand, rannte<br />
ich zu ihm und meinte nur: „Dad, deine Fans sind hot!“<br />
INTERVIEW: Wie muss man sich <strong>Miley</strong> Cyrus als Schülerin<br />
vorstellen?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Dankbar für jedwede Ablenkung. Zum Glück<br />
wurde ich zu Hause unterrichtet.<br />
INTERVIEW: Du durftest gar nicht zum Abschlussball?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Doch, mit 16. Als Begleitung eines schwulen<br />
Freundes.<br />
INTERVIEW: Was würde die 16-jährige Hannah Montana<br />
über die <strong>Miley</strong> Cyrus sagen, die heute hier sitzt?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Sie wäre erleichtert: endlich geile Klamotten und<br />
eine gute Frisur. Und nicht mehr ständig diese Doc<br />
Martens …<br />
INTERVIEW: Gab es eigentlich den Wendepunkt in deinem<br />
Leben, an dem du dachtest: „Ich bin nicht mehr Hannah<br />
Montana.“?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Der letzte Drehtag.<br />
INTERVIEW: Warst du traurig?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Sehr glücklich.<br />
INTERVIEW: Hattest du nie Angst, ähnlich zu straucheln<br />
wie viele Kinder- und Disneystars vor dir?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Man sollte möglichst wenig Zeit darauf<br />
verschwenden, über so etwas nachzudenken oder zu reden.<br />
INTERVIEW: Was sagen denn die alten Freunde von Disney<br />
zur neuen <strong>Miley</strong> – kurzhaarig, frech und sexy?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Wir haben eigentlich keinen Kontakt mehr. Wahrscheinlich<br />
versuchen sie sich zusammenzureimen, warum<br />
bei mir das mit dem Erwachsenwerden funktioniert.<br />
INTERVIEW: Einer deiner Nachbarn in L. A. bekommt das<br />
jedenfalls nicht so galant hin. Hat sich Justin Bieber<br />
eigentlich bei dir gemeldet, als du ihm kürzlich öffentlich<br />
geraten hast, kürzerzutreten und eine Auszeit zu nehmen?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Ich habe es ihm übrigens nicht gesagt, weil ich<br />
denke, dass er irgendetwas schlecht macht. Alle normalen<br />
Menschen machen Urlaub und gönnen sich Pausen,<br />
um Dinge zu überdenken. Warum sollte das nicht auch<br />
für Celebritys gelten?<br />
INTERVIEW: Würdest du so einen Ratschlag denn<br />
annehmen?<br />
<strong>CYRUS</strong>: Das kommt darauf an, wer ihn mir gibt.<br />
DRACHENDAME: Die Zeit ist um: letzte Frage. Bitte nur eine<br />
Frage zur Musik.<br />
INTERVIEW: Wir sind doch nicht der Musikexpress …<br />
<strong>CYRUS</strong>: Frag einfach.<br />
INTERVIEW: Du trägst einen auffallend schönen Ring am<br />
Finger (die Drachendame hatte vorab auch alle Fragen zu<br />
ihrer Beziehung / Verlobung / Trennung / heimlichen Hochzeit<br />
mit Liam Hemsworth strikt untersagt).<br />
<strong>CYRUS</strong>: Danke! Ich trage ihn jeden Tag.
Tomboy-Couture<br />
TOMBOY UND IT-GIRL: DIE SCHAU-<br />
SPIELERIN NICOLETTE KREBITZ<br />
WAR BEIDES, BEVOR ES DIESE KATE-<br />
GORIEN ÜBERHAUPT GAB. IHR STIL?<br />
FRÜHER EXPERIMENTELL UND LUSTIG,<br />
HEUTE SCHICKES UNDERSTATEMENT<br />
.<br />
Life & Style<br />
60<br />
Schon als Kind hatte ich eine genaue<br />
Vorstellung davon, wie ich aussehen<br />
möchte. Zum Beispiel gab es eine rote<br />
Cordhose mit Trägern, die ich „Klapper knopfhose“<br />
nannte und immer anziehen wollte,<br />
weil ich fand, dass ich in ihr lustig aussah.<br />
Meine Mutter wusch die Hose nachts und musste<br />
sie dann trocken bügeln. Unser Zuhause<br />
war eine Zeit lang so eine Art Lila-Latzhosen-<br />
WG, und es gab ständig neue Klamotten,<br />
vor allem vom Flohmarkt, die wir uns gegenseitig<br />
vorführten.<br />
Als ich Sigi, der Straßenfeger mit Harald<br />
Juhnke und Iris Berben gedreht habe, war<br />
ich elf Jahre alt. So<br />
wie ich da angezogen<br />
war, bin ich damals<br />
auch sonst rum gelaufen,<br />
nur in Pumpstatt<br />
in Jogginghosen.<br />
Die Jacke mit dem<br />
Adler, die ich auf dem<br />
Foto mit Iris Berben<br />
(1) trage, habe ich erst<br />
vor Kurzem in einen Secondhandladen<br />
gebracht.<br />
Auch später habe ich in Berlin viel auf<br />
Flohmärkten eingekauft. Meine Vorbilder<br />
fand ich auf Plattencovern und in französischen<br />
Filmen. Der Look veränderte sich<br />
damals ständig: Im Winter war es ein<br />
bisschen Rockabilly, dann auf einmal waren<br />
es Spitzenunterkleider der Jahrhundertwende.<br />
Ich hatte auch eine kurze, peinliche<br />
Safariphase, in der ich mit Fernglas in die<br />
Schule gegangen bin.<br />
Der erste Designer, dessen Look mir rundherum<br />
gefiel, war Helmut Lang. Für seine<br />
Sachen habe ich zum ersten Mal richtig Geld<br />
ausgegeben. Ich habe damals einen regelrechten<br />
Entschluss gefällt: So will ich ab jetzt<br />
aussehen!<br />
Für Filmbälle und Premieren habe ich<br />
schon immer viel mit Chanel zusammengearbeitet,<br />
weil ich den Urgeist des Hauses so<br />
cool finde. Das Setting einer Fotostrecke<br />
mit mir war einmal Coco Chanels Apartment.<br />
„Mode ist<br />
für mich kein<br />
Statussymbol,<br />
sondern ein<br />
Spiel“<br />
2<br />
1<br />
Nein zum Burgfräulein-Look:<br />
Nicolette<br />
Krebitz in Jeansrock<br />
und Stiefeln auf dem<br />
roten Teppich<br />
Ich wurde stark geschminkt, und meine<br />
Kleider hatten viele Rüschen. Als alles<br />
fertig war und wir eigentlich loslegen wollten,<br />
bin ich auf die Toilette, habe mir das<br />
Make-up abgewaschen und mit der Stylistin<br />
die alten Kleider aus den Vitrinen geholt.<br />
Später wurde uns erzählt, dass Karl Lagerfeld<br />
die Fotos so gut fand, dass er sich für seine<br />
anstehende Kampagne davon hat inspirieren<br />
lassen: High Fashion und ungeschminkt.<br />
Auf dem New-Order-Cover (2) trage ich<br />
meine eigene Helmut-Lang-Jeans mit den<br />
Farbflecken und ein altes Comme-des-Garçons-<br />
Shirt mit durchlöchertem Kragen, das die<br />
Stylistin Venetia Scott dem Fotografen Juergen<br />
Teller einfach mitgegeben hatte. Das war<br />
alles, was es gab, und mehr hätte es auch<br />
nicht gebraucht.<br />
Mode ist für mich kein Statussymbol,<br />
sondern ein Spiel. Heute will ich auch gar<br />
nicht mehr jede Saison etwas Neues haben.<br />
Mir reichen drei Jeans, ich brauche nicht<br />
zwanzig, dazu ein guter Pulli und fünf T-Shirts.<br />
Ich würde auch nichts mehr anziehen,<br />
wo irgendwas draufsteht: kein Logo, kein<br />
Margiela-Viereck, gar nichts.<br />
Auf dem roten Teppich ist es mir wichtig,<br />
auf keinen Fall wie ein Burgfräulein auszusehen.<br />
Auf Korsagen oder Sachen, die<br />
unbequem sind, habe ich auch keine Lust. Ich<br />
mache das so: Wenn ich eine Woche nach<br />
Cannes fahre, nehme ich eine Tasche mit zehn<br />
leichten Kleidern von no editions mit, drei<br />
Paar Schuhe, ein paar T-Shirts und Jeansshorts.<br />
Das reicht.<br />
FOTOS: Gregg DeGuire/WireImage/Getty Images; Markus Jans; Andreas Rentz/Getty Images; Franziska Krug/Getty Images; Mathias Bothor/photoselection; privat (4)
.<br />
FOLLOW YOUR NATURE<br />
SHOP MARC-O-POLO.COM
.<br />
Wow<br />
62<br />
ZUSCHLAGEN<br />
Am 25. September kommen<br />
Kunstwerke mit Übermuse Kate<br />
Moss bei Christie’s in London<br />
unter den Hammer. Kuratiert wird<br />
die Versteigerung Kate Moss – The<br />
Collection vom Sammler Gert<br />
Elfering. Unter den Werken befinden<br />
sich bisher unverkäufliche Fotos<br />
von Allen Jones, Mario Sorrenti,<br />
Irving Penn oder Glen Luchford.<br />
Highlight ist ein Hologramm von<br />
Kate auf einer Lichtbox mit dem<br />
Titel She’s Light. Gebote werden ab<br />
ca. 4 600 Euro angenommen.
Das wilde<br />
Leben<br />
DIE WISSENSCHAFT STREITET,<br />
WARUM DAS ZEBRA STREIFEN<br />
HAT. WIR SIND UNS EINIG, DASS<br />
IN DIESER SAISON NICHTS OHNE<br />
DIESES PFERDCHEN LÄUFT<br />
Wow<br />
.<br />
Kette mit Strass und<br />
Ziersteinen von Alexis<br />
Bittar, ca. 266 €<br />
Bestickte<br />
Hardcase-<br />
Clutch von<br />
Tom Ford,<br />
ca. 1 580 €<br />
Tasche aus Kalbsleder<br />
und gefärbtem Rosshaar<br />
von Max Mara, ca. 875 €<br />
FOTOS: Glen Luchford: Kate Moss, 1994/Christie’s Images Ltd. 2013; Alexis Bittar; Max Mara; Simins/WWD/Fairchild Photo Service;<br />
© Condé Nast.; Tom Ford; Casadei; Versace; Pollini; Tom Ford; Thierry Lasry/Net-a-Porter.com; Alexis Bittar; Casadei; Fendi<br />
Overknees aus bedrucktem<br />
Ponyfell von<br />
Casadei, ca. 1 390 €<br />
Tasche mit Nerzfell<br />
von Versace, ca. 4 500 €<br />
Sonnenbrille<br />
von Thierry<br />
Lasry, über<br />
net-a-porter.<br />
com, ca. 325 €<br />
Auf eine Zigarette mit<br />
Diana Vreeland<br />
Wie alle bedeutenden Chefredakteurinnen der Vogue ist<br />
auch Diana Vreeland gleichermaßen berühmt für ihren Stil<br />
wie auch für ihren nachhaltigen Einfluss. Zu Recht! Die<br />
Zebradesign-Stifthalter auf dem Schreibtisch sahen bei ihr<br />
schon vor 40 Jahren wie das perfekte kreative Stillleben aus.<br />
Manschette von<br />
Alexis Bittar, ca. 150 €<br />
SCHICKE<br />
HUFEN<br />
Jeder Schuh eine<br />
andere Form – das<br />
hätte sich die Natur<br />
nicht schöner ausdenken<br />
können<br />
Leder-Monks mit Plateau<br />
von Pollini, ca. 595 €<br />
High Heels aus<br />
bedrucktem Ponyfell<br />
von Tom<br />
Ford, ca. 840 €<br />
Slipper aus bedrucktem<br />
Ponyfell von Casadei, ca. 610 €<br />
Ankleboots<br />
aus bedrucktem<br />
Ponyfell<br />
von Fendi,<br />
ca. 1 560 €
.<br />
Bergwerk<br />
Die Ketten des Schmucklabels<br />
Nallik sehen so aus, als wären sie<br />
von attraktiven, bärtigen<br />
Burschen mit Liebe<br />
handgefertigt.<br />
Steppjacke<br />
von Weekday,<br />
ca. 180 €<br />
Wow<br />
64<br />
Kette<br />
von Nallik,<br />
ab ca. 119 €<br />
Bildband<br />
„Caffè Lena“,<br />
ca. 38 €<br />
SPACE<br />
INVADER<br />
Nicht nur für Paranoiker:<br />
Diese Jacke soll<br />
gegen böse Strahlung<br />
und außerirdische Angreifer<br />
schützen und<br />
sieht außer dem auch<br />
noch blendend aus.<br />
Ständchen für<br />
die Freiheit<br />
Reisender, kommst du nach Saratoga Springs in<br />
Upstate New York, besuche den Ort, an dem seit<br />
den 60er-Jahren die großen amerikanischen<br />
Folkmusiker, Freidenker und Künstler ein- und<br />
ausgehen. Alle anderen schlagen nach bei:<br />
Caff è Lena: Inside America’s Legendary Folk Music<br />
Coff eehouse, von powerHouse Books.<br />
Teppich von<br />
Schönstaub, ca. 1590 €<br />
Gewebte Galaxie<br />
Den Sternenhimmel anzuschauen ist so last season.<br />
Wahre Romantiker legen sich lieber das Weltall in<br />
Form dieses Teppichs zu Füßen.<br />
Kunstwerk<br />
Stiefelette<br />
von Gucci,<br />
ca. 995 €<br />
MULTIFUNKTIONSSCHUH<br />
Wer auf diesen Absätzen nicht<br />
laufen kann, stellt sich die Stiefeletten<br />
einfach ins Regal und behauptet, sie<br />
seien von Jeff Koons.<br />
FOTOS: Jean Balke/Nallik; Weekday; Schönstaub; Gucci; from „Caffè Lena: Inside America’s Legendary Folk Music Coffeehouse”, edited by Jocelyn Arem in collaboration with Caffè Lena, published by powerHouse Books
Wow<br />
Sichere<br />
Sache<br />
Schön wäre es, wenn alle<br />
Fahrradketten so aussehen<br />
würden wie diese<br />
Diamantfesseln von<br />
Atelier Versace. Bis es<br />
so weit ist, tragen wir<br />
sie um den Hals.<br />
F e ll fl i e g e n ,<br />
je ca. 90 €<br />
66<br />
PRINTS CHARMING<br />
Die griechische Designerin Mary Katrantzou ist<br />
der neueste Zugang im italienischen Modehaus<br />
Moncler. Wir lieben Katrantzous kaleidoskopische<br />
Drucke auf den Daunenjacken. Ganz besonders<br />
in Kombination mit den voluminösen Röcken.<br />
Die Capsule Collection heißt Moncler M, und die<br />
Stücke starten bei Preisen ab ca. 650 €.<br />
Kalbsledertasche,<br />
ca. 2 555 €<br />
In bester Gesellschaft<br />
Wiltshire ist eine Grafschaft im Südwesten von<br />
England. Berühmt ist die Gegend für die Gesteinsformation<br />
Stonehenge, unsterblich wird sie<br />
durch diese weinrote „Wiltshire Bag“ von Asprey.<br />
Weißgold mit<br />
Diamanten, Preis<br />
auf Anfrage<br />
Zweite Haut, selbst entworfen: Das Label<br />
BLK DNM hat in New York den Shop Leather<br />
Project X eröffnet, in dem sich jeder seine<br />
persönliche Lederjacke fertigen lassen kann.<br />
ODE AN<br />
DIE MODE<br />
Jay-Z hat Tom Ford einen Song<br />
gewidmet und ist damit der<br />
jüngste Chorknabe im Pop-<br />
Fashion-Ensemble:<br />
1978 SISTER SLEDGE:<br />
„He’s The Greatest Dancer“<br />
(featuring: Halston, Gucci,<br />
Fiorucci)<br />
1987 GRANDMASTER<br />
FLASH: „The Jeans“<br />
(featuring: Jordache, Sasson,<br />
Calvin Klein, Wrangler, Levi’s,<br />
Paisley, Ju Ju, Jag, Lee,<br />
Alessio)<br />
1996 NOTORIOUS B.I.G.:<br />
„Hypnotize“ (featuring: DKNY,<br />
Versace, Moschino)<br />
2009 LADY GAGA: „Fashion“<br />
(featuring: alles, was schön<br />
und teuer ist)<br />
Wenn alle Vorstände börsenorientierter<br />
Unternehmen den ganzen Tag diese<br />
Fellfliegen von Bryan Boy für Adrienne<br />
Landau tragen würden, wäre die Welt<br />
garantiert ein besserer Ort.<br />
Einzelstück<br />
PUSCHELIG<br />
Individuelle<br />
Lederjacke,<br />
ab ca. 2 660 €<br />
.<br />
FOTOS: Moncler; Atelier Versace (2); Bryan Boy für Adrienne Landau; BLK DNM; Mike Pont/FilmMagic/Getty Images; Michael Tran/FilmMagic/Getty Images; Asprey
.<br />
IM TABLET-FORMAT T n<br />
AUCH ALS ePAPER<br />
U N D<br />
Jetzt NEU!<br />
INTERVIEW TWIN<br />
DAS INTERVIEW-MAGAZIN JETZT<br />
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An allen Bahnhöfen und Flughäfen. Sie erhalten beim Kauf von<br />
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68<br />
Sporty Croco<br />
Für Menschen, die ihre<br />
Tennisausrüstung nicht selbst<br />
auf den Platz tragen:<br />
Krokodilleder-Tennistasche<br />
von Hermès, Einzelstück<br />
gefertigt anlässlich des 80.<br />
Geburtstags von Lacoste.<br />
TRAUMDEUTUNG<br />
Bella Freud, britische Designerin und Urenkelin<br />
von Sigmund, hat für Barbour eine<br />
Strickkollektion mit Motiven entworfen, die<br />
von Kindheitserinnerungen inspiriert wurden.<br />
Wie ihr Uropa das wohl gedeutet hätte?<br />
Wow<br />
NEUES AUS<br />
DEM ARCHIV<br />
Die Designer Petter Klusell (l.)<br />
und Andreas Löwenstam haben bei<br />
H & M im Archiv gestöbert. Was<br />
sie dort fanden, inspirierte sie zu der<br />
Männerkollektion „Archive“<br />
INTERVIEW: Was hat euch zu der neuen Herrenkollektion<br />
„Archive“ von H & M inspiriert?<br />
PETTER KLUSELL: Die Geschichte von H & M<br />
und Vintage-Kleidungsstücke aus unserem<br />
Fundus. Wir haben uns eine Auswahl an Outdoorkleidung<br />
aus den 50er- und 60er-Jahren<br />
genau angeschaut, um ungewöhnliche Details<br />
und Schnitte zu finden.<br />
INTERVIEW: Gibt es auch aktuelle Bezüge?<br />
KLUSELL: Wir finden es toll, wie japanische<br />
Designer amerikanische Arbeitskleidung interpretieren<br />
und daraus neue Klassiker schaffen.<br />
Genau darum geht es auch bei „Archive“:<br />
klassische Teile neu zu erfinden, sie ins Jetzt zu<br />
übersetzen.<br />
INTERVIEW: Was für Männer wollt ihr ansprechen?<br />
KLUSELL: Alle Kollektionsteile sind leicht zu<br />
kombinieren. Man kann sie trendy tragen, aber<br />
in demselben Teil auch total klassisch aussehen.<br />
INTERVIEW: Ihr lasst euch auch von Streetstyles<br />
inspirieren. Gibt es einen Ort, an dem ihr<br />
die meisten Ideen findet?<br />
ANDREAS LÖWENSTAM: Ich liebe Tokio, denn<br />
da bekommt man so viele andersartige Eindrücke.<br />
New York ist auch toll, aber Stockholm<br />
finde ich besonders inspirierend.<br />
Erhältlich ab 19. September in ausgewählten Stores<br />
Pullover aus<br />
Merinowolle,<br />
ca. 149 €<br />
Geschichte<br />
der<br />
Fashion-<br />
Physik<br />
Wer im<br />
Physikunterricht<br />
nicht aufgepasst<br />
hat, kann der<br />
Welt der Atome<br />
jetzt mit diesem<br />
Tourbillon-<br />
Armband von<br />
Delfina Delettrez<br />
seine ästhetische<br />
Hochachtung zollen.<br />
Mach mir den Lenz<br />
Model gründet Label: ein triftiger Grund,<br />
jetzt eher nicht weiterzulesen. Doch das<br />
Model Lenz von Johnston und seine Partner<br />
machen mit ihrem Label Boulezar<br />
alles richtig: nachhaltige, in Deutschland<br />
gefertigte Casualmode für Globetrotter<br />
und solche, die so aussehen möchten.<br />
Eine<br />
kleine<br />
Lackiertes<br />
Silberarmband,<br />
ca. 1 200 €<br />
Label<br />
to<br />
watch<br />
.<br />
FOTOS: Hennes & Mauritz; Thomas Schenk; Hermès für Lacoste; Barbour (2); Delfina Delettrez
.<br />
Ausgewählte<br />
Lieblingsmöbel innerhalb<br />
2 Wochen lieferbar<br />
Quick Ship aus Vorhandenem wählen, gestalten, bestellen –<br />
USM Möbelbausysteme bieten konkrete Gestalt für<br />
individuelle Anwendungsformen.<br />
Fragen Sie nach detaillierten Unterlagen beim autorisierten Fachhandel<br />
oder besuchen Sie uns online unter www.usm.com sowie in unseren Showrooms.<br />
Deutschland: USM U. Schärer Söhne GmbH, D-77815 Bühl, Tel. +49 72 23 80 94 0, info@de.usm.com<br />
Schweiz: USM U. Schärer Söhne AG, CH-3110 Münsingen, Tel. +41 31 720 72 72, info@usm.com<br />
Showrooms: Berlin, Bern, Düsseldorf, Hamburg, München, New York, Paris, Stuttgart, Tokio
.<br />
Wow<br />
Saugemütlich<br />
Die Frankfurter Designerin<br />
Hanna Emelie Ernsting debütiert<br />
auf hannaernsting.com mit den<br />
liebenswerten „Petstool“-<br />
Hockern. Ein Traum für gestresste<br />
Menschen, die abends ihre<br />
Füße in das kuschelige Maul eines<br />
Schweinchens legen möchten.<br />
„Petstool” von<br />
Hanna Emelie<br />
Ernsting, ca. 350 €<br />
70<br />
Bildband: „Levi’s<br />
501 Interpretations“,<br />
ca. 50 €,<br />
in ausgewählten<br />
Levi‘s-Stores<br />
Was für ein<br />
Wunder!<br />
„Super Trekker<br />
Boots”,<br />
ca. 350 €<br />
Mit diesen Stiefeln<br />
von Raf Simons für<br />
Adidas kann man<br />
über Wasser laufen!<br />
DIE UNENDLICHE<br />
GESCHICHTE<br />
Eigentlich trug, trägt und wird<br />
jeder irgendwann eine<br />
Levi’s „501“ tragen. Selbst<br />
Aliens gehören zu ihren<br />
Fans, wie dieses Foto aus dem<br />
Bildband zum 140. Geburtstag<br />
der Jeans beweist.<br />
RICHTIG<br />
GROSS<br />
Adieu, Teenagerzeiten:<br />
Das Label Hugo<br />
wird 20 Jahre alt und<br />
feiert seinen Geburtstag<br />
mit 20 Looks,<br />
die den selbstbewussten<br />
Spirit der Marke<br />
zelebrieren. So zeitlos<br />
schön, dass man<br />
für die nächsten 20<br />
Jahre ausgerüstet ist.<br />
Kleid aus Schurwolle,<br />
ca. 379 €<br />
ICH KANN NICHT<br />
LEBEN OHNE …<br />
… meine Uhr von A. Lange & Söhne<br />
„Ich habe mich nie für Uhren interessiert,<br />
aber dann habe ich mich in das<br />
,Saxonia‘-Modell von A. Lange & Söhne<br />
regelrecht verliebt. Es war ein sehr<br />
emotionaler Kauf, und als ich das Paket<br />
öffnete, haben meine Hände gezittert.<br />
Die Uhr ist für mich von zeitloser Schönheit<br />
und fasziniert mich wegen ihrer<br />
handwerklichen Präzision. Tag für Tag<br />
genieße ich es, sie aufzuziehen, und ich<br />
werde sehr oft, sogar von Fremden, auf<br />
sie angesprochen.“<br />
Stelli, Hair- & Make-up-Artist<br />
aus Berlin<br />
„Saxonia”<br />
in Rotgold,<br />
ca.15 600 €<br />
Porträt:<br />
Stefan<br />
Heinrichs<br />
FOTOS: Coke Bartrina; Hanna Emelie Ernsting; adidas by RAF SIMONS; Hugo Boss; A. Lange & Söhne
.<br />
ROADMOVIE<br />
300 NM / 88 KW (120 PS)<br />
DER NEUE CIVIC 1.6 DIESEL. JETZT PROBE FAHREN.<br />
DAILY SOAP<br />
BIS ZU 1.378 L GEPÄCKRAUM<br />
DER NEUE CIVIC 1.6 DIESEL. JETZT PROBE FAHREN.<br />
Kraftstoffverbrauch Civic in l/100 km: kombiniert 8,7–3,3. CO 2<br />
-Emission in g/km: 150–94.<br />
Kraftstoffverbrauch Civic 1.6 i-DTEC S in l/100 km: innerorts 4,0; außerorts 3,3; kombiniert 3,6.<br />
CO 2<br />
-Emission in g/km: 94. (Alle Werte gemessen nach 1999/94/EG.)<br />
Abbildung zeigt Sonderausstattung. Mehr Infos unter: www.honda-civic.de<br />
Honda Deutschland<br />
Automobile<br />
sagt zum CIVIC
.<br />
Wenn die Gondeln<br />
keinen tragen<br />
Zu Beginn der Biennale versammelt<br />
sich die gesamte Kunstwelt in Venedig<br />
– und vergrößert den Touristentross ins<br />
Unerträgliche. Von jetzt an aber, bis<br />
weit in den November hinein, kann man<br />
die 88 Pavillons und 158 Künstler in<br />
Ruhe genießen. Der Kunstkritiker des<br />
„New York Magazines“ war für uns vor<br />
Ort, um herauszufinden, ob sich<br />
die Reise lohnt V Jerry Saltz<br />
Bevor es losgeht, sollte man<br />
sich in jedem Fall eine kluge<br />
Route zusammenstellen!<br />
Venedig Tagebuch<br />
72<br />
2<br />
Der amerikanische Pavillon von Sarah Sze:<br />
Eigentlich liebe ich ihre Arbeiten, aber<br />
diese ist obsessiv – Welten verschachteln<br />
sich mit Welten und unendlichen Details.<br />
Ein Problem: Sze ordnet das Chaos auf eine<br />
modische Art und Weise – aber ich suche<br />
nicht nach Ordnung. Sondern nach Chaos,<br />
einer neuen Unordnung.<br />
3<br />
"Noch nie gab<br />
es vorab so viel<br />
Lob. Schauen<br />
wir mal"<br />
Der Platzhirsch unter den Kunstpalästen<br />
ist der Palazzo Grassi des<br />
milliardenschweren Kunstsammlers<br />
(und Schwiegervaters von Selma<br />
Hayek!) François Pinault. Der optische<br />
Zauberer Rudolf Stingel hat<br />
ihn vollständig in einen gigantischen<br />
Kelim verwandelt. Fallt auf die<br />
Knie und betet!
.<br />
Es heißt überall, Gionis Ausstellung<br />
sei nicht politisch genug. Dabei ist<br />
sie das sehr wohl – einfach dadurch,<br />
wie Gioni den Künstler (neu) definiert.<br />
Mit den sogenannten Außenseitern<br />
wie Morton Bartlett, dessen<br />
Skulpturen vorpubertärer Mädchen<br />
mit plastisch geformten Vulven und<br />
handgenähten Kleidern, die erst<br />
nach seinem Tod entdeckt wurden,<br />
beweist er wieder mal seinen guten<br />
Riecher. Es sind eher die Insider,<br />
die ihm Schwierigkeiten machen.<br />
4<br />
5Die 200 kleinen, ungebrannten<br />
Tonskulpturen von Peter Fischli<br />
und David Weiss begeistern<br />
das Publikum. Mein Lieblingswerk:<br />
„Mr. & Mrs. Einstein<br />
Shortly After the Conception of<br />
Their Son, the Genius Albert“.<br />
Wollen Sie wissen, wie<br />
es ist, eine 93-jährige Frau<br />
und Malerin zu sein?<br />
Nicht wenige Frauen, die<br />
vor dem Selbstporträt<br />
von Maria Lassnig standen,<br />
verrieten mir: „Genauso<br />
fühle ich mich jeden Tag.“<br />
6<br />
Grandios verzerrte, goldene Figuren,<br />
einige davon mit gewaltigen<br />
Erektionen: Die Hardcore-Schockmomente<br />
kann man getrost der<br />
7<br />
Britin Sarah Lucas überlassen.<br />
FOTOS: © 2013 from „New York Magazine“/New York Media LLC. All rights reserved. Distributed by Tribune Media Services<br />
8<br />
Auf der Insel San Giorgio Maggiore, einem<br />
der spektakulärsten Orte des Christentums, empfängt<br />
mich Marc Quinns zwölf Meter hohe,<br />
lavendelfarbene Aufblasskulptur von Alison<br />
Lapper. Nackt, schwanger und ohne Arme.<br />
Ich glaube, mehr haben wir von diesem frag würdigen<br />
Künstler nicht mehr zu erwarten, aber<br />
mich berührt diese zutiefst humane Figur (die<br />
eigentlich nicht Teil der Biennale ist).<br />
73
.<br />
9<br />
Nur Frauen dürfen unter diesem<br />
Goldregen aus falschen Münzen<br />
herlaufen, der von den Dachsparren<br />
des russischen Pavillons<br />
herabregnet – eine idiotische<br />
Anspielung auf den Mythos von<br />
Danae, die von den, äh, Säften<br />
des Zeus überschüttet wurde.<br />
Venedig Tagebuch<br />
74<br />
10<br />
Ausstellungsmacher Massimo<br />
Gioni wurde von seinem Liebling<br />
Tino Sehgal im Stich gelassen:<br />
Dessen Live-Performance mit<br />
Menschen, die auf dem Boden<br />
sitzen, primitive Geräusche und<br />
Silben von sich geben, ist bestenfalls<br />
mittelmäßig. Zur Hölle mit<br />
den Juroren, die dafür den Goldenen<br />
Löwen verliehen haben!<br />
11<br />
Dennoch hat der Hype um Sehgal natürlich<br />
gleich seine Nachahmer in Aufstellung<br />
gebracht. Schauen Sie sich, wenn<br />
überhaupt, vielleicht andere halbwegs<br />
interessante Reenactment-Vorstellungen<br />
an. Auch wenn alle schon bei früheren<br />
Ausstellungen gezeigt wurden.<br />
12<br />
Immer mehr Künstler scheinen<br />
der hirnrissigen Idee<br />
anheimzufallen, die besagt:<br />
„Vielleicht ist eins davon<br />
langweilig, aber 15 555 davon<br />
sind richtig gut.“ Wie Lara<br />
Almarcegui, die den spanischen<br />
Pavillon in eine Art<br />
Baustelle verwandelte.<br />
FOTOS: © 2013 from „New York Magazine“/New York Media LLC. All rights reserved. Distributed by Tribune Media Services
.<br />
13<br />
Jetzt, da jeder der 1,4<br />
Milliarden Chinesen Ai<br />
Weiweis Werk kennt, dürfte<br />
er eine der bekanntesten<br />
Figuren der gesamten<br />
Kunstgeschichte sein. In<br />
Venedig lieferte Ai einen Hit<br />
und einen großen Flop ab:<br />
Die skulpturalen Dioramen, die<br />
Weiweis Kerkerhaft darstellen,<br />
erzählen eindrücklich von Chinas<br />
Mangel an kreativer Freiheit …<br />
14<br />
15<br />
Charles Ray liefert ganz groß ab!<br />
Und zwar in Form eines überdimensionierten,<br />
verzerrten Mannequins,<br />
in dessen Angesicht man sich wie ein<br />
Käfer, Baby oder Alien vorkommt.<br />
Das Problem ist nur, dass diese Arbeit<br />
mehr als 20 Jahre alt ist!<br />
16<br />
JERRY SALTZ gehört zu den<br />
großen internationalen<br />
Kunstkritikern, sein subjektiver<br />
Stil, mit dem er Kunst sehr<br />
persönlich beurteilt, machte<br />
ihn außerdem zu einem Star<br />
der sozialen Netzwerke. Sein<br />
Ziel war es immer, die Kunst<br />
von ihrem Sockel zu holen<br />
und einem größeren Publikum<br />
nahezubringen, so formuliert<br />
er seine Internet-Posts auch betont<br />
salopp und weniger geschliffen<br />
als seine Artikel für<br />
das New York Magazine. Wir<br />
fanden seinen Sprachsound<br />
genau richtig für eine saloppe<br />
Abrechnung mit der Biennale.<br />
… aber seine Installation verschachtelter,<br />
dreibeiniger<br />
Holz hocker, die den deutschen<br />
Pavillon ausfüllt, ist einfach<br />
nur zum Gähnen.<br />
17<br />
Der Preis für den besten Pavillon ging<br />
an Angola für eine traurig-adeptenhafte<br />
Installation in einem wenig besuchten<br />
Palazzo: Auf Papier gedruckte Fotos, die<br />
aussehen wie von Gabriel Orozco, liegen<br />
dort zum Mitnehmen wie die Poster von<br />
Felix Gonzalez-Torres. Die Auszeichnung<br />
gibt einem das merkwürdige Gefühl, dass<br />
„die da oben“ Dritte-Welt-Künstler dafür<br />
auszeichnen, dass sie sich selbst zu braven,<br />
kleinen Neo-Neo-Postmodernisten<br />
kolonialisieren.<br />
75
.<br />
Kultur<br />
Now<br />
NEUE AUSSTELLUNGEN, NEUE FILME,<br />
NEU IM REGAL UND NEU IM FERNSEHEN<br />
SOWIE EIN FRAGEBOGEN, DER KEINER IST<br />
76<br />
Elf Fragen an<br />
Frederick Lau<br />
DIE ERSTE CD? Das weiß<br />
ich nicht mehr, aber<br />
an die erste geklaute CD<br />
kann ich mich noch<br />
erinnern: Der Neger (in<br />
mir) von B-Tight. EIN<br />
BUCH, DAS DEIN LEBEN<br />
VERÄNDERT HAT? Das<br />
gibt es nicht. Es gibt<br />
Bücher, die ich lese und<br />
bei denen ich hinterher<br />
Leute anrufe, weil ich an<br />
sie denken musste.<br />
ROLLING STONES ODER<br />
BEATLES? Beatles. Eight<br />
Days A Week höre ich in letzter Zeit immer zum<br />
Aufstehen, da kriege ich bessere Laune. GOETHE ODER<br />
SCHILLER? Goethe! Normalerweise verschenke ich alle<br />
Bücher und DVDs sofort nach Gebrauch, sogar Hotte im<br />
Paradies, was ich immer noch bereue. Aber mein<br />
Reclam-Heft mit Goethes Gedichten habe ich immer noch!<br />
NEW YORK ODER PARIS? New York. Durch Paris bin ich nur<br />
einmal mit dem Taxi gefahren und hab geschrien „Ich<br />
habe ihn gesehen!“ – also den Eiffelturm. SCHIESSEN ODER<br />
ERSCHOSSEN WERDEN? Beides nicht glorreich. PARK ODER<br />
PARTY? Park. Ich liebe auch Partys im Park. Aber Park<br />
ist schon besser. Wenn es mir richtig schlecht geht, geh ich<br />
auch mal auf den Spielplatz. GLETSCHER ODER WÜSTE?<br />
Gletscher. Aber ich hatte ein geiles Gespräch in der Wüste,<br />
mit einem Ägypter, an meinem 18. Geburtstag. Wir haben<br />
geredet und geredet, bis unser Englisch am Ende war und<br />
wir nur noch in den Sand gemalt haben. RENNRAD ODER<br />
TAXI? Taxi. FESTIVAL ODER KONZERT? Konzert. Ich war<br />
einmal auf einem Festival mit zwei Schauspielkollegen, die<br />
sind beide Moslems und haben keinen Schluck getrunken.<br />
Ich zelte auch nicht so gerne. HELD? Sherlock Holmes.<br />
Frederick Lau spielt die Hauptrolle in „Ummah –<br />
Unter Freunden“. Der Film startet am 12. September<br />
Diane Kruger<br />
und Demián<br />
Bichir in „The<br />
Bridge“<br />
Albert Oehlen<br />
KUNST I Die Ausstellung, mit der die Galerie Max Hetzler ihre neuen Räume<br />
(Bleibtreustraße 45, Berlin-Charlottenburg) eröffnet, mag zwar Interieurs heißen,<br />
tatsächlich werden aber weder Tische noch Stühle gezeigt, sondern neue großflächige<br />
Gemälde von Albert Oehlen, bei denen der Künstler mit Fragmenten von<br />
Supermarktwerbung arbeitet, genauer gesagt mit Supermarktwerbung aus den<br />
Ländern Deutschland und Spanien (vom 7. September bis 19. Oktober).<br />
S z e n e n<br />
einer Ehe<br />
Erst erzählt Nick von Amys Verschwinden,<br />
dann erzählt Amy<br />
ihre Version, die genauso erlogen<br />
ist wie die ihres Gatten. Selten<br />
aber war die Rede, dass jede<br />
Geschichte zwei<br />
Seiten hat, so falsch<br />
wie in Gillian<br />
Flynns tollem<br />
Thriller Gone Girl<br />
(Scherz). Es gibt drei.<br />
S e r i e<br />
THE BRIDGE Sie ist eine einigermaßen autistische und<br />
sozial unverträgliche Ermittlerin aus El Paso, er ist der<br />
letzte aufrechte Bulle von der anderen Seite der<br />
Grenze. Als amerikanisch-mexikanisches Dream-Team<br />
sind sie einem üblen Serienkiller auf der Spur und<br />
beleuchten nebenbei das Verhältnis von Arm und<br />
Reich, Weißen und Latinos, Männern und Frauen.<br />
Бrlin<br />
Art Week<br />
KUNST II Galerieausstellungen, Museumsschauen,<br />
zwei Kunstmessen, ein weitgefächertes<br />
Begleitprogramm: Die Berlin Art<br />
Week bietet mehr, als man in fünf Tagen<br />
(17.–22.<br />
September)<br />
verdauen kann.<br />
Erstmals wird<br />
sie noch um ein<br />
Filmfestival und<br />
Projekträume<br />
bereichert. Denn<br />
mehr ist mehr.<br />
Dieter Roth:<br />
Ohne Titel,<br />
1967. Zu<br />
sehen in der<br />
Ausstellung<br />
„Arte Postale“<br />
in der Akademie<br />
der Künste<br />
FOTOS: Berit Notzke/face to face; Stefan Rohner: ALBERT OEHLEN, I 3, 2009, courtesy: Albert Oehlen & Galerie Max Hetzler, Berlin © Albert Oehlen; © S. FISCHER Verlag; © 2013 FX Networks; Akademie der Künste, Ausstellung<br />
„Arte Postale“, Dieter Roth, Ohne Titel, 1967 Ansichtskarte vom Fernsehturm Stuttgart, übermalt, 21,4 x 10,2 cm Reinhard-Döhl-Archiv, Akademie der Künste, Berlin © Dieter Roth Estate
.<br />
Now<br />
F I L M E<br />
s e h e n !<br />
78<br />
Santiago<br />
Siea<br />
KUNST III Ein Konzeptkünstler mit einem Sinn für den<br />
Effekt: Er sperrte in Mexiko-Stadt eine Kreuzung und<br />
legte den Verkehr lahm, er ließ Afrikaner in Spanien<br />
Erdlöcher buddeln, und als er 2003 bei der Biennale in<br />
Venedig den spanischen Pavillon bespielte, hatten nur<br />
Spanier mit einem gültigen spanischen Pass Zugang zu<br />
dem leeren Raum. Unvergessen auch seine Idee, in die<br />
Kestnergesellschaft in Hannover eine ordentliche Ladung<br />
Schlamm zu kippen. Wie er auf all die Sachen kam und<br />
welche Ideen er noch hatte, erfährt man vom 7. September<br />
bis zum 12. Januar in den Hamburger Deichtorhallen.<br />
Werner Heisenberg<br />
(Naturwissenschaft)<br />
Ernie und Bert<br />
(Freundschaft)<br />
„PAIN & GAIN“ Drei lebensfrohe<br />
Extrembodybuilder fassen den Plan,<br />
ihre finanziell angeschlagene Muckibude<br />
wieder in die schwarzen Zahlen<br />
zu bringen, indem sie einen reichen<br />
Geschäftsmann kidnappen – nur blöd,<br />
dass ihr Geschick in Sachen Entführung<br />
und Erpressung nicht ganz so<br />
ausgeprägt ist wie ihre Brustmuskulatur.<br />
Das Ganze wird von Michael Bay<br />
mit so viel Schwung und Anteilnahme<br />
in Szene gesetzt, dass man bis zum<br />
Schluss nicht weiß, ob man einen sehr<br />
dummen Film gesehen hat oder einen<br />
klugen über die Folgen der Dummheit.<br />
Ab 22. August<br />
„ONE DIRECTION: THIS IS US“ Drei Jahre<br />
nach ihrer Gründung hat die aktuell<br />
wichtigste (weil aktuell erfolgreichste)<br />
Die Formel „Breaking Bad”<br />
Kristall<br />
(Crystal Meth)<br />
Mini-Uzi<br />
(Mord und Totschlag)<br />
Boyband endlich ihren Film, der zeigt,<br />
wie das Leben in einer Boyband<br />
wirklich ist: aufregend, anstrengend,<br />
einzigartig. Als Regisseur haben sich<br />
One Direction dabei Morgan Spurlock<br />
ausgesucht, der einst mit seiner<br />
McDonald’s-Doku Super Size Me zu<br />
Ruhm wie auch zu Übergewicht kam.<br />
Episch! Previews am 27. August<br />
„IL FUTURO“ Nach dem Tod ihrer Eltern<br />
geraten Tomás und Bianca derart in<br />
Geldnot, dass sie mithilfe ihrer Fitnessbudenkumpel<br />
planen, einen erblindeten<br />
Bodybuilder auszurauben, in den<br />
Bianca sich aber verliebt. Der Arthouse-<br />
Komplementärfilm zu Pain & Gain.<br />
Ab 12. September<br />
Lustig ist die Lösegeldübergabe:<br />
Mark Wahlberg<br />
in „Pain & Gain”<br />
„Breaking Bad”<br />
FOTOS: Santiago Sierra, Objekt von 600 x 57 x 52 cm, gebaut, um waagrecht an eine Wand gehalten zu werden, Aktion in der Galerie Peter Kilchmann. Zürich, Schweiz. April 2001 Holz, Dachpappe u. a.<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2013; © Paramount Pictures 2013. All Rights Reserved; akg-images; Cinetext/MRO; Alessandra Sarti/mauritius images; Cinetext-Allstar-Sony Pictures Television
.<br />
lÄngsteR tAg 200 x 160 cm 2012 | Öl auf leinwand<br />
Ausstellung<br />
16.07. – 16.10.2013<br />
julian khol<br />
Julian Khol, der „österreichische Shootingstar“, so bezeichnete<br />
das 3sat-TV-Magazin „Kulturzeit“ den 33-Jährigen. Wo immer<br />
Khol mit seinen expressiven Bildern auftritt, erregt er sofort<br />
Aufmerksamkeit: Seine oftmals großformatigen Landschaften,<br />
Bäume, Masken, Menschen und Tiere sind von einer solchen<br />
eruptiven Energie und atemlosen Unmittelbarkeit des Ausdrucks,<br />
dass sie die Betrachter direkt in das Bild hinein zu<br />
ziehen scheinen – oder vielmehr in die Gefühlslage, in der<br />
Julian Khol sich vielleicht beim Malen befand. „Im Idealfall geht<br />
es dem Betrachter so wie mir beim Arbeiten, er/ich wird im<br />
positiven Sinne von seiner Existenz durchflutet, weiß genau,<br />
was das Bild will und ist eins mit dem Bild“, so Julian Khol im<br />
Vorwort seines Ausstellungskataloges 2009. Immer wieder<br />
malt der Österreicher Tiere. Zum einen fasziniert ihn ihre<br />
Erscheinung und ihr unterschiedlicher Ausdruck, zum anderen<br />
sind Tiere für ihn „Fenster in die Realität“. Durch sie kann er<br />
sich Verhaltensweisen und Situaltionen begreifbar machen,<br />
durch sie vermag er sich auszudrücken. Tiere sind in Bildern<br />
von Julian Khol immer auch Übersetzung vor- oder nichtbegrifflichen<br />
Wissens und Erkennens. „Alles ist ganz klar, aber<br />
versucht man dieses Wissen zu fassen, zu begreifen, ist es<br />
weg.“ (Khol Katalog 2009). Welche Bilder ihn inspirieren liegt<br />
auf der Hand. Gleichwohl setzt er neben den US -amerikanischen<br />
Abstrakten Expressionismus der 1950er Jahre oder seine<br />
Vorbilder der Brücke eigenständige Bildfindungen in einer für<br />
sein Alter bemerkenswert freien Handschrift. Julian Khols<br />
Bilder bersten vor Expressivität und Dynamik, und beides weiß<br />
er mit seinen malerischen Mitteln trefflich zu inszenieren.<br />
Autorin: Dr. Silke Feldhoff, Kunsthistorikerin<br />
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.<br />
Roland<br />
Emmerich<br />
IRGENDETWAS FLIEGT IMMER IN DIE<br />
LUFT, WENN DIESER MANN GROSSE<br />
AMERIKANISCHE FILME DREHT. IN<br />
„WHITE HOUSE DOWN“ SPRENGT ER<br />
ERST DAS KAPITOL UND DANN DEN<br />
MYTHOS VOM GRÖSSTEN FEIND<br />
AMERIKAS V Harald Peters<br />
"Clooney ist<br />
ein schönes Beispiel<br />
dafür, wie man im<br />
Alter hipper wird"<br />
Film<br />
„Amerika ist selbst sein<br />
ärgster Feind“: Roland<br />
Emmerich, 2013<br />
80<br />
INTERVIEW: Herr Emmerich, wie geht es Ihnen?<br />
ROLAND EMMERICH: Ach, ich habe einen schlimmen Jetlag.<br />
Dabei bin ich schon seit einer Woche in Europa.<br />
INTERVIEW: Und der Jetlag hat sich noch nicht gelegt?<br />
EMMERICH: Leider nein. Früher hat mir das nie was<br />
ausgemacht.<br />
INTERVIEW: Sie meinen, das kommt mit dem Alter?<br />
EMMERICH: Da können Sie sich noch auf was gefasst<br />
machen.<br />
INTERVIEW: Das wird nicht mehr so lange dauern. Ihr<br />
neuer Film ist übrigens sehr lustig geworden.<br />
EMMERICH: Danke, das freut mich. Ja, er ist echt lustig<br />
geworden.<br />
INTERVIEW: Lustig, aber nicht albern.<br />
EMMERICH: Da muss man irre aufpassen. Der Film hat ja<br />
eine ernste Grundgeschichte, immerhin wird das Weiße<br />
Haus von Terroristen überfallen. Und das kleine Mädchen,<br />
also die Filmtochter von Channing Tatum, bekommt<br />
mehrfach eine Pistole an den Kopf gehalten.<br />
INTERVIEW: Was gar nicht lustig ist.<br />
EMMERICH: Deswegen habe ich gesagt, dass man das<br />
Ganze mit Humor ausgleichen muss. Sonst wird es<br />
schrecklich.<br />
INTERVIEW: Zumal die Handlung schon ein wenig<br />
übertrieben ist.<br />
EMMERICH: Das habe ich auch gesagt, nachdem ich das<br />
Drehbuch gelesen hatte: „Ist das nicht ein bisschen<br />
übertrieben?“ Ich meine, sogar mir ist aufgefallen, dass es<br />
übertrieben sein könnte. Aber dann haben alle gesagt:<br />
„Nein, gar nicht.“ Und so habe ich es als meine<br />
Hauptaufgabe gesehen, dem Zuschauer die Geschichte so<br />
zu verkaufen, dass sie nicht allzu übertrieben wirkt,<br />
obwohl sie natürlich offensichtlich übertrieben ist.<br />
INTERVIEW: Zum Beispiel?<br />
EMMERICH: Ich meine, die heizen mit dem Präsidentenauto<br />
im Garten des Weißen Hauses immer um den<br />
Brunnen rum, während SUVs mit Knarren auf dem Dach<br />
hinter ihnen her sind. Und direkt daneben haben sich<br />
Fernsehteams aufgebaut, die das Geschehen in die Welt<br />
übertragen.<br />
INTERVIEW: Aber genau so wäre es doch auch: Die Welt<br />
würde zuschauen.<br />
EMMERICH: Ja, das würde sie.<br />
INTERVIEW: Angenehmerweise kommen die Schurken<br />
nicht aus irgendwelchen Schurkenstaaten, sondern sind<br />
besorgte Bürger. Das hat man nicht so oft.<br />
FOTOS: (linke Seite) Chloe Aftel/Contour by Getty Images; (rechte Seite) Sony Pictures Releasing
EMMERICH: Ja, weil die Amerikaner das nicht so gerne<br />
sehen. Für diesen Aspekt des Films mussten wir ehrlich<br />
gesagt ziemlich kämpfen. Wenn es sich um Nordkoreaner<br />
handelt, um Chinesen oder Araber, dann hat man es<br />
mit einem Angriff von außen zu tun, das stört niemanden.<br />
Aber ich glaube nicht an den Angriff von außen.<br />
INTERVIEW: Sondern?<br />
EMMERICH: Ich glaube, dass Amerika selbst sein ärgster<br />
Feind ist. Man darf nicht ver gessen, dass es in Amerika<br />
noch vor 150 Jah ren einen Bürgerkrieg gab. Und wenn man<br />
die vergangenen Jahre betrachtet, merkt man, dass sich das<br />
Land immer mehr spaltet: Die Küsten sind liberal, alles<br />
dazwischen ist republikanisch. Das geht auf die Dauer nicht<br />
gut. Wenn es mal eine richtige Krise gibt und keine halbe<br />
Krise, wie wir sie 2009 hatten, dann geht’s da ab.<br />
INTERVIEW: Lag es an der liberalen Grundhaltung, dass<br />
der Film in Amerika nicht mit ganz so offenen Armen<br />
empfangen wurde?<br />
EMMERICH: Viele meinen, dass es an dem anderen Film<br />
(Olympus Has Fallen) lag, der kurz vorher mit einer<br />
ähnlichen Thematik ins Kino kam. Andere sagen, dass man<br />
es diesen Sommer sowieso mit einem Überangebot von<br />
Filmen zu tun hatte. Und es lag vielleicht auch daran, dass<br />
die Fronten in White House Down nicht<br />
ganz so klar verlaufen.<br />
INTERVIEW: Der Präsident ist ja …<br />
EMMERICH: … der ist ganz klar Obama.<br />
INTERVIEW: Er ist der bessere Obama.<br />
EMMERICH: Er ist lockerer, er wird ja<br />
auch von Jamie Foxx gespielt.<br />
INTERVIEW: Er ist auch progressiver. Er<br />
ist wie Obama, bevor er Präsident wurde.<br />
EMMERICH: Das war auch die Idee: den<br />
Präsidenten so zu zeigen, wie ich<br />
ihn mir wünsche. Einer, der sagt, dass<br />
es ihm scheißegal ist, ob er wieder<br />
gewählt wird. Einer, der sagt: „Das<br />
mache ich jetzt, weil ich es für richtig<br />
halte. Und wenn ich damit untergehe,<br />
gehe ich damit unter.“ Irgendwann<br />
muss es doch mal so einen Präsidenten geben, sonst wird<br />
der Lobbyismus irgendwann die Demokratie übernehmen.<br />
Anfangs hatten wir übrigens vor, den Präsidenten so zu<br />
gestalten, dass man sich nicht ganz sicher ist, ob er gut ist<br />
oder böse.<br />
INTERVIEW: Und dann?<br />
EMMERICH: Haben wir es gelassen.<br />
INTERVIEW: Wäre der Präsident ambivalent, wäre es auch<br />
kein Buddy-Movie geworden.<br />
EMMERICH: Stimmt, das ist sowieso interessant: Filme sind<br />
mittlerweile viele Dinge gleichzeitig. Ich nenne das den<br />
Bollywood-Effekt. Nehmen wir zum Beispiel The Avengers<br />
– das ist nicht nur ein Superheldenfilm, sondern ein Film<br />
mit gleich einer ganzen Reihe von Superhelden. Dann<br />
tauchen auch noch Außerirdische auf, was das Ganze zu<br />
einem Science-Fiction-Film macht, und ein<br />
Katastrophenfilm ist er außerdem.<br />
INTERVIEW: Und lustig ist er auch.<br />
EMMERICH: Na klar. Humor, viele Superhelden, Außerirdische<br />
und viel Zerstörung – das ist <strong>gerade</strong> das Rezept.<br />
Man Of Steel habe ich noch nicht gesehen, aber soweit ich<br />
weiß, ist es da ähnlich. Nur witzig soll er nicht sein.<br />
INTERVIEW: Woran liegt es, dass Filme sich ähneln?<br />
" White<br />
House Down"<br />
Enttäuschte Wutbürger bombardieren das<br />
Weiße Haus. Der Präsident trägt Jordans.<br />
Und sein einziger Freund heißt Channing<br />
Tatum. Eigentlich gab es schon schlechtere<br />
Tage in der Pennsylvania Avenue 1600<br />
EMMERICH: Ach, das sind so Moden. Deswegen altern<br />
manche Filme relativ schnell. Filme aus den Achtzigern<br />
und Neunzigern kann man sich fast nicht mehr<br />
anschauen. Schon wegen der Haare.<br />
INTERVIEW: Oh ja.<br />
EMMERICH: Da muss man sich nur mal die Frisuren von<br />
George Clooney ansehen. Clooney ist ein schönes Beispiel<br />
dafür, wie man im Alter hipper wird.<br />
INTERVIEW: Ästhetisch gesehen hat er ganz unten<br />
angefangen: als Arbeitgeber von Roseanne in Roseanne.<br />
EMMERICH: Ja, mit Vokuhila-Frisur, hähä.<br />
INTERVIEW: Macht es Ihnen eigentlich Spaß, ständig<br />
Nationaldenkmäler und Sehenswürdigkeiten zu sprengen?<br />
EMMERICH: Nee, das hat eher praktische Gründe. Weil<br />
jeder die Gebäude kennt und deswegen weiß, was zerstört<br />
wird. Das fing alles mit Independence Day an. Und als ich<br />
The Day After Tomorrow drehen wollte, wusste ich, dass<br />
ich den Film ähnlich anlegen muss wie Independence Day,<br />
also die Freiheitsstatue frosten und New York fluten und<br />
so, sonst würde ich das Projekt nicht finanzieren können.<br />
INTERVIEW: Warum?<br />
EMMERICH: Weil sich damals keiner mit dem Thema<br />
Klima wandel beschäftigen wollte. Ich habe es dann sogar<br />
geschafft, dass ausgerechnet 20th<br />
Century Fox diesen Film produziert hat,<br />
der ja durch und durch liberal war. Das<br />
ist denen aber erst aufgefallen, als der<br />
Film fertig war.<br />
INTERVIEW: Können Sie sich erklären,<br />
warum Sie dennoch das Image haben,<br />
besonders patriotische Filme zu drehen?<br />
EMMERICH: Ich bin manchmal selbst<br />
überrascht, was die Leute über meine<br />
Filme sagen. Ich finde ja, dass die einen<br />
total subversiven Dreh haben. Aber<br />
wahrscheinlich liegt es daran, dass ich<br />
hintereinander zwei Sachen gemacht<br />
habe, die als sehr patriotisch<br />
empfunden wurden: Independence Day<br />
und Der Patriot. Bei Independence Day<br />
ist es vor allem die Rede, die der Präsident vor den<br />
Soldaten hält. Die ist von der St.-Crispins-Tag-Rede von<br />
Shakespeares Heinrich V. beeinflusst. Und dann sind in<br />
dem Film natürlich eine Menge Flaggen zu sehen, aber die<br />
Geschichte spielt eben am Unabhängigkeitstag, und am<br />
Unabhängigkeitstag flaggen die Amerikaner halt.<br />
INTERVIEW: Und Der Patriot …?<br />
EMMERICH: Der heißt leider, wie er heißt. Ich habe immer<br />
gesagt: „Der Titel ist falsch, wir brauchen einen anderen<br />
Titel.“ Da habe ich mich aber nicht durchsetzen können,<br />
und schon hieß es wieder: „Der Emmerich ist ein Patriot.“<br />
Und ich denke dann immer: „Wenn ihr eure Fußballspiele<br />
macht, was machen dann alle? Ihr schwenkt Flaggen und<br />
malt euch sogar wie die Flagge an! Ist das kein<br />
Patriotismus?“<br />
INTERVIEW: Doch.<br />
EMMERICH: Sogar die schlimmste Form von Patriotismus!<br />
INTERVIEW: Warum?<br />
EMMERICH: Keine Ahnung … Ich würde das jedenfalls nie<br />
machen.<br />
INTERVIEW: Sieht ja auch scheiße aus.<br />
EMMERICH: Genau. Das ist peinlich. Voll peinlich.<br />
„White House Down“ startet am 5. September<br />
.<br />
81
.<br />
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82
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Rock, ca. 560 €<br />
ISABEL<br />
MARANT<br />
MAKE-UP Justine Purdue<br />
/ Tim Howard Management<br />
HAIR Tamas Tuzes / L’Atelier<br />
MODEL Kristine / Supreme<br />
CASTING Samuel Ellis<br />
Scheinman for DM Casting<br />
F A S H I O N<br />
ASSISTANT Chris Lee
.<br />
My sty<br />
86<br />
Veronique<br />
Branquinho<br />
ES IST NOCH NICHT LANGE HER, DA GALT SIE<br />
ALS DIE AUFREGENDSTE BELGISCHE JUNG-<br />
DESIGNERIN. JETZT WIRD SIE 40, HAT DREI<br />
JAHRE PAUSIERT, IHREN GARTEN UMGE-<br />
GRABEN UND EINEN NEUSTART HINGELEGT<br />
V Heike Blümner<br />
Foto Marleen Daniëls<br />
Auf der Suche nach<br />
dem zeitlosen Aspekt<br />
weiblicher Schönheit:<br />
Veronique Branquinho<br />
INTERVIEW: Ich habe gelesen, dass Sie zu Beginn Ihrer<br />
Karriere einen Opel Manta fuhren.<br />
VERONIQUE BRANQUINHO: Ja, es war das erste Auto, das ich<br />
mir selbst gekauft habe, und ich war in das Auto verliebt.<br />
Ich wollte schon immer einen Sportwagen fahren, was<br />
ich mir natürlich nicht leisten konnte, und der Manta war<br />
das, was meinen Vorstellungen am nächsten kam.<br />
Aller dings hat das Auto in Belgien ein Imageproblem.<br />
INTERVIEW: Interessant. In Deutschland ist es ähnlich. Aber<br />
es gab in den 90er-Jahren auch Comedy-Kassenschlager<br />
wie den Film Manta, Manta.<br />
BRANQUINHO: Echt? Den hätte ich gerne gesehen.<br />
INTERVIEW: Ich bin mir nicht sicher, ob er Ihnen gefallen<br />
hätte.<br />
BRANQUINHO: Vielleicht gibt es andere Länder, in denen
FOTOS: dpa Picture-Alliance/gms Opel; ddp images/Sipa; dpa Picture-Alliance/Courtesy Everett Collection; Jessie Walker/mauritius images<br />
Ein schönes Auto<br />
mit einem schlechten<br />
Ruf: Opel Manta<br />
Bestimmte Inspirationen<br />
werden irgendwann<br />
nur noch lästig: „Picknick<br />
am Valentinstag”<br />
Sehr frei trotz<br />
Upperclass-<br />
Erziehung:<br />
die Publizistin<br />
Nancy Cunard<br />
Auch ein Teil<br />
des Lebens:<br />
der Garten<br />
der Manta besser ankommt. In Belgien gilt der Manta<br />
nicht <strong>gerade</strong> als elegant, aber ich finde, es ist ein schönes<br />
Auto mit einem schlechten Ruf.<br />
INTERVIEW: Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass die<br />
Leute auch Ihre Arbeit unterschiedlich bewerten, je<br />
nachdem, aus welchem Land sie kommen?<br />
BRANQUINHO: Jeder ist unvermeidlich Teil der Kultur, in<br />
der er aufgewachsen ist,<br />
und stellt sich in Bezug<br />
dazu. Ich erinnere mich<br />
beispielsweise an eine<br />
frühere Kollektion von<br />
mir, in der es viele gestrickte<br />
Stolen gab. Wir<br />
hatten gute Kunden auf<br />
dem russischen Markt, aber in dieser Saison verstanden<br />
sie nicht, was ich da entworfen hatte. Für mich war es<br />
eine Reverenz an das Handwerk, an eine<br />
spannende Tradition. Für die Russen<br />
waren die Stolen aber einfach nur etwas,<br />
was alte Frauen trugen.<br />
INTERVIEW: Also so etwas wie der VW<br />
Jetta unter den Kleidungsstücken …<br />
Welches Auto fahren Sie heute?<br />
BRANQUINHO: Den Opel Manta habe ich<br />
leider zu Schrott gefahren. Das war<br />
schrecklich, ich habe so geweint. Und der<br />
Typ, der mir reingefahren ist, fuhr eine<br />
fette Limousine und sagte: „Machen Sie sich keine Sorgen,<br />
ich bin gut versichert, das wird alles geregelt.“ Und ich<br />
schluchzte: „Sie verstehen nicht. Dieses Auto ist nicht zu<br />
ersetzen.“ Danach hatte ich einen alten Porsche 911, und<br />
nach vier Jahren hatte ich wieder einen Unfall, dann war<br />
auch dieses Auto kaputt. Tja, und heute fahre ich einen<br />
Volvo. Das ist die sichere Variante. Nichts<br />
kann mir passieren, denn ich bin von<br />
Airbags umgeben. Ich glaube, ich werde<br />
älter …<br />
INTERVIEW: Haben Sie sich bei Ihrer<br />
Arbeit auch für die sichere Variante<br />
entschieden?<br />
BRANQUINHO: Natürlich habe ich mit der<br />
italienischen Firma GIBO jetzt jemanden,<br />
der mich bei meiner Arbeit unterstützt.<br />
Aber sicherer? Ich weiß nicht, ob man<br />
in diesen Zeiten überhaupt von Sicherheit sprechen kann.<br />
Grundsätzlich bin ich aber sehr glücklich darüber, dass<br />
die Verantwortlichkeiten festgelegt sind. Früher hing alles<br />
ausschließlich an mir. Nach meinem Abschluss an der<br />
Akademie hatte ich diesen kreativen Traum, den ich<br />
verwirklichen wollte. Und am Ende hatte ich eine Firma<br />
und viele Leute, die für mich arbeiteten. Ich musste mich<br />
mit Banken auseinandersetzen, mit Produktion, Vertrieb<br />
und Verkauf, und am Ende merkt man irgendwann, dass<br />
man genau das die ganze Zeit nicht wollte.<br />
INTERVIEW: Und dann mussten Sie aufhören …<br />
BRANQUINHO: Ja, und als mir das klar wurde, war ich total<br />
frustriert und sah kein Licht mehr am Ende des Tunnels.<br />
Aber mein neuer Partner GIBO ist ein Schwergewicht, er<br />
kann produzieren und distribuieren. Meine Aufgabe ist es<br />
jetzt, eine gute Kollektion pünktlich abzuliefern.<br />
INTERVIEW: Knüpfen Sie mit den neuen Kollektionen<br />
stilistisch an Ihre früheren an?<br />
.<br />
BRANQUINHO: Man trägt viel Gepäck mit sich herum, das<br />
man nicht einfach über Bord werfen will; gleichzeitig<br />
möchte man einen Schritt nach vorne machen. Die Frage,<br />
um die sich für mich alles drehte, war: Was nehme ich<br />
mit und welche neuen Impulse füge ich hinzu? Ich wollte<br />
auf jeden Fall, dass die Kollektionen <strong>erwachsen</strong>er werden,<br />
also femininer und präziser.<br />
INTERVIEW: Wo genau zeigt sich das in Ihrer aktuellen<br />
Winterkollektion?<br />
BRANQUINHO: Ich hatte im Vorfeld viel über die<br />
Publizistin Nancy Cunard gelesen, wie engagiert sie war.<br />
Obwohl sie eine sehr rigide Upperclass-Erziehung<br />
genossen hatte, war sie sehr frei. Und diese Einstellung<br />
wollte ich auf die Winterkollektion übertragen, auch<br />
in den kleinen Dingen. Ich liebe es zum Beispiel, mir die<br />
Freiheit zu nehmen, Materialien zu verbinden, die offiziell<br />
nicht zusammengehen, so wie Echt- und Kunstleder.<br />
Dann habe ich eine neue Rockform<br />
entworfen, die sehr lang ist und auf den<br />
ersten Blick aussieht wie eine Hose.<br />
INTERVIEW: Und die Farben?<br />
BRANQUINHO: Schwarz hat mich gar<br />
nicht interessiert. Erst mal ging es<br />
mir um Texturen beziehungsweise um<br />
alles, was haarig und kuschelig<br />
ist: Angora, Kaschmir, alles, was einen<br />
animalischen Touch hat. Dann habe<br />
ich Leopardenprint auf Kaninchenfell<br />
gedruckt, also wieder Unecht auf Echt.<br />
INTERVIEW: In Ihrer Arbeit gibt es oft Referenzen an<br />
frühere, starke Frauenfiguren, gleichzeitig sind Ihre<br />
Kollektionen nie retro. Wie kriegt man das hin?<br />
BRANQUINHO: Ich bin immer auf der Suche nach dem<br />
zeitlosen Aspekt von weiblicher Schönheit. Frage mich<br />
also: Gibt es eine universelle Sprache der Schönheit? Eine,<br />
die jeder versteht?<br />
INTERVIEW: Sie werden dieses Jahr 40. Ein guter<br />
Zeitpunkt, um über das Erwachsenwerden nachzudenken?<br />
BRANQUINHO: Mit dem Älterwerden kommt die<br />
Erfahrung, im Leben und bei der Arbeit. Ich bin viel<br />
präziser geworden. Wenn man jung ist, probiert man viele<br />
Sachen aus, einfach um ein Gefühl für bestimmte<br />
Situationen zu bekommen. Heute muss ich das nicht mehr<br />
tun, denn ich weiß, was ich will.<br />
INTERVIEW: Heißt das auch, dass Sie weniger verspielt an<br />
den Entwurf einer neuen Kollektion herangehen?<br />
BRANQUINHO: Auf jeden Fall, ja, aber das Modedesign<br />
muss sich ja grundsätzlich an bestimmte Arbeitsschritte<br />
halten. Als Erstes muss<br />
man wissen, welche Art<br />
von Stoff man haben kann<br />
oder haben möchte, und<br />
zwar lange, bevor man mit<br />
anderen Dingen anfängt.<br />
Das Wichtigste für mich ist<br />
aber meine Intuition. Ich<br />
arbeite deshalb auch nicht<br />
in Teams. Okay, vielleicht<br />
bekomme ich im Laufe der Arbeit mal einen thematischen<br />
Anstoß von außen, zum Beispiel von Filmen wie Twin<br />
Peaks oder Picknick am Valentinstag. Aber danach geht es<br />
nur noch darum, meine eigene Welt zu erschaffen. Leider<br />
ist es aber auch so, dass bestimmte Inspirationen nur noch<br />
87
My sty<br />
88<br />
lästig werden, an mir kleben, wenn ich sie ausgesprochen<br />
habe. Die Leute haben sich noch im Jahr 2004 über<br />
Bilderwelten unterhalten, die ich Ende der 90er-Jahre<br />
spannend fand.<br />
INTERVIEW: Warum machen sie das?<br />
BRANQUINHO: Weil es die Sache einfach macht. Heute<br />
versuche ich, das unbedingt zu vermeiden. Ich möchte<br />
immer wieder eine eigene Welt schaffen.<br />
INTERVIEW: Ihre Kollektionen sind auch weniger von den<br />
jeweiligen Entwürfen oder Stücken geprägt. Es ist mehr<br />
eine übergreifende Idee von Weiblichkeit, an der viele<br />
Frauen teilhaben wollen.<br />
BRANQUINHO: Ja, ich mag keine offensichtlichen<br />
Referenzen mehr. Das langweilt mich. Vielleicht können<br />
sich deswegen viele unterschiedliche Frauen in meiner<br />
Arbeit wiederfinden.<br />
INTERVIEW: War der Neubeginn im Jahr 2012 für Sie das<br />
Ende einer längeren Pause oder ein Neustart?<br />
BRANQUINHO: Für mich war es so, als dürfe ich mich noch<br />
mal vor eine weiße Leinwand setzen. Eher ein Neustart,<br />
was für mich ein ganz tolles Gefühl war.<br />
INTERVIEW: Hatten Sie zwischendurch auch mal daran<br />
gedacht, ganz mit der Mode aufzuhören?<br />
BRANQUINHO: Natürlich. Ich war damals so ausgebrannt<br />
und systemmüde. Zum Glück habe ich dann bei Delvaux<br />
gearbeitet, und auch meine Schuhkollektion lief weiter.<br />
Aber ich hatte auch viel mehr Freizeit. Und die habe ich<br />
genutzt, um mit meinem Freund zu verreisen, denn<br />
nach meiner Zeit in der Akademie hatte ich 15 Jahre<br />
gearbeitet wie eine Verrückte. Dann habe ich mir meinen<br />
Garten angeschaut, der aussah wie ein Dschungel, und<br />
fi ng an, darin rumzuwühlen. Für diese Dinge war ich<br />
sehr dankbar. Ich musste erst entdecken, dass auch sie<br />
Teil meines Lebens sind.<br />
INTERVIEW: Sie waren systemmüde, aber das System der<br />
Modewelt hat sich in dieser Zeit doch nicht geändert?<br />
BRANQUINHO: Das stimmt, aber ich bin nicht mehr für alle<br />
Teile des Systems verantwortlich.<br />
INTERVIEW: Trotz eines italienischen Partners arbeiten Sie<br />
weiterhin von Antwerpen aus. Warum?<br />
BRANQUINHO: Genau genommen lebe ich nicht mehr in<br />
Antwerpen, sondern 20 Minuten von hier entfernt.<br />
INTERVIEW: Ist das ein großer Unterschied?<br />
BRANQUINHO: Hey, und ob! Ich musste aus Antwerpen<br />
raus, ich brauchte Isolation. Antwerpen ist toll, aber es hat<br />
mich 24 Stunden am Tag in Beschlag genommen. Ich<br />
habe hier gearbeitet, habe hier gelebt, meine Freunde<br />
waren auch alle hier. In meinem Dorf, wo ich wohne,<br />
kann ich mich besser konzentrieren.<br />
INTERVIEW: Weggehen aus Belgien war nie eine Option?<br />
In eine der großen Modemetropolen?<br />
BRANQUINHO: Nein. Ich mag Belgien, ich mag die Leute,<br />
die Mentalität und das Essen: Es ist das gute Leben.<br />
Und klar, ich komme von dieser berühmten Akademie,<br />
gehöre also zur Antwerpener Schule. Aber wenn man<br />
sich alle erfolgreichen belgischen Designer anschaut, dann<br />
sind sie doch auch sehr unterschiedlich.<br />
INTERVIEW: Welche spannenden Designer kommen heute<br />
aus Antwerpen?<br />
BRANQUINHO: Die wirtschaftlich schwierigen Zeiten<br />
machen es für die jungen Designer nicht einfach. Und es<br />
gibt eine andere Mentalität. Jemand, der kreativ ist und<br />
den Drang verspürt, sich auszudrücken, wird einen Weg<br />
finden, um das zu tun. Aber ich habe feststellen müssen,<br />
dass viele junge Leute lieber direkt zu den großen Marken<br />
und Konzernen gehen. Sie interessieren sich vor allem für<br />
ihre Karriere, und das ist neu.<br />
INTERVIEW: Aber auch viele kleinere Labels richten sich<br />
inzwischen nach den großen Konzernen und bringen<br />
gefühlt alle sechs Wochen neue Sub-Kollektionen auf<br />
den Markt.<br />
BRANQUINHO: Das ist eine Entwicklung, der man sich<br />
schwer entziehen kann. Ich stelle auch <strong>gerade</strong> eine<br />
Pre-Kollektion fertig. Das mache ich zum ersten Mal,<br />
vorher gab es für mich nur den Sommer und den Winter.<br />
INTERVIEW: Wie unterscheidet sich die Pre-Kollektion<br />
von der eigentlichen Kollektion?<br />
BRANQUINHO: Auch für mich ist das eine neue Übung. Es<br />
bedeutet, dass ich schon im Juni anfange zu verkaufen. Das<br />
ist besser, weil Kunden die Sachen schon früher im Laden<br />
haben. Es kommt nicht alles auf einmal, sondern häppchenweise.<br />
Was ich aber seltsam finde: Die Kunden geben<br />
teilweise viel Geld für eine Pre-Kollektion aus, aber nur die<br />
Hauptkollektion bekommt die Aufmerksamkeit der Presse.<br />
INTERVIEW: Hat die Pre-Kollektion denn keine Referenz<br />
zur Hauptkollektion?<br />
BRANQUINHO: Nein, gar nicht. Es sind zwei ganz<br />
unterschiedliche Kollektionen, die für sich stehen, aber<br />
vom Umfang her völlig gleich sind. Es wird einfach alles<br />
immer schneller. Das gehört dazu.<br />
INTERVIEW: Da müssen am Ende das Gärtnern und Reisen<br />
wieder hintenanstehen …<br />
BRANQUINHO: Ich gebe mein Bestes. Immerhin verreise<br />
ich demnächst nach Surinam in Südamerika. Ein Freund<br />
von mir ist Biologe, er erforscht dort die Salzwasserschildkröten,<br />
wenn sie am Strand ihre Eier legen.<br />
INTERVIEW: Schildkröten anzuschauen stelle ich mir<br />
sehr entschleunigend vor.<br />
BRANQUINHO: Ja, und dieser Art von Entschleunigung<br />
zuzuschauen eröffnet ganz neue Perspektiven.<br />
Dinge verbinden, die<br />
offiziell nicht zusammengehen:<br />
Veronique<br />
Branquinho, Herbst/<br />
Winter 2013/2014<br />
Entschleunigt:<br />
Schildkröte in<br />
Surinam,<br />
Südamerika<br />
.<br />
FOTOS: Courtesy of Veronique Branquinho (3); Mark Conlin/Getty Images
ATHENS BEIJING BERLIN DUBAI DÜSSELDORF HONG KONG LONDON NEW YORK SEOUL SHANGHAI ZÜRICH MCMWORLDWIDE.COM<br />
.
.<br />
Bag Lady<br />
WER BEHAUPTET, GELD MACHE NICHT GLÜCK-<br />
LICH, GEHT WOHL IN DIE FALSCHEN LÄDEN<br />
Fot Jonas Lindström<br />
Styling Caroline Lemblé<br />
Links: Baumwollparka,<br />
ca. 712 €, und Wollrock,<br />
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Ziersteppungen, ca. 279 €<br />
ODEEH Tasche mit<br />
Klappverschluss, ca.<br />
1 250 € MIU MIU Kette<br />
mit Münzanhänger,<br />
ca. 2 500 €, und Gliederarmband,<br />
ca. 3 800 €<br />
BOTTEGA VENETA<br />
Rechts: Jacke aus<br />
Kalbsleder, ca. 2 200 €<br />
BELSTAFF Baumwollrock,<br />
ca. 465 € MARNI<br />
WINTER EDITION<br />
Leder-Clutch, ca. 377 €<br />
MARNI Seidenbluse,<br />
ca. 349 € MSGM Kette<br />
mit Zierstein, ca. 427 €<br />
ETRO Sonnenbrille,<br />
ca. 299 € MYKITA High<br />
Heels mit Profilsohle,<br />
ca. 690 € MIU MIU<br />
Socken, ca. 28 € FALKE<br />
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Andréas B. / basics-berlin<br />
mit Produkten von M.A.C.<br />
MODEL Lonnie /<br />
Core Management<br />
FOTO-ASSISTENZ Neven<br />
Allgeier, David zu Höne<br />
S TYLING-A SSIS-<br />
TENZ Katharina Eder<br />
PRODUKTION Frank<br />
Seidlitz, Dorothea Fiedler
.<br />
Oben: Pullover, ca. 70 € MARC O’POLO Rock mit<br />
abgenähten Volants, ca. 950 € BOTTEGA VENETA Wildledertasche<br />
mit Lammfellfütterung (am Arm), ca. 449 €<br />
UGG AUSTRALIA Tasche (in der Hand) aus Kalbsleder mit<br />
Verschluss aus Eidechsenleder, ca. 1 700 € TOD’S<br />
91<br />
Oben: Jacke & Rock aus Kalbsleder, ca. 2 400 € und ca. 1 800 €<br />
TOD’S Mohairpullover, ca. 199 € TIGER OF SWEDEN Stiefel,<br />
ca. 429 €, und Ledertasche, ca. 349 € TOMMY<br />
HILFIGER COLLECTION Kleine Umhängetasche aus Lammleder<br />
mit Metallemblem, ca. 3 200 € CHANEL
.<br />
Oben: Mantel aus Kalbsleder mit Pelz am Ärmel, ca. 8 500 €,<br />
Strickjacke aus Shetlandwolle, ca. 480 €, und Faltenrock mit<br />
Vichymuster, ca. 1 200 € PRADA Tasche aus Jungstierleder,<br />
ca. 3 600 € LOUIS VUITTON<br />
New look: Röcke<br />
92<br />
Röcke sind die neuen<br />
Hosen, Stiefel enden<br />
jetzt auf halber Höhe.<br />
Und eine Tasche<br />
kommt selten allein<br />
Oben: Top mit Druck,<br />
ca. 247 €, und Pelzstola,<br />
ca. 1 022 € MARNI<br />
WINTER EDITION<br />
Wildlederrock, ca. 1 950 €<br />
JITROIS Handschuhe<br />
aus Lammleder, ca.<br />
1 000 € DIOR Große<br />
Leder tasche, ca. 1 195 €,<br />
und kleine Tasche aus<br />
Krokodilleder, ca. 6 975 €<br />
BALENCIAGA Stiefel aus<br />
Schlangenleder,<br />
ca. 1 890 € GIVENCHY<br />
BY RICCARDO TISCI<br />
Oben: Wollpullover mit Zierstickereien, ca. 265 €<br />
ERIKA CAVALLINI Lederrock, ca. 2 200 € BLUMARINE<br />
Armreif aus Roségold, ca. 6 350 € HERMÈS<br />
Tasche aus Kalbsleder, ca. 975 € PORSCHE DESIGN<br />
Sonnenbrille, ca. 319 € MYKITA
.<br />
Wer war Elsa<br />
Schiaparelli?<br />
SIE MACHTE HOSEN SALONFÄHIG UND<br />
NANNTE IHR PARFÜM „SHOCKING“.<br />
DALÍ UND COCTEAU ERKLÄRTEN<br />
IHRE MODE ZUM KULTURELLEN<br />
EREIGNIS. IN PARIS GAB ES JETZT<br />
EIN UNGEWÖHNLICHES COMEBACK<br />
Fot Olaf Wipperfürth<br />
Schiaparelli<br />
konnte Hosen und<br />
Reißverschlüsse<br />
glamourös<br />
ausschauen lassen<br />
– damit hat sie<br />
Modegeschichte<br />
geschrieben!<br />
It´s fashi!<br />
94<br />
„Das Comeback eines<br />
Modehauses ist immer<br />
eine heikle Sache. Wenn<br />
es sogar mehr als ein<br />
halbes Jahrhundert nicht<br />
existiert hat, muss man<br />
es auch ein wenig neu<br />
erfinden. Ich fühle mich<br />
seit Kindesbeinen mit<br />
dem Geist Schiaparellis<br />
verbunden – ihn jetzt<br />
wiederzubeleben, das hat<br />
mich natürlich gereizt”<br />
CHRISTIAN LACROIX<br />
"Frauen<br />
stylen sich r<br />
allem, um<br />
andere Frauen<br />
zu kränken"<br />
ELSA SCHIAPARELLI<br />
MODELS Blake Myers / Next Management, Ana Maria Cajner /<br />
Women Model Management PRODUKTION Klaus Stockhausen<br />
FOTOS: (rechte Seite) Original sketch of the collection „Hommage à Elsa” by M. Christian Lacroix; UPPA/Photoshot
.<br />
„Mit Schiaparelli kreiert<br />
man die schönste Kunst:<br />
Sie schmückt Frauen<br />
statt Museen”<br />
SALVADOR DALÍ<br />
„Eine Frau sollte wenig<br />
kaufen und nur das Beste<br />
und das Billigste. Und<br />
sie sollte immer ihre<br />
Rechnungen zahlen!”<br />
IN SCHIAPARELLIS BOUTIQUE KAUFTE „TOUT PARIS”<br />
95<br />
Ihre Entwürfe lebten<br />
von der Provokation,<br />
ihre Designs zu tragen<br />
erforderte Selbstbewusstsein,<br />
Klasse,<br />
den unbedingten Willen,<br />
unvergesslich zu sein.<br />
Auch deswegen setzte<br />
sie als Erste auf<br />
Accessoires – was<br />
wiederum ihrem Landsmann<br />
DIEGO DELLA<br />
VALLE gefiel, der das<br />
Label kaufte und jetzt<br />
wiederbelebt
.<br />
„Juni war der Party-Monat in Paris, jede Nacht<br />
ein anderer Ball – und Schiap war so großzügig,<br />
mir immer Kleider zu leihen. Das half ihr<br />
natürlich auch, populär zu werden – sehr smart!“<br />
ROSAMOND BERNIER, LEGENDÄRE MODEREDAKTEURIN<br />
It´s fashi!<br />
96<br />
"Wäre ich nicht<br />
rein zufällig<br />
Designerin<br />
gerden, ich<br />
hätte nicht<br />
gewusst, was<br />
tun"<br />
ELSA SCHIAPARELLI<br />
Die Geschäftsbeziehung von Diego Della<br />
Valle (l.) und Christian Lacroix hat<br />
eine lange Geschichte – sie kennen sich,<br />
seit der Designer für Byblos arbeitete.<br />
Della Valle stellte auch die Schuhe<br />
für die erste Runway-Show von Lacroix<br />
“MAN MACHT SICH KEINEN<br />
BEGRIFF DAVON, WIE WICHTIG<br />
SIE FÜR UNS ALLE WAR. AUCH DIE<br />
ERSTEN MISSONI-KOLLEKTIONEN<br />
WAREN VON IHR BEEINFLUSST“<br />
Ein neues Buch nähert sich dem<br />
Phänomen Schiaparelli auf zutiefst<br />
persönliche Weise: Die amerikanische<br />
Autorin analysiert das Denken und<br />
Fühlen der eigenen Mutter und das<br />
Elsa Schiaparellis – und stößt dabei<br />
auf erstaunliche Parallelen!<br />
ROSITA MISSONI<br />
„Paris in den 30er-Jahren, mit<br />
seinen reichen Amerikanern, den<br />
jüdischen, russischen, spanischen<br />
Exilanten – das war pure Mode-<br />
Alchemie” CHRISTIAN LACROIX<br />
FOTOS: UPPA/Photoshot; Dominique Maitre; John Phillips/Getty Images; Cover und Bild aus dem Buch „SHOCKED: My Mother, Schiaparelli, and Me”/Patricia Volk/Alfred A. Knopf/Image editing by John Muggenborg
.<br />
Vorteils-<br />
Abnement<br />
Nur 30 €<br />
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Der offi zielle Ausstellungskatalog zur David-Bowie-Retrospektive im Londoner<br />
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David Bowie<br />
ISBN 978-3-86873-640-3<br />
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.<br />
Stories<br />
FOTO SEBASTIAN<br />
FAENA STYLING<br />
JULIA VON BOEHM<br />
Dree Hemingway:<br />
Kleid MARC JACOBS<br />
Kette TIFFANY & CO.<br />
Ohrringe EDDIE BORGO<br />
99<br />
The Importance Of<br />
Being Ernest<br />
DIESE HEMINGWAYS S. 100 Mariel hat eine Dokumentation über ihre Familie<br />
gedreht, Dree modelt für uns als Hommage an ihre Tante Margaux.<br />
SHOCKING S. 130 S. 142<br />
heißt der Herbstlook für Fortgeschrittene. CARLA JURI<br />
wandelt inmitten von Feuchtgebieten. CHARLOTTE GAINSBOURG S. 162 und<br />
ROBERT PATTINSON S. 120 steigen lieber in den Pool – wie auch viele Freunde des<br />
Fotografen BRAD ELTERMAN S. 184. S. 152,<br />
Mode im STREETSTYLE<br />
ein Gespräch zwischen NAOMI CAMPBELL und MARC JACOBS S. 172 sowie<br />
ein <strong>Interview</strong> mit ELIE SAAB S. 192, dem Couturier der Stars.
.<br />
Mariel Hemingway<br />
100<br />
Diese<br />
Hemingways<br />
MARIEL SPIELTE ALS TEENAGER DIE GELIEBTE<br />
WOODY ALLENS. MARGAUX WAR DAS COOLSTE<br />
FOTOMODELL IHRER GENERATION. JETZT STARTET<br />
DREE DURCH, UND GLEICHZEITIG DREHT IHRE<br />
MUTTER EINE DOKUMENTATION ÜBER DEN CLAN:<br />
FLUCH UND SEGEN EINES GROSSEN NAMENS<br />
Von Sloane Crosley<br />
Foto Mario Sorrenti<br />
Styling Anastasia Barbieri<br />
Mutter und Tochter:<br />
Mariel (r.) und<br />
Dree Hemingway<br />
Doing it the Heming<br />
Way: Margaux (l.) und<br />
Mariel im Studio 54<br />
FOTOS: (linke Seite) Michael Norcia/Sygma/Corbis; Stephen Lovekin/Getty Images
.<br />
Kleid MARC JACOBS<br />
PHOTOGRAPHY Mario<br />
Sorrenti / Art Partner HAIR<br />
Mara Roszak / Starworks<br />
Artists using Moroccanoil<br />
MAKE-UP Mélanie Inglessis<br />
/ The Magnet Agency using<br />
Giorgio Armani & Chanel<br />
MANICURE Ashlie Johnson for<br />
Chanel / The Wall Group PRO-<br />
DUCTION Joy Asbury Productions<br />
RETOUCHING Arc Lab<br />
Ltd. LIGHTING TECHNICIAN<br />
Lars Beaulieu DIGITAL TECH-<br />
NICIAN Xanny Handfield<br />
PHOTOGRAPHY ASSIS-<br />
TANTS Johnny Vicari,<br />
Bartosz Jankowski STYLING<br />
ASSISTANT Azza Yousif SPE-<br />
CIAL THANKS Milk Studios
Mariel Hemingway<br />
102<br />
SLOANE CROSLEY: Hi, vielen Dank, dass du dir Zeit für<br />
mich nimmst.<br />
MARIEL HEMINGWAY: Gerne! Wie geht es dir?<br />
CROSLEY: Eigentlich gut. Also abgesehen davon, dass<br />
ich mir <strong>gerade</strong> Running From Crazy, eure Dokumentation<br />
über Depressionen, angesehen habe – alleine, in einem<br />
riesigen Haus in einem dunklen Wald in Upstate New York.<br />
HEMINGWAY: Oh Gott! (lacht)<br />
CROSLEY: Nein, es hat mich zutiefst berührt. Vor allem zwei<br />
Momente haben mich erschüttert: die Szene, in der du<br />
mit deiner Tochter Langley auf dem Weg zu diesem Selbstmord-Präventionsmarsch<br />
bist, bei dem du eine Rede<br />
halten sollst – und dann die Szene, in der du über deine<br />
"Man trägt eine<br />
große Verantwortung,<br />
schließlich will man<br />
den Namen nicht in<br />
den Schmutz ziehen"<br />
Schwester Margaux sprichst. Aber dazu kommen wir<br />
später noch. Wann hattest du eigentlich die Idee, diese<br />
Dokumentation zu machen, und wie lange hast du<br />
daran gearbeitet?<br />
HEMINGWAY: Eigentlich war das die Idee einer Freundin.<br />
Sie meinte: „Du musst die Geschichte eurer Familie<br />
erzählen!“ Daraufhin sagte ich: „Hast du den Verstand<br />
verloren? Die sind alle verrückt!“ Aber genau darum<br />
ging es ihr ja.<br />
CROSLEY: Ich kann schon verstehen, wenn man sich privat<br />
lieber bedeckt halten will. Immerhin ist die Öffentlichkeit<br />
seit Jahren hinter den Hemingways her.<br />
HEMINGWAY: Ganz genau. Ich hatte Angst, dass es eine<br />
furchtbare Realityshow werden könnte. Doch dann hieß<br />
es auf einmal, Barbara Kopple wolle Regie führen –<br />
und das hat für mich alles in ein neues Licht gerückt. Sie<br />
ist eine Künstlerin, eine echte Regisseurin. Also trafen<br />
wir uns, und ich verliebte mich sofort in sie. Barbara<br />
wusste schon beim ersten Treffen viel mehr über meine<br />
Familie als ich … Also entschieden wir, diese Reise<br />
gemeinsam anzutreten. Letztendlich haben wir zwei Jahre<br />
daran gearbeitet.<br />
CROSLEY: Zwei Jahre?<br />
HEMINGWAY: Also, nicht am Stück. Wir trafen uns mehrfach<br />
zu sehr langen Gesprächen, was sich für mich wie die<br />
ultimative Therapie anfühlte. Zumal ich mir am Anfang<br />
geschworen hatte, nichts als die Wahrheit zu erzählen.<br />
Anders wäre es nicht gegangen. Man kann ja nicht nur teilweise<br />
bei der Wahrheit bleiben.<br />
CROSLEY: Genauso wie man auch nicht nur teilweise<br />
schwanger sein kann.<br />
HEMINGWAY: Ganz genau.<br />
CROSLEY: Der zweite Moment, bei dem ich schlucken<br />
musste, war, als du meintest, deine Schwester Margaux sei<br />
dumm gewesen. Man sieht dir an, wie schwer es dir fällt,<br />
das auszusprechen.<br />
HEMINGWAY: Ja, das war sehr hart.<br />
CROSLEY: Am Anfang des Films vergleichst du deine<br />
Familie mit den Kennedys, der anderen großen tragischen<br />
.<br />
Familie Amerikas. Du sprichst von sieben Selbstmorden in<br />
den Reihen der Hemingways. Ich weiß, wie makaber es<br />
klingt, dich zu bitten, diese hier aufzuzählen, aber würdest<br />
du es trotzdem tun?<br />
HEMINGWAY: Also, da wären der Vater meines Großvaters<br />
Ernest Hemingway, der Vater meiner Großmutter Hadley,<br />
mein Großvater Ernest, mein Großonkel, mein Onkel,<br />
mein Cousin und meine Schwester Margaux. Wahrscheinlich<br />
gibt es sogar noch mehr …<br />
CROSLEY: Es gibt ja in den meisten Familien jemanden,<br />
der als ein wenig verrückt gilt. Bei uns ist das auch<br />
so. Dennoch habe ich nie darüber nachgedacht, dass diese<br />
Verrücktheit an mich weitervererbt werden könnte.<br />
Bei dir liegen die Dinge ganz anders. Kannst du dich an<br />
den Moment erinnern, in dem sich deine Wahrnehmung<br />
von „Die bringen sich alle um“ zu „Vielleicht liegt<br />
Selbstmord ja in unseren Genen“ gewandelt hat?<br />
HEMINGWAY: Das war immer Teil meines Lebens.<br />
Deswegen habe ich den Titel Running From Crazy<br />
gewählt. Ich bin nie nicht gerannt. Als meine Schwester<br />
starb, fürchtete ich, die Fackel sei nun an mich weitergegeben<br />
worden, nun wäre ich an der Reihe, verrückt zu<br />
werden.<br />
CROSLEY: Wirklich? Als suche die Krankheit immer einen<br />
neuen Wirt?<br />
HEMINGWAY: Ja, so ungefähr. Es dauerte sehr lange, bis<br />
ich mich von dem Gedanken lösen konnte. Deshalb habe<br />
ich begonnen, mein ganzes Leben auf Balance und einen<br />
gesunden Lebensstil auszurichten und all die Gesundheits -<br />
bücher zu schreiben. Ich wollte um jeden Preis die Kontrolle<br />
behalten. Über meinen Körper, meine Gesundheit,<br />
mein Essen. Anfangs ging es nur darum, zu überleben.<br />
CROSLEY: Ich weiß, dass das ein gewagter Gedankensprung<br />
ist, aber letztendlich hat Angelina Jolie die Brustoperation<br />
aus genau diesem Grund vornehmen lassen:<br />
weil sie wusste, dass das der einzige Ausweg sein wird, in ein<br />
paar Jahren nicht an Brustkrebs zu erkranken.<br />
HEMINGWAY: Ich glaube, und das sage ich zu Beginn des<br />
Films auch, dass es für jeden einen Ausweg gibt. Das ist<br />
meine Wahrheit. Regel Nummer eins: Sprich darüber.<br />
Regel Nummer zwei: Sprich ehrlich und aufrichtig über<br />
deine Probleme und Ängste, darüber, was in deinem<br />
Leben passiert, wie du dich fühlst und warum du denkst,<br />
was du denkst. Ich glaube tatsächlich, dass es eine<br />
genetische Veranlagung für mentale Krankheiten gibt,<br />
für Depression, für Selbstmord. Aber ich denke auch,<br />
dass die Art, wie man sein Leben lebt, einen großen Einfluss<br />
darauf hat und dass man Dinge ändern kann.<br />
Wenn du süchtig bist, trinkst und deinem Körper Sedativa<br />
zuführst, wird das ernsthafte Folgen haben.<br />
CROSLEY: Als würde man Benzin auf ein Feuer kippen.<br />
HEMINGWAY: Ja. Und genau das ist bei meiner Schwester<br />
Margaux passiert. Ich hätte nie gedacht, dass sie es<br />
sein würde, die sich das Leben nimmt. Seit wir das alte<br />
Filmmaterial entdeckt haben, sieht die Sache anders<br />
aus. Barbara rief eines Tages an und erzählte, sie habe 43<br />
Stunden ungeschnittenes und uns allen absolut unbekanntes<br />
Filmmaterial von Margaux gefunden, Material,<br />
das sie ab 1983 gesammelt hatte, weil auch sie angeblich<br />
eine Dokumentation über unseren Großvater drehen<br />
wollte … Natürlich wusste ich, dass sie Schmerzen und<br />
Ängste hatte, sich alleingelassen fühlte. Jeder in der<br />
Familie denkt, er würde nicht genug respektiert für das,
was er ist. Aber ich hatte keine Ahnung, wie schlecht<br />
es Margaux tatsächlich ging, wie ohnmächtig sie alle die<br />
Gefühle machten.<br />
CROSLEY: Manchmal erzählt der Film absolut schockierende<br />
Dinge <strong>gerade</strong>zu beiläufig. Etwa, dass Margaux dir einmal<br />
alle Wimpern mit einer Schere abschnitt …<br />
HEMINGWAY: Ach, weißt du …<br />
CROSLEY: Es fällt dir sehr schwer, über sie zu sprechen.<br />
HEMINGWAY: Es ist hart.<br />
CROSLEY: Du kämpfst sehr gegen die Stigmatisierung, die<br />
mit einem Freitod einhergeht. Aber die Stigmatisierung<br />
ist nur eine Dimension – eine andere ist die romantische<br />
Verklärung. Die Menschen sind fasziniert von der Dunkelheit,<br />
sie finden die Disposition der Hemingways <strong>gerade</strong>zu<br />
glamourös.<br />
HEMINGWAY: Es gab immer diese merkwürdige Faszination.<br />
Deswegen hatte ich auch das Gefühl, in einem Aquarium<br />
aufzuwachsen, in das alle von außen reinschauen. Vielleicht<br />
war ich deshalb so still, schüchtern und reserviert in<br />
früheren <strong>Interview</strong>s – weil ich möglicherweise hoffte, wenn<br />
ich mich ganz still und ruhig verhalte …<br />
CROSLEY: … würde die Schlange dich nicht beißen?<br />
HEMINGWAY: Ja! Zumal ich große Angst hatte, vorschnell<br />
abgeurteilt zu werden. Es ging, wieder einmal, nur<br />
darum, die Kontrolle über mein Leben zu behalten. Um<br />
die Frage, wie ich da jetzt wieder durchkomme – und<br />
trotzdem okay zu sein. Irgendwann kriegt man die Kurve.<br />
Und versteht, dass weder das Leben noch die Umstände<br />
noch die Genetik ein Gefängnis sein müssen. Jeder kann<br />
seine Geschichte selber wählen. Und der erste Schritt ist<br />
es, diese überhaupt zu erzählen.<br />
CROSLEY: Im Film sprichst du von dem selbst verordneten<br />
Gesundheitsdiktat und deiner Rolle als Märtyrer<br />
innerhalb der Familie. Sehen die anderen Mitglieder der<br />
Familie das auch so? Erkennen sie an, dass du die<br />
Kontrolle behältst?<br />
HEMINGWAY: Oh, definitiv. Schon als Kind war ich immer<br />
die, der es okay ging, die keine Hilfe oder Zuwendung<br />
braucht, da es ihr ja okay geht. Als ich dann mit 16 nach<br />
New York ging, hätte ich mir jedoch nichts mehr gewünscht,<br />
als dass jemand sagt: „Zieh nicht nach New York.<br />
Wir helfen dir! Wir lieben dich! Wir wollen, dass du<br />
bleibst.“<br />
CROSLEY: Du wolltest Eltern.<br />
HEMINGWAY: Ja. Jemanden, der eine Ansage macht. Aber<br />
die kam nicht. Und so zog ich los. Schließlich hatte ich<br />
das ja auch angekündigt.<br />
CROSLEY: Du hast zwei junge, wunderschöne und sehr unabhängige<br />
Töchter. Als ich euch drei zusammen im Film<br />
sah, fragte ich mich, ob du manchmal spürst, dass du zu beschützend<br />
sein willst? Wahrscheinlich bist du ständig in<br />
Depressionsrufbereitschaft …<br />
HEMINGWAY: Nicht mehr. Früher war Langley immer<br />
das stille Mädchen, das Stunde um Stunde einfach nur in<br />
seinem Zimmer saß. Da habe ich mir schon meine<br />
Gedanken gemacht.<br />
CROSLEY: Die Bilder, die sie malt, sind umwerfend.<br />
HEMINGWAY: Und sie hat sich seit den Filmaufnahmen<br />
noch sehr gesteigert! Trotzdem: Bei ihr war ich besonders<br />
alarmiert. Dree war die Verrückte, die immer mit einem<br />
doppelten „Fuck you!“ durchs Leben ging. Sie war es, die<br />
sagte: „Ich bin eh irre, fickt euch alle! Ich werde nur<br />
das machen, auf was ich Bock habe, und das essen, was ich<br />
will. Meine Mutter ist verrückt! Sie behauptet, Reiswaffeln<br />
wären Kekse, ich hasse sie.“<br />
CROSLEY: Hast du Dree wirklich erzählt, Reiswaffeln<br />
wären Kekse?<br />
HEMINGWAY: Ja (lacht).<br />
CROSLEY: Na ja, sie hätte auch selbst rausfinden können,<br />
dass da was nicht stimmt.<br />
HEMINGWAY: Exakt! Aber das Gute ist: Auch bei ihr<br />
schließt sich jetzt der Kreis. Sie ist 25, und unsere<br />
Beziehung wird immer enger. Der Weg dahin war kein<br />
leichter – zumal Dree immer Margaux in Schutz<br />
genommen und verteidigt hat. Das war hart für mich,<br />
zumal sie Margaux gar nicht kannte.<br />
CROSLEY: Dree nennt Margaux ihr Vorbild. Vielleicht<br />
spürt auch sie den Geist des Urgroßvaters, wenn sie sagt,<br />
sie wolle lieber Schriftstellerin anstatt Model sein.<br />
HEMINGWAY: Dree kannte, ebenso wie die Öffentlichkeit,<br />
nur das Model Margaux. Jedoch nicht ihr Leid, ihre<br />
Art zu denken, ihren Schmerz und die Art und Weise, wie<br />
ich zu Margaux stand und für sie fühlte. Gleichzeitig<br />
verstehe ich sie auch. Dree ist ein Model – Margaux war<br />
ein berühmtes Model in den Siebzigern. Diese Verbindung<br />
verstehe ich. Dennoch schmerzte es sehr zu hören,<br />
dass sie sich Margaux als Vorbild ausgesucht hatte. Sie<br />
hätte doch auch mich nehmen können.<br />
CROSLEY: Warst du eigentlich jemals auf Kuba, in der Stadt,<br />
deren Namen du trägst?<br />
HEMINGWAY: Ja, vier- oder fünfmal. Es ist wirklich<br />
wunderschön dort. Eine verarmte Gegend, in der viel<br />
falsch läuft. Aber eben auch vieles sehr richtig.<br />
CROSLEY: Wissen die Leute dort eigentlich, wer du bist?<br />
HEMINGWAY: Ja, das tun sie. Vielleicht sollte ich nach<br />
Kuba ziehen und als Celebrity leben (lacht).<br />
CROSLEY: Ach, der Name funktioniert doch auch in Amerika.<br />
HEMINGWAY: Na ja, in Amerika kommt es sehr darauf an,<br />
wo man ist. An der Westküste heißt es doch gerne: „Sie<br />
sieht so bekannt aus … Ist sie vielleicht diese Malerin?“<br />
CROSLEY: Oder: „Hemingway, Hemingway … das sind<br />
doch die aus dem Film auf HBO.“<br />
"Die Leute glauben<br />
tatsächlich,<br />
Ernests Kunst wäre<br />
entstanden, während<br />
er besoffen war"<br />
HEMINGWAY: Und: „Ich kenne ihre Tochter, die ist doch<br />
dieses tolle Model.“<br />
CROSLEY: Als du ein Kind warst, wusste ganz Amerika,<br />
wer dein Großvater ist. Wurdest du als junge Schauspielerin<br />
nicht ständig als Ernest Hemingways Enkelin<br />
definiert?<br />
HEMINGWAY: Ja, klar. Damals lag das noch enger<br />
zusammen.<br />
CROSLEY: Enger in welchem Sinne? Näher am Zeitpunkt<br />
seines Todes?<br />
HEMINGWAY: Genau. Sein Wirken war damals den<br />
Menschen auch noch viel präsenter. Das hat es für mich<br />
zeitweise sehr schwer gemacht, einfach, weil der<br />
Name eine solche Bürde, eine solche Last darstellte.<br />
.<br />
103
.<br />
01<br />
02<br />
05<br />
03<br />
Mariel Hemingway<br />
104<br />
06<br />
DOIN’ IT THE HEMING WAY: 1 Mariel und Patrice<br />
Donnelly im Film „Personal Best“, 1982 2 Mariel<br />
bei der Yves-Saint-Laurent-Fashion-Retrospektive<br />
im Metropolitan Museum of Art in New York, 1983<br />
3 Großvater Ernest in seinen Fünfzigern 4 Auf dem<br />
Cover von INTERVIEW, Mai 1978 5 Mariel, 1978<br />
6 Mariel mit Tochter Langley, 1989 7 Zwei Amerikaner<br />
in Paris: Mariel und Vater John, Mai 1979<br />
07<br />
11<br />
10<br />
12<br />
08<br />
09<br />
04<br />
FOTOS: 1. WARNER BROS/Kobal Collection/images.de 2. Ron Galella/Getty Images 3. ddp images/Sipa 4. Stan<br />
Shaffer für INTERVIEW US Mai 1978 5. Ron Galella/Getty Images 6. Robin Platzer/Getty Images 7. Pierre Vau-
they/Corbis 8. SZ Photo 9. Georges De Keerle/Getty Images 10. dpa Picture-Alliance/Copyright © CSU Archives/<br />
Everett 11. Stan Shaffer für INTERVIEW US Mai 1978 12. Ron Galella/Getty Images<br />
Er ist toll, keine Frage, aber man trägt auch eine große<br />
Verantwortung, schließlich will man den Namen nicht in<br />
den Schmutz ziehen, missbrauchen, billig machen.<br />
Deswegen hatten Margaux und ich es oft auch schwer<br />
miteinander. Ich wusste einfach nicht, wie abgefuckt<br />
und auf wie vielen Drogen sie wirklich war. Ich hatte keine<br />
Ahnung, wie schwer das Leben für sie war.<br />
CROSLEY: Wusstest du, dass sie außerdem Legasthenikerin<br />
war?<br />
HEMINGWAY: Das wusste ich. Auch die Sache mit dem<br />
Alkohol. Aber ich hatte keine Ahnung, dass alles ständig<br />
passierte. Wenn wir uns als Familie an Weihnachten<br />
trafen, riss sie sich zusammen und spielte ihre Rolle. Dann<br />
war sie gut drauf. Ich werde nie diese traurigen Augen vergessen,<br />
wenn sie mit unserem Vater an Weihnachten sprach.<br />
CROSLEY: Der Film ist vor allem dann stark, wenn ihr<br />
aufrichtig über Depressionen sprecht. In einer Szene besuchst<br />
du das Grab deines Großvaters, auf dem etliche<br />
kleine Flaschen Jack Daniels liegen, die irgendwelche Fans<br />
dort deponiert haben. Das sagt sehr viel darüber aus,<br />
was für ein Bild die Menschen eigentlich von ihm haben.<br />
HEMINGWAY: Eines, das überhaupt nichts mit dem zu<br />
tun hat, wie er eigentlich war! Die Leute glauben<br />
tatsächlich, seine Kunst wäre entstanden, während er besoffen<br />
war. Aber das war nie der Fall. Er hat nie besoffen<br />
geschrieben, sondern nur am frühen Morgen. Gleichzeitig<br />
verherrlichen sie sein couragiertes Leben als eines, in dem<br />
es nur darum ging, möglichst abgefuckt zu sein. Aber das<br />
war er nicht. In Wirklichkeit war er sehr diszipliniert.<br />
Natürlich trank er zu viel und lebte ein hartes Leben, aber<br />
er war ein ernsthafter Denker und darin sehr diszipliniert.<br />
Abhängig zu sein und ein Leben am Abgrund zu führen<br />
ist nicht cool – auch wenn viele Schreiber diese falsche<br />
Vorstellung von ihm ebenso glorifizieren wie seine Werke.<br />
Und auch noch denken, sie müssten genauso leben.<br />
CROSLEY: Im Film führst du den Zuschauer in das<br />
Zimmer, in dem sich Ernest das Leben nahm. Eine Kameraeinstellung<br />
zeigt eine Lampe. Bei dieser Einstellung<br />
drängte sich mir das Gefühl auf, sie ziele darauf ab, den<br />
vermeintlich letzten Blick von Ernest Hemingway einzufangen.<br />
HEMINGWAY: Das habe ich aber nicht gemacht, um in seine<br />
letzten Eindrücke und Gedanken einzutauchen. Sondern<br />
einfach, um zu zeigen, warum ich mich in diesem Haus seit<br />
meiner Kindheit stets unwohl gefühlt habe. Ich wollte<br />
zeigen, dass nichts Besonderes verborgen liegt in diesem<br />
Raum, dass es nichts Schönes hat, sich umzubringen.<br />
Nicht einmal die Aussicht war schön. Sie war besonders<br />
schlecht. Und er war am Ende seines Lebens. Er konnte<br />
nicht mehr schreiben – und das hat ihn zerstört. Deswegen<br />
wollte er nicht mehr weiter. Er war eben Schriftsteller.<br />
CROSLEY: Ich möchte zum Abschluss noch ein eher<br />
skurriles Detail des Films mit dir besprechen: Du erwähnst<br />
eine Kaffeeschaumdiät, was hat es damit auf sich?<br />
HEMINGWAY: Habe ich das wirklich erwähnt? Oh nein!<br />
CROSLEY: Ich habe es mir extra notiert.<br />
8 Das Model Margaux Hemingway 9 Christopher<br />
Reeve und Mariel während der Dreharbeiten zu<br />
„Superman 4“, 1986 10 Mariel, 14, und Margaux<br />
in New York, 1976 11 Mariel in INTERVIEW,<br />
Mai 1978 12 Mariel Hemingway bei der Richard-<br />
Avedon-Eröffnung im New Yorker Met, 1978<br />
"Eigentlich war es die Idee<br />
einer Freundin. Sie meinte:<br />
,Du musst die Geschichte<br />
eurer Familie erzählen!'<br />
Daraufhin sagte ich: ,Hast du<br />
den Verstand verloren? Die<br />
sind alle verrückt!'"<br />
HEMINGWAY: Ich war eine Zeit lang besessen von allem,<br />
was mit Essen und mit meinem Gewicht zu tun hatte. Ich<br />
wollte um jeden Preis vermeiden, fett zu werden. Der<br />
übliche Kreislauf.<br />
CROSLEY: Weil deine Schwester so stark zugenommen<br />
hatte? Oder weil du Schauspielerin warst? Oder weil alle in<br />
deinem Haus plötzlich Models wurden?<br />
HEMINGWAY: Sicher auch, weil ich Schauspielerin war –<br />
und nicht mit ansehen konnte, wie Margaux fetter und fetter<br />
wurde. Da mich die Leute ohnehin ständig mit ihr<br />
verwechselten, fürchtete ich, die Leute könnten denken, ich<br />
sei fett geworden. Ich war ziemlich durch den Wind.<br />
CROSLEY: Und die Kaffeeschaumdiät …<br />
HEMINGWAY: … geht so: ein Löffel löslicher Kaffee,<br />
eine Tasse heißes Wasser und eine Menge Eiswürfel. All<br />
das kippte ich in einen Mixer – und schon hatte ich<br />
eine fast 40 Zentimeter hohe Kaffeeschaumsäule, die ich<br />
munter weglöffelte, was mehr oder weniger Luft essen<br />
gleichkommt. Das habe ich mehrfach pro Tag gemacht –<br />
ich war also voll auf Koffein, während ich gleichzeitig<br />
hungerte.<br />
CROSLEY: Kannst du dich eigentlich an die letzte Zeile aus<br />
Woody Allens Film Manhattan erinnern?<br />
HEMINGWAY: „You have to have a little faith in people.“<br />
CROSLEY: Du warst deiner Filmfigur ziemlich ähnlich:<br />
eine reservierte, entschlossen <strong>erwachsen</strong> wirkende<br />
17-Jährige …<br />
HEMINGWAY: Ich war noch so ein Kind. Ich wusste nicht<br />
einmal, wer all diese Schauspielerinnen waren. Meryl<br />
Streep kannte damals noch niemand, aber Diane Keaton?<br />
Dabei war Diane so wahnsinnig nett zu mir. Es war<br />
wirklich alles total bizarr. Ich, das kleine Mädchen in New<br />
York. Ich wusste nicht einmal, wer dieser Woody Allen<br />
war. Ich dachte immer nur: „Dieser Woody ist schon sehr<br />
merkwürdig. Aber er ist nett zu mir.“ (lacht) Später<br />
wurde ich zu den Academy Awards eingeladen – und auch<br />
da hatte ich nicht die geringste Ahnung, was für eine<br />
Veranstaltung das überhaupt sein soll.<br />
CROSLEY: Du wusstest nicht, was die Oscars waren?<br />
HEMINGWAY: Ich wohnte in Idaho. Wir hatten drei<br />
Fernsehsender!<br />
.<br />
105
.<br />
Kleid MISSONI<br />
Haarband<br />
JENNIFER BEHR<br />
Kette (durchgehend<br />
getragen)<br />
TIFFANY & CO.<br />
Dree Hemingway<br />
106
.<br />
Ohrringe EDDIE<br />
BORGO Paillettenjacke<br />
BLUMARINE<br />
Shorts NIKE<br />
Die junge Frau und<br />
das Mehr<br />
DREE HEMINGWAY IST FOTOGEN WIE IHRE<br />
TANTE UND BODENSTÄNDIG WIE IHRE MUTTER.<br />
DAS HILFT, WENN MAN SICH FÜR EIN LEBEN<br />
IM SCHEINWERFERLICHT ENTSCHIEDEN HAT<br />
Von Raha Emami Khansari<br />
Fotos Sebastian Faena<br />
Styling Julia von Boehm<br />
107
.<br />
Dree Hemingway<br />
108
Hemd SAINT LAURENT<br />
BY HEDI SLIMANE<br />
Ohrringe EDDIE BORGO<br />
Sneaker NIKE<br />
.
.<br />
Dree Hemingway<br />
110<br />
Hose EMANUEL UNGARO<br />
Gürtel & Schnalle<br />
ROBERT LEE MORRIS
.<br />
111<br />
Besticktes Spitzenkleid<br />
DOLCE & GABBANA
.<br />
Dree Hemingway<br />
112<br />
Hemd EQUIPMENT<br />
Gürtel & Schnalle<br />
KIESELSTEIN-CORD
"Wenn es in den<br />
Häusern anders<br />
roch als bei uns,<br />
dann konnte ich<br />
da einfach nicht<br />
schlafen"<br />
.<br />
Badetuch<br />
MISSONI HOME<br />
DREE HEMINGWAY: Tut mir leid, dass ich gestern nicht zu<br />
unserem Skype-Date aufgetaucht bin, da gab es wohl ein<br />
paar Missverständnisse … Ich musste wirklich laut lachen,<br />
als ich den Songtext gelesen habe, den Sie wartend für<br />
mich gedichtet haben.<br />
INTERVIEW: Ja, ich habe mich ein wenig gelangweilt … Ihr<br />
Name ist ja auch wirklich so merkwürdig, dass er quasi<br />
dazu einlädt, irgendetwas daraus zu machen.<br />
HEMINGWAY: Mein Vater hatte als Kind an seinem Arm<br />
oder an seinem Bein einen Gipsverband, mit dem er<br />
immer an sein Kinderbett haute und schrie: „Dree! Dree!“<br />
Ziemlich bizarr. Und aus irgendeinem Grund hielt er es<br />
für eine super Idee, dass sein Kind so heißen sollte, ist ja<br />
Kindersprache. Und meine Mutter fand’s wohl auch gut.<br />
INTERVIEW: Sie haben vor zwei Tagen getwittert, dass Sie<br />
Ihre Mutter vermissen – was war da los?<br />
HEMINGWAY: Ich habe sie in Kalifornien besucht, und als<br />
ich dann wieder fahren musste, hatte ich plötzlich einen<br />
großen Kloß im Hals – ich habe mich wieder gefühlt wie<br />
ein kleines Kind. So wie beim ersten Mal ins Schulland<br />
heim zu fahren. Ich habe als Kind immer vorher geheult,<br />
dass ich zu Hause bleiben will und nicht mit auf<br />
Klassenfahrt. Das war das erste Mal, dass mir das als Er-<br />
wachsene passiert ist. Ich besuche sie doch ständig! Keine<br />
Ahnung, was diesmal anders war.<br />
INTERVIEW: Mussten Sie auch schon mal vorzeitig aus dem<br />
Landheim abgeholt werden?<br />
HEMINGWAY: Ja, manchmal … Und selbst wenn ich bei<br />
Freundinnen schlafen wollte, kam es schon mal vor, dass<br />
ich zu deren Eltern gegangen bin und gesagt habe, dass<br />
sie mich nach Hause fahren müssen. Ich hatte so einen Fimmel,<br />
was Gerüche angeht: Wenn es in den Häusern<br />
anders roch als bei uns oder ich den Geruch einfach nicht<br />
mochte, dann konnte ich da einfach nicht schlafen!<br />
INTERVIEW: Waren Sie ein anstrengendes Kind?<br />
HEMINGWAY: Ich war niemals wirklich rebellisch. Ich<br />
wollte immer mein Ding machen, aber meine Eltern<br />
vertrauten mir sehr und waren ziemlich offen. Sie meinten:<br />
„Wenn du Alkohol trinkst, wirst du betrunken. Aber<br />
du kannst uns das ruhig erzählen.“ Wenn es nicht verboten<br />
ist, ergibt es irgendwie keinen Sinn, es zu tun.<br />
Schließlich liegt darin der Spaß.<br />
INTERVIEW: Ihre Mutter versuchte, Ihnen Reiswaffeln als<br />
Kekse zu verkaufen. Verabscheuen Sie sie immer noch?<br />
HEMINGWAY: Ich habe sie mit der Zeit lieben gelernt!<br />
Sie hat auch immer versucht, uns morgens Eier unterzujubeln,<br />
weil meine Schwester und ich keine Eier mochten.<br />
Sie wollte aber unbedingt, dass wir morgens unsere<br />
Proteinzufuhr bekamen. Sie machte dann jeden Morgen<br />
Quesadilla und tat Eier rein. Als ich das rausfand, war<br />
ich so wütend auf sie, habe die Quesadilla auseinandergenommen<br />
und geschrien: „Ich hasse Eier!“<br />
INTERVIEW: Meine Mutter hat früher versucht, mir<br />
Karottensaft anzudrehen, indem sie ihn in andere Säfte<br />
mischte – ich hab’s aber immer gemerkt, weil Karottensaft<br />
so penetrant ist!<br />
HEMINGWAY: Es ist so witzig, was Eltern tun, um ihren<br />
Kindern Essen anzudrehen. Meine Mutter wollte mir auch<br />
immer Fisch als Hühnchen verkaufen, indem sie ihn<br />
panierte! Irgendwann fing ich an, alles im Kühlschrank zu<br />
inspizieren, und musste dann von Anfang an dabei sein,<br />
wenn sie kochte – damit ich sah, was sie alles in das Essen<br />
tat. Ich mag Fisch inzwischen, aber Lachs hasse ich<br />
immer noch. Er schmeckt, wie er riecht: eklig.<br />
INTERVIEW: Als Mädchen aus Idaho wissen Sie aber, wie<br />
man Fische fängt, oder?<br />
HEMINGWAY: Nein, nicht wirklich … Letzten Sommer<br />
hat der Vater meines Freundes versucht, es mir<br />
beizubringen, aber ich habe überhaupt nichts gefangen.<br />
Ich glaube, ich habe den Fischen schlechte Vibes gegeben.<br />
Ich glaube, die Fische waren nur so: „Ähm, nö,<br />
deinen Wurm mögen wir nicht.“<br />
113
BH ERES<br />
Ohrringe EDDIE BORGO<br />
Jeans BLK DNM<br />
Sandaletten SCHUTZ<br />
.
Dree Hemingway<br />
116<br />
"Ich habe es kaum<br />
geschafft. Es passiert ja<br />
nichts – außer<br />
dass ein alter Mann<br />
am Meer ist"<br />
INTERVIEW: Warum wollten Sie eigentlich nicht, dass Ihre<br />
Mutter Sie für uns interviewt?<br />
HEMINGWAY: Ich finde es bescheuert, dass sie mich interviewen<br />
soll, weil sie eine berühmte Persönlichkeit ist.<br />
Sie ist schließlich immer noch meine Mutter. Ich würde sie<br />
auch nicht interviewen wollen. Wenn ich was von ihr<br />
wissen will, frage ich sie. Das brauche ich nicht für ein<br />
Magazin aufzuschreiben. Es wäre einfach nicht<br />
authentisch gewesen.<br />
INTERVIEW: Aber für ihren Film Running From Crazy<br />
haben Sie sich von ihr interviewen lassen.<br />
HEMINGWAY: Ja, aber das war anders. Es wurde gefilmt,<br />
und ich habe ihr gesagt, dass ich schonungslos sein<br />
werde. Ich habe mir den Film auch noch nicht angeschaut.<br />
INTERVIEW: Warum nicht?<br />
HEMINGWAY: Ich liebe meine Mutter, aber ich finde es<br />
ziemlich aufdringlich der Familie gegenüber, was sie da tut.<br />
Nur weil wir Hemingway als Nachnamen tragen, heißt<br />
es noch lange nicht, dass man seine dreckige Wäsche vor<br />
der ganzen Welt waschen muss.<br />
INTERVIEW: Hat sie Sie gefragt, bevor sie den Film angefangen<br />
hat?<br />
HEMINGWAY: Ich wusste, dass sie es vorhat, und ich habe<br />
ihr von Anfang an gesagt, dass ich nichts damit zu tun<br />
haben möchte – was damit endete, dass ich mich doch<br />
von ihr für den Film interviewen ließ. Es bedeutete ihr so<br />
viel, und sie hat mich dann überredet. Ich liebe sie und<br />
unterstütze sie gerne in allem, was sie tut, aber ich muss es<br />
mir nicht anschauen. Ich habe so schöne Erinnerungen<br />
an meine Tante und an meine Familie. Ich liebe jeden<br />
Einzelnen für das, was er ist – egal, wie kaputt er ist. Die<br />
Leute sind so wertend, und das ist es, was diese Menschen<br />
verletzt.<br />
INTERVIEW: Fühlen Sie sich bewertet?<br />
HEMINGWAY: Nein. Es kümmert mich jedenfalls nicht.<br />
Man kann nicht von allen geliebt werden. Das, was ich an<br />
meinem Freund liebe, können andere Leute richtig<br />
anstrengend finden. Die Rigatoni, die ich <strong>gerade</strong> für ihn<br />
koche, kommen jetzt in den Topf! Ich mache ein Foto<br />
davon und schicke es Ihnen.<br />
INTERVIEW: Normalerweise finde ich es total bescheuert,<br />
dass Leute Fotos von ihrem Essen machen und<br />
es hochladen.<br />
HEMINGWAY: Wenn Leute sagen: „Ist es nicht das Furchtbarste,<br />
wenn Leute Fotos von ihrem Essen machen?“,<br />
sage ich auch immer nur: „Ja klar, total!“ Und dann schicke<br />
ich heimlich meine Bilder rum.<br />
INTERVIEW: Was haben Sie für Erinnerungen an Ihre<br />
Tante Margaux?<br />
.<br />
HEMINGWAY: Nur dass ich sie über alles geliebt habe. Vergöttert.<br />
Sie hatte diese Fähigkeit, einen Raum zu<br />
betreten und ihn zu erhellen. Ich erinnere mich, wie sie<br />
jedes Mal, wenn sie zu uns kam, meine ganze Aufmerksamkeit<br />
auf sich zog und ich nur dachte: „Das ist die<br />
schönste Frau, die ich je gesehen habe. Und sie ist mit mir<br />
verwandt!“ Ich wusste nicht, dass sie als Model arbeitete.<br />
INTERVIEW: Erinnern Sie sich an ihren Tod?<br />
HEMINGWAY: Ja. Ich konnte nicht wirklich gut damit<br />
umgehen. Ich habe mir eine Zeit lang eingeredet, dass es<br />
nicht passiert ist, weil ich es einfach nicht glauben<br />
wollte. Ich war ja auch noch sehr jung.<br />
INTERVIEW: Hat Ihre Mutter es Ihnen erzählt?<br />
HEMINGWAY: Ja, sie sagte einfach: „Deine Tante ist<br />
gestorben.“ Es ist ja eigentlich nicht klar, was passiert ist.<br />
Sie hatte definitiv eine Überdosis, aber es ist ungeklärt,<br />
ob es Selbstmord war. Sie hat keinen Brief hinterlassen,<br />
und ich glaube irgendwie nicht, dass sie diese Welt mit<br />
Absicht verlassen würde, ohne sich zu verabschieden.<br />
INTERVIEW: Was denkt Ihre Mutter darüber?<br />
HEMINGWAY: Ich weiß es nicht. Es geht ja auch nicht um<br />
uns und was wir darüber denken. Sondern darum, wie<br />
viel diese Menschen ertragen können oder eben nicht mehr.<br />
INTERVIEW: War es nicht seltsam, auf eine Schule zu<br />
gehen, die Ihren Namen trug?<br />
HEMINGWAY: Es war definitiv cool, dass die Schule<br />
denselben Namen hatte wie ich. Aber eine Fünfjährige<br />
interessiert sich nicht so wirklich für einen alten<br />
Mann, der Bücher geschrieben hat. Ich war mehr damit<br />
beschäftigt rauszufinden, wie man Freunde findet und so.<br />
INTERVIEW: Und, hat es funktioniert?<br />
HEMINGWAY: Ich habe eher allein im Garten abgehangen,<br />
vor mich hingesungen und komische Collagen aus<br />
Steinen auf dem Boden gebaut – ziemlich erbärmlich. Ich<br />
hatte nicht das Gefühl, mit den Kindern in meinem<br />
Alter wirklich klarzukommen. Ich bin immer viel rumgereist<br />
als Kind und habe wegen meiner Eltern an<br />
Filmsets abgehangen, mit den Älteren eben. Die hängen<br />
mit dir ab, weil sie dich süß finden, und ich dachte eben,<br />
das seien dann wohl meine Freunde.<br />
INTERVIEW: Wie viele Bücher von Ihrem Urgroßvater<br />
haben Sie nicht zu Ende gelesen?<br />
HEMINGWAY: Der alte Mann und das Meer musste ich in der<br />
Schule lesen und habe es kaum geschafft, ich war so<br />
gelangweilt – es passiert ja nichts, außer dass ein alter Mann<br />
am Meer ist. Ich war ein ziemlich stures Kind und<br />
mochte es nicht, wenn man mir sagte, was ich zu tun hatte.<br />
Ich wurde gezwungen, das Buch zu lesen, und die<br />
Leute starrten mich an und erwarteten, dass ich es gut<br />
finden würde. Also fand ich es scheiße.<br />
INTERVIEW: Wer hat erwartet, dass Sie es gut finden?<br />
HEMINGWAY: Meine Lehrer: Ich meine, das waren Leute,<br />
die Amerikanische Literatur studiert hatten und<br />
Riesenfans von Ernest Hemingway waren. Die waren<br />
natürlich aus dem Häuschen, dass seine Urenkelin in<br />
ihrer Klasse saß – die sich einen Scheiß dafür interessierte.<br />
Ich habe ziemlich lange gewartet, bis ich wieder etwas<br />
von ihm gelesen habe.<br />
INTERVIEW: Ich kann es jedenfalls voll und ganz verstehen,<br />
dass Sie lieber Harry Potter lesen … Was würden Sie<br />
machen, wenn Sie einen Tarnumhang geschenkt bekämen?<br />
HEMINGWAY: Alles! Wahrscheinlich würde ich mich in<br />
den Backstagebereich eines Jay-Z-Konzerts schleichen.
.<br />
117<br />
Hut ELLEN CHRISTINE<br />
Ohrringe EDDIE BORGO<br />
Hemd CHLOÉ<br />
Shorts MARC JACOBS<br />
Gürtel & Schnalle<br />
KIESELSTEIN-CORD
Pelzmantel PRADA<br />
.
MODEL Dree Hemingway / DNA Models<br />
MAKE-UP Frankie Boyd / Tim Howard<br />
Management HAIR Kevin Ryan / Art + Commerce<br />
MANICURE Honey / Exposure NY SET DESIGN<br />
Bryn Bowen / Magnet Agency PRODUCTION<br />
Helena Martel Seward PHOTO ASSISTANTS<br />
Carlos Ruiz, Alex Austin DIGITAL TECHNICIAN<br />
Patrick Klinc FASHION ASSISTANT Clare Joan<br />
Byrne SET DESIGN ASSISTANT Kori Hellebust<br />
PRODUCTION ASSISTANTS Eric Reeves, Ben<br />
Shapiro FASHION INTERNS Anny Choi, Chris Lee<br />
.
.<br />
<strong>Interview</strong> mit<br />
einem Vampir<br />
AUF EINE E-ZIGARETTE MIT „TWILIGHT“-STAR UND<br />
DIOR-HOMME-MODEL ROBERT THOMAS PATTINSON<br />
V Jörg Harlan Rohleder<br />
Fot Nan Goldin<br />
Rert Thas Pattins<br />
120<br />
Er hat den Elefanten Wasser<br />
gegeben, gegen Werwölfe<br />
gekämpft und ist als Vampir<br />
unsterblich geworden. Doch erst als<br />
die Boulevardmeute monatelang<br />
Robert Pattinsons Beziehung<br />
zu Kristen Stewart sezierte, wurde<br />
aus dem Teenieschwarm ein<br />
echter Mann. Es war gewiss keine<br />
einfache Zeit für Robert Pattinson.<br />
Umso angenehmer war dann<br />
unser Treffen mit dem eigentlich<br />
schüchternen<br />
Engländer
.<br />
Rert Thas Pattins<br />
122<br />
ROBERT PATTINSON: Ich hoffe, es stört Sie nicht,<br />
wenn ich rauche.<br />
INTERVIEW: Was rauchen Sie denn?<br />
PATTINSON: Meine E-Zigaretten. Ich versuche<br />
schon lange, komplett aufzuhören, aber dieses<br />
Modell ist ziemlich einmalig: Jede Zigarette<br />
hält ungefähr so lange wie zwei Schachteln<br />
echter Kippen. Und dann, wenn es vorne nicht<br />
mehr glüht, wirft man das Ding einfach<br />
weg. Wie bei einer echten Zigarette. Das gefällt<br />
mir. Wollen Sie eine?<br />
INTERVIEW: Klar!<br />
PATTINSON: Und?<br />
INTERVIEW: Ich mag alles, was raucht.<br />
PATTINSON: Die hier sind auch besonders stark.<br />
Ich fahr ständig zu 7-Eleven und hole mir<br />
Nachschub. Man kann die Dinger sogar im<br />
Flugzeug rauchen. Oh Gott, ich klinge wie<br />
ein Vertreter für E-Zigaretten.<br />
INTERVIEW: Dabei sollen Sie heute doch für<br />
Dior werben. Wie fühlt es sich an, das neue<br />
Gesicht von Dior Homme zu sein?<br />
PATTINSON: Eigentlich wollte ich nie Werbung<br />
machen …<br />
INTERVIEW: … und dann war eines Morgens<br />
Ihr Parfüm alle?<br />
PATTINSON: Ich benutze gar kein Parfüm!<br />
INTERVIEW: Dürfen Sie das sagen?<br />
PATTINSON: Mit 13 oder 14 habe ich ständig<br />
Parfüm benutzt, heute gar nicht mehr.<br />
Wahrscheinlich dachte man damals, es würde<br />
einem eine <strong>erwachsen</strong>ere Note verleihen. Es<br />
war also wichtig, bis die ersten Bartstoppeln<br />
zu sehen waren.<br />
INTERVIEW: Der Regisseur Romain Gavras<br />
verriet vorhin, Sie hätten den BMW beim
.<br />
Rert Thas Pattins<br />
124<br />
" Ich modelte für dieses<br />
Teenieheft ,Bliss'.<br />
Jede Ausgabe konnten die<br />
Girls die Bliss-Boys rausoder<br />
reinwählen. Ich<br />
hielt mich ein Jahr oder so<br />
– was vielleicht auch daran<br />
gelegen haben könnte,<br />
dass ich ständig für mich<br />
selbst angerufen habe"<br />
Catch me if you can:<br />
Robert Pattinson,<br />
New York,<br />
Sommer 2013
Videodreh zu Schrott gefahren.<br />
PATTINSON: Wie bitte?? Wir hatten<br />
abgemacht, dass er das nicht erzählt! Und<br />
ganz kaputt war der Wagen ohnehin nicht.<br />
INTERVIEW: Was ist denn passiert?<br />
PATTINSON: Ich sollte mit hundert Sachen<br />
einen sechs Meter schmalen Sandstreifen<br />
langfahren – während gleichzeitig die Wellen<br />
ankamen – und rutschte weg. Danach<br />
sind der Wagen, die Models und ich in Sand,<br />
Schlamm und Algenschmodder versunken.<br />
INTERVIEW: Haben Sie das Ihrem Vater schon<br />
gebeichtet?<br />
PATTINSON: Wegen der Models? Nein, wieso?<br />
INTERVIEW: Ich dachte, Ihr Vater handelt mit<br />
alten Autos.<br />
PATTINSON: Oh Shit, das stimmt. Ich hatte<br />
gehofft, der BMW falle nicht darunter. Nach<br />
dem ersten Twilight-Film fuhr ich übrigens<br />
genau dasselbe Modell in Schwarz. Der<br />
kostete <strong>gerade</strong> mal 1 000 Dollar – er hielt<br />
zwar nicht lange, aber heute ist es ein<br />
Klassiker. Glücklicherweise ist Dad mittlerweile<br />
im Ruhestand.<br />
INTERVIEW: Die Szene, in der es aussieht, als<br />
würden Sie und das Model kiffen, die haben<br />
Sie also nicht unmittelbar vorher gedreht?<br />
PATTINSON: Nein, haben wir nicht (lacht).<br />
INTERVIEW: Musste Romain Gavras oft<br />
umschneiden, bis die Bilder zum Image des<br />
Duftkonzerns passten?<br />
PATTINSON: Der Joint war jedenfalls nicht echt!<br />
INTERVIEW: Das Mädchen hingegen schon.<br />
PATTINSON: Vielleicht gibt es irgendwann ja<br />
mal den Director’s Cut, in dem auch die<br />
Zuschauer ihre Brüste sehen dürfen. Oh nein,<br />
das nehme ich zurück: Was für eine schreckliche<br />
Aussage.<br />
INTERVIEW: Zumal sich die meisten Zuschauer<br />
ohnehin lieber Sie als das Mädchen nackt<br />
wünschen würden.<br />
PATTINSON: Pfff.<br />
INTERVIEW: Seit Sie in Little Ashes den jungen<br />
Salvador Dalí spielten, ziehen Sie sich ja<br />
ständig vor der Kamera aus. Fällt Ihnen das<br />
eigentlich leicht?<br />
PATTINSON: Ich bin Engländer! Nein! Wobei,<br />
mittlerweile geht es, zumindest dann,<br />
wenn ich mich trainiert genug fühle. Aber<br />
selbst dann fällt es mir immer schwerer als<br />
allen anderen am Set. Stellen Sie sich das doch<br />
mal vor: Sie treffen Juliette Binoche zum ersten<br />
Mal in Ihrem Leben – und zehn Minuten<br />
später sollen Sie eine Sex szene mit ihr drehen.<br />
Das ist brutal. Bei der Dalí-Produktion in<br />
Spanien war es besonders schlimm, <strong>gerade</strong>zu<br />
beschämend: Wir hingen an einem<br />
Swimmingpool rum und sollten uns locker<br />
machen. Ich klammerte mich nervös am Rand<br />
fest – und ehe ich mich umdrehen konnte,<br />
war der Spanier schon nackt. Er schwamm gut<br />
gelaunt auf mich zu – und ich wusste überhaupt<br />
nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich<br />
kam mir vor wie Mr Bean. Das war allerdings<br />
auch meine erste Sexszene überhaupt.<br />
Und dann gleich mit einem Mann.<br />
INTERVIEW: Macht das für Sie einen großen<br />
Unterschied?<br />
PATTINSON: Rückblickend kann ich sagen:<br />
eigentlich nicht. Man küsst ja nicht wirklich.<br />
Eigentlich achtet man ständig nur darauf,<br />
ob man dabei gut rüberkommt, ob der<br />
Winkel stimmt, ob man gut dabei aussieht.<br />
INTERVIEW: Ach ja?<br />
PATTINSON: Es fühlt sich jedenfalls anders an<br />
als ein normaler Kuss.<br />
INTERVIEW: Die wenigsten Menschen werden<br />
beim Küssen gefilmt.<br />
PATTINSON: Stimmt, ich vergaß (lacht).<br />
INTERVIEW: Zurück zu Ihrem Nebenjob:<br />
Fühlen Sie sich Homme genug – oder wäre<br />
Dior Boy eher Ihr Ding gewesen?<br />
PATTINSON: Während des Drehs rief Romain<br />
jedenfalls die ganze Zeit: „Mehr Homme!“<br />
Und: „Robert, sei ein Homme!“<br />
INTERVIEW: Ihr Vorgänger war Jude Law.<br />
Anscheinend sind Engländer in den Augen<br />
der Franzosen mehr Homme als die eigenen<br />
Landsleute.<br />
PATTINSON: Lustig, oder? Wir Briten sind<br />
eben besonders männlich, gebildet, eloquent<br />
und gut aussehend.<br />
INTERVIEW: Und Sie haben noch mehr Haare<br />
als Jude Law.<br />
PATTINSON: Wie gemein!<br />
INTERVIEW: Schon während Ihrer Zeit in Hogwarts<br />
hieß es immer: „Der Junge in der Klasse<br />
über Harry Potter wird der neue Jude Law.“<br />
PATTINSON: Ja, so stand es in den Zeitungen.<br />
Aber heute sagt man das auch über ein<br />
Dutzend junger Typen, die als die nächsten<br />
Robert Pattinsons gefeiert werden.<br />
INTERVIEW: In China sind schon vor Wochen<br />
Bilder aufgetaucht, in denen Ihr Kopf einfach<br />
auf die alten Kampagnenmotive von Jude<br />
Law montiert wurde.<br />
PATTINSON: Das ist verrückt (lacht).<br />
INTERVIEW: Haben Sie Jude mal persönlich<br />
getroffen?<br />
PATTINSON: Leider nein. Aber ich bin mir<br />
sicher, er lacht auch über solche Stunts. Wir<br />
sind Engländer. Wir haben Humor. Und<br />
der schützt uns vor all dem Wahnsinn, der so<br />
passiert.<br />
INTERVIEW: In diesem Punkt haben Sie ja in<br />
den vergangenen zwölf Monaten einen völlig<br />
neuen Level erreicht.<br />
PATTINSON: In den vergangenen zwölf<br />
Monaten? Was war denn da? (lacht) Es war<br />
hysterisch, ja, aber eigentlich gilt das für die<br />
ganze Twilight-Zeit. Plötzlich traf ich überall<br />
nur noch auf Menschen, die dachten, sie<br />
würden mich kennen. Die schauen ein Bild<br />
von mir an und denken wirklich, sie hätten<br />
eine besondere Beziehung, eine Freundschaft,<br />
eine Liebesaffäre mit mir – mit jemandem,<br />
.<br />
den sie im Leben nie getroffen haben. Das ist<br />
schon verrückt. Und in manchen Momenten<br />
beängstigend und richtig gruselig. Aber ich<br />
versuche, darüber auch zu lachen. Nur wenn<br />
man über etwas lachen kann, kann man<br />
es auch verarbeiten. Vielleicht ist das ganze<br />
Celebrity-Ding, diese kaum mehr zu<br />
steigernde Hysterie, ja tatsächlich bald vorbei.<br />
Zumindest hoffe ich sehr darauf.<br />
INTERVIEW: Wann und vor allem warum<br />
sollte das Ihrer Meinung nach so kommen?<br />
PATTINSON: Ach, vielleicht in zehn oder<br />
zwanzig Jahren, dann, wenn die Wirtschaftskrise<br />
vorüber ist und die Leute sich wieder<br />
mit sich selbst und ihrem Konsum<br />
beschäftigen können – und nicht mehr den<br />
ganzen Tag das Internet aus Langeweile<br />
vollmüllen und Schwachsinn über Dritte<br />
niederschreiben.<br />
INTERVIEW: Sprechen Sie jetzt über sich oder<br />
den allgemeinen Drang der Fans, berühmten<br />
Menschen auf den Leib zu rücken?<br />
PATTINSON: Ganz allgemein. Das Internet hat<br />
all das doch so sehr verändert. Wenn man<br />
lange genug googelt, weiß man irgendwann<br />
alles über mich: was ich esse, wie mein<br />
Stuhlgang beschaffen ist, mit wem ich schlafe,<br />
wie mein Schwanz aussieht, sogar wie ich<br />
schaue, wenn ich onaniere …<br />
INTERVIEW: Ach ja?<br />
PATTINSON: Na ja, das ist vielleicht ein wenig<br />
überzeichnet. Aber mein Wichsgesicht ist für<br />
die Ewigkeit festgehalten.<br />
INTERVIEW: Seit Sie den jungen Dalí spielten.<br />
PATTINSON: Richtig.<br />
INTERVIEW: Kann man denn nicht einfach nur<br />
so tun als ob?<br />
PATTINSON: Versuchen Sie das mal. Ich kann<br />
Ihnen jetzt schon sagen: keine Chance. Das 125<br />
geht einfach nicht. Also hab ich mir vor der<br />
Kamera einen runtergeholt.<br />
INTERVIEW: Weil Sie hofften, dass nie jemand<br />
den Film zu Gesicht bekommt?<br />
PATTINSON: So ähnlich, ja. Nach den Dreharbeiten<br />
dachte ich für ein paar Tage, das sei<br />
das Ende meiner – zu diesem Zeitpunkt doch<br />
sehr kurzen – Schauspielkarriere. Dann aber<br />
bekam ich den Anruf, in dem es hieß: „Du<br />
hast die Rolle.“ Und dann ging Twilight los.<br />
INTERVIEW: Und nach dem ersten Teil von<br />
Twilight schnellten die Verkaufszahlen des<br />
Dalí-Films in ungeahnte Höhen.<br />
PATTINSON: Haha.<br />
INTERVIEW: Herr Pattinson, Sie sind in<br />
Barnes, im Südwesten Londons,<br />
aufgewachsen. Wie muss man sich Ihre<br />
Kindheit vorstellen?<br />
PATTINSON: Ziemlich normal. Ich war immer<br />
eher ein Durchschnittstyp, der stets darauf<br />
achtete, nicht in den Mittelpunkt gezerrt zu<br />
werden. Ein wenig schüchtern, auch unsicher.<br />
Deswegen habe ich mich nicht einmal für die<br />
Theater-AG eingeschrieben, obwohl ich nach
Rert Thas Pattins<br />
126<br />
dem Unterricht schon an einem kleinen<br />
Theater spielte.<br />
INTERVIEW: Ihr Vater importierte hochpreisige<br />
Autos, Ihre Mutter arbeitete bei einer<br />
Modelagentur. Sie selbst haben zu Schulzeiten<br />
gemodelt.<br />
PATTINSON: Und ich kann stolz von mir<br />
sagen, die erbärmlichste Modelkarriere der<br />
Welt gehabt zu haben.<br />
INTERVIEW: Dafür machen Sie bei Dior aber<br />
eine annehmbare Figur.<br />
PATTINSON: Anfangs lief es auch ganz okay,<br />
ich war groß und sah aus wie ein Mädchen.<br />
Es funktionierte, weil der androgyne Look<br />
<strong>gerade</strong> gefragt war. Aber dann wurde ich älter<br />
und männlicher – und schon buchte mich<br />
niemand mehr.<br />
INTERVIEW: Bei den Klassenkameradinnen<br />
kam das Modeln doch sicher ganz gut an.<br />
PATTINSON: Nicht wirklich. Ich habe versucht,<br />
meinen Nebenjob geheim zu halten. Ich war<br />
auf eine Art wohl schon immer ziemlich privat.<br />
Eigentlich gab es nur einen Zwischenfall, der<br />
an der Schule die Runde machte: Ich modelte<br />
für dieses Teenieheft Bliss – und darin gab es<br />
die Bliss-Boys. Jede Ausgabe konnten die Girls<br />
die Bliss-Boys raus- oder reinwählen. Ich hielt<br />
mich ziemlich lange, ein Jahr oder so – was<br />
vielleicht auch daran gelegen haben könnte,<br />
dass ich ständig für mich selbst angerufen<br />
habe. Pro Ausgabe gab es 150 Pfund (lacht).<br />
Wenn ich mir das so genau überlege, war das<br />
mein erfolgreichster Modeljob. Eigentlich<br />
bin ich eh nur zu den Castings gegangen, um<br />
Models zu sehen. Ich hab mich jedoch nie<br />
getraut, eins anzusprechen.<br />
INTERVIEW: In der Schule waren Sie jedoch<br />
nicht zu schüchtern, am Valentinstag Rosen<br />
in Schließfächer zu legen.<br />
PATTINSON: Woher wissen Sie das?<br />
INTERVIEW: Von der jungen Dame mit dem<br />
Schließfach.<br />
PATTINSON: Wow! Hat sie Ihnen auch erzählt,<br />
dass das mit der Rose gar nicht geklappt hat?<br />
Es war Valentinstag, wir waren 13 oder so,<br />
jedenfalls legte ich die Rose in ihr Fach – und<br />
mein bester Freund behauptete, er sei es gewesen.<br />
Eine Woche später war der dann mit<br />
ihr zusammen. Wie gesagt, ich hatte damals<br />
nicht so viel Glück.<br />
INTERVIEW: Sagt der Vampir, auf dessen Rosen<br />
Millionen von Mädchen warten.<br />
PATTINSON: Das klingt einfacher, als es ist.<br />
INTERVIEW: Waren Sie eigentlich traurig am<br />
letzten Drehtag von Twilight? Immerhin hat<br />
Edward Sie über Jahre begleitet.<br />
PATTINSON: Es gab so viele letzte Drehtage.<br />
Einen davon in der Karibik, auf Saint<br />
Thomas, der war fantastisch. Sonst haben wir<br />
fast ausschließlich bei schlechtem Wetter<br />
gedreht. Doch da schien die Sonne, wir waren<br />
am Strand und machten die ganze Zeit nur<br />
im Meer rum.<br />
INTERVIEW: Klingt gut.<br />
PATTINSON: Am wirklich letzten Tag haben<br />
wir in Kanada gefilmt. Und das war das<br />
absolute Gegenteil davon: Wir hatten zwei<br />
Wochen nur Nachtszenen gedreht, genau<br />
wie auch in dieser Nacht, es war bitterkalt<br />
und entsetzlich. Die ganze Crew wollte nur<br />
noch weg. Genau wie ich. Ich habe den<br />
ganzen Leuten nicht einmal mehr Tschüs gesagt,<br />
sondern bin einfach nur abgehauen.<br />
INTERVIEW: In einem <strong>Interview</strong> sagten Sie:<br />
„Die meisten Menschen nehmen nur – und<br />
geben nicht.“ Die einfache Frage heißt: Was<br />
hat Robert Pattinson zuletzt gegeben? Die viel<br />
spannendere Frage lautet jedoch: Was haben<br />
Sie sich zuletzt einfach nur genommen?<br />
PATTINSON: Wenn Sie „genommen“ sagen,<br />
muss ich sofort an Klauen denken.<br />
„Wenn man googelt,<br />
weiß man alles über<br />
mich: was ich esse,<br />
mit wem ich schlafe,<br />
wie mein Schwanz<br />
aussieht”<br />
INTERVIEW: Interessant.<br />
PATTINSON: Ich stehle immer die Kulis aus<br />
den Hotelzimmern. Sehen Sie: Mein ganzer<br />
Rucksack ist voll damit.<br />
INTERVIEW: Sie wohnen zu oft in Hotels.<br />
PATTINSON: Das ist leider wahr.<br />
INTERVIEW: Was sagen Ihre alten Freunde aus<br />
London eigentlich zu R-Patz, dem Spitznamen,<br />
den Ihnen der Boulevard verpasst hat?<br />
PATTINSON: Glücklicherweise ignorieren die<br />
das. Ebenso wie Twilight. Aber noch zu<br />
R-Patz: Ich möchte den Kerl erwürgen, der<br />
sich das ausgedacht hat.<br />
INTERVIEW: Wissen Sie, wer der Vater des<br />
Kampfnamens R-Patz ist?<br />
PATTINSON: Nein. Also eigentlich schon.<br />
Irgend so ein dicker Celebrity-Blogger …<br />
ach, lassen wir das.<br />
INTERVIEW: Glauben Sie, die Berichterstattung<br />
über Ihre Beziehung zu Kristen Stewart<br />
wäre ohne die Vampirromanze ähnlich<br />
hysterisch verlaufen?<br />
PATTINSON: Es ist unmöglich, darauf eine<br />
kluge Antwort zu geben. Das eine lässt sich<br />
ja vom anderen nicht trennen.<br />
INTERVIEW: Sehr diplomatisch.<br />
PATTINSON: Na ja, was soll ich schon sagen?<br />
INTERVIEW: Sie haben dank sozialer<br />
Netzwerke und Twilight-Hysterie mehr Teenie-<br />
Fans als Justin Bieber, mehr als jedweder Popstar<br />
unserer Zeit.<br />
PATTINSON: Das wirklich Merkwürdige an<br />
dieser Twilight-Zielgruppe ist eigentlich, dass<br />
es sich dabei nicht wirklich um Teenager<br />
handelt. Sie sind überwiegend älter. Twilight<br />
.<br />
besitzt eine eigene Parallelwelt, eine eigene<br />
Fankultur, die sich seit Tag eins im Netz<br />
formiert. Und das auf eine intensive Art und<br />
Weise, die es zuvor nicht gab. Manchmal<br />
frage ich mich, was diese Heerscharen von<br />
Leuten sonst so den ganzen Tag machen. Die<br />
sitzen vor ihren Rechnern und kommentieren<br />
alles, was auch nur entfernt mit Twilight zu<br />
tun hat. Tag und Nacht. Also eigentlich total<br />
spannend – zumindest, bis ich Teil dieses<br />
Phänomens wurde.<br />
INTERVIEW: Wie gehen Sie damit um?<br />
PATTINSON: Man passt sich an. Und lernt, sein<br />
Leben anders zu leben. Krass ist halt, wenn<br />
75 Prozent der Internetmeute dich total<br />
scheiße finden (lacht).<br />
INTERVIEW: Haben Sie manchmal<br />
Fluchtgedanken?<br />
PATTINSON: Wer hat die nicht? Das wirkliche<br />
Ärgernis sind ja nicht irgendwelche Fans,<br />
sondern Paparazzi – die wiederum kann man<br />
doof finden, allerdings verstehe ich sie auch:<br />
Ein einziges Bild von mir, geschossen an einem<br />
beliebigen Morgen der Woche, zahlt einem<br />
Paparazzo die Monatsmiete. Für die lohnt sich<br />
die erbärmliche Warterei.<br />
INTERVIEW: Ahnten Sie, worauf Sie sich mit<br />
Twilight einließen?<br />
PATTINSON: Nicht im Entferntesten. Aber<br />
jetzt, wo alles vorbei ist, fühle ich mich ein<br />
Stück weit <strong>erwachsen</strong>er.<br />
INTERVIEW: Es heißt, Sie hätten damals<br />
vor dem Casting für die Rolle, die Ihr Leben<br />
verändert hat, eine Valium eingeworfen.<br />
Können Sie sich daran noch erinnern?<br />
PATTINSON: Yup, und die Tablette wirkte<br />
Wunder – wenn auch nur dieses eine Mal.<br />
Nachdem ich die Zusage zu Twilight hatte,<br />
dachte ich, Valium wäre voll mein Ding, die<br />
Wunderdroge, die mich durch diese<br />
schrecklichen Castings bringt.<br />
INTERVIEW: Und?<br />
PATTINSON: Beim nächsten Vorsprechen wäre<br />
ich beinahe eingeschlafen. Gott sei Dank<br />
musste ich seit Twilight nur noch zweimal<br />
vorsprechen.<br />
INTERVIEW: Unter anderem bei Werner Herzog,<br />
mit dem Sie einen Ihrer nächsten Filme<br />
drehen werden.<br />
PATTINSON: Bei Werner musste ich nicht vorsprechen,<br />
ich hatte Glück.<br />
INTERVIEW: Für Werner Herzog spielen Sie<br />
demnächst H. P. Lovecraft. Gedreht wird in<br />
Marokko.<br />
PATTINSON: Genau.<br />
INTERVIEW: Ist die Sonne über der Wüste<br />
nicht tödlich für einen Vampir?<br />
PATTINSON: Sehr witzig. Ich finde übrigens<br />
auch den Geruch von Blut ekelhaft.<br />
INTERVIEW: Unmittelbar nach dem letzten Teil<br />
von Twilight haben Sie mit David<br />
Cronenberg Cosmopolis gedreht. Darin<br />
spielten Sie einen Investmentbanker …
.<br />
Robert Pattinson möchte<br />
den Kerl erwürgen, der<br />
sich für ihn den Spitznamen<br />
R-Patz ausgedacht hat<br />
"Ein Bild von mir, geschossen an<br />
einem beliebigen Morgen<br />
der Woche, zahlt einem Paparazzo die<br />
Monatsmiete. Für die lohnt sich<br />
die erbärmliche Warterei"<br />
127<br />
Alle Fotos: Nan Goldin für Christian Dior Parfums<br />
PATTINSON: Das Timing war einfach nur<br />
Wahnsinn. David schickte mir das Drehbuch,<br />
ich war begeistert, sagte sofort zu – und dann,<br />
während wir drehten, ging weltweit die<br />
Occupy-Bewegung los. Und bitte, glauben Sie<br />
mir: Ich kann gut verstehen, warum die<br />
Leute auf die Straße gehen! Wussten Sie, dass<br />
es selbst in L. A. eine Occupy-Phase gab?<br />
INTERVIEW: Nein.<br />
PATTINSON: Doch, die gab es tatsächlich.<br />
INTERVIEW: Haben Sie demonstriert?<br />
PATTINSON: Das wäre lächerlich. Was hätte<br />
ich dort sagen können, das nicht total verlogen<br />
klingt? Aber ich kenne tatsächlich ein<br />
paar ziemlich bekannte Schauspieler, die<br />
hingegangen sind. Das fand ich einfach nur<br />
erbärmlich.<br />
INTERVIEW: Wieso?<br />
PATTINSON: Weil die lieben Kollegen sich einfach<br />
in ihre Audis und BMWs setzten, für die<br />
sie keinen Cent bezahlt hatten, nach Downtown<br />
fuhren, die Wagen einen Block entfernt<br />
abstellten und so taten, als seien sie mit<br />
dem Zug gekommen. Noch dazu verstehe ich<br />
nicht, was sie dort wollten. Ich meinte<br />
zu ihnen: „Ihr macht die Aktion der richtigen<br />
Demonstranten, die ein wichtiges Anliegen<br />
haben, schlichtweg kaputt. Egal, wie sehr ihr<br />
mit ihnen sympathisiert: Das ist nicht euer<br />
Kampf. Ihr habt dort nichts verloren.“<br />
INTERVIEW: Wohnen Sie gerne in L. A.?<br />
PATTINSON: Zumindest lebt es sich hier sehr<br />
angenehm. Die Sonne scheint fast jeden<br />
Morgen – und wenn ich meine Ruhe will, ziehe<br />
ich einfach einen Kapuzenpulli an, setze ’n<br />
Käppi und eine Sonnenbrille auf, steige in den<br />
Wagen und düse los. Das ist eine meiner<br />
Möglichkeiten, rauszukommen und loszulassen.<br />
INTERVIEW: Die Bars in dieser Stadt schließen<br />
schon um zwei Uhr in der Früh – nicht <strong>gerade</strong>
.<br />
Rert Thas Pattins<br />
128<br />
ideal für einen Mann, der seinen Liebeskummer<br />
diskret ersäufen will.<br />
PATTINSON: Sie haben keine Vorstellung davon,<br />
wie betrunken man bis um zwei werden kann!<br />
INTERVIEW: Was ist das Beste an L. A.?<br />
PATTINSON: Die angebratenen Zwiebeln auf<br />
einem Cheeseburger von In-N-Out. Das ist<br />
der wahre Geruch von L. A. Das ist, was ich<br />
am meisten vermisse, wenn ich fort bin.<br />
INTERVIEW: Fühlen Sie sich einsam, wenn die<br />
Kameras aus sind und Sie nachts alleine die<br />
Türe hinter sich schließen?<br />
PATTINSON: Nicht nur dann.<br />
INTERVIEW: Es heißt, Sie beschäftigen erst seit<br />
der Trennung von Kristen Stewart einen<br />
Presse agenten, da Sie zuvor keinen Sinn darin<br />
gesehen hätten, jemanden für Pressearbeit zu<br />
bezahlen.<br />
PATTINSON: Ich bin eben geizig. Und ich habe<br />
auch heute keinen Presseagenten. Wozu auch?<br />
INTERVIEW: Und mit wem besprechen Sie<br />
jetzt Ihre Angelegenheiten, vor allem den Umgang<br />
mit Schlagzeilen und Paparazzi?<br />
PATTINSON: Mit meiner Familie. Und meiner<br />
Agentin.<br />
INTERVIEW: Auf deren Couch Sie früher gerne<br />
nächtigten.<br />
PATTINSON: Gerne ist gut. Ich habe auf dieser<br />
Couch drei Jahre lang gelebt. Meine<br />
Agentin ging arbeiten – während ich in ihrer<br />
Wohnung rumhing und Playstation spielte.<br />
Eine wunderbare Zeit – bis eines Morgens der<br />
Anruf wegen Twilight kam … Wollen Sie<br />
noch eine E-Zigarette? Ach, nehmen Sie doch<br />
gleich ein paar mit!
.<br />
130<br />
Shocking!?<br />
DER WICHTIGSTE LOOK DIESES<br />
HERBSTES IST NICHTS FÜR<br />
ANGSTHASEN – ABER FÜR FRAUEN,<br />
DIE NIE FRIEREN UND AUCH DEN<br />
WIDRIGEN UMSTÄNDEN DES<br />
LEBENS MIT CHUZPE UND CHARME<br />
TROTZEN Fot Giampaolo Sgura<br />
Styling Klaus Stockhausen<br />
Kleid<br />
CHANEL<br />
Höschen<br />
(durchgehend<br />
getragen)<br />
TRIUMPH<br />
Strumpfhose<br />
FALKE
Mäntel MAX MARA<br />
Gürtel LIEBESKIND<br />
BH (durchgehend getragen)<br />
WHAT KATIE DID<br />
Strumpfhose WOLFORD<br />
.
Mantel FENDI<br />
.
Mantel<br />
MIU MIU<br />
Strumpfhose<br />
FALKE<br />
Stiefel<br />
CÉLINE<br />
.
Rock CALVIN KLEIN<br />
COLLECTION<br />
Strumpfhose FALKE<br />
Stiefel CÉLINE<br />
.
Jacke & Shorts<br />
DOLCE & GABBANA<br />
Strumpfhose FALKE<br />
.
Kleid<br />
BOTTEGA<br />
VENETA<br />
Strumpfhose<br />
WOLFORD<br />
.
Mantel<br />
TOM FORD<br />
Gürtel<br />
LIEBESKIND<br />
Strumpfhose<br />
FALKE<br />
.
Kleid<br />
JIL SANDER<br />
Strumpfhose<br />
WOLFORD<br />
Schuhe<br />
BOTTEGA<br />
VENETA<br />
.
Kleid<br />
CÉLINE<br />
Unterrock<br />
THEATER-<br />
KUNST<br />
Strumpfhose<br />
WOLFORD<br />
.
Kleid<br />
SALVATORE<br />
FERRAGAMO<br />
Strumpfhose<br />
WOLFORD<br />
.
.<br />
Mantel<br />
GIORGIO ARMANI<br />
MODEL Emily DiDonato / MEGA<br />
Model Agency HAIR Davide<br />
Diodovich / WM Management<br />
MAKE-UP Jessica Nedza / Close Up<br />
Milano using Maybelline MANICURE<br />
Annarel Innocente / Close Up Milano<br />
SET DESIGN Serena Groppo PHOTO<br />
ASSISTANT Filippo Tarentini DIGITAL<br />
TECHNICIAN Giuliano Carparelli<br />
STUDIO ASSISTANT Luis Vera
.<br />
Eine junge Frau hatte einen Roman<br />
geschrieben, „Feuchtgebiete“<br />
hieß dieser, und weil da rin<br />
Körperlichkeiten sowie Körperflüssigkeiten<br />
verhandelt wurden,<br />
errötete ein ganzes Land. Zum<br />
Glück ist es im Kino ja dunkel,<br />
wenn die wunderbare Carla Juri<br />
in der Verfilmung von Charlotte<br />
Roches Bestseller ihre und unsere<br />
Schamgrenzen neu vermisst<br />
V Charlotte Roche<br />
Fot Ronald Dick<br />
Styling Ingo Nahrwold<br />
142<br />
Carla J
.<br />
143<br />
uri<br />
Top CALVIN KLEIN<br />
COLLECTION Rock<br />
LOEWE Gürtel HERMÈS<br />
Spitzenpumps JIMMY CHOO
Carla Juri<br />
144<br />
Komplettlook<br />
GIVENCHY BY<br />
RICCARDO TISCI<br />
"Für mich gehört<br />
Seine-Tage-<br />
Haben dazu. Man<br />
muss sich mal<br />
vorstellen,<br />
Männer würden<br />
einmal im Monat<br />
bluten"<br />
CHARLOTTE ROCHE: Carla, ich habe gehört,<br />
das gesamte Filmteam von Feuchtgebiete sei<br />
gemeinsam in der Sauna gewesen. War das so<br />
eine Auflockerungsübung vor dem Dreh?<br />
CARLA JURI: Ja, wir waren im Liquidrom in<br />
Berlin. Damit ich alle mal ein bisschen<br />
nackter sehe als sonst.<br />
ROCHE: Wie muss man sich das Liquidrom<br />
vorstellen? Ist das so was wie ein arabisches<br />
Badehaus?<br />
JURI: Nein, ganz anders. Da gibt es Saunen<br />
und auch so einen Pool, in dem man<br />
Unterwassermusik hören kann.<br />
ROCHE: Und man ist dort nackt?<br />
JURI: Man hat schon Badesachen an. Nur in<br />
der Sauna ist man eher nackt, aber man sieht<br />
da nicht viel, weil überall Dampf ist.<br />
ROCHE: Und der David (Wnendt, Regisseur des<br />
Films) hat es hauptsächlich wegen dir<br />
vorgeschlagen?<br />
JURI: Ja.<br />
ROCHE: Sozusagen als Ausgleich dafür, dass<br />
du bei den Dreharbeiten oft nackt sein musst?<br />
.<br />
JURI: Genau.<br />
ROCHE: Das finde ich so rührend.<br />
JURI: Ja, das stärkt auch den Teamgeist.<br />
ROCHE: Hast du dann beim Drehen oft<br />
darüber nachgedacht, wie die nackt aussehen?<br />
Wie viele Haare jemand hat und ob der dick<br />
ist oder so?<br />
JURI: Nein, eigentlich nicht. Vor der Kamera<br />
habe ich mich auf andere Sachen<br />
konzentriert. Vor allem habe ich das Team<br />
nicht mehr als Fremde oder als etwas<br />
Störendes wahrgenommen.<br />
ROCHE: Hattet ihr bei expliziteren Szenen ein<br />
geschlossenes Set?<br />
JURI: Ja, hatten wir, aber das waren immer<br />
noch ziemlich viele Leute.<br />
ROCHE: Wie viele?<br />
JURI: Lass mich mal überlegen … Vielleicht<br />
vier oder fünf, manchmal auch weniger,<br />
manchmal auch mehr.<br />
ROCHE: Und wie viele davon waren Frauen?<br />
JURI: Eine. Die gehörte zum Kamerateam.<br />
ROCHE: Hast du Angst vor den Reaktionen<br />
auf den Film?<br />
JURI: Nein, eigentlich nicht. Ich habe dich<br />
und das Team an meiner Seite. Ich fühle<br />
mich nicht allein.<br />
ROCHE: Ich frage das, weil es natürlich wieder<br />
Diskussionen geben wird. Bei meinen Büchern<br />
war es ja immer so, dass sich Moralhüter zu<br />
Wort gemeldet haben: „Darf man so was<br />
schreiben? Handelt es sich um Pornografie?<br />
Muss man es verbieten?“ Und weil ich das ja<br />
alles schon mal durchgemacht habe, denke<br />
ich: „Ach, sollen die mal alle labern!“ Aber auf<br />
dich wird jetzt zukommen, dass irgendwelche<br />
Vollidioten sagen, dass du böse und ekelhaft<br />
bist, weil du diese Rolle spielst.<br />
JURI: Ja, kann sein.<br />
ROCHE: Und du meinst, dass es dir hilft, dass<br />
ich an deiner Seite bin?<br />
JURI: Ja, bei dem Film Teil eines Teams zu<br />
sein hilft schon.<br />
ROCHE: Nach Fotoshootings habe ich<br />
manchmal so ein unangenehmes Gefühl und<br />
denke: „Ach, Mann, warum habe ich mich<br />
bloß dazu überreden lassen, dieses doofe Foto<br />
machen zu lassen?“ Das sind diese Momente,<br />
wo man sich wie ein Indianer fühlt, dem die<br />
Seele geraubt wurde. Sind dir nach dem Dreh<br />
mitunter auch so Bilder im Kopf<br />
herumgespukt, bei denen du dachtest: „Das<br />
ging mir eigentlich zu weit“?<br />
JURI: Nein.<br />
ROCHE: Nicht?<br />
JURI: Nein, weil ich David vorher gesagt<br />
habe, dass ich die Rolle so spielen werde, dass<br />
Frauen mir glauben.<br />
ROCHE: Ich weiß, was du meinst. Wenn ich<br />
Bücher schreibe, dann schreibe ich auch in<br />
erster Linie für Frauen. Und du hättest die<br />
Rolle auch sexy spielen können, sodass<br />
Männer denken: „Boah, geile Alte!“ Du
Komplettlook<br />
GIVENCHY BY<br />
RICCARDO TISCI<br />
.
.<br />
Carla Juri<br />
Top & Rock<br />
DIOR<br />
Mantel<br />
KILIAN<br />
KERNER<br />
Gürtel<br />
PRIVAT<br />
146<br />
Komplettlook<br />
PRADA
könntest die Rolle für Männer spielen, aber<br />
dann würdest du alle Frauen verlieren.<br />
JURI: Genau. Das, was Männer wollen,<br />
können wir Frauen sehr gut bedienen. Wir<br />
leben ja immer noch in einem Patriarchat und<br />
sind eingestellt auf das, was Männer wollen.<br />
ROCHE: Und deswegen hast zu dem Regisseur<br />
gesagt, dass du die Rolle für Frauen spielst?<br />
JURI: Ja. Gerade bei den Sexszenen war es mir<br />
wichtig, dass Frauen mir glauben. Also habe<br />
ich so eine Szene auch als Frau gespielt und<br />
nicht als die männliche Idee einer Frau. Sonst<br />
würde ich mich nämlich selber betrügen.<br />
Aber das Gefühl hatte ich nie.<br />
ROCHE: Und du hast nie gedacht: „Oh je, da<br />
war ich vielleicht doch zu mutig“?<br />
JURI: Na ja, es gab manchmal Momente, in<br />
denen ich – als Helen – die Kamera vergessen<br />
habe und dann hinterher dachte: „Oh<br />
Scheiße, das habt ihr auch gefilmt?“ Aber das<br />
ist ja gewollt: dass man die Technik<br />
ausblendet, damit die Szenen wahrhaftig<br />
werden und nicht voyeuristisch.<br />
ROCHE: Verstehe.<br />
JURI: Da war nie Show dabei. Und wenn es<br />
Show war, dann war es ihre Show, die Show<br />
von Helen Memel.<br />
ROCHE: Und die Nacktheit …<br />
JURI: Die ist nicht so besonders schwierig,<br />
aber nur wenn sie eine Bedeutung hat.<br />
ROCHE: Aber du weißt ja, dass bei<br />
Schauspielerinnen, die einen gewissen<br />
Bekanntheitsgrad haben, meist sofort das<br />
Management ankommt und sagt: „Keine<br />
Brüste!“ Da wird die Nacktheit komplett<br />
negiert. Und dann denkt man: „Was sind das<br />
denn für Schauspielerinnen?“ Man kann<br />
doch nicht eine Liebesbeziehung spielen und<br />
darauf bestehen, dass man die Titten nicht<br />
sieht. Und ich hasse es, wenn man eine heiße<br />
Sexszene sieht und die Frau …<br />
JURI: … hat noch den BH an.<br />
ROCHE: Ja. Die haben <strong>gerade</strong> gebumst, und<br />
dann steht die auf und hält sich so die Bettdecke<br />
vor. Das nervt mich dermaßen, weil ich<br />
in dem Moment daran erinnert werde, dass<br />
ich eine Zuschauerin bin.<br />
JURI: Genau. In dem Moment sieht man, dass<br />
es gestellt ist.<br />
ROCHE: Aber wenn man Schauspieler ist,<br />
dann muss man doch alles zeigen.<br />
JURI: Man muss nicht alles zeigen, aber man<br />
muss der Figur, die man spielt, gerecht<br />
werden. Und dann gehört die Nacktheit<br />
vielleicht dazu.<br />
ROCHE: Ist deine Nacktheit im Film<br />
eigentlich nur gespielt selbstbewusst, oder ist<br />
dein Selbstbewusstsein echt?<br />
JURI: Sag ich dir nicht.<br />
ROCHE: Vielleicht ist es ja auch einfacher,<br />
nackt zu sein, wenn man spielt. Man kann ja<br />
sagen: „Das bin nicht ich, das ist die Rolle.“<br />
JURI: Natürlich bin ich das nicht. Denn man<br />
leiht einer Figur ja ein Gesicht, eine Stimme,<br />
eine Psyche und einen Körper. Und der<br />
Schauspieler hat dabei immer den Schutz der<br />
Rolle. Aber eine Rolle schützt nicht nur, sie<br />
erweitert auch die eigene Wahrnehmung.<br />
ROCHE: Im Film und auch im Buch ist die<br />
schmerzhafteste Szene der Moment, wo Helen<br />
sich die Wunde wieder aufreißt. Ich weiß, dass<br />
viele Leute das Buch nach der Stelle nicht<br />
weitergelesen haben. War es für dich eigentlich<br />
schwierig, diese Szene zu spielen?<br />
JURI: Nein.<br />
ROCHE: Oh … Warum nicht?<br />
JURI: Weil ich einfach verstanden habe,<br />
warum sie das tut.<br />
ROCHE: Ich konnte mir das kaum angucken.<br />
Das ist noch einmal viel schlimmer als im Buch.<br />
JURI: Wenn ich das spiele, dann habe ich nur<br />
noch das Ziel vor Augen, das sie damit<br />
erreichen will. Und ihren Schmerz, den habe<br />
ich meistens nicht am Set gespürt, sondern<br />
erst hinterher.<br />
ROCHE: Du meinst, dass es dir dann schlecht<br />
ging?<br />
JURI: Nein. Ich meine, dass ich mit ihr<br />
gefühlt habe.<br />
ROCHE: Hat es für dich nach den<br />
Dreharbeiten eine Weile gedauert, bis du<br />
nicht mehr Helen Memel warst?<br />
JURI: Ja, ich war bestimmt noch einen Monat<br />
lang Helen.<br />
ROCHE: Oh Gott!<br />
JURI: Nee, das war super. Das mache ich oft<br />
so. Natürlich könnte ich auch in die Rolle<br />
rein- und rauswechseln, aber das ist für mich<br />
viel anstrengender. Und so habe ich die<br />
Chance, mit der Figur eins zu sein. Ich kann<br />
da keine halben Sachen machen. Zumal sie<br />
viel größer ist als mein kleines Leben, verstehst<br />
du? Ich mache das für jede Figur. Aber ich<br />
weiß auch, wann es Zeit ist, Abschied<br />
zu nehmen. Und bis dahin genieße ich es.<br />
ROCHE: Glaubst du, dass ein bisschen von den<br />
Figuren, die du spielst, für immer bei dir bleibt?<br />
JURI: Ja, weil die Figuren mir nahegehen.<br />
Man hat da eine ganz neue Person vor sich,<br />
zu der man einen Zugang finden muss. Und<br />
im Zuge dessen lernt man den Menschen<br />
natürlich gut kennen, und Helen habe ich gut<br />
kennengelernt, also meine Interpretation von<br />
ihr. Denn bevor ich sie spielen konnte, musste<br />
ich erst ihren Schmerz verstehen. Das hat<br />
mich ziemlich mitgenommen. David meinte<br />
dann immer: „Du weinst?“<br />
ROCHE: Du hast geweint?<br />
JURI: Ja, in den Vorbereitungen, weil mich<br />
das getroffen hat.<br />
ROCHE: Ehrlich? Oh Mann!<br />
JURI: Ja, denn erst, als ich ihren Schmerz<br />
verstanden und verarbeitet hatte, konnte ich<br />
ihr supercooles Auftreten spielen. Sie ist ja<br />
ganz frei von Selbstmitleid. Ich meine, wer<br />
kann das schon von sich sagen?<br />
.<br />
ROCHE: Cool! Stimmt es, dass du zur Vorbereitung<br />
noch mal zur Schule gegangen bist?<br />
JURI: Ja.<br />
ROCHE: Die haben dich also ernsthaft in die<br />
Schule geschickt?<br />
JURI: Niemand außer dem Rektor wusste<br />
Bescheid. Da musste ich mir natürlich eine<br />
Identität ausdenken. Zur Hälfte war ich du<br />
und zur anderen Hälfte Helen Memel.<br />
ROCHE: Aha.<br />
JURI: Wenn die mich gefragt haben, wer ich<br />
bin, hab ich gesagt, dass ich in London<br />
geboren bin und so … 18-Jährige sind direkt,<br />
und die scannen dich, da kannst du dir keine<br />
Fehler erlauben. Wenn die fragen, müssen die<br />
Antworten sitzen.<br />
ROCHE: Und da musstest du jeden Morgen<br />
um sieben aufstehen und um acht in der<br />
Schule sein?<br />
JURI: Ja.<br />
ROCHE: Oh Gott, was für ein Albtraum!<br />
JURI: Und nach der Schule wurde ich von<br />
einem Fahrer zur Probe abgeholt. Manchmal<br />
musste ich ihn dann anrufen: „Bleib bloß weg,<br />
ich komm mit meinen Mädchen raus!“ Ich<br />
durfte ja nicht entdeckt werden. Und dann<br />
immer diese Fragen: „Wie ist deine Nummer?<br />
Bist du bei Facebook?“ Und ich so: „Oh<br />
Mann!“ Das musste ich mir alles ausdenken.<br />
ROCHE: Hast du deine Tarnung aufgelöst, als<br />
du gegangen bist?<br />
JURI: Nee, hab ich nicht …<br />
ROCHE: Krass! Carla, die werden dich im<br />
August doch auf den Filmplakaten erkennen!<br />
JURI: Aber damals hatte ich noch ganz lange<br />
Haare.<br />
ROCHE: Du hast sie erst für den Film so kurz<br />
geschnitten?<br />
JURI: Genau.<br />
147<br />
ROCHE: Im Buch habe ich Helen äußerlich<br />
grob nach meinem Vorbild entworfen. Weil<br />
ich kleine Brüste habe, hat sie kleine Brüste.<br />
Und weil ich lange braune Haare habe, hat<br />
auch sie lange braune Haare. In dem Punkt<br />
bricht der Film klar mit dem Buch. Aber<br />
schon nach zwei Minuten war das für mich<br />
kein Thema mehr. Ich finde das sogar<br />
eigentlich ganz geil. Denn plötzlich ist die<br />
Figur weg von mir, verstehst du?<br />
JURI: Klar.<br />
ROCHE: Denn ich schreibe ja, wie ich spreche,<br />
und dann hören die Leser meine Stimme,<br />
sehen meinen Körper und stellen sich mein<br />
Gesicht dazu vor. Ich bin ganz froh, dass das<br />
jetzt vielleicht vorbei ist.<br />
JURI: Aber du hattest schon das Gefühl, dass<br />
noch viel von dir in dem Film steckt, oder?<br />
ROCHE: Total! Obwohl viel hinzuerfunden<br />
wurde, die Figur der Mutter zum Beispiel, die<br />
ist im Film ganz anders.<br />
JURI: Echt?<br />
ROCHE: Ja, die ist viel warmherziger und<br />
facettenreicher und realistischer. Als ich Meret
Carla Juri<br />
148<br />
Becker als Mutter zum ersten Mal gesehen<br />
habe, war ich geschockt. Ich hab die Mutter<br />
nämlich viel flacher geschrieben, die Mutter ist<br />
total platt bei mir. Ich habe geschrieben, dass<br />
sie eine Scheißchristin ist, Bakterien hasst und<br />
einen Sagrotan-Fimmel hat. Fertig. Das ist<br />
natürlich megaplatt. Bei Helen hab ich mir<br />
hingegen richtig Mühe gegeben.<br />
JURI: Haha.<br />
ROCHE: Und dann gucke ich den Film und<br />
muss zugeben: Krass, bei denen ist die Mutter<br />
ja viel besser! Muss man ja ehrlich zugeben.<br />
Und obwohl sehr viel hinzu erfunden wurde,<br />
ist der Film doch sehr nah an der Vorlage.<br />
Viele Dialoge sind eins zu eins übernommen,<br />
da hätte ich mitsprechen können. Also, ich<br />
fühle mich da überhaupt nicht verraten.<br />
Außerdem ist der Film viel sexier. Der ist<br />
sexuell angenehmer. Viel von diesem düsteren<br />
Eiterkram kommt ja nicht vor.<br />
JURI: Und du meinst trotzdem, dass der Film<br />
dem Buch gerecht wird?<br />
ROCHE: Ja. Und irgendwas muss man ja<br />
weglassen. Ein Drehbuch hat 100 Seiten, und<br />
mein Roman hatte so 230 Seiten. Ganz klar,<br />
dass da am Ende was fehlen muss.<br />
JURI: Hat Helen für dich eine politische Seite?<br />
ROCHE: Unbedingt. Ursprünglich sollte das<br />
Ganze ein feministisches Pamphlet gegen<br />
Rasurzwang und parfümierte Slipeinlagen<br />
werden. Wenn einem immer eingetrichtert<br />
wird, dass die Muschi nach Fisch stinkt, wie<br />
soll man dann beim Oralverkehr locker<br />
bleiben? Und genau dagegen wollte ich<br />
kämpfen, und zwar mit einem Sachbuch. Und<br />
dann hat jemand zu mir gesagt: „Lass das<br />
doch jemanden erleben! Erfinde doch eine<br />
Frau, die diese Sachen macht!“ Und da habe<br />
ich gedacht: „Ja, klingt gut.“<br />
JURI: Und dann kam Helen ins Spiel.<br />
ROCHE: Genau. Jemand, der Riot-Grrrl-mäßig<br />
sagt: „Halt! Stopp! Ich mache mir jetzt meine<br />
eigenen Regeln.“ Und das kommt einem<br />
zunächst vielleicht unangenehm, hässlich und<br />
eklig vor, wirkt letztendlich aber befreiend.<br />
Im Film bist du ja kaum oder gar nicht<br />
geschminkt, man sieht blaue Flecken und<br />
Pickel – das allein ist für unser versautes Auge<br />
ja schon ein Schock. Alles ist immer<br />
bearbeitet, gedoubelt und retuschiert. Aber<br />
dich so zu sehen führt dazu, dass ich das<br />
Kino verlasse und mich in meinem eigenen<br />
Körper wohler fühle und denke: „Na klar, der<br />
Körper ist nicht perfekt, aber scheiß doch<br />
drauf, fickt euch doch alle.“ Ich bin mal<br />
gespannt, wie junge Frauen den Film finden.<br />
JURI: Ich habe mich mal mit Corinna über<br />
die Periode unterhalten.<br />
ROCHE: Du meinst Corinna, Helens Freundin<br />
aus dem Film?<br />
JURI: Ja. Und zwar ging es darum, sich vorzustellen,<br />
dass Männer einmal im Monat bluten.<br />
ROCHE: Woraus bluten die denn?<br />
Cape & Rock<br />
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NOTEN Armband<br />
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JURI: Na, da unten raus eben. Frauen haben<br />
da eine gewisse Macht, von der sie gar nicht<br />
wissen, dass sie sie haben. Für mich gehört<br />
Seine-Tage-Haben dazu. Man muss sich mal<br />
vorstellen, Männer würden einmal im Monat<br />
bluten, ohne eine Wunde zu haben oder einen<br />
Schmerz zu spüren. Das ist doch was extrem<br />
Kraftvolles. Das kann auch Angst machen.<br />
Man kann sich fragen, ob deswegen gewisse<br />
Religionen die blutende Frau als unrein<br />
bezeichnen. Diese negative Etikettierung ist<br />
eine Form der Unterdrückung.<br />
ROCHE: Das glaubst du?<br />
JURI: Ja. Stell dir vor, Männer würden bluten.<br />
Wäre das nicht kraftvoll?<br />
ROCHE: Ich dachte immer, dass Männer es<br />
nicht gut finden, dass Frauen so oft kommen<br />
können. Die weibliche Sexualität ist ja viel facettenreicher.<br />
Wenn ein Mann kommt, dann ist<br />
erst einmal Schicht. Das ist dann der kleine Tod.<br />
JURI: Ja.<br />
ROCHE: Der liegt dann da und bewegt sich nicht.<br />
JURI: Okay.<br />
ROCHE: Du könntest den supereinfach<br />
umbringen, der würde das gar nicht merken.<br />
JURI: Stimmt (lacht).<br />
ROCHE: Und eine Frau kann mit ihrem Mann<br />
schlafen, kann kommen, kommen, kommen,<br />
dreimal hintereinander kommen, den Mann<br />
liegen lassen und mit dem besten Freund von<br />
dem Mann wieder kommen, kommen,<br />
kommen. Deswegen konnten Männer früher<br />
auch nie sicher sein, dass die Kinder wirklich<br />
von ihnen sind. Ich glaube, die Vorstellung,<br />
dass Frauen sich woanders Kinder holen oder<br />
durch Fremdgehen schwanger werden, ist für<br />
Männer schrecklich. Das ist ultraverunsichernd<br />
und macht die richtig fertig. Und das<br />
wäre meine Erklärung, warum man Frauen<br />
unterdrückt und nicht die Regel.<br />
JURI: Verstehe.<br />
ROCHE: Das ist übrigens eine der lustigsten<br />
.
.<br />
"Gerade bei den Sexszenen war<br />
es mir wichtig, dass Frauen<br />
mir glauben. Also habe ich so<br />
eine Szene auch als<br />
Frau gespielt und nicht als die<br />
männliche Idee einer Frau"<br />
149<br />
Mantel DRIES<br />
VAN NOTEN
.<br />
Carla Juri<br />
150<br />
Szenen im Film, die Szene mit der<br />
Blutsschwesternschaft, wo Helen und<br />
Corinna die Tampons tauschen.<br />
JURI: Dann malen wir uns mit dem Blut ganz<br />
kreativ die Gesichter an.<br />
ROCHE: Als ich das gesehen habe, dachte ich:<br />
„Hä? Das hab ich im Buch aber nicht so<br />
geschrieben. Wieso schmieren die sich jetzt<br />
ihre Tampons ins Gesicht? Das ist jetzt aber<br />
voll ekelhaft!“ Haha.<br />
JURI: Ich fand das wie Karneval.<br />
ROCHE: Vor allem seid ihr ziemlich lange mit<br />
dieser Bemalung unterwegs. Ihr seid damit<br />
nicht nur kurz im Bild, sondern da kommen<br />
noch viele Szenen danach, wo ihr<br />
Periodenblut im Gesicht habt. Vieles in dem<br />
Buch erinnert ja an die anale Phase bei<br />
kleinen Kindern. Spielen mit Kacka und so.<br />
Da macht man daraus ein schönes<br />
Kunstwerk, zeigt es stolz den Eltern und<br />
bekommt eine gewatscht, weil man alles<br />
vollgeschmiert hat.<br />
JURI: Und dann kommt das Schamgefühl.<br />
ROCHE: Und das Schamgefühl macht es<br />
wiederum so lustig, über Sexualität zu<br />
schreiben. Eigentlich sind wir ja alle<br />
verklemmt. Alle kichern, wenn es um Sex<br />
geht. Und da frage ich mich immer, ob<br />
es wünschenswert ist, wenn die Gesellschaft<br />
in dieser Hinsicht wirklich frei von<br />
Verklemmungen wäre. Denn dadurch würde<br />
man echt viel Humormasse verlieren.<br />
Deswegen war es mir wichtig, dass der Film<br />
auch lustig wird. Denn wenn man das alles<br />
nicht lustig fände, wäre man total frei.<br />
Und dann könnte man über das Periodenblut<br />
gar nicht mehr lachen. Wäre doch irgendwie<br />
schade, oder?<br />
Jetzt im Kino: „Feuchtgebiete“<br />
STYLING Ingo Nahrwold / Bi goudi<br />
HAARE Manuela Kopp mit<br />
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MAKE-UP Andréas B. / basicsberlin<br />
mit Pflegeprodukten von Sensilis<br />
MANIKÜRE Patricia Puisy / NUDE.<br />
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FOTO-ASSISTENZ Pau Cegarra<br />
STYLING-ASSISTENZ Paul Maximilian<br />
Schlosser, Melina Popp PRODUKTION<br />
Frank Seidlitz, Dorothea Fiedler<br />
DANK AN Akademie der Künste Berlin
.<br />
Kleid TOMMY<br />
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151
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Ketten (durchgehend getragen)<br />
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Manschetten (am Knöchel,<br />
durchgehend getragen) DAVID<br />
SAMUEL MENKES Schuhe MIU MIU<br />
.
.<br />
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Kleid MIU MIU<br />
Manschetten<br />
VERSUS<br />
153<br />
Human League<br />
Fotos Craig McDean<br />
Styling Karl Templer<br />
DEMNÄCHST IM KLEIDERSCHRANK WIEDER VORN: BOMBERJACKEN,<br />
SCHWERGLIEDRIGE KETTEN, LEDERMANSCHETTEN, IM GRUNDE ALSO<br />
ALLES, WAS MADONNA SCHON IN „SUSAN… VERZWEIFELT<br />
GESUCHT“ TRUG. VERBLÜFFEND, DASS DAS COMEBACK DER<br />
ACHTZIGER SCHON LÄNGER DAUERT, ALS SIE TATSÄCHLICH WAREN
Top FENDI Jacke<br />
(um die Taille getragen)<br />
JUUN J Shorts ALEXANDER<br />
WANG Armband OPENING<br />
CEREMONY Sneaker<br />
COMME DES GARÇONS<br />
.
Jacke, Top, Rock &<br />
Gürtel GIVENCHY BY<br />
RICCARDO TISCI Shorts<br />
ALEXANDER WANG Hut<br />
DAVID SAMUEL MENKES<br />
Manschetten FENDI & JUAN<br />
CARLOS OBANDO Sneaker<br />
COMME DES GARÇONS<br />
.
.<br />
156<br />
Diese Seite:<br />
Kleid UNDERCOVER<br />
Body RODARTE Höschen<br />
ARAKS Manschetten FENDI<br />
& JUAN CARLOS OBANDO<br />
Rechte Seite:<br />
Jacken STELLA McCART-<br />
NEY & ALEXANDER<br />
WANG Shorts ALEXANDER<br />
WANG Sicherheitsnadel<br />
VERSUS Höschen ARAKS<br />
Armbänder GI VENCHY BY<br />
RICCARDO TISCI &<br />
OPENING CERE MONY
.<br />
157
.<br />
Diese Seite:<br />
Jacke MIU MIU Body<br />
VERSACE Hut DAVID<br />
SAMUEL MENKES<br />
Manschetten FENDI<br />
Rechte Seite:<br />
Jacke, Shorts & Sneaker<br />
COMME DES GARÇONS<br />
Bandeau EMILY GRUCA<br />
Leggings STELLA<br />
McCARTNEY FÜR ADIDAS
.<br />
159
.<br />
Diese Seite:<br />
Jacke JUUN J T-Shirt<br />
JEREMY SCOTT<br />
Hose J. W. ANDERSON<br />
Sicherheitsnadel VERSUS<br />
Gürtel EMILY GRUCA<br />
Höschen ARAKS Manschetten<br />
VERSUS, OPENING<br />
CEREMONY & JUAN<br />
CARLOS OBANDO Sneaker<br />
COMME DES GARÇONS<br />
Linke Seite:<br />
Mantel MIU MIU Shorts<br />
ALEXANDER WANG<br />
Hut DAVID SAMUEL<br />
MENKES Gürtel CALVIN<br />
KLEIN COL LECTION<br />
Manschetten FENDI &<br />
JUAN CARLOS OBANDO<br />
161<br />
PHOTOGRAPHER Craig McDean /<br />
Art + Commerce HAIR Eugene Souleiman<br />
/ Streeters for Wella Professionals<br />
MAKE-UP Mark Carrasquillo<br />
using Tatcha Skincare & Anastasia<br />
MANICURE Bernadette Thompson<br />
for Bernadette Thompson Nail<br />
Col lection MODEL Sam Rollinson<br />
/ Women CASTING Michelle Lee<br />
PRODUCTION Kate Collings-Post<br />
for North 6 RETOUCHING Whit<br />
Lane for Craig McDean Studio<br />
DIGITAL TECHNICIAN Nicholas<br />
Ong PHOTO ASSISTANTS Simon<br />
Roberts, Huan Nguyen, Maru Teppei<br />
STYLING ASSISTANTS Melissa<br />
Levy, Jo shua Courtney, Luca<br />
Galasso HAIR ASSISTANTS Pamela<br />
Baumgartner, Hiro Watase MAKE-<br />
UP ASSISTANT Kat Reyes SPE-<br />
CIAL THANKS Skylight West Studios
Diese Seite:<br />
Top SAINT<br />
LAURENT BY<br />
HEDI SLIMANE<br />
Rechte Seite:<br />
Kleid PROENZA<br />
SCHOULER<br />
Ring DIOR<br />
.
.<br />
Charlotte<br />
f Ever<br />
Sie ist die Tochter des<br />
heimlichen Königspaares<br />
von Frankreich, hat nette<br />
Platten aufgenommen<br />
und große Filme gedreht.<br />
Aber es gibt Menschen, für<br />
die Charlotte Gainsbourg<br />
immer ein Rätsel bleibt. Das<br />
gilt sympathischerweise<br />
auch für sie selbst<br />
V Doug Aitken<br />
Fot Driu Crilly & Tiago Martel<br />
Styling Karen Kaiser<br />
Charlotte Gainsbrg<br />
163
.<br />
Charlotte Gainsbrg<br />
164<br />
BH CARINE GILSON<br />
Rock HERMÈS<br />
DOUG AITKEN: Ich bin überhaupt nicht vorbereitet auf<br />
dieses Gespräch. Aber das ist vielleicht gar nicht so<br />
schlecht, oder?<br />
CHARLOTTE GAINSBOURG: Genau, es ist sogar besser, unvorbereitet<br />
zu sein.<br />
AITKEN: Also – fangen wir einfach an. Wie treibt Lars<br />
(von Trier) dich als Schauspielerin an?<br />
GAINSBOURG: Er ist wahrscheinlich der einzige Regisseur,<br />
der morgens ans Set kommt und sagt: „Ich weiß nicht, wie<br />
wir das machen sollen, also zeig mir doch einfach mal was.“<br />
AITKEN: Das ist bestimmt nicht so leicht, wie es sich anhört.<br />
GAINSBOURG: Es ist ziemlich nervenaufreibend, in eine<br />
Szene zu gehen, ohne einen Plan zu haben. Man muss einfach<br />
akzeptieren, dass man sich gleich lächerlich macht.<br />
Aber Lars ist sehr ehrlich in allem, was er tut, das macht<br />
seine Arbeit auch so besonders.<br />
AITKEN: Improvisation spielt wahrscheinlich eine große<br />
Rolle, wenn man mit ihm arbeitet?<br />
GAINSBOURG: Allerdings! Er kann sehr brutal sein, wenn<br />
ihm nicht gefällt, wie man etwas gespielt hat. Aber ich<br />
schätze seine Ehrlichkeit. Manchmal habe ich das Gefühl,<br />
dass er Schauspielerei nicht ausstehen kann. Und ich<br />
glaube, ich kann ganz gut verstehen, warum ihm das<br />
so geht.<br />
AITKEN: Was bedeutet die Schauspielerei für dich persönlich,<br />
welche Rolle spielt sie in deinem Leben?<br />
GAINSBOURG: Ich schauspielere die ganze Zeit!<br />
AITKEN: (lacht)<br />
GAINSBOURG: Das stimmt. Ich höre mich jetzt mit dir<br />
reden und merke, wie ich dabei schauspielere. Ich hasse<br />
es, das an mir zu beobachten.<br />
AITKEN: In der Kunst ist es sehr schwer zu sagen, ob es<br />
einen Unterschied zwischen Fiktion und Realität gibt.<br />
Ich meine, wo liegt denn die Grenze?<br />
GAINSBOURG: Keine Ahnung. Hast du denn das Gefühl,<br />
dir selbst gegenüber authentisch zu sein?<br />
AITKEN: Ich weiß es nicht.<br />
GAINSBOURG: Ich glaube nämlich nicht, dass ich das kann.<br />
Ich kämpfe zum Beispiel ständig gegen den Druck an,<br />
höflich sein zu müssen, weil ich das Gefühl habe, dass es<br />
einen davon abhält, der zu sein, der man wirklich ist.<br />
AITKEN: Unter deinem Schafspelz verbirgt sich also in<br />
Wahrheit eine furchtbar wilde Wölfin?<br />
GAINSBOURG: (lacht) So ist es!<br />
AITKEN: Lass die Bestie raus! Wann hast du mit der<br />
Schauspielerei angefangen?<br />
GAINSBOURG: Als ich zwölf war. Meine Mutter hat<br />
mich immer mit ans Set mitgenommen, wenn sie gedreht<br />
hat, so auch bei ihrem Film La pirate. Da spielte ein<br />
Mädchen mit, das kaum älter war als ich damals. Ich<br />
war furchtbar eifersüchtig und habe es die ganze Zeit<br />
mit bösem Blick verfolgt.<br />
AITKEN: Ah, da haben wir also die Wölfin.<br />
GAINSBOURG: (lacht) Heute sagt meine Mutter immer,<br />
das sei der Moment gewesen, in dem sie wusste, dass<br />
ich das auch machen wollte. Sie schrieb mir dann einen<br />
Zettel: „Hier, schau mal, die suchen ein Mädchen in<br />
deinem Alter …“ Sie wollte mich nicht drängen, darum<br />
schrieb sie nur diese Notiz. Ich fand sie, als ich aus<br />
der Schule nach Hause kam, und bin einfach hingegangen,<br />
ohne lange nachzudenken.<br />
AITKEN: Wie war es, das erste Mal vor der Kamera<br />
zu stehen?<br />
GAINSBOURG: Ich war sehr schüchtern. Ich war daran gewöhnt,<br />
immer zur Seite geschubst zu werden, wenn<br />
meine Mutter gedreht hat. Ständig rief jemand: „Aus<br />
dem Weg!“ Ich habe mich immer hinter dem Sofa<br />
versteckt und ihr von dort beim Spielen zugesehen. Als<br />
ich dann selbst vor der Kamera stand, hat mich das<br />
gleichzeitig beschämt und wahnsinnig glücklich gemacht.<br />
Ich erinnere mich noch an eine Szene, in der ich es zum<br />
ersten Mal geschafft habe, vor der Kamera zu weinen. Ich<br />
war so stolz darauf.<br />
AITKEN: Die Musik deines Vaters, die Filme deiner<br />
Mutter: Du bist in einem kreativen Umfeld aufgewachsen.<br />
Wie war das?<br />
GAINSBOURG: Ich wünschte, ich hätte das besser in<br />
Erinnerung. Ich habe meinen Vater gar nicht so oft<br />
schreiben sehen, denn meistens hat er das nachts<br />
getan. Wir haben einfach zusammengelebt. Meine Eltern<br />
hatten gerne Spaß. Sie sind oft ausgegangen (lacht).<br />
Natürlich haben wir Musik gehört, aber meistens beschränkte<br />
sich das auf Chopin, Bach und Elvis Presley.<br />
Und natürlich habe ich die ganzen Künstler, mit denen<br />
meine Eltern befreundet waren, oft gesehen.<br />
AITKEN: Du beschreibst das wie eine Collage: Eindrücke<br />
von Leuten, die ständig bei euch ein- und ausgingen,<br />
Stücke, die geschrieben wurden, Bilder, Flughäfen, Hotels,<br />
Abflüge, Ankünfte …<br />
GAINSBOURG: Aber es gab nicht diese Extravaganz, die<br />
man heute aus all den Celebrity-Lifestyle-Blättern
.<br />
"Es ist ziemlich<br />
nervenaufreibend,<br />
ne Plan in eine<br />
Szene zu gehen.<br />
Man muss akzeptieren,<br />
dass man<br />
sich gleich lächerlich<br />
macht"<br />
Miederhöschen<br />
DOLCE & GABBANA<br />
High Heels PRADA
.<br />
Charlotte Gainsbrg<br />
166
Links:<br />
Hemd GIVENCHY<br />
BY RICCARDO<br />
TISCI Höschen ERES<br />
Pumps SAINT<br />
LAURENT BY<br />
HEDI SLIMANE<br />
Unten:<br />
Kleid LOUIS<br />
VUITTON<br />
BH & Höschen ERES<br />
gewohnt ist. Meine Eltern waren nicht <strong>gerade</strong> die<br />
Bodenständigsten, aber es gab keinen Protz bei uns. Sie<br />
haben nicht von großen Häusern und Schwelgen im<br />
Luxus geträumt. Mein Vater hatte Flugangst. Wir sind<br />
immer mit dem Zug gefahren und nie weiter als bis<br />
London oder Venedig. Einmal bin ich aber mit meinem<br />
Vater nach Barbados geflogen. Er hat sich tierisch<br />
betrunken auf dem Flug. Damals habe ich ziemlich doll<br />
gegen seine Alkoholsucht angekämpft. Jetzt wünsche<br />
ich mir manchmal, ich wäre etwas toleranter mit ihm umgegangen<br />
und hätte das einfach akzeptiert.<br />
AITKEN: Venedig, Barbados … das ist also deine<br />
Vorstellung von einer einfachen Kindheit, ja?<br />
GAINSBOURG: Du hast ja recht (lacht). Irgendwie gleicht<br />
mein Leben schon dieser Collage. Andererseits ist<br />
meine Familie so anormal wie jede andere auch. Meine<br />
Eltern haben sich getrennt, als ich neun war, und ich<br />
bekam eine Stiefmutter, die nur zwölf Jahre älter war als<br />
ich, also mehr wie eine ältere Schwester. Das war ein<br />
ganz neues Leben. Dann kam meine Mutter mit einem<br />
anderen zusammen. Und mit 19 traf ich Yvan, meinen<br />
zukünftigen Ehemann. Wir sind jetzt seit 22 Jahren zusammen.<br />
Was bedeutet es, den Mann, mit dem man<br />
sein Leben verbringt, so jung kennenzulernen? Wir müssen<br />
wirklich eine Komplizenschaft haben! Mittlerweile habe<br />
ich mehr Zeit mit ihm verbracht als ohne ihn.<br />
AITKEN: Und wann kam die Musik ins Spiel?<br />
.<br />
GAINSBOURG: Als ich jünger war, hatte ich einen ziemlich<br />
miesen Musikgeschmack. Glücklicherweise kam ich auch<br />
mit Ian Dury in Kontakt, was natürlich keine schlechte<br />
Musik ist. Pink Floyd habe ich auch gehört und natürlich<br />
die Musik meiner Eltern. Aber auch französischen Pop,<br />
meine Eltern brachten mir aus der Plattenfirma immer<br />
diese kleinen 45er mit … Kennst du die noch, diese<br />
kleinen ohne Hülle?<br />
AITKEN: Ja!<br />
GAINSBOURG: Meistens furchtbares Zeug (lacht). Viel Mist.<br />
AITKEN: Ich finde deine Musik sehr atmosphärisch. Ein<br />
bisschen verträumt, ein bisschen psychedelisch, wunderschöne<br />
Geräusche. Auf mich wirkt es immer so, als wäre<br />
deine Stimme dein Instrument. Ein neues Instrument auf<br />
der Soundskala.<br />
GAINSBOURG: Das macht Sinn. Deswegen wollte ich auch<br />
immer mit Air arbeiten, um meine Stimme mit ihrer atmosphärischen<br />
Musik zusammenzutun. Mein Gesang ist nicht<br />
besonders technisch, aber heute stört mich das nicht mehr.<br />
AITKEN: Das sollte es auch nicht.<br />
GAINSBOURG: Früher habe ich das ehrlich gesagt nicht so<br />
locker gesehen. Während meiner ersten gemeinsamen<br />
Tour mit Beck habe ich die ganze Zeit versucht, dieses<br />
Schamgefühl abzuschütteln.<br />
AITKEN: Wo kommen deine Songs her?<br />
GAINSBOURG: Mit Beck lief es zum Beispiel so, dass wir<br />
gemeinsam über Themen diskutiert haben. Es ging<br />
um Dinge, die mich damals beschäftigt haben. Sehr<br />
persönliche Dinge, wie meinen Unfall. Heute schreibe<br />
ich eher alleine. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal auf<br />
Französisch schreiben würde, wegen meines Vaters.<br />
Aber das ist nun mal meine Muttersprache, deswegen<br />
passiert das ganz natürlich.<br />
AITKEN: Wie hat dein Vater seine Songs geschrieben?<br />
GAINSBOURG: Er hat Themen komponiert. Wenn er<br />
einen Titel fertig hatte, hat er ihn mir, meiner Mutter,<br />
meiner Schwester Kate, Bambou (Stiefmutter von Charlotte<br />
Gainsbourg) und seinem Art director vorgespielt und<br />
wollte wissen, was wir dabei empfinden. Und er hat immer 167<br />
bis zum allerletzten Tag gewartet, bevor er mit dem<br />
Schreiben anfing. Es war wahnsinnig stressig, aber er<br />
"Ich habe nie<br />
Drogen genmen<br />
– wahrscheinlich,<br />
weil ich den Exzess<br />
durch meine Eltern<br />
mitgelebt habe"<br />
konnte nicht anders. Ich habe noch Aufnahmen von<br />
ihm. Es sollte ein Album werden.<br />
AITKEN: Wow. Kann ich das mal hören?<br />
GAINSBOURG: Leider kann ich es <strong>gerade</strong> selbst nicht mal<br />
hören, weil es eine spezielle Form der Kassette ist und ich<br />
das Abspielgerät dafür nicht mehr finde. Seit 22 Jahren<br />
suche ich nun schon danach. Wahrscheinlich finde ich es<br />
absichtlich nicht, weil es zu emotional wäre, das nun zu<br />
hören.<br />
AITKEN: Okay, zurück ins Jahr 2013. Du bringst einen<br />
neuen Film raus.
Overall ELIE SAAB<br />
.
.<br />
STYLING Karen Kaiser /<br />
Streeters MAKE-UP William<br />
Bartel / Artlist HAIR<br />
Alexandry Costa / Artlist<br />
DIGITAL TECHNICIAN<br />
Quentin Curtat PHOTO<br />
ASSISTANT Alex Salle de<br />
Chou STYLING ASSISTANT<br />
Yasmina Benabdelkrim<br />
PRODUCTION H&K Paris<br />
Mantel & Kette<br />
CÉLINE<br />
Body YASMINE<br />
ESLAMI<br />
Höschen ERES<br />
Overknees CHANEL
GAINSBOURG: Zwei sogar! Nymphomaniac, den neuen Film<br />
von Lars, und dann noch eine französische Komödie:<br />
Jacky im Königreich der Frauen von Riad Sattouf. Gesehen<br />
habe ich aber beide noch nicht (lacht).<br />
AITKEN: Nymphomaniac wird ein ziemlicher Schocker.<br />
Was war denn die Initialzündung für dieses Projekt?<br />
GAINSBOURG: Du erinnerst dich doch noch an das Festival<br />
in Cannes, als Lars diese desaströse Melancholia-Pressekonferenz<br />
gegeben hat, auf der er diesen Hitler-Kram gequatscht<br />
hat?<br />
AITKEN: Hm, hm.<br />
GAINSBOURG: Am Morgen davor gaben wir jedenfalls ein<br />
kleines <strong>Interview</strong>, in dem Lars plötzlich sagte: „Ach ja,<br />
und mein nächster Film wird übrigens ein Porno mit den<br />
beiden da.“ Dabei zeigte er auf Kirsten (Dunst) und<br />
mich. Wir dachten erst, das sei ein Scherz, und haben<br />
einfach versucht, es wegzulachen.<br />
AITKEN: (lacht) Ist es denn wirklich ein Porno?<br />
GAINSBOURG: Es ist die Lebensgeschichte einer Frau,<br />
von ihrem 2. bis zum 50. Lebensjahr. Sie wird erzählt<br />
anhand der Bandbreite ihrer sexuellen Erfahrungen.<br />
AITKEN: Also du und Lars, ihr seid aber auch wirklich<br />
ein Dream-Team …<br />
GAINSBOURG: Ich hoffe es! Gerade bin ich etwas traurig,<br />
weil ich das Gefühl habe, es könnte unser letzter<br />
gemeinsamer Film gewesen sein. Was, wenn er mich<br />
nie wieder fragt, ob ich mit ihm drehen will?<br />
AITKEN: Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd.<br />
GAINSBOURG: Was steht bei dir eigentlich <strong>gerade</strong> an?<br />
AITKEN: Mein nächstes Projekt heißt Station to Station.<br />
Es wird ein bewegtes Projekt: eine Zugreise durch die<br />
USA, von New York bis San Francisco mit Happenings<br />
an verschiedenen Stationen. In Brooklyn tritt zum<br />
Beispiel eine Voodoo-Kapelle auf, bunte Rauchbomben<br />
werden explodieren und so, alles mit Blick übers<br />
Wasser nach Manhattan.<br />
GAINSBOURG: Außer dieser Band treten doch auch noch<br />
andere Musiker auf. Was machen die?<br />
AITKEN: Die können machen, worauf sie Lust haben. Es<br />
gibt keine strikten Regeln. Genau darum geht es: um<br />
die Kunst des Loslassens. Vielleicht hast du ja Lust, No<br />
Age oder The Stooges zu begleiten.<br />
GAINSBOURG: Loslassen zu können ist wirklich das höchste<br />
Ziel, sowohl in der Musik als auch beim Schauspiel.<br />
AITKEN: Wenn etwas zu bequem läuft, werden die Dinge<br />
vorhersehbar. Auf Vorhersehbarkeit folgt die Bedeutungslosigkeit,<br />
und so wird etwas letzten Endes ästhetisch.<br />
GAINSBOURG: Deshalb zwinge ich mich immer, meinen<br />
Wohlfühlbereich zu verlassen.<br />
AITKEN: Das heißt, du machst immer wieder Sachen,<br />
die sich für dich fremd anfühlen?<br />
GAINSBOURG: Unbedingt. Glaubst du, dass jedes<br />
Kunstwerk provozieren muss?<br />
AITKEN: Ganz und gar nicht! Ich glaube sogar, dass das<br />
Wort Provokation in diesem Kontext keine Bedeutung<br />
hat. Die Leute denken immer, Kunst müsse schocken,<br />
je mehr Sex und Gewalt, desto besser. Aber Kunst, die<br />
provoziert, kann ganz still sein, wie eine 70er-Jahre-Skulptur<br />
von Donald Judd. Man sitzt einfach davor und fragt<br />
sich, warum das so außergewöhnlich ist. Es ist fast so, als<br />
hätte jemand die Leere in einen Rahmen gesteckt.<br />
GAINSBOURG: Und deshalb provoziert es?<br />
AITKEN: Ja, und falls es dich nicht stört, würde ich an<br />
"Meine Eltern haben sich<br />
getrennt, als ich neun war,<br />
und ich bekam eine Stiefmutter,<br />
die nur zwölf Jahre<br />
älter war als ich"<br />
dieser Stelle noch mal auf deine Kindheit zurückkommen.<br />
Ich stelle mir all die Hotels vor und die Autos, deinen<br />
Vater, der spät in der Nacht Musik macht, und dabei höre<br />
ich förmlich diesen Gainsbourg-Soundtrack im Hinter -<br />
grund. Ich glaube, jeder empfindet deine Kindheit und<br />
dein ganzes Leben als Provokation.<br />
GAINSBOURG: Die Leute denken jedenfalls immer, dass<br />
man als Tochter eines Musikers und einer Schauspielerin<br />
automatisch ein viel reicheres und blumigeres Leben<br />
geführt haben muss als der Rest der Welt. Dabei habe ich<br />
nie Drogen genommen oder zu viel getrunken – wahrscheinlich,<br />
weil ich den Exzess durch meine Eltern mitgelebt<br />
habe. Ich war ihr stiller Beobachter.<br />
AITKEN: Und was hast du daraus mitgenommen?<br />
GAINSBOURG: Ich bin nicht ganz sicher, ob es etwas damit<br />
zu tun hat, aber ich hatte schon immer schreckliche<br />
Angst davor, unnatürlich zu sein. Ich erinnere mich noch<br />
ganz genau daran, wie meine Mutter einmal sagte: „Ich<br />
wünschte, ich hätte in den Sechzigern nicht immer so viel<br />
Make-up getragen. Ich sah so hässlich aus! Du siehst am<br />
besten aus, wenn du diesen ganzen Kram einfach weglässt.“<br />
Seitdem laufe ich immer nur in Jeans und T-Shirt herum.<br />
AITKEN: Trägst du etwa keinen Lippenstift?!<br />
GAINSBOURG: Lippenstift! Den habe ich noch nie tragen<br />
können! Allerdings stehen meine Töchter total auf<br />
Pink und all den typischen Mädchenkram. Ich war nie so.<br />
AITKEN: Deshalb hast du also jedes Mal Cowboystiefel<br />
an, wenn ich dich sehe.<br />
GAINSBOURG: Ich bin eben keine Fashionista. Das liegt<br />
einfach nicht in unserer Familie. Mein Vater ist immer in<br />
einer regelrechten Uniform herumgelaufen, jeden Tag.<br />
Vielleicht besaß er dazu noch zwei, drei Paar derselben<br />
weißen Repetto-Schuhe, aber das war es auch schon.<br />
Wenn meine Mutter Fotos gemacht hat, hat sie sich schon<br />
darum gekümmert, was sie anhat. Aber zu Hause überhaupt<br />
nicht. Meine Schwestern – wir kommen alle von<br />
unterschiedlichen Vätern – sind allerdings alle völlig<br />
anders als ich. Die sind immer viel ausgegangen, haben<br />
Spaß gehabt und sich ausprobiert. Ich habe das eher<br />
durch meine Filme getan.<br />
AITKEN: Ich finde das toll! Viel besser als einen vollständigen<br />
Kleiderschrank.<br />
„Nymphomaniac 1“ startet<br />
voraussichtlich am 27. 2. 2014<br />
.<br />
171
.<br />
Zu<br />
Hause<br />
Louis Vuitton<br />
172<br />
bei Louis<br />
DIE NEUE<br />
KOLLEKTION!<br />
IM NEUEN<br />
MAISON<br />
LOUIS VUITTON!<br />
Fot Markus Pritzi<br />
Styling Klaus Stockhausen
.<br />
Alle Looks &<br />
Accessoires<br />
LOUIS VUITTON<br />
HERBST/WINTER<br />
2013/2014
.<br />
Love and light<br />
178
.<br />
Naomi<br />
trifft<br />
Marc<br />
SIE WAR SEINE BRAUTJUNGFER,<br />
UND ER TÄTOWIERTE SICH<br />
EINE COUCH AUF DEN BAUCH.<br />
OHNE CREATIVE DIRECTOR<br />
MARC JACOBS LÄGEN BEI LOUIS<br />
VUITTON DIE KLEIDER NOCH<br />
IM KOFFER. EIN GESPRÄCH<br />
ÜBER KUNSTVOLLE KÖRPER<br />
UND KÖRPERLICHE KUNST<br />
V Naomi Campbell<br />
Foto Jean-Paul Goude<br />
179
Love and light<br />
180<br />
NAOMI CAMPBELL: Guten Morgen!<br />
MARC JACOBS: Hallo, meine Liebe! Wie geht es dir?<br />
CAMPBELL: Gut, und dir?<br />
JACOBS: Bei mir ist alles okay.<br />
CAMPBELL: Wir haben uns lange nicht gesprochen. Bei mir<br />
ist einfach sehr viel los <strong>gerade</strong>. Ich bin etwas überarbeitet.<br />
JACOBS: Wem sagst du das. Wo steckst du?<br />
CAMPBELL: In London. Davor war ich in Paris, aber nur für<br />
zwei Tage. Als ich am zweiten Tag gehört habe, dass<br />
du auch da bist, dachte ich nur: „Scheiße, und ich muss<br />
Morgen abreisen.“ Geht es dir denn auch gut?<br />
JACOBS: Ja, ja. Ich habe nur einfach wahnsinnig viel zu tun.<br />
Genau wie du.<br />
CAMPBELL: Ich muss auch noch mal ganz in Ruhe mit dir<br />
reden. So nur wir beide, verstehst du? (lacht)<br />
JACOBS: Aha … und worüber?<br />
CAMPBELL: Oh Gott. Da gibt es vieles … ich werde dir das<br />
schon noch erzählen. – Ich lege einfach los. Erzähl doch<br />
erst mal was über deine aktuelle Kollektion. Damit<br />
wolltest du ja zeigen, dass es im Leben mehr Facetten gibt<br />
als Schwarz und Weiß. Deshalb hast du dich den<br />
Grautönen zugewandt.<br />
JACOBS: Das sind natürlich immer Metaphern. Gegensätze<br />
wie zum Beispiel Schwarz und Weiß sind eben extrem<br />
und dadurch aufregender. Aber dazwischen liegen alle<br />
möglichen Grautöne. Es war ein sehr persönliches Anliegen<br />
für mich, keine farbenfrohe Schau aufzusetzen. Die<br />
Entwürfe entstanden, als ich quasi obdachlos war, kurz<br />
nachdem der Hurrikan Sandy New York heimgesucht hatte.<br />
Mir erging es noch ganz gut, ich konnte im Mercer<br />
Hotel unterkommen. Aber dort habe ich mir Gedanken<br />
darüber gemacht, wie viele Dinge im Leben man<br />
einfach nicht unter Kontrolle hat. In der Mode scheint es<br />
ja auch oft, als gäbe es nur die eine oder die andere<br />
Seite, obwohl dazwischen tatsächlich so viele Grautöne<br />
liegen. Wir haben also ein stark gedimmtes Licht für<br />
die Show gewählt, sodass die Farben möglichst schwach<br />
wirken. Danach haben wir alles noch mal im Licht<br />
gezeigt, damit man die eigentlichen Farben richtig sehen<br />
konnte. Es war ein bisschen wie beim Zauberer von Oz.<br />
CAMPBELL: Schön! Manchmal frage ich mich, wie du<br />
das alles machst. Du hast Marc Jacobs und Marc by Marc<br />
Jacobs und Little Marc Jacobs und dann auch noch<br />
Bookmarc, was mir übrigens sehr gefällt …<br />
JACOBS: Ich mache das ja nicht allein. Für jede meiner<br />
Linien habe ich ein großartiges Team. Das sind alles so<br />
tolle Leute. Angefangen bei Robert Duffy, meinem<br />
Partner, über die Designer bis in die Strickereien und zu<br />
den Leuten, die sich um die Damenmode, Schuhe und<br />
Handtaschen bei Louis Vuitton kümmern. Ich fühle mich<br />
da mehr als Teil eines großen Unternehmens, das sich Marc<br />
Jacobs nennt, und als Teil eines noch größeren Unternehmens<br />
namens Louis Vuitton.<br />
CAMPBELL: Und du sitzt am Kopfende des Tisches (lacht).<br />
JACOBS: Aber es ist auch gut, Leuten vertrauen zu<br />
können, die dasselbe ästhetische Verständnis haben und<br />
dieselben Ziele verfolgen.<br />
CAMPBELL: Und sie müssen dich sehr gut kennen. Aber du<br />
hast recht: Vertrauen spielt eine wichtige Rolle. Ich weiß<br />
nicht, ob wir uns über die nächste Frage schon mal<br />
unterhalten haben, aber ich stelle sie trotzdem: Was sollte<br />
man beziehungsweise frau niemals tragen?<br />
JACOBS: Ich glaube nicht an ein „Niemals“. Ich habe auch<br />
.<br />
schon alle möglichen Sachen getragen. Sogar Boxer shorts.<br />
Was magst du denn gar nicht?<br />
CAMPBELL: Ich finde Birkenstocks schrecklich.<br />
JACOBS: Birkenstocks habe ich schon getragen! Man sollte<br />
niemals nie sagen. Ich versuche, solch einen Absolutismus<br />
in der Mode zu vermeiden. Die Leute sollten tragen, was<br />
sie glücklich macht. Was auch immer das sein mag.<br />
CAMPBELL: Jetzt, wo du das sagst, erinnere ich mich sogar<br />
an dich in Birkenstocks. Ich habe die Dinger trotzdem<br />
nie getragen, ich mag die nicht.<br />
JACOBS: Das kann ich mir schon vorstellen.<br />
CAMPBELL: (lacht) Du trägst also alles, was du willst. Gibt<br />
es keinen bestimmten Stil, den du bevorzugst oder gar<br />
nicht magst?<br />
JACOBS: Nicht wirklich. Ich pflege allerdings einen<br />
chroni schen Zynismus gegenüber dem Wort „modern“. Ich<br />
glaube einfach, dass Leute die Dinge, die sie aus ihrem<br />
täglichen Leben gewohnt sind, aus genau diesem Grund<br />
als modern verstehen. Aber das, was für den einen normal<br />
ist, ist es eben nicht automatisch für den anderen. Ich<br />
finde es wesentlich romantischer und poetischer, von einer<br />
modischen Ernsthaftigkeit zu sprechen, als davon, dass<br />
etwas modern sei. Trotzdem weckt dieses Wort in mir<br />
einen gewissen Zynismus oder Sarkasmus. Ich denke mir<br />
einfach: „Kleider sind Kleider, und die Leute kaufen die,<br />
„Jeder sollte heiraten<br />
dürfen, wen er<br />
möchte. Man kann<br />
niemandem vorschreiben,<br />
wen er<br />
zu lieben hat. Da<br />
gibt es für mich<br />
keine Diskussion”<br />
die ihnen gefallen, und tragen sie, um damit anderen<br />
Leuten zu gefallen oder weil sie sich gut da rin fühlen.“<br />
CAMPBELL: Darum geht es mir auf jeden Fall, ich möchte<br />
mich gut fühlen.<br />
JACOBS: Genau. Was auch immer gut fühlen bedeutet. Es<br />
kann glamourös bedeuten oder hübsch …<br />
CAMPBELL: Was jeder auf seine Weise interpretiert.<br />
JACOBS: So ist es.<br />
CAMPBELL: Kusama, Richard Prince, Murakami, Stephen<br />
Sprouse – du warst definitiv derjenige, der Mode wieder<br />
in Verbindung mit Tanz und Kunst gebracht hat. Wie kam<br />
es dazu?<br />
JACOBS: Als ich bei Vuitton anfing, habe ich viel über<br />
europäische Kultur nachgedacht. Über Zeiten, in denen<br />
ein richtiger kreativer Austausch zwischen Menschen in<br />
unterschiedlichsten Berufen stattgefunden hat. Es war Jean<br />
Cocteau, dessen Zeichnungen als Stickereien um gesetzt<br />
wurden. Picasso tobte sich auch abseits der Staffelei aus.<br />
Kunst, Musik, Mode, Theater, Opern, Ballett – das waren<br />
alles Orte kreativen Ausdrucks, die niemanden ausschlossen<br />
teilzuhaben. Als ich bei Vuitton anfing, dachte<br />
ich mir: „Hier steht der Name Vuitton an der Tür, und<br />
ich mache bei denen mit. Was habe ich anzubieten?“ Und<br />
eine Antwort darauf waren neuartige Kollaborationen.
Zum Beispiel mit externen Künstlern, die man dazu<br />
einlädt, das Logo auf ihre Weise zu interpretieren. So fing<br />
das an.<br />
CAMPBELL: Für mich sind das richtige Kunstwerke. Ich<br />
habe eine ganze Sammlung von Stephen-Sprouse-Taschen.<br />
Ebenso die ganzen Murakamis. Das sind heute<br />
Sammlerstücke.<br />
JACOBS: Jedes Mal, wenn wir eine dieser Kollaborationen<br />
gemacht haben, waren wir mit viel Enthusiasmus dabei.<br />
Das Logo und auch die Marke Louis Vuitton an sich sind<br />
ikonisch. Deshalb war es den Leuten eine besondere<br />
Freude und eine tolle Möglichkeit, sie mit ihrem ganz<br />
eigenen Blick zu betrachten und neu zu gestalten.<br />
CAMPBELL: Wie möchtest du in die Geschichte eingehen?<br />
Als healthy-wealthy oder berühmt für deine Mode?<br />
JACOBS: Ich habe mich nie als healthy-wealthy-Designer<br />
gesehen, sondern immer als einen ehrlichen Menschen, der<br />
so ist wie jeder andere auch.<br />
CAMPBELL: Du benennst die Dinge, wie sie sind.<br />
JACOBS: Zumindest gebe ich mir Mühe. Ich habe auch<br />
immer ehrlich über meine Probleme gesprochen, genauso<br />
wie über die Dinge, die mir Spaß gemacht haben.<br />
CAMPBELL: Marc, seitdem ich dich kenne, warst du immer<br />
aufrichtig und ehrlich.<br />
JACOBS: Auch in dem Punkt mache ich keinen Unterschied<br />
zwischen meinem Beruf und meinem Privatleben. Natürlich<br />
habe ich ein Privatleben, aber mein Beruf in der<br />
Modewelt nimmt so viel Raum ein, dass ich nicht wirklich<br />
Grenzen ziehe. Klar, es gibt ein privates und ein öffentliches<br />
Wesen, aber wenn es mir nicht gut geht oder wenn mich<br />
etwas fröhlich macht, dann merkt man mir das auch an,<br />
wenn ich bei der Arbeit bin. Ich möchte glaubwürdig sein<br />
und den Dingen so begegnen, wie sie nun mal sind.<br />
CAMPBELL: Ich war 16, als wir uns kennengelernt haben.<br />
Christy (Turlington), Cindy (Crawford) und ich sind in<br />
deiner Show gelaufen. Christy war die Braut, und Cindy<br />
und ich waren die Brautjungfern, mit Schleier und allem<br />
Drum und Dran.<br />
JACOBS: Ja, darüber habe ich erst neulich wieder gesprochen.<br />
"Die Entwürfe entstanden,<br />
als ich quasi dachl<br />
war, kurz nachdem Sandy<br />
New Yk heim gesucht<br />
hatte. Mir erging<br />
es noch ganz gut"<br />
CAMPBELL: Und dann warst du bei Perry Ellis, und ich<br />
habe zu dir gesagt: „Marc, du hast es geschafft. Du bist bei<br />
einer großen Marke.“ Und du sagtest nur: „Nein, ich habe<br />
es nicht geschafft. Hier bin ich nicht glücklich. Ich will das<br />
nicht mehr machen. Ich will tun, worauf ich Lust habe.“<br />
JACOBS: Ja.<br />
CAMPBELL: Erinnerst du dich noch an die erste Show, die<br />
wir gemacht haben, als Donatella und Gianni gekommen<br />
sind? Das war so toll. In einem Teil von SoHo haben sie<br />
uns die Haare gemacht und im anderen …<br />
JACOBS: Gab es nicht einen Schulbus, der euch um den<br />
Block gefahren hat?<br />
CAMPBELL: Oh ja! Ich habe noch die gesamte Kollektion,<br />
ich habe damals alles gekauft. Die Show war der Wahn sinn.<br />
Als du dich dazu entschlossen hattest, nicht länger bei Perry<br />
Ellis zu bleiben, war das für viele erst mal …<br />
JACOBS: Na ja, als ich bei Perry Ellis angefangen habe, war<br />
nicht alles schlecht. Aber es entwickelte sich in eine Richtung,<br />
die nicht gut war. Mein Geschäftspartner Robert<br />
Duffy und ich hatten das Gefühl, es allen recht machen zu<br />
müssen. Also sind wir wieder dazu übergegangen, das zu<br />
tun, was sich richtig anfühlte. Die Grunge-Kollektion, die<br />
dann folgte, wurde sehr berühmt. Ich denke, das war der<br />
Punkt, an dem mir klar wurde, dass ich das ausdrücken<br />
muss, was in mir steckt, was ich fühle. Und weil denen das<br />
nicht gefallen hat, war es an der Zeit, sich zu trennen.<br />
CAMPBELL: Die meisten Menschen hätten trotzdem große<br />
Angst, an so einem Punkt noch mal neu anzufangen.<br />
JACOBS: Weder Robert noch ich sind Leute, die einfach das<br />
Handtuch werfen. Wir lieben, was wir tun. Selbst wenn<br />
etwas kompliziert wird oder sich Hindernisse auftun,<br />
haben wir ein Ziel vor Augen, an das wir glauben und das<br />
wir verfolgen.<br />
CAMPBELL: Nein, du gibst wirklich nicht auf. Du bist ein<br />
Arbeitstier.<br />
JACOBS: (lacht) So viel ist sicher!<br />
CAMPBELL: Ich muss übrigens sagen, dass dein Körper in<br />
Topform ist.<br />
JACOBS: (lacht)<br />
CAMPBELL: Glaubst du, die physische Stärke hat dich auch<br />
psychisch verändert?<br />
JACOBS: Ich bin schon etwas selbstsicherer geworden. Ich<br />
fühle mich einfach besser. Aber nicht nur mein Äußeres<br />
hat sich verändert. Ich esse auch gesünder.<br />
CAMPBELL: Der Geist fühlt sich auch besser, oder?<br />
JACOBS: Ja. Das ist quasi ein Dominoeffekt.<br />
CAMPBELL: Marc, wie viele Tattoos hast du dir eigentlich<br />
stechen lassen, seit wir uns kennen? (kichert)<br />
JACOBS: Ich glaube, es sind 33.<br />
CAMPBELL: (lacht laut) Und was ist mit dem auf deiner<br />
Brust?<br />
JACOBS: Ähm, ich glaube, du sprichst von der Couch, oder?<br />
Die ist etwas weiter unten.<br />
CAMPBELL: Ja.<br />
JACOBS: Ach, die habe ich mir einfach so machen lassen.<br />
Ich bin an meine Tattoos immer sehr spontan heran -<br />
gegangen. Auch wenn sie von Dauer sind. Ich bin einfach<br />
zu Saved Tattoo in Brooklyn gegangen, dem Laden von<br />
Scott Campbell, in dem ich fast alle meine Tattoos habe<br />
stechen lassen, und meinte zu ihm: „Ich hätte gerne eine<br />
Couch.“ Und er sagte: „Okay.“ Die Couch ist übrigens<br />
mein Lieblingstattoo.<br />
CAMPBELL: Sind Tattoos so eine Art heimliches Laster für<br />
dich?<br />
JACOBS: Es macht mir auf jeden Fall großen Spaß, sonst<br />
würde ich es nicht machen. Das ist nebenbei bemerkt eine<br />
Jean-Michel-Couch (lacht).<br />
CAMPBELL: Yves Saint Laurent hat eine Abschiedsrede<br />
gehalten, in der er gesagt hat: „Ich verstehe jetzt, dass die<br />
wichtigste Begegnung, die man in seinem Leben macht,<br />
die mit sich selbst ist.“ Hast du diesen Moment schon<br />
erreicht?<br />
JACOBS: Ich schätze, daran arbeitet man sein ganzes Leben,<br />
oder nicht? Ich denke schon, dass ich mich in einiger<br />
Hinsicht sehr gut kenne. Aber letztlich ist das ein Puzzle,<br />
.<br />
181
Love and light<br />
182<br />
das nie ganz fertig wird. Da wird es immer was zu entdecken<br />
geben. Man wird neue Dinge an sich entdecken,<br />
neue Interessen finden. Man sollte nicht zu stur sein, das<br />
Verhalten und die Einstellung zum Leben nicht auch mal<br />
zu verändern.<br />
CAMPBELL: Wie definierst du Schönheit? Bedeutet das<br />
Perfektion für dich?<br />
JACOBS: Nein. Nein, gar nicht. Eine einzige Definition<br />
davon, was Schönheit ist, gibt es nicht. Ich kann Schönheit<br />
in Dingen finden, die sehr gewöhnlich und alltäglich<br />
sind. Ich finde sie aber auch im Unperfekten, in Dingen,<br />
die merkwürdig oder schräg sind. Ich versuche, den<br />
Dingen mit der Naivität eines Kindes zu begegnen, das<br />
sich alles ganz unvoreingenommen ansieht. Kinder<br />
können nicht erklären, warum, aber manchmal fühlen sie<br />
sich angezogen und hypnotisiert von etwas. Darin liegt<br />
Schönheit verborgen: in einer unerklärbaren Anziehungs -<br />
kraft, die von einer Sache ausgeht und die dich anzieht.<br />
CAMPBELL: Welcher war dein größter Mode-Fauxpas?<br />
JACOBS: Keine Ahnung!<br />
CAMPBELL: Sag mal, stimmt es, dass du <strong>gerade</strong> einen Film<br />
gedreht hast, Disconnect?<br />
JACOBS: Das habe ich, ja!<br />
CAMPBELL: Davon wusste ich gar nichts!<br />
JACOBS: Ich habe aber nur eine sehr kleine Rolle …<br />
CAMPBELL: Und hat es dir gefallen, war das eine gute<br />
Erfahrung?<br />
JACOBS: Nein, es war total schwierig.<br />
CAMPBELL: (lacht)<br />
JACOBS: Natürlich habe ich mich gefreut, eine neue Erfahrung<br />
machen zu können. Aber alles hat sehr lange<br />
gedauert, und es war auch sehr ermüdend. Man musste<br />
lange aufbleiben, und es war schrecklich kalt. In der Mode<br />
gibt es auch viele Dinge, die ermüdend sind, die Anproben<br />
zum Beispiel. Aber an diese Art der Ermüdung bin ich<br />
gewöhnt, und ich liebe sie. Aber in die Welt der Schauspielerei<br />
einzutauchen und ständig gesagt zu bekommen,<br />
was man aufsagen soll und dass man es noch mal anders<br />
aufsagen soll, immer und immer wieder, für Stunden …<br />
CAMPBELL: Und immer wieder mit derselben Energie.<br />
JACOBS: Genau, dann heißt es: „Mach das noch mal, aber<br />
sei spontan dabei“ – und ich nur so: „Wie bitte?“ Man<br />
muss sich gehen lassen können.<br />
CAMPBELL: Ich erinnere mich an so viele Situationen, in<br />
denen ich dir gesagt habe: „Marc, wann fährst du denn<br />
endlich mal in Urlaub, du brauchst das!“ Wie handhabst<br />
du das heute? Kannst du abschalten? Nimmst du dir jetzt<br />
manchmal Urlaub?<br />
JACOBS: Ich mache Nickerchen. Das ist meine größte Erholungsquelle.<br />
CAMPBELL: Wie bitte?<br />
JACOBS: In der Regel halte ich nach dem Mittagessen<br />
kleine Nickerchen. Dann lege ich mich auf den Rücken, in<br />
einem stillen Raum, und schalte ab.<br />
CAMPBELL: Du hast eine Andy-Warhol-Strecke für eine<br />
Jubiläumsausgabe der amerikanischen <strong>Interview</strong> gemacht<br />
und warst selbst als Andy auf dem Cover zu sehen. Hast<br />
du ihn mal getroffen?<br />
JACOBS: Ja, ein paar Mal, als ich noch jünger war.<br />
CAMPBELL: Wie war es, ihn zu verkörpern?<br />
JACOBS: Erst einmal war ich sehr geehrt, als man mich<br />
fragte, ob ich das machen würde. Glenn O’Brien kam als<br />
Erstes mit der Idee auf mich zu. Ich selbst hätte mich<br />
.<br />
niemals hingestellt und gesagt: „Ich will Andy Warhol<br />
sein.“ Dazu verehre ich ihn und seine Arbeit viel zu sehr.<br />
Ich habe aber verstanden, warum sie mich dafür haben<br />
wollten. Der Vorschlag kam zu der Zeit, als meine<br />
Zusammenarbeit mit Murakami und Richard Prince<br />
für Louis Vuitton sehr erfolgreich wurde. Andy hat sich<br />
auch immer viele Gedanken über die Verbindungen<br />
zwischen Kunst und Mode gemacht. Sie waren überzeugt,<br />
dass ich die richtige Person sei, um Andy Warhol auf<br />
dem Jubiläumscover darzustellen. Ich bin sehr froh, dass<br />
ich das gemacht habe.<br />
CAMPBELL: Du bist dieses Jahr 50 geworden.<br />
JACOBS: Oh jaha!<br />
CAMPBELL: Wie hat sich das angefühlt?<br />
JACOBS: Ach, eigentlich war es ein Tag wie jeder andere.<br />
Keine große Offenbarung. Ich war am Strand von Rio<br />
de Janeiro und hatte einfach einen guten Tag. Ich denke<br />
nicht besonderes viel über das Alter nach.<br />
"Man slte niemals nie<br />
sagen. Ich versuche, sch<br />
einen Absutismus in der<br />
Mode zu vermeiden.<br />
Die Leute slten tragen,<br />
was sie glücklich macht"<br />
CAMPBELL: Dein Vater war Agent bei der Talentagentur<br />
William Morris. Glaubst du, dass er dich in Sachen Kunst,<br />
Film und Musik beeinflusst hat?<br />
JACOBS: Ich glaube nicht, dass meine Eltern oder mein<br />
Vater im Speziellen einen konkreten Einfluss auf mich hatten.<br />
Aber ich denke, ich kann mich sehr glücklich<br />
schätzen, dass ich so offene Eltern hatte. Dank ihnen<br />
durfte ich in New York aufwachsen. Sie waren sehr liberale<br />
Leute. Bei uns gab es kein Richtig oder Falsch,<br />
es gab keinen Rassismus. Sie hatten keine Vorurteile und<br />
gehörten auch nicht zu den Leuten, die ständig irgendetwas<br />
ablehnen mussten. Glücklicherweise war ich kein<br />
Junge irgendwo aus dem Mittleren Westen, dessen<br />
Interesse, Modedesigner zu werden, niemand verstand.<br />
CAMPBELL: Würdest du dich als New Yorker bezeichnen?<br />
JACOBS: Ich bin auf jeden Fall ein New Yorker.<br />
CAMPBELL: Lass uns über die Legalisierung der Homo-Ehe<br />
sprechen.<br />
JACOBS: Ich bin natürlich dafür! Jeder sollte heiraten<br />
dürfen, wen auch immer er möchte. Man kann<br />
niemandem vorschreiben, wen er zu lieben hat. Da gibt es<br />
für mich keinerlei Diskussion. Ich bin froh, dass das<br />
Gesetz nun endlich durch ist. Menschen haben dieselben<br />
Gefühle, unabhängig von ihrer nationalen Zugehörigkeit<br />
oder von sexuellen Vorlieben. Und Liebe ist nun mal<br />
Liebe. Da spielt es keine Rolle, wer du bist oder woher du<br />
kommst.<br />
CAMPBELL: Präsident Obama scheint ja dafür zu sein.<br />
JACOBS: Ja, ich denke schon. Ich habe Obama jedenfalls<br />
gewählt, und ich finde, dass er ein großartiger Präsident<br />
ist. Er macht einen guten Job. Einen, den ich niemals<br />
übernehmen möchte!
.<br />
HAARE<br />
&<br />
MAKE-UP Stelli<br />
/ Uschi Rabe<br />
MODELS Katlin<br />
Aas / afg. new<br />
york, Andre Feulner<br />
/ Success<br />
1. FOTO-ASSIS-<br />
TENZ / DIGITAL<br />
OPERATOR Ben<br />
Ullmann FOTO-<br />
ASSISTENZ Andreas<br />
Fessler, Alex<br />
Ullrich PRODUK-<br />
TION Shotview
.<br />
LaLaLand<br />
SEIN STUDIO WAR DER SUNSET BOULEVARD,<br />
SEIN MATERIAL DIE IKONEN DES POP: VOR<br />
MEHR ALS 30 JAHREN ERFAND BRAD ELTERMAN<br />
JENEN LOOK, DER GENERATIONEN VON FOTOGRAFEN<br />
PRÄGEN SOLLTE. BEVOR IM SEPTEMBER SEIN NEUER<br />
BILDBAND ERSCHEINT, ZEIGEN WIR DIE BESTEN<br />
FOTOS – UND BESUCHTEN DEN ERSTEN PAPARAZZO<br />
DES ROCK ’N’ ROLL AM POOL DER VILLA LE REVE<br />
Von Jörg Harlan Rohleder<br />
Fotos Brad Elterman<br />
Portfolio Brad Elterman<br />
184<br />
Who’s that girl?<br />
Madonna bei den<br />
American Music<br />
Awards, Los<br />
Angeles, 1982
Madonna, 1982<br />
BRAD ELTERMAN: Dieser Blick sagt alles: Ein letzter<br />
Funken Unsicherheit ist noch in den Augen abzulesen,<br />
ansonsten sieht man bereits hier diese einzigartige Frau,<br />
die angetreten war, die Welt zu erobern. Ich war gebucht<br />
worden, um über die American Music Awards zu berichten,<br />
und wollte unbedingt diese heiße neue Sängerin aus<br />
New York fotografieren, die, wenn mich nicht alles<br />
täuscht, nicht einmal nominiert war. In diesem Raum war<br />
es unmöglich, ein gutes Foto zu bekommen, zumal mir<br />
klar war, dass alle Fotografen dasselbe Bild heimbringen<br />
würden. Also blieb ich am Rand stehen, wartete auf einen<br />
günstigen Moment und rief ihren Namen: MADONNA!<br />
INTERVIEW: Von einem echten Paparazzo hätten wir nichts<br />
anderes erwartet!<br />
ELTERMAN: Ich fühlte mich aber nicht wie einer, zumindest<br />
nicht nach heutigen Maßstäben. Heute belagern<br />
Paparazzi ihre Beute, bis sie ein Motiv, irgendein Motiv<br />
haben, das Bild ist egal. Sie verkaufen es an TMZ und all<br />
diese fürchterlichen Boulevard-Schauplätze, was in<br />
meinen Augen einfach nur vulgär ist. Ich wollte Ikonen<br />
schaffen und für die Ewigkeit festhalten! Deswegen lehne<br />
ich es auch ab, als Paparazzo bezeichnet zu werden.<br />
INTERVIEW: David Bowie, Debbie Harry, die Ramones:<br />
Sie fotografierten damals alles, was jung, wild und beinahe<br />
berühmt, mindestens aber berüchtigt war. Der Sunset<br />
Strip war Ihr Revier. Wer ist Ihnen nicht vor die Linse<br />
gekommen?<br />
ELTERMAN: Iggy Pop weigerte sich vehement. Und Dylan<br />
und Bowie waren ja eh schwer zu fassen, die waren auch<br />
damals schon Phantome.<br />
INTERVIEW: David Bowie lauerten Sie eine ganze Nacht<br />
lang auf, ansonsten hingen Sie bevorzugt backstage rum,<br />
im Whisky a Go Go oder im Roxy, auf irgendwelchen<br />
Parkplätzen, der Straße vor dem Hotel, am Pool oder im<br />
Park. Gab es nie Ärger?<br />
ELTERMAN: Robert Plant hetzte mir einmal seine Bodyguards<br />
auf den Hals.<br />
INTERVIEW: Was haben Sie dem Sänger von Led Zeppelin<br />
denn angetan?<br />
ELTERMAN: Nichts! Ich saß zu Hause bei meinen Eltern,<br />
da klingelte das Telefon. Der Fotograf Richard Creamer,<br />
der damals so etwas wie mein Mentor war, hatte gehört,<br />
dass Plant in einem Park in Encino mit ein paar Freunden<br />
Fußball spielt. Der Park lag keine fünf Blocks entfernt<br />
von meiner Haustür. Also schnappte ich die Kamera und<br />
rannte los. Und tatsächlich: Ich sah Plant und die Jungs, die<br />
tatsächlich in der Mittagshitze einen Ball kickten.<br />
INTERVIEW: Was nicht wirklich spektakulär ist.<br />
ELTERMAN: Umso spektakulärer war dafür die Hose, die<br />
Plant trug: eine knallenge Speedo! Als ich näher ranging,<br />
um ein besseres Bild zu bekommen, entdeckte mich Plant.<br />
Er zeigte mir den Mittelfinger, schickte seine Crew los,<br />
mich zu fangen, und drohte mir dann: „Du wirst in dieser<br />
Stadt nie wieder arbeiten.“ Damals war ich noch keine<br />
18. Ich hatte natürlich total Schiss und verkroch mich zu<br />
Hause in meinem Zimmer. Dort wartete ich und wartete,<br />
als nach ein paar Tagen noch immer kein Killerkommando<br />
vor der Tür stand, traute ich mich wieder raus. Mein<br />
erster Gang war der zur Post: Ich hatte ja genug Zeit gehabt,<br />
Abzüge von Plant in Speedos zu machen – und die<br />
verschickte ich sofort an Redaktionen auf der ganzen<br />
Welt. Das war ein ziemlicher Scoop!<br />
"Ich würde alles dafür<br />
geben, einen Mittag mit<br />
Lindsay Lan in Venice<br />
abhängen zu dürfen"<br />
The Runaways, 1977<br />
ELTERMAN: Das sind Joan Jett und Sandy West am Santa<br />
Monica Pier. Ich hatte die Girls überredet, mit mir an den<br />
Strand zu fahren. Dort haben wir ein paar Bilder gemacht,<br />
aber dieses hier hat den besten Moment. Ist es nicht irre, wie<br />
ähnlich Joan hier Kristen Stewart sieht? Oder sieht Kristen<br />
Stewart einfach nur Joan ähnlich?<br />
INTERVIEW: Sie haben von niemandem mehr Fotos gemacht<br />
als von Joan Jett. Waren Sie besessen von ihr – oder<br />
tatsächlich mit ihr befreundet?<br />
ELTERMAN: Sowohl als auch. Ich war in erster Linie Fan<br />
all dieser Bands und merkte schnell, dass die Kamera<br />
meine Eintrittskarte in die Welt meiner Helden war. Die<br />
Bands fanden es wiederum super, dass ich so jung war,<br />
quasi ein Teenager. Ich war weder bedrohlich noch<br />
aufdringlich, sondern einfach nur schüchtern. Gleichzeitig<br />
mochten sie meine Bilder – in einer Zeit, in der niemand<br />
eine Kamera hatte. Deswegen fanden sie es cool, dass<br />
ich da war. Es war eine Win-win-Situation. Joan wohnte<br />
damals noch im Tropicana Motel, einem fürchterlichen<br />
Schuppen, in dem alle jungen Bands abstiegen. Das<br />
Tropicana war ein Loch, aber ich habe es geliebt.<br />
Zwei Ausreißer<br />
am Santa Monica<br />
Pier: Joan Jett (l.)<br />
und Sandy West<br />
.<br />
185
.<br />
Portfolio Brad Elterman<br />
186
Matt Dillon, 1980<br />
ELTERMAN: Ich bekam einen Anruf von Super Teen, einer<br />
dieser Jugendzeitungen also, die Chefin wollte, dass ich<br />
diesen unbekannten, <strong>gerade</strong> mal 16-jährigen Schauspieler<br />
fotografiere. Also rief ich dessen Manager an, und am<br />
nächsten Tag kamen er und ein überaus schüchterner Matt<br />
Dillon bei mir im Studio vorbei. Damals gab es noch<br />
keine Agenten, die jeden Schritt, jede Handbewegung,<br />
jede Jeansmarke ihrer Schutzbefohlenen kontrollierten. Vic<br />
Ramos setzte sich einfach auf das Sofa in der Ecke und<br />
blätterte durch irgendein Magazin. Ihm war es scheißegal,<br />
was ich mit seinem Matt anstellte. Es gab kein Styling,<br />
kein Make-up, keinen Idioten, der an den Haaren<br />
rumfummelte.<br />
„All diese Agenten,<br />
Pressevögel, Berater und<br />
Marketing-Möchtegerns,<br />
die wie Blutegel an den<br />
Stars hängen, haben das<br />
Spiel kaputt gemacht“<br />
INTERVIEW: Was heute undenkbar wäre.<br />
ELTERMAN: Heute hängen all diese Idioten besserwisserisch<br />
am Set rum und verderben jede Chance auf eine gute<br />
Atmosphäre. Dabei haben sie dort nichts verloren. Sie<br />
machen nur Wind, um ihren Nichtjob zu rechtfertigen.<br />
INTERVIEW: Vielleicht.<br />
ELTERMAN: Es sind nicht die Stars, die komplizierter<br />
geworden sind, sondern der ganze nervtötende Apparat,<br />
der sie umkreist und heiße Luft als Arbeit begreift. Die<br />
Armada von Wichtigtuern und Nichtskönnern, all diese<br />
Agenten, Pressevögel, Berater und Marketing-Möchtegerns,<br />
die wie Blutegel an den Stars hängen, haben das<br />
Spiel kaputt gemacht. Diese Typen haben mich in den<br />
späten Achtzigern so genervt, dass ich irgendwann<br />
entschieden habe, eine Lizenz als Immobilienheini zu<br />
machen.<br />
INTERVIEW: Warum das denn?<br />
ELTERMAN: Weil der Strip tot war. Und ich keine Lust<br />
hatte, für jedes Bild eine Erlaubnis zu erbetteln. Wer in<br />
den Siebzigern ein Bild im Kasten hatte, durfte dies<br />
auch verkaufen. Es war seins. Darauf baute mein ganzes<br />
Geschäftsmodell: Ich fotografierte Bowie und machte<br />
Abzüge. Diese verschickte ich an die Redaktionen in<br />
England, Deutschland, Japan und sonst wohin und bekam<br />
bei Abdruck mein Honorar. Gewiss: Der Aufwand<br />
war gigantisch. Man investierte neun Dollar, um zehn zu<br />
machen. All die Abzüge, Portokosten, Ungewissheiten.<br />
Aber das Bild gehörte mir. Heute muss man bei jeder Veröffentlichung<br />
eine Erlaubnis einholen. Die Agenten<br />
haben die Spielregeln zu ihren Gunsten verändert – und<br />
darauf hatte ich keinen Bock.<br />
Superteen Matt<br />
Dillon: kein Styling,<br />
kein Make-up, kein<br />
Einspruch<br />
David Bowie, 1975<br />
ELTERMAN: Okay, ich gestehe: Das ist mein erstes richtiges<br />
Paparazzobild. Ich hatte gehört, Bowie sei in der Stadt, ein<br />
Freund meinte, er sei im Cherokee Studio auf der Fairfax<br />
Avenue und arbeite an seinem nächsten Album.<br />
Nachdem ich wochenlang den Pressemenschen von Bowie<br />
genervt hatte und keine andere Möglichkeit sah, Bowie<br />
vor die Linse zu bekommen, campierte ich nachts vor dem<br />
Studio. Ich war 18 oder so, wohnte noch bei den Eltern<br />
und schwänzte die Schule für dieses Bild. Um sechs in der<br />
Früh kam Bowie schließlich raus …<br />
INTERVIEW: Und dann?<br />
ELTERMAN: Ich kroch schnell aus dem Wagen und drückte<br />
ab! Bowie blieb nicht einmal stehen. Er sah mich nur an,<br />
sagte: „Good morning.“ Achten Sie auf den Schatten! Er<br />
passt überhaupt nicht zu seiner Haltung. Bowie war schon<br />
damals nicht von dieser Welt.<br />
INTERVIEW: Was sagten denn Ihre Eltern dazu, dass Sie<br />
sich nachts auf dem Sunset Strip umtrieben?<br />
ELTERMAN: Ich bin in einem ziemlich liberalen Elternhaus<br />
aufgewachsen, in Sherman Oaks. Mein Vater war<br />
Zahnarzt, meine Mutter malte. Ich hatte im Ferienlager<br />
gelernt, wie man Bilder entwickelt, also beschlagnahmte<br />
ich ihr Atelier. Dad verfügte leider über keinerlei<br />
gute Kontakte, aber er kaufte uns Tickets für Bob Dylan,<br />
Karten in der ersten Reihe. Ich nahm unsere Familienkamera<br />
und fotografierte wild drauflos. Das waren meine<br />
ersten Bilder. Und da ich es nicht besser wusste, schickte<br />
ich diese an Magazine in London.<br />
INTERVIEW: Wurden Sie dafür auch bezahlt?<br />
ELTERMAN: Damals gab es 20 Pfund pro Bild, was ein<br />
Vermögen für mich war.<br />
David Bowie<br />
verlässt morgens<br />
um sechs das<br />
Cherokee Studio<br />
.<br />
187
Portfolio Brad Elterman<br />
188<br />
So gut kann<br />
Punk aussehen<br />
(Teil 1): Steve<br />
Jones in Speedos<br />
"Er zeigte mir den Mittelfinger<br />
und drohte mir: ' Du wirst in<br />
dieser Stadt nie wieder arbeiten'"<br />
.<br />
Steve Jones, 1978<br />
ELTERMAN: Steve Jones! Ein echter Sex Pistol! Der Gitarrist<br />
der wichtigsten englischen Band seit den Beatles in<br />
meinem Pool! Damals wohnte ich in einem Irrenhaus auf<br />
Doheny, direkt am Sunset Strip. Im ganzen Haus lebten<br />
irgendwelche Musiker, Freaks, Models, Dealer, Verrückte,<br />
Schauspieler, eine einzige, ziemlich hemmungslose Party,<br />
es war wirklich wild. Angeblich hat sich sogar Sly Stallone<br />
dort eingemietet. Eines Mittags kam Steve vorbei, und<br />
wir dachten, es sei lustig, am Pool rumzualbern. Dabei entstand<br />
diese Aufnahme. Steve sieht aus wie ein verdammtes<br />
Calvin-Klein-Model. Es gibt noch ein anderes Bild: Darauf<br />
sieht man Steve, wie er im Pool liegt und onaniert (lacht).<br />
INTERVIEW: Wissen Sie, was Steve heute macht?<br />
ELTERMAN: Wir sind befreundet. Steve ist mein Nachbar,<br />
er wohnt die Straße hoch. Vor ein paar Monaten hatten<br />
wir die Idee, dieses Bild nachzustellen. Er kam zu mir in<br />
die Villa, sprang in den Pool und holte seinen Schwanz<br />
raus. Wir wussten beide nicht mehr, in welcher Hand er<br />
ihn hatte, also schickte er mich ins Haus, damit ich<br />
auf dem Original die Handhaltung überprüfte. Alles sollte<br />
genauso aussehen wie vor 35 Jahren.<br />
INTERVIEW: Allerdings haben Sie den Pool gewechselt.<br />
Heute empfangen Sie Ihre Gäste in der sagenumwobenen<br />
Villa le Reve.<br />
ELTERMAN: Das klingt größer, als es ist (lacht). Schauen<br />
Sie sich mal den Pool an, der ist nicht wirklich fürs<br />
Schwimmen geeignet. Aber immerhin kann man nackte<br />
Mädchen – oder Rockstars – gut darin in Szene setzen.<br />
INTERVIEW: Und was braucht man für eine anständige<br />
Poolparty?<br />
ELTERMAN: Girls! Mädchen, die wenig anhaben. Einen<br />
Pool! Und einen DJ, der etwas von Disco versteht!<br />
So gut kann Punk<br />
aussehen (Teil 2): The<br />
Ramones ohne Leder,<br />
dafür bauchfrei<br />
The Ramones, 1978<br />
ELTERMAN: Ich kriege eine Gänsehaut, wenn ich das Bild<br />
sehe. Von dieser Band könnten sich all die anderen Bands<br />
eine Menge abschauen. Die Ramones wohnten damals<br />
im Sunset Marquis, was nicht einmal einen Block von der<br />
Kreuzung Sunset und Alta Loma entfernt lag. Dafür,<br />
dass diese Jungs Amerikas wichtigste Punkband waren, flirten<br />
sie ziemlich heftig mit der Kamera. Das waren Vollprofis.<br />
Wohin die Jungs nach dieser Aufnahme wollten?<br />
Keine Ahnung. Wahrscheinlich ins Whisky. Wie immer.<br />
INTERVIEW: Wo sind denn die Lederjacken? Die Ramones<br />
sehen ja aus wie eine Boyband!<br />
ELTERMAN: Waren sie das nicht? (lacht) Nein, natürlich<br />
nicht. Sie waren Giganten! Wenn es irgendwann gar nicht<br />
mehr läuft, könnte ich Ramones-Touren durch L. A.<br />
anbieten …
.<br />
So gut kann Punk<br />
aussehen (Teil 3):<br />
Debbie Harry vor<br />
ihrem ersten Auftritt<br />
im Whisky<br />
Behind the Beverly Hills Hotel, 1977<br />
ELTERMAN: David Lane hatte dieses gigantische Anwesen,<br />
direkt hinter dem Beverly Hills Hotel. Irgendwer nahm<br />
mich mit, die meisten Gäste waren viel älter als ich.<br />
Jedenfalls stehe ich an dieser Bar, versuche, eine 7 Up zu<br />
bestellen, als auf einmal dieses Mädchen anfängt, sich<br />
auszuziehen. Direkt vor mir. Die ganzen Typen drehten<br />
natürlich durch. Es war nicht Nachmittag, nicht einmal<br />
früher Abend. Dummerweise hatte ich ein 28-Millimeter-<br />
Weitwinkelobjektiv auf der Kamera. Also stolperte ich<br />
zurück, warf dabei beinahe die Bar um und drückte so oft<br />
auf den Auslöser, wie ich nur konnte.<br />
INTERVIEW: Die Party sieht aus, als wäre man gerne dabei<br />
gewesen. Gibt es solche Feste in Beverly Hills noch?<br />
ELTERMAN: Nicht mehr seit 1984 (lacht). In den späten Siebzigern<br />
war das nichts Besonderes: Ich war auf drei bis vier<br />
Partys pro Woche, die so aussahen. Achten Sie auf den<br />
Typen links. Ich glaube, der hieß Burt. Burt war auf jeder<br />
Party. Und Burt ist <strong>gerade</strong> auf dem Weg zu der Nackten,<br />
um sich ihre Nummer abzuholen.<br />
INTERVIEW: Viele glauben ja, dass L. A. <strong>gerade</strong> eine Art<br />
Comeback erlebt …<br />
ELTERMAN: Das denke ich auch. Nach all den Jahren des<br />
Stillstands passiert endlich wieder was. Hedi Slimane,<br />
Jeffrey Deitch und eine Menge anderer wohnen hier.<br />
Selbst die coolen Leute in New York kapieren, dass L. A.<br />
<strong>gerade</strong> spannender ist. Deswegen fotografiere ich auch<br />
wieder. Vergangene Woche war ich auf der Eröffnung<br />
einer Galerie, die angeblich die Kunstwelt neu erfinden<br />
will. Der Raum war so groß wie mein Schlafzimmer. Aber<br />
das ist egal: L. A. is happening again, baby!<br />
Die Formel Elterman:<br />
Brüste + Pool +<br />
Palmen = L. A.<br />
Debbie Harry, 1977<br />
ELTERMAN: Debbie Harry hinter der Bühne des Whisky a<br />
Go Go auf dem Sunset Strip. Ich habe es geliebt, Debbie<br />
zu fotografieren – und sie liebte es, fotografiert zu werden.<br />
Das Bild entstand backstage vor ihrem ersten Konzert in<br />
L. A. Jeder wollte sie sehen, jeder wollte sie fotografieren.<br />
Sie war immer sehr nett zu den Fotografen.<br />
INTERVIEW: Die anderen Fotografen warteten jedoch<br />
vor der Tür, nehme ich an.<br />
ELTERMAN: Mein Glück war, dass ich die ganzen<br />
Jungs damals kannte. Ihr Manager, Toby Mamis, lud<br />
mich ein, backstage zu fotografieren. Er wollte gute<br />
Bilder. Wobei ich zugeben muss, dass man damals<br />
auch viel einfacher backstage kam als heute.<br />
INTERVIEW: Nach Ihren Jahren als Fotograf gründeten<br />
Sie Fotoagenturen wie Online USA und Buzz<br />
Foto. Diese konnten Sie im digitalen Zeitalter ziemlich<br />
gewinnbringend verkaufen.<br />
ELTERMAN: Na ja, ich ahnte eben, wohin sich die<br />
Welt entwickeln würde. Aber damals steckte die<br />
digitale Fotografie noch in den Kinderschuhen, und<br />
mir war klar, dass das eigentliche Geschäft in den<br />
Agenturen liegen würde. In der Verbreitung. In ungeschminkten<br />
Bildern echter Stars, wie ich sie Jahre<br />
zuvor geliefert hatte. Also gründete ich ein paar<br />
Agenturen, die so arbeiteten, wie ich wollte. Es war<br />
ein Glücksfall, dass ich Online USA irgendwann<br />
gewinnbringend veräußern konnte – und so bin ich<br />
froh, dass ich es mir jetzt, 35 Jahre später, wieder leisten<br />
kann, einfach nur zu fotografieren.<br />
189
Portfolio Brad Elterman<br />
Michael Jackson, 1978<br />
ELTERMAN: Ach, der große Michael Jackson. Wir hatten<br />
uns bei diversen Konzerten und Partys langsam angenähert,<br />
und so kam es, dass Michael mich ins Chasen’s<br />
einlud. Dort sollte nach der Grammy-Verleihung eine<br />
Party stattfinden. Im Chasen’s gab es das beste Chili und<br />
das beste Hühnchen der Stadt. Als ich ankam, war der<br />
Laden, der an der Ecke Doheny Road und Beverly Boulevard<br />
lag, gerammelt voll. Michael hatte mir versprochen,<br />
dass ich alle und jeden auf der Feier fotografieren könne –<br />
doch das Bild des Abends entstand vor der Tür: Michael<br />
ging raus, um sich von den ganzen Schulterklopfern und<br />
Händeschüttlern ein wenig zu erholen, also folgte ich ihm.<br />
INTERVIEW: Er sieht sehr entspannt aus, entspannt und<br />
glücklich.<br />
ELTERMAN: Das war Michael damals auch noch. Er war<br />
der netteste Mensch im ganzen Laden.<br />
INTERVIEW: Waren die anderen Paparazzi sauer, dass Sie<br />
einen besseren Zugang hatten?<br />
ELTERMAN: Welche anderen Paparazzi? Es waren keine vier<br />
Fotografen vor Ort. Und auch kaum Fans – und die,<br />
die da waren, begrüßte Michael persönlich. Soll ich Ihnen<br />
sagen, was ich am liebsten an diesem Bild mag?<br />
INTERVIEW: Unbedingt!<br />
ELTERMAN: Den Fleck auf dem Trottoir. Der macht das<br />
Bild so herrlich unperfekt. Heute würden die Presseschergen<br />
verlangen, dass man ihn wegretuschiert – und<br />
das würde den ganzen Charme des Bildes zerstören.<br />
Gut gelaunt:<br />
Michael Jackson<br />
nach der Grammy-<br />
Verleihung 1978<br />
.<br />
190<br />
Filmreif: John Travolta<br />
und Olivia Newton-John<br />
knutschen auf der<br />
„Grease”-Premiere<br />
John Travolta, 1978<br />
ELTERMAN: John Travolta küsst Olivia Newton-John auf<br />
der Premiere von Grease, das muss also 1978 gewesen sein.<br />
Ich schlich den ganzen Abend um die beiden rum, sie<br />
hatten für mich gelächelt und posiert, aber das hier ist das<br />
Bild, das Geschichte schrieb.<br />
INTERVIEW: Weil John Travolta eine Frau küsst?<br />
ELTERMAN: Das ist frech, dazu werde ich nichts sagen.<br />
Nein, dieser Kuss wurde weltweit in Zeitungen und<br />
Magazinen veröffentlicht – und als ich das Bild auf meinem<br />
Tumblr veröffentlichte, hatte ich mehr als 120 000<br />
Likes binnen kürzester Zeit. Die Kids spüren, dass meine<br />
Bilder echt sind.<br />
INTERVIEW: Erklären Sie sich damit Ihr Comeback?<br />
ELTERMAN: Zum Teil. Aber ich weiß natürlich sehr zu<br />
schätzen, dass Olivier Zahm und die ganze Purple-Gang<br />
mich adoptiert haben.<br />
INTERVIEW: Wie kam es dazu?<br />
ELTERMAN: Irgendwann rief Olivier an und fragte, ob ich<br />
für Purple fotografieren wolle. Ein paar Monate später<br />
startete ich meinen eigenen Tumblr – obwohl ich keine<br />
Ahnung hatte, was ich da mache. Aber die Kids stehen auf<br />
das alte Zeugs. Ich fürchte, ich muss bald nachlegen.
.<br />
„Ich wollte Ikonen erschaffen<br />
und für die Ewigkeit festhalten!<br />
Deswegen lehne ich es ab, als<br />
Paparazzo bezeichnet zu werden“<br />
Nina Hagen, 1978<br />
ELTERMAN: Oh mein Gott, die durchgeballerte Deutsche.<br />
Nina hieß sie, Nina Hagen. Das war vielleicht eine<br />
verrückte Braut. Ich glaube, die Zeitschrift Popcorn rief<br />
mich an und fragte, ob ich Nina Hagen begleiten könne.<br />
Also fuhren wir zum Hollywood Boulevard und schauten<br />
uns die Sterne an. Der Typ rechts war meines Wissens<br />
nach ihr damaliger Ehemann.<br />
INTERVIEW: Und wer ist die alte Dame vor Nina? Ihre<br />
Mutter oder die Schwiegermutter?<br />
ELTERMAN: Irgendeine Oma. Wieso fragen Sie?<br />
INTERVIEW: Weil Nina so nah bei ihr steht. Die beiden<br />
wirken sehr vertraut.<br />
ELTERMAN: Nina kannte die alte Frau nicht! Definitiv nicht!<br />
Nina hat die Alte beklaut!<br />
INTERVIEW: Wie bitte?<br />
ELTERMAN: Ja! Auf dem Bild sieht man doch, wie Nina<br />
sich anschleicht – um im nächsten Moment der Alten das<br />
Portemonnaie aus der Tasche zu stibitzen.<br />
INTERVIEW: Sind Sie sich sicher?<br />
ELTERMAN: Absolut. Nina hatte das vorher auch genau so<br />
angekündigt. Es waren schon wilde Zeiten damals.<br />
INTERVIEW: Warum haben Sie eigentlich in den<br />
Achtzigern auf einmal aufgehört zu fotografieren?<br />
ELTERMAN: Weil ich die Musik so furchtbar fand. All diese<br />
grauenhaften Bands, die plötzlich den Strip übernahmen,<br />
Guns N’ Roses, Van Halen und wie sie alle hießen. Dazu<br />
kamen diese fiesen Teeniestars, die ich ohne Shirt<br />
fotografieren sollte. Am Anfang war das okay, doch dann<br />
erklärten sich Agenten und Pressesprecher zu Halbgöttern.<br />
Sie zwangen uns, die Rechte am eigenen Bild abzugeben.<br />
Wer ein Motiv nachdrucken wollte, musste betteln.<br />
Da wusste ich: Das ist nicht die Welt von Brad Elterman.<br />
INTERVIEW: Wenn die Achtziger und Neunziger so<br />
schlimm waren – wen wollen Sie heute fotografieren?<br />
ELTERMAN: Lindsay Lohan! Sie ist der einzige wirkliche<br />
Star, den wir haben. Ich würde alles dafür geben, einen<br />
Mittag mit Lindsay in Venice abhängen zu dürfen.<br />
Der Bildband „Dog Dance“<br />
erscheint am 30. September<br />
Hat Gaga erfunden:<br />
Nina Hagen auf dem<br />
Hollywood Boulevard
Elie .
.<br />
Saab<br />
EIN COUTUREKLEID VON DIESEM<br />
MANN KANN LOCKER ZWEI MILLIONEN<br />
DOLLAR KOSTEN. WER DIE NOCH NICHT<br />
ZUSAMMENHAT, KANN SICH JETZT<br />
SCHON MAL DEN DUFT DES BEIRUTER<br />
LUXUSLABELS GÖNNEN. GARANTIERT<br />
KEIN BISSCHEN WENIGER GLAMOURÖS<br />
Von Heike Blümner<br />
Porträt Jan Welters<br />
FOTOS: (linke Seite) Jan Welters/Trunk Archive; (rechte Seite) Bill Davila/action press<br />
INTERVIEW: Herr Saab, ich freue mich so, Sie zu treffen,<br />
denn wenn es auf der Welt einen einzigen Mann gibt,<br />
der mir die folgende Frage beantworten kann, dann sind<br />
Sie das. Also: Wer ist die schönste Frau der Welt?<br />
ELIE SAAB: Die schönste Frau der Welt ist die Frau, die an<br />
sich selbst glaubt. Sie ist selbstbewusst und gut zu sich<br />
selbst.<br />
INTERVIEW: Schön gesagt, aber ich meinte es etwas<br />
konkreter. Schließlich ist so ziemlich jeder Superstar und<br />
jede Prinzessin Kundin bei Ihnen.<br />
SAAB: Diese Frage kann ich nicht beantworten. Sie passt<br />
nicht zu mir. Wenn überhaupt, ist zum Beispiel Angelina<br />
Jolie auf eine gewisse Art schön und irgendeine Prinzessin<br />
auf eine andere Art. Das hängt ja von ihrem<br />
Charakter ab.<br />
INTERVIEW: Welche Frauen haben Ihren Sinn<br />
für Ästhetik geprägt, dass Sie solche Roben<br />
entwerfen?<br />
SAAB: Mich beeindruckt am meisten der Charakter<br />
einer Frau. Glauben Sie mir, um eine<br />
Kollektion zu entwerfen, kann ich nicht an all<br />
die Frauen denken, die mir je begegnet sind.<br />
Manchmal sehe ich einfach nur eine Frau auf der<br />
Straße oder in einem Restaurant, die meine<br />
Fantasie anregt und mich in meiner Kreativität<br />
beflügelt. Und glauben Sie mir noch etwas:<br />
Keine Frau ist charakterlich wie die andere.<br />
Star in Saab: Beyoncé<br />
bei der Premiere<br />
ihrer HBO-Doku „Life<br />
Is But A Dream“<br />
INTERVIEW: Als Sie Anfang der 80er-Jahre Ihr Label in<br />
Beirut gründeten, herrschte Bürgerkrieg. Wie muss man<br />
sich da die Gründung eines Couturehauses vorstellen?<br />
SAAB: Es gab genau diesen Moment, in dem es mir besonders<br />
wichtig erschien, in diesem Kriegsgemenge<br />
etwas Schönes und Elegantes auf die Beine zu stellen.<br />
INTERVIEW: Und ganz praktisch? War es schwierig,<br />
die notwendigen Materialien zu bekommen? War es<br />
sogar gefährlich?<br />
SAAB: Gefahr stand für mich nicht im Vordergrund,<br />
sondern Verantwortung. Besonders, seitdem ich geschäftliche<br />
Beziehungen mit den meisten arabischen Ländern<br />
aufgenommen habe. Mir war es immer wichtig, dass<br />
meine Kundinnen nichts von irgendeinem Krieg<br />
spüren oder davon, dass der Frieden<br />
auf sich warten lässt. Wenn die Welt schon nicht<br />
perfekt ist, muss meine Arbeit es wenigstens<br />
sein. Das ist eine große Herausforderung für alle<br />
europäischen Dienstleister und die Kunden in<br />
der arabischen Welt.<br />
INTERVIEW: Kommen die Beiruter auch heute<br />
noch aus allen Stadtteilen zu Ihnen?<br />
SAAB: Die Stadt ist heute ganz anders<br />
strukturiert als noch zu Kriegszeiten: Es gibt<br />
eine christliche und eine muslimische Seite – ich<br />
bin übrigens Christ –, aber ja. Zu mir kommen<br />
die Kunden aus allen Stadtteilen.<br />
Бauty Elie Saab<br />
193
194<br />
Die Saabinerinnen<br />
von 2013:<br />
Alessandra<br />
Ambrosio bei der<br />
De-Grisogono-<br />
Party in Cannes,<br />
Taylor Swift bei<br />
den Brit Awards<br />
in London, Amanda<br />
Seyfried bei der Berlinale<br />
und Rosamund<br />
Pike bei der Premiere<br />
von „World’s End“ in<br />
London (im Uhrzeigersinn)<br />
sowie Elie Saabs<br />
Duft „Le Parfum“<br />
INTERVIEW: Stimmt es, dass Sie<br />
sich anfangs auf Brautmode<br />
spezialisiert hatten?<br />
SAAB: Ja, im Libanon stehen bei<br />
der Couture die Braut, ihre<br />
Mutter und ihre Schwestern als<br />
Thema absolut im Vordergrund.<br />
Eine Hochzeit ist eines der<br />
wichtigsten Ereignisse im Leben<br />
einer Familie.<br />
INTERVIEW: Sie haben<br />
dann 1981 auch für kurze<br />
Zeit in Paris studiert.<br />
Wie kam es dazu?<br />
SAAB: Ich war damals<br />
schon im Geschäft, aber<br />
dann hatte ich diesen<br />
kurzen Moment von<br />
Selbstzweifeln und dachte:<br />
Du musst jetzt auch noch<br />
mal studieren. Aber als ich<br />
dann in Paris war, hatte<br />
ich das Gefühl, dass ich<br />
meine Zeit verschwende,<br />
und ging schnell wieder<br />
zurück.<br />
INTERVIEW: Künstlerisch<br />
war es aber doch eine<br />
spannende Zeit. Auch in<br />
der Mode herrschte<br />
Aufbruchstimmung in<br />
Europa. Es gab Vivienne Westwood in London, junge<br />
Wilde in Antwerpen – haben Sie sich dafür interessiert?<br />
SAAB: Nein, gar nicht. Von dem Moment an, in dem<br />
ich meine Augen öffnete, fand ich Frauen einfach<br />
nur schön, chic und elegant. Nichts anderes hat mich<br />
je berührt. Ich orientiere mich nur an normaler<br />
weiblicher Schönheit.<br />
INTERVIEW: Gibt es normale weibliche Schönheit<br />
überhaupt? Es gibt heute sehr viele Interpretationen von<br />
Weiblichkeit.<br />
SAAB: Da haben Sie recht. Sagen wir es so: Meine Interpretation<br />
ist immer ein wenig bourgeois, klassisch und<br />
mit großem Respekt für die individuelle Frau. Meine Kundinnen<br />
sind Prinzessinnen, Töchter angesehener<br />
Familien, Präsidentengattinnen oder erfolgreiche Unternehmerinnen.<br />
Sehr klassisch.<br />
INTERVIEW: Brauchen diese Kundinnen eine besondere Art<br />
von Aufmerksamkeit?<br />
SAAB: Jedes Couturehaus muss seinen Kundinnen<br />
besondere Aufmerksamkeit schenken, denn es geht um<br />
einen einzigartigen Service. Aber ich mag es nicht, wenn<br />
genau das übertrieben wird. Es geht vor allem um<br />
Respekt, sonst wirkt dieser Service schnell sehr bemüht.<br />
INTERVIEW: Wollen alle diese Kundinnen denn von Ihnen<br />
persönlich beraten werden?<br />
SAAB: Ich versuche es zumindest, denn so habe ich meine<br />
Karriere begonnen, aber ehrlich gesagt schaffe ich es<br />
nicht immer. Aber ich lege großen Wert darauf, meine<br />
alten, treuen Kunden zu treffen. Zu denen würde ich<br />
niemals Nein sagen, denn diese Leute haben von Anfang<br />
an an mich geglaubt.<br />
INTERVIEW: Ihre Kleider sind teilweise sehr kostbar und<br />
kosten über zwei Millionen Dollar …<br />
SAAB: … und mehr.<br />
INTERVIEW: Nennen Sie mir bitte ein paar gute Gründe,<br />
warum man so viel Geld für ein Kleid ausgeben sollte.<br />
SAAB: Weil es einen besonderen Anlass gibt, weil man viel<br />
Geld hat und weil einem das Kleid gefällt.<br />
INTERVIEW: Das Kleid sieht aus wie ein Kunstwerk, aber<br />
nach der Party hängt man es sich trotzdem nicht an die<br />
Wand, um sich daran zu freuen.<br />
SAAB: Es reicht doch auch völlig aus, es an einem besonderen<br />
Tag einmal im Leben zu tragen.<br />
INTERVIEW: Und danach zieht man es nie, nie wieder an?<br />
SAAB: Diese Kundinnen legen keinen Wert darauf, ein<br />
Kleid mehr als einmal zu tragen. Auch ich würde sagen,<br />
dass ein Couturekleid immer einen speziellen Anlass<br />
braucht. Das Leben dieser Frauen, die Couture tragen, ist<br />
anders als das Leben normaler Frauen. Sie können<br />
unglaublich viel Geld ausgeben, aber sie sind deswegen<br />
nicht dumm, und sie wissen genau, warum sie es machen.<br />
INTERVIEW: Warum genau?<br />
SAAB: Weil sie schön und einzigartig sein wollen an diesem<br />
einen Tag.<br />
INTERVIEW: Sie haben auch eine Prêt-à-porter-Linie.<br />
Welche anderen kreativen Aspekte verfolgen Sie damit?<br />
SAAB: Gar keine. Meine Kundinnen haben danach gefragt,<br />
denn sie wollten unbedingt auch tagsüber von mir<br />
angezogen werden. Außerdem wollte ich ein Modehaus<br />
aufbauen, und da gehört eine Prêt-à-porter-Linie einfach<br />
dazu, genauso wie Accessoires und Parfüm.<br />
INTERVIEW: Aber die Prêt-à-porter-Linie wird auch von<br />
anderen Frauen getragen, nicht nur von Ihren Couturekundinnen,<br />
oder?<br />
SAAB: Natürlich, auch in ihr findet man ja meinen Spirit.<br />
INTERVIEW: Manche Leute behaupten, dass Couture eine<br />
aussterbende Kunstform sei.<br />
SAAB: Solange es Frauen gibt, wird es Couture geben.<br />
INTERVIEW: Es geht auch weniger um die Nachfrage, sondern<br />
um den Nachwuchs. Wie sieht es damit aus?<br />
SAAB: Das Couturehandwerk ist sehr schwer, und es ist ein<br />
harter Job, ein Haute-Couture-Haus zu leiten. Es ist ein<br />
völlig anderes Leben. Deshalb gibt es tatsächlich immer<br />
weniger Couturedesigner. Prêt-à-porter-Designer zu werden<br />
ist viel, viel einfacher.<br />
INTERVIEW: Wo finden Sie Ihren Nachwuchs?<br />
SAAB: Mein Erfolg in der arabischen Welt hat viele junge<br />
Leute motiviert. Deshalb ist es mir wichtig, mit den<br />
Studenten in Kontakt zu treten und sie zu unterstützen.<br />
Ich bin froh, dass ich so erfolgreich bin, und die jungen<br />
Leute heute in Beirut wollen alle so sein wie ich. Damit<br />
geht eine große Verantwortung einher.<br />
INTERVIEW: Stimmt eigentlich das Gerücht, dass die<br />
arabischen Frauen, sofern sie verschleiert sind, unter ihren<br />
Schleiern viel ausgefallener gekleidet sind als zum Beispiel<br />
die Europäerinnen?<br />
SAAB: Es ist doch so: Egal, woher eine Frau kommt oder<br />
welche Religion sie hat, sie möchte einfach nur schön<br />
sein. Das ist das Ziel aller Frauen auf der Welt. Schön sein<br />
und anders als die anderen.<br />
INTERVIEW: Eine letzte, eventuell ungebührliche Frage:<br />
Kann man in einem Couturekleid auf Toilette gehen?<br />
SAAB: Wenn das Bad groß genug ist, ja.<br />
.<br />
FOTOS: action press (3); Can Nguyen/action press; PR
.<br />
Бauty Elie Saab<br />
195<br />
FOTO Markus Jans<br />
STYLING Klaus<br />
Stockhausen
.<br />
Jetset-Beauty<br />
V Bettina Brenn<br />
Illustratien Florian Bayer<br />
UM DEN GLOBUS JETTEN, KLEINE KINDER UND<br />
EINEN ANSPRUCHSVOLLEN JOB MANAGEN, FEIERN<br />
GEHEN – UND BEI ALL DEM AUSSEHEN, ALS WÜRDE<br />
ES STRESS UND SCHLAFMANGEL AUF DER WELT<br />
NICHT GEBEN: DIE HIGH PERFORMER DER NEUEN<br />
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Pflege Kumne<br />
196<br />
Rihanna<br />
PARTYOVERLOAD Wer auf seine Yacht vor der<br />
französischen Riviera nicht nur Model-Freundin<br />
Cara Delevingne, sondern auch eine Krankenschwester<br />
mitnimmt, um per Vitaminspritze täglich den Kater<br />
weggepikst zu bekommen, braucht in Sachen Hautregeneration<br />
definitiv mehr als nur eine Creme. Der ideale<br />
Cocktail für den Morgen danach besteht aus Detoxpillen<br />
mit Shiitake, Zink, Selen und Vitaminen sowie hoch<br />
dosierten Fruchtsäure-Peeling-Pads, die den Teint glätten<br />
und jeden Grauschleier verschwinden lassen.<br />
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Chanel“ und „La Nuit de<br />
Chanel“ ca. 240 €<br />
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Kruger<br />
DURCHGETAKTET Die 37-jährige<br />
Schauspielerin bringt derzeit mehrere<br />
Kinofilme, eine TV-Serie ( Th eB r i d g e ) ,<br />
diverse Modeljobs und auch noch ihren<br />
Lover Joshua Jackson unter einen Hut.<br />
Das klappt nur dank perfektem Timing.<br />
Ähnlich gut getaktet funktioniert die<br />
neue Chrono-Pflege von Chanel. Ihre<br />
drei Anti-Aging-Heros sind auf den<br />
Rhythmus der Haut abgestimmt – tagsüber<br />
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integral antioxidant“ von Sepai,<br />
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exfoliating pads“ von Rodial,<br />
50 Pads ca. 52 €<br />
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Deutsch-Griechin Punkt 20 Uhr auf keinen<br />
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Sohn ihr garantiert die eine oder andere<br />
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griechischen Pfl anzenölen, kühlendes<br />
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Phoebe<br />
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erfolgreich war? Wir können<br />
uns nicht daran erinnern.<br />
Alles, was Phoebe anfasst,<br />
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Yeux La Nuit“ von<br />
Sisley, ca. 208 €;<br />
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Filler“ von Kanebo,<br />
ca. 117 €<br />
DOPPELTER AUFPOLS-<br />
TERER TO GO: „Anti-Aging<br />
Eye and Lip Perfection à Porter“<br />
von La Prairie, ca. 125 €<br />
Linda Zervakis<br />
WIE ACHT STUNDEN<br />
SCHLAF: „Redness<br />
Neutralizer“ von<br />
SkinCeuticals, ca. 75 €,<br />
in Apotheken; „Athena<br />
7 Minute Lift“ von<br />
Adonia Organics,<br />
ca. 129 €, exklusiv bei<br />
Douglas; „Ibuki Eye<br />
Correcting Cream“<br />
von Shiseido, ca. 46 €<br />
IN DAUERACTION Sechs Kinder, endlose<br />
Hochzeitsvorbereitungen und alle paar<br />
Wochen in ein anderes Krisengebiet – der<br />
Terminkalender à la Jolie kennt wenig<br />
Gnade. Dauergeforderte lieben Power-<br />
Seren, die ihren Job im Schlaf erledigen,<br />
also Konturen straffen, abschwellen,<br />
regenerieren. Hartnäckige Linien<br />
verschwinden tagsüber mit einem Filler.<br />
Jetzt gilt on top nur noch Sonne meiden!<br />
UV-Stress kann der Teint nämlich<br />
nicht auch noch wegstecken.<br />
FOTOS: PR (10)
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Steckdosen kontakten als von<br />
stundenlangen Ondulierversuchen.<br />
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Uemuras mattierender<br />
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HABEN DIE COOLEN<br />
LEBEMÄNNER WEIT<br />
HINTER SICH GELASSEN<br />
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an den Geruch von regennassem<br />
Zaumzeug während<br />
eines Ritts über moosgrüne<br />
Wiesen durch die Gischt der<br />
irischen Steilküste. Die Power-<br />
Ingredienzien: Wacholder,<br />
Gras, Leder, Pfeffer, Ambra.<br />
Von MEMO, 75 ml EdP ca.<br />
160 €, über ausliebezumduft.de.<br />
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„Art of Hair<br />
Volume Maker“<br />
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Pinsel enthaltenen<br />
2 Gramm Haarpuder<br />
reichen für<br />
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MINIMALISMUS<br />
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Aus Schweden kommen glorreiche<br />
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Lindgren und rote Holzhäuser mit<br />
weißen Balken. Und jetzt Verso.<br />
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Stockholmer Pflegelinie ist die<br />
Anti-Aging-Allzweckwaffe Retinol,<br />
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Beck in München, ab 32 €.<br />
Ähnlich geradlinig wie sein<br />
Duft – Rodriguez’ aktuelle<br />
H/W-Kollektion<br />
Zu seinen Fans zählen<br />
Michelle Obama und<br />
Charlize Theron<br />
Auf dem Weg zum<br />
Parfüm klassiker<br />
Wissenschaftlich nicht erwiesen, uns jedoch immer<br />
wieder aufgefallen: Auf kein anderes Parfüm werden<br />
Frauen so häufig angesprochen wie auf „for<br />
her“ von Narciso Rodriguez. Seit 2003 auf dem<br />
Markt, hat sich der geradlinige, ungewöhn liche<br />
Duft mit ägyptischem Moschusöl seine Nische<br />
erhalten. Er ist edel, unglaublich weiblich, sehr besonders<br />
und richtig lecker. Falls Sie also<br />
auch ein „Wow, was ist das denn für ein<br />
toller Duft?“ hören möchten, empfehlen<br />
wir ein Probeschnuppern.<br />
Parfümöl „musc for her“<br />
von Narciso Rodriguez, limitierte<br />
Edition, 50 ml ca. 100 €<br />
DIE NEUEN MÄNNERPARFÜMS<br />
wollen die muskulösen Retrohelden<br />
der Neunziger zurückbringen.<br />
Stallone lässt grüßen.<br />
Olfaktorisch zumindest.<br />
„INVICTUS“: der Flakon eine<br />
Trophäe, der Duft die Suggestion<br />
eines sportlichen Siegers,<br />
holzig, erdig, herb mit<br />
einer überraschend weichen<br />
Herznote aus Jasmin. Weitere<br />
Power-Ingredienzien: Lorbeer,<br />
Patschuli, Grapefruit, Salzwasser.<br />
Von Paco Rabanne,<br />
EdT 50 ml ca. 60 €.<br />
„TESTOSTÉRONE“: Das<br />
junge Zürcher Parfümhaus<br />
Sen tifique nennt seine Komposition<br />
auch „die Essenz<br />
des Mannes“, der Duft ist<br />
kraftvoll, erotisch, roh,<br />
avantgardistisch. Die Power-<br />
Ingredienzien: Teer, Adlerholz<br />
(Oud), Gewürze. 50 ml EdP<br />
ca. 145 €, über ludwigbeck.de.<br />
„POTION BLUE CADET“:<br />
Auch wenn die blaue Tönung<br />
ein sommerlich frisches Elixier<br />
suggeriert, arbeitet dieser<br />
Duft vorwiegend mit Noten<br />
wie Zeder, Pinie, Hemlocktanne<br />
und mixt dazu Schwarze<br />
Johannisbeeren. Weitere<br />
Ingredienzien: Bergamotte,<br />
Harz und Tonkabohne. Von<br />
DSQUARED2, 50 ml EdT 60 €.<br />
FOTOS: Matteo Volta/Imaxtree.com; PR (7); Narciso Rodriguez (3); Albert Watson für US-<strong>Interview</strong>, Juli 1995
.<br />
BERLINER FESTSPIELE<br />
OPPENHEIM<br />
MERET<br />
RETROSPEKTIVE<br />
Porträt mit Tätowierung, 1980 . Foto: Heinz Günter Mebusch, Düsseldorf . Privatsammlung . © VG Bild-Kunst, Bonn, 2013<br />
16.8.–<br />
1.12.2013<br />
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Martin-Gropius-Bau . Niederkirchnerstraße 7 . 10963 Berlin . Öffnungszeiten: Mi – Mo, 10 – 19 Uhr<br />
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.<br />
Beauty<br />
News<br />
DIESEN MONAT EMPFEHLEN WIR EINE<br />
GESICHTSPFLEGE AUS STOCKHOLM,<br />
TESTOSTERONGESCHWÄNGERTE MÄNNER-<br />
DÜFTE UND MUT ZU LUFTIGEM HAAR<br />
V Bettina Brenn<br />
Der Chypreduft<br />
„Sì“ als<br />
EdP, 50 ml<br />
ca. 70 Euro<br />
Si, Signore!<br />
Eine Hommage an die moderne<br />
Frau ist das neue Parfüm<br />
von Giorgio Armani. Grazie,<br />
Stärke und Unabhängigkeit<br />
werden im Duft mit schwarzer<br />
Johannisbeere, Mairose und<br />
Ambroxan besetzt. Und als auch<br />
noch Cate Blanchett dazu<br />
„Si!“ sagte, hatte Mr Armani<br />
sein perfect match.<br />
Beauty-Talk mit<br />
Leyla Piedayesh<br />
200<br />
IS THIS ART?<br />
Wenn Künstler sich dazu<br />
hinreißen lassen, für ein<br />
Beautyprodukt ein Artwork zu<br />
kreieren, wie hier Sarah<br />
Illenberger für USL, dann muss<br />
es sich um ein Kultobjekt<br />
handeln! Täglich erweitert sich<br />
die Farbpalette – unsere aktuellen<br />
Favoriten: „YEY” von USL by<br />
Uslu Airlines, ca. 12 €; „Madras<br />
Lime“ von & other stories, ca. 7 €;<br />
„Nail Lacquer No. 15 Dulce<br />
De Leche“ von Opi, ca. 16 €<br />
Ihr Modelabel Lala Berlin ist<br />
Kult – auch international. Wir<br />
sprachen mit ihr über Make-up,<br />
Models und die Modesünden<br />
ihrer fünfjährigen Tochter Lou<br />
INTERVIEW: Zuallererst: Benutzt du<br />
eigentlich selbst Make-up?<br />
LEYLA PIEDAYESH: Kaum … nur Mascara.<br />
Für kurze Zeit hatte ich zwar ein Faible<br />
für rote Lippen, doch mein Freund hasst<br />
Lippenstift. Rote Lippen sind für die<br />
meisten Männer einfach eine Kussbremse.<br />
INTERVIEW: Hat sich dein Begriff von<br />
Schönheit mit den Jahren gewandelt?<br />
PIEDAYESH: Hm, ich glaub schon. In<br />
der Mode zu arbeiten verdirbt einen ja auch<br />
irgendwie. Man umgibt sich den ganzen<br />
Tag mit schönen Dingen und Menschen.<br />
INTERVIEW: Deine Models sind jedenfalls<br />
immer sehr besonders. Bevorzugst du einen<br />
bestimmten Typ?<br />
PIEDAYESH: Sie müssen etwas haben, an<br />
dem man hängen bleibt. Moderne Gesichter,<br />
gerne androgyn – sehr speziell eben,<br />
aber dabei unbedingt hübsch! So wie mein<br />
aktueller Favorit Emma Oak.<br />
INTERVIEW: Bei deinen Models legst du<br />
großen Wert auf Make-up – woher nimmst<br />
du die Ideen, zum Beispiel für die<br />
Frühjahr-/Sommerkollektion 2014?<br />
PIEDAYESH: Ach, da lasse ich mich<br />
inspirieren, in diesem Fall von den Farben<br />
von Catrice beziehungsweise von<br />
Make-up-Artist Loni Baur. Loni kannte<br />
meine Entwürfe und die attitude, die<br />
ich wollte. So haben wir zusammen diesen<br />
Look entwickelt. Glowy Teint, leuchtende<br />
Augen, ein Hauch von Blush. Aber am<br />
coolsten fand ich die Lippen. Die waren<br />
matt in leuchtender Koralle.<br />
INTERVIEW: Denkst du, du hast dein<br />
Gespür für Stil an deine Tochter vererbt?<br />
PIEDAYESH: Oh weh! Das kann ich jetzt<br />
noch nicht sagen! Sie hat einen sehr eigenen<br />
Kopf, wenn es um ihre Kleider geht …<br />
INTERVIEW: Welche Geschmacksverirrung<br />
würdest du ihr echt übel nehmen?<br />
PIEDAYESH: Lacht! Man wächst mit seinen<br />
Aufgaben – aktuell verzeihe ich ihr <strong>gerade</strong><br />
pinkfarbene Crocs.<br />
Lippenstift: „Ultimate Colour<br />
No. 050 Princess Peach“ von<br />
Catrice, ca. 4 €. Model Emma Oak<br />
eröffnete die Schau<br />
Die Designerin<br />
mit den deutschpersischen<br />
Wurzeln mag ihr<br />
Gesicht lieber pur<br />
FOTOS: Artwork by Sarah Illenberger/inspired by USL by uslu airlines; Peter Rigaud; PR (6)
.<br />
Pre-<br />
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JEN GILPIN (M.) & MAXIME BALLESTEROS (R.)<br />
ROMY HAAG<br />
SHERMINE SHAHRIVAR<br />
CHRISTINA ROTH<br />
BRITT KANJA & Begleitung<br />
Where Are<br />
We Now?<br />
WAS WÄRE DIE BERLINER<br />
FASHION WEEK OHNE IHRE<br />
PARTYS – EINE WOCHE<br />
OHNE KOPFSCHMERZEN?<br />
DAS WOLLTEN WIR AUF<br />
KEINEN FALL UND LUDEN<br />
DESHALB INS Q! HOTEL<br />
Fotos Jan Kapitän<br />
Nur wo Belvedere draufsteht,<br />
ist auch Wodka drin: Für unsere<br />
Gäste gab’s den aber in Gläsern<br />
ANNA-PHILIPPA WOLF (L.) & HAKAN CAN<br />
JEAN-CHRISTOPH „SCHOWI“ RITTER & TRYSTAN WYN PUETTER<br />
FRANK SEIDLITZ & CHRISTIAN FRITZENWANKER
.<br />
WOLFGANG JOOP<br />
JIMI BLUE OCHSENKNECHT (L.) & seine Boys<br />
NILUFAR NAJMABADI, FRANCA GELFORT & AMECHI MANDI<br />
FOTOS: Marko Greitschus/API ©; Dirk Weber; AEDT/WENN.com<br />
PALINA ROJINSKI (R.) & ihre Girls<br />
MARIA GIESECKE & ALEXANDRA HECHEL<br />
MARKUS PEICHL, LISA FELDMANN & ANDREAS OSAREK<br />
NORA ROCHLITZER & Begleitung<br />
CHANEL BANOZA, OMAR DE SOTO &<br />
BENDIX BAUER
.<br />
NATE LOWMAN vor der<br />
EN Ja panese Brasserie, New York<br />
MAX SNOW & SEIN HUND Gidget im New Yorker Purple Office<br />
LOU DOILLON im Bowery Hotel, New York<br />
It ‚ s a PURPLE<br />
W ORLD<br />
WENN UNSER PARTY-KORRESPONDENT<br />
NEBEN IHNEN AN DER BAR AUFTAUCHT,<br />
WISSEN SIE, DASS SIE HIER ENTWEDER<br />
TOTAL RICHTIG ODER ABSOLUT FALSCH<br />
SIND Von und mit Olivier Zahm<br />
MIUCCIA PRADA beim Francesco Vezzoli Dinner im Museum MAXXI, Rom<br />
HANNAH BHUIYA & DORIAN GRINSPAN<br />
beim Purple Dinner im Palazzo Flangini, Venedig<br />
CARSTEN HÖLLER bei<br />
seinem Ausstellungsdinner<br />
im La Bougainville, Paris<br />
PAMELA LOVE beim Lou-Doillon-Konzert im Le Baron, New York<br />
OLIVIER ZAHM, STEFANO TONCHI & FEDERICO MARCHETTI<br />
beim Francesco Vezzoli Dinner im Museum MAXXi, Rom
.<br />
21 MAL KUNST.<br />
6 TAGE.<br />
1 TICKET.<br />
ABC ART BERLIN CONTEMPORARY<br />
PREVIEW BERLIN ART FAIR<br />
AKADEMIE DER KÜNSTE<br />
BERLINISCHE GALERIE<br />
C/O BERLIN<br />
HAUS DER KULTUREN DER WELT<br />
DEUTSCHE BANK KUNSTHALLE<br />
KW INSTITUTE FOR CONTEMPORARY ART<br />
NATIONALGALERIE – STAATLICHE MUSEEN ZU BERLIN<br />
NEUER BERLINER KUNSTVEREIN<br />
NEUE GESELLSCHAFT FÜR BILDENDE KUNST<br />
AFTER THE BUTCHER<br />
AUTOCENTER<br />
DOKU.ARTS<br />
GALERIE M<br />
GOLDRAUSCH KÜNSTLERINNENPROJEKT<br />
KLEINE HUMBOLDT GALERIE<br />
KUNSTHALLE AM HAMBURGER PLATZ<br />
KUNSTVEREIN TIERGARTEN | GALERIE NORD<br />
SCHINKEL PAVILLON<br />
ZK/U — ZENTRUM FÜR KUNST UND URBANISTIK<br />
OPENING 17 SEP AUGUSTSTRASSE MITTE<br />
WWW.BERLINARTWEEK.DE
LOLA SCHNABEL & JEFFERSON HACK beim<br />
Purple Dinner im Palazzo Flangini, Venedig<br />
.<br />
LILY McMENAMY hängt ab in New York<br />
ANNA DELLO RUSSO beim Francesco<br />
Vezzoli Dinner im Museum MAXXI, Rom<br />
LOU DOILLON in einer Wanne<br />
des Bowery Hotels, New York<br />
TERRY RICHARDSON<br />
im Omen, New York<br />
AARON YOUNG & LAURE HERIARD-DUBREUIL<br />
im Sant Ambroeus, New York<br />
ZAHA HADID beim Francesco Vezzoli<br />
Dinner im Museum MAXXI, Rom<br />
ROBERT RABEN-<br />
STEINER beim Francesco<br />
Vezzoli Dinner im<br />
Museum MAXXI, Rom
.<br />
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Flashback<br />
210<br />
Bianca<br />
Jagger<br />
EINE TRANSPARENTE BLUSE MACHTE YVES<br />
SAINT LAURENT WELTBERÜHMT. WEIL<br />
BIANCA JAGGER COOL GENUG WAR, SIE AUF<br />
IHRER HOCHZEIT MIT MICK ZU TRAGEN<br />
BIANCA JAGGER: Was hältst du von Amerika?<br />
YVES SAINT LAURENT: Ich liebe Amerika!<br />
Ein außergewöhnliches Land! Ein neues Land!<br />
JAGGER: Fühlst du dich nicht fremd hier!?<br />
SAINT LAURENT: Nein, gar nicht, du?<br />
JAGGER: Na ja, ein bisschen schon …<br />
SAINT LAURENT: Ich bin natürlich immer noch<br />
mit meinen Leuten zu Hause verbunden,<br />
hier lebe ich eigentlich ziemlich zurückgezogen.<br />
Beinahe einsam.<br />
JAGGER: Ich mag Amerika auch, aber ich bin<br />
überrascht, dass offenbar alle Leute hier<br />
nur davon träumen, nach oben zu kommen.<br />
Egal, wie!<br />
SAINT LAURENT: Aber das ist doch überall so.<br />
Und einige Leute hier haben es wenigstens<br />
verdient!<br />
JAGGER: Hier gibt es einfach mehr<br />
Wettbewerb.<br />
SAINT LAURENT: Und irgendwie ist es auch<br />
näher, fast intimer hier, in der Szene.<br />
JAGGER: In der du als der talentierteste<br />
Designer unserer Zeit einen Platz ganz<br />
oben hast. Dabei bist du noch so jung – was<br />
willst du später werden?<br />
SAINT LAURENT: Am liebsten würde ich ein<br />
Buch schreiben. Über die Dinge, die ich liebe,<br />
weil sie so schön sind. Männer, Frauen …<br />
JAGGER: Hast du tatsächlich mal eine Frau<br />
geliebt?<br />
SAINT LAURENT: Ja, eine oder zwei.<br />
JAGGER: Wofür standen die?<br />
SAINT LAURENT: Für gar nichts. Ich habe sie<br />
einfach geliebt. Nicht aus ästhetischen<br />
Gründen, als Muse oder so. Es hatte nichts<br />
mit Mode zu tun. Würde ich eine Frau<br />
nur als Inspiration benutzen, wäre das doch<br />
keine wahre Liebe.<br />
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<strong>Interview</strong><br />
ERSCHEINT AM<br />
18. SEPTEMBER<br />
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FOTOS: Francesco Scavullo für <strong>Interview</strong> US Januar 1973
Erhältlich ausschliesslich in Louis Vuitton Geschäften und unter louisvuitton.com. Tel. (0211) 864 70 0<br />
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