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2,90<br />
euro<br />
caroline<br />
de maigret<br />
„ich hasse “<br />
faulheit<br />
PIN-uP<br />
Wie sexy ist<br />
KarL<br />
LagerfeLd?<br />
LabeLs im<br />
Porträt<br />
haider Ackermann<br />
olivier theyskens<br />
Armani<br />
Gucci<br />
prada<br />
und viele mehr…<br />
oLivier Zahm<br />
dAs fAshion-system<br />
tötet dich<br />
EINE StImmE<br />
Wie die mode<br />
Afrika retten könnte<br />
Carine<br />
roitfeLd<br />
die hipste omA<br />
der Welt<br />
rEvolutIoNär<br />
Black panther-style<br />
modE 1<br />
<strong>Teil</strong><br />
-Spez ial-<br />
ausgabe 08/2012<br />
A 3,20 eur<br />
lux 3,40 eur<br />
ch 4,50 sfr
Caroline de maigret<br />
ab Seite 98
2<br />
3
4<br />
5
Inhaltsverzeichnis<br />
Illustration: André M. Wyst<br />
MODE<strong>Teil</strong><br />
1<br />
-<strong>Spezial</strong>-<br />
„Ich bin ein degenerierter Konservativer“,<br />
bekennt der große, dunkle Fashionmagier im<br />
<strong>Fräulein</strong>-Interview.<br />
S. 60<br />
Ilaria Venturini Fendi über Liebe als<br />
Businessplan.<br />
S. 140<br />
„Vielleicht Chanel?“ Der Shooting Star der<br />
amerikanischen <strong>Mode</strong> plant in <strong>Fräulein</strong><br />
seine Zukunft.<br />
S. 76<br />
Von den Sechzigern bis in die Gegenwart:<br />
Warum die Frauen der Black Panther Party zu<br />
<strong>Mode</strong>ikonen geworden sind.<br />
S. 120<br />
Die Familiengeschichte: ein Krimi, die<br />
Marke: gigantisch erfolgreich. Doch erst<br />
spät wurde aus dem ehemaligen<br />
Sattlerunternehmen der Weltkonzern wie<br />
wir ihn heute kennen.<br />
S. 38<br />
Der Megastar der <strong>Mode</strong> über<br />
Glück und harte Arbeit als<br />
Freizeitbeschäftigung.<br />
S. 74<br />
Die Designerin könnte die Stella McCartney<br />
Dänemarks werden. Mit <strong>Fräulein</strong> spricht Stine Goya<br />
über ihren knackigen Hintern.<br />
S. 74<br />
Unsere Autorin Doris Hardt stellt sich Sex mit Karl Lagerfeld vor –<br />
und fühlt sich dabei schmutzig.<br />
S. 88<br />
Das chice casual Label von Giorgio Armani in einer<br />
Fotostrecke. Plus: Die Geschichte von Italiens<br />
unermüdlichem <strong>Mode</strong>genie.<br />
S. 91<br />
Sie hat eine Familie gegründet, wurde Unternehmerin, da holte sie Karl<br />
Lagerfeld nach langer Abstinenz zurück auf den Laufsteg. Mittlerweile<br />
hat sie am <strong>Mode</strong>ln so viel Spaß wie noch nie. Nicht nur deshalb ist sie<br />
das <strong>Fräulein</strong> dieser Ausgabe.<br />
S. 97
MAXMARA.COM<br />
Weitere Informationen über: MAXMARA GmbH München Tel. 089/35 04 960 – Ingrid Jansen <strong>Mode</strong>vertriebs GmbH Salzburg Tel. 0662/45 62 12 – Marco Bruhin & Co. Schlieren Tel. 044/73 22 020 (Max Mara Agenturen)
BERNAT BUSCATO<br />
Der Superstylist<br />
bildet zusammen<br />
mit dem Fotografen<br />
Randall<br />
Bachner das<br />
neue <strong>Fräulein</strong>-<br />
Dreamteam.<br />
ADAM FEDDERLY<br />
Unser Mann in L.A.<br />
liefert mit Versace<br />
und Beckham<br />
wieder 1A ab.<br />
NIKE VAN DINTHER<br />
<br />
die Printwelt schreibt<br />
die This is Jane Wayne-<br />
Bloggerin über die Fo-<br />
<br />
Hermès. Nike, auch<br />
das gedruckte Wort<br />
steht dir gut.<br />
LENA BERGMANN<br />
kreist als Satelliten-Editor um die<br />
<strong>Fräulein</strong>-Redaktion und lieferte wieder<br />
mal die Topstories: Sie interviewte<br />
<strong>Fräulein</strong> Caroline de Maigret und<br />
sprach mit Stine Goya über ihren<br />
Körper.<br />
STEFAN ARMBRUSTER<br />
Ach, Mann, Stefan,<br />
was soll man da sagen:<br />
diesmal die Männer-<br />
Strecke und das<br />
Cover! Ohne dich wär’<br />
<strong>Fräulein</strong> nichts.<br />
IRINA GAVRICH<br />
Ihr <strong>Fräulein</strong>-Debüt zeigt Wiener<br />
Künstler in Petar Petrov-<br />
Klamotten. Danke, Irina.<br />
DAVID FISCHER<br />
<br />
süßesten Newcomer-<strong>Mode</strong>l überhaupt. Location: Davids Wohnzimmer.<br />
Danke, dass du für uns dein Wochenende geopfert hast.<br />
PIA-LUISA LENZ<br />
verwandelte auch diesmal<br />
ein Interview in einen Essay.<br />
Unsere Autorin für die Rubrik<br />
Eine Stimme sprach die<br />
afrikanische <strong>Mode</strong>unternehmerin<br />
Omoyemi Akerele.<br />
MANUEL ALMEIDA<br />
interviewte Diane Pernet und<br />
half bei den zahllosen kleinen<br />
Labelporträts. Ein schöner<br />
Einstieg bei <strong>Fräulein</strong>. Herzlich<br />
willkommen.<br />
KATRIN FUNCKE<br />
illustrierte wie in<br />
der letzten Ausgabe<br />
das Antifräulein<br />
und für die Rubrik<br />
Pin-up Karl Lagerfeld<br />
in sexy.<br />
HADLEY HUDSON<br />
Authentisch und sexy: Das<br />
Theyskens-Theory-Shoot<br />
ist Hadley-Hudson-Style in<br />
Perfektion. More rocking<br />
shit to come.<br />
MARIE-SOPHIE MÜLLER<br />
traf für <strong>Fräulein</strong> das Allround-Talent Waris<br />
Ahluwalia und war hingerissen von seinen<br />
schneeweißen Zähnen – so wie wir von ihrem<br />
Interview.<br />
RANDALL BACHNER<br />
Die andere<br />
Hälfte des neuen<br />
<strong>Fräulein</strong>-Dreamteams.<br />
Zusammen<br />
mit Bernat<br />
Buscato krempelt<br />
Randall gerade die<br />
Bildsprache von<br />
<strong>Fräulein</strong> um – und<br />
wir lieben das.<br />
VIRGINIE HENZEN<br />
lässt in ihrem Text über die<br />
<strong>Mode</strong>göttin Luisa Casati<br />
Geschichte lebendig werden.<br />
AICHA REH<br />
Olivier Theyskens ist ihr letztes Interview für<br />
<strong>Fräulein</strong> vor ihrem neuen Job beim großen Stern.<br />
Danke für alles, Aicha. Alles Gute für Hamburg<br />
und du weißt schon wofür noch.<br />
JEAN-FRANÇOIS CARLY<br />
Ist ein Meister in der Balance von<br />
Natürlichkeit und subtiler Inszenierung.<br />
<br />
Haider Ackermann-Kollektion. Zu<br />
der passt Carlys Stil perfekt.<br />
JAN JOSWIG<br />
trifft mit seinem lexikalischen<br />
Weltwissen bewaffnet diesmal auf<br />
<br />
Mogul Hardy Blechman. Krieg und<br />
Frieden – es ging wieder um die<br />
großen Themen.<br />
DAVID TORCASSO<br />
interviewte Diesel-Boss Renzo Rosso<br />
in eloquentem Italienisch. Grazie mille,<br />
ragazzo.<br />
RUBEN DONSBACH<br />
Sein Essay über die Black Panther- Frauen<br />
ist so elegant gedacht wie geschrieben.<br />
ANJE JAGER<br />
zeichnete die Rubriken „Bilderrätsel“<br />
und „Sachen Gibt’s“: Jip,<br />
Jip, Hurra und welcome back,<br />
Anje.
EDITORIAL<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
ich freue mich sehr, dass Sie das erste von zwei <strong>Fräulein</strong>-<br />
<strong>Mode</strong>specials gekauft haben und hoffe, dass es Ihnen gefällt.<br />
Vielleicht fragen Sie sich nun, warum wir gleich zwei<br />
Hefte ausschließlich dem Thema <strong>Mode</strong> widmen. Nun, das<br />
lässt sich relativ einfach beantworten:<br />
Zum einen sind wir als Zeitschrift auf Anzeigen angewiesen,<br />
und ein Großteil dieser kommt aus den Bereichen <strong>Mode</strong>,<br />
Lifestyle und Kosmetik. Deshalb ist es naheliegend, dass man<br />
sich mit diesen Themen intensiver auseinandersetzen muss.<br />
Zum anderen aber denken wir, dass Fashion und die dazugehörige<br />
Industrie unheimlich ergiebige, vielschichtige<br />
und spannende Felder sind. <strong>Mode</strong><br />
ist viel mehr als nur die schönste Nebensache<br />
der Welt. Sie ist eines der wenigen Phänomene,<br />
mit denen sich so gut wie jeder<br />
Mensch in irgendeiner Form beschäftigt. Sie<br />
ist Ausdruck von Revolution, Sexualität und<br />
eines Dazugehörigkeitsgefühls. Vom Hip-<br />
Hopper, Skinhead, Punk bis zum Wallstreet-<br />
Broker – alle diese Gruppen unterliegen<br />
letztendlich strengen, teilweise auch elitären<br />
Dresscodes.<br />
Trotzdem ist die <strong>Mode</strong> in den letzten Jahren<br />
demokratisiert worden. Marken wie H&M,<br />
Uniqlo oder Zara suggerieren, dass so gut<br />
wie jedem alle modischen Möglichkeiten offen stehen. Im<br />
Endeffekt ist dies natürlich nicht der Fall, sondern führt nur<br />
zu einer durch die Medien unterstützten neuen Form der<br />
Uniformierung. Vielleicht sogar zu einer sich immer mehr<br />
steigernden Fantasielosigkeit. It-Girls geben den vermeintli-<br />
<br />
Trash-Magazinen und zahllosen <strong>Mode</strong>blogs weltweit. Eines<br />
der wenigen Dinge, die die Blogs geschafft haben, ist, dass<br />
letztendlich das Prinzip der Castingshows auch in die <strong>Mode</strong>branche<br />
eingezogen ist. Jeder kann und will berühmt werden,<br />
ohne irgendeine Form von substanziellem Talent zu<br />
besitzen. Letztendlich führt es dazu, dass sich auch hier (wie<br />
in so vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen) eine intellektuelle,<br />
aber vor allem auch wirtschaftliche Elite bildet,<br />
die versucht, dem Masseneinheitsbrei der Casting-Blogger<br />
zu entkommen – und dadurch leider eine immer größer<br />
werdende Zweiklassen-Gesellschaft schafft, in der man sich<br />
nur noch durch Luxusprodukte oder Freakshow-Styling<br />
abgrenzt.<br />
Schiebt man die Diskussionen um die mediale Aufarbeitung<br />
mal beiseite, ist die <strong>Mode</strong> gar nicht so kompliziert: Gianni<br />
Versace hat einmal zu mir gesagt, dass es in der <strong>Mode</strong> eigentlich<br />
nur um Sex geht. Und ich denke, dass er Recht hat. Letztendlich<br />
wollen wir gefallen, dazugehören und geliebt werden.<br />
Und ob es uns gefällt oder nicht, <strong>Mode</strong> ist hierfür der<br />
schnellste und direkteste Ausdruck. Ich hoffe, wir haben einen<br />
Ansatz gefunden, uns in dieser und der nächsten Ausgabe<br />
mit <strong>Mode</strong> auf eine informative, unterhaltsame und dabei<br />
trotzdem überraschende Weise auseinanderzusetzen.<br />
Doch so viel uns die <strong>Mode</strong> bedeutet, es gibt<br />
wesentlich wichtigere Dinge in dieser Welt.<br />
Freundschaft zum Beispiel. Im Leben stößt<br />
man manchmal auf Menschen, die einen prägen.<br />
Die einem durch ihre Gradlinigkeit,<br />
ihr Talent und ihr gutes Herz zeigen, was<br />
wirklich zählt. Man lernt diese Menschen<br />
nen.<br />
Ohne dass es einen Grund dafür gibt,<br />
glauben sie an einen und die Projekte, die<br />
man gemeinsam umsetzt – obwohl andere<br />
keinen Cent darauf gesetzt hätten. Ihre Mit-<br />
geln<br />
die Arbeit und führen sie zum Erfolg.<br />
Für mich ist diese Ausgabe eine sehr wichtige,<br />
aber auch eine sehr traurige, weil eine wichtige Person<br />
unser Team verlassen hat. Es bleibt eine große Lücke, eine<br />
Leere, und es fehlt die Liebe, das Lachen und das Talent nicht<br />
nur einer Mitarbeiterin, sondern einer wunderbaren Freundin.<br />
Liebe Franziska, ich könnte dir an dieser Stelle für so<br />
viel danken. Du warst mir eine unverzichtbare Mitarbeiterin.<br />
Ein Mensch, der für mich streiten konnte, den ich respektiere<br />
und der es mir möglich gemacht hat, <strong>Fräulein</strong> ins Leben zu<br />
rufen. Ich danke dir, dass du an das Projekt und auch an mich<br />
geglaubt hast. Ich wünsche dir nur das Beste für dein weite-<br />
<br />
schätzen wissen, wie besonders und begabt du bist. Du hast<br />
als Mitarbeiterin bei <strong>Fräulein</strong> angefangen und gehst als ein<br />
Mensch, der mich berührt hat. Ich umarme dich und bin<br />
stolz, dein Freund zu sein.<br />
Alles Liebe<br />
Götz<br />
cartier.de – 089 55984-221<br />
14
ISABEL MARANT<br />
2<br />
– no –<br />
Ein wenig verwundert es, warum der<br />
Hype um diese Frau erst vor wenigen<br />
Jahren einsetzte und jede, wirklich<br />
jede modebewusste Frau ein <strong>Teil</strong> ihrer<br />
Kollektion tragen wollte. Denn Isabel<br />
Marant gründete ihr Label – unter dem<br />
Namen Twen – bereits 1990 und konzentrierte<br />
sich auf Jersey- und Strickwaren,<br />
die ihr später zum Massenerfolg<br />
verhelfen sollten. 1994 benennt sie<br />
das Label nach sich, startet auch die etwas<br />
günstigere Zweitlinie Étoile Isabel<br />
Marant. Mittlerweile werden ihre Kultboots<br />
und –shirts weltweit verkauft. In<br />
den vergangenen drei Jahren verdoppelte<br />
sich der Umsatz der Firma, die<br />
Marant ohne Investoren führt. Eine<br />
Seltenheit. In Interviews wirkt sie unprätentiös<br />
und sympathisch: mit lautem<br />
Lachen und französischer Lässigkeit.<br />
Marant holt den Pariser Chic vom<br />
hohen Ross der Couture-Tradition und<br />
macht ihn stilvoll straßentauglich.<br />
Es ist DAS Comeback des Jahres – zumindest im <strong>Mode</strong>kosmos: Jil Sander<br />
kehrt acht Jahre nach ihrem Ausstieg zurück in das von ihr 1968<br />
gegründete Unternehmen. 2004 verließ sie dieses wegen Streitigkeiten<br />
1– no – mit Patrizio Bertelli, dem Prada-CEO, der 1999 den Mehrheitsanteil<br />
des Labels gekauft hatte. Sander sagte erst zu, weiter als Chefdesignerin zu fungieren,<br />
entschied sich aber schließlich dagegen. Ab 2009 entwirft sie für das japanische<br />
Label Uniqlo die Linie „J+“: Basics ganz in ihrem Stil – elegant und minimalistisch.<br />
Heidemarie Jiline Sander gründet mit 24 eine Boutique und beginnt ein paar<br />
Jahre später, eigene Kollektionen zu entwerfen. In den Siebzigern ist es vor allem<br />
<br />
puristischen Entwürfe zunächst weniger Anklang; Sander arbeitet als Dozentin<br />
an der Uni für angewandte Kunst in Wien (als Nachfolgerin von Karl Lagerfeld) und<br />
bringt als eine der ersten Unternehmerinnen ihr Label an die Börse. Im Jahrzehnt<br />
darauf treffen ihre Kreationen wieder den Zeitgeist, und Sander erlebt die Blütezeit<br />
ihres Labels.<br />
Für die ersten Shows nach ihrem Comeback bei Jil Sander wurde die mittlerweile<br />
68-jährige frenetisch gefeiert. Am Ende der Mailänder Präsentation der<br />
Herrenkollektion im Juni zeigte sie sich – typisch schüchtern – der applaudierenden<br />
Menge. Wie passend, dass der heutige CEO verlauten ließ, dass die Marke seit Ende<br />
letzten Jahres endlich wieder schwarze Zahlen schreibt. Voraussetzungen, die man<br />
einer zurückkehrenden Legende nur wünschen kann.<br />
JOE MCKENNA<br />
Der Schotte stylte Kampagnen von<br />
MiuMiu, Versace und Balmain sowie<br />
Editorials für Zeitschriften wie Interview,<br />
Vogue, V Magazine. McKenna<br />
startete seine Karriere beim Magazin<br />
Face, bevor er in den wilden Achtzigern<br />
nach New York ging, um dort für<br />
Rolling Stone und Vanity Fair zu arbeiten.<br />
Doch es war vor allem die Zusammenarbeit<br />
mit Bruce Weber für Calvin<br />
Klein, die ihm alle Türen öffnete und<br />
ihn in den Folgejahren zum Styling-<br />
Megastar machte. Kürzlich zu bewundern:<br />
eine Strecke im LOVE Magazine<br />
mit dem Titel „Hip Hip Hooray“, eine<br />
Hommage auf das Thronjubiläum der<br />
Queen. Fotograf war übrigens – Bruce<br />
Weber.<br />
– no –<br />
3<br />
JIL SANDER<br />
– no –<br />
4<br />
MARC JACOBS<br />
Der Designer bleibt Louis Vuitton treu. Bereits<br />
seit 1997 ist er dort Kreativdirektor<br />
und Chefdesigner; dazu entwirft er für seine<br />
eigenen Labels. Er gilt als einer der ein-<br />
<br />
als Pionier: Für Vuitton kooperiert er mit<br />
diversen Künstlern (aktuell Yayoi Kusama )<br />
und führt die Luxusgüter Kunst und <strong>Mode</strong><br />
zusammen. Der Megastar liebt die Selbstinszenierung:<br />
Neben Diamantohrringen und<br />
Röcken sind es seine vielen Tattoos (Sterne,<br />
SpongeBob, ein Sofa), deren demonstrative<br />
Sinnlosigkeit alle Blicke auf ihn zieht.<br />
Fotograf: Stefan Armbruster<br />
<strong>Mode</strong>l: Alek Wek @ D’Management<br />
Creative Director & Styling: Alice Gentilucci / VOGUE Italia<br />
Make-up: Thais Bretas @ Atomo Management<br />
Make-up-Produkte: MAC<br />
Haare: Armando Cherillo @ Atomo Management<br />
Haar- und Hautpfelegeprodukte: L’Oréal<br />
Styling-Assistent: Alessandro Di Lorenzo, Gaia Fraschini, Italo Pantano<br />
Fotoassistenz: Toni Nüsse<br />
Digital operator: Simone De Paoli<br />
Lichtassistenz: Stefano Moiraghi & Gabriele Loda<br />
Bildbearbeitung: www.malkasten.at<br />
Vielen Dank für die Unterstützung an VOGUE Italia.<br />
Die Fotos sind für das Magazin des Lifeballs in Wien zum 20. Jubliäum<br />
der HIV-Charity-Veranstaltung entstanden. Jedes Jahr präsentiert sich ein Label<br />
mit einer <strong>Mode</strong>nschau. Wir zeigen Dsquared2, Jean Paul Gaultier und Agent Provocateur<br />
auf dieser Seite, sowie 48 und 59<br />
Dsquared2, 2011<br />
- no -<br />
5<br />
DSQUARED2<br />
Denim, Leder und BlingBling – Dsquared2<br />
steht für sexy Looks, die klotzen statt kle-<br />
gen<br />
ein altes Foto von den Designern Dean<br />
und Dan Caten im Kindesalter – brav im<br />
züchtigen Partnerlook gestylt. Die Zwillinge<br />
zogen 1983 von Toronto nach New York, um<br />
<strong>Mode</strong> zu studieren, und wanderten anschließend<br />
in das Heimatland ihrer Eltern<br />
aus: Bella Italia. Dort arbeiteten sie für Gi-<br />
<br />
Kollektionen bis heute ansieht. 1994 gründeten<br />
sie ihr eigenes Label. Die Präsentationen<br />
von Dsquared2 sind eher wilde Partys<br />
<br />
Caten lieben die Übertreibung: Da ist immer<br />
zu viel Sex, zu viel Denim, zu viel Glitter.<br />
Doch genau das macht ihren Stil provokant<br />
und unique. Man kann das mögen oder<br />
nicht, doch ist es nicht erfrischend, dass in<br />
der verstockten Fashion-Welt auch mal jemand<br />
die Sau rauslässt?<br />
16
Fotos: Adam Fedderly<br />
Haare: Nak Nak<br />
Make-up: Bre Walker<br />
<strong>Mode</strong>l: Dana<br />
<br />
6- no -<br />
VICTORIA<br />
BECKHAM<br />
Vom Spice Girl zur Fashion Queen –<br />
irgendwann ließ sich Victoria Beckham<br />
die Silikonbrüste entfernen und wurde<br />
zur Stilikone. Als Designerin bekommt<br />
sie mittlerweile sogar Anerkennung<br />
von Karl Lagerfeld.<br />
Was für eine Wandlung! Im Jahr 2007<br />
wurde sie von Stilkritiker Richard Blackwell<br />
zur am schlechtesten angezogenen<br />
Frau des Jahres gekürt. Damals trug Becks<br />
noch eine wasserstoffblonde Kurzhaarfrisur,<br />
hatte einen auf der Sonnenbank gebratenen<br />
Teint und falsche Brüste, die stets<br />
so wirkten, als seien sie zu weit nach oben<br />
gerutscht.<br />
Irgendwann jedoch erklärte sie: „Die Granaten<br />
kommen weg!“ und entledigte sich der<br />
Implantate. Heute gehört Victoria Beckham<br />
zu den am besten angezogenen Frauen<br />
überhaupt und wurde von allen möglichen<br />
Medien zur Stilikone erklärt; sogar Karl<br />
Lagerfeld schätzt sie als Designerin. Kurzum:<br />
Victoria Beckham, die einst als Posh<br />
Spice zwar berühmt, aber nie richtig beliebt<br />
wurde, hat sich in rasantem Tempo neu erfunden.<br />
Zum Imagewandel beigetragen<br />
hat sicherlich auch ihre Hochzeit mit dem<br />
britischen Fußballstar und Superschönling<br />
David Beckham. Irgendwie schaffte es<br />
Victoria Beckham, ihre hochnäsige Proleten-Arroganz<br />
in eine vornehme Eleganz zu<br />
verwandeln, wurde toughe Geschäftsfrau<br />
und zudem vierfache Mutter. Im September<br />
2008 gründete sie das nach ihr benannte<br />
Label. Ihre Kreationen zeigte sie anfangs<br />
nur im kleinen Kreis, schon bald aber auf<br />
dem Laufsteg der New York Fashion Week.<br />
Letztes Jahr, so wird vermutet, soll ihr Unternehmen<br />
einen Umsatz von fast 75 Millionen<br />
Euro gemacht haben. 2011 wurde das<br />
Label zudem von der Institution British Fashion<br />
Awards als beste Designermarke ausgezeichnet.<br />
Da soll noch mal einer sagen, es<br />
gäbe keine Wunder.<br />
18<br />
19
ANNA SUI<br />
SONIA RYKIEL<br />
8<br />
Als Mädchen hatte sie von einer jungen Frau gelesen, die<br />
nach New York gegangen war, um an der Parsons University<br />
zu studieren – doch anstatt ihren Abschluss zu<br />
machen, eröffnete sie in Paris eine Boutique (mit Hilfe<br />
– no – von Elizabeth Taylor und Richard Burton). Von diesem<br />
Weg träumte Anna Sui seither, und doch machte sie es dann ganz<br />
anders: Zwar zog die Detroiterin nach New York; allerdings beendete<br />
sie die Parsons-<strong>Mode</strong>ausbildung und blieb zudem in ihrer Wahlheimat.<br />
Dort freundete sie sich mit dem Fotografen Steven Meisel an<br />
<br />
Entwürfe umzusetzen. Ihre Freundinnen Naomi Campbell und Linda<br />
Evangelista ermutigten sie, ihre erste Kollektion zu präsentieren<br />
(Sui bezahlte die <strong>Mode</strong>ls mit Klamotten). Ihr Plan ging auf. Neben<br />
vielen Auszeichnungen wurde sie vom Time Magazine zu einer der<br />
<br />
Suis Schnitte und Farben pendeln immer ein wenig zwischen<br />
Fernost und den Sixties, zwischen Hippie, Punk und asiatischer Tradition.<br />
Sie war nie auf außergewöhnliche Materialien bedacht, sondern<br />
wollte interessant gestaltete und trotzdem preiswerte Kleidung<br />
bieten. Neben der launchte sie Accessoires-, Parfüm- und Kosmetiklinien.<br />
Alles ist weltweit erhältlich, trotzdem wurde ihr Label nicht<br />
zu einer Cooperate-Maschine wie die Häuser vieler berühmter Kollegen.<br />
Auch das macht Sui sympathisch, denn ihre Produkte bleiben<br />
besonders und exklusiv – nicht nur, was deren Design angeht.<br />
– no –<br />
7<br />
Die <strong>Mode</strong> steckt voll märchenhafter<br />
Geschichten:<br />
Das Leben dieser Frau ist<br />
eine von ihnen. Während<br />
Frauen in den Sechzigern<br />
meistens aufhörten zu<br />
arbeiten, sobald sie schwanger waren,<br />
begann dadurch erst Sonia Rykiels<br />
Karriere: Weil es keine dehnbaren und<br />
schicken Oberteile gab, enwarf die<br />
schwangere Rykiel selbst welche. Die<br />
Kontakte ihres damaligen Mannes, dem<br />
Besitzer einer Pariser Boutique, halfen<br />
ihr, eine kleine Linie zu produzieren. Ihre<br />
Pullover waren so erfolgreich, dass sie begann,<br />
ganze Kollektionen zu lancieren.<br />
Women´s Wear Daily nannte sie 1972 die<br />
Königin des Stricks. Rykiel, zu deren Imperium<br />
bald Kosmetik, Accessoires und<br />
eine Kinderlinie gehörten, schrieb auch<br />
Bücher – gerade eines über ihre Parkinson-Erkrankung.<br />
Kreativdirektorin April<br />
Crichton und Rykiels Tochter Nathalie<br />
führen die Marke, die nun zu 80 Prozent<br />
einem chinesischen Investor gehört. Auf<br />
den fraulich verspielten Look hatte das<br />
bislang keine Auswirkungen.<br />
Interview: Manuel Almeida<br />
DIANE<br />
PERNET<br />
Diane Pernet hat nicht nur einen<br />
der ersten <strong>Mode</strong>blogs gegründet,<br />
sondern auch den Fashionfilm früh<br />
gefördert und selbst Regie geführt.<br />
Als ehemalige Designerin, Journalistin,<br />
Kuratorin, Visionärin und<br />
unermüdlicher Talentscout bereichert<br />
sie die <strong>Mode</strong>branche seit fast<br />
drei Jahrzehnten.<br />
Wie die <strong>Mode</strong> selbst hat auch Ihre Karriere<br />
viele Veränderungen durchlebt. Sie haben<br />
zahlreiche Filme produziert, 13 Jahre lang<br />
selbst Kleidung entworfen, waren Kostümbildnerin,<br />
arbeiten inzwischen als <strong>Mode</strong>journalistin<br />
und Kuratorin. Welche Schritte<br />
in Ihrer beruflichen Laufbahn waren für<br />
Sie besonders wertvoll und auf welche<br />
hätten Sie lieber verzichtet?<br />
DIANE PERNET Ehrlich gesagt bereue ich<br />
nicht einen von ihnen. Manche waren befriedigender<br />
als andere, wie eben das Entwerfen<br />
für mein eigenes Label oder das Mo-<br />
<br />
rungen beim Entwerfen der Kostüme für<br />
Amos Gitais Film „Golem, l’esprit de l’exil“<br />
waren ein bisschen albtraumhaft. Ich war<br />
damals, 1990, die sechste Kostümbildnerin,<br />
die sich an diesem Film versucht hat. Mit<br />
Gitai zusammenzuarbeiten war recht undankbar.<br />
Aber Hanna Schygulla spielte eine<br />
Rolle in dem Film. Die habe ich bereits geliebt,<br />
seit ich sie in ihrem ersten Rainer-<br />
Werner-Fassbinder-Film gesehen hatte,<br />
einem meiner liebsten Regisseure. Es war<br />
großartig, sie in ihrem Haus zu besuchen.<br />
Das Erste, was man beim Eintreten gesehen<br />
hat, war eine große Schwarz-Weiß-Fotogra-<br />
<br />
rotes Kreuz – ich war im Himmel! Mein Job<br />
damals war es, die beiden Hauptdarsteller,<br />
Hannah Schygulla und Vittorio Mezzogiorno,<br />
für den Filmanfang und das Ende einzukleiden.<br />
Ich hatte auch die<br />
Ehre, mit dem Kameramann<br />
Henri Alekan zusammenzuarbeiten,<br />
einem absoluten Genie.<br />
Er war damals 87 Jahre alt und<br />
hatte mit Jean Cocteau gedreht.<br />
Mit all dem will ich sagen:<br />
Sogar die unangenehmste<br />
Erfahrung mit einem arroganten<br />
Regisseur hat mir einige<br />
9– no –<br />
tolle Erinnerungen eingebracht. Wir lernen<br />
aus allem, was wir machen – ich bereue<br />
nichts.<br />
Ein beeindruckender Schritt in Ihrer Karriere<br />
war die Gründung von „A Shaded View<br />
On Fashion“ 2005, einem der ersten <strong>Mode</strong>blogs<br />
überhaupt. Inwiefern hat das Ihre<br />
persönliche Sicht auf <strong>Mode</strong> beeinflusst?<br />
D PEigentlich kaum. Aber ich genieße es,<br />
jungen Talenten eine Plattform zu geben.<br />
Ich kenne diese Erfahrungen aus der Zeit,<br />
als ich mein eigenes unabhängiges Label<br />
<br />
schwer es sein kann, in einer Branche zu<br />
arbeiten, die von Geschäftsleuten regiert<br />
wird. Ich will Talent unterstützen, es weltweit<br />
bekannt machen. Sei es im Bereich der<br />
<strong>Mode</strong> oder des Films.<br />
Das Internet hat die <strong>Mode</strong> grundlegend<br />
verändert, sie demokratisiert. Kritiker dieser<br />
Entwicklung sehen darin einen Verlust<br />
an Exklusivität und Status. Worin sehen<br />
Sie – als eine der Vorreiterinnen einer „demokratischen<br />
<strong>Mode</strong>“ – deren Stärken?<br />
D P<strong>Mode</strong> ist für jeden da, Luxus nur für<br />
wenige. Tom Ford zum Beispiel versucht,<br />
„Stil hat kein Verfallsdatum, er ist zeitlos und achtet<br />
nicht auf Trends. Hätte jeder Stil, würde das<br />
wahrscheinlich die Branche lahmlegen.“<br />
diese Exklusivität zurück in die <strong>Mode</strong> zu<br />
bringen, er behauptet, wenn die Kollektionen<br />
in den Läden hängen, hätten wir uns<br />
schon längst an ihnen sattgesehen. Ich denke,<br />
das ist eher sein Versuch, die Aufmerksamkeit<br />
der Presse auf sich zu lenken. Ich<br />
glaube, die Demokratisierung der <strong>Mode</strong> hat<br />
den Markt geöffnet und vielen die „Angst<br />
vor der <strong>Mode</strong>“ genommen. Sie lässt jeden<br />
<strong>Mode</strong> genießen, der neugierig auf sie ist.<br />
Auf vielen Blogs und Plattformen geht der<br />
Trend in der <strong>Mode</strong>darstellung momentan<br />
ganz klar Richtung bewegtes Bild, ob Kampagnenvideos<br />
oder Shootings in gif-Form.<br />
Was hat das Video der statischen <strong>Mode</strong>fotografie<br />
voraus?<br />
D PDas ganz Offensichtliche: die<br />
Bewegung, das Drehbuch, den<br />
Ton, die Schauspielerei, die Regie.<br />
Bewegtes Bild eröffnet eine<br />
ganz andere Dimension. Es gibt<br />
immer noch ausreichend Raum<br />
für das statische Bild. Aber jetzt<br />
ist es an der Zeit, mit dem Film<br />
zu experimentieren und zu sehen,<br />
wie weit man ihn bringen kann. Es ist<br />
noch ein langer Weg, denn viele Fotografen<br />
fangen an, sich an der Videokamera zu versuchen.<br />
Sie sind allerdings eben Fotografen,<br />
<br />
schön sein, ist gut gemacht, aber es sind le-<br />
<br />
lookbooks – keine Filme.<br />
Man sagt Ihnen nach, Sie hätten 2008 mit<br />
der Gründung des weltweit ersten jährlichen<br />
Festivals für <strong>Mode</strong>filme, was nach Ihrem<br />
Blog ebenfalls „A Shaded View On Fashion<br />
Film“ heißt, die Sicht auf <strong>Mode</strong>filme nachhaltig<br />
verändert. Haben Sie durch diesen<br />
Erfolg auch Ihre Arbeit mit anderen Augen<br />
gesehen?<br />
D PIch habe Filme schon immer geliebt,<br />
also bin ich mir nicht sicher, ob sich meine<br />
persönliche Einstellung ihnen gegenüber<br />
unbedingt verändert hat. Mein allererstes<br />
<br />
kuratiertes Programm. Das hatte ich gemeinsam<br />
mit einem anderen Kurator im<br />
August 2006 realisiert, es hieß „You Wear It<br />
Well“. Ich habe mich aus dieser Zusammenarbeit<br />
2008 gelöst – ASVOFF wurde geboren<br />
und zu einem dreitägigen Festival,<br />
nicht mehr nur einem eintägigen Pro-<br />
<br />
Produzenten David Herman zusammenzuarbeiten.<br />
Jede Saison bemühen wir uns,<br />
andere Elemente in das Festival einzubinden,<br />
wie Kongresse, und versuchen, die<br />
bestmögliche Jury zusammenzustellen. Erfolg?<br />
Darüber denke ich gar nicht nach. Ich<br />
mache das, was ich liebe, ich will, dass es<br />
wächst, eine Institution wird. Wenn ich da-<br />
<br />
habe, macht mich das sehr glücklich.<br />
Wie viel Einfluss kann ein einzelner erfolgreicher<br />
Designer, ein viel gelesener Journalist<br />
auf die Veränderung der <strong>Mode</strong>, des<br />
Schönheitsideals überhaupt haben?<br />
D PMomentan leben wir immer noch im<br />
Zeitalter der Lady Gaga. Früher waren es<br />
mal Madonna oder Björk. Ich glaube, dass<br />
<br />
rauf haben, wie die Leute <strong>Mode</strong> wahrnehmen.<br />
Wir haben vor kurzem eine der<br />
<br />
<br />
20<br />
21
von Lagerfeld bis hin zu praktisch jedem,<br />
der sie kennengelernt hat. Was die Gesellschaft<br />
angeht, so hat wohl eher die Zeit, in<br />
der wir leben, die größten Auswirkungen<br />
auf die <strong>Mode</strong>, so war es schon immer. Das<br />
ist es, was <strong>Mode</strong> relevant macht.<br />
Gerade haben wir einen beeindruckenden<br />
Wechsel an Chefdesignern bei den großen<br />
Häusern erlebt. Raf Simons nun für Dior,<br />
dafür Jil Sander zurück an die Spitze ihres<br />
Labels, Christophe Decarnin verlässt Balmain,<br />
Stefano Pilati Yves Saint Laurent.<br />
Welche der aktuellen Veränderungen finden<br />
Sie besonders spannend und welchen Designer<br />
hätten Sie lieber noch länger in seiner<br />
alten Position gesehen?<br />
D Prent<br />
Paris <br />
Yves Saint Laurent, Anm. der Red.) und Raf<br />
Simons für Dior besonders spannend. Dass<br />
beide zeitgleich bei führenden Häusern beginnen,<br />
sorgt für ein bisschen Aufregung in<br />
der unternehmerischen Welt der <strong>Mode</strong>.<br />
Wenn es darum geht, wen ich gern länger in<br />
seiner Position gesehen hätte, abgesehen<br />
von dieser furchtbaren Dior-Galliano-Geschichte,<br />
dann niemanden. Veränderung<br />
ist gut.<br />
Im Gegensatz zur selbst deklarierten Wandlungsfähigkeit<br />
der <strong>Mode</strong> kritisieren viele,<br />
dass sich Looks und Styles der vergangenen<br />
Jahrzehnte kontinuierlich wiederholen. Was<br />
war für Sie die letzte, alles verändernde<br />
Innovation in der <strong>Mode</strong>?<br />
D PDas ist jetzt schon beinahe historisch,<br />
aber... Japan in den frühen Achtzigern. Das<br />
hatte die stärkste Wirkung. Danach die Bel-<br />
<br />
Japaner. Das war in den Neunzigern, und<br />
ich denke, seither gab es keine besondere<br />
Bewegung, die die <strong>Mode</strong> weitergebracht<br />
hat. 2000 haben wir alle auf eine dramatische<br />
Veränderung gewartet, die jedoch niemals<br />
kam und bis jetzt nicht da ist. Ich<br />
denke, heute ist es interessant, sich auf Designer<br />
mit einer besonders starken persönlichen<br />
Handschrift zu konzentrieren, wie<br />
Rick Owens, Haider Ackermann, Riccardo<br />
Tisci für Givenchy, Ann Demeulemeester,<br />
Bernhard Willhelm oder Azzedine Alaïa.<br />
Menschen, die etwas zu sagen haben, die<br />
sich nicht dafür interessieren, was andere<br />
tun. Ich verstehe, dass viele Designer und<br />
andere Künstler von Zeiten, in denen sie<br />
nicht gelebt haben, fasziniert sind. Jean-Luc<br />
Godard jedoch hat es so formuliert: „Es geht<br />
nicht darum, woher du die Dinge bekommst<br />
– es geht darum, wohin du sie bringen<br />
kannst.“<br />
Für die <strong>Mode</strong> ist scheinbar nichts so elementar<br />
wie der Wandel, die stetige Neuerfindung<br />
des Schönheitsideals, die saisonal<br />
wechselnden Trends. Aber dennoch scheinen<br />
sich gerade herausragende Persönlichkeiten<br />
der Branche einen sich kaum verändernden<br />
persönlichen Stil angeeignet zu<br />
haben: Denken wir nur an Lagerfelds gestärkte<br />
Kragen, an Anna Wintours immer<br />
gleiche Frisur. Auch sie zeigen einen sehr<br />
markanten Look. Warum ist das so?<br />
D PDas Stichwort lautet „Stil“. Sobald du<br />
deinen eigenen gefunden hast, verspürst du<br />
nicht den Drang, ihn zu verändern. Es werden<br />
diesem Stil immer wieder Elemente<br />
hinzugefügt, aber er funktioniert nur in einem<br />
gewissen Rahmen. Stil hat kein Verfallsdatum,<br />
er ist zeitlos und achtet nicht auf<br />
Trends. <strong>Mode</strong> kaufst du, sie hat dieses Verfallsdatum.<br />
Hätte jeder Mensch Stil, würde<br />
das wahrscheinlich die Branche lahmlegen.<br />
Als Diana Vreeland Chefredakteurin der<br />
amerikanischen Vogue war, sagte sie, es<br />
tive<br />
zu geben, denn die meisten hätten keine.<br />
Sie war berühmt für das Zitat: „Gib den<br />
Menschen nicht, was sie wollen, gib ihnen,<br />
wovon sie nie zu träumen wagten.“ Orson<br />
Welles hat etwas ganz Ähnliches gesagt:<br />
„Gib ihnen nicht, wovon du denkst, dass sie<br />
es wollen. Gib ihnen, wovon sie nie gedacht<br />
hätten, dass es möglich ist.“ Es sollten<br />
mehr Designer und Filmemacher genauso<br />
denken.<br />
Wird es je eine Diane Pernet ohne schwarze<br />
Sonnenbrille und Mantilla geben?<br />
D P<br />
DIANE PERNET fasste erstmals in den Achtzigern<br />
als Designerin Fuß in der <strong>Mode</strong>branche. Anschließend<br />
arbeitete sie als Redakteurin für Elle.<br />
com und Vogue.fr und das Zoo Magazine. 2005<br />
ging ihr Kunst- und <strong>Mode</strong>blog „A Shaded View<br />
on Fashion“ (ashadedviewonfashion.com) online.<br />
22<br />
23
Medusa war einst eine wunderschöne Frau<br />
Doch dann verwandelte die Göttin Pallas<br />
Athene sie aus Neid und Eifersucht in eine<br />
grauenhafte Gestalt, auf deren Haupt sich<br />
statt Haaren giftige Schlangen ringelten.<br />
Wenn Männer dieser Gorgone in die glühenden<br />
Augen blickten, erstarrten sie zu<br />
Stein. Gianni Versace war fasziniert von der<br />
exaltierten Dramatik griechischer Mythologie<br />
und wählte den Medusenkopf als Logo<br />
für sein <strong>Mode</strong>label, das er 1978 gründete.<br />
Zu Stein erstarrte angesichts seiner Entwürfe<br />
zunächst auch das elitäre <strong>Mode</strong>publikum:<br />
Seine grellen und bunt gemixten<br />
Farben sowie seine schrillen Entwürfe<br />
wurden als vulgär bezeichnet. Doch schnell<br />
hatte Versace mehr Fans als Kritiker. Glänzende<br />
Materialien, kurze Röcke, provokante<br />
Schnitte – ein dekadenter Saint-Tropez-Luxus<br />
traf auf sexy Miami-Beach-Style. Versace<br />
wurde zu einem der wichtigsten<br />
Designer der Achtziger. Doch ein Attentat<br />
beendete den märchenhaften Aufstieg:<br />
Gianni Versace wurde am 15. Juli 1997 morgens<br />
vor seiner Villa von einem Serienmörder<br />
erschossen.<br />
Seine Schwester Donatella erbte 20 Prozent<br />
des Unternehmens, sein Bruder Santo 30<br />
Prozent – und seine Nichte Allegra, damals<br />
erst elf Jahre alt, den Rest. Santo wurde<br />
CEO, gab jedoch 2003 seinen Rücktritt<br />
bekannt. Donatella Versace ist bis heute<br />
Chefdesignerin des Unternehmens. Nach<br />
Giannis Tod versank die Firma jahrelang in<br />
roten Zahlen, noch 2009 lag die Verschuldung<br />
bei 50 Millionen Euro. Doch seit letztem<br />
Jahr schreibt Versace nach gründlicher<br />
Sanierung wieder schwarze Zahlen und erzielte<br />
einen Gewinn von 8,5 Millionen bei<br />
einem Umsatz von 340 Millionen Euro.<br />
Fernab der Finanzwelt präsentierte Donatella<br />
Anfang des Jahres ihre Herbst/Winter-<br />
Kollektion in Mailand. Die wirkte wie eine<br />
Hommage auf die letzte Haute-Couture-<br />
Show ihres Bruders 1997. Längst hat die<br />
57-Jährige dem Label ihren eigenen Stempel<br />
aufgedrückt, und dennoch: Die Kreuze,<br />
die auch Gianni – im katholischen Italien<br />
durchaus provokant – auf Kleider sticken<br />
oder drucken ließ, funkelten auch bei Donatella<br />
wieder auf. Hintersinnige Dekadenz ist<br />
immer noch der Motor, mit dem der Luxusschlitten<br />
Versace in die Zukunft donnert.<br />
- no -<br />
VERSACE<br />
In Sachen Sexyness ist Versace immer<br />
noch der Maßstab der <strong>Mode</strong>welt.<br />
Dafür ist es hinter den Kulissen<br />
ruhiger geworden. Nach dem Tod von<br />
Gianni führt Donatella Versace das<br />
Label wieder in die Gewinnzone –<br />
ohne dabei Kompromisse einzugehen.<br />
Fotos: Adam Fedderly<br />
Text: Lisa Leinen<br />
Haare: Nak Nak<br />
Make-up: Bre Walker<br />
<strong>Mode</strong>l: Lauren<br />
<br />
24
Foto, Text Namen<br />
– no –11<br />
GERT & JOP<br />
WALTER VAN<br />
BEIRENDONCK<br />
KATHARINE HAMNETT<br />
12<br />
– no –<br />
Aufdrucke wie „No more Fashion<br />
Victims“ oder „Protest and Survive“<br />
machten die politisch engagierte Designerin<br />
berühmt. Katharine Hamnett<br />
entwarf die Antithese zur dekadenten<br />
Achtziger-<strong>Mode</strong> – und wurde zugleich<br />
<strong>Teil</strong> von ihr. Ihre T-Shirts mit Blockbuchstaben<br />
avancierten zum Erkennungszeichen<br />
einer Bewegung, Bands<br />
wie Wham! oder Queen trugen sie in<br />
Videos. Schon seit 2003 beschäftigt<br />
sich Hamnett mit der politisch korrekten,<br />
ökologischen Verarbeitung von<br />
Stoffen – lange vor dem Hype also.<br />
Gert & Jop ist die Agentur der Kreativchefs<br />
und Art-Direktoren Gert Jonkers und Jop<br />
van Bennekom. 2001 entwickeln sie just<br />
for fun das Schwulenmagazin Butt; an dem<br />
Kultheft wirken Fotografen wie Wolfgang<br />
Tillmanns und Walter Pfeiffer mit. Weniger<br />
nackte Haut, dafür mehr stilvolle Kleidung<br />
liefert die geniale, 2005 gegründete Zeitschrift<br />
Fantastic Man, die durch zurückhaltendes<br />
Design, klare Bildsprache und exzellente<br />
redaktionelle Aufbereitung von<br />
Trends zur Stilbibel des modernen Mannes<br />
wird. Seit 2010 publiziert das Duo das an<br />
Frauen gerichtete Magazin The Gentlewoman.<br />
Wenn jemand im Bereich Editorial<br />
Design Akzente gesetzt hat, dann die beiden<br />
Holländer – erkennen kann man das ganz<br />
gut an ihren zahlosen Nachahmern.<br />
RAF SIMONS<br />
Am Ende seiner letzten Show für Jil Sander<br />
betrat ein weinender Raf Simons den Laufsteg<br />
und winkte gerührt in die applaudierende<br />
Menge. Eine Ära ging zu Ende. Von<br />
2005 bis 2012 war er Kreativdirektor und<br />
Chefdesigner des Labels und prägte mit seinem<br />
kühlen <strong>Mode</strong>rnismus den Stil maßgeblich.<br />
Seit April diesen Jahres ist er nun beim<br />
Traditionshaus Dior als Chefdesigner der<br />
Damenkollektion unter Vertrag. Seine erste<br />
Show wurde in Paris stürmisch gefeiert.<br />
Nebenbei entwirft der geniale Belgier Herrenmode<br />
für sein eigenes Label Raf Simons<br />
und gestaltet eine Linie bei Fred Perry. Ein<br />
<br />
als scheu geltende Simons unterrichtete<br />
von 2000 bis 2005 an der Uni für angewandte<br />
Kunst in Wien die <strong>Mode</strong>klasse. Ein<br />
Dozent, von dem man mit Sicherheit viel<br />
lernen konnte.<br />
– no –<br />
13<br />
26<br />
Der belgische Exzentriker gehört zu<br />
den Antwerp Six, einer Gruppierung<br />
von Designern, die 1981/82 ihr Studium<br />
an der berühmten <strong>Mode</strong>schule in Antwerpen<br />
(Royal Academy of Fine Arts)<br />
abschlossen. Neben ihm zählen Ann<br />
Demeulemeester, Dries van Noten, Dirk<br />
Bikkembergs, Marina Yee und Dirk van<br />
Saene dazu. Auf Walter van Beiren-<br />
<br />
Menüpunkt mit der Bezeichnung „My<br />
best friend“ (er führt zu van Saenes<br />
Homepage): Klickt man ihn, wackelt<br />
sein nacktes Comic-Alter-Ego mit den<br />
Armen. Kunst, Pop, Sadomaso und<br />
Spielzeug nennt er als seine Inspirationsquellen.<br />
Deutlich wird das an seinen<br />
auffälligen Mustern und Prints, die<br />
das Publikum in Verächter und Fans<br />
spalten. Neben seiner Linie, die nach eigenen<br />
Angaben in 27 concept stores<br />
weltweit vertrieben wird, entwirft van<br />
Beirendonck Kostüme fürs Theater,<br />
zeichnet seinen eigenen Comic und unterrichtet<br />
an der Uni, an der er studiert<br />
hatte. Klingt alles ganz solide – er selbst<br />
ist das erfreulicherweise nie.<br />
– no –<br />
14<br />
Walter van Beirendonck Foto: Jean-Baptiste Mondino<br />
Flat-Tarif inklusive Music-Flat<br />
Klingt gut: Surfen, Telefonieren, SMSen, so viel du willst – alles mit drin.<br />
Zusätzlich warten 18 Millionen Songs darauf, von dir mit Spotify Premium<br />
gehört zu werden. Und obendrauf gibt’s noch das Sony Xperia TM tipo für 1 €.<br />
Mehr Infos unter www.telekom.de/young oder im Telekom Shop.<br />
* Der Tarif Special Complete Mobil Music ist bis zum 30.09.2013 buchbar. Einmaliger Bereitstellungspreis 29,95 €. Mtl. Grundpreis 29,95 €. Das<br />
Sony Xperia TM tipo ist für 1 € erhältlich. Mindestvertragslaufzeit 24 Monate. Inlandsverbindungen außerhalb der Inklusivminuten bzw. der gewählten<br />
Wunschnetz-Flat 0,29 €/Minute. Der Tarif ermöglicht die Nutzung von Spotify Premium im Wert von 9,99 €/Monat, Registrierung bei Spotify über<br />
Telekom Kundencenter erforderlich. Ab einem Datenvolumen von 200 MB (ausgenommen Spotify-Daten) wird die Bandbreite im jeweiligen Monat<br />
auf max. 64 kbit/s (Download) und 16 kbit/s (Upload) beschränkt. Das enthaltene Datenvolumen darf nur mit einem Handy ohne angeschlossenen<br />
oder drahtlos verbundenen Computer genutzt werden. VoIP und Instant Messaging sind nicht Gegenstand 27 des Vertrags. Die HotSpot Flatrate gilt<br />
nur für die Nutzung an dt. HotSpots (WLAN) der Deutschen Telekom.
PAUL SMITH<br />
Man könnte ihn den Paten der britischen<br />
<strong>Mode</strong> nennen. Paul Smith ist nicht nur ein<br />
großartiger Designer, der unprätentiöse,<br />
liebevoll gestaltete Kleidung entwirft, er<br />
scheint ein netter, humorvoller Typ zu sein.<br />
Nach einem Unfall gab Smith seinen Traum<br />
<br />
selbst mal sagte – nie sonderlich gut in Geschäftsdingen<br />
und im Entwerfen war, wurde<br />
er zum bekanntesten britischen <strong>Mode</strong>designer.<br />
Sein Firmenumsatz lag 2011 bei<br />
– no –15<br />
etwa 250 Millionen Euro. Die klassische<br />
Eleganz mit einem dezenten Twist macht<br />
seine Kollektionen besonders. Smith sorgt<br />
sich darum, zu sehr zum Business-Mann zu<br />
werden als Designer zu bleiben, doch bislang<br />
gelingt ihm die Balance. Das mag am<br />
entspannten, spielerischen Umgang liegen,<br />
mit dem er <strong>Mode</strong> begegnet. Wie sangen<br />
Monty Python mal: „For life is quite ab-<br />
<br />
always face the curtain with a bow.“<br />
Fotos: Jean-François Cartly @ Shotview<br />
Text: Lisa Leinen<br />
Styling: Sara Dunn @ Clicks and Contract<br />
Haare: Ernesto Montevideo @ My-Management using Bumble & Bumble<br />
Make-up: Shama@ CLM using MAC Cosmetics<br />
<strong>Mode</strong>l: Flo@ Select<br />
<br />
– no –<br />
16<br />
28<br />
Foto: Willy Vanderperre<br />
ANN<br />
DEMEULEMEESTER<br />
Lange Kleider, meist im typischen Schwarz,<br />
weite Chiffon-Ärmel, die beim Gehen<br />
dramatisch nach hinten wehen, breite Le-<br />
<br />
setts übergehen – Ann Demeulemeester<br />
ließ sich für ihre letzte Kollektion von einem<br />
Schmetterling inspirieren: Aus einem engen<br />
Kokon schlüpfen breite Flügel. Die belgische<br />
Designerin ist bekannt dafür, Frauen<br />
stark und zugleich zerbrechlich wirken zu<br />
lassen. Als Mitglied der Antwerp Six gründete<br />
sie 1985 zusammen mit ihrem Ehemann,<br />
dem Fotografen Patrick Robyn, ihr<br />
eigenes Label. Bis heute ist Antwerpen ihr<br />
Firmensitz (das Atelier ist übrigens in einem<br />
von Corbusier 1926 entworfenen Haus,<br />
in dem sie mit ihrer Familie auch lebt), ihre<br />
Kollektionen zeigt sie seit 1991 in Paris.<br />
„Queen Ann“, wie ein <strong>Mode</strong>magazin sie mal<br />
geadelt hat, trägt nur eigene Kreationen und<br />
sieht <strong>Mode</strong> als Form der Kommunikation.<br />
Passend dazu kollaborierte sie mit Künstlern<br />
wie dem Fotografen Jim Dine oder mit<br />
Patti Smith. Die Sängerin lief 2006 bei der<br />
Präsentation der Demeulemeester-Herrenkollektion<br />
über den Laufsteg und schwärmte<br />
im Anschluss von der Zusammenarbeit<br />
und der Freundschaft zwischen ihr und der<br />
Designerin. Die visionäre 53-Jährige gilt zu-<br />
dem<br />
sie ihre Kreationen bewusst unfertig<br />
wirken ließ, etwa Nähte nach außen kehrte,<br />
stark zerknittertes, papierdünnes Leder benutzte<br />
oder <strong>Mode</strong>ls im out of bed-Look stylen<br />
ließ. Aus der <strong>Mode</strong> gekommen ist das bis<br />
heute nicht.<br />
17<br />
HAIDER - no -<br />
ACKERMANN
Der zurückhaltende Designer wurde<br />
von Lagerfeld bereits als würdiger<br />
Nachfolger an der Spitze von Chanel<br />
genannt. Doch trotz des Hypes um<br />
ihn bleibt Haider Ackermann seelenruhig.<br />
Es geht ihm um mehr als Medienrummel<br />
und Rampenlicht: um<br />
die subtile Eleganz seiner Kollektionen<br />
zum Beispiel.<br />
Er gilt seit Jahren als große Hoffnung, als<br />
hochbegabtes Ausnahmetalent, das <strong>Mode</strong>branche<br />
und Fachpresse kontinuierlich<br />
euphorisch feiern. Außerhalb des <strong>Mode</strong><br />
kosmos´ ist Haider Ackermann allerdings<br />
kaum bekannt. Sein zurückhaltendes Auftreten,<br />
seine glänzenden Locken und die<br />
sympathische Nickelbrille passen perfekt<br />
zum Bild des uneitlen, intellektuellen Designers,<br />
der lieber integre Arbeit abliefert als<br />
sich im Blitzlicht zu produzieren.<br />
Karl Lagerfeld, ein Ackermann-Fan der ersten<br />
Stunde, traute ihm sogar in einer öffentlichen<br />
Äußerung mal seine Nachfolge bei<br />
Chanel zu. Spätestens seither schaute der<br />
<strong>Mode</strong>zirkus genauer auf den jungen Mann,<br />
der sein eigenes Label 2001 gründete,<br />
nachdem er das <strong>Mode</strong>studium an der Königlichen<br />
Akademie Antwerpen nach drei<br />
Jahren hingeschmissen hatte. Dass er das<br />
tat, lag wohl auch an seinem Mangel an Disziplin,<br />
wie er später zugab. Sein Glück war<br />
es, dass er auf einem Mentor traf, der bereits<br />
einen Namen hatte: Raf Simons war<br />
begeistert von den Zeichnungen des jungen<br />
Designers und prophezeite ihm eine große<br />
Zukunft. Dass der Weg zum Erfolg trotzdem<br />
ein steiniger ist, zeigt die Geschichte,<br />
dass Ackermann während seines Praktikums<br />
bei John Galliano in Paris auf der<br />
Straße schlief – wenn er nicht gerade die<br />
Nächte durchfeierte. Dennoch beschreibt er<br />
diese Zeit später als die lehrreichste.<br />
Ackermann gilt als bodenständig, nicht verwöhnt<br />
vom Leben und vom Erfolg. Er inszeniert<br />
um sich keinen Personenkult, sucht<br />
sich keine prominenten Musen und meidet<br />
das Rampenlicht. Als letztes Jahr Gerüchte<br />
laut wurden, er würde Gallianos Nachfolger<br />
bei Dior werden, reagierte die Presse nahezu<br />
hysterisch – nur Ackermann selbst blieb<br />
vollkommen gelassen.<br />
Der gebürtige Kolumbianer wurde als<br />
Kleinkind von einem französischen Ehepaar<br />
adoptiert und reiste mit ihm durch die<br />
Welt. Diese Erfahrung verarbeitet er noch<br />
heute in seinen Entwürfen. Wer jetzt aber<br />
an bunte Folklore-Kleidung denkt, hat weit<br />
gefehlt. Ackermanns Kollektionen sind klar<br />
und schlicht – schmale Silhouetten, dezente<br />
und dunkle Farben in ungewöhnlichen<br />
Materialkombinationen, die erst auf den<br />
zweiten Blick auffallen und seinen Kreationen<br />
eine hintergründige Dramatik verleihen.<br />
Kunstvolles Drapieren und perfektes<br />
layering gehören ebenso zu seinen<br />
Markenzeichen wie die Kunst, einen Entwurf<br />
feminin und maskulin zugleich<br />
30
32<br />
Foto: Stephane Feugere<br />
wirken zu lassen. <strong>Mode</strong>journalistin Suzy<br />
Menkes bezeichnete Ackermanns Designs<br />
mal als slow fashion – so simpel und so<br />
schön, dass sie die Zeit überdauern. Von anderen<br />
liebevoll als Träumer und Poet charakterisiert,<br />
sieht er sich selbst als einen<br />
unsicheren Menschen, der lange nachdenkt,<br />
bevor er handelt. Wahrscheinlich ist es genau<br />
diese bedächtige Art, die ihn zu seinen<br />
meisterhaften Kollektionen antreibt.<br />
Noch hat er bei keinem großen Luxuslabel<br />
unterschrieben. 2009 lehnte er das Angebot<br />
ab, Martin Margielas Nachfolge anzutreten.<br />
Man wartet ein bisschen auf die Nachricht,<br />
dass Ackermann ein Traditionshaus mit<br />
seiner stillen Eleganz bereichert, doch zur<br />
Zeit sind alle Gerüchte um ihn verstummt<br />
und die großen Posten bei Dior und Saint<br />
Laurent neu besetzt.<br />
Ackermann selbst wird das wahrscheinlich<br />
begrüßen. Trotzdem wäre es ihm vergönnt,<br />
nicht nur im kleinen, sondern im großen<br />
Stil die <strong>Mode</strong>geschichte zu prägen. Die Zeit<br />
dafür ist überreif.<br />
- no -<br />
ONLINE-STORES<br />
„Vielen Dank für Ihren Einkauf!˝<br />
Wenn diese Zeile auf dem Bildschirm<br />
aufpoppen, seufzen täglich<br />
tausende <strong>Mode</strong>begeisterte auf –<br />
und checken kurz danach besorgt<br />
ihren Kontostand. Web-Shops<br />
werden für die <strong>Mode</strong>industrie<br />
immer wichtiger. Vorbei die Zeiten,<br />
in denen Provinzstädte <strong>Mode</strong>wüsten<br />
waren: Die Fashionkrake reicht<br />
nun bis in die hintersten Winkel<br />
der Erde. Wir begrüßen das, denn<br />
die Online-Stores werden immer<br />
besser. Gestaltet wie Magazine, mit<br />
Blogs, Newslettern oder persönlichem<br />
Internet-Stylisten buhlen<br />
sie um Kunden. Wir wollen Ihnen<br />
deshalb hier unsere Lieblings-Einkaufsplattformen<br />
vorstellen – ohne<br />
Anspruch auf Vollständigkeit.<br />
Netaporter .com<br />
Gegründet im Jahr 2000 von Natalie<br />
Massenet, ist Net-A-Porter heute der erfolgreichste<br />
Onlineshop – mit 2,5 Millionen<br />
Besuchern monatlich. Die Firma hat<br />
ihren Sitz in London und New York und<br />
beschäftigt circa 1500 Mitarbeiter.<br />
Mytheresa.com<br />
Dieser Onlinestore gehört zu THERESA,<br />
einer beliebten Luxus-Boutique in der<br />
Münchner Innenstadt. Mytheresa bietet<br />
<strong>Teil</strong>e von über 160 Designern an, darunter<br />
einige exklusiv – wie Balenciaga und<br />
Tod’s.<br />
Luisaviaroma.com<br />
In den Dreißigern eröffnete der Flagshipstore<br />
in Florenz, seit einigen Jahren<br />
gibt es das Angebot auch online. Auch<br />
die Kreationen von Avantgarde-Designern<br />
wie Gareth Pugh und Damir Doma<br />
werden hier angeboten.<br />
Matchesfashion.com<br />
Insgesamt 13 Läden führt das Unternehmen<br />
in Großbritannien, das Hauptquartier<br />
des Onlineshops sitzt in London. Wie<br />
fast alle Onlineshops bietet auch dieser<br />
einen persönlichen Internet-Stylisten<br />
und eine exquisite Kaufberatung an.<br />
Colette.fr<br />
Wer Paris besucht, sollte unbedingt bei<br />
Colette vorbeischauen. <strong>Mode</strong>, Kunst,<br />
Essen, Musik – Colette gilt als Vorreiter<br />
der beliebten concept stores. Auch online<br />
lockt der Kultshop mit Angeboten von<br />
<strong>Mode</strong> über Bücher bis hin zu Kitsch und<br />
hippem Kokolores.<br />
FARFETCH.COM<br />
Wer nicht unbedingt einkaufen, aber sich<br />
dennoch unterhaltsam über <strong>Mode</strong> informieren<br />
will, der sollte den Blog von Farfetch<br />
lesen. Tolle Angebote gibt’s natürlich<br />
auch – für Männer und Frauen.<br />
Shopbob.com<br />
Eigentlich wollte man sich bei der Gründung<br />
im Jahr 2000 auf rare Jeansmarken<br />
<br />
aber auch alles, was man zur Jeans tragen<br />
sollte. Besonders schön: die Hitlist<br />
mit den beliebtesten Styles der Woche.<br />
THEOUTNET.COM<br />
Ebenfalls von Net-A-Porter-Gründerin<br />
Natalie Massenet gelauncht, ist diese Seite<br />
das digitale Outlet der Luxusmarken.<br />
Via Email zum Newsletter anmelden und<br />
die Angebote mit bis zu 70 Prozent Rabatt<br />
shoppen.<br />
Mrporter .com<br />
Der beste Online-Shop für Männer – vom<br />
Hemd bis zur Herrentasche, die im Wochenmagazin<br />
„The Journal“ vorgestellt<br />
werden. Gehört zur Erfolgsgruppe der<br />
Net-A-Porter-Group und wurde Anfang<br />
letzten Jahres gegründet.<br />
YOOX.COM<br />
Yoox überzeugt nicht durch Aufmachung,<br />
sondern durch gute Preise und<br />
zahllose Designer. Man muss wissen,<br />
was man sucht. Wenn das der Fall ist, ist<br />
man hier genau richtig.
Fotos: Net-A-Porter, Interview: Ruben Donsbach<br />
ALISON<br />
LOEHNIS<br />
Alison Loehnis hat vor einem Jahr die<br />
Geschäftsführung von Net-A-Porter<br />
übernommen, dem etabliertesten<br />
Online-<strong>Mode</strong>kaufhaus der Welt. Damit<br />
ist sie zu einer wichtigen Instanz<br />
im Fashionbusiness geworden. <strong>Fräulein</strong><br />
erzählte sie von ihrer Schulzeit in<br />
Uniform, tabulosen Trends und wie<br />
sie nach Feierabend entspannt.<br />
- no -<br />
19<br />
FEIERABEND<br />
Frau Loehnis, erinnern Sie sich, wann Sie<br />
sich zum ersten Mal ernsthaft Gedanken<br />
über Ihren Look gemacht haben?<br />
ALISON LOEHNIS Absolut! Ich bin zwölf Jahre<br />
lang auf eine Mädchenschule in New York<br />
gegangen und musste dort Uniform tragen,<br />
alles war sehr strikt. Aber einmal im Jahr,<br />
am sportsday, durfte man tragen, was man<br />
wollte. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft<br />
daran, wie ich nachts wach lag und überlegte,<br />
was ich anziehen könnte. Ich bekniete<br />
meine Mutter schließlich, mir einen roten<br />
Pullover aus Shetlandwolle von Ralph Lauren<br />
zu kaufen. Darunter trug ich ein weißes<br />
Polo-Shirt mit dem Kragen nach oben ge-<br />
schlagen. Und ich bin mir ziemlich sicher,<br />
dass ich Gloria-Vanderbilt-Jeans trug. Klar<br />
habe ich mich als kleines Mädchen gerne<br />
verkleidet – aber an diesem einen Tag wurde<br />
aus Spaß Ernst.<br />
Inwiefern hat diese Zeit Ihr Verhältnis zur<br />
<strong>Mode</strong> geprägt?<br />
A LIch denke, der Zwang, Uniform zu tra-<br />
<br />
Verbot macht einen neugierig und experimentierfreudig.<br />
In engen Grenzen zu arbeiten<br />
fordert die Kreativität heraus. Ich zog<br />
zum Beispiel über der Uniform einen mir<br />
viel zu großen Pullover meines Vaters, um<br />
einen lässigeren Look zu erreichen. Ich<br />
glaube fest, dass man ein viel besseres Auftreten<br />
hat, wenn man sich in den eigenen<br />
Klamotten gefällt.<br />
Sie haben früher für Disney gearbeitet. Wie<br />
kamen Sie von dort zur <strong>Mode</strong>?<br />
A LIch habe mich immer darum bemüht,<br />
einen Job zu wählen, in dem das Wirtschaftliche<br />
und das Kreative sich die Balance<br />
hielten. Sei es in der Werbung, der Filmindustrie<br />
oder der <strong>Mode</strong>. Doch von klein auf<br />
hat mich letztere sehr stark interessiert und<br />
begeistert. Es war also eine natürliche<br />
Entwicklung.<br />
Wie kann man sich eine Arbeitswoche von<br />
Ihnen vorstellen?<br />
A LDas ist schwer zu sagen, weil meine Arbeit<br />
so vielschichtig ist. Es gibt also eigentlich<br />
keinen typischen Tag. Ich gehe auf<br />
Shows, treffe Mitarbeiter und Designer,<br />
spreche über exklusive Kollaborationen,<br />
treffe Kunden, bereite Events vor. Viel Zeit<br />
gilt der internen Planung mit meinem Team.<br />
Außerdem reise ich oft zwischen New York,<br />
London und neuerdings Asien umher. Net-<br />
A-Porter ist ja gerade dabei, eine Filiale in<br />
Hongkong zu eröffnen.<br />
Wie hat sich die Firma verändert, seit Sie<br />
Ende 2011 Managing Director geworden<br />
sind?<br />
A LSie ist zunächst einmal ordentlich weitergewachsen.<br />
Einmal im Bereich des Umsatzes,<br />
aber natürlich auch bezüglich der<br />
Anzahl der Kunden wie auch der Mitarbeiter.<br />
Es gab eine Zeit, da kannte sich jeder<br />
hier mit dem Vornamen. Das hat sich verändert.<br />
Das rasante Wachstum bringt also viele<br />
Herausforderungen mit sich.<br />
Was ist eigentlich die Idee hinter Net-A-<br />
Porter?<br />
A LTja, ich würde sagen, dass die zentrale<br />
Idee unserer Marke ein Online-Magazin ist,<br />
über welches man direkt einkaufen kann.<br />
Und ich möchte behaupten, dass wir über<br />
diese Idee zur wichtigsten Online-Plattform<br />
für zeitgenössische <strong>Mode</strong> geworden sind.<br />
Was Net-A-Porter meiner Meinung nach<br />
von anderen Mitbewerbern unterscheidet,<br />
ist die relative Größe unseres Geschäfts in<br />
Verbindung mit der Kundennähe eines Familienbetriebs.<br />
In den zwölf Jahren unseres<br />
Bestehens ist es trotz Wachstums gelungen,<br />
diesen spirit zu erhalten. Teamwork, Zusammenarbeit<br />
bestimmt alle unsere Abläufe.<br />
Und machen wir uns nichts vor, die Konkurrenz<br />
ist stark. Wir müssen uns ständig<br />
verbessern, um führend in unserem Bereich<br />
zu bleiben.<br />
Schaut man ins Lexikon, dann steht da: „Die<br />
<strong>Mode</strong>industrie ist ein Phänomen der <strong>Mode</strong>rne.“<br />
Wie hat sich diese Industrie durch<br />
das Internet und die sozialen Netzwerke<br />
verändert?<br />
A LIch kann zunächst für uns sagen, dass<br />
sich die Erwartungen und Bedürfnisse der<br />
Kunden grundlegend verändert haben. Und<br />
das liegt tatsächlich vor allem an den neuen<br />
Technologien. <strong>Mode</strong> ist wahnsinnig schnell<br />
verfügbar geworden. Die Leute wollen Dinge<br />
haben. Und sie wollen sie sofort haben.<br />
Sie shoppen von ihrem Sofa aus, gehen weniger<br />
in Läden und stellen sich dort ungern<br />
in Warteschlangen vor Umkleiden oder<br />
Kassen. Das bedeutet für uns, dass wir in<br />
hoher Frequenz Neues anbieten müssen,<br />
ohne den Kunden darauf warten zu lassen.<br />
Hat diese Verfügbarkeit Einfluss auf das<br />
<strong>Mode</strong>design oder den Herstellungsprozess?<br />
Immerhin geht mit der Verfügbarkeit auch<br />
eine permanente Sichtbar- und Gleichzeitigkeit<br />
neuer Trends einher.<br />
A LSicher. Aber ich denke, es gab immer<br />
dieses Bedürfnis nach dem next big thing,<br />
dem nächsten Coup. Man wollte den Wandel<br />
und hatte doch immer diese großen Referenzen<br />
an die Vergangenheit. Die Sache<br />
„Ich glaube, dass sich<br />
in der aktuellen <strong>Mode</strong><br />
der unbedingte<br />
<strong>Mode</strong>rnismus unserer<br />
Tage ausdrückt. Es<br />
gibt kaum Tabus mehr.<br />
Alles geht. Das ist so<br />
noch nie dagewesen! “<br />
ist einfach, dass sich auf diese Vergangenheit<br />
mittlerweile sehr leicht zurückgreifen<br />
lässt. Die Geschichte ist nur noch einen<br />
Klick entfernt. Die Geschwindigkeit, mit der<br />
sich neue Trends bilden, hat deswegen<br />
enorm zugenommen. Das ist es, was sich<br />
grundlegend verändert hat.<br />
<strong>Mode</strong> hat immer viel über das Denken einer<br />
Zeit ausgesagt. Ist es nun, da alle Stile und<br />
Zeiten praktisch permanent und immer<br />
verfügbar sind, vorbei damit?<br />
A LIch glaube, dass sich in der aktuellen<br />
<strong>Mode</strong> der unbedingte <strong>Mode</strong>rnismus unserer<br />
Tage ausdrückt. Es gibt kaum Tabus<br />
mehr. Alles geht. Das ist so noch nie<br />
dagewesen!<br />
Trends haben sich früher im Club und auf<br />
der Straße entwickelt. Ändert sich das nun?<br />
Entstehen sie vermehrt online?<br />
A LDas eine hängt sicher mit dem anderen<br />
zusammen. Denken Sie an diesen riesigen<br />
Hype um Street Style und die gesamte Fashion-Blogosphäre,<br />
die ganz normale Leute<br />
innerhalb kürzester Zeit zu richtigen Berühmtheiten<br />
machen kann. Die Basis wirkt<br />
bis ganz nach oben zu den Designern und<br />
Marken hin.<br />
Ganz grundsätzlich: Was bringt Leute dazu,<br />
<strong>Mode</strong> zu kaufen und dafür so viel Geld auszugeben?<br />
A LWow, darüber könnte ich den ganzen<br />
Tag mit Ihnen sprechen. Das kommt wirklich<br />
darauf an. Es könnte ein spezielles<br />
Event sein, für welches ich unglaublich gut<br />
aussehen möchte. Es könnte sein, dass ich<br />
eine schlechte Zeit habe und mich durch etwas<br />
wirklich Schönes und Hochwertiges<br />
aufheitern möchte. Aber vor allem gilt:<br />
Frauen lieben das Neue! Da gibt es keine<br />
Grenzen in der Vorstellung.<br />
Was tun Sie selbst, um nach der Arbeit abzuschalten?<br />
Wie verbringen Sie Ihren Feierabend?<br />
A LVor allem verbringe ich Zeit mit meiner<br />
Familie. Ich lese meinen Kindern vor, spiele<br />
ßerdem<br />
liebe ich die Kunst, gehe viel in Museen<br />
und reise mit meinem Mann um<br />
die Welt.<br />
ALISON LOEHNIS ist halb Französin und halb<br />
Amerikanerin. In ihren Sommerferien jobbte sie<br />
früher bei Ralph Lauren, später arbeitete sie u.a.<br />
bei Saatchi&Saatchi, Disney und als Vizepräsidentin<br />
bei Thomas Pink. Sie lebt mit ihrem<br />
Mann und ihren zwei Kindern in London.<br />
34<br />
35
Fotos: Ryersson & Yaccario/The Casati Archives, Text: Virginie Henzen<br />
- no -20<br />
LUISA<br />
CASATI<br />
Sie gehört zu den großen exzentrischen<br />
Persönlichkeiten des 20.<br />
Jahrhunderts: Luisa Casati hat mit<br />
ihren prachtvollen Kleidern und<br />
ihrem extremen Lebenswandel nicht<br />
nur Autoren wie Tennessee Williams<br />
oder Künstler wie Man Ray inspiriert,<br />
sondern auch die einflussreichsten<br />
<strong>Mode</strong>designer von heute.<br />
Sie war nicht die Einzige, die über sich<br />
sagte: „Ich möchte ein lebendes Kunstwerk<br />
sein.“ Doch nur wenigen gelang dies so gut<br />
wie Luisa Casati, die es mit Leichtigkeit unter<br />
die extravagantesten Figuren des 20.<br />
Jahrhunderts schafft, neben Salvador Dali<br />
oder Andy Warhol zum Beispiel. Dennoch<br />
ist Casati nur wenigen bekannt. Diejenigen,<br />
die sie mit ihrem Charme und ihrem exaltierten<br />
Lebenswandel in den Bann schlug,<br />
sind es allerdings bis heute: Cecil Beaton<br />
und Jack Kerouac etwa; Tennessee Wil-<br />
<br />
basierte; Ingrid Bergmann und Elisabeth<br />
Taylor versuchten, Casati auf der Leinwand<br />
gerecht zu werden. Sie wurde von großen<br />
Künstlern ihrer Zeit gemalt, etwa Giulio<br />
De Blaas und Giovanni Boldini, denen sie<br />
Muse und Mäzenin zugleich war. Man Ray<br />
<br />
Der Auftritt war alles, ihr Leben eine grell<br />
dekorierte Bühne. Es ging nicht um intellektuelle<br />
Tiefe, sondern um Intensität, um<br />
Unsterblichkeit. Man könnte Luisa Casati<br />
als erste Pop-Art-Künstlerin sehen,<br />
deren größtes Werk sie<br />
selbst war. Ihre Roben waren so<br />
extravagant, dass sie Designer<br />
noch heute inspirieren. Yves<br />
Saint Laurent oder Tom Ford<br />
Casati verbringt ihre Tage mit dem Rauchen<br />
von Opium und stillt ihren Durst mit<br />
Absinth. Wenn ihr nach Gesellschaft ist,<br />
organisiert sie rauschende Feste, zu der die<br />
damalige High Society geladen war.<br />
valliere aus einer italienischen Adelsfamilie.<br />
Luisa erhält den Titel Marchesa di<br />
Roma, er die Hälfte ihres enormen Vermögens.<br />
Sie bekommt eine Tochter, um die sich<br />
keiner von beiden wirklich schert. Zu dieser<br />
Zeit gehört es unter selbstbewussten, reichen<br />
Frauen zum guten Ton, sich einen<br />
Liebhaber zu halten. Wie gerufen erscheint<br />
1903 Gabriele D’Annunzio zur Jagd auf ihrem<br />
Gut, ein Dichter, der sich oft von reichen<br />
Damen aushalten ließ. D’Annunzio<br />
war der Funke, der Luisas Verwandlung<br />
entfachte. Über Jahre werden sie sich nur<br />
Coré und Ariel nennen: Coré nach der mythischen<br />
Göttin der Hölle für Casati, Ariel<br />
nach dem bösen Geist aus Shakespeares<br />
„Der Sturm“ für D’Annunzio. Was als Abwechslung<br />
zur öden Ehe beginnt, entwickelt<br />
sich zu einer leidenschaftlichen Liaison,<br />
die bis zum Tode D’Annunzios 1938<br />
<br />
Göttin anstelle von Schmuck blaue Flecken<br />
und Bisswunden von Gabriele zur Schau.<br />
In dieser Zeit kreiert Luisa auch ihren unvergleichlichen<br />
Look, der zum Markenzeichen<br />
wird: feuerrotes Haar, zinnoberrote<br />
Lippen, die Lider stets mit chinesischer Tusche<br />
angemalt. Dazu trägt sie schwarze<br />
Roben und Perlenketten, die bis zum<br />
Boden reichen. Ihre unnatürlich großen Pupillen<br />
verdankt sie Belladonna-Tropfen, einer<br />
zwar giftigen Tinktur, die allerdings<br />
ihren grasgrünen Augen besonderen Glanz<br />
verleiht.<br />
1910 zieht Casati nach Venedig, weit weg<br />
von Mann und Kind. Sie kauft sich einen<br />
Palazzo (heute ist hier die Guggenheim<br />
Collection). Ein Dschungelgarten umgibt<br />
ihn, den Paviane, Tiger und Albino-Vögel<br />
bevölkern, die manchmal passend zum<br />
Kostüm von Luisa eingefärbt werden.<br />
Nachts führt sie ihre beiden Geparden an<br />
mit Juwelen besetzten Leinen über die Piazza<br />
San Marco spazieren. Ihre Roben<br />
entwerfen Poiret, Erté und Fortuny.<br />
Sie wirkt wie das Geschöpf des Schriftstellers<br />
Joris-Karl Huysmans, dessen<br />
<br />
Galliano widmete ihr 1998<br />
eine gesamte Kollektion. Ihr<br />
Mythos lebt auch in der<br />
<br />
verkörperte Tilda Swinton die<br />
göttliche Marchesa in einer<br />
Magazinstrecke. Auch Carine<br />
Roitfeld ließ es sich nicht nehmen,<br />
als Casati abgelichtet zu<br />
werden – von Karl Lagerfeld<br />
persönlich.<br />
Casatis Verwandlung von der<br />
reichen Tochter eines Textiltitanen<br />
bis zur Femme fatale dauerte<br />
eine Weile. Mit 19 heiratet die<br />
Erbin Camillo Casati, einen Caberühmter<br />
Dekadenz-Roman<br />
„Gegen den Strich“ von einem<br />
der Welt überdrüssigem Adligen<br />
handelt, der seinen Wohnsitz<br />
ähnlich wie Casati zu<br />
einem abgründigen Kunstkabinett<br />
macht.<br />
Casati verbringt ihre Tage mit<br />
dem Rauchen von Opium und<br />
stillt ihren Durst mit Absinth.<br />
Wenn ihr nach Gesellschaft<br />
ist, organisiert sie rauschende<br />
Feste, zu denen die damalige<br />
High Society geladen war.<br />
Maskenbälle werden zu ihrem<br />
liebsten Zeitvertreib. Auf ihnen<br />
konnte sie sich besonders<br />
gut in ausgefallenen Kostümen<br />
zeigen. So erscheint sie<br />
als byzantinische Kaiserin<br />
Theodora oder auch mit Spielzeug,<br />
Rüschenhäubchen und<br />
champagnergefüllten Baby-<br />
<br />
Möglichkeit aus, um ihren Bekanntheitsgrad<br />
zu steigern.<br />
Ihre Feste werden von der<br />
Vogue porträtiert.<br />
Auch in religiöser Hinsicht<br />
lässt sie sich einen Skandal nicht nehmen.<br />
1914 wird sie von ihrem Mann geschieden.<br />
Laut ihren Biografen Scot D. Ryersson und<br />
Michael Orlando Yaccarino wird sie zur ersten<br />
geschiedenen Katholikin Italiens. Den<br />
Titel Marchesa darf sie unter der Bedingung<br />
behalten, dass die Familie ihres Ex-<br />
Mannes nicht für ihre Schulden aufkommen<br />
muss. Dies kommt zu einer Zeit, wo ihr<br />
Venedig sowieso nicht mehr genügt: Sie<br />
braucht eine größere Bühne. Sie reist nach<br />
Paris und bewegt sich in einem Kreis ausgesuchter<br />
Künstler, die sie protegiert. Zu ihnen<br />
gehören etwa Max Ernst, André Breton<br />
und Salvador Dali. Auch der amerikanische<br />
Dichter Ezra Pound wurde ein Begleiter.<br />
Pound war so fasziniert von Casati, dass er<br />
sie in seinen „Cantos“ erwähnte, einem Gedichtzyklus,<br />
der neben T. S. Eliots „Das<br />
wüste Land“ eines der bedeutendsten lyrischen<br />
Werke der englischsprachigen <strong>Mode</strong>rne<br />
ist. Zu dieser Zeit weilt auch Man Ray<br />
in Paris. Der Fotograf will Luisa in ihrer<br />
Suite inmitten von Kuriositäten ablichten.<br />
Während der Arbeit geschieht jedoch ein<br />
Missgeschick, wegen eines Kurzschlusses<br />
kann nur mit Tageslicht gearbeitet werden.<br />
Die Marchesa wird gebeten, stillzuhalten,<br />
was ihr nicht gelingt. Man Ray erklärt<br />
Diese Seite: Luisa Casati mit Gepard,<br />
unbekannter Fotograf, Venedig, 1912<br />
<br />
Venedig, 1912<br />
die Aufnahmen für unbrauchbar. Entstan-<br />
<br />
drei Augenpaare zeigt. Die Marchesa<br />
selbst sagte, Man Ray hätte ein Portrait<br />
ihrer Seele geschaffen und bestellte<br />
mehre Dutzend Abzüge. Die aus der<br />
<br />
wird zu einem kraftvollen surrealistischen<br />
Werk.<br />
Aufgrund ihrer Verschwendungssucht hat<br />
Casati 1930 auf die heutige Zeit umgerechnet<br />
über 23 Million Euro Schulden. Da<br />
sie nie gelernt hat, mit Geld umzugehen,<br />
wird sie zur leichten Beute. Taxifahrer und<br />
Händler bezahlt sie mit Diamantarmbändern<br />
und Smaragdringen. Ihr letztes Hab<br />
<br />
Gläubigern ins Exil nach London. Ihren<br />
Zoo muss sie hinter sich lassen, aber schafft<br />
sich zum Trost fünf Pekinesen an. Um<br />
deren Futter bezahlen zu können, verzichtet<br />
sie auf ihr eigenes Essen – und ersetzt es<br />
durch eine Diät aus Champagner, Whiskey<br />
und Stimulantien. Sie schwebt auf einer<br />
Nostalgiewolke, die Puderschichten auf<br />
ihrem Gesicht werden dicker. Ringe aus<br />
Schuhcreme umranden nun ihre Augen, da<br />
sie sich die teure Schminke nicht mehr leisten<br />
kann. Die Kleider sind verwaschen und<br />
zerschlissen, die Leopardenfell-Handschuhe<br />
voller Löcher. Doch Casati beklagt sich<br />
nie über ihre neue Situation, sondern erfreut<br />
sich nun der kleinen Dinge. Ihr Freund<br />
Fred Rainer erzählt von einem Anruf, als<br />
Casati wieder einmal zu Geld gekommen<br />
war (ihre entfremdete Tochter unterstützte<br />
sie etwas): „Ich habe zehn Schilling – kaufen<br />
wir eine Flasche billigen Wein oder sollen<br />
wir uns ein Taxi leisten?“<br />
1957 stirbt Luisa an einem Hirnschlag völlig<br />
mittellos und allein. Auf ihrem Grabstein ist<br />
ein Satz von Shakespeare zu lesen: „Age<br />
cannot wither her; nor custom stale her in-<br />
<br />
unbegrenzte Mannigfaltigkeit nutzt nicht<br />
<br />
setzung der Zeile aus „Antonius und Kleopatra“.<br />
Mit anderen Worten: Das Leben<br />
konnte Luisa Casati nicht kleinkriegen,<br />
warum sollte der Tod es schaffen?<br />
LUISA CASATI wurde 1881 in Mailand geboren<br />
und starb 1957 im Londoner Exil. Sie gilt als<br />
große <strong>Mode</strong>ikone des 20. Jahrhunderts. Ihre<br />
<br />
btb Verlag erschienen.<br />
Infos unter marchesacasati.com<br />
36<br />
37
Fotos: Randall Bachner, Text: Lisa Leinen<br />
Styling: Bernat Buscato, Make-up: Christopher Ardoff @ Art Department NYC<br />
Haare: Cecilia Romero mit Produkten von Marlies Möller, <strong>Mode</strong>l: Alix Baake @ New York <strong>Mode</strong>ls<br />
<br />
21<br />
- no -<br />
GUCCI
Ähnlich wie Hermès fängt auch die<br />
Marke Gucci als Hersteller von Reitzubehör<br />
und Taschen an. Erst spät<br />
beginnt die Ära, in der das Familienunternehmen<br />
zu dem Luxuskonzern<br />
wird, wie wir ihn heute kennen.<br />
Die Geschichte auf dem<br />
Weg dorthin liest sich wie ein<br />
Krimi, Auftragskiller inklusive.<br />
Guccio Gucci – ein Name, mit dem man einfach<br />
berühmt werden muss! Leider erlebt er<br />
die wirklich großen Erfolge seines Unternehmens<br />
nicht mehr. 1906 eröffnet Gucci<br />
einen Reiterladen in seiner Heimatstadt<br />
Florenz, geht einige Jahre später nach Paris<br />
und London, kehrt aber 1920 wieder nach<br />
Italien zurück, um eine neue Werkstatt zu<br />
gründen. Dieses Mal spezialisiert er sich auf<br />
Lederwaren und Gepäck. Die bis heute getragene<br />
Bamboo Bag entsteht, eine Ledertasche<br />
mit einem Henkel aus Bambus, die<br />
ihm erste Erfolge beim italienischen Hochadel<br />
einbringt. Ab 1938 verkauft er seine<br />
Entwürfe in einer exquisiten Boutique in<br />
Rom, kurz danach sind es vor allem seine<br />
drei Söhne, die das Business vorantreiben<br />
und Läden in Florenz, Mailand und schließlich<br />
auch in New York eröffnen.<br />
Guccio Gucci stirb 1953 im Alter von 71 Jahren.<br />
Sein Unternehmen dagegen blüht weiter<br />
auf. Mitte der Sechziger wird erstmals<br />
das Logo verwendet, das bis heute für die<br />
Marke steht: zwei miteinander verbundene<br />
Gs, die an die Initialen des Gründers und<br />
zudem an zwei Steigbügel erinnern. Doch<br />
es soll weitere zehn Jahre dauern, bis die<br />
<br />
Achtziger beginnen Streitigkeiten um Geld<br />
und Machtspiele im Familienunternehmen,<br />
was schließlich zum Verkauf an Investmentunternehmen<br />
führt. Maurizio Gucci,<br />
Enkel des Firmengründers, verkauft 1993<br />
seine letzten Anteile und besiegelt das Ende<br />
der Dynastie. Zwei Jahre später wird er vor<br />
seinem Büro erschossen – seine Ex-Frau<br />
Patrizia Reggiani lässt dies von einem Auftragskiller<br />
erledigen. Ihre Gefängnisstrafe<br />
sitzt sie bis heute ab.<br />
Kurz vor seinem Tod hatte Maurizio Gucci<br />
den jungen Tom Ford zum Designdirektor<br />
ernannt. Ford wird später Kreativdirektor,<br />
verhilft dem <strong>Mode</strong>label nach vielen Negativschlagzeilen<br />
zu neuem Glanz und etabliert<br />
einen neuen Stil.<br />
Zusammen mit Carine Roitfeld, später Che-<br />
-<br />
graf Mario Testino bringt er eine provokante<br />
Bildsprache in die Werbekampagnen des<br />
Unternehmens ein. Tom Ford prägt den Stil<br />
der selbstbewussten Frau und verpasst ihr<br />
einen provokanten Sex-Appeal. Während<br />
seiner Tätigkeit bei Gucci verwandelt er das<br />
Unternehmen wieder in eine starke Luxusmarke,<br />
verlässt es aber im Jahr 2003.<br />
Seine Nachfolge übernehmen drei seiner<br />
engsten Mitarbeiter, darunter auch Frida<br />
Giannini, die seit 2006 alleinige Chefdesignerin<br />
ist. Sie setzt auf feminine Linien voller<br />
Optimismus und Frische. Nach dem dreijährigen<br />
Übernahmestreit mit dem Konkurrenten<br />
LVMH gehört Gucci seit 2004 mit<br />
99,4 Prozent zum französischen Großkonzern<br />
PPR. Dieser ordnete Gucci in die neu<br />
geformte Gucci Group ein, zu der auch Labels<br />
wie Alexander McQueen und Stella<br />
McCartney gehören.<br />
Gucci eröffnete im vergangenen Jahr 59 Läden,<br />
Ende 2011 gab es insgesamt 376 Boutiquen<br />
in 59 Ländern. Im letzten Jahr erzielte<br />
die Marke einen Umsatz von 3,14 Milliarden<br />
Euro, von dem über die Hälfte durch Lederwaren<br />
generiert wurde. Damit ist Gucci<br />
nach Louis Vuitton eines der umsatzstärksten<br />
Unternehmen der <strong>Mode</strong>welt – Tendenz<br />
steigend.<br />
40<br />
41
42<br />
43
Foto: Corbis, Interview: Charles Wilcox<br />
TOM FORD<br />
Als Designer hat Tom Ford nicht nur<br />
Yves Saint Laurent und Gucci vor<br />
der Bedeutungslosigkeit gerettet,<br />
auch sein eigenes Label ist in nicht<br />
mal einem Jahrzehnt mit wuchtigem<br />
Glamour zu einem der profilstärksten<br />
<strong>Mode</strong>häuser überhaupt geworden.<br />
<strong>Fräulein</strong> erzählt er von seiner Jugend<br />
als Hippie, seiner boshaften Ehrlichkeit<br />
und wie er seinen ersten Job<br />
wegen seiner schönen Hände bekam.<br />
Herr Ford, warum sind schwule Männer so<br />
gute <strong>Mode</strong>designer?<br />
TOM FORD Ich wünschte, ich würde die Antwort<br />
kennen, denn die meisten männlichen<br />
Designer in unserer Branche sind schwul.<br />
Aber ich hasse es, die Wörter ‚schwul‘ und<br />
‚hetero‘ zu benutzen, die Grenzen sind da<br />
herrschen<br />
es schwule Männer besser, Gefühle<br />
zu projizieren, an die ein Hetero-<br />
Mann nicht mal denken würde. Aber<br />
ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht.<br />
Was inspiriert Sie?<br />
T FAm liebsten starte ich jeden Tag mit einem<br />
heißen Bad. Nur ich und ein bisschen<br />
warmes Wasser. Dabei denke ich über die<br />
Dinge nach, die ich erledigen muss, schmiede<br />
Pläne. Neben mir liegt immer ein leicht<br />
durchnässter Notizblock. Dann mache ich<br />
mich auf den Weg ins Büro, wo ich Menschen<br />
treffe, die mich durch ihren Stil und<br />
ihre Energie inspirieren. Aber so sehr ich<br />
sie schätze, am Ende steht mein Name auf<br />
den Produkten. Also muss ich streng sein<br />
und genau sagen, was mir gefällt. Ich sehe<br />
mich als jemanden, der die Leute inspiriert<br />
und das Beste aus ihnen rausholt. Wenn<br />
Leute mir etwas zeigen, das mir nicht gefällt,<br />
kann ich ziemlich schonungslos sein.<br />
Ihre <strong>Mode</strong> wirkt sehr sexy, genau wie die<br />
dazugehörigen Preisschilder. Leben Sie<br />
dieses Jetset-Leben auch privat?<br />
T FMan sagt mir immer wieder, dass meine<br />
Entwürfe stets etwas Glamouröses ausstrahlen.<br />
Sie spiegeln wieder, was ich sehe,<br />
und das kann man gut mit dem Wort sexy<br />
beschreiben. Meine Kollektionen basieren<br />
auf meinem Geschmack. Wahrscheinlich<br />
wurde ich von den Siebzigern in New York<br />
nachhaltig geprägt, einer sehr glamourösen<br />
Zeit. Wir sind aufgewachsen mit dem Ziel,<br />
die Welt nach unseren Vorstellungen zu<br />
- no - „Am liebsten starte ich jeden Tag mit einem heißen<br />
22<br />
verändern. Ich habe tatsächlich<br />
die Möglichkeit dazu. Ein schönes<br />
Gefühl. Aber mein Alltag hat<br />
wenig mit Glamour zu tun. Mein<br />
reales Leben ist das Gegenteil<br />
der Tom-Ford-Fantasiewelt, in<br />
der sich nackte Mädels in Parfüm<br />
räkeln. Es besteht eher aus<br />
gemütlichen Abenden zuhause<br />
mit einer Staffel „Friends“.<br />
Sie gehen sehr offen mit Ihrer<br />
Sexualität als schwuler Mann<br />
um. Warum spielen Sie in Ihren<br />
Kampagnen den Heterosexuellen?<br />
T FEs gibt auch viele Fotos, auf denen ich<br />
mit nackten Männern abgebildet bin. Ich<br />
verkaufe Make-up und bin gleichzeitig das<br />
Gesicht des Labels. Dabei lasse ich mich gar<br />
<br />
ich bin extrem schüchtern. Aber indem ich<br />
mein Gesicht für Kampagnen hergebe, werde<br />
ich mehr und mehr mit der Marke iden-<br />
<br />
Karl Lagerfeld hat das bei Chanel ganz gut<br />
hinbekommen. Seine Persönlichkeit ist<br />
langsam mit der von Coco Chanel verschmolzen.<br />
Bei mir ist das noch nicht der<br />
Fall. Nicht alle wissen, wer ich bin. Darum<br />
<br />
Sie und Ihr Lebensgefährte, der Journalist<br />
Richard Buckley, sind seit 25 Jahren ein Paar.<br />
Wie wird er mit Ihrem Ruhm fertig?<br />
T FDie Frage ist doch eher: Wie wird er mit<br />
mir fertig? Nein, ernsthaft, das müssen Sie<br />
ihn schon selbst fragen. Zuhause spielt<br />
mein Erfolg keine Rolle.<br />
Rückblickend: Wie haben Sie Ihre Jugend<br />
in Texas empfunden?<br />
T FIch bin während der wilden Hippie-Ära<br />
in einer kleine Uni-Stadt aufgewachsen,<br />
hatte lange Haare, bis ich 18 war, und trug<br />
mit Spitze und Perlen bestickte T-Shirts.<br />
Von weitem hätte man denken können, ich<br />
sei ein Mädchen.<br />
Wann haben Sie beschlossen, <strong>Mode</strong>designer<br />
zu werden?<br />
T FDas klingt jetzt wie ausgedacht, ist aber<br />
wirklich wahr: 1984 war ich in Moskau, um<br />
Architektur zu studieren. Aber während ich<br />
<strong>Mode</strong>lle baute, stellte ich fest, dass es mir<br />
guren<br />
aussahen. Irgendwann waren sie<br />
wichtiger als der Entwurf selbst. Da beschloss<br />
ich, <strong>Mode</strong>designer zu werden.<br />
Was wollten Sie erreichen, als Sie mit dem<br />
Entwerfen anfingen?<br />
T FIch hatte zunächst nur eine vage Vorstellung<br />
von der <strong>Mode</strong>welt. Ich traf damals<br />
meinen Partner zu unserem ersten Date.<br />
Ich war also mit mir selbst beschäftigt.<br />
Aber ich liebte es, eigene Sachen zu designen.<br />
Ralph Lauren und Calvin Klein sind in<br />
meiner Erinnerung die ersten, die es geschafft<br />
haben, rund um ihr Label eine eigene<br />
Welt zu erschaffen. Das habe ich bewundert.<br />
Amerikaner sind businessorientiert.<br />
Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist,<br />
auf der Seventh Avenue in New York zu arbeiten<br />
– und am nächsten Tag gefeuert zu<br />
werden, wenn deinen Arbeitgebern Entwürfe<br />
nicht gefallen. Coco Chanel hat es<br />
Gedruckt mit Genehmigung von The Interview People.<br />
auch sehr gut hinbekommen, diese Welt zu<br />
erschaffen. Immerhin hat sie in den Zwanzigern<br />
schon den Selbstbräuner erfunden.<br />
Sie hat erstaunliche Dinge erreicht.<br />
Erinnern Sie sich an den Moment, als Sie<br />
zum ersten Mal etwas von Ihnen in einem<br />
Schaufenster entdeckten?<br />
T FKlar. Das erste Mal, dass ich meinen<br />
Namen auf einem Produkt gedruckt sah,<br />
war 2005 auf einer Sonnenbrille. Das hat<br />
mir damals viel bedeutet, weil mein Name<br />
Bad. Nur ich und ein bisschen warmes Wasser. Dabei<br />
denke ich über die Dinge nach, die ich erledigen muss.“<br />
zuvor immer nur zusammen mit Yves Saint<br />
Laurent oder Gucci aufgetaucht war.<br />
Sie haben Marken wie Yves Saint Laurent<br />
und Gucci in die richtigen Bahnen gelenkt<br />
und gleichzeitig 2004 Ihr eigenes Label<br />
gegründet. Warum arbeiten Sie heute lieber<br />
für Ihr eigenes Unternehmen?<br />
T FIch arbeite lieber in einem vergleichsweise<br />
kleinen Umfeld, weil ich an die Besonderheit<br />
meiner Entwürfe glaube. Das<br />
Futter, der Schnitt, die Verarbeitung - Dinge,<br />
die auf dem Laufsteg leicht verloren gehen<br />
würden. Dort muss man immer übertreiben.<br />
Ich will etwas erschaffen, das man<br />
für eine lange Zeit tragen kann.<br />
Was denken Sie über die Haute Couture?<br />
Würde es Sie reizen, sich darin zu versuchen?<br />
T FJedes Jahr werden Millionen in den<br />
Kunstmarkt investiert – und Couture ist<br />
Kunst. Sie fordert den perfekten Umgang<br />
mit Schnitten und Material, viel Arbeit und<br />
besondere handwerkliche Fähigkeiten. Als<br />
Designer will ich mich mit ihr aber noch<br />
nicht beschäftigen, obwohl viele meiner<br />
Entwürfe schon in diese Richtung gehen.<br />
Was ist das Besondere an Ihrer Kleidung?<br />
T FIch will, dass sie theoretisch für immer<br />
hält, dass die Kunden sie immer wieder gerne<br />
anziehen. Ich achte auf beste Qualität,<br />
die besten Stoffe, die stärksten Farben und<br />
den perfekten Schnitt. Mein Ziel ist es, dass<br />
die Menschen so gut wie möglich aussehen<br />
und sich so gut wie möglich fühlen.<br />
Was denken Sie über die Schnelllebigkeit<br />
und das Tempo der <strong>Mode</strong>welt?<br />
T FMir kommt ein Schneeball in den Sinn,<br />
der einen Berg herunterrollt und sich durch<br />
nichts aufhalten lässt. Vorbei die Zeiten, als<br />
es einen neuen Look pro Saison gab. Heute<br />
ist potentiell alles <strong>Mode</strong>. Ich kann Ihnen<br />
nicht genau sagen, wohin das führen wird,<br />
aber es ist interessant.<br />
Wie testen Sie Ihre Make-up-Produkte?<br />
T FOb Sie es glauben oder nicht, ich habe<br />
alle Produkte schon einmal benutzt – aber<br />
nicht auf einer drag party! Natürlich laufe<br />
ich geschminkt nicht aus dem Haus. Aber<br />
ich wollte selbst testen, ob meine Produkte<br />
halten, was sie versprechen. Vertrauen ist<br />
sehr wichtig.<br />
Wie gehen Sie damit um, wenn jemand anderer<br />
Meinung ist als Sie?<br />
T FWenn es ein ernsthaftes Problem gibt,<br />
greife ich zum Telefon. Ich trage allerdings<br />
kein Handy bei mir. Meistens schreibe ich<br />
Emails, Emails, Emails… Ich mag die Vorstellung<br />
nicht, für jeden erreichbar zu sein.<br />
Was sind Ihre schlechtesten Charaktereigenschaften?<br />
T FIch bin ein wahnsinniger Perfektionist.<br />
Es ist schrecklich, aber ich sage Leuten,<br />
dass ihre Augenbrauen nicht perfekt gezupft<br />
sind oder ihre Brustimplantate nicht<br />
die richtige Form haben. Ich trinke keinen<br />
Alkohol mehr. Wenn ich betrunken war,<br />
war ich ehrlich bis zur Boshaftigkeit.<br />
Ist es schwer, gute Freunde zu finden, wenn<br />
man berühmt ist wie Sie?<br />
T FMit anderen berühmten Leuten kann<br />
man schnell befreundet sein. Aber ja, ich<br />
mand<br />
so recht glaubt.<br />
Mögen Sie die Natur?<br />
T FAn meinem 50. Geburtstag bin ich zum<br />
Wildwasserrafting ins Nirgendwo gefahren.<br />
Ich mag Abenteuer, die mich heraus<br />
fordern. Ich bin gerne in der Natur. Ich liebe,<br />
dass sie so perfekt unperfekt ist. Hier<br />
gibt es nichts für mich zu tun. Was sollte ich<br />
auch machen: Bäumen und Steinen ein neues<br />
Design verpassen?! Deswegen kann ich<br />
dort so gut abschalten. Je älter man wird,<br />
desto mehr will man dorthin zurück, wo<br />
man herkommt. Für mich ist das Texas und<br />
New Mexico, wo man über hunderte Kilometer<br />
hinweg nur unberührtes Land sieht.<br />
Mich erfüllt das mit Ruhe und Frieden.<br />
Ihr Film „A Single Man“ mit Colin Firth in<br />
der Hauptrolle war ein Riesenerfolg, der<br />
auch international ausgezeichnet wurde.<br />
Wie haben Sie diese Zeit erlebt?<br />
T FIch hatte die ganze Zeit recht klar vor<br />
Augen, was ich machen wollte. Deswegen<br />
hatte ich auch keine Angst. Die Arbeit am<br />
Film war eine sehr emotionale Zeit, ich erinnere<br />
mich an kleinere Zweifel während<br />
des Schnitts. Ich will einen neuen Film produzieren,<br />
aber im Moment konzentriere ich<br />
mich ganz auf mein Label. Das Entwerfen<br />
von Frauenkleidung ist viel härter als die<br />
Arbeit als Regisseur. Beim Filmemachen<br />
kann man sich auch mal vier oder fünf Jahre<br />
Pause gönnen. Als Designer habe ich<br />
kaum Zeit durchzuatmen.<br />
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?<br />
T FArbeiten! Ich liebe es, es erfüllt mich.<br />
Es ist ein anderer Genuss, als entspannt in<br />
der Wanne zu liegen, aber ich fühle mich<br />
ständig zu meiner Arbeit hingezogen.<br />
Warum haben Sie letztes Jahr der Oprah-<br />
Winfrey-Dokumentation über Ihr Leben<br />
zugestimmt? Es war das erste Mal, dass eine<br />
Kamera Sie begleiten durfte.<br />
T FIch liebe Oprah. Ich vertraue ihr – und<br />
sie bat mich darum.<br />
Was würden Sie jungen Designern raten,<br />
die der nächste Tom Ford werden wollen?<br />
T FIch hatte viele Vorteile. Es ist hart, ein<br />
eigenes Label zu gründen. Man muss den<br />
zukünftigen Arbeitgebern etwas zeigen<br />
können, Entwürfe bei sich tragen. Als junger<br />
Designer stand ich jeden Tag in der Lobby<br />
eines New Yorker Bürokomplexes. Darin<br />
arbeitete Cathy Hardwick, bei der ich einen<br />
Job haben wollte. Ich wartete jeden Tag an<br />
der Rezeption, ließ sie anrufen und fragte,<br />
ob sie runterkommen könnte, um mich zu<br />
treffen. Später gestand sie mir, dass sie<br />
mich nicht wegen meiner Entwürfe eingestellt<br />
hätte – sondern wegen meiner schönen<br />
Hände.<br />
Wie sehen Sie sich in der fernen Zukunft?<br />
T FIch würde gerne mehr Filme machen<br />
und noch mehr Kollektionen. Dass heißt<br />
nicht, dass ich nicht irgendwann damit aufhöre,<br />
noch bin ich absolut zufrieden mit<br />
meiner Arbeit. Irgendwann sehe ich mich<br />
als alten Mann in New Mexiko leben, der einen<br />
Hund besitzt und als Bildhauer arbeitet.<br />
Ich bin sehr glücklich.<br />
TOM FORD wurde 1961 in Austin, Texas geboren,<br />
lebt aber mittlerweile mit seinem Lebenspartner<br />
Richard Buckley in Italien. Die beiden gaben<br />
Ende September die Geburt ihres Sohnesbekannt.<br />
Sein Filmdebüt „A Single Man“ aus dem<br />
Jahr 2009 wurde mehrfach ausgezeichnet.<br />
44<br />
45
JÜRGEN TELLER<br />
„Zwei Schäuferle mit Kloß und eine Kinderportion Schnitzel mit<br />
Pommes Frites“ heißt ein Buch von ihm. Der Titel spielt auf Tellers<br />
Herkunft an: Geboren in einer bayrischen Kleinstadt als Sohn eines<br />
Geigenbauer-Paars, beginnt er eine Lehre als Bogenmacher, die er<br />
<br />
London, wo er bis heute lebt. Im Auftrag von Nick Knight porträtiert<br />
er Musiker wie den noch unbekannten Kurt Cobain. Diese Aufnahmen<br />
und seine <strong>Mode</strong>lbilder bringen den Durchbruch.<br />
Der konsequente Teller prägt seit dem mit seiner naturalistischen<br />
und oft sexualisier-<br />
suellen<br />
Ton der Branche.<br />
Zum Beispiel die<br />
Parfüm-Kampagnen<br />
von Marc Jacobs.<br />
ADAM KIMMEL<br />
Der Architekt ist der Konstrukteur<br />
der Männermodewelt: Adam Kimmel<br />
kreuzt die Funktionalität von Arbeitskleidung<br />
mit edlem Prêt-à-Porter-Chic.<br />
Coolness, Lässigkeit, dennoch Business-Style<br />
– eine no bullshit-Vision des<br />
heutigen Männerlooks. Gerade hat er<br />
sich ein Jahr Urlaub genommen. Vielleicht<br />
kommt danach<br />
mal eine<br />
– no –<br />
24<br />
Frauenkollektion!<br />
DONATELLA VERSACE<br />
23<br />
„Vater und Sohn, Bubenreuth 2005“<br />
Versace schreibt endlich wieder schwarze<br />
Zahlen – da wird selbst Donatellas emotionsloses<br />
Gesicht Erleichterung gezeigt haben.<br />
Ihr Label, das sie als Chefdesignerin<br />
führt, ist eigentlich das ihres ermordeten älteren<br />
Bruders Gianni, dessen Assistentin<br />
und Muse sie war. Donatella verpasste Versace<br />
schrillen Sexappeal und lancierte eine<br />
Haute-Couture-Kollektion. Ihren persönlichen<br />
Stil hingegen hat sie kaum verändert.<br />
Schlauchkleider, braungebrannt, platinblondes<br />
Haar und ein von Schönheits-OPs<br />
modelliertes Gesicht sind zu ihren Markenzeichen<br />
geworden – und zum Symbol für<br />
den hintersinnigen Glamour des Labels.<br />
HUSSEIN CHALAYAN<br />
Während andere<br />
Designer mit der<br />
Kunst nur kokettieren,<br />
geht Hussein<br />
Chalayan mit<br />
ihr eine Symbiose<br />
ein. Auf Zypern<br />
– no –<br />
26<br />
– no –<br />
25<br />
– no –<br />
geboren, kam er als Kind nach London und<br />
studierte dort am Central Saint Martins<br />
College, wo er für Aufmerksamkeit sorgte,<br />
als er seine Kollektion im Garten vergrub,<br />
ihr den Titel „Buried“ gab und die wieder<br />
ausgebuddelten, leicht verrotteten Seidenteile<br />
als Abschlussshow präsentierte.<br />
Schon früh zeigte der heute 42-Jährige damit<br />
ein konzeptionelles Verständnis von<br />
<strong>Mode</strong>. 1994 gründete er sein eigenes Label<br />
und zeigte nur ein Jahr darauf zum ersten<br />
Mal seine Entwürfe. Chalayans Shows erinnern<br />
mehr an eine perfekt inszenierte Performance<br />
als an einen typischen Laufsteg.<br />
Kein Wunder also, dass seine Ideen und<br />
Entwürfe oft in Form von Ausstellungen gezeigt<br />
werden – wie zum Beispiel im Londoner<br />
Design Museum. Seit 2008 ist Chalayan<br />
auch Kreativdirektor für eine Sonderlinie<br />
bei Puma. Der Grenzgänger bezeichnet seine<br />
Arbeit gerne als ein Labor, in dem entwickelt<br />
und geforscht wird. Sein liebstes Thema:<br />
den Körper und dessen Silhouette für<br />
<br />
Foto: François Coquerel, Text: Lisa Leinen<br />
MICHÈLE<br />
MONTAGNE<br />
Michèle Montagne hat Designstars<br />
wie Haider Ackermann und Ann<br />
Demeulemeester entdeckt. Als<br />
PR-Beraterin gehört sie zu den<br />
Türstehern und Drahtziehern der<br />
<strong>Mode</strong>industrie, ihre Macht ist ihr<br />
Gespür für Talent. Was es braucht,<br />
um so einen Job zu machen? Vor<br />
allem eines: Leidenschaft.<br />
- no -<br />
27<br />
Ihre Karriere begann vor 30 Jahren in Paris.<br />
Sie brachten damals frischen Wind in die<br />
<strong>Mode</strong>szene. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?<br />
MICHÈLE MONTAGNE Ich denke, ich war so etwas<br />
wie eine Beobachterin. Ich habe mich<br />
umgeschaut und entdeckt, wie schnell die<br />
<strong>Mode</strong> sich verändern kann. Plötzlich ging es<br />
nicht mehr nur um einen Ausdruck von<br />
Schönheit und Eleganz, sondern um Emotionen.<br />
Das war damals eine wahre Revolution.<br />
Ich habe sie aufgegriffen.<br />
Was hat sich seither in der <strong>Mode</strong> verändert?<br />
M MDie ganze Welt hat sich verändert,<br />
nicht nur die der <strong>Mode</strong>. Alles wurde global,<br />
und ich sehe Kreativität eher als etwas<br />
Anti-Globales, denn der Ort, an dem Kreati-<br />
vität entsteht, hat immer eigene Gesetzmäßigkeiten.<br />
Nichts bleibt für immer gleich,<br />
und das ist auch gut so. Die Veränderung<br />
gibt neue Energie für unseren Verstand.<br />
Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?<br />
M MDen habe ich nicht. Mein ganzes Tun<br />
ist den Designern und ihren Kollektionen<br />
gewidmet. Nach der Show ist vor der Show.<br />
In Interviews sagten Haider Ackermann<br />
und Ann Demeulemeester, dass Sie nicht<br />
nur PR-Beraterin, sondern auch Freundin<br />
und bedingungslose Unterstützerin sind.<br />
Demeulemeester verriet: „Ich könnte mir<br />
ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen!“<br />
M M Ann ist der perfektionistischste Mensch,<br />
den ich je getroffen habe, also nehme<br />
ich ihre Aussage als das schönste Kompliment.<br />
Die tägliche Arbeit mit Designern,<br />
die man schätzt, kann<br />
zu sehr engen Freundschaften<br />
führen. Es geht um Vertrauen.<br />
Vor 25 Jahren begegneten Sie<br />
Helmut Lang. Daraus entstand<br />
eine Freundschaft und eine glorreiche<br />
Zusammenarbeit, bis er<br />
nach New York zog. Es wird berichtet,<br />
dass er Sie gebeten hätte,<br />
mitzugehen – doch Sie blieben<br />
in Paris. Warum?<br />
M MHelmut und ich hatten zehn<br />
wundervolle Jahre zusammen.<br />
Die will ich in guter Erinnerung<br />
behalten. Er hatte diese Fähigkeit,<br />
einen ganz neuen Denkansatz<br />
in die <strong>Mode</strong> einzubringen.<br />
Inspiriert von deutscher und österreichischer<br />
Architektur verstand<br />
er es, eine kühle Sensibilität<br />
in minimalistische Entwürfe<br />
zu hüllen. Der Anfang war mühsam<br />
und zögerlich, aber der Erfolg<br />
riesig. Als er beschloss, in<br />
die Staaten zu gehen, um dort zu arbeiten,<br />
fragte er mich, ob ich dort nicht eine Zweigstelle<br />
gründen wolle. Doch aus persönlichen<br />
Gründen lehnte ich ab – und blieb in Paris.<br />
Auch später haben Sie nie darüber nachgedacht,<br />
mit Ihrer Agentur umzuziehen?<br />
M MAuf keinen Fall! Ich liebe Paris, ich liebe<br />
es, hier zu arbeiten. Diese Stadt ist genau<br />
das, wonach ich immer gesucht habe.<br />
Was treibt Sie an, diesen Job zu machen?<br />
M MGanz einfach: Leidenschaft.<br />
Wird diese Leidenschaft durch die schwierigen<br />
Bedingungen für junge Designer gedämpft?<br />
Haben die heutzutage noch Erfolgschancen,<br />
wenn sie nicht bei einem Label<br />
mit großem Budget unter Vertrag sind?<br />
M MWir gehen durch eine schwere Krise<br />
und seien wir ehrlich: Das fördert nicht gerade<br />
Freiheit und Unabhängigkeit.<br />
Was denken Sie über <strong>Mode</strong>blogger? Wie<br />
wichtig sind sie und werden sie vielleicht<br />
sein? Einflussreicher als Printmedien?<br />
M MIch liebe es immer noch, ein Magazin<br />
in den Händen zu halten, das Durchblättern<br />
und den Geruch von bedrucktem Papier.<br />
Karl Lagerfeld sagte einmal, dass Haider<br />
Ackermann der einzige ist, den er sich als<br />
Nachfolger für Chanel vorstellen kann. Wie<br />
wichtig ist so ein Kompliment für Sie?<br />
M MEnorm wichtig.<br />
Kurz vor einer Show gehen Sie den Designern<br />
zur Hand, helfen beim Abstecken, bei letzten<br />
Änderungen, sogar beim Anziehen der<br />
Schuhe. Haben Sie jemals darüber nachgedacht,<br />
selbst zu entwerfen?<br />
M MNein! Ich mag das weiße Blatt nicht.<br />
Ich komme erst hinzu, wenn bereits erste<br />
Zeichnungen gemacht sind.<br />
Wie entscheiden Sie, mit wem Sie arbeiten,<br />
wen Sie fördern wollen? Welche Charaktereigenschaften<br />
muss ein Designer in Ihren<br />
Augen haben, um erfolgreich zu sein?<br />
„Ich muss verstehen,<br />
was hinter der Kleidung<br />
steckt, um zu ihrem<br />
Erfolg beizutragen. Die<br />
Entwürfe müssen mich<br />
verführen.“<br />
M MDas Wichtigste ist Talent. Und das<br />
spür<br />
zusammenpassen. Ich muss verstehen,<br />
wer und was hinter der Kleidung<br />
steckt, um zu ihrem Erfolg beitragen zu<br />
können. Und dann ist da die Verführung...<br />
Die Entwürfe müssen mich verführen!<br />
MICHÈLE MONTAGNE gründete ihre gleichnamige PR-<br />
Agentur bereits in den Achtzigern in Paris. Heute<br />
betreut sie unter anderem Designer wie Ann<br />
Demeulemeester und Haider Ackermann, früher<br />
auch Helmut Lang und Rick Owens.<br />
46<br />
47
– no –<br />
29<br />
NICK KNIGHT<br />
ALBER ELBAZ<br />
JEAN PAUL GAULTIER, 1999<br />
Kette PHILIPP TREACY<br />
48<br />
28- no -<br />
JEAN PAUL<br />
GAULTIER<br />
Seine erste Kollektion präsentierte Gaultier<br />
1976, nachdem er sechs Jahre lang als Assistent<br />
bei Pierre Cardin gearbeitet hatte. Cardin<br />
wurde auf Gaultiers Zeichnungen aufmerksam<br />
und ignorierte, dass der junge<br />
Franzose weder eine Ausbildung noch ein<br />
<strong>Mode</strong>studium absolviert hatte. Seit 1997<br />
kreiert Gaultier neben seinen Prêt-à-Porter-<br />
Shows auch Couture-Roben und extrem<br />
<br />
Beispiel für „Das 5. Element“ oder „La mala<br />
Educación“). Sein Korsett mit den spitzen<br />
Brustkegeln für Madonna, das sie 1990 auf<br />
ihrer Tour trug, unterstrich erneut sein<br />
Image als Ironiker der <strong>Mode</strong>. Vor seiner aktuellen<br />
Show irritierte Gaultier vor kurzem<br />
das Pariser Publikum, weil er Doubles der<br />
Band Kiss in die front row gesetzt hatte.<br />
Auch die folgende Show war eine Hommage<br />
an die Stars der Achtziger, die seinen Stil<br />
maßgeblich prägten.<br />
Nick Knight by Ruth Hogben, 2009. Courtesy of SHOWstudio.com.<br />
ANNA WINTOUR<br />
– no –<br />
30<br />
Einen Text von nur knapp 1000 Zeichen über Anna Wintour zu verfassen, ist im Prinzip unmöglich.<br />
Hier trotzdem ein Versuch: 1949 in London geboren, brach sie mit 16 das College ab,<br />
hoots.<br />
So entschied sie sich, eine Karriere als <strong>Mode</strong>journalistin anzustreben. Sie wurde Redakteurin<br />
bei Harper’s Bazaar, später Chefredakteurin der britischen Vogue und von House<br />
<br />
Frau der <strong>Mode</strong>branche: Wen sie fördert, der wird erfolgreich, wen sie fallen lässt, der verschwindet<br />
in der Bedeutungslosigkeit. Nebenbei stylte sich die 63-Jährige selbst zur Ikone.<br />
Kühles Lächeln, die gleiche Bob-Frisur, die sie sich erstmals mit 14 schneiden ließ, und eine<br />
große Sonnenbrille (mit Korrekturgläsern), hinter der sie ihre kritischen Augen verbirgt: Ein<br />
Ende der Ära Wintour würde eine Zeitenwende in der Branche bedeuten.<br />
TOMMY HILFIGER<br />
Die College-Jacke gehört zu den großen<br />
Revival-Trends des Jahres. Was wenige<br />
<br />
den Achtzigern in der <strong>Mode</strong> etablierte.<br />
<br />
als modische Accessoires salonfähig und<br />
erfand neben Ralph Lauren die All-American<br />
Fashion. Bis heute ist der lässige Look<br />
Markenzeichen des Labels, ebenso wie das<br />
Logo in Rot-Weiß-Blau,<br />
den Farben der amerikanischen<br />
Flagge.<br />
– no –<br />
31<br />
Auf den ersten Blick mag der etwas korpulente<br />
Mann mit der Knollennase und der<br />
Brille nicht in die <strong>Mode</strong>welt passen. Stets<br />
gehüllt in einen dunklen Anzug plus weißem<br />
Hemd mit Fliege oder auffälligem<br />
Halstuch, gilt er als konservativ und ängstlich.<br />
Auch ohne viel Tamtam gehört Alber<br />
Elbaz zu den größten <strong>Mode</strong>machern unserer<br />
Zeit. Bereits seit 2001 ist er Chefdesigner<br />
beim Traditionshaus Lanvin, zuvor war er<br />
dies bei Yves Saint Laurent. Mit Lanvin<br />
fand Elbaz, der in Israel aufwuchs und studierte,<br />
ein Label, das seinen Charakter wi-<br />
<br />
So setzt er den ursprünglichen Gedanken<br />
der Gründerin Jeanne Lanvin fort, nicht den<br />
Trends, sondern dem persönlichen Gespür<br />
für Stil zu folgen.<br />
49<br />
– no –<br />
32<br />
Von der englischen Arbeiterklassejugend<br />
bis zu Lady Gaga – Nick Knight<br />
ist nicht nur einer der bekanntesten,<br />
sondern auch einer der vielfältigsten<br />
Fotografen. 1982 erschien sein erstes<br />
Buch, in dem Knight, damals noch<br />
Student, die englische Skinhead-<br />
Bewegung dokumentierte. Seine ein<br />
dringlichen Schwarz-Weiß-Aufnah-<br />
<br />
redakteur Terry Jones. Er engagierte<br />
den jungen Fotografen, um 100 Portraits<br />
für eine Jubiläumsausgabe des<br />
Magazins aufzunehmen. Fortan tauchte<br />
Knights Name immer öfter im Zusammenhang<br />
mit <strong>Mode</strong> auf. 1986 foto-<br />
lookbook für<br />
den japanischen Designer Yohji Yamamoto.<br />
Es folgte eine Karriere zwischen<br />
Kunst und Kommerz, zwischen Editorials<br />
und Kampagnen – unter anderem<br />
für Alexander McQueen, Yves Saint<br />
Laurent, Jil Sander, Lancôme, Mercedes-Benz<br />
und Royal Opera House.<br />
2006 gründete er ein Online-Projekt<br />
namens SHOWstudio: Kurze Videos,<br />
Twitter-Nachrichten und Instagram-<br />
Fotos werden von den Mitarbeitern<br />
hochgeladen – unter ihnen auch Agyness<br />
Deyn, Adam Kimmel und Alexander<br />
Wang. Neben seiner Tätigkeit als<br />
Fotograf ist der stets konzeptionell<br />
arbeitende Nick Knight also vor allem<br />
eines: ein Visionär.
- no -<br />
33<br />
Carine Roitfeld wurde für ihren verruchten<br />
Look und die provokanten<br />
Fashionshoots in der französischen<br />
Vogue weltberühmt. Nach einem<br />
Jahrzehnt als deren Chefredakteurin<br />
stolperte sie über eine Bildstrecke<br />
mit einer geschminkten 10-Jährigen<br />
in Heels. Das jedoch gab ihr die Freiheit<br />
zurück, an eigenen Projekten zu<br />
arbeiten. Einfach macht sie es sich<br />
deshalb noch lange nicht.<br />
Carine Roitfeld trägt ein schwarzes Negligé.<br />
Sie lässt sich auf einem schwarzen Ledersofa<br />
in einem Fotostudio am Pier 59 in New<br />
York nieder. Für sie geht gerade ein Tag vor<br />
der Kamera zu Ende. Normalerweise steht<br />
Roitfeld dahinter – diesmal ist sie als <strong>Mode</strong>l<br />
<br />
düsterem Schwarz-Weiß für Roitfelds neue<br />
Kampagne mit MAC Cosmetics.<br />
Die 57-jährige ehemalige Chefredakteurin<br />
der französischen Vogue ist vor kurzem<br />
Oma geworden; ihre Tochter Julia bekam<br />
ihr erstes Kind. Heute allerdings hat Roitfeld<br />
nichts Großmütterliches an sich. Sie<br />
trägt einen Seidenslip von Olatz Schnabel<br />
und einen Mantel von Kiki de Montparnasse.<br />
Ihr Augen-Make-up ist verwischt. Die<br />
Bilder werden eine MAC-Kollektion lancieren,<br />
die auf Roitfelds typischem Stil beruht.<br />
Der sei „a little bit destroy“, wie sie in einem<br />
fabelhaft holprigen Englisch sagt.<br />
„Ich mag es, meine Augen schwarz zu umrahmen,<br />
das gelingt mir nie wirklich gut.<br />
Sieht aber sexy aus und es ist natürlich<br />
falsch, mit Make-up ins Bett zu gehen.<br />
<br />
ich toll.“<br />
Auf ihrer Wange ist ein kleiner schwarzer<br />
Stern geschminkt. „Ich wollte immer einen<br />
ben.<br />
So bin ich auf die Idee zu diesem Stem-<br />
<br />
liner füllt. Ich dachte, ein Stern macht mehr<br />
Spaß als ein Muttermal.“<br />
Sie erzählt, wie sie während des Shoots an<br />
Ryan Gosling gedacht hat, um sich sexy zu<br />
fühlen. Sie mag es, zu provozieren. Es liegt<br />
eine laszive französische Ironie in allem,<br />
was sie sagt, ein Hauch von Theatralik und<br />
Verruchtheit. Carine Roitfeld ist eine Verführerin<br />
– der lebende Beweis dafür, dass<br />
eine Frau, zumindest eine Pariserin, in jedem<br />
Alter sexy sein kann.<br />
Das Spiel mit der Erotik war auch der Motor<br />
von Roitfelds Karriere – von ihrem ersten<br />
Job vor 30 Jahren als Stylistin bei der französischen<br />
Elle, als Beraterin für Tom Ford<br />
während seiner Gucci-Jahre und schließlich<br />
ab 2001 als Vogue-Chefredakteurin. „Pah“,<br />
sagt sie dazu. „Viele behaupten, ich sei die<br />
Königin des Porno-Chics. ‚Chic‘ ist gut, aber<br />
‚Porno‘ trifft es nicht. Ich freue mich sehr,<br />
dass Sie das Wort erotisch und nicht porno-<br />
<br />
nie als Objekt, und selbst wenn wir Fesseln<br />
benutzen (Anmerkung d. Red.: Karen Elson<br />
wurde 2007 für einen Shoot mit einer Vorhangkordel<br />
gefesselt), geht es nicht darum,<br />
eine leidende Frau zu zeigen. Meine Frau ist<br />
tough. Die Frau ist mir immer wichtiger als<br />
die Kleidung, die ich ihr anziehe. Ich sehe<br />
das <strong>Mode</strong>l meist als Schauspielerin.“<br />
Man sollte jedoch nicht den Fehler machen,<br />
von Roitfelds visuellen Vorlieben auf ihr<br />
Privatleben zu schließen – die Sinnlichkeit<br />
ist rein geschäftlich. „Es geht nur um Bilder“,<br />
sagt sie streng. „Man hielt mich für<br />
eine Nymphomanin. Aber ich bin seit 30<br />
Jahren mit meinem Mann zusammen. Wir<br />
sind nicht verheiratet, weil ich abergläubisch<br />
bin, aber sexbesessen war ich nie.“<br />
So kompromisslos und provokant sie in Gesprächen<br />
wirken mag, im normalen Leben<br />
ist sie es nicht. Zusammen mit ihrem Partner,<br />
Christian Restoin, und ihren zwei Kinder<br />
sind die Roitfelds zu einer der Königsfa-<br />
Text: Melissa Whitworth, Foto: Mario Testino / Rizzoli Verlag<br />
CARINE<br />
ROITFELD<br />
milien der internationalen <strong>Mode</strong> geworden.<br />
Restoin steckt hinter dem klassischen französischen<br />
Casual-Label Equipment. Julia,<br />
ativberaterin.<br />
Tom Ford machte sie 2006<br />
zum Gesicht seines ersten Parfums Black<br />
Orchid. Vladimir, der Sohn, arbeitet als<br />
Kunsthändler und Kurator und ist fester<br />
Bestandteil der New Yorker Szene.<br />
„Ich sehe vielleicht nach Rock’n’Roll aus,<br />
wegen meiner schwarzen Augen, der<br />
schwarzen Kleidung, weil ich ziemlich dünn<br />
bin. Aber ich war schon immer mehr eine<br />
Mama als eine Chefredakteurin. Ich telefoniere<br />
täglich mit meinen Kindern. Bei uns<br />
gibt es einen engen Familienzusammenhalt.<br />
Meine Kinder sind das Wichtigste für<br />
mich, ich möchte, dass sie das spüren.“<br />
Gerade ist Roitfeld Großmutter geworden.<br />
„Ich freue mich sehr, Oma zu sein. Aber was<br />
bedeutet das? Für mich war eine Oma immer<br />
eine sehr alte Frau.“ In diesem Moment<br />
betritt Mario Sorrentis Frau, Mary Frey,<br />
das Studio. Roitfeld teilt ihr, als müsse sie<br />
etwas beweisen über Großmütter, trocken<br />
mit, dass sie glaube, Sorrenti hätte „sich<br />
heute etwas verliebt“. Dann lehnt sie sich<br />
„Ich sehe vielleicht nach Rock’n’Roll aus, wegen meiner<br />
schwarzen Augen, der schwarzen Kleidung, weil ich<br />
ziemlich dünn bin. Aber ich war schon immer mehr<br />
eine Mama als eine Chefredakteurin.“<br />
pseudokonspirativ vor und sagt: „Ich ärgere<br />
sie immer, indem ich behaupte, ich versuche<br />
ihren Mann zu verführen.“ Dabei zieht<br />
Roitfeld ihre charakteristischen Augenbrauen<br />
herausfordernd hoch.<br />
Roitfeld wurde als Tochter eines aus Russland<br />
emigrierten Vaters und einer französischen<br />
Mutter in Paris geboren. Ihre Mutter<br />
bezeichnet sie als die ultimative, klassischschicke<br />
Französin. Eine ihrer ersten Erinnerungen<br />
an die modische Seite ihrer Mutter<br />
war, als sie beim Auftragen des<br />
Lidstrichs half. „Sie trug ein Pucci-Kleid,<br />
50<br />
51
und ich half ihr, den schwarzen Eyeliner in<br />
einer geraden Linie zu schminken. Es kann<br />
schwierig sein, dabei symmetrisch zu bleiben,<br />
also bat sie mich, es zu tun.“<br />
Sie begann mit 18 zu modeln, aber wandte<br />
sich schnell dem Styling zu. In den Neunzigern<br />
waren die sexy-glänzenden Werbebilder,<br />
die sie mit Mario Testino für Gucci<br />
machte, nicht nur extrem wichtig, um die<br />
damals angeschlagene italienische Marke<br />
neu zu positionieren, sondern entscheidend<br />
dafür, das Label als globalen Superbrand zu<br />
lancieren.<br />
Durch die starke Ausbreitung von Blogs, die<br />
nach minute-by-minute-Neuigkeiten von<br />
Fashion-Shows und Partys gieren, ist das<br />
Interesse an Roitfeld immer größer geworden.<br />
Ihr charakteristischer Stil und ihre offenherzige<br />
Art haben sie zu einer Celebrity<br />
gemacht. „Ach“, winkt Roitfeld ab. „Viele<br />
Menschen lieben die <strong>Mode</strong>. Sie sind neugierig<br />
und wollen alles wissen. In den Neunzigern<br />
waren es die Supermodels und Fotografen,<br />
dann gab es mit Anna Wintour den<br />
super-editor. Ich habe vielleicht eine starke<br />
Persönlichkeit, aber vor zehn Jahren – vor<br />
den Blogs – kannte mich niemand.“<br />
Einer der Handlungsstränge in Lauren<br />
Weisbergers Schlüsselroman „Der Teufel<br />
trägt Prada“ über ihre Zeit als Wintours Assistentin<br />
handelt von einer französischen<br />
Redakteurin, die plane, die Leitung des<br />
amerikanischen Magazins zu übernehmen.<br />
Es gab Gerüchte, dass dies mehr war als<br />
nur eine Geschichte und Roitfeld tatsächlich<br />
als Wintour-Nachfolgerin gehandelt wurde.<br />
„Das war frei erfunden“, sagt Roitfeld über<br />
die angebliche Rivalität unter Kolleginnen.<br />
„Anna ist tough, aber sie ist sehr ehrlich.<br />
Ich mag das. Als meine Kinder nach New<br />
York kamen, lud sie sie zum Abendessen<br />
ein. Als Mutter sind das Dinge, die man<br />
nicht vergisst. Sie ist nicht meine beste<br />
Freundin, wir telefonieren selten, aber ich<br />
respektiere sie. Und je älter man in diesem<br />
Geschäft wird, desto weniger Leute respektiert<br />
man.“<br />
Es gab viele Kontroversen während Roitfelds<br />
Zeit bei der französischen Vogue – zumindest<br />
zwischen den Seiten des Blattes.<br />
Ihr Ziel war, den Esprit der Siebziger und<br />
Achtziger fortzuführen, als Fotografen wie<br />
Guy Bourdin und Helmut Newton mit erotischen<br />
Fotos das Magazin prägten. Das war<br />
nicht immer einfach. „Es wird immer mehr<br />
zensiert. Man kann heute weniger weit gehen<br />
als noch vor 20, 30 Jahren. Es ist nicht<br />
so, dass die Kritiker immer falsch liegen<br />
würden. Natürlich sind Zigaretten ungesund<br />
und Magersucht schlimm. Aber man<br />
hat weniger Freiheiten. Das ist traurig, weil<br />
<strong>Mode</strong> leicht, spielerisch und nicht angestrengt<br />
wirken soll.“<br />
Eine Shoot, inspiriert durch Roitfelds Paranoia<br />
vor öffentlichen Toiletten, zeigte ein<br />
<strong>Mode</strong>l, das auf einem Parkplatz pinkelte.<br />
„Als ich noch in Nachtclubs unterwegs war,<br />
waren in einigen Kameras auf den Toiletten<br />
angebracht, um den Drogenkonsum zu kontrollieren.<br />
Daraufhin beschloss ich, in einem<br />
Nachtclub nie wieder auf die Toilette<br />
zu gehen, lieber draußen hinter einem Auto.<br />
So kam es zu diesem Bild.“<br />
Anna Wintour, Alexandra Schulman von<br />
der englischen Vogue oder auch Christiane<br />
Arp von der deutschen würden solche Obsessionen<br />
nie zugeben. „Für mich war es<br />
nun mal so“, sagt Roitfeld. „Es ist wichtig,<br />
„Man hat heute weniger Freiheiten.<br />
Das ist traurig, weil <strong>Mode</strong> leicht, spielerisch<br />
und nicht angestrengt wirken soll.“<br />
sich einen Sinn für Humor zu bewahren,<br />
ohne den Chic dabei zu opfern. Sogar wenn<br />
das Mädchen hinter einem Auto pinkelt,<br />
macht sie das mit einer schicken Attitude.“<br />
Ernster wurde es, als nach Erscheinen der<br />
Dezemberausgabe 2010, die Tom Ford als<br />
Gastchefredakteur betreut hatte, die französische<br />
Vogue beschuldigt wurde, Pädophilie<br />
Vorschub zu leisten. Das Heft zeigte<br />
Bilder eines 10-jährigen <strong>Mode</strong>ls in High<br />
Heels und Lippenstift, auf Tigerhaut posierend<br />
mit der Überschrift: „Quel maquillage<br />
à quelle age?“ (Welches Make-up in welchem<br />
Alter?).<br />
Man munkelt, dass Roitfeld darüber gestolpert<br />
sei. Nur wenig später, am 17. Dezember<br />
2010, gab sie ihren Rücktritt bekannt. Als<br />
Gerüchte kursierten, dass Condé Nast ihrer<br />
extravaganten Erotik überdrüssig geworden<br />
war, gab Roitfeld dem Spiegel ein Interview.<br />
„Heute geht es nur noch um Geld und<br />
das große Geschäft,“ sagte sie darin und ergänzt:<br />
„Zehn Jahre sind eine lange Zeit – be-<br />
dervolle<br />
Zeit, aber früher oder später wollen<br />
Vögel wieder in Freiheit leben.“<br />
Heute klingt sie nüchterner: „Es stimmt,<br />
man ist nicht frei und kann nicht an Projekten<br />
arbeiten, wie wir es gerade mit MAC<br />
tun. Ich war nicht frei, um zum Beispiel mit<br />
Karl Lagerfeld an seinen Kampagnen zu arbeiten.<br />
Ich konnte keinem Designer helfen.<br />
Das kann ich nun alles wieder machen.“<br />
<br />
<br />
Gastchefredakteurin des V Magazines. Ihr<br />
Buch „Irreverent“, das ihre Arbeit seit den<br />
frühen Neunzigern dokumentiert, wurde<br />
letzten Oktober veröffentlicht. Sie arbeitete<br />
mit Lagerfeld an einem Band über die Geschichte<br />
der ikonischen Chanel-Jacke und<br />
hat die letzten beiden Chanel-Kampagnen<br />
gestylt. „Lagerfeld nennt mich immer Madame<br />
Roitfeld, nie Carine. Er ist jetzt so etwas<br />
wie ein Rockstar. Wenn du mit ihm auf<br />
die Straße gehst, ist es, als läufst du neben<br />
J.Lo.“ Dann die Kollektion für MAC. „Können<br />
Sie sich das vorstellen? Ich als Gesicht<br />
einer Beauty-Linie? Ich bin gerade Oma geworden…<br />
Das ist der neue Trend.“<br />
Ein anderer Trend ist, dass Roitfeld sich<br />
wieder dem Magazinmachen zugewendet<br />
hat. Zweimal im Jahr erscheint nun ihr „CR<br />
Fashion Book“. „Als ich vor 30 Jahren an-<br />
tergedanken<br />
gemacht, ob Jean Paul Gaultier<br />
Anzeigen schaltet oder nicht. Wir waren<br />
komplett frei“, sagt sie. „Aber ich verstehe<br />
immer mehr, dass man die Labels berücksichtigen<br />
muss, wenn sie inserieren. Doch<br />
es muss ein Limit geben, sonst bist du kein<br />
Journalist mehr.“ Am Ende sagt sie: „Durch<br />
das neue Magazin setze ich mich stark unter<br />
Druck. Ich könnte ruhig leben, könnte<br />
Werbung machen, um Geld zu verdienen.“<br />
Aber Kompromisse sind ihre Sache nicht.<br />
„Vielleicht werde ich die letzte Jeanne D’Arc<br />
der <strong>Mode</strong> sein.“<br />
CARINE ROITFELD brachte Anfang des Jahres ihr<br />
Buch „Irreverent“ heraus und legte gerade mit<br />
dem eigenen Magazin „CR fashion book“ nach.<br />
Gedruckt mit Genehmigung von The Interview People. Erstmals im Stella Magazin erschienen<br />
LILLI THIESSEN<br />
Bildene Künstlerin<br />
Fotos: Irina Gavrich<br />
Text: Manuel Almeida<br />
Styling: Felix Leblhuber<br />
<strong>Mode</strong>ls/ Characters: Christian Rosa, Alex Ruthner,<br />
Barbora Sindleryova (Tempomodels), Lilli Thiessen<br />
<br />
PETAR<br />
PETROV<br />
- no -<br />
34<br />
Mailand, Paris… und Wien? Denkt man an<br />
<strong>Mode</strong> kommt einem nicht sofort Österreichs<br />
Hauptstadt in den Sinn. „Wien ist keine vor-<br />
rov,<br />
„aber die wenigen modischen Leute<br />
hier sind sehr inspirierend und interessant!“<br />
Wohl ein Grund, warum der in der<br />
Ukraine geborene Designer seit 2005 ausgerechnet<br />
dort sein Label führt. Waren seine<br />
Kollektionen anfangs eher sportlich, so<br />
hat er seinen Stil in den letzten Jahren drastisch<br />
geändert: „Vor zwei Jahren habe ich<br />
mich entschieden, meine beiden Linien in<br />
52
BARBORA SINDLERYOVA<br />
<strong>Mode</strong>l<br />
Petrov interpretiert seine Vorstellungen<br />
von <strong>Mode</strong> öfter auch mal<br />
in einem Kunstzusammenhang.<br />
eine exklusivere Richtung zu drehen. Ich<br />
würde also sagen, die Gründung unseres<br />
Labels hat neu begonnen.“<br />
Die Kollektionen nach dieser Stiljustierung<br />
sind eher leise. Kontrolliertes avantgardistisches<br />
Design in dunklen Farbnuancen<br />
zeichnen sie aus. „Wir haben unsere Produkte<br />
auf einen Punkt gebracht, an dem alles<br />
für uns stimmt und wir sehr modebewusste<br />
Kunden ansprechen“, erklärt Petrov,<br />
der bei Raf Simons und Victor & Rolf an der<br />
Universität für angewandte Kunst in Wien<br />
lernte. Dieses anspruchsvolle Klientel ist es,<br />
das ihn beim Entwerfen beschäftigt. Da<br />
kam Irina Gavrichs Vorschlag, die aktuelle<br />
Kollektion mit gemeinsamen Freunden zu<br />
<br />
natürlich gerade richtig. Denn auch Petrov<br />
interpretierte seine Vorstellungen von<br />
<strong>Mode</strong> öfter mal in einem Kunstzusammenhang.<br />
In der Kunsthalle Wien zeigte er Ende<br />
letzten Jahres zum Beispiel das Projekt<br />
„Maßanfertigung“, bei dem er mit der Musikerin<br />
Anja Plaschg alias Soap & Skin und<br />
dem Gestalter Tino Valentinitsch zusammenarbeitete.<br />
„Die Idee für das Shoot ist<br />
aber ganz spontan entstanden. Ich wollte<br />
schon immer meine Künstlerfreunde port-<br />
kanntenkreis<br />
zählen der Maler Alexander<br />
Ruthner, der das Kunstmagazin EINE herausbringt,<br />
und Lilli Thiessen, die als bildende<br />
Künstlerin Objekte, Collagen und Bilder<br />
schafft. Auch der ehemalige Herausgeber<br />
vom Placed Magazine, Christian Rosa, der<br />
heute als Maler und Fotograf arbeitet, und<br />
<strong>Mode</strong>l Barbora Sindleryova, die Gavrich als<br />
ihre Muse bezeichnet, setzte sie in Petrovs<br />
Kleidung in Szene. Im Gegensatz zum standarisierten<br />
<strong>Mode</strong>ltyp die Idealbesetzung<br />
für Gavrich: „Vielleicht liegt es daran, dass<br />
ich in den Neunzigern aufgewachsen bin<br />
und deshalb gern Charaktergesichter und<br />
Emotionen in <strong>Mode</strong>strecken sehe. Schönheit<br />
liegt nicht unbedingt in Perfektion. Und<br />
natürlich liebe ich es, etwas oder jemand<br />
anders als erwartet zu zeigen.“<br />
Ihre Fotos zeigen Petrovs <strong>Mode</strong> auf eine natürliche<br />
Weise, sie spiegeln deren kühle<br />
Grandezza wieder. Die Motive spielen mit<br />
dem Sexappeal der Künstler, bewegen sich<br />
elegant auf der Grenze zwischen <strong>Mode</strong>aufnahmen<br />
und privatem Schnappschuss.<br />
„Künstler sind selbst Kreative, deshalb ist<br />
es einfach, mit ihnen zu arbeiten. Sie ma-<br />
<br />
sofort mit“, sagt Gavrich. Die unangestrengte<br />
Atmosphäre der Bilder passt per-<br />
ALEXANDER RUTHNER<br />
Maler und Herausgeber des Kunstmagazins EINE<br />
54
LILLI THIESSEN<br />
fekt zu Petar Petrovs Entwürfen. „Ich liebe<br />
Kleidung, die einfach ist und sich leicht und<br />
easy trägt. Ich liebe Stücke, die trotz ihrer<br />
Einfachheit durch Silhouette und Material<br />
aufregend wirken“, sagt der 34-Jährige.<br />
Nicht nur die Ästhetik der Bilder, die<br />
Kleidung und die Personen, die sie tragen,<br />
passen zueinander, alles zusammen<br />
steht stellvertretend für die <strong>Mode</strong>visionen<br />
der österreichischen Hauptstadt. Die geerdete<br />
Coolness einer kleinen Szene,<br />
in der man sich kennt und aneinder vertraut,<br />
scheint der perfekte Ausgangspunkt<br />
zu sein, um einen neuen Wiener Stil in die<br />
Welt zu tragen.<br />
LILLI THIESSEN<br />
CHRISTIAN ROSA<br />
Maler und Fotograf<br />
BARBORA SINDLERYOVA
Text Jan Joswig<br />
MAHARISHI<br />
Hardy Blechman sorgte mit seinem<br />
Label Maharishi in den Neunzigern<br />
dafür, dass Camouflage-Muster<br />
nicht nur vom Militär getragen wurden,<br />
sondern auch bei HipHop- und<br />
Techno-Fans Anklang fand. Gerade<br />
erlebt seine High-Fashion-Streetwear<br />
ein Comeback.<br />
Asiatische Drachenstickereien auf Army-<br />
<br />
Neunzigern schneiderte Maharishi Subkulturen<br />
von HipHop bis Techno die passenden<br />
<br />
das Label damals genau den Zeitgeist:<br />
Überleben im Großstadtdschungel und ausschweifende<br />
Ravenächte.<br />
Hardy Blechman baute seine 1994 gegründete<br />
Marke mit schamanistischer Geschäftspraxis<br />
aus: Kein Büro wurde ohne<br />
Fengshui-Berücksichtigung eingerichtet. Er<br />
ließ Sinnsprüche auf Etiketten drucken und<br />
bot seinen Mitarbeitern kostenlos Meditation<br />
und Yoga an. Maharishi wurde neben<br />
Stüssy zum Label für Urban-Streetwearschlechthin.<br />
Anfang der 2000er beschäftigte<br />
Blechman 25 Mitarbeiter in seinem Londoner<br />
Atelier und verkaufte in über 100<br />
Geschäften weltweit.<br />
Dann wollten die Kids plötzlich wieder tra-<br />
gen.<br />
Stüssy-Gründer Shawn Stussy hat sich<br />
längst nach Hawaii zur ewigen Welle verdrückt,<br />
aber Blechman lässt nicht locker.<br />
Die Zeiten sind wieder günstig für ihn, da<br />
jeder zweite BWLer auf Sinnsuche seine<br />
schmutzig erwirtschafteten Kröten in eine<br />
reinigende Yoga-Ausbildung steckt.<br />
Für die Maharishi-Show 2011 hat Hardy<br />
Blechman mit Palladium kooperiert, dem<br />
wieder erstarkten Rave-Schuhwerk der<br />
Neunziger. Und gerade hat er eine Casio G-<br />
Shock im Razzle-Dazzle-Muster entworfen,<br />
der Tarnung aus schwarzweißen Balken<br />
der Kriegsmarine im Ersten Weltkrieg. Das<br />
den<br />
ist wieder komplett.<br />
Wissen Sie eigentlich, wie<br />
wichtig Maharishi für die<br />
Techno-Bewegung in Berlin<br />
war? Raven und High<br />
Fashion kamen durch Ihre<br />
Kleidung zusammen.<br />
HARDY BLECHMAN Das war<br />
mir nicht bewusst. In Eng-<br />
– no –<br />
35<br />
Agent<br />
land stand Maharishi eher für HipHop. Ich<br />
mag es, dass verschiedene Szenen, dass<br />
Techno und HipHop über Maharishi in Verbindung<br />
traten. Aber ich verstehe Maharishi<br />
nicht als Ausrüster für eine spezielle<br />
Szene. Im Gegenteil: Dass Maharishi über<br />
Genregrenzen hinweg funktioniert, werte<br />
ich als Erfolg. In Deutschland gab es mehrere<br />
erfolgreiche HipHop-<strong>Mode</strong>label, die waren<br />
aber sehr jung ausgerichtet, mit gezeichneten<br />
B-Boy-Figuren, die einen Joint<br />
rauchen oder eine Spraydose in der Hand<br />
halten. Das ging mir zu sehr in eine Comic-<br />
Richtung, genauso wie die US-amerikanischen<br />
Marken wie Fubu oder Ecco mit ihren<br />
riesigen Label-Schriftzügen. Ich wollte<br />
nie über Branding verkaufen, sondern über<br />
die Qualität meiner Kleidung. Aber in den<br />
USA sind die Copyright-Gesetze problematischer.<br />
Man kann dort kein dreidimensionales<br />
Design schützen lassen. Also sind die<br />
Marken gezwungen, aus Selbstschutz ihre<br />
Kleidung mit ihrem Produktnamen unverwechselbar<br />
zu machen. Deshalb hat auch<br />
<br />
prangen.<br />
Dafür kann man mit dem kunstvollen<br />
Maharishi-Design erwachsen werden, ohne<br />
mit der Jugendkultur brechen zu müssen.<br />
Bei den Logo-Exzessen der anderen Labels<br />
ist das nicht so.<br />
H BIn den Neunzigern verfolgte High Fashion<br />
eine sehr minimalistische Linie. Helmut<br />
Lang zum Beispiel. Ich war nicht der<br />
Erste, der davon abwich und Militär-Design<br />
für die <strong>Mode</strong> nutzte. Aber ein paar meiner<br />
Entwürfe waren wirklich originell. Die<br />
Kernaussage von Maharishi hat sich über<br />
die letzten 25 Jahre nicht geändert, sie ist<br />
tur,<br />
nicht den Krieg! Die heutige Kon-<br />
<br />
ist so ein tragisches Missverständnis<br />
wie das um<br />
das Swastika-Symbol oder<br />
um Vietnam. Vor dem Einmarsch<br />
der US-Amerikaner<br />
dort galt das Land als<br />
ein tropisches Paradies,<br />
heute steht es vor allem für<br />
58<br />
imperialistischen Krieg. Vor den Nazis symbolisierte<br />
die Swastika für Jahrhunderte<br />
den Frieden, heute ist das Hakenkreuz<br />
nicht mehr von den Naziverbrechen trenn-<br />
<br />
bis zum Ersten Weltkrieg mit der Natur. Die<br />
Menschen haben dazu eine natürliche<br />
<br />
Sie umarmen also gerne Platanen!<br />
H BDas Militär tarnt sich nicht nur durch<br />
schen<br />
zu diesen Mustern für ihre Rekrutierungspropaganda<br />
aus. Uniformen hatten<br />
immer die Aufgabe, die Soldaten zu schmücken.<br />
Als man noch Mann gegen Mann<br />
kämpfte, zeigte man mit schmückendem<br />
Rot den Stolz auf seine Profession. Erst die<br />
Distanzkriege machten eine Tarnung erforderlich.<br />
Ende des 19. Jahrhunderts begannen<br />
Soldaten, sich durch Dreck im Gesicht<br />
und auf der Kleidung dem Untergrund anzugleichen.<br />
Diese Eindreckung hat schwer<br />
am Selbstbewusstsein der Soldaten genagt.<br />
In lahmer Khakikleidung der Damenwelt<br />
gegenübertreten? Erst Ende der<br />
Zwanziger wurde in Italien eine Technik<br />
„Camouflage feiert die Natur, nicht den Krieg! Die heutige<br />
Konnotation von Camouflage ist so ein tragisches<br />
Missverständnis wie das um das Swastika-Symbol.“<br />
erfunden, die es ermöglichte, ein dreifarbiges<br />
Muster in Serie zu drucken, zuvor<br />
musste man es per Hand aufmalen. Da-<br />
<br />
Drucke möglich. Die Uniform sah wieder so<br />
schmuck aus wie zu Zeiten der roten<br />
Jacken. Das britische Verteidigungsministerium<br />
unterhält sogar eine Website, deren<br />
Zielgruppe 14- bis 16-Jährige sind: camouflage.mod.uk.<br />
Maharishi hingegen befreit<br />
<br />
<br />
Töten von anderen Mitgliedern seiner Spezies<br />
ausbilden lassen zu müssen. Das ist<br />
meine Mission.<br />
MAHARISHI ist das Label von Hardy Blechman.<br />
<br />
arbeitete er nach siebenjähriger Recherche in<br />
einem Buch. „DPM“ (Disruptive Pattern Material)<br />
<br />
auf fast 1000 Seiten.<br />
AGENT<br />
PROVOCATEUR<br />
Provocateur, 2008<br />
Gürtel Halaby<br />
Als Agent Provocateur bezeichnet man eigentlich<br />
eine Person, die im Auftrag des<br />
Staates, also des Gesetzeshüters, eine andere<br />
Person zu gesetzeswidrigen Handlungen<br />
provoziert. Dass auch Unterwäsche eine<br />
solche Rolle spielen kann, überlassen wir<br />
mal Ihren Spionagefantasien. Das englische<br />
Dessouslabel Agent Provocateur wurde in<br />
den Neunzigern von Joseph Corre, Sohn von<br />
Vivienne Westwood und Malcolm McLaren,<br />
und seiner mittlerweile geschiedenen Frau<br />
Serena Rees gegründet. Seither versetzt<br />
es Frauen wie Männer mit extravaganter<br />
Unterwäsche in Ekstase. Besonders die lasziven<br />
Kampagnen und ein prominenter<br />
Kundenstamm von Kate Moss bis Kylie Minogue<br />
machten Agent Provocateur vom<br />
kleinen Kultlabel zum Inbegriff einer globalisierten<br />
sexiness.<br />
59<br />
- no -<br />
36
Foto: Dusan Rejlin, Interview: Marcel Malachowski<br />
RICK OWENS<br />
Rick Owens mag die Provokation wie<br />
die Farben Grau, Schwarz und Weiß.<br />
Obwohl in seine Lilies-Linie mittlerweile<br />
auch Rot- und Gelbtöne vorgedrungen<br />
sind, bleibt er der große, dunkle Rebell<br />
der <strong>Mode</strong>. Den gothic-Vergleich kann<br />
er allerdings nicht mehr hören. Er sieht<br />
sich als <strong>Mode</strong>rnist und glaubt allen<br />
ernstes, dass wir in einer fantastischen<br />
Zeit leben.<br />
Die meisten Menschen würden gerne in<br />
Kalifornien leben. Sie sind dort aufgewachsen<br />
und haben mal gesagt, dass Ihre Jugend<br />
dort schrecklich gewesen sei. Warum?<br />
RICK OWENS Es war der Alltag. Ich war ein<br />
Weichei und bin in einer ziemlich konservativen<br />
Kleinstadt aufgewachsen. Ich hatte<br />
wenig Freiheiten, mich auszudrücken, wie<br />
ich wollte. Ich fühlte mich, als würde ich<br />
dort feststecken. Aber die Wut, die dadurch<br />
in mir gewachsen ist, hat mich angetrieben.<br />
Wahrscheinlich tut sie das immer noch. Es<br />
ist im Endeffekt also alles gut gegangen.<br />
Vor ein paar Jahren haben die Red Hot Chili<br />
Peppers über „Californication“ gesungen.<br />
Was denken Sie über den beach and fun<br />
lifestyle? Waren sie oft am Strand?<br />
R ONun, der Text zu „Californication“ ist in<br />
Wahrheit bösartig. Er handelt von der<br />
dunklen Seite der kalifornischen Sonne.<br />
So wie ich meine Heimatstadt Porterville<br />
erlebt habe. Aber ich liebe natürlich den<br />
Strand.<br />
Man sagt, dass Sie von der gothic-Subkultur<br />
beeinflusst sind. Gothic gilt auch als<br />
dunkel und leidend. Wie würden Sie es<br />
definieren?<br />
R OAusufernd und melodramatisch könnte<br />
man auch sagen. Aber ich würde mich und<br />
meine <strong>Mode</strong> nicht so bezeichnen. Für die<br />
meisten liegt das wahrscheinlich nahe -<br />
durch die dunklen Farben, die ich in meinen<br />
Kollektionen verwende, durch meine langen<br />
schwarzen Haare. Ich würde mich eher als<br />
<strong>Mode</strong>rnist bezeichnen.<br />
Man könnte vor allem in Ihren Möbelentwürfen<br />
auch Einflüsse von Rokoko und<br />
Barock sehen. Waren diese Zeiten unter<br />
ästhetischen Gesichtspunkten im Vergleich<br />
zur Gegenwart die besseren?<br />
R O <br />
steht für das Gegenteil. Und wenn überhaupt,<br />
dann erkennt man in ihr nur eine<br />
sehr reduzierte Form dieser Stile. Aber ich<br />
de<br />
die Zeit, in der wir leben, fantastisch.<br />
Was wir aus der Vergangenheit sehen, ist<br />
meistens nur das, was geblieben ist. Der<br />
ganze trash, der immer auch existiert hat,<br />
ist verschwunden. In 100 Jahren werden<br />
wir auf diese Zeit also wahrscheinlich als<br />
ein Designparadies zurückblicken. Die Ära,<br />
die mich übrigens wirklich fasziniert, ist die<br />
der zwanziger Jahre, als sich die Weichheit<br />
des Art nouveau zum Art Déco verhärtete.<br />
Sie entwerfen sowohl sehr geschlechtsspezifische<br />
als auch geschlechtsübergreifende<br />
37<br />
„Ich finde die Strenge von<br />
Uniformen sexy, wenn<br />
sich die Kleidung für beide<br />
Geschlechter ähnelt. Die<br />
Unterschiede von Mann<br />
und Frau werden dadurch<br />
besser sichtbar.“<br />
Kleidung. Ist das nicht ein Widerspruch?<br />
R OWidersprüche sind wahrscheinlich einige<br />
der wenigen Dinge, die ein bisschen in-<br />
<br />
die Strenge von Uniformen sexy, wenn sich<br />
die Kleidung für beide Geschlechter stark<br />
ähnelt. Die Unterschiede von Mann und<br />
Frau werden dadurch besser sichtbar.<br />
Sie werden häufig als Avantgarde-Designer<br />
bezeichnet. Sehen Sie sich auch so? Wollen<br />
Sie neue Trends kreieren oder eine Form<br />
zeitloser Schönheit schaffen?<br />
R OAch, ich bin ein Konservativer. Ein<br />
unvoreingenommener, aber amoralischer,<br />
konservativer Degenerierter.<br />
Sie leben in Paris. Sind die Pariser so chic,<br />
wie es immer behauptet wird?<br />
R OIch würde sagen, dass sich die Pariser<br />
sehr klassisch anziehen. Bei dem Wort chic<br />
denke ich immer an etwas Gewagteres. Das<br />
sehe ich eher in London als in Paris.<br />
In der Vergangenheit haben Sie viele Drogen<br />
genommen. Sind Arbeit, Abstinenz und<br />
Besonnenheit Ihre neuen Rauschmittel?<br />
R ODrogen und Alkohol haben damals großen<br />
Spaß gemacht. Arbeit, Abstinenz und<br />
Besonnenheit bereiten mir zurzeit großen<br />
Spaß.<br />
Mit welchen Materialien arbeiten Sie am<br />
liebsten?<br />
R OLeder, Seide, Baumwolle, Kaschmir,<br />
Zobel… Oh, da gibt es viele!<br />
Was fasziniert Sie an Pelz?<br />
R OLeder und Pelz sind für den <strong>Mode</strong>designer<br />
wie Marmor für den Bildhauer, obwohl<br />
ich meine Arbeit nicht mit Kunst gleichsetzen<br />
will. Aber es liegt eine Anziehungskraft,<br />
eine ursprüngliche Qualität im Pelz.<br />
Es gibt kaum ein sinnlicheres Material für<br />
einen <strong>Mode</strong>designer.<br />
Sie betreiben Läden in Tokio und Seoul. Sind<br />
diese Städte grundsätzlich viel modeinteressierter<br />
als europäische? Wurde dort<br />
nicht ein Sinn für Farben, Formen und Silhouetten<br />
bewahrt?<br />
R OMeine <strong>Mode</strong> wird niemals der Mehrheit<br />
der Menschen gefallen. Aber es gibt immer<br />
einen kleinen <strong>Teil</strong> in jeder Kultur,<br />
der meine Kleidung tragen will. So wie es<br />
immer eine Subkultur geben wird, in der<br />
man The Velvet Underground lieber mag als<br />
die Beatles. In manchen Städten und Ländern<br />
ist diese Subkultur größer, in anderen<br />
kleiner. Ich kann mich gut damit arrangieren.<br />
Aber ich ändere nichts an meinem Stil.<br />
Wäre es herablassend, das zu tun - oder<br />
<br />
Planen Sie nach Russland, Indien oder in<br />
den arabischen Raum zu expandieren?<br />
R OIch will überall dahin, wo man mich<br />
haben will.<br />
Wollen Sie Ihre Haare für immer lang<br />
tragen?<br />
- no - R OJa. Und ich wäre gerne für immer<br />
50, ich wäre gerne für immer stark und relevant.<br />
Aber die Wahrheit ist: Nichts von<br />
alledem hält forever.<br />
Wenn Sie einen ultimativen Rick-Owens-<br />
Look aus nur fünf <strong>Teil</strong>en zusammenstellen<br />
würden, wie sähe der aus?<br />
R OOverknee-Absatzstiefel, Superbaggy-<br />
Shorts aus Seidenkrepp, ärmelloses<br />
T-Shirt, Biker-Lederjacke in Schwarz, Grau<br />
oder Weiß. Oder eine Mischung aus diesen<br />
Farben.<br />
In Westeuropa herrscht ein puritanisches<br />
<strong>Mode</strong>verständnis. Ihre Entwürfe hingegen<br />
wirken häufig opulent...<br />
R OIch glaube, meine <strong>Mode</strong> wurde noch<br />
nie als opulent bezeichnet. Aber ich mag<br />
jede Art von Ausschweifungen.<br />
Sollten Frauen in Schwarz oder Weiß<br />
heiraten?<br />
R OIn der Kleidung, in der sie sich schön<br />
fühlen. Ich schlage Schwarz oder Grau<br />
vor, weil ich das mag. Und meine <strong>Mode</strong><br />
ist eine sehr persönliche Sache für mich.<br />
Alles, was ich mache, sind Vorschläge,<br />
ich proklamiere nichts. Ich biete<br />
eine Option an, kein Manifest.<br />
Denken Sie, dass unsere Gesellschaft verklemmt<br />
ist? Mögen Sie es, zu provozieren?<br />
R O<strong>Teil</strong>e der Gesellschaft sind mit Sicherheit<br />
verklemmt. Und ich gebe zu, dass ich<br />
die gerne provoziere. Liebevoll, nicht auf<br />
eine bittere Art – wie ich hoffe.<br />
Wo möchten Sie gerne leben, wenn Sie<br />
alt sind?<br />
R OIch bin gerade dabei, mir etwas in Venedig<br />
zu kaufen. Das ist doch ein schöner<br />
Ort.<br />
Sie wollen nicht zurück nach Porterville,<br />
wo Sie aufgewachsen sind?<br />
R ODahin will ich nie wieder zurück.<br />
Kann <strong>Mode</strong> die Welt retten?<br />
R ONein, aber vielleicht rettet sie Ihnen<br />
den Tag.<br />
RICK OWENS wurde 1961 in Porterville, Kalifornieren<br />
geboren und lebt seit 2003 mit seiner<br />
Frau, der Künstlerin Michele Lamy, in Paris.<br />
2002 präsentierte er seine erste Kollektion bei<br />
der New York Fashion Week. Die Show wurde<br />
von Anna Wintour gesponsert – sie gehörte zu<br />
seinen ersten Fans.<br />
60<br />
61
39<br />
– no –<br />
PETER PHILIPS<br />
Die großen <strong>Mode</strong>fotografen kennt man;<br />
vielen <strong>Fräulein</strong>-Leserinnen dürften<br />
Mario Testino oder Terry Richardson<br />
<br />
up-Artists? Da fällt den meisten kein<br />
Name ein. Wenn es unter jenen aber einen<br />
Star gibt, dann ist es der Belgier<br />
Peter Philips. Seit 2008 hat er als globaler<br />
Kreativdirektor von Chanels Ma-<br />
<br />
designer<br />
ist bekannt für seinen Einsatz<br />
ungewöhnlicher Materialien wie<br />
Federn oder Stoffe. Aufgewachsen<br />
ohne Internet, inspirierten ihn Magazine<br />
wie i-D und Fotos von Hollywoods<br />
Diven. Berühmt wurde er mit einem<br />
Raf-Simons-Shoot, für das er dem<br />
<strong>Mode</strong>l ein Mickey-Mouse-Gesicht samt<br />
Ohren aus schwarzer Spitze verpasste.<br />
Deshalb: Schenkt den Make-up-Artists<br />
mehr Beachtung, ohne sie wären die<br />
meisten Fotografen nur halb so gut.<br />
ETIENNE RUSSO<br />
So unübersichtlich der <strong>Mode</strong>zirkus auf<br />
den ersten Blick wirkt: In Wahrheit ist<br />
es nur eine Handvoll Personen, die die<br />
großen Häuser Saison für Saison in<br />
neuem Licht erscheinen lassen. Was<br />
Michel Gaubert für die Musik, ist<br />
Etienne Russo mit seiner 1995 eröffneten<br />
Agentur Villa Eugénie für die großen<br />
Schauen. Zu seinen Klienten zählen<br />
Chanel, Céline, Hugo Boss, Brioni,<br />
Moncler oder Dior. Angefangen hat<br />
Russo als Mädchen für alles (vom <strong>Mode</strong>l<br />
bis zum Lichttechniker oder Koch)<br />
bei Dries van Noten, mittlerweile verlässt<br />
sich die gesamte Branche auf sein<br />
Flair für zeitgenössisches Spektakel.<br />
– no –<br />
40<br />
PHOEBE PHILO<br />
38<br />
Vor ein paar Jahren noch hätte man sie wohl als<br />
It-Girl bezeichnen können: Ein modebegeistertes<br />
Mädchen, das seinen Abschluss am Central<br />
Saint Martins in London macht und anschließend<br />
als Assistentin von Stella McCart-<br />
– no –<br />
<br />
verlässt, steigt Phoebe Philo auf – und wird selbst zur Chefdesignerin.<br />
Fünf Jahre später verlässt auch sie das Haus. Als<br />
einen der Gründe wird sie später nennen, dass sie mehr Zeit mit<br />
ihrer Familie, ihren zwei Kindern verbringen wollte – sehr untypisch<br />
für ein It-Girl.<br />
Erst 2008 kehrt sie zur <strong>Mode</strong> zurück: Die LVMH-Gruppe ernennt<br />
sie zur Kreativdirektorin des französischen Labels Céline. Sie<br />
<br />
Jahre. Vielleicht ist es die coole Unbekümmertheit oder der puristischmoderne<br />
Look, der sehr fashionable und gleichzeitig absolut<br />
alltagstauglich ist. Reduziert, klar, zurückhaltend und dadurch<br />
so elegant – besonders ihre Taschenkreationen wurden zu<br />
Verkaufsschlagern.<br />
Phoebe Philo hat es nicht nur geschafft, Céline innerhalb kürzester<br />
Zeit in der <strong>Mode</strong>szene zu etablieren, erst dort ist sie zu einer<br />
echten Stardesignerin geworden. Lassen wir die Bezeichnung It-Girl<br />
also. Mit grundlosem Ruhm hat diese Karriere nichts zu tun.<br />
– no –<br />
41<br />
KRIS VAN ASSCHE<br />
Obwohl er sich nur auf Männermode konzentriert,<br />
ist Kris Van Assche ein Begriff<br />
von internationaler Größe geworden. Man<br />
verbindet seine Arbeit immer noch mit seinem<br />
Mentor Hedi Slimane, dem er bei Dior<br />
Homme assistierte. Mit seinem eigenen Label<br />
feilt er ab 2004 an seinem Stil und entwirft<br />
kurzzeitig sogar eine Damenlinie. Mit<br />
der Zeit ist seine <strong>Mode</strong> immer reduzierter<br />
geworden. Seit 2007 zeigt er seine Vorstellungen<br />
von schlichter Eleganz auch wieder<br />
für Dior Homme – jetzt als Chefdesigner in<br />
direkter Nachfolge von Hedi Slimane.<br />
Phoebe Philo Foto: Céline, Kris van Assche Foto: Gaëtan Bernard<br />
SUZY MENKES<br />
Aus den front rows ist sie wegen ihrer auffälligen<br />
Haartolle und dank ihrer scharfsinnigen<br />
Artikel nicht wegzudenken. Suzy<br />
Menkes gehört seit Jahrzehnten zu den ein-<br />
<br />
Jahren schaut sie sich immer noch jede<br />
Show selbst an, notiert ihr Urteil im<br />
Schreibblock oder tippt es energisch in den<br />
Laptop auf ihrem Schoß. Menkes arbeitet<br />
seit fast 30 Jahren als <strong>Mode</strong>redakteurin der<br />
International Herald Tribune (IHT), für die<br />
sie ein Mal im Jahr mit einem hellsichtigen<br />
Gespür für die Themen der Branche die IHT<br />
Luxury Conference organisiert.<br />
Die in Paris lebende Menkes besucht pro<br />
Jahr über 500 <strong>Mode</strong>nschauen (immer mit<br />
Ohrstöpseln in der Tasche, falls die Musik<br />
sie nervt). Designer zittern vor ihrem ausgewogenen<br />
und fundierten Urteil. Als sie<br />
2001 eine Dior-Kollektion verriss, verbannte<br />
der LVMH-Konzern Menkes von allen<br />
Shows – um sie eine Woche später reumütig<br />
wieder einzuladen. Wenn ihr Luxushäuser<br />
teure Geschenke zusenden, schickt<br />
sie diese mit dem spitzen Kommentar zurück,<br />
ein Mädchen solle stets nur Blumen<br />
und Schokolade annehmen.<br />
Ihre Leidenschaft für <strong>Mode</strong> entdeckte die<br />
Britin Anfang der Sechziger, als sie nach<br />
dem Abitur für ein Auslandsjahr nach Paris<br />
kam und einen Schneiderkurs machte. Die<br />
erste Show, die sie besuchte, war Nina Riccis<br />
Couture-Präsentation. Ab 1963 studierte<br />
sie als Stipendiatin in Cambridge und interviewte<br />
schon damals für die Uni-Zeitschrift<br />
etwa Mary Quant. Nach Stationen bei The<br />
Times, wo sie ihren Mann kennenlernte,<br />
und beim Independent ging sie zum Evening<br />
Standard (Anna Wintours Vater, damals<br />
Chef, warb sie ab). Menkes, inzwi-<br />
<br />
und schickt ihre Texte, meist so geschliffen<br />
<br />
zwischen zwei Shows ab. In all den Jahren<br />
hat sie eines nie verloren: ihre Objektivität.<br />
- no -<br />
42<br />
- no -<br />
43<br />
TOPMODELS<br />
Medien interessieren sich hauptsächlich<br />
für die weiblichen Supermodels,<br />
nur wenige Männer finden<br />
den Weg von den Anzeigen und<br />
Plakatwänden in die Klatschspalten<br />
von Celebrity-Magazinen. Eine<br />
Ausnahme ist Gabriel Aubry, der<br />
Ex-Mann von Halle Berry. Wir<br />
haben die interessantesten und<br />
erfolgreichsten Männermodels<br />
zusammengestellt. Man kennt ihre<br />
Gesichter, aber meistens nicht<br />
ihren Namen – und die Biografien,<br />
die sich dahinter verbergen.<br />
Gabr iel<br />
Aubry<br />
Obwohl Kanadier, verkörpert Gabriel<br />
Aubry perfekt den all-american-boy<br />
mit leichtem Hippie-Einschlag. Als Ex-<br />
Mann von Halle Berry und Ex-Boyfriend<br />
von Kim Kardashian sieht man<br />
<br />
in den Spalten der Yellow Press als<br />
in Kampagnen.<br />
LARS<br />
BURMEISTER<br />
Wenn Werner Schreyer und Markus<br />
Schenkenberg einen deutschen Nachfolger<br />
haben, dann Lars Burmeister.<br />
Der 28-jährige Ex-Kfz-Mechaniker ist<br />
aktuell auf Platz zwei der bestverdienendsten<br />
Topmodels der Welt.<br />
Tyson Ballou<br />
So lange auf konstant hohem Niveau zu<br />
arbeiten grenzt an ein kleines Wunder.<br />
Es gibt kaum ein Label, für das Tyson<br />
Ballou nicht vor der Kamera stand.<br />
Entdeckt wurde der Texaner mit 15,<br />
mit 36 ist er erfolgreicher denn je.<br />
Noah Mills<br />
Auch der Mann mit dem edelsten<br />
Sixpack der Branche steht kurz vor dem<br />
Crossover in die Celebrity-Welt. Noah<br />
Mills spielte in „Sex and the City 2“ und<br />
einem Video von Taylor Swift.<br />
Sean O‘Pry<br />
Nicht nur Bands, sondern auch <strong>Mode</strong>ls<br />
werden über das Internet entdeckt. Zum<br />
Beispiel Sean O‘Pry. Der heute 23-Jährige<br />
lief für Saint Laurent, Versace und<br />
Givenchi, er gilt als wichtigstes<br />
Männermodel der Welt.<br />
Jon Kortojarena<br />
Tom Ford-Liebling Jon Kortojanera<br />
wurde nicht nur für die Kampagne des<br />
<br />
Fords Regie-Debut eine Rolle. Der<br />
27-jährige musste zu seinem ersten Job<br />
noch überredet werden.<br />
David Gandy<br />
Castingshows liegen nicht immer falsch:<br />
Der Brite David Gandy gewann in einer<br />
Fernsehsendung einen <strong>Mode</strong>lwettbewerb<br />
und einen Vertrag bei der Agentur<br />
Select <strong>Mode</strong>ls. Der ehemalige Autotester<br />
setzte mit seinem Muskelbody etwas<br />
gegen den Skinny-Look vieler Kollegen.<br />
MARK VANDERLOO<br />
Siehe Interview auf Seite 64.<br />
Ollie Edwards<br />
Der stets verwegen dreinblickende Brite<br />
<br />
werden, bis ihn die Gagen vom <strong>Mode</strong>ln<br />
überzeugten. Seit dem tauchte er in<br />
Kampagnen von Ralph Lauren,<br />
Trussardi und Calvin Klein auf. Sein<br />
Markenzeichen ist eine lange Narbe am<br />
Bauch, das Ergebnis eines Sturzes als<br />
Kind. Edwards sagt lieber, ein Samurai<br />
habe ihm eine Wunde zugefügt...<br />
Garreth neff<br />
<br />
ist Garreth Neffs Markenzeichen ein<br />
makelloser, muskulöser Körper und<br />
perfekte Lippen. Damit wurde er<br />
natürlich zum Gesicht von Calvin Klein,<br />
aber auch Trussardi buchte ihn kürzlich<br />
für eine Kampagne.<br />
62
- no -<br />
44<br />
Fotos: Stefan Armbruster<br />
Text: Hendrik Lakeberg<br />
Styling: Götz Offergeld<br />
Haare/ Make-up: Tricia Le Hanne @ Bigoudi<br />
<strong>Mode</strong>l: Mark Vanderloo<br />
<br />
MARK VANDERLOO<br />
Neben Markus Schenkenberg, Werner<br />
Schreyer und Alex Lundqvist gehört<br />
er zur Riege der männlichen Supermodels<br />
der Neunziger. Obwohl der<br />
Holländer längst nicht mehr darauf<br />
angewiesen ist, sieht man ihn immer<br />
noch in Kampagnen großer Labels.<br />
Für uns schlüpfte Mark Vanderloo in<br />
die aktuelle Prada-Kollektion.<br />
Trotz seines gigantischen Erfolgs sagt<br />
der 44-Jährige: „Das Wichtigste, das<br />
man als <strong>Mode</strong>l lernen muss, ist mit<br />
Zurückweisung umzugehen.”<br />
Herr Vanderloo, erinnern Sie sich an Ihr<br />
erstes Fotoshooting?<br />
MARK VANDERLOO Ich begleitete meine damalige<br />
Freundin, ein <strong>Mode</strong>l, zu einem Termin.<br />
Der Fotograf fragte, ob ich nicht auch<br />
modeln wolle. Ich lehnte aber sofort ab. Ich<br />
fand die Idee seltsam, mich schminken zu<br />
lassen, ich war ein Macho-Kid. Aber der Fotograf<br />
ließ nicht locker. Schließlich hat er<br />
<br />
Ich willigte ein, weil es viel besser bezahlt<br />
war als mein Job in einer Bar. Ich habe es<br />
aber nicht gemocht, vor der Kamera zu stehen.<br />
Später, als ich in Amsterdam studierte,<br />
habe ich langsam wieder angefangen. Es<br />
war einfach zu leicht verdientes Geld.<br />
Was haben Sie studiert?<br />
M VGeschichte. Ich wollte mich auf Euro-<br />
pastudien spezialisieren, für eine internationale<br />
Firma arbeiten und viel reisen. Dann<br />
lernte ich andere Jungs von meiner Agentur<br />
<br />
oder Paris, sahen die Welt und verdienen<br />
damit auch noch Geld. Genau das, was ich<br />
von einem Beruf wollte. Ich entschloss<br />
mich, nur noch zu modeln und hängte das<br />
Studium an den Nagel.<br />
Wurde Sie gleich viel gebucht?<br />
M VAls <strong>Mode</strong>l anzufangen ist schwer. Das<br />
Wichtigste, was man lernen muss, ist mit<br />
Zurückweisung umzugehen. Es ist wie bei<br />
einem Boxer im Ring – wenn du zu oft niedergeschlagen<br />
wirst, gibst du auf. Sehr geholfen<br />
hat mir der Gedanke, dass es nie um<br />
mich persönlich geht. Es war wichtig, mir<br />
klar zu machen: Ich bin ein Produkt. Wenn<br />
man sich so sieht, kann man sich leichter<br />
fragen, was man verbessern kann. Also ein<br />
bisschen zu trainieren, abzunehmen.<br />
Ist Ihnen der Entschluss leicht gefallen,<br />
sich als Produkt zu sehen?<br />
„Drei Monate lagen hinter mir, in denen es nicht eine<br />
Nacht gab, in der ich mehr als fünf Stunden geschlafen<br />
hatte. <strong>Teil</strong>weise bin ich direkt aus dem Club<br />
zum Shoot gegangen.“<br />
M VAnfangs nicht. Aber ich wollte so gut<br />
wie möglich sein. Ich habe mich mit Foto-<br />
<br />
Licht, und Posen überlegt, in denen ich gut<br />
aussah. Bei einem Shoot wusste ich schon<br />
vorher, welches Licht mir steht, wie ich posieren<br />
musste. Wenn der Fotograf das mag,<br />
bucht er dich wieder. Anfangs habe ich häu-<br />
<br />
vor allem mit Jacques Olivar. Das war ein<br />
guter Ausgangspunkt für meine Karriere.<br />
Als Außenstehender denkt man, <strong>Mode</strong>ln<br />
sei ein einfacher Job. Stimmt das?<br />
M VWenn Sie sich total unbeweglich vor<br />
die Kamera stellen, dann machen Sie den<br />
Job nur einmal. Und das war’s. Man muss<br />
dem Fotografen Energie geben, mitdenken.<br />
Fotografen haben sehr verschiedene Arbeitsweisen.<br />
Manche bestimmen jedes Detail,<br />
andere wollen deine Initiative. <strong>Mode</strong>ln<br />
ist eine sehr menschliche Angelegenheit.<br />
Du musst gut kommunizieren können.<br />
Sind Sie deshalb so gut im Pokerspielen?<br />
M VVielleicht. Ich bin gut darin, Menschen<br />
zu durchschauen. Ich weiß sehr schnell, ob<br />
jemand mich mag oder nicht, ob jemand<br />
lügt. Manchmal arbeitest du mit Leuten, die<br />
dir ins Gesicht lügen.<br />
Aber geht es im <strong>Mode</strong>geschäft um Ehrlichkeit?<br />
M VNein, aber um die Fähigkeit, sich Situationen<br />
anpassen zu können, sich in der Gegenwart<br />
des Teams schnell wohlzufühlen<br />
und als Fotograf glaubhaft eine produktive<br />
Atmosphäre herzustellen. Jeden Tag mit anderen,<br />
oft sehr verschiedenen Leuten zu arbeiten,<br />
kann anstrengend sein, wenn du das<br />
<strong>Mode</strong>ln ernst nimmst. Es gibt Momente, in<br />
denen fühle ich mich schuldig, weil ich das<br />
Gefühl habe, nicht alles für einen Job gegeben<br />
zu haben. Aber manchmal ist die Batterie<br />
eben leer. Das Shoot mit <strong>Fräulein</strong> war<br />
sehr entspannt - ein paar Freunde, die Spaß<br />
haben. Man vertraut sich, das ist wichtig.<br />
Ich arbeite lange genug, um zu wissen, wie<br />
man am Ende zehn gute Bilder bekommt.<br />
Aber das ist nicht kreativ. Kreativ ist es, et-<br />
<br />
mir gesehen hat, auch wenn man bei sol-<br />
64<br />
65
chen Shoots oft 95 Prozent der Fotos nicht<br />
gebrauchen kann. Doch die wenigen guten<br />
Aufnahmen sind dann wirklich besonders.<br />
Wann wurde Ihnen klar, dass Sie vom <strong>Mode</strong>ln<br />
ein paar Jahre gut leben können?<br />
M VIch habe erst mit 22 angefangen, relativ<br />
spät. Richtig gut lief es nach zwei Jahren.<br />
Ich hatte mir vorgenommen, mit meinen<br />
ersten 30.000 Gulden eine eigene Bar aufzumachen.<br />
Dann habe ich sehr schnell so<br />
viel gearbeitet und verdient, dass ich diesen<br />
Plan abhakte. Ich nahm mir stattdessen vor,<br />
noch vor meinem dreißigsten Geburtstag<br />
Millionär zu werden. Das habe ich weit vorher<br />
geschafft.<br />
Gab es eine bestimmte Kampagne, die Sie<br />
zum Supermodel gemacht hat?<br />
M VSchwer zu sagen, weil ich so viel gearbeitet<br />
habe. Anfangs teilweise sieben Tage<br />
die Woche, manchmal zwei Jobs an einem<br />
Tag. Ich bin ein Workaholic, mir fällt das<br />
Arbeiten leicht. Auch das Fliegen, ich bin<br />
eine Zeitlang ständig zwischen L.A., New<br />
York, Mailand und Paris unterwegs gewesen.<br />
Irgendwann gab es einen Bruch. Es<br />
war Weihnachten, ich kam zu meiner Mutter<br />
nach Holland. Drei Monate lagen hinter<br />
mir, in denen es nicht eine Nacht gegeben<br />
hatte, in der ich mehr als fünf Stunden geschlafen<br />
hatte. Ich liebte es auszugehen.<br />
<strong>Teil</strong>weise bin ich direkt aus dem Club zum<br />
Shoot gegangen. Das funktioniert, wenn<br />
deine Psyche stark genug ist. Aber dann,<br />
zuhause, fühlte ich mich endlos müde.<br />
Wenn man nicht schläft, verliert man viel<br />
Gewicht, ich war richtig dünn. Ich habe 52<br />
Stunden durchgeschlafen, so erschöpft war<br />
ich. Meine Mutter dachte, ich sei tot!<br />
Haben Sie sich durch Ihre Arbeit verändert?<br />
M VMir wurde irgendwann klar, dass der<br />
Job mein ganzes Leben kontrolliert. Ich<br />
wollte aufhören und habe meinem Agenten<br />
einen langen Brief geschrieben. Das war<br />
1996. Er schrieb mir zurück, dass ich verrückt<br />
sei. Er hatte Recht. Und ich stand wenig<br />
später wieder vor der Kamera. Aber ich<br />
hatte mich entschieden, mir mehr Abstand<br />
zu nehmen.<br />
Hat sich die <strong>Mode</strong>industrie verändert, seit<br />
Sie als <strong>Mode</strong>l arbeiten?<br />
M VIch weiß es nicht. Industrie ist ein großes<br />
Wort. Jede große Stadt hat eine eigene<br />
<strong>Mode</strong>industrie. New York funktioniert anders<br />
als Paris oder Mailand. Das <strong>Mode</strong>business<br />
ändert sich grundsätzlich ständig. In<br />
der <strong>Mode</strong> sucht man immer nach dem<br />
nächsten neuen Ding. Es ist eine harte Industrie,<br />
aber so muss sie sein.<br />
Was meinen Sie damit?<br />
M VIch meine damit nicht nur die Konkurrenz.<br />
Man kann sich nie auf die letzte Saison<br />
verlassen, denn es kommt immer gleich<br />
die nächste. So ist das mit allem, den <strong>Mode</strong>ls,<br />
den Fotografen, den Designern. Keiner<br />
schaut zurück, es muss vorwärts gehen.<br />
Nur die guten Leute bleiben, denn die verstehen<br />
die Industrie.<br />
Sie wissen sehr viel über Fotografie, wollten<br />
Sie je Fotograf werden?<br />
M VDas ist ein ganz anderer Job... Ich mag<br />
es, mit Immobilien zu arbeiten. Da entscheide<br />
ich allein, welches Haus ich kaufe, wieder<br />
verkaufe oder vermiete.<br />
Sie handeln mit Immobilien?<br />
M VJa, schon seit 1998. Ich bin seit langem<br />
nicht mehr auf das <strong>Mode</strong>ln angewiesen.<br />
Es ist interessant, dass viele <strong>Mode</strong>ls wie<br />
Sie sehr geduldig und zurückhaltend<br />
wirken.<br />
M VNa, warum sollte ich ein großes Ego<br />
haben? Du kommst zum Job wie der Stylist<br />
oder der Fotograf. Alle wollen etwas Schönes<br />
produzieren.<br />
Aber es ist Ihr Gesicht, das auf Plakaten<br />
weltweit prangt!<br />
M VIst egal. Ich brauche das Gefühl nicht,<br />
besonderer als andere zu sein. Wenn du anfängst,<br />
das zu denken, schadet das eher. Du<br />
musst immer glauben, dass du es besser machen<br />
kannst. Ein übersteigertes Ego hilft<br />
dabei nicht.<br />
MARK VANDERLOO ist mit 44 Jahren immer noch<br />
eines der best bezahlten <strong>Mode</strong>ls der Welt und<br />
ist stetiges Kampagnenmodel für u.a. Hugo<br />
Boss und H&M. Er lebt mit seiner Frau und den<br />
gemeinsamen Kindern in den Niederlanden und<br />
auf Ibiza.<br />
66<br />
67
68<br />
69
70<br />
71
Foto: Manuela Pavesi, Text: Lisa Leinen<br />
Mit wenig fachlichem<br />
Wissen, aber einem<br />
genialen Gespür<br />
schaffte sie es Prada<br />
in kürzester Zeit zur<br />
Kultmarke zu machen.<br />
45<br />
MIUCCIA<br />
PRADA<br />
Eigentlich hatte Miuccia Prada mit<br />
<strong>Mode</strong> nichts am Hut – bis sie sich<br />
plötzlich kurz nach dem Studium an<br />
der Spitze des Unternehmens ihres<br />
Großvaters wiederfand – um in den<br />
folgenden Jahrzehnten italienischen<br />
Stil neu zu definieren.<br />
2013 feiert Prada nicht nur 100-jähriges<br />
Firmenjubiläum, sondern auch den vorläu-<br />
<br />
Familienunternehmens. Bereits 1978 wird<br />
Miuccia Prada zur Chefdesignerin der Marke,<br />
die ihr Großvater zusammen mit seinem<br />
Bruder in Mailand gründete. Damals ist<br />
sie 28 Jahre alt und hat schon ein abgeschlossenes<br />
Politikwissenschaftsstudium<br />
und eine Schauspiel- und Pantomimeausbildung<br />
in der Tasche. Der Geschäftsmann<br />
Patrizio Bertelli, den sie später heiraten<br />
wird, steht ihr beim Wiederaufbau des<br />
Labels zur Seite.<br />
Mit wenig fachlichem Wissen, aber einem<br />
genialen Gespür für <strong>Mode</strong> und Trends<br />
schafft sie es, Prada in kürzester Zeit zur<br />
<br />
sich bereits Mitte der Achtziger, als sie eine<br />
Tasche aus schwarzen Nylonmaterial entwirft<br />
und sie als luxuriöses Prestige-Objekt<br />
etabliert. Als Logo diente damals wie heute<br />
ein auf den Kopf gestelltes Dreieck. Für den<br />
Herbst/Winter 1989 designt sie zum ersten<br />
Mal eine Damenkollektion – bis dahin war<br />
Prada vor allem für Lederwaren bekannt.<br />
Mit ihren puristischen Entwürfen in gedeckten<br />
Farben schuf sie eine willkommene<br />
Alternative zu den schrillen Visionen anderer<br />
Labels. Knapp zehn Jahre später erfand<br />
sie den von ihr selbst betitelten „Bad Taste-<br />
Look“ – eine Kombination aus auffälligen<br />
Prints und ungewöhnlichen Materialien wie<br />
Latex, Plastik und Satin. Zahlreiche Nachahmer<br />
gaben ihrem Gespür recht.<br />
1993 kam die Prada-Herrenkollektion hinzu.<br />
Neben dieser gestaltet Miuccia, die in<br />
ihrer Freizeit eine engagierte Kunstsammlerin<br />
ist, zudem Prada Linea Rossa (vormals<br />
Prada Sports) und MiuMiu, ein unkonventionelles<br />
Label, das ihren Spitznamen<br />
trägt. Den Hauptumsatz erzielen jedoch immer<br />
noch Lederwaren und Schuhe.<br />
Ein Großteil der Kleidung wird traditionell<br />
in Italien gefertigt. Um davon abweichende<br />
Produkte zu kennzeichnen, initiierte Prada<br />
2010 das Projekt ‚Made In...’. Seitdem sind<br />
die Herstellungsländer im Etikett verzeichnet,<br />
um dem Schindluder, das mit dem Label<br />
„Made in Italy“ getrieben wird, entgegenzuwirken<br />
(oft wird Kleidung mit diesem<br />
Label zwar in Italien zusammengenäht, allerdings<br />
stammen Stoffe und Zuschnitte<br />
aus anderen <strong>Teil</strong>en der Welt).<br />
Für das Frühjahr 2013 sieht Miuccia Prada<br />
Frauen als moderne Geishas in Schwarz,<br />
Weiß und Rot – tough und dennoch weiblich.<br />
Die Perfektionistin gilt als eigensinnig,<br />
als eine, die den allgemeinen Saison-Trends<br />
nicht folgt, sondern ihre eigenen schafft.<br />
– no –<br />
MIUCCIA PRADA wurde 1949 als Maria Bianchi<br />
geboren. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei<br />
gemeinsamen Kindern in Mailand. Das Familienunternehmen<br />
gehört mehrheitlich ihr, die anderen<br />
Anteile sind auf ihre Geschwister Alberto und<br />
Marina, sowie auf ihren Mann verteilt.<br />
72
CHRISTOPHE LEMAIRE<br />
Es mag schönere Worte geben, aber ein nüchternes „Dazwischen“ beschreibt die Arbeit<br />
von Christophe Lemaire perfekt. Zwischen Eleganz und Lässigkeit, kompromissloser<br />
Qualität und sportiver Leichtigkeit – die Designs des Franzosen halten die beiden großen<br />
Pole der <strong>Mode</strong> – Nutzbarkeit und Ästhetik – in einem perfekten Gleichgewicht. Es<br />
gelang ihm, dem Sportriesen Lacoste in zehnjähriger Arbeit als Kreativdirektor ein<br />
modischeres Image zu verpassen. Seit vier Saisons gestaltet er legere Kollektionen für<br />
die Traditionsmarke Hermès. Schon seit 1991 entwirft der Franzose unter eigenem Namen<br />
Kleidung. Das Prinzip ist auch hier: einfache und exakte Schnitte, unaufgeregte<br />
Farben – simpel, schön und bequem.<br />
– no –46<br />
MICHEL GAUBERT<br />
50– no –<br />
Was wären Fashionshows<br />
ohne<br />
Musik? Emotionslos<br />
und wohl seltsam<br />
anzusehen,<br />
wenn <strong>Mode</strong>ls ohne Takt, ohne laute Bässe<br />
monoton über den Laufsteg schritten. Wie<br />
gut also, dass es Menschen wie Michel Gaubert<br />
gibt. Entdeckt wurde er in den Achtzigern<br />
von Karl Lagerfeld, der damals oft<br />
den Plattenladen besuchte, in dem Gaubert<br />
tagsüber arbeitete – und nachts auf-<br />
<br />
etwas ganz anderes. Gaubert ließ sich überzeugen<br />
und lieferte die Musik für eine<br />
Schau von Lagerfelds eigener Linie. Der war<br />
es auch, der die Berufsbezeichnung „Soundstylist“<br />
erfand. Mittlerweile scheint der<br />
50-jährige Gaubert der Monopolist unter<br />
den Fashion-DJs zu sein: Saison für Saison<br />
stellt er die Songs für Labels wie Chanel, Jil<br />
Sander, Bottega Veneta, Raf Simons und<br />
Boss zusammen.<br />
Über 100.000 Euro gibt Gaubert im Jahr für<br />
Musik aus. Seine erste <strong>Mode</strong>nschau sah er<br />
sich mit seiner Großmutter in einem Kaufhaus<br />
an. Die Damen tranken Tee, während<br />
sie die <strong>Mode</strong> erheitert im Takt beklatschten.<br />
Dieser Moment prägte den DJ bis heute,<br />
denn wichtig ist ihm vor allem eins: den<br />
Designern die richtigen Emotionen im<br />
passenden Moment auf den Laufsteg zu<br />
schneidern.<br />
HEDI SLIMANE<br />
ARIZONA MUSE<br />
Als Arizona Muse als <strong>Mode</strong>l begann,<br />
nahm kaum jemand die langhaarige<br />
Blondine wahr. Dann pausierte sie, bekam<br />
ihren Sohn und kehrte 2010 zurück<br />
vor die Kameras. Mit dem Kurzhaarschnitt<br />
kamen Aufträge: Seither<br />
modelt die nun brünette 24-Jährige für<br />
alle großen <strong>Mode</strong>häuser und ist das aktuelle<br />
Gesicht von G-Star. PS: Ihr Name<br />
ist tatsächlich<br />
ihr echter!<br />
– no –<br />
47<br />
Die Decke öffnet sich, gibt gleißendes Licht<br />
frei – der erste Look: ein schmaler, schwarzer<br />
Hosenanzug. Yves Saint Laurents Klassiker<br />
eröffnet das am meisten erwartete De-<br />
<br />
Debut von Hedi Slimane für das Label, das<br />
jetzt Saint Laurent Paris heißt. Zurück zu<br />
den Wurzeln der Sechziger war sein Ziel.<br />
Obwohl eher in den Siebzigern gelandet,<br />
wird er der Substanz von YSL gerecht. Die<br />
Linie ist kühl und dunkel, nur in Ansätzen<br />
verspielt. Sie verwischt – typisch für ihn,<br />
der schon bei Dior Homme die Männermode<br />
revolutionierte – die Grenzen von Maskulinität<br />
und Weiblichkeit und injiziert dem<br />
Traditionshaus ein Mini-Dosis Rock‘n‘Roll.<br />
73<br />
48<br />
– no –<br />
Foto: Y.R.
Foto: Agency V, Interview: Lena Bergmann<br />
STINE GOYA<br />
Sie könnte die Stella McCartney von<br />
Dänemark werden. Stine Goyas Label<br />
gilt als <strong>Teil</strong> einer skandinavischen<br />
Design-Renaissance und wird mittlerweile<br />
international gefeiert. Wir<br />
sprachen mit dem ehemaligen <strong>Mode</strong>l<br />
über Schönheitsideale, die Überbewertung<br />
von Konfektionsgrößen und<br />
ihren eigenen Körper, mit dem sie<br />
sehr zufrieden ist. Obwohl sie das so<br />
nie sagen würde...<br />
Wie sieht der Frauenkörper aus, für den Sie<br />
Ihre <strong>Mode</strong> entwerfen?<br />
STINE GOYA Wenn ich anfange, habe ich immer<br />
meinen eigenen Körper vor Augen.<br />
Aber mir ist wichtig, dass meine Kleider<br />
auch Frauen mit anderen Proportionen stehen.<br />
Und dass sie elegant und feminin an<br />
Körpern wirken, die ganz anders sind als<br />
meiner. Wenn mir beispielsweise eine Frau<br />
mit großen Brüsten – die ich nicht habe –<br />
durch den Kopf geistert, ändere ich deswegen<br />
schon auch mal bewusst Details.<br />
Und trotzdem gibt es keine Größe 42 oder<br />
XL in Ihrer Kollektion...<br />
S G Die Kollektion geht bis 40, das stimmt.<br />
Aber es geht ja nicht nur um die Konfektionsgröße,<br />
sondern darum, dass die <strong>Mode</strong><br />
zu unterschiedlichen Figuren passt. Und<br />
wir denken tatsächlich darüber nach, XL<br />
einzuführen. Man sollte Kleidung ohnehin<br />
über,<br />
welches Gefühl sie der Trägerin gibt.<br />
Sexy. Elegant. Verspielt. Oder reserviert.<br />
Und so weiter.<br />
Schneidern Sie die Kleider auch auf Ihren<br />
Alltag zu? Wie lebt die Frau, die Stine Goya<br />
trägt?<br />
S G Ich versuche eine Kollektion zu entwer-<br />
<br />
Büro bis hin zu festlicheren Looks, wobei<br />
ich keine bodenlangen Kleider<br />
mache. Meine Kundinnen sind<br />
zum <strong>Teil</strong> sehr jung, in den frühen<br />
20ern, aber es geht hoch<br />
bis in die 60er – diese Damen<br />
kombinieren dann zu einem<br />
Seidenkleid eine Lederjacke.<br />
Für mich ist es ein großes<br />
Kompliment, wenn Frauen unterschiedlichen<br />
Alters meine<br />
<strong>Mode</strong> tragen.<br />
Sie wurden mal als Designerin<br />
beschrieben, die <strong>Mode</strong> für Individualistinnen<br />
macht.<br />
S G Die Individualität eines<br />
Menschen hat am Ende wirklich<br />
wenig mit Kleidung zu<br />
tun. <strong>Mode</strong> ist da nur ein Hilfsmittel.<br />
Um ehrlich zu sein,<br />
man muss nicht mutig sein,<br />
um meine Kleider zu tragen.<br />
Die Schnitte sind nicht avantgardistisch.<br />
Allerdings verwende<br />
ich viel Zeit auf die Details,<br />
die sollen sich abheben<br />
von den Entwürfen anderer<br />
großen Firmen. Im Detail bin<br />
ich edgy.<br />
Sie haben auch als <strong>Mode</strong>l gearbeitet.<br />
Welche Erinnerung<br />
haben Sie an diese Phase?<br />
S GIch war fünf Jahre lang<br />
<strong>Mode</strong>l, zwei davon Vollzeit,<br />
drei neben meinem <strong>Mode</strong>-<br />
Studium. Ich erinnere mich,<br />
dass mir damals bewusst war<br />
– und ich glücklich darüber<br />
war –, dass ich im Gegensatz<br />
zu anderen Mädchen nicht viel<br />
über meinen Körper nachdenken<br />
musste, über das, was ich<br />
essen beziehungsweise nicht<br />
essen konnte. Es tut mir im-<br />
mer leid, wenn ich sehe, dass jemand davon<br />
besessen ist, was er isst oder nicht isst.<br />
Meine Freundinnen haben sich früher immer<br />
gewundert, ob ich nicht Diabetes habe<br />
oder Magersucht, weil ich relativ viel essen<br />
konnte, aber einfach nicht zugenommen<br />
habe.<br />
Oh nein! Bitte nicht noch eine Frau mit<br />
diesem mysteriösen Metabolismus...<br />
S GDoch, ich schwöre, das stimmt in meinem<br />
Fall – auch wenn es unfair ist. Natürlich<br />
kann ich heute, also mit Mitte 30, nicht<br />
ohne Ende Pasta in mich hineinschaufeln.<br />
Aber ich muss auch nicht ständig an meinem<br />
Körper arbeiten oder mich reglementieren,<br />
um so auszusehen. Meine Mutter<br />
sieht übrigens genauso aus wie ich.<br />
Sie sind für Ihr eigenes Label hochschwanger<br />
über den Catwalk gelaufen, kurz<br />
vor der Geburt Ihres Sohnes. Ein ziemlich<br />
spektakulärer Auftritt!<br />
S GJa, ich habe versucht, eine Botschaft zu<br />
senden. Ich kenne die Branche und weiß,<br />
was ein solcher Auftritt bewirkt. Ich habe<br />
auch mal ein Jahr als Fashion Director<br />
für ein Magazin gearbeitet. Es war chaotisch,<br />
weil es eine junge Redaktion war,<br />
aber ich habe viel gelernt, vor allem noch<br />
mehr über die Fashion-Branche – ich weiß,<br />
wie es backstage funktioniert beim <strong>Mode</strong>ln,<br />
ich weiß aber auch, worauf es bei Fotoproduktionen<br />
oder Editorials ankommt.<br />
Und ich habe mir ein Netzwerk aufgebaut,<br />
was wiederum beim Start meines Labels<br />
hilfreich war.<br />
Hat es Ihren Blick auf Ihren Körper verändert,<br />
dass Sie Mutter geworden sind?<br />
S G Beim Stillen in der Öffentlichkeit hatte<br />
ich manchmal Probleme. Da fühlte ich mich<br />
doch zu sehr auf diese Funktion reduziert,<br />
zumindest in der Wahrnehmung anderer<br />
Leute. Aber danach habe ich mich auch<br />
wieder ganz normal gefühlt. Und ich muss<br />
mich manchmal daran erinnern: Heute<br />
musst Du Dich mal wieder hübsch machen<br />
und schick anziehen. Als Mutter mag man<br />
es gemütlich.<br />
Was für ein Kompliment hören Sie gerne<br />
über Ihren Körper, vor allem von einer Frau?<br />
S GHeute hat eine Freundin von mir, die<br />
Mutter von vier Kindern ist und viel für ihren<br />
Körper tut, zu mir gesagt, dass sie mich<br />
immer um meine schlanke, aber natürlich<br />
wirkende Figur beneidet hat. Ich habe nämlich<br />
keinen Gym-Body, keinen Workout-<br />
Body, keine sehnigen Muskeln, keinen<br />
Sixpack-Bauch. Ich habe auch keine<br />
Brustimplantate. Ich versuche zwar, zu trainieren.<br />
Aber ehrlich gesagt ist es nicht<br />
„Natürlich höre ich gerne Komplimente, vor allem, dass<br />
ich einen knackigen Hintern habe – und keinen<br />
flachen, was der Realität leider näher kommt.“<br />
so, dass der Sport irgendwelche Spuren<br />
hinterlässt.<br />
Welches Kompliment hören Sie gerne von<br />
einem Mann?<br />
S GIch sehe mich nicht als Sexbombe. Das<br />
ist kein Image, mit dem ich spiele. Aber natürlich<br />
höre auch ich gern Komplimente, vor<br />
allem, dass ich einen knackigen Hintern<br />
<br />
leider näher kommt.<br />
Sie haben einen Silberblick, wie ich übrigens<br />
auch. Man sieht immer leicht stoned aus,<br />
oder?<br />
S GVor allem auf Fotos! Wir nennen es<br />
in Dänemark „den Westernblick“, weil er so<br />
entspannt wirkt. Auf viele Männer wirkt<br />
das anscheinend sexy und frivol. Auf jeden<br />
<br />
Sie sind eine echte Rothaarige. Mochten Sie<br />
das immer?<br />
S GAls Kind hatte ich Probleme damit, weil<br />
ich gehänselt wurde. Ich wurde „Erdbeer-<br />
Helm“ genannt. Später habe ich meine Haare<br />
mal umgefärbt. Meine Mutter ist blond<br />
und mein Vater sehr dunkel. Es gibt sonst<br />
keine anderen Rothaarigen in meiner<br />
Familie.<br />
Gab es auch mal eine Phase, in der Sie sich<br />
richtig unwohl gefühlt haben?<br />
S GAls ich Brüste bekommen habe, hat<br />
mich am Anfang sehr gestört, dass sie nicht<br />
so groß waren wie die der anderen Mädchen,<br />
denn darauf standen natürlich die<br />
Jungs. In der Pubertät können die Bürschlein<br />
an nichts anderes denken als an große<br />
Busen. Heute bin froh, kleine Brüste zu haben.<br />
Mich überrascht es, wie viele Frauen<br />
sich ihre Brüste operieren lassen, auch viele,<br />
die ich kenne. Starke Frauen, von denen<br />
man nicht gedacht hätte, dass sie es nötig<br />
haben, weil sie schon zuvor einen schönen<br />
Körper hatten. Ich mag natürliche Proportionen,<br />
auch wenn dann der Oberkörper<br />
eine 36 ist und der Hintern zwei Nummern<br />
größer.<br />
Was tun Sie für Ihren Körper?<br />
S GIch fahre jeden Tag mit dem Fahrrad<br />
zur Arbeit. Das dauert fünf Minuten (lacht).<br />
Und ich probiere immer mal verschiedene<br />
Work-outs aus, im Moment mache ich Muskel-Pilates.<br />
Ich gehe ab und zu joggen, aber<br />
als Mutter klappt das auch nicht so richtig:<br />
Man versucht immer, ein kleines Freizeitfenster<br />
für sich zu schaffen, aber am Ende<br />
arbeitet man dann meist doch.<br />
Wenn Sie sich in einen anderen Körper<br />
hineinbeamen könnten, mit wem würden<br />
Sie gerne für eine Woche tauschen? Ich<br />
zum Beispiel mit Ryan Gosling – wegen Eva<br />
Mendes.<br />
S GOh, darüber müsste ich nachdenken, da<br />
fällt mir spontan gar nichts ein! Meine<br />
Phantasie hat sich noch nie in Richtungen<br />
dieser Art bewegt, nicht mal zum Spaß oder<br />
als gedankliches Experiment. Wahrscheinlich<br />
weil ich ziemlich entspannt bin, was<br />
meinen Körper betrifft. Ich könnte ihn nie<br />
radikal verändern, weder durch beamen<br />
oder Work-outs oder Schönheitsoperationen.<br />
Es würde nicht zu meiner Einstellung<br />
passen.<br />
- no -<br />
51<br />
DER<br />
KÖRPER<br />
STINE GOYA gründete ihr Label 2006, nachdem sie<br />
am Londoner Central St. Martins studiert hatte.<br />
Sie lebt mit ihrer Familie in Kopenhagen, wo<br />
sie auch jährlich ihre Kollektionen präsentiert.<br />
Unter stinegoya.com/loves zählt sie all ihre<br />
Idole auf – darunter Tin Tin, Spike Jones und<br />
The Smiths.<br />
74<br />
75
Foto: Randall Bachner, Interview: Götz Offergeld<br />
THOM BROWNE<br />
- no -<br />
52<br />
Seinen Shop in Soho, New York, hat er<br />
von außen mit Jalousien abgedunkelt.<br />
Innen sehen die Verkäufer aus wie die<br />
perfekte Kopie seiner selbst: die Hose<br />
leicht zu kurz, das Hemd bis oben<br />
zugeknöpft. Thom Browne ist längst<br />
nicht mehr nur unter hippen Anzugträgern<br />
bekannt. Der Amerikaner,<br />
der zuvor bei Club Monaco gearbeitet<br />
hat, einem Label von Ralph Lauren,<br />
machte seinen persönlichen Stil zur<br />
Marke. Im Interview gibt er sich so,<br />
wie man es erwartet: kurzangebunden,<br />
etwas arrogant – und cool.<br />
Herr Browne, wie geht es Ihnen heute?<br />
THOM BROWNE Sehr gut, danke!<br />
Was haben Sie zuerst getan, nachdem Sie<br />
heute aufgewacht sind?<br />
T B Ich war joggen, wie eigentlich jeden<br />
Morgen.<br />
Haben Sie ein tägliches Ritual, an das Sie<br />
sich stets halten?<br />
T B Laufen, Arbeiten, Trinken, Essen,<br />
Schlafen. Ganz einfach.<br />
Wie können wir uns Ihre Wohnung vorstellen?<br />
Wie ist sie eingerichtet?<br />
T B Sehr schlicht und pur, von den Wänden<br />
bis zu den Möbeln.<br />
„Ich schätze an Paris, dass die Menschen dort viel<br />
interessierter an konzeptuellem Design sind. Es ist alles<br />
noch nicht so kommerziell.“<br />
Was bedeutet <strong>Mode</strong> für Sie und wie würden<br />
Sie sie definieren?<br />
T B Ehrlich gesagt denke ich darüber nicht<br />
nach.<br />
Wünschen Sie sich manchmal insgeheim,<br />
dass alle Männer und Frauen dieser Welt<br />
in Thom Browne gekleidet durch die<br />
Straßen laufen?<br />
T B Nein!<br />
Mögen Sie es, wenn die Träger Ihrer <strong>Teil</strong>e<br />
den Look Ihrer Kollektion durch Kombinationen<br />
mit anderen Labels und Stilen<br />
entfremden?<br />
T B Ich schätze das sehr, wenn Leute ihren<br />
ganz persönlichen Stil ausdrücken und meine<br />
Entwürfe immer anders aussehen<br />
lassen.<br />
Hatten oder haben Sie Vorbilder, die Sie<br />
bewundern?<br />
T B Nein, nicht wirklich. Ich habe immer<br />
schon mein eigenes Ding gemacht und ich<br />
schätze jeden, der ähnlich denkt.<br />
Sie zeigen Ihre Kollektionen seit ein paar<br />
Jahren in Paris. Was schätzen Sie an der<br />
französischen <strong>Mode</strong>?<br />
T B Ich schätze an Paris, dass die Menschen<br />
dort viel interessierter an konzeptuellem<br />
Design sind. Es ist alles noch nicht so<br />
kommerziell.<br />
Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann<br />
einmal ein großes <strong>Mode</strong>haus zu übernehmen.<br />
T B Klar, warum nicht?<br />
Und welches?<br />
T B Vielleicht Chanel?<br />
76<br />
Welchen Bezug haben Sie zu London?<br />
Die Stoffe und Ihr Stil erinnern sehr an<br />
die englische Schneiderkunst.<br />
Eigentlich habe ich keinerlei Beziehung<br />
dazu, außer eben einer gewissen Wertschätzung<br />
der Maßschneider in der Savile<br />
Row.<br />
Inwieweit hat sich Ihre Arbeit geändert,<br />
seit ein japanischer Investor bei Thom<br />
Browne eingestiegen ist?<br />
T B Auf der kreativen Ebene hat sich gar<br />
nichts geändert, im Gegenteil. Vielleicht<br />
habe ich dadurch noch mehr Freiheiten<br />
bekommen, was meine Entwürfe angeht.<br />
Mit welchem Stylisten arbeiten Sie momentan<br />
zusammen?<br />
T B Ich arbeite mit keinem Stylisten, ich<br />
mache alles selbst.<br />
Wie beurteilen Sie die Arbeit eines<br />
Stylisten generell?<br />
T B Ehrlich gesagt: Keine Ahnung! Ich verbinde<br />
deren Arbeit immer nur mit Editorials<br />
und Werbung.<br />
Welchen Fotografen schätzen Sie am<br />
meisten?<br />
T B Leni Riefenstahl. Ich liebe die Ästhetik<br />
ihrer Bilder.<br />
Sind Sie ein Kunstsammler?<br />
T B Ja, ein bisschen. Aber ich lege mich<br />
<br />
Wer sind Ihre Lieblingskünstler?<br />
T B John Singer Sargent und Antony<br />
Gormley.<br />
Ist New York immer noch ein place to be?<br />
T B Für mich? Ja!<br />
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?<br />
T B Keine Ahnung, absolut keine Ahnung.<br />
Ich mache mir keine Gedanken darüber.<br />
Lesen Sie Magazine?<br />
T B Ja, aber nur sehr ausgewählt. Den New<br />
Yorker mag ich.<br />
Wer ist Ihr Lieblingsdesigner?<br />
T B Rei Kawakubo.<br />
Tragen Sie nur Ihr eigenes Label?<br />
T B Ja.<br />
THOM BROWNE wurde 1965 geboren. Eigentlich<br />
studierte er Wirtschaftswissenschaften,<br />
versuchte sich als Schauspieler und arbeitet<br />
als Verkäufer in einer Armani Boutique. 2001<br />
gründete er sein eigenes Label.<br />
Fotos: Randall Bachner, Styling: Bernat Buscato, Make-up: Christopher Ardoff @ Art Department NYC<br />
Haare: Rodney Groves @ Art Department NYC, <strong>Mode</strong>ls: Kristy Kaurova @ New York <strong>Mode</strong>ls,<br />
<br />
77
RUBRIK<br />
Foto, Text Namen<br />
79
Foto: Terry Richardson, Interview: David Torcasso<br />
RENZO ROSSO<br />
Renzo Rosso hat in den Achtzigern<br />
gebleichte Jeans aus einem Bulli<br />
verkauft und leitet heute einen der<br />
größten <strong>Mode</strong>konzerne der Welt.<br />
Der Diesel-Erfinder über harte<br />
Arbeit und Emails in der Badewanne.<br />
Warum ist es gut, dumm zu sein?<br />
RENZO ROSSO Ich wurde bereits als Jugendlicher<br />
gefragt, ob ich dumm sei,<br />
weil ich Dinge anders gemacht habe als<br />
andere. Angefangen mit der Idee, Jeans<br />
zu bleichen. Dumm zu sein ist gut!<br />
Dumm zu sein heißt, seinem Herzen zu<br />
folgen, Überraschendes zu tun und sich<br />
nicht darum zu scheren, was andere<br />
denken. Und man sollte keine Angst<br />
haben zu scheitern.<br />
Anfangs verkauften Sie Ihre gebleichten<br />
Jeans aus einem Bus. Wie denken<br />
Sie heute über diese Zeit?<br />
R RIch erinnere mich mit Freude daran.<br />
Ich war jung und völlig frei. Aber<br />
ich denke auch gerne daran, wie ich mit<br />
15 Jahren mein erstes Paar Denim-<br />
Jeans auf der Maschine meiner Mutter<br />
nähte. Auch heute, mit 57 Jahren, habe<br />
ich diese Leidenschaft nicht verloren.<br />
Sie finden, Ihre Jeans seien nicht ein<br />
Produkt, sondern ein Lifestyle?<br />
R RSie repräsentieren eine Welt, die<br />
in den Sixties mit Denim angefangen<br />
hat und seither als Symbol für Freiheit,<br />
blauen Himmel, junge Menschen und<br />
Rock´n´Roll steht.<br />
Diesel ist eines der größten <strong>Mode</strong>-Unternehmen<br />
der Welt. Sie wuchsen<br />
auf einem Bauernhof auf. Was ist<br />
das Wichtigste, was Sie dort gelernt<br />
haben?<br />
R RHart zu arbeiten, ehrlich zu sein und<br />
an meine Träume zu glauben. Meine Eltern<br />
haben mir das alles vermittelt.<br />
Ein Mann kauft doch höchstens alle drei<br />
bis fünf Jahre ein Paar Jeans. Wie können<br />
Sie überhaupt erfolgreich sein?<br />
R RIch denke, das hat sich in den letzten<br />
Jahren gewaltig verändert.<br />
Sie möchten den Fokus nun vermehrt auf<br />
Damenmode legen. Weshalb?<br />
R RGanz einfach: Frauenmode hat ein großes<br />
Potenzial. Dieses haben wir bei Diesel<br />
noch nicht ausgeschöpft.<br />
53<br />
Sind Frauen in Sachen Fashion besser als<br />
Männer?<br />
R RSchwierig zu beurteilen. Aber Frauen<br />
gewinnen am Schluss, weil sie Charme haben<br />
und über mehr Ressourcen als Männer<br />
verfügen...<br />
Handwerk, Vintage und Tradition sind<br />
derzeit oft zitierte <strong>Mode</strong>-Worte. Warum?<br />
R RHandwerk und Tradition sind der beste<br />
Beweis, dass ein <strong>Mode</strong>unternehmen über<br />
Know-how und Expertise verfügt. Und diese<br />
Expertise hängt widerum stark mit dem<br />
Handwerk zusammen. Vintage hingegen ist<br />
eine endlose Quelle an Inspirationen.<br />
Sind heutzutage die Jeans als Kleidungsstück<br />
wichtiger oder das Marketing um sie<br />
herum?<br />
R R <br />
tig: die Kleider und das Marketing. Ohne<br />
Qualität gibt es kein Fundament, aber du<br />
musst auch Geschichten erzählen, um aus<br />
der DNA deiner Marke einen Lifestyle zu<br />
kreieren.<br />
– no –<br />
RENZO ROSSO fügt bei Unterschriften und Autogrammen<br />
gerne das Wort enjoy hinzu. Er wohnt<br />
mit seiner Familie auf einer Ranch in Italien.<br />
Zu seiner Genius-Gruppe gehören u.a. Diesel,<br />
Maison Martin Margiela und Victor&Rolf.<br />
` HERMES<br />
Es war einmal der Sohn eines Krefelder<br />
Kneipenwirts. Doch seinem Leben als einfacher<br />
Sattlermeister wurde dieser Dietrich<br />
Hermes alsbald überdrüssig, er strebte<br />
nach Größerem. So zog er 1827 nach Paris,<br />
vertrieb Sättel und Zaumzeug, war tüchtig<br />
und änderte seinen Namen in Thierry Hermès<br />
– nicht ahnend, dass Schöne und Reiche<br />
sich ihre Köpfe auch 2012 noch nach<br />
Hermès-Produkten verrenken würden; sogar<br />
mehr denn je.<br />
<br />
Sohn dem Reitsportsortiment schließlich<br />
Taschen und Koffer hinzu, denn mit dem<br />
Siegeszug der Technik musste der altbewährte<br />
Gaul modernen Eisenbahnen und<br />
Autos weichen. 1920 enterte die klassische<br />
Handtasche den Markt, eine Prêt-à-porter-<br />
Linie für Herren folgte in den Siebzigern,<br />
die Damenmode schloss sich in den Achtzigern<br />
an – eine Erfolgsgeschichte, die bis<br />
heute währt.<br />
Hermès steht nicht umsonst für Tradition,<br />
Qualität und Luxus in Reinform: Um in den<br />
Besitz einer legendären Birkin Bag zu kommen,<br />
muss Mademoiselle es sich auf der<br />
Warteliste bequem machen; und auch die<br />
Kelly Bag, deren Namen Grace Kelly höchstselbst<br />
prägte, löst noch heute Herzrasen<br />
aus. Erschwinglicher, aber nicht minder beliebt<br />
sind seit den Thirties die typischen<br />
Seiden-Carrés samt ihrer einzigartigen<br />
Dessins.<br />
<strong>Mode</strong>kritiker befassen sich jedoch am liebsten<br />
mit den Schauen der vielleicht bedeutendsten<br />
Marke der Welt, deren Börsenwert<br />
bei gut 25 Milliarden Euro liegt – und das,<br />
obwohl Chefdesigner Christophe Lemaire<br />
mit seinen visionären Kollektionen und<br />
aberwitzigen Kreationen nicht den kleinsten<br />
Raum für Stirnrunzeln lässt. Noch ein<br />
Hermès-Pluspunkt ist: Alle Mitarbeiter bekommen<br />
Toplöhne, alle halten Anteile am<br />
Unternehmen.<br />
– no –<br />
54<br />
SO<br />
KLINGT DIE<br />
MODE!<br />
Zusammen mit dem<br />
Produzenten &ME bildet Fetisch<br />
das Elektronik-Duo Terranova.<br />
Die DJ-Legende über seine<br />
Fashion Top Ten und das<br />
Wesen der <strong>Mode</strong>.<br />
Meine drei großen Fashion-Ikonen<br />
sind der Künstler Leigh Bowery, der<br />
Pornostar Peter Berlin und Jordan.<br />
Letztere war Muse und Verkäuferin<br />
in den legendären „Sex“ und „Seditionaries“<br />
von Vivienne Westwood<br />
und Malcolm McLaren. Für mich der<br />
absolute Höhepunkt der <strong>Mode</strong> in den<br />
letzten 50 Jahren. Originalstücke aus<br />
diesen Boutiquen haben bei Auktionen<br />
bei Christies und Sotheby’s Preise<br />
erzielt, die die von YSL- oder Chanel-Originalen<br />
um ein Vielfaches<br />
übersteigen.<br />
Gute <strong>Mode</strong> hat ihren Ursprung auf<br />
den Straßen, sie handelt von der<br />
Nacht, von Revolution und vor allem<br />
von Sex. Für mich kann das so weit<br />
<br />
Sexakt ist und man gar keinen<br />
Partner mehr dazu braucht.<br />
Diese zehn Stücke stehen für mich<br />
für die Energie der Nacht, Sex und<br />
die Sehnsucht nach Revolution –<br />
deshalb assoziiere ich sie mit <strong>Mode</strong>.<br />
- no -<br />
55<br />
1. SALSOUL ORCHESTRA/TOM MOULTON<br />
Love it ( love break)<br />
2. BLAZE<br />
Brake 4 love<br />
3. THE VELVET UNDERGROUND<br />
Venus in Furs<br />
4. GRACE JONES<br />
La vie en rose<br />
5. SILVESTER<br />
Mighty Real<br />
6. MADONNA<br />
Justify my Love<br />
7. BRIGITTE BARDOT<br />
Contact<br />
8. THE ROLLING STONES<br />
Gimme Shelter<br />
9. DOMINAS<br />
Domina<br />
10. GENE VINCENT<br />
Blue jean baby<br />
Foto: Ronald Dick<br />
84
- no –<br />
56<br />
Fotos: Olivia Bee für Hermès<br />
Text und Interview: Nike van Dinther<br />
OLIVIA<br />
BEE<br />
Olivia Bee hat sich mit ihren verträumten<br />
Bilderwelten eine große<br />
Fangemeinde aufgebaut. Mittlerweile<br />
wird die 18-jährige Fotografin und<br />
Bloggerin aus Portland von großen<br />
<strong>Mode</strong>marken für kleine Kampagnen<br />
gebucht. Gerade sogar von Hermès.<br />
Ihre Geschichte ist fast so märchenhaft<br />
wie die des traditionsreichen<br />
französischen Hauses.<br />
Was hat Hermès bewogen, mit Ihnen zusammenarbeiten<br />
zu wollen?<br />
OLIVIA BEE Ich glaube, man hat in mir etwas<br />
ganz anderes gesehen. Normalerweise arbeiten<br />
Luxusmarken ja mit etablierten Fo-<br />
<br />
auf mich, weil ich das Märchenhafte in den<br />
Dingen sehe. Meine Arbeit ist sehr ehrlich<br />
und echt. Beinahe naiv.<br />
Wie ist es Ihnen gelungen, für eine kommerzielle<br />
Marke zu arbeiten und gleichzeitig<br />
authentisch zu bleiben?<br />
O B In meinen Arbeiten stecken immer viel<br />
Herzblut und Seele. Das Allerwichtigste<br />
ist für mich, mir selbst treu zu bleiben,<br />
als Mensch und Künstler, und trotzdem<br />
in der Lage zu sein, den Kunden<br />
zufriedenzustellen.<br />
Was halten Sie persönlich von Hermès?<br />
O BHermès ist eine tolle Marke, die viel<br />
Zeit und Energie in jedes Produkt steckt.<br />
Ich hätte jedes der Tücher, die ich fotogra-<br />
<br />
habe ich bekommen, in einem hübschen<br />
Violett-Ton. Ich kann gar nicht abwarten, es<br />
zu tragen.<br />
Normalerweise beginnt man seine Karriere<br />
ganz unten. Sie hingegen haben gleich<br />
mit einigen der größten Marken der <strong>Mode</strong>welt<br />
losgelegt. Hat man danach überhaupt<br />
noch Träume?<br />
O B Haha, danke sehr! Nun ja, ich fühle<br />
mich natürlich sehr geschmeichelt und bin<br />
ziemlich aufgeregt und dankbar wegen all<br />
der Möglichkeiten, die sich mir eröffnet haben.<br />
Aber ich weiß auch, dass ich ziemlich<br />
hart dafür gearbeitet habe. Mein Leben verlief<br />
in den vergangenen drei Jahren ganz<br />
schön verrückt, was bedeutet, dass ich nur<br />
ziemlich selten gelangweilt bin. Ich würde<br />
allerdings gerne viel mehr Filme machen, in<br />
Feature-Länge, Musikvideos oder Werbespots,<br />
eben alles! Ich liebe Bilder - darum<br />
geht es. Ich könnte Fotos von allem Möglichen<br />
machen und wäre jedes Mal begeistert.<br />
Mein größter Traum: ein Fotoshooting<br />
auf dem Mond.<br />
Portland ist zwar nicht ganz so weit weg,<br />
soll aber durchaus interessant sein, auch<br />
in modischer Hinsicht. Erzählen Sie doch<br />
mal...<br />
B Die <strong>Mode</strong> in Portland ist ok. Es gibt na-<br />
türlich Menschen, die sich interessant kleiden,<br />
und man sieht viele Mädchen, die schönes<br />
pastellfarbenes Haar tragen – aber ich<br />
weiß nicht recht. Ich bin dieser Tribal-<strong>Mode</strong><br />
ein wenig überdrüssig, diesem Look, für<br />
den man sich man sich ungefähr 20 Ketten<br />
hängt<br />
oder was auch immer. Ich selbst fühle<br />
mich jedenfalls nicht sonderlich inspiriert<br />
von der <strong>Mode</strong> in Portland. Aber ab und an<br />
begegnet mir trotzdem jemand, der perfekt<br />
gekleidet ist – darüber freue ich mich.<br />
Welche Relevanz hat <strong>Mode</strong> überhaupt<br />
für 18-Jährige? Vor allem für Sie?<br />
O B Man sieht <strong>Mode</strong> ganz anders, wenn<br />
man in einem Alter ist, in dem man noch<br />
auf‘s College geht und das eigene Geld in<br />
erster Linie für Essen oder Toilettenpapier<br />
ausgeben muss. Da kann es ziemlich<br />
schwer fallen, sich darauf zu konzentrieren,<br />
wie man aussieht oder sich nach Außen<br />
präsentiert, wenn man sich aus dem Bett<br />
direkt zum Kurs schleppt. Andere hingegen<br />
erleben diese Phase als ultimativen <strong>Mode</strong>-<br />
Höhepunkt. Das ist die Zeit, in der alles fantastisch<br />
an dir aussieht, weil du selbst kein<br />
Stück daran zweifelst. Die Zeit, in der du<br />
noch Risiken eingehst. Die Zeit, in der du<br />
anderen Menschen durch das, was du<br />
trägst, zeigst, wer du bist. Mir persönlich<br />
ist <strong>Mode</strong> sehr wichtig, das war sie schon<br />
immer. In Plateau-Schuhen, schönen Kleidern<br />
und plüschigen Jacken fühle ich mich<br />
viel besser als in Jogginghosen. Ich bin allerdings<br />
sehr sprunghaft. Ich mag es, jeden<br />
Tag ein anderer Charakter zu sein, jeden<br />
Tag in einer anderen Stimmung zu leben.<br />
Andere Klamotten zu tragen, andere Musik<br />
zu hören, sogar täglich anders zu entscheiden,<br />
wo ich lang laufe und wie ich dabei<br />
gehe…<br />
Als Fotografin erzählen Sie gerne Geschichten<br />
darüber, ein Teenager zu sein.<br />
Was ist das Schwierigste daran?<br />
O B Teenager zu sein ist ziemlich hart.<br />
Aber auch wundervoll; es passiert so viel.<br />
Es ist eine spannende Phase, in der viele he-<br />
<br />
so kompliziert und irre! Ich komme langsam<br />
an das Ende meiner Teenagerzeit. Ich<br />
habe gerade die High School abgeschlossen.<br />
Langsam begreife ich, dass diese Phase<br />
ziemlich viel unnötiges Drama beinhaltet –<br />
aber genau dieses Drama hat die Zeit wahrscheinlich<br />
auch so unvergesslich gemacht.<br />
Egal wie alt oder jung wir sind, es scheint<br />
manchmal, als hätten wir alles, was in<br />
der <strong>Mode</strong>welt und -Fotografie möglich ist,<br />
schon längst gesehen. Kann das endlos so<br />
weitergehen?<br />
O B Darüber denke ich auch manchmal<br />
nach. Aber im Zeitalter der Technologie<br />
ist doch alles möglich. Es kommt nur da<br />
rauf an, die Dinge richtig miteinander zu<br />
verknüpfen.<br />
86<br />
87
Illustration: Katrin Funcke, Text: Doris Hardt<br />
KARL<br />
LAGERFELD<br />
Karl Lagerfeld würde wahrscheinlich<br />
sagen, dass Sex etwas für Proleten ist,<br />
die sich grunzend aneinanderreiben.<br />
Trotzdem ist unsere Autorin elektrisiert<br />
von der übermenschlichen<br />
Kultiviertheit des <strong>Mode</strong>titanen, in<br />
dessen Gegenwart sie sich immer ein<br />
bisschen schmutzig fühlt.<br />
57- no -<br />
PIN-UP<br />
Es ist natürlich nichts Sexuelles. Karl Lagerfeld<br />
hat etwas entschieden Asexuelles;<br />
und ich glaube, er wäre nicht einmal gekränkt,<br />
wenn man ihm das persönlich sagen<br />
würde. Er würde wohl den Kopf schütteln<br />
und sagen: „Ja, Sex, dégueulasse. Für<br />
Primaten und Proleten. Ich überlasse es<br />
anderen, sich grunzend aneinanderzureiben.<br />
Ich lese lieber.“<br />
Und ich würde denken: stimmt eigentlich.<br />
Und mir wäre Sex sofort auch widerwärtig.<br />
So geschieht es bei fast allem, was Karl Lagerfeld<br />
sagt, es scheint die unumstössliche<br />
Wahrheit zu sein, die einzig mögliche Haltung<br />
– auch wenn man vorher noch absolut<br />
vom Gegenteil überzeugt war.<br />
Karl Lagerfeld ist immer einmal klüger,<br />
immer einmal radikaler, er hat immer noch<br />
einen Schritt weitergedacht. Er ist hypermodern<br />
in seiner altmodischen Art, er ist<br />
der Gralshüter der Kultiviertheit und vielleicht<br />
der letzte Mensch, der wirklich keinen<br />
Gedanken daran verschwendet, anderen<br />
gefallen zu wollen, nie, never, jamais,<br />
denn er kann sich den Luxus der unbedingten<br />
Ehrlichkeit leisten.<br />
Karl Lagerfeld ist eine Insel. Eine am<br />
schönsten Ort der Welt in harter Arbeit<br />
selbstaufgehäufte Insel. Wenn er also sagt,<br />
Adele sei „ein bisschen zu fett“, dann heult<br />
die Welt auf, denn wie kann man denn bloß,<br />
die liebe Adele, die so schön singt, aber die<br />
Welt entblößt damit ihre ganze Scheinheiligkeit,<br />
denn so gibt sie zugleich zu, dass<br />
„ein bisschen zu fett“ das schlimmstmögliche<br />
Urteil über einen Menschen ist. Aber<br />
bei Karl ist es ganz schlicht eine Feststellung,<br />
seine Wahrheit, die Wahrheit.<br />
In der Entwicklung des Übermenschen<br />
Lagerfeld hat er menschliche Makel wie<br />
Maßlosigkeit beim Essen hinter sich gelassen,<br />
er hat sich selbst bewiesen, dass es<br />
geht. Und so schaut er mit einem gewissen<br />
Unverständnis auf normale Menschen, die<br />
noch immer irgendwelche Todsünden begehen,<br />
einfach, weil sie undiszipliniert sind,<br />
wie Tiere sind. Es reicht kaum jemand an<br />
den Grad von Evolution heran, den Karl Lagerfeld<br />
erreicht hat.<br />
Und so ist es vielleicht eine masochistische<br />
Fantasie von mir, mit Karl Lagerfeld Zeit zu<br />
verbringen, denn ich wäre ständig gedemütigt.<br />
Wir würden in einem Saal seiner Wohnung<br />
in Paris sitzen, auf Sofas und Sesseln,<br />
die nicht zum Fläzen gemacht sind, sondern<br />
eine aufrechte Haltung erfordern, Körperspannung,<br />
Beherrschung, Würde.<br />
Das würde bei ihm auch funktionieren mit<br />
der Würde; wie ein intergalaktisches Lichtwesen<br />
säße er da, doch ich würde doch nur<br />
aussehen wie der Mensch spielende Affe,<br />
der ich halt bin. Choupette, seine weiße Katze,<br />
würde mich verächtlich ansehen von ihrem<br />
Platz auf der Armlehne von Lagerfelds<br />
Sessel, und wenn sie endlich die blauen Augen<br />
schließt und den Kopf auf ihre Vorderpfoten<br />
bettet, wüsste ich, dass sie es tut,<br />
weil sie das, weil sie MICH! nicht mehr ansehen<br />
mag.<br />
In meiner Fantasie trägt Karl Lagerfeld zuhause<br />
immer lange weiße Nachthemden aus<br />
allerfeinster ägyptischer Baumwolle. „Ich<br />
schlafe nie nackt, warum sollte ich, also trage<br />
ich das Laken sozusagen am Körper,“<br />
würde er sagen, aber die Bettwäsche ist natürlich<br />
ebenfalls aus allerfeinster ägyptischer<br />
Baumwolle, vom Besten kann man<br />
nie genug haben.<br />
Er würde kohlensäurelose Cola Light trinken,<br />
und nicht mal ein Erdbeben könnte ihn<br />
dazu bringen, auch nur ein Tröpfchen davon<br />
auf den teuren weißen Stoff zu kleckern. Ab<br />
und zu würde er aufstehen und sich an einen<br />
riesigen Tisch setzen, so groß wie ein<br />
kleines Land, und ein Fax schreiben.<br />
Und ab und zu würde ich aufstehen und<br />
durch seine Wohnung streifen; es wäre<br />
egal, denn er ignoriert mich ja sowieso, und<br />
Es ist vielleicht eine masochistische Fantasie<br />
von mir, mit Karl Lagerfeld Zeit zu verbringen,<br />
denn ich wäre ständig gedemütigt.<br />
er hat nichts zu verstecken, denn in Wohnungen<br />
wird nur das versteckt, was deren<br />
Bewohner allzu menschlich macht.<br />
Und so würde ich bei Karl keine Dosen<br />
<br />
(wahrscheinlich nicht einmal ein Klo), kein<br />
Essen und keinen nostalgischen Tand. Nur<br />
Bücher, überall. Und dann würde ich mich<br />
wieder zu ihm in den Saal setzen, sehr aufrecht,<br />
und darüber nachdenken, wie ich<br />
mich bessern könnte.<br />
KARL LAGERFELD macht bis heute ein Geheimnis<br />
aus seinem Alter. Der gebürtige Hamburger<br />
lebt in einer Pariser Villa. Seit 1984 ist er Chefdesigner<br />
bei Chanel, zuvor 20 Jahre lang bei<br />
Chloé. Neben seiner Tätigkeit als <strong>Mode</strong>designer,<br />
<br />
selbst.<br />
88<br />
89
Fotos: David Fischer<br />
Text: Lisa Leinen<br />
Styling: Götz Offergeld<br />
Haare/ Make-up: Christian Fritzenwanker @ Perfect Probs using MAC Cosmetics<br />
<strong>Mode</strong>l: Laura O’Grady @ Select <strong>Mode</strong>ls<br />
<br />
<br />
EMPORIO<br />
ARMANI<br />
58<br />
- no -<br />
Der große König der italienischen<br />
<strong>Mode</strong> ist auch mit 78 Jahren nicht<br />
müde, sein Stil-Imperium auf der<br />
ganzen Welt zu verbreiten. Grenzen<br />
kennt er dabei nicht – nur die seines<br />
eigenen Geschmacks.<br />
Die Karriere Giorgio Armanis liest sich wie<br />
ein <strong>Mode</strong>märchen: vom Schaufensterdekorateur<br />
zum Fashionguru, dem gleichermaßen<br />
der Anzugträger, die moderne Frau<br />
und die Hollywoodstars vertrauen. 1934 in<br />
Norditalien geboren, beginnt er nach dem<br />
Abitur ein Medizinstudium, merkt jedoch<br />
schnell, dass er sich nicht sein Leben lang<br />
von Krankheiten umgeben sein möchte. Er<br />
arbeitet einige Jahre als Schaufensterdekorateur,<br />
bevor er als Herren-Einkäufer für<br />
das Mailänder Warenhaus La Rinascente<br />
seine Karriere startet. 1961 wechselt er zu<br />
Nino Cerruti, bekannt für edle Businessmode<br />
und einen klassisch-männlichen Stil.<br />
Eine Philosophie, die auch Armani später<br />
mit seiner eigenen Marke verfolgen wird.<br />
1966 begegnet er dem Mann, der ihn mit<br />
diesem Vorhaben unterstützen wird: Sergio<br />
Galeotti, ein Architekt, der Armani 1975 zur<br />
Selbstständigkeit ermutigt und nicht nur<br />
Geschäfts-, sondern auch sein späterer<br />
Lebenspartner wird.<br />
Zuerst konzentriert sich Armani wie bereits<br />
in den Jahren zuvor auf edle und hochwertige<br />
Herrenkleidung. Sein Name im Anzugfutter<br />
wird zum Statussymbol des stilbewussten<br />
Mannes. So trägt Richard Gere in<br />
„Ein Mann für gewisse Stunden“ Armani<br />
und verpasst dem Anzug von der Stange einen<br />
Look, den Frauen lieben und Männer<br />
tragen wollen. Fünf Jahre nach der Gründung<br />
des Unternehmens beginnt Armani<br />
seine Arbeiten an einer Damenkollektion.<br />
Weitere fünf Jahre später, 1985, stirbt Sergio<br />
Galeotti, laut Medienberichten an einem<br />
Herzinfarkt.<br />
Nach seinem Tod übernimmt Giorgio Armani<br />
auch die restlichen 50 Prozent der Firmenanteile.<br />
Bis heute ist er alleiniger Besitzer<br />
seines Unternehmens, designt, verwaltet<br />
und überwacht sein Imperium.<br />
Eine beachtliche Leistung. Alle Angebote,<br />
sein Label, zu verkaufen, lehnte der heute<br />
ziell<br />
unabhängig. Im letzten Geschäftsjahr<br />
verzeichnete das Unternehmen einen Umsatz<br />
von 1,8 Milliarden Euro. Noch im Dezember<br />
2011 ließ Armani in einem Interview<br />
mit dem Zeit-Magazin verlauten, dass<br />
„viele kleine Armanis in meinem Unternehmen<br />
sein werden, die meine Arbeit fortführen.<br />
Aber es wird kein Genie kommen, das<br />
all dies einmal übernehmen kann. Das<br />
würde Betrug an mir selbst und meiner<br />
Ernsthaftigkeit bedeuten.“ Selbstbewusste<br />
Worte, die er auch in seinen Kollektionen<br />
veranschaulicht.<br />
Seine Entwürfe sind präzise, zeitlos, edel<br />
und stets darum bemüht, das Bild einer<br />
starken Frau zu zeichnen. Viel Schwarz,<br />
viel Grau, wertvolle Materialien, perfekte<br />
Verarbeitung. Neben zahlreichen anderen<br />
Linien, wie beispielsweise Armani Jeans<br />
oder Emporio Armani, der sportlich legeren<br />
Kollektion für ein urbanes, jüngeres<br />
Publikum, die wir in unserem begleitenden<br />
Shooting zeigen, ist es besonders Armani<br />
Privé, die ihm zu Medienpräsenz verhilft.<br />
Hollywood-Stars wie Kate Winslet, Cate<br />
Blanchett oder Anne Hathaway präsentieren<br />
sich bei Filmpremieren in seinen Haute<br />
Couture-Roben, die die Vielfältigkeit seiner<br />
Designkunst unter Beweis stellen. Während<br />
die Damen- und Herrenkollektionen bei<br />
der Mailänder <strong>Mode</strong>woche gezeigt werden,<br />
lässt er seine Haute Couture-Kreationen<br />
in Paris bestaunen. Insgesamt zwölf<br />
Linien schuf Armani seit Gründung des<br />
Labels.<br />
Neben beinahe allen Facetten von Bekleidung<br />
widmet er sich zudem mit Armani<br />
Casa der Inneneinrichtung (und sogar den<br />
dazu passendem Blumengestecken und -<br />
vasen mit Armani Fiori). In Dubai eröffnete<br />
2010 ein vom ihm gestaltetes Hotel, 2011<br />
folgte eines in Mailand. Er gründete einen<br />
eigenen Buchverlag namens Armani Libri,<br />
mani<br />
Dolci und vertreibt zudem Sonnenbrillen,<br />
Parfüms und andere Kosmetikprodukte.<br />
Allein im vergangenen Jahr<br />
wurden 100 Boutiquen seiner Linien weltweit<br />
eröffnet.<br />
Mit Blick auf die Zahlen und die aktuelle<br />
Kollektion scheint es, als würde der stilisierte<br />
Adler, den Armani als Logo für sein<br />
Label auswählte, auch weiterhin über die<br />
<strong>Mode</strong>welt wachen. Und mit ihm einer der<br />
erfolgreichsten Designer unserer Zeit.<br />
90<br />
91
Die Firmengeschichte Chanels lässt sich in<br />
zwei Ären unterteilen: die Zeit von Madame<br />
Coco und von König Karl.<br />
Coco Chanel gilt bis heute als eine der ein-<br />
freite<br />
die Frauen der Belle Époque aus ihren<br />
eng geschnürten Korsetts und ersetzte sie<br />
durch gerade geschnittene Röcke zu weißen<br />
Blusen und einen androgynen, modernen<br />
Look mit tiefer Taille. Chanel selbst wurde<br />
zur Stilikone, die die Rolle der damenhaften<br />
Designerin und der rebellischen Diva vereinte.<br />
Anfang der Dreißiger kreiert sie<br />
ihr erstes Parfüm: Chanel No.5 wird ein<br />
fulminanter Verkaufsschlager. Während<br />
<br />
zieht sich zurück. Einige Medien behaupten,<br />
sie hätte eine Liebschaft mit einem<br />
<br />
sich später in ihren Aussagen dazu widersprechen.<br />
Anfang der Fünfziger nimmt sie<br />
ihre Arbeit wieder auf und präsentiert<br />
1954 ihre Comeback-Kollektion. Nach Anlaufschwierigkeiten<br />
will jede Frau bald wieder<br />
ein Chanel-typisches Tweedkostüm besitzen.<br />
Im Alter von 84 Jahren verstarb<br />
Coco Chanel 1971 in Paris.<br />
In den Folgejahren versuchen einige Designer<br />
ihr Erbe anzutreten, können aber nicht<br />
Fuß fassen. Bis Karl Lagerfeld 1983 erst als<br />
Berater für Haute Couture und ein Jahr später<br />
als Chefdesigner bei Chanel einsteigt. Er<br />
führt das Label zum Erfolg zurück. Durch<br />
Lagerfelds geschickte Selbstinszenierung<br />
<br />
mag, der wird berühmt – oder erlebt ein<br />
Comeback wie das <strong>Fräulein</strong> dieser Ausgabe,<br />
Caroline de Maigret. Er vereint die Tradition<br />
des Hauses mit trendorientierten Elementen.<br />
Ab und an tauchen auch Männermodels<br />
bei seinen Shows auf, obwohl<br />
Chanel keine Herrenkollektion anbietet.<br />
Lagerfeld sieht dies als Hommage an Coco<br />
Chanel, die anfangs von der Männermode<br />
inspiriert wurde. Seine Entwürfe sind stetig<br />
und stetig gut. Coco Chanel wäre stolz,<br />
wenn sie wüsste, dass ihr Mythos weiterlebt<br />
und ihre <strong>Mode</strong>, die damals so fortschrittlich<br />
war, mittlerweile zeitlos geworden<br />
ist.<br />
- no -<br />
59<br />
CHANEL<br />
Fotos: Stefan Armbruster<br />
Interview: Lena Bergmann<br />
Styling: Götz Offergeld<br />
<strong>Mode</strong>l: Caroline de Maigret<br />
<br />
60- no -<br />
CAROLINE<br />
Caroline de Maigret war in den<br />
Neunzigern ein erfolgreiches, aber<br />
frustriertes <strong>Mode</strong>l. Dann wurde sie<br />
eine erfolgreiche, aber glückliche<br />
Musikproduzentin und Mutter. Und<br />
dann holte Karl Lagerfeld sie plötzlich<br />
auf den Laufsteg zurück, als sie<br />
35 war. Inzwischen macht sie auch<br />
wieder Editorials und Kampagnen.<br />
„Die Leute, mit denen ich arbeite,<br />
sehen heute eine Frau vor der<br />
Kamera. Nicht einfach ein <strong>Mode</strong>l.<br />
Das gefällt mir.” Ihr Stil? „Ich sage<br />
androgyn. Mein Mann sagt Rock ’n’<br />
Roll. Meine Agentur sagt Pariser<br />
Chic. Meine Mutter sagt mühelos,<br />
mein Sohn sagt cool.”<br />
Weil sie sich als junge Frau durch<br />
das <strong>Mode</strong>ln von ihrer katholischen<br />
Politiker-Familie emanzipiert hat.<br />
Weil sie danach Unternehmerin<br />
geworden und heute, mit Mitte<br />
30, besser denn je vor der Kamera<br />
aussieht. Weil sie unbeschwert über<br />
ernste Themen redet. Weil sie Männern<br />
rät, lieber ein Buch zu lesen als<br />
ins Fitnessstudio zu gehen und uns<br />
mit ihrem souveränen Look zeigt,<br />
dass Alter schöner machen kann,<br />
ist Caroline de Maigret das <strong>Fräulein</strong><br />
dieser Ausgabe.<br />
DE MAIGRET<br />
Ihre Karriere begann mit 19. Sie wurden<br />
in Paris auf der Straße angesprochen,<br />
zum wiederholten Mal. Doch dann sagten<br />
Sie „Ja“. Warum?<br />
C D MAls ich zwischen 12 und 15 war,<br />
wurde ich immer mal wieder gefragt,<br />
aber <strong>Mode</strong>ln hat mich nie interessiert.<br />
Nach der Schule habe ich dann angefangen,<br />
an der Sorbonne Politikwissenschaften<br />
und Literatur zu studieren, ohne<br />
allerdings konkret zu wissen, was ich<br />
damit anfangen sollte. Ich war ziemlich<br />
gelangweilt mit 19! Und als mir dann wieder<br />
Mal eine Agentin auf die Schulter<br />
tippte, dachte ich, wenigstens kann ich<br />
dann reisen. Und bei meinen Eltern ausziehen.<br />
Das war die große Motivation.<br />
Und dann ging es steil bergauf?<br />
C D MIch hatte Glück und konnte sofort<br />
arbeiten. Für mein erstes Editorial hat<br />
<br />
für die französische GLAMOUR. Dann<br />
wurde ich für einen Shoot in New York<br />
<br />
geblieben bin.<br />
Das war 1994. Damals war New York noch<br />
anders als heute...<br />
C D MEs war zwar schon ziemlich sauber,<br />
aber es war wenigstens noch keine<br />
große Shoppingmall. Die Stadt war intensiv.<br />
Damals stellte New York noch viele<br />
Leben auf den Kopf! Man riskierte mehr,<br />
lebte verrückter, ging viel aus, feierte.<br />
Aber für mich symbolisiert es auch<br />
einfach die Freiheit, 20 zu sein, ohne<br />
Eltern...<br />
Die haben sich zuhause geärgert?<br />
C D MDie waren richtig sauer. Sie haben<br />
lange nicht mit mir gesprochen. Einerseits<br />
wegen des <strong>Mode</strong>lns, aber haupt-<br />
97
sächlich, weil ich mein Studium abgebrochen<br />
hatte. Dem Vorlesungssaal hatte ich<br />
Adieu gesagt, als ich bei City <strong>Mode</strong>ls unterschrieben<br />
hatte, meiner damaligen Agentur.<br />
Meine komplette Familie war in der Politik<br />
oder Wirtschaft tätig, auf der Seite<br />
meiner Mutter wie der meines Vaters. Mein<br />
Großvater war Innen- und Gesundheitsminister,<br />
mein Vater war ebenfalls Politiker.<br />
Sagen wir es kurz: <strong>Mode</strong>ln war nicht die<br />
Zukunft, die man für mich im Auge hatte.<br />
Wahrscheinlich hat Ihnen der Job auch<br />
deswegen so viel Spaß gemacht, weil Sie in<br />
New York waren.<br />
C D MEs hat sich dort einfach besser angefühlt.<br />
Ich habe noch nie so darüber gesprochen,<br />
aber dort hat mich einfach niemand<br />
kritisiert, weil ich mich für das <strong>Mode</strong>ln entschieden<br />
habe. So lange man Geld macht,<br />
ist man in Amerika gut drauf. Ich war in einem<br />
Land, wo das, was ich tat, als sehr positiv<br />
betrachtet wurde. In Amerika ist es ja<br />
erlaubt, erfolgreich zu sein, Geld zu machen<br />
– anders als in Frankreich. Man entwickelt<br />
mehr Mut, etwas anzupacken, etwas Neues<br />
auszuprobieren.<br />
„Yes, we can.“<br />
„Mein Großvater war<br />
Innen- und Gesundheitsminister,<br />
mein Vater<br />
war ebenfalls Politiker. Sagen<br />
wir es kurz: <strong>Mode</strong>ln war<br />
nicht die Zukunft, die man<br />
für mich im Auge hatte.“<br />
C D MGenau. Auch die Idee, Musik zu produzieren,<br />
hatte sich bei mir in New York<br />
entwickelt, da ich trotz Amerika doch irgendwann<br />
frustriert war, ein <strong>Mode</strong>l zu sein.<br />
Die meisten meiner Freunde waren Künstler<br />
und haben irgendwelche interessanten<br />
Projekte gemacht. Und hatten nie Geld. Im<br />
Gegensatz zu mir. Es war nicht gut für die<br />
Seele, zu beobachten, dass all´ diese talentierten<br />
Leute keine Mittel hatten, ihre Projekte<br />
voranzutreiben, keine Farbe zum Malen<br />
oder Geld für Instrumente. Ich habe<br />
dann angefangen, einige von ihnen zu sponsern,<br />
zum Beispiel einen Bus zu mieten, damit<br />
sie auf Tour gehen konnten. Ich wollte,<br />
dass Dinge, von denen ich überzeugt war,<br />
auch eine Überlebenschance hatten. So kam<br />
mir irgendwann die Idee zu dem Label. Das<br />
ist die ganze Utopie.<br />
Gegründet haben Sie das Label aber erst<br />
nach Ihrer Rückkehr nach Paris, mit Ihrem<br />
Freund, dem Musiker Yarol Poupaud. Wie<br />
haben Sie sich kennengelernt?<br />
C D MIch war auf einem seiner Konzerte.<br />
Und ich war elektrisiert. Seine Musik vereint<br />
alles, was ich mag. Eine Mischung aus<br />
Hardrock und Soul. Sehr intensiv. Wir haben<br />
angefangen, über das Produzieren von<br />
Musik zu reden, über junge Bands. Wir haben<br />
uns über die Musik kennengelernt. Erst<br />
nach zwei Monaten haben wir uns geküsst.<br />
Das war vor acht Jahren. Dann haben wir<br />
2006 das Label gegründet.<br />
Inzwischen betreiben Sie zusammen also<br />
das Bonus Track Records und die Produktionsfirma<br />
Yarock Editions, mit der Sie<br />
Soundtracks und Musik für Werbung produzieren.<br />
Und Sie sind auf den Laufsteg<br />
zurückgekehrt. Welche Ihrer Karrieren ist<br />
Ihnen am Wichtigsten?<br />
99
C D M Keine Ahnung. Die nächste! Ich komme<br />
gerade zurück zum Bild. Diesen Herbst<br />
beispielsweise gebe ich einen Bildband heraus.<br />
Meistens entwickle ich irgendwelche<br />
Ideen und spreche dann meine potentiellen<br />
Kunden selbst an. Ich arbeite wie ein Art<br />
Director und stelle kreative Teams zusammen.<br />
Letztes Jahr habe ich zum Beispiel für<br />
die <strong>Mode</strong>l-Agentur Viva fünfzig Videos produziert.<br />
Das Besondere war, dass Topmodels<br />
und ganz junge Anfängerinnen mitgemacht<br />
haben. Unbekannte aber talentierte<br />
Fotografen, von denen ich viele kenne,<br />
brauchen ja immer Aufnahmen von namhaften<br />
<strong>Mode</strong>ls. Also habe ich gesagt: „Ich<br />
organisiere Dir ein Topmodel, wenn Du<br />
<br />
So habe ich den Fotografen Türen geöffnet<br />
und den Mädchen natürlich auch. Und die<br />
Topmodels haben mitgemacht.<br />
Wollten Sie Ihnen einen Gefallen tun ?<br />
C D MJa, viele sind Freundinnen. Und ext-<br />
<br />
„<strong>Mode</strong>ln habe ich erst jetzt<br />
lieben gelernt. Heute ist es<br />
Luxus für mich und macht<br />
mir richtig Spaß.“<br />
buchen. Stella Tennant hat uns eine halbe<br />
Stunde gegeben, aber eine halbe Stunde mit<br />
Stella Tennant ist so effektiv wie ein ganzer<br />
Tag mit einem jungen Mädchen.<br />
Jetzt klingen Sie wie Heidi Klum, die bei<br />
uns die populärste Nachwuchsmodel-Show<br />
moderiert. Sehen Sie sich solche Shows an?<br />
C D M<br />
nicht so spannend. Ich bin eher mit Musikern<br />
befreundet, mit Künstlern.<br />
Warum haben Sie eigentlich damals aufgehört<br />
zu modeln?<br />
C D MEines Tages wollten mein Freund<br />
und ich unbedingt ein Kind haben. Mein Leben<br />
war reglementiert von <strong>Mode</strong>lverträgen.<br />
Immer, wenn ein Vertrag auslief, kam der<br />
nächste. Immer ging es um viel Geld. Es<br />
war fucked up. Ich hatte das Gefühl, ich<br />
muss eine Entscheidung treffen. Wenn ich<br />
ein Kind will, dachte ich, sollte ich auch eins<br />
machen. Und so wurde ich vertragsbrüchig:<br />
<br />
war festgelegt, dass ich nicht mehr als zwei<br />
Kilo zunehmen dürfte. Wir haben uns dann<br />
später geeinigt, obwohl ich den Vertrag verletzt<br />
hatte.<br />
Wie fühlt es sich an, jetzt als <strong>Mode</strong>l noch<br />
mal durchzustarten?<br />
C D M<strong>Mode</strong>ln habe ich erst jetzt lieben gelernt.<br />
Heute ist es für mich ein Luxus und<br />
macht mir wirklich Spaß. Früher hatte ich<br />
immer parallel die Frustration, dass ich<br />
nichts anderes machte. Ich wollte ja irgendwie<br />
kein <strong>Mode</strong>l sein. Ich wusste nur nicht,<br />
wie ich etwas anderes starten sollte. Und<br />
den Job als <strong>Mode</strong>l einfach zu kündigen,<br />
empfand ich immer als sehr schwer, weil<br />
durch das Geld viel Freiheit entsteht. Aber<br />
100
105
den Alltag empfand ich oft als schlimm.<br />
Wie konnte die <strong>Mode</strong>-Branche Sie erneut<br />
locken?<br />
C D MDas war Karl. Ich habe vor zwei Jahren<br />
während der Pariser Fashion Week eine<br />
Radiosendung moderiert. Ich hatte einen<br />
Bus, der von Show zu Show gefahren wurde,<br />
und habe alle möglichen Besucher und<br />
Mitwirkende interviewt. Und ich habe es<br />
tatsächlich geschafft, Karl in diesen ollen<br />
Bus zu locken. Das war so cool. Und so Karl.<br />
Kurz danach hat er mich gefragt, ob ich<br />
für eine Chanel-Show laufen möchte,<br />
als <strong>Mode</strong>l.<br />
„Manchmal ist das Image<br />
einer älteren Frau mit Patina<br />
inspirierender als das eines<br />
17-jährigen Mädchens.“<br />
Waren Sie sehr überrascht?<br />
C D MAbsolut! Ich war schockiert. Ich war<br />
da 35. Die Mehrheit der Mädchen ist zwischen<br />
17 und 25. Für diese erste Show hatte<br />
er mich als einzige Ältere gebucht. Und<br />
dann haben mich plötzlich alle wieder gebucht.<br />
Nun arbeite ich mit vielen Fotografen,<br />
mit denen ich schon vor zehn, 15 Jahren<br />
gearbeitet habe. Es macht viel mehr Spaß,<br />
weil ich heute, als Frau, viel stolzer auf mich<br />
bin. Und als Job macht es auch mehr Spaß,<br />
wenn man nicht so abhängig davon ist.<br />
Wenn der Kopf voll ist mit spannenden Projekten,<br />
mit der Familie, mit all diesen Sachen,<br />
dann ist es ein Luxus, während eines<br />
Shoots im Hotel ein paar Stunden für sich<br />
zu haben. Und nicht langweilig oder einsam.<br />
Ich glaube, ich bin jetzt ein besseres<br />
<strong>Mode</strong>l, weil ich freier bin. Ich fühle mich<br />
vor der Kamera wohler. Und ich habe das<br />
<br />
nicht das <strong>Mode</strong>l. Auch anderen Frauen gefallen<br />
meine Bilder, erwachsenen Frauen.<br />
Das ist mir wichtig. Ich will Frauen<br />
repräsentieren.<br />
Warum gibt es dieses Comeback von älteren<br />
<strong>Mode</strong>ls?<br />
C D MIch habe das Gefühl, das hatte mit<br />
der Wirtschaftskrise zu tun. Die Leute wollten<br />
wieder Realität sehen, vielleicht auch<br />
mal ein Gesicht, das sie aus rosigeren Zeiten<br />
kannten. Manchmal ist das Image einer älteren<br />
Frau mit Patina eben inspirierender<br />
als das eines 17-jährigen Mädchens. Das hat<br />
Karl Lagerfeld früh verstanden. Ein neuer<br />
Typ musste her.<br />
Im Interior-Design gab es eine ähnliche<br />
Bewegung. Auf einmal mussten alle Oberflächen<br />
Gebrauchsspuren haben.<br />
C D MGenau so sehe ich es. Und die Message<br />
ist: „It’s okay. We can still do it.“ Die<br />
<br />
Frauen altern heute besser. Und wieso sollen<br />
sie sich nicht zeigen? Die Grenzen, wann<br />
eine Frau als „alt“ angesehen wird, haben<br />
sich nach hinten verschoben. Das ist gut.<br />
Mir hat eine Verkäuferin gesagt, ich bräuchte<br />
diese Creme, die einerseits gegen Altersfalten<br />
wirkt, aber auch gegen meine „Lifestyle-Falten“.<br />
C D MWas die sich alles einfallen lassen,<br />
in den Marketing-Abteilungen! Wenigstens<br />
wirbt heute nicht mehr eine 18-jährige für<br />
Faltencremes, sondern eine älteres Gesicht.<br />
Das hat sich geändert.<br />
Erzählen Sie uns was über Ihren aristokratischen<br />
Hintergrund. Hat der Adel in Frankreich<br />
überhaupt noch Geld?<br />
C D MDa ist kaum etwas übrig (lacht). Außerdem<br />
komme ich aus einer sehr katholischen<br />
Familie. Das heißt, selbst wenn man<br />
Geld hat, spricht man nicht darüber. Aber<br />
vor allem gibt man es nicht aus. Ich habe<br />
von meiner Familie kein Geld bekommen<br />
und ich habe nie danach gefragt. Deswegen<br />
war es ja für mich als junges Mädchen so<br />
verlockend, durch das <strong>Mode</strong>ln mein eigenes<br />
Geld zu verdienen. Außerdem wollte ich<br />
einfach etwas von der Welt sehen. Die Ansichten<br />
der bürgerlichen Aristokratie kannte<br />
ich ja. Geld war der einzige Weg da raus.<br />
Während Ihrer Kindheit wurde am Tisch<br />
ständig über Politik geredet.<br />
C D MJedes einzelne unserer Tischgespräche<br />
war davon motiviert. Und es war laut!<br />
Ich habe zwei Schwestern und einen Bruder.<br />
Im Gegensatz zu mir sind sie aber alle<br />
auf die Business School gegangen. Und<br />
zwanzig Jahre später haben alle ihre Karrieren<br />
hingeschmissen, das liebe ich (lacht)!<br />
Meine älteste Schwester ist heute Theaterregisseurin,<br />
mein Bruder leitet Entwicklungshilfeprojekte<br />
in Indien und meine jüngere<br />
Schwester arbeitet auf einer Ranch.<br />
Jeder hat inzwischen seine Bestimmung gefunden.<br />
Ich war das schwarze Schaf, das<br />
zuerst vom Weg abgekommen ist. Und inzwischen<br />
bin ausgerechnet ich zur Businessfrau<br />
geworden (lacht).<br />
Sehen Sie sich als politische Person?<br />
C D MNein, das nicht. Ich verfolge die Politik.<br />
Und ich würde mich gerne mehr für<br />
<br />
mehr und mehr als Feministin. Aber ich bin<br />
nicht öffentlich in Politik involviert.<br />
Denken Sie viel über die Erziehung Ihres<br />
2006 geborenen Sohnes nach?<br />
C D MJa, und über meine eigene, auch<br />
wenn ich als Teenager gegen sie rebelliert<br />
hatte. Ich habe später verstanden, wie hilfreich<br />
meine Erziehung für mich war, für<br />
vat.<br />
Ich habe das Gefühl, die Regeln zu kennen<br />
– egal wo ich bin oder mit wem ich<br />
zusammen bin. Ich lasse mich nicht verunsichern<br />
von unterschiedlichen sozialen<br />
Codes oder Charakteren. Das ist eine Stärke,<br />
die ich meinem Sohn beibringen will. Er<br />
kann die Füße auf den Tisch legen, solange<br />
er dabei... Nein, er darf eigentlich die Füße<br />
nie auf den Tisch legen (lacht). Nirgendwo.<br />
Was ich meine: Er soll die Sensibilität entwickeln,<br />
Situationen einschätzen zu können<br />
und sich entsprechend zu benehmen.<br />
Finden Sie, mit mehr Geld könnte man noch<br />
kreativer sein?<br />
C D Mativ.<br />
Ich muss dieses Gewicht auf meinen<br />
Schultern spüren, den Druck, meine Familie<br />
zu ernähren. Erst dadurch entwickle ich<br />
die Dynamik, viel zu machen.<br />
Nervt Sie die Arbeit auch manchmal?<br />
C D MJa, derzeit vor allem die Musikindustrie.<br />
Man macht inzwischen Geld mit einem<br />
Song für Vodafone, Musik wird an große<br />
Firmen verkauft, nicht mehr an die Massen.<br />
Ich hatte schon Anrufe wie: „Ich suche eine<br />
Band mit langen Haaren.“ Der Musikstil<br />
war kein Thema. Absurd.<br />
„Ich war in meiner Familie<br />
das schwarze Schaf, das zuerst<br />
vom Weg abgekommen<br />
ist. Und inzwischen bin<br />
ausgerechnet ich zur<br />
Businessfrau geworden.“<br />
Das Lieblingsstück in Ihrem Kleiderschrank?<br />
C D MEine schwarze Chanel-Weste, die alles<br />
chic aussehen lässt. Die handwerkliche<br />
Qualität von Chanel ist besonders präsent,<br />
wenn man sie trägt. Ich Glückliche habe sie<br />
letztes Jahr geschenkt bekommen. Und ich<br />
besitze einen Kaschmir-Sweater von Balenciaga,<br />
den ich sehr liebe. Er ist an den<br />
Schultern weit geschnitten und sehr weich.<br />
Perfekt für den Winter in meinem Pariser<br />
Apartment.<br />
106
noch gemodelt hat. Sie ist sehr smart, doch<br />
ich bin kein großer Fan von ihr als <strong>Mode</strong>l.<br />
Eher als Frau. Von Gesprächen mit ihr weiß<br />
ich, dass sie sehr beeindruckend ist, sehr<br />
gebildet. Sie kennt sich aus, Philosophie, Literatur,<br />
Geschichte. Mich überrascht es<br />
nicht, dass Männer wie Sarkozy sie mögen.<br />
Was ist Ihnen am Wichtigsten bei einem<br />
Mann?<br />
C D MI want the real shit. Ich mag Loyalität.<br />
Ich muss lachen können. Ich hasse Faulheit.<br />
Und Leute, die sich dann auch noch beschweren,<br />
obwohl sie einfach nur faul sind.<br />
<br />
einem Mann lernen kann. Ich hatte immer<br />
lange Beziehungen, um die fünf Jahre, und<br />
ich mochte es immer, mich in das Universum<br />
des jeweiligen Mannes zu begeben.<br />
Männer vertiefen ihre Interessensgebiete<br />
oft viel stärker als Frauen. Die können oft<br />
vieles so ein bisschen, aber sind oft nicht<br />
sehr spezialisiert. Männer sind passionierter.<br />
Das hat mich immer fasziniert.<br />
Und äußerlich?<br />
C D MIch mag das Pure, das Unverfälschte.<br />
Wenn ich einen stark durchtrainierten<br />
Mann sehe, bin ich immer misstrauisch.<br />
Wie viel Stunden hast Du im Fitnessstudio<br />
verbracht? Du solltest lieber ein Buch lesen!<br />
Haben Sie auch etwas Altes, Geerbtes im<br />
Schrank?<br />
C D MNein, leider nicht. Meine Mutter hatte<br />
eine sensationelle Garderobe. Aber sie<br />
hat alles ans Rote Kreuz gegeben! Nicht ein<br />
einziges <strong>Teil</strong> von Yves Saint Laurent hat sie<br />
für ihre Mädchen aufgehoben. Immer, wenn<br />
wir Fotos von ihr aus den Siebzigern und<br />
Achtzigern sehen, leiden wir.<br />
Wer sind Sie mit 80?<br />
C D MIch hoffe, ich werde spezialisiert<br />
sein. Expertin in bestimmten Dingen. Nicht<br />
bitter. Fröhlich und eine Freude für andere.<br />
Routine gibt es nicht. Ich habe keine Angst<br />
vor dem Alter.<br />
Aber Sie haben trotzdem aufgehört zu<br />
rauchen.<br />
C D MLeider, ich bin nur noch ein party<br />
smoker. Ich liebe das Rauchen. Ich würde<br />
gerne jeden einzelnen Tag meines Lebens<br />
rauchen. Ich habe aber gemerkt, dass es mir<br />
nicht gut tut. Ich hatte ständig Bronchitis,<br />
das kam vom Rauchen. Und ich bekomme<br />
nun keine Grippe mehr.<br />
Was fasziniert Sie eigentlich an Twitter?<br />
C D MIch tweete noch nicht lange und auch<br />
nicht richtig professionell. Ich reise und fo-<br />
count<br />
als Reisetagebuch. Es geht um Orte<br />
und Stimmungen, und ich poste nur Bilder,<br />
ich tweete keine Kommentare. Aber ich lese<br />
viele. Es fasziniert mich, dass man sich global<br />
so zusammenschließen kann. Ich würde<br />
mich gerne stärker darum kümmern, aber<br />
ich habe keine Zeit.<br />
Ihre Lieblingsmusik?<br />
C D MIch liebe alten Rock’n’Roll, Blues,<br />
Jazz, Klaviermusik. Soul. Chopin. Ich liebe<br />
Elvis Presley. Ich mag nicht so gerne<br />
elektronische Musik. Die berührt mich<br />
irgendwie nicht.<br />
Die Stones?<br />
C D MIch liebe die Stones!<br />
Haben Sie Mick mal getroffen?<br />
C D MJa, aber nur kurz.<br />
Sie haben ihn also nicht nackt gesehen, wie<br />
etwa Ihre Kollegin Carla Bruni?<br />
C D MDiese Ehre ist mir noch nicht zuteil<br />
geworden! Ich stehe aber ohnehin auf<br />
Keith Richards. Den würde ich schon gerne<br />
mal treffen. Carla habe ich übrigens kennengelernt,<br />
Mitte der Neunziger, als sie<br />
CAROLINE DE MAIGRET wurde 1975 in eine französische<br />
Aristokratenfamilie hineingeboren.<br />
Während ihres Politikwissenschaftsstudiums<br />
unterschrieb sie einen Vetrag bei einer <strong>Mode</strong>lagentur.<br />
Ihr erster Job war ein Shoot mit Mario<br />
Testino für die französische Glamour. 2006<br />
gründete sie zusammen mit ihrem Lebenspartner<br />
Yarol Poupaud ein Label und eine<br />
<br />
<br />
carolinedemaigret.tumblr.com<br />
108<br />
109
Foto: Olivier Zahm, Interview: Hendrik Lakeberg<br />
OLIVIER<br />
ZAHM<br />
Das Purple Magazin feiert mit der<br />
aktuellen Ausgabe 20-jähriges Jubiläum.<br />
Chefredakteur Olivier Zahm hat<br />
sich vom Kunstkritiker zum internationalen<br />
Player entwickelt, und Purple<br />
zum wichtigsten und kontroversesten<br />
<strong>Mode</strong>magazine des letzten Jahrzehnts.<br />
Die Mission ist gleich geblieben:<br />
der Kampf gegen das System.<br />
Olivier Zahm, warum haben Sie Purple vor<br />
20 Jahren gegründet?<br />
OLIVIER ZAHM Ich hatte bis 1992 länger<br />
als Kunstkritiker gearbeitet. Damals kam<br />
die typische Ästhetik der Achtziger an ein<br />
Ende. Plötzlich gab es eine neue Generation<br />
von Künstlern, das eröffnete neue Perspektiven.<br />
Bis 1993 herrschte eine Wirtschaftskrise,<br />
der Sozialismus war zusammenge-<br />
„Man wirft mir vor, ich würde<br />
<strong>Mode</strong>ls wie Objekte<br />
behandeln, aber es geht mir<br />
um das Gegenteil: Ich will ihre<br />
Schönheit zelebrieren.“<br />
Olivier Zahm auf dem Weg nach Big Sur, Kalifornien<br />
brochen. Die HIV-Welle befand sich auf<br />
dem Höhepunkt, viele Menschen starben.<br />
Die Werbung war vulgär geworden, die<br />
Kunstwelt ein riesiger Markt. Für diejenigen,<br />
die an Kunst glaubten wie wir, entstand<br />
das Bedürfnis, etwas zu ändern<br />
Was setzte Purple diesem Zeitgeist entgegen?<br />
O Z Wir hatten in den Achtzigern in vollen<br />
Zügen gelebt, wir waren naiv und jung, haben<br />
getanzt, den Glamour genossen, die<br />
<strong>Mode</strong> zelebriert. Doch dann wurde uns bewusst,<br />
was für ein Desaster das alles geworden<br />
war. Wir wollten unabhängig davon<br />
sein, nicht mehr <strong>Teil</strong> des Systems. Ich habe<br />
das mit einem kleinen Independent Magazin<br />
versucht. Junge Filmemacher kämpften<br />
für ein unabhängiges Kino, junge Musiker<br />
nahmen Alben in ihrer Küche auf. Es gab<br />
eine neue Galerien-Szene. Wir wollten uns<br />
unsere Autonomie zurückerobern. Purple<br />
war eine Gegenreaktion auf die Allgegenwart<br />
des Kapitalismus’ in Kunst und <strong>Mode</strong>.<br />
Seitdem hat sich viel geändert.<br />
Purple Fashion ist zu einem der wichtigsten<br />
Magazine der letzten zehn Jahre geworden,<br />
Sie zu einer einflussreichen Figur innerhalb<br />
der Milliardenindustrie <strong>Mode</strong>. Sehen Sie<br />
sich noch als Rebell?<br />
O ZWer mag schon das System? Niemand,<br />
auch nicht die Leute, die in ihm arbeiten.<br />
Sogar Marc Jacobs mag es nicht. Er sagt,<br />
dass er zu viel arbeitet, das Leben nicht genug<br />
genießt. Wir sind mittlerweile anerkannt,<br />
einige meiner Generation machen<br />
viel Geld; ich nicht, aber wen kümmert es?<br />
Die Frage ist: Wie willst du weitermachen?<br />
Möchtest du dahin, wohin dich das System<br />
drängt? Nein. Das System will nur, dass du<br />
noch mehr arbeitest. Das bringt dich um. Es<br />
tötet alle Leute, die nicht so viel arbeiten<br />
wie du. Du wirst eine Maschine, ein<br />
Roboter.<br />
Sie sehen Purple also auch heute noch als<br />
einen Aufstand gegen das „System“?<br />
O ZPurple eröffnet zumindest die Möglichkeit,<br />
sich die Welt mit mehr Zeit anzuschauen.<br />
<strong>Mode</strong> hat keinen Wert an sich,<br />
Kunst auch nicht. Es geht darum, wie man<br />
sie interpretiert. Was du entscheidest, mit<br />
ihr zu machen. Bei Purple fragen wir uns:<br />
Was wollen wir, was schätzen wir wirklich?<br />
Ich möchte nach Schönheit suchen, nach<br />
Liebe, aufregenden Ideen. Ich sehe mich als<br />
Flaneur. Ein Magazin zu machen sollte wie<br />
Urlaub mit der Kamera sein, du fotogra-<br />
gen<br />
willst.<br />
Wie würden Sie Ihr Verständnis von <strong>Mode</strong>fotografie<br />
beschreiben?<br />
O Z<br />
ich ekelhaft. <strong>Mode</strong>fotos sollten Stil und<br />
Schönheit mit so wenig Technologie wie<br />
möglich zeigen. Ich komme von der<br />
<br />
Terry Richardson, ein Polaroid von Helmut<br />
Newton. Ein bisschen Licht – mehr braucht<br />
es nicht.<br />
Sind Sie eigentlich wirklich an <strong>Mode</strong> interessiert?<br />
O ZEs gibt gute Gründe, von der <strong>Mode</strong> genervt<br />
zu sein, aber wir alle wollen doch die<br />
richtige Kleidung tragen – oder nicht? Wir<br />
alle wollen super aussehen, Männer wie<br />
Steve McQueen oder David Bowie, Frauen<br />
wie Jane Birkin, Brigitte Bardot oder Jane<br />
Fonda. Purple hat immer für die richtige<br />
Balance aus persönlichem Stil und zeitgenössischer<br />
<strong>Mode</strong> gekämpft. Ich hasse es,<br />
wenn ein Magazin sich nur mit <strong>Mode</strong> beschäftigt<br />
oder zu grungy, verkünstelt und<br />
unzugänglich ist. Ich bin Franzose. Wir<br />
mögen die Harmonie der Dinge.<br />
Sie mögen die Harmonie, dennoch halten<br />
viele Purple für ein streitbares Magazin,<br />
vor allem wegen der vielen Nacktheit. Man<br />
liebt und hasst Sie dafür. Wollen Sie provozieren?<br />
O ZEs kann nie genug Nacktheit geben.<br />
Auch wenn die menschliche Spezies die<br />
schlimmste des Planeten ist, ist sie doch<br />
gleichzeitig die schönste, schöner als Kleidung,<br />
als Architektur, als alles andere je<br />
sein kann. Ich benutze Sex nicht als Provokation.<br />
Jede Pornoseite ist obszöner als<br />
Purple. Was hinter der Kritik steckt, ist die<br />
Angst des <strong>Mode</strong>business, das T-Shirt oder<br />
das Kleid nicht zu verkaufen, dass das Foto<br />
zeigt. Das basiert auf der Obsession mit<br />
Geld. Fuck this! Ich bin nicht provokant,<br />
aber ich mache kein Magazin, um T-Shirts,<br />
Kleider oder Schuhe zu verkaufen. Ich mache<br />
es, damit die richtigen Leute, die gut<br />
aussehen wollen, die schönste Kleidung sehen<br />
können. Wenn du dabei eine Brust, einen<br />
Schwanz oder eine pussy zeigst, dann<br />
ist das doch keine große Sache, oder?<br />
Nein.<br />
O ZIch bin ehrlich gesagt überrascht, dass<br />
es ein Problem geworden ist, nackte Menschen<br />
in einem <strong>Mode</strong>magazin zu zeigen.<br />
Manche werfen mir vor, ich sei ein Macho,<br />
weil es mir nur um die nackten Frauen ginge.<br />
Man wirft mir vor, ich würde die <strong>Mode</strong>ls<br />
wie Objekte behandeln, aber es geht mir um<br />
das Gegenteil: Ich will ihre Schönheit<br />
zelebrieren.<br />
Man kann auf Ihrer Webseite Purple Diary<br />
verfolgen, wo Sie sind, wohin Sie reisen.<br />
Warum machen Sie das?<br />
O ZIch hatte das Magazin aus einer eng zusammenhängenden<br />
Kunstszene gestartet,<br />
die möglichst ohne Stars auskommen wollte.<br />
Ich arbeite bis heute in einem Kollektiv,<br />
mein Artdirektor ist so wichtig wie ich.<br />
Aber ich habe die strategische Entscheidung<br />
getroffen, dass ich mich zu einer Celebrity<br />
machen muss, damit Purple überlebt.<br />
So kann ich die anderen Celebritys leichter<br />
für mein Magazin gewinnen. Ich wollte bei<br />
keinem Manager mehr anrufen müssen, um<br />
einen seiner Klienten interviewen und foto-<br />
<br />
Haben Sie sich nie unwohl dabei gefühlt,<br />
intime Details Ihres Privatlebens in der<br />
Öffentlichkeit auszubreiten?<br />
O ZNein, aber manchmal bin ich sexuell etwas<br />
zu weit gegangen. Man wird leicht zu<br />
einer Karikatur. Die Leute glaubten, mich<br />
zu kennen, sie sprachen mich auf der Straße<br />
an. Deshalb habe ich mich gemäßigt, aber<br />
ich mag es, ein Magazin sowohl auf Papier<br />
als auch online zu machen. Ich lade immer<br />
noch persönliche Bilder hoch. Ein Magazin<br />
ist auch eine Community. Die erste Community<br />
sind für mich die Leute, die direkt an<br />
ihm beteiligt sind: Ich mache das Magazin<br />
in erster Linie für mich und meine Freunde.<br />
Wenn die Menschen das Ergebnis mögen,<br />
dann werden sie sofort zu meinen Freunden.<br />
Ich kenne sie nicht, aber wenn sie<br />
Purple mögen, dann sind sie <strong>Teil</strong> einer Gemeinschaft.<br />
Sie sind wie ich. Wenn ich ein<br />
Bild aus meinem Leben poste, dann ist das<br />
wie ein Brief an sie, eine kleine Botschaft.<br />
Ich habe habe das von Anfang an so gemacht,<br />
bevor die ganzen Social Media-<br />
Webseiten groß geworden sind. Ich funktioniere<br />
wie das Internet.<br />
Dabei scheinen Sie dieser Welt skeptisch<br />
gegenüber zu stehen. Es gibt ein YouTube-<br />
Video, in dem Sie neben Terry Richardson<br />
in der ersten Reihe einer Fashionshow sitzen<br />
und sagen, dass Sie gerne alle <strong>Mode</strong>blogger<br />
killen wollen...<br />
O ZEs ist doch so: Diese ganzen 19- oder<br />
20-jährigen Blogger saßen auf einmal in den<br />
ersten Reihen der Shows, nur weil sie für<br />
ihren dummen Blog ein paar Schals und<br />
61<br />
- no -<br />
<br />
weil das <strong>Mode</strong>-System darauf basiert, die<br />
besten Journalisten, die kreativsten Leute<br />
auszuwählen. Natürlich ist meine Reaktion<br />
konservativ und harsch, aber 99 Prozent<br />
der <strong>Mode</strong>-Blogs bestehen doch nur aus<br />
dummen persönlichen Berichten über Dinge,<br />
die man kaufen sollte. Das interessiert<br />
mich nicht. Der einzige Grund, sie einzuladen,<br />
sind kommerzielle Überlegungen<br />
der Labels. Aber ich will niemanden<br />
beleidigen.<br />
Nun sind <strong>Mode</strong>-Blogs für die Industrie aber<br />
sehr wichtig geworden. Wird es Magazine<br />
wie Purple auch in 20 Jahren noch geben?<br />
O ZSie sollten diese Frage einem Philosophen<br />
stellen, Jacques Derrida oder Gilles<br />
Deleuze. Die werden Ihnen erklären, dass<br />
die westliche Zivilisation auf Text basiert.<br />
Auf der Bibel, wenn Sie wollen. Alles, was<br />
wichtig ist, steht geschrieben, dein Name in<br />
deiner Geburtsurkunde oder auf deinem<br />
Grab. Wir sind das Ergebnis von Buchstaben,<br />
von Büchern und Gedichten. Unsere<br />
Gesellschaft basiert auf Sprache. Papier ist<br />
der natürliche Ort der Schrift. Alles, was ein<br />
gewisses Prestige oder eine Qualität hat, alles,<br />
was die Zeit und die Geschichte herausfordert<br />
oder verändert, endet auf gedrucktem<br />
Papier. Das wird auch in Zukunft<br />
so sein.<br />
OLIVIER ZAHM<br />
Purple-Imperiums, das seit 1992 besteht. Seit<br />
2004 erscheint zweimal jährlich Purple Fashion,<br />
ein Magazin zu Kunst und <strong>Mode</strong>. Unter purple.fr/<br />
diary kann man ihm auch digital folgen und sich<br />
unter anderem durch Party- und Urlaubsfotos<br />
klicken.<br />
111
Foto: Tom Allen, Interview: Aicha Reh<br />
OLIVIER THEYSKENS<br />
Das widerspenstige <strong>Mode</strong>wunderkind<br />
wurde 2006 als Kreativdirektor von<br />
Rochas entlassen - es war Theyskens<br />
erster großer Job gewesen. Die Presse<br />
feierte seine Entwürfe, doch sie<br />
galten als zu elitär, um kommerziell<br />
erfolgreich zu sein. Mittlerweile ist<br />
der 35-Jährige erfolgreicher Kreativchef<br />
des New Yorker Labels Theory.<br />
Seine Integrität als Designer ist ihm<br />
immer noch wichtiger als der Umsatz.<br />
Zum Glück.<br />
Herr Theyskens, wie würden Sie sich selbst<br />
beschreiben?<br />
OLIVIER THEYSKENS Ich arbeite fokussiert<br />
und bin sehr perfektionistisch in fast allem,<br />
was ich tue. Außerdem würde ich mich als<br />
schüchtern bezeichnen, verträumt und<br />
manchmal melancholisch. So bin ich seit<br />
meiner Kindheit. Ich liebe es, Dinge mit Integrität<br />
zu machen und habe natürlich eine<br />
Passion für Design.<br />
Wie haben Sie Ihre Kindheit in Erinnerung?<br />
O TWahrscheinlich geht es allen so, aber<br />
ich habe meine Kindheit als sehr besonders<br />
empfunden. Ich bin in Brüssel aufgewachsen<br />
als eines von drei Geschwistern. Meine<br />
Eltern waren sehr behütend und haben uns<br />
immer ermuntert, unseren Wünschen<br />
nachzugehen. Ich war schon früh an Stoffen<br />
und <strong>Mode</strong> allgemein interessiert. Es war<br />
immer klar, dass ich in Zukunft irgendetwas<br />
mit <strong>Mode</strong> machen würde. Ich war total<br />
begeistert, wenn meine Großmutter mir alte<br />
Stoffe oder Illustrationen aus frühen <strong>Mode</strong>magazinen<br />
vom Ende des 19. Jahrhunderts<br />
bis zu den Dreißigern gab. Meine Mutter besaß<br />
eine Nähmaschine, die ich damals nicht<br />
bedienen konnte, aber ich spielte mit den<br />
kleinen Dingen, die mit ihren Nähaktivitäten<br />
verbunden waren. Ich war als Kind sehr<br />
frei, das war wichtig für mich.<br />
Sie wollten schon als kleiner Junge<br />
Designer werden?<br />
O TJa, immer wenn ich nach meinem Berufswunsch<br />
gefragt wurde, habe ich mit<br />
Couturier geantwortet – so wie andere Kinder<br />
Feuerwehrmann oder Astronaut werden<br />
wollen. Ich kann mich erinnern, dass<br />
ich viel gezeichnet habe. Personen meis-<br />
<br />
Kostüme.<br />
Glauben Sie an Schicksal?<br />
O Ttisch.<br />
Aber zugleich ist mir immer bewusst,<br />
wie winzig wir Menschen im Hinblick auf<br />
das Universum sind. Dass sogar ein sehr<br />
schönes, ungewöhnliches Schicksal mikroskopisch<br />
klein und unbedeutend ist, wenn<br />
man es vor der Endlosigkeit des Weltalls<br />
betrachtet. In meinem Alltag versuche ich,<br />
die Kontrolle über mein Leben zu bewahren,<br />
indem ich durch meine Arbeit Wege<br />
cken.<br />
Doch ich liebe die Überraschungen,<br />
die das Leben bietet und achte auf die kleinen<br />
Zeichen, die uns zeigen, dass wir ab<br />
und zu von Magie umgeben sind und das<br />
Schicksal es gut mit uns meint.<br />
Welche Menschen haben Ihr Leben nachhaltig<br />
geprägt?<br />
O TNeben meiner Familie gab es ein paar<br />
Personen, die mich unterstützt haben und<br />
wichtig für meine Karriere waren. Einige<br />
von ihnen begleiten mich noch immer. Ich<br />
werde Ihnen ihre Namen hier nicht nennen,<br />
aber ich bin ihnen sehr dankbar. Es gibt natürlich<br />
immer Augenblicke, in denen man<br />
die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit<br />
trifft. Manchmal hat man einfach Glück.<br />
Gibt es Momente in Ihrem Leben, an die Sie<br />
sich immer wieder erinnern? Gute wie<br />
schlechte?<br />
O T stimmte<br />
Erinnerungen wie Geister wieder<br />
„Mein größter Traum ist es,<br />
in die Zeit der Dinosaurier zu<br />
reisen, um zu sehen, wie die<br />
Welt damals aussah. “<br />
auftauchen. Das können winzige Details<br />
ebenso wie große Ereignisse sein, an die<br />
man sich plötzlich anders erinnert. Hinter<br />
denen sich etwas verbirgt, das einem bislang<br />
nicht klar war. Alles, was mir gerade in<br />
den Sinn kommt, ist sehr privat. Eine ungewöhnliche<br />
Erinnerung verrate ich Ihnen<br />
aber: Als Kind habe ich mal einen kleinen<br />
Frosch gefunden und ihn anschließend in<br />
meiner Unterhose mit mir herumgetragen.<br />
Bizarr, oder? Aber diese Geschichte zeigt<br />
sowohl die schöne als auch die unkomfortable<br />
Seite der Erinnerung (lacht).<br />
Was aus Ihrer Kindheit wollen Sie niemals<br />
missen?<br />
O TDie vielen Eindrücke von Schönheit,<br />
Zärtlichkeit und Freude. Auch den<br />
Schmerz, die Fantasien, wegzulaufen und<br />
die lustigen kleinen Dramen.<br />
Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?<br />
O TIch bin sehr entschieden bei den<br />
Schnitten meiner Entwürfe, wie sie hergestellt<br />
sind, welches Material ich verwende.<br />
Ich möchte, dass meine <strong>Mode</strong>ls theyskenian<br />
aussehen. Sie müssen einen Stil ausdrücken,<br />
der mir entspricht. Aber ich denke,<br />
den können andere im Endeffekt besser beschreiben<br />
als ich. Vielleicht so viel: Ich mag<br />
es nicht, allzu extravagant zu sein, trotzdem<br />
ist mir natürlich schönes Design wichtig.<br />
Und das kann sowohl schlicht als auch<br />
kompliziert sein. Das wichtigste für mich:<br />
Die Entwürfe müssen sich richtig<br />
anfühlen.<br />
Was inspiriert Sie?<br />
O TAlles im Leben kann Inspiration sein.<br />
<br />
Ideen von der Zukunft. Doch als Designer<br />
gerät man zu leicht in Versuchung, mit Uto-<br />
heit<br />
zu gehen oder zu futuristisch zu werden.<br />
Ich will kein <strong>Mode</strong>utopist sein.<br />
Trotzdem möchte ich mit meiner Kleidung<br />
natürlich selbst eine Quelle der Inspiration<br />
- no -<br />
62<br />
Fotos: Hadley Hudson<br />
Styling: Götz Offergeld<br />
Make-up: Edward Cruz<br />
Haare: Cecilia Romero mit Produkten von Marlies Möller<br />
<strong>Mode</strong>l: Raquel Nave @ Root Management<br />
Alle Outfits: Theyskens’ Theory<br />
112<br />
113
sein und denen, die sie tragen, eine Vision<br />
geben. Die Kreativität kann dabei grenzenlos<br />
sein, wichtig ist nur, dass sie auf einer<br />
puren Substanz beruht.<br />
Haben Sie einen bestimmten Typ Frau<br />
im Kopf, wenn Sie an Ihren Kollektionen<br />
arbeiten?<br />
O TNein, keinen bestimmten. Ich stelle mir<br />
Frauen mit verschiedenen Facetten, mit unterschiedlichen<br />
Einstellungen und Gefühlszuständen<br />
vor. Bei Theory denke ich vor<br />
allem an eine urbane Frau. Elegant und<br />
gleichzeitig entspannt. Das vermischt sich<br />
im Designprozess mit Ideen, die mir intuitiv<br />
kommen.<br />
Designer stehen in der <strong>Mode</strong>industrie unter<br />
einem besonders hohen Druck. Wie gehen<br />
Sie damit um?<br />
O TZu relativieren ist immer gut. Der<br />
Druck kann zwar von außen kommen, aber<br />
<br />
Ich habe auf jeden Fall den Hang dazu, mich<br />
unter Druck zu setzen – oft auch unnötig.<br />
Ab und zu wird mir das bewusst – meistens<br />
lache ich dann über mich. Das befreit. Darüber<br />
hinaus versuche ich so gesund wie<br />
möglich zu leben. Einen Körper zu haben,<br />
der für den Stress gewappnet ist. Am wichtigsten<br />
ist mir aber: Ich kann mich glücklich<br />
schätzen, viele gute Freunde zu haben, die<br />
nicht alle mit der <strong>Mode</strong>industrie zu tun haben.<br />
Meine Familie unterstützt mich und ist<br />
ein guter Rückhalt. Ich vertraue darauf,<br />
dass die Menschen, die mir nahe stehen,<br />
mir helfen werden, wenn ich sie brauche.<br />
Obwohl ich viel Energie in meine Arbeit investiere,<br />
ist es für mich wichtig, ab und zu<br />
eine Distanz zu der <strong>Mode</strong>welt zu haben. Alleine<br />
zu sein ist manchmal hilfreich, damit<br />
sich mein Gehirn regenerieren kann.<br />
Was halten Sie von Kooperationen von bekannten<br />
Labels oder Designern mit H&M?<br />
Wie zum Beispiel Versace?<br />
O TNicht so viel. Ich mag es, wenn meine<br />
Kleidung vielen Menschen zugänglich ist,<br />
aber mir ist auch die Integrität meiner Arbeit<br />
wichtig. Und ich bin mir nicht sicher,<br />
ob die in diesem Fall noch gewährleistet<br />
wäre. Jeder weiß natürlich, dass die Produkte<br />
dieser Kooperationen nicht dem normalen<br />
Standard der Häuser entsprechen.<br />
Und dass es darum auch nicht geht. Aber es<br />
kommt mir immer wie falscher Kaviar vor.<br />
Ich verstehe die Chance, mehr Menschen<br />
auf der ganzen Welt für die Ästhetik einer<br />
Marke aufmerksam zu machen. Am besten<br />
ist wahrscheinlich, diese Kollaborationen<br />
als Spaß zu sehen, wie in einen Kostümladen<br />
zu gehen und ein billiges Spiderman-<br />
Kostüm zu kaufen.<br />
Haben Sie manchmal Angst? Und können<br />
Sie uns einen Rat geben, was man gegen<br />
Angst machen kann?<br />
O TAngst ist natürlich ein großes Wort,<br />
aber wenn ich sie habe, dann schaue ich mir<br />
selbst dabei zu und begreife es als faszinierende<br />
Erfahrung. Nach dem Motto: seltsam!<br />
Meine Fingerkuppen fühlen sich taub und<br />
kalt an. Mein Herz schlägt schnell, und<br />
mein Hals zieht sich zusammen... Das muss<br />
<br />
ich mir oft Sorgen um die Zukunft. Die Umweltzerstörung,<br />
die Überbevölkerung. Ich<br />
möchte vertrauen können, aber wie kann<br />
man angesichts des Zustands der Welt nicht<br />
ein bisschen ängstlich sein?<br />
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?<br />
O TDa müssten wir mit einem Wahrsager<br />
sprechen... Zehn Jahre sind eine lange Zeit<br />
in der <strong>Mode</strong>welt. Aber ich verspreche Ihnen:<br />
Ich werde mein Bestes geben, um mich<br />
so gut wie möglich weiterzuentwickeln.<br />
Was ist Ihr größter Traum?<br />
O TIn die Zeit der Dinosaurier zu reisen,<br />
um zu sehen, wie die Welt damals aussah.<br />
OLIVIER THEYSKENS beschloss mit sieben Jahren,<br />
dass er Couture-Designer werden wollte. Dieses<br />
Vorhaben stand ihm als Kreativdirektor bei<br />
Rochas und Nina Ricci jedoch im Weg, seine Entwürfe<br />
wurden als Demi-Couture abgestempelt.<br />
Erst bei Theory konnte der Belgier sich neu er-<br />
<br />
als „Extravagante Gothic“ bezeichnet wird.<br />
114
ASSATA SHAKUR<br />
nach ihrer Festnahme am 2. Mai 1973.<br />
Die Frauen der Black Panther Party sind für ihren Kampf für Bürgerrechte<br />
nicht nur ins Gefängnis gegangen. Sie waren außerdem Stilikonen, deren<br />
Einfluss bis zu First Lady Michele Obama reicht.<br />
CAN YOU DIG IT?<br />
Die Aufregung war groß, als die Bürgerrechtlerin<br />
und Kommunistin Angela Davis<br />
im Oktober 1970 wegen Beihilfe zu Kidnapping,<br />
Mord und Körperverletzung verhaftet<br />
wurde. Die ehemalige Marcuse- und Adorno-Schülerin<br />
Davis war für Monate untergetaucht<br />
gewesen, nachdem feststand, dass<br />
die Waffen, durch die während des sogenannten<br />
Marin County Courthouse Shootings<br />
schwarze Angeklagte freigepresst<br />
werden sollten, alle auf sie registriert waren.<br />
Der Haupttäter hatte als ihr Bodyguard<br />
gejobbt. Bei einem Schusswechsel starben<br />
vier Menschen. Lange Liebling der liberalen<br />
Presse und berühmt für ihren wilden Afro,<br />
fand sich Davis plötzlich auf der FBI-Fahndungsliste<br />
der zehn meistgesuchten Kriminellen<br />
wieder.<br />
Durch die Medien geisterte zwei Jahre später<br />
während des Prozesses das Bildnis einer<br />
jungen schwarzen Frau irgendwo zwischen<br />
Femme fatale und schaumgeborener<br />
Göttin. Die New York Times meinte, um sie<br />
„die Aura des Märtyrertums“ leuchten zu<br />
sehen, der französische L´Express fabulierte<br />
von „stolzer Schönheit gleich der exilierten<br />
Königin von Saba“. Die Bürgerrechtsbewegung<br />
hatte also ihre heroine, das aufgescheuchte<br />
konservative Establishment<br />
seinen Dämon. Gegen beide Stereotype war<br />
schwer anzukommen.<br />
Das Davis-Verfahren, das mit einem Freispruch<br />
endete, hat sich im Sommer zum 40.<br />
Mal gejährt. Doch noch immer toben die<br />
oftmals ideologisch gefärbten Kämpfe um<br />
die Deutungshoheit jener bewegten Jahre.<br />
Neben Davis sind es vor allem die ehemaligen<br />
Mitglieder der Black Panther Party, vor<br />
allem die Frauen, die noch immer aktiv in<br />
der Bürgerrechtsbewegung engagiert sind.<br />
Ex-Panther wie Kathleen Cleaver, die ehemalige<br />
Partei-Vorsitzende Elaine Brown,<br />
erst recht Assata Shakur, bewegen sich auf<br />
einem schmalen Grad zwischen Verdammung<br />
und Verklärung. Doch sie sind heute<br />
Vorbilder für viele junge Frauen, die sich<br />
für Feminismus begeistern - oder auch den<br />
selbstbewussten Look der Sechziger.<br />
<br />
starken Frauen der Black Power-Bewegung<br />
zu verstehen, hilft es - gerade in Zeiten des<br />
sich immer absurder gerierenden amerikanischen<br />
Wahlkampfes - einen Blick auf die<br />
historischen Umstände zu werfen, unter denen<br />
sich die Bürgerrechtsbewegung dazu<br />
aufschwang, Freiheit und Gleichheit einzufordern.<br />
Noch in den Sechzigern war die<br />
amerikanische Mehrheitskultur und ihr<br />
Schönheitsideal völlig auf whiteness fixiert;<br />
ob in TV-Serien, im Kino, in <strong>Mode</strong>,<br />
Wirtschaft oder Politik. So wurde es umso<br />
notwendiger für die afroamerikanische<br />
Community, die Spielregeln des Diskurses<br />
zu verändern.<br />
Die Blaxploitation-Heldin Pam Grier inszenierte<br />
sich in Filmen wie „Foxy Brown“<br />
oder „Coffy“ als selbstbewusste Rächerin,<br />
die Rassen- wie Gendergrenzen schlichtweg<br />
niederriss. Frauen wie Davis, Cleaver<br />
oder Shakur standen für akademische oder<br />
rhetorische Brillanz. Auf einmal war black<br />
nun beautiful, und eine Rückbesinnung auf<br />
die afrikanische Kultur galt als fortschrittlich.<br />
Mit dem neuen – auch modischen –<br />
Selbstverständnis junger schwarzer Frauen<br />
gerieten alte Rollenbilder zusehends ins<br />
Wanken.<br />
<br />
französischen Regisseurin Agnès Varda<br />
über eine Veranstaltung der Black Panther<br />
Party 1968 in Kalifornien. Die damalige<br />
<br />
umringt von hippen jungen Frauen mit<br />
Afros, Black-Panther-Shirts, schwarzen<br />
Leggins und Lederboots. Im Hintergrund<br />
spielt eine Funkband. Daneben marschiert<br />
ein Black Panther-Corps auf. An der Wand<br />
steht in großen Lettern „Black is honest and<br />
beautiful“, wahr und schön. Als Cleaver<br />
nach ihrer wilden Naturkrause gefragt<br />
wird, sagt sie: „Das ist unser neues Bewusstsein!<br />
Jahrelang wurde uns gesagt, nur<br />
Weiß sei schön. Glatte Haare, helle Haut,<br />
helle Augen... Das hat sich verändert! Can<br />
you dig it?! “<br />
Durch solche Frauen blühte der Afro-Feminismus<br />
regelrecht auf. Klassenzugehörigkeit,<br />
Sexismus wie Rassismus wurden als<br />
Hindernisse gesellschaftlicher Partizipation<br />
erkannt. Würde man sie überwinden, so die<br />
Auffassung, sei damit der gesamten Gemeinschaft<br />
gedient. Aber Theorie war nicht<br />
immer gleich Praxis. Selbst innerhalb der<br />
Black Panther-Bewegung - die, wie der ursprünglichen<br />
Zusatz „for self-defense“ signalisiert,<br />
zunächst eine Art Bürgerwehr gegen<br />
Übergriffe weißer Rassisten war - hatten<br />
es die Frauen schwer.<br />
63<br />
- no -<br />
GESCHICHTE<br />
Fotos: Corbis<br />
Text: Ruben Donsbach<br />
Zwar behauptete Panther-Gründer Huey<br />
Newton einmal: „Wir unterscheiden nicht<br />
zwischen den Geschlechtern.“ Dennoch gab<br />
es „dieses Bildnis von schwarzen, militanten<br />
Frauen als sexuelle Anhängsel, nicht als<br />
politische Kameraden männlicher Revolutionäre“<br />
wie die Kulturwissenschaftlerin<br />
Dayo F. Gore in ihrem Buch „Want to start a<br />
revolution?“ feststellt. Dabei waren es Sozialprogramme<br />
wie ein kostenlose Frühstück<br />
für Schulkinder, ärztliche Hilfe oder die Bereitstellung<br />
von Klamotten und Wohnraum,<br />
„Das ist unser neues Bewusstsein! Jahrelang<br />
wurde uns gesagt, nur Weiß sei schön. Glatte Haare,<br />
helle Haut, helle Augen...“<br />
die halfen, die Akzeptanz der Panther in der<br />
Community zu stärken – allesamt organisiert<br />
von Frauen wie Cleaver und Brown.<br />
Über verschiedenste Umwege und Metamorphosen<br />
hat dieses revolutionär-politische<br />
„Ich“ Eingang in die Populärkultur gefunden.<br />
Zur vielleicht unübertroffenen<br />
Synthese kam es in Quentin Tarantinos<br />
Blaxploitation-Reminiszenz „Jacky Brown“,<br />
mit der sich Pam Grier ganz alterweise und<br />
als Zitat ihrer selbst in den Ruhestand verabschiedet<br />
hat. Erst vor kurzem ließ sich<br />
Michelle Obama in verblüffender Ähnlichkeit<br />
mit Angela Davis in Ölfarben porträtieren,<br />
auf dass ein wenig sophistication und<br />
credibility auf sie übergehen möge. Und<br />
121
was die verworrenen (Vermittlungs)wege<br />
der Widerstands-Ikonologie angeht, wollen<br />
wir gar nicht eingehen auf den HipHop und<br />
seine ambivalenten Rollenbilder zwischen<br />
Hypermachismo und der selbstbewussten<br />
Weiblichkeit einer Rapperin wie Foxy<br />
Brown.<br />
Selbst in der zeitgenössischen <strong>Mode</strong> spielt<br />
der Panther-Look, vermittelt etwa von Designern<br />
wie Ramdane Touhami, eine Rolle:<br />
Lederjacke, Barett, schwarze Sonnenbrille,<br />
darunter kunstvoll gewebte Kente-Stoffe<br />
aus Afrika. Dieses neo-rebel cool sei eine<br />
Art Vintage-Gewissen für jene Leute, die<br />
<br />
aber so dennoch ein wenig wie<br />
Revolutionäre fühlen können,<br />
urteilte Rebecca Voigt in der<br />
New York Times. Auch der postmoderne<br />
Hipster sehnt sich offenbar<br />
nach ein wenig Konsequenz<br />
und politischem Ausdruck<br />
in seinem modischen Auftritt.<br />
Der Black-Power-Style macht da<br />
entsprechende Angebote: Er war<br />
ab den 60ern äußerliches Symbol<br />
für das neue Selbstbewusstsein<br />
und den erklärten Stolz<br />
auf die eigene – schwarze – Geschichte.<br />
Die aus den kostbaren<br />
Kente-Stoffen genähten sogenannten<br />
Dashiki, lockere Oberteile<br />
mit farbenfroh-geometrischen<br />
Dessins, verwiesen auf die<br />
Tradition der Könige zur Zeit<br />
der afrikanischen Hochkulturen.<br />
In dieser Farbmythologie steht<br />
Schwarz im Übrigen für spirituelles<br />
Bewusstsein und eine Verbindung<br />
mit den Vorfahren.<br />
Die von der Panther-Führung in<br />
Anlehnung an den Look der<br />
französischen Résistance – erdachten<br />
urbanen Unisex-Uniformen<br />
der Bewegung bestanden<br />
neben Lederjacke, Barett und<br />
Sonnenbrille aus jeweils schwarzen<br />
Schuhen, Hosen und eventuell<br />
Handschuhen. Solche Uniformen<br />
ließen ihre Träger stark,<br />
stolz und geschlossen auftreten.<br />
<strong>Mode</strong> war somit nicht nur ein<br />
Wiedererkennungsmerkmal, sie<br />
<br />
Bürgerrechtler bei. Aber bei den<br />
Panthern waren die Ideen der<br />
Revolution noch etwas näher<br />
dran am Leben als bei den<br />
heutigen fashionistas aus Downtown<br />
Manhattan.<br />
Angela Davis, die nur kurzzeitig Mitglied<br />
der Partei war, musste bis zu ihrem Freispruch<br />
im Frühjahr 1972 mit der Todesstrafe<br />
rechnen. Ihre sich radikalisierenden<br />
sisters and brothers aus der Black Panther<br />
Party galten zeitweise als vogelfrei. Und<br />
während die seit Teddy Roosevelts New-<br />
schicht<br />
in die neuen Vororte zog, brodelte<br />
es in den überwiegend von Schwarzen bewohnten<br />
innerstädtischen Ghettos der Metropolen,<br />
über die Marvin Gaye seinen Inner<br />
City Blues sang.<br />
KATHLEEN CLEAVER<br />
Pressesprecherin der Black Panther Party mit<br />
ihrem Sohn, Oktober 1971.<br />
Die Militanz der Black Panthers hat ihnen<br />
nicht nur den Ruf einer terroristischen<br />
Vereinigung eingetragen, sondern auch viele<br />
ihrer Anführer frühzeitig unter die Erde<br />
oder ins Gefängnis gebracht. Doch anders<br />
als etwa die Frauen der deutschen Roten<br />
Armee Fraktion haben viele der Black Panther-Frauen<br />
später zu neuen Formen der<br />
Dissidenz gefunden: etwa als Professorinnen<br />
und Aktivistinnen. Angela Davis arbeitete<br />
lange als Leiterin des Instituts für Frauenpolitik<br />
der University of California in<br />
Santa Cruz und gilt noch heute als eine<br />
der prominentesten Bürgerrechtlerinnen<br />
der USA. Kathleen Cleaver ist nach einer<br />
ANGELA DAVIS<br />
musste zeitweise mit<br />
der Todestrafe rechnen.<br />
<br />
Der Black-Power-Style war ab den Sechzigern<br />
äußerliches Symbol für das neue<br />
Selbstbewusstsein und den erklärten Stolz auf<br />
die eigene – schwarze – Geschichte.<br />
längeren Odyssee über Kuba, Algerien und<br />
Frankreich schließlich Juraprofessorin an<br />
der renommierten Yale-Universität geworden.<br />
Elaine Brown lebt in Oakland und bewarb<br />
sich 2008 um die Präsidentschaftskandidatur<br />
der Grünen-Partei Amerikas.<br />
dings<br />
ein Kopfgeld von über einer Million<br />
Dollar ausgesetzt. Sie lebt und unterrichtet<br />
auf Kuba. Shakur ist die Stieftante des ermordeten<br />
Rappers Tupac Shakur und wurde<br />
vor kurzem von dessen Kollegen Common<br />
besucht. Common schrieb über Shakur<br />
den „Song for Assata“. Darin heißt es:<br />
„In the spirit of the Black Panthers /<br />
In the spirit of Assata Shakur /<br />
We make this movement towards freedom /<br />
For all those who have been oppressed, and<br />
all those in the struggle.“<br />
Was nach Revolutionsromantik klingt, hat<br />
konservative Kommentatoren in Amerika<br />
wochenlang auf die Barrikaden gebracht.<br />
Ob man Shakur für eine Polizistenmörderin<br />
und Bankräuberin oder eine vollkommen<br />
unschuldige, rassistisch verfolgte Freiheitskämpferin<br />
hält, ist auch eine Frage der<br />
Parteizugehörigkeit. Zumindest die Empörungsmaschinerie<br />
läuft auch Jahrzehnte<br />
später auf Hochtouren. Und doch sind die<br />
hier genannten Frauen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung<br />
(und viele andere) trotz<br />
-<br />
<br />
Zivilgesellschaft geworden. Ein Präsident<br />
Obama wäre ohne ihr Beispiel nicht<br />
denkbar. Seine selbstbewusste Frau Michelle<br />
ebenso wenig.<br />
BLACK PANTHER PARTY war der Name für eine afroamerikanische<br />
Bürgerrechts-und Selbstschutzbewegung<br />
der Sechziger und Siebziger. Unter<br />
anderem dokumentierte der Fotograf Howard L.<br />
Bingham die Bewegung und ihre Anhänger in<br />
seinem Buch „Black Panthers, 1968“.<br />
123
Protokoll: Pia-Luisa Lenz<br />
EINE STIMME<br />
OMOYEMI AKERELE<br />
Omoyemi Akerele hatte einen Jura-Abschluss in England gemacht, zurück in<br />
ihrem Heimatland Nigeria steht ihr eine große Karriere bevor. Aber der Job in<br />
einer Kanzlei erfüllt sie nicht. Kurzerhand wird die Juristin zur Stylistin. Sie<br />
leitet eine <strong>Mode</strong>zeitschrift und gründet eine Online-<strong>Mode</strong>plattform. Islamisten<br />
überziehen Nigeria mit Terroranschlägen, dazu fordern Überschwemmungen<br />
Dutzende Tote. Doch Akerele will ihr Land retten – mit <strong>Mode</strong>.<br />
Ich schlage die Zeitung auf und lese Horrormeldungen<br />
aus meinem wunderschönen<br />
Heimatland. Es gibt politische Unruhen.<br />
Es gibt Korruption. Es gibt Gewalt zwischen<br />
Muslimen und Christen. Es gibt Überschwemmungen.<br />
In den letzten Wochen<br />
sind Hunderte Menschen ums Leben gekommen.<br />
Doch mein Nigeria macht noch<br />
vieles mehr aus. Und ich will ein Stückchen<br />
davon in die Welt hinaus tragen. Ich<br />
möchte der ganzen Welt zurufen: Nigeria<br />
wacht gerade erst auf! Und ich glaube fest<br />
daran, dass die <strong>Mode</strong> meinem Land dabei<br />
helfen kann.<br />
Als ich aus London zurück nach Nigeria<br />
kam, war ich motiviert und unglaublich<br />
stolz. Ich hatte meinen Jura-Abschluss in<br />
der Tasche und begann in einer der größten<br />
nigerianischen Kanzleien zu arbeiten. Es<br />
war kein leichter Weg dorthin, aber meine<br />
Eltern haben mich immer sehr unterstützt.<br />
Ich war am Ziel meiner Träume angekommen.<br />
Dennoch war ich unglücklich, konnte<br />
mich nicht an den Arbeitsalltag in der Kanzlei<br />
gewöhnen. Der Job erfüllte mich nicht.<br />
WISSEN, WAS EINE<br />
STYLISTIN MACHT<br />
Als ich mir das eingestanden hatte, setzte<br />
ich mich hin und überlegte: Was will ich<br />
wirklich machen? Schnell wusste ich: Ich<br />
möchte mit <strong>Mode</strong> arbeiten. Jedoch nicht als<br />
Designerin, sondern mit fertigen Entwürfen.<br />
Also wurde ich Stylistin und <strong>Mode</strong>beraterin.<br />
Vor knapp zehn Jahren konnte mit<br />
diesen Ausdrücken in Nigeria niemand etwas<br />
anfangen. Doch meine Entscheidung<br />
habe ich nie bereut. Heute wissen schon<br />
viel mehr Menschen, was eine Stylistin<br />
macht.<br />
„Ich möchte der ganzen<br />
Welt zurufen: Nigeria wacht<br />
gerade erst auf! Und ich<br />
glaube fest daran, dass<br />
die <strong>Mode</strong> meinem Land<br />
dabei helfen kann.“<br />
Mittlerweile bin ich der kreative Kopf<br />
einer nigerianischen Fashion-Onlineplattform.<br />
Mithilfe dieser Plattform möchten wir<br />
unsere <strong>Mode</strong>industrie zum Wachsen bringen.<br />
Wir wollen heimische Designer stärken,<br />
ausländische Investoren ins Land und<br />
junge Leute von der Straße holen. Dafür<br />
muss ich an vielen Fronten kämpfen: Ich<br />
kämpfe für eine bessere Infrastruktur, für<br />
mehr Arbeitsplätze, für eine bessere Ausbildung<br />
und für unser Image in der ganzen<br />
Welt. Ich glaube fest daran, dass wir mit unserer<br />
<strong>Mode</strong> einen komplett neuen Markt erschaffen<br />
können, der Nigeria Fortschritt<br />
bringen wird. Leider wird die <strong>Mode</strong>industrie<br />
von der Politik nicht sehr ernst genommen.<br />
Wir bekommen wenig Unterstützung.<br />
Korruption ist immer noch ein riesiges<br />
Problem.<br />
64- no -<br />
MODE ALS MITTEL<br />
ZUM WOHLSTAND<br />
Mit der nigerianischen <strong>Mode</strong>industrie<br />
könnten wir einen Beitrag zum Wohlstand<br />
in unserem Land leisten. Aber dafür müssen<br />
wir im internationalen Geschäft mitspielen.<br />
Noch ist bei uns alles anders als in<br />
London, Berlin oder Paris. Warum? Es gibt<br />
eben keine Einkaufsstraße, auf der alle großen<br />
Designer ihre schicken Shops haben.<br />
Die Geschäfte sind überall im Land verteilt<br />
und oft schwer zu erreichen, weil die Straßen<br />
und Buslinien fehlen. Die ganze Industrie<br />
ist noch nicht vernetzt, die meisten Designer<br />
arbeiten eher für sich. Viele wissen<br />
nicht, wie man ein richtiges Unternehmen<br />
führt. Das wollen wir ihnen zeigen. Deshalb<br />
organisieren wir Workshops und<br />
Gesprächsrunden.<br />
„Es geht vor allem darum,<br />
die Menschen zusammenzubringen.<br />
Für mich ist<br />
<strong>Mode</strong> ein Dialog. Und wir<br />
haben endlich angefangen,<br />
uns zu unterhalten.“<br />
Vor fünf Jahren habe ich die erste „Lagos<br />
Fashion and Design Week“ ins Leben geru-<br />
ber<br />
statt, ich kann es kaum erwarten. An<br />
diesen vier Tagen kommen in der Hauptstadt<br />
alle zusammen, die in Nigeria <strong>Mode</strong><br />
entwerfen, verkaufen oder vermarkten. Wir<br />
laden aber auch Designer aus der ganzen<br />
Welt ein, schließlich geht es vor allem um<br />
den Austausch. Die Vogue wird dabei sein,<br />
die Herald Tribune. Vor zehn Jahren wäre<br />
das noch undenkbar gewesen.<br />
WIR HABEN ANGEFANGEN,<br />
UNS ZU UNTERHALTEN<br />
Doch es muss noch weiter vorwärtsgehen.<br />
In ein paar Jahren möchte ich, dass Menschen<br />
aus aller Welt nach Nigeria kommen,<br />
um unsere <strong>Mode</strong> zu kaufen. Und ich möchte<br />
auch, dass ausländische Firmen zu uns<br />
nach Nigeria kommen. Im Moment ist es<br />
eher so, dass ich unsere lokalen Designer zu<br />
ihren Kunden bringe - zum Beispiel nach<br />
London. Es geht vor allem darum, die Menschen<br />
zusammenzubringen. Deshalb spreche<br />
ich auf Veranstaltungen von Botschaften<br />
und arbeite mit den Vereinten Nationen<br />
zusammen. Für mich ist <strong>Mode</strong> ein Dialog.<br />
Und wir haben endlich angefangen, uns zu<br />
unterhalten.<br />
„Es ist, als würde das Land<br />
alte Zöpfe abschneiden<br />
und sich neu erfinden.<br />
Überall werden Straßen<br />
gebaut, Schulen renoviert<br />
und Schienen verlegt.<br />
Noch vor 15 Jahren gab<br />
es in Nigeria kaum Telefone,<br />
heute ist der Handyempfang<br />
flächendeckend.“<br />
Jetzt ist der richtige Moment für eine Veränderung<br />
gekommen – das spüre ich. Es ist,<br />
als würde das Land alte Zöpfe ab-schneiden<br />
ßen<br />
gebaut, Schulen renoviert und Schienen<br />
verlegt. Noch vor 15 Jahren gab es<br />
in Nigeria kaum Telefone, heute ist<br />
<br />
Küste von Lagos entsteht das neue Wirtschaftszentrum<br />
Westafrikas, auf einer aufgeschütteten<br />
Insel. 250.000 Menschen sollen<br />
hier ab 2015 leben und arbeiten.<br />
Keine Frage: Das Land ist im Aufbruch.<br />
Über 160 Millionen Menschen leben in Nigeria,<br />
davon zählen heute schon 30 Millionen<br />
zur Mittelschicht. Die Menschen beginnen<br />
damit, Geld für Luxusartikel auszugeben.<br />
Es entstehen schicke Hotels, an fast jeder<br />
Ecke in Lagos eröffnen neue Bars. Auch immer<br />
mehr ausländische Firmen kommen<br />
nach Nigeria. Die Volkswirtschaft wächst<br />
immer weiter.<br />
„Über 160 Millionen<br />
Menschen leben in<br />
Nigeria, davon zählen<br />
heute schon 30 Millionen<br />
zur Mittelschicht.“<br />
KANN NIGERIA DAS NEUE CHINA<br />
WERDEN?<br />
Wir gelten nicht nur als die optimistischsten<br />
Menschen, in unserem Land gibt es<br />
auch sehr viele Talente. Im November werde<br />
ich bei der „Luxury Conference“ der International<br />
Herald Tribune in Rom darüber<br />
sprechen, welches wirtschaftliche Potential<br />
ich für Afrika sehe. Und ich sehe riesiges<br />
Potential.<br />
Dann folgt meist die Frage: Kann Nigeria in<br />
Bezug auf globalen Handel irgendwann zum<br />
neuen China heranwachsen? Offen gestanden:<br />
Ich weiß es nicht. Wir haben viele<br />
Möglichkeiten, aber noch ist der Markt unberechenbar.<br />
Ob wir aber zu einem neuen<br />
nitiv<br />
ja! Zwar basiert Nigeria immer noch<br />
zu einem Großteil auf Landwirtschaft, aber<br />
trotzdem entwickelt sich auch der Luxussektor<br />
immer weiter.<br />
Wir sind ein sehr stolzes Land. Die Menschen<br />
sind stolz auf ihre Identität, die sehr<br />
eng mit dem Land verwurzelt ist. Es gibt<br />
eine unglaubliche Vielfalt – im ganzen Land<br />
werden über 500 Sprachen gesprochen. Es<br />
gibt zwar immer noch große Unterschiede<br />
zwischen den Bevölkerungsgruppen. Doch<br />
die jungen Leute sind selbstbewusster geworden.<br />
Ich bin stolz auf die, die heute klar<br />
wissen, was sie sich vom Leben wünschen.<br />
Viele wollen Designer werden und begeistern<br />
sich für <strong>Mode</strong>. Auch das hat sich erst in<br />
den vergangenen Jahren so entwickelt.<br />
<strong>Mode</strong> bedeutet so etwas wie Freiheit. Jeder<br />
kann sich selbst ausdrücken, es gibt keine<br />
Grenzen. Für viele nigerianische Designer<br />
spielen bunte Farben, Stoffe und landestypische<br />
Muster eine entscheidende Rolle.<br />
Das kommt durch unsere vielfältige kulturelle<br />
Vergangenheit. Doch es gibt eben<br />
auch nigerianische Designer, die einen ganz<br />
schlichten Look haben. Wenig Farbe, wenig<br />
Muster, schlichte Schnitte. Mit <strong>Mode</strong> kann<br />
jeder seine ganz persönliche Geschichte<br />
erzählen.<br />
Die Geschichte von Nigeria schreiben wir<br />
Nigerianer, wir gestalten die Zukunft. Ich<br />
kämpfe auf meine Art jeden Tag für Wandel<br />
und Fortschritt. Einmal morgens die Zeitungen<br />
aufschlagen und lauter positive<br />
Nachrichten aus meiner Heimat lesen:<br />
Nichts wünsche ich mir mehr.<br />
OMOYEMI AKERELE ist Kreativdirektorin bei Style<br />
House Files, einem digitalem Portal für <strong>Mode</strong>,<br />
Kultur und Beauty aus Afrika, dem man unter<br />
<br />
Akrele tritt zudem bei der diesjährigen International<br />
Herald Tribune Luxuy Conference unter der<br />
Leitung von Suzy Menkes als Gastrednerin<br />
ber<br />
in Rom statt.<br />
124<br />
125
Fotos: Randall Bachner, Interview: Marie-Sophie Müller<br />
Styling: Bernat Buscato, Make-up: Claire Bayley @ LATELIERNYC.com<br />
Scrollt man durch das Online-Portfolio des<br />
Fotografen-Duos Mert & Marcus, fragt man<br />
sich, ob die beiden in den letzten Jahren<br />
überhaupt mal einen Tag frei hatten: Sie<br />
sind und arbeiten überall! Für die US-Vogue<br />
und Vogue France, W Magazine, Love Magazine<br />
– dazu für MiuMiu mit der reizenden<br />
Chloe Sevigny, für Stella McCartney,<br />
Boss, Calvin Klein, Armani, Versace,<br />
Givenchy bis zu Lancôme. Manchmal<br />
scheint es, als wären außer Mert & Marcus<br />
alle anderen Fashionfotografen in die Ferien<br />
verschwunden.<br />
Mert Alas und und Marcus Pigott trafen<br />
sich erstmals Mitte der Neunziger. Alas war<br />
aus Istanbul nach London gezogen und arbeitete<br />
als Foto-Assistent. Pigott kam aus<br />
<br />
Geld. Beide beschlossen fortan, die Kamera<br />
selbst in die Hand zu nehmen und ein Team<br />
zu werden. Sie zeigten ihre ersten Arbeiten<br />
den Machern von Dazed & Confused, die sie<br />
sofort das Cover shooten ließen und die Geschichte<br />
ins Rollen brachten.<br />
Als ihre Inspiration taucht immer wieder<br />
Guy Bourdin auf, ein legendärer französischer<br />
Fotograf, der ab den Sechzigern große<br />
<br />
<br />
als würden sie einen Moment in einer<br />
Geschichte festhalten. Wahrscheinlich ist<br />
es genau das, was die Arbeit von Mert &<br />
Marcus heute so erfolgreich macht: das<br />
Erzählerische in Verbindung mit einem Gespür<br />
für die dramatisch-glamouröse Insze-<br />
ter<br />
am Computer via Bildbearbeitung noch<br />
kräftig nachhelfen. Vertreten werden Mert<br />
& Marcus von der Künstleragentur Art<br />
Partner, bei der unter anderem auch Terry<br />
Richardson und Mario Sorrenti unter Vertrag<br />
sind. Die beiden arbeiten nicht nur zusammen,<br />
sie sind auch privat ein Paar.<br />
- no -<br />
65<br />
MERT &<br />
MARCUS<br />
- no -<br />
WARIS AHLUWALIA<br />
Wer ihn einmal gesehen hat, vergisst<br />
ihn nicht – den schlanken, elegant<br />
gekleideten Mann mit dem eindringlichen<br />
Blick unter dem akkurat<br />
gewickelten, schwarzen Turban.<br />
Und man sieht ihn oft: in Filmen<br />
von Wes Anderson oder Spike Lee,<br />
auf glamourösen Partyfotos mit so<br />
schönen Frauen wie Karen Elson,<br />
Tilda Swinton oder Charlotte Ronson<br />
und in etlichen frontrows bei<br />
der New York Fashion Week.<br />
Neben seinen diversen Auftritten<br />
vor der Kamera ist Waris Ahluwalia<br />
auch für sein Schmucklabel House<br />
of Waris bekannt. Doch eigentlich<br />
sind für den Weltbürger und Philanthrophen<br />
alle Schubladen zu klein.<br />
Man kann Sie einen Schmuckdesigner<br />
nennen, einen Schauspieler oder auch<br />
einen ausgesprochen stilbewussten<br />
Mann, mit dem man sich gerne sehen<br />
lässt. Wie sehen Sie Ihre Rolle in der Welt?<br />
WARIS AHLUWALIA Ich bin ein Entdecker<br />
und ein Geschichtenerzähler. Der Presse<br />
scheint das ein bisschen zu allgemein<br />
formuliert zu sein, sie sucht immer nach<br />
<br />
designer, Schauspieler – aber weißt du,<br />
mir ist das ehrlich gesagt egal. Ich bin ein<br />
Geschichtenerzähler und ich erzähle sie<br />
mit meinem Schmuck, meinen Schals<br />
oder einem Film – mit allem, was ich tue.<br />
Das Medium ist beliebig, es ist die Botschaft,<br />
die zählt. Gerade habe ich zum<br />
ersten Mal etwas Geschriebenes veröffentlicht,<br />
einen Beitrag in der aktuellen<br />
Ausgabe von The Paris Review. Auch das<br />
ist ein Weg, Geschichten zu erzählen.<br />
66<br />
Aber ein Glückspilz sind Sie schon<br />
auch, oder?<br />
W AGlück kann dich irgendwohin bringen,<br />
aber es kommt doch immer darauf an, was<br />
du daraus machst. Ich würde sagen, zu diesem<br />
Zeitpunkt haben wir den Glück-Part<br />
hinter uns gelassen. Fortune favors the bold<br />
– das Glück ist mit den Tüchtigen, heißt es.<br />
Ich habe nie gelernt, wie man Schmuck anfertigt<br />
oder <strong>Mode</strong> entwirft, aber das hat<br />
mich nicht davon abgehalten, es trotzdem<br />
zu tun. Ich habe keine Angst davor, etwas<br />
anzugehen.<br />
Sobald man studiert, schlägt man einen<br />
bestimmten Weg ein, aber eigentlich ist es<br />
nur der erste Schritt. Wohin man geht, entscheidet<br />
sich doch erst, wenn man es wirklich<br />
tut. Und es kann hemmend sein, wenn<br />
man denkt, man dürfe einen eingeschlagenen<br />
Weg nicht mehr verlassen.<br />
W AGanz genau. Das Universum spricht zu<br />
dir. Und der Weg, von dem Sie sprechen, ist<br />
ein kurvenreicher. Sie müssen in der Lage<br />
sein, ihn zu sehen, die Zeichen zu erkennen<br />
und zuzuhören. Die meisten Menschen können<br />
reden, aber nicht zuhören. Wenn das<br />
Universum dir Zeichen gibt und dir eine<br />
Richtung weist, musst du den Schritt machen.<br />
Und ich denke, das Universum spricht<br />
zu allen, nicht nur zu mir (lacht).<br />
Ich mag den Namen „House of Waris“.<br />
Man stellt sich bei einem Haus vor, dass es<br />
Platz gibt, Gäste einzuladen und die Möglichkeit<br />
daran anzubauen.<br />
W AIch habe den Namen nicht lange suchen<br />
müssen. Er war irgendwann in meinem<br />
Kopf, beim Abendessen oder so. Ich<br />
sprach ihn aus, und erschien mir so als hätte<br />
es dieses Wort schon immer gegeben.<br />
Plötzlich passte alles zusammen. Was früher<br />
eher mein Problem war, nämlich viele<br />
Pullover EMPORIO ARMANI<br />
126
EMPORIO ARMANI<br />
Dinge gleichzeitig zu tun, ist jetzt zu einer<br />
Stärke geworden.<br />
Bisher hauptsächlich Schmuck?<br />
W AWir machen Objekte der Schönheit –<br />
Schmuck und Schals sind gerade die<br />
Schwerpunkte, aber es stehen auch andere<br />
Dinge an. Es gibt mir die Chance, mit Handwerkern<br />
aus allen Ecken der Welt zusammenzuarbeiten.<br />
Ich entdecke ein wunderbares<br />
Material, setze mich mit<br />
Handwerkern zusammen und wir entwickeln<br />
etwas. Stets etwas, das nicht an einem<br />
Trend orientiert ist, sondern für immer<br />
sein soll.<br />
Wo stellen Sie Ihren Schmuck her?<br />
W AIn Indien, in Bangkok, manchmal in<br />
Italien und New York. Das Handwerk hierzulande<br />
verschwindet mehr und mehr, aber<br />
es existiert noch, und es gibt eine neue<br />
Sehnsucht danach, es wieder zurückzubringen.<br />
Es gibt eine neue Wertschätzung<br />
für Dinge, die von Hand hergestellt wurden.<br />
Meine Aufgabe sehe ich darin, die Idee des<br />
Handwerks zu beschützen und zu fördern.<br />
Nicht als Geschichtsbuch, nicht als Museum,<br />
sondern als ein Handelsgewerbe. Das<br />
letzte Stück, das wir gemacht haben, ist in<br />
New York hergestellt worden.<br />
Das Collier für De Beers?<br />
W AGenau.<br />
Sie sprechen immer davon, wie wichtig<br />
Ihnen ein verantwortungsbewusster Konsum<br />
ist. Da ist das Juwelenbusiness natürlich<br />
ein wahres Minenfeld.<br />
W ANatürlich, und deshalb will ich wissen,<br />
woher etwas kommt. Ich werde nächstes<br />
Jahr zu den Diamantenminen nach Afrika<br />
fahren und selbst schauen, wie De Beers arbeitet.<br />
Jetzt erst, weil es etwas Zeit kostet,<br />
bevor man eine Stimme hat, die gehört<br />
wird. Vor fünf Jahren, als ich angefangen<br />
<br />
den weltweit größten Diamantenproduzenten<br />
zu treffen. Es war etwas ganz Besonderes<br />
für mich, mit Forevermark-Diamanten<br />
zu arbeiten. Neben ihrer besonderen<br />
Schönheit sind sie fair gehandelt. Ich möchte,<br />
dass weiterhin Schmuck hergestellt wird<br />
- aber verantwortungsvoller als bisher.<br />
Gilt dieses Prinzip auch für die Kleidung,<br />
die Sie tragen?<br />
W AFür mich ist das <strong>Teil</strong> meines Lebens.<br />
Es gilt für alles, was ich trage... von meinen<br />
Hosen über meine Hemden oder Anzüge<br />
und meine Schuhe.<br />
Ihren Turban nehmen Sie niemals ab?<br />
W ANein, nie. Der Stoff ist ungefähr viereinhalb<br />
Meter lang und besonders schön<br />
und leicht. Ich habe mit 17 Jahren gelernt,<br />
ihn zu binden. Und seither trage ich ihn.<br />
Ist dies traditionell das Alter, in dem man<br />
es lernt?<br />
W ADie Religion der Sikhs ist eine sehr offene<br />
Religion, die keine Momente in deinem<br />
Leben vorschreibt. Wann immer man bereit<br />
ist, den Turban zu tragen, lernt man es.<br />
Sie sind in Indien geboren ...<br />
W A...und nach New York gezogen, als ich<br />
fünf Jahre alt war.<br />
Haben Sie den Kontakt in Ihr Heimatland<br />
gehalten?<br />
W A Ja, wir sind mit der Familie immer<br />
wieder dorthin gefahren, und ich bin auch<br />
heute oft dort.<br />
Lassen Sie sich in Ihrer Arbeit von diesen<br />
Reisen inspirieren?<br />
W AWann immer mich jemand nach der<br />
Inspiration für meine Arbeit fragt, ist meine<br />
SACAI<br />
Tanktop CALVIN KLEIN<br />
Antwort: „Liebe und die Geschichte“. Und<br />
ich füge hinzu, dass ich von beidem keine<br />
Ahnung habe. Meine Arbeit ist eine Erforschung<br />
dieser beiden Gebiete. Was die Geschichte<br />
betrifft, verstehe ich nicht, wie wir<br />
als Individuen, als Rasse, als Spezies, immer<br />
wieder aufs Neue dieselben Fehler machen.<br />
Von Jahrhundert zu Jahrhundert zu<br />
Jahrhundert. Wie ist das möglich? Die Geschichte<br />
der Menschheit, des Universums,<br />
fasziniert mich. Das Gleiche gilt für die Liebe.<br />
Ich verstehe beides nicht. Und jedes<br />
Mal, wenn ich an einer neuen Sache arbeite,<br />
hat sie damit zu tun, diese beiden Dinge zu<br />
erforschen, um sie besser zu verstehen.<br />
WARIS AHLUWALIA ist Schauspieler, Stilikone und<br />
Schmuckdesigner bei seinem eigenen Label<br />
House of Waris. Zudem taucht er immer wieder<br />
in den Filmen seines Freundes Wes Anderson<br />
auf.<br />
129
LOUIS VUITTON<br />
Krawatte AGNÈS B.
KENZO<br />
Gürtel AGNÈS B.<br />
Mantel AGNÈS B.<br />
Shirt & Hose Band of Outsiders
Mantel AGNÈS B.<br />
Anzug ANTONIO AZZUOLO<br />
T-Shirt & Schuhe AGNÈS B
LESERZUFRIEDENHEITS-GARANTIE<br />
Foto, Text Namen<br />
67<br />
– no –<br />
MAX MARA<br />
Der stille Gigant der italienischen <strong>Mode</strong><br />
wurde 1951 von Achille Maramotti gegründet.<br />
Anders als man denken würde,<br />
steckt hinter dem Namen keine<br />
echte Person. Max Mara setzte sich zusammen<br />
aus dem verkürzten Nachnamen<br />
des Chefs und dem Vornamen<br />
eines stilsicheren Grafen zusammen,<br />
der in den Fünfzigern in Reggio Emilia<br />
– dem Gründungsort des Unternehmens<br />
– ein berüchtigter Lebemann<br />
war. Max Mara ist bis heute in Familienbesitz.<br />
Wichtig waren von Anfang<br />
an sowohl eine breite Distribution und<br />
als auch hochwertiges Design. Franco<br />
Moschino arbeitete unter anderem für<br />
Max Mara. Heute leitet Luigi Maramotti<br />
(Bild links), Achilles Sohn, die<br />
Geschäfte. 2334 Monolabel-Läden unterhält<br />
die Fashion Group zurzeit und<br />
erreicht einen Umsatz von etwa 1,2<br />
Milliarden Euro.<br />
ALEXANDER WANG<br />
– no –<br />
69<br />
„King of Cool“ –<br />
so platt die Bezeichnung<br />
klingt,<br />
so treffend ist sie<br />
doch. Der Amerikaner<br />
Alexander<br />
Wang gehört zu<br />
den gefragtesten Jungdesignern. Sein Label<br />
gründete er 2007 nach ein paar Semestern<br />
an der Parsons School in New York. Daraufhin<br />
folgte eine souveräne Karriere, von der<br />
jeder Designanfänger träumt. Berühmt<br />
wurde Wang durch seinen unkonventionellen<br />
Look, der die <strong>Mode</strong> der Neunziger, den<br />
Grunge Look und einen gewissen Pariser<br />
Chic vereint: sportlich und sexy, vor allem<br />
durch Cut-Outs in Kleidern und T-Shirts.<br />
<strong>Mode</strong>l Erin Wasson, ein Texas-Girl und fast<br />
genau so cool wie Wang, wird nicht nur seine<br />
Muse, sondern stylt auch seine Shows.<br />
Seit 2009 designt der nun 29-Jährige zudem<br />
Accessoires: Ein Highlight sind seine Taschen<br />
aus geprägtem Leder mit üppigem<br />
Nietenbesatz am Boden.<br />
Lesen Sie taz.die tageszeitung<br />
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Le Monde diplomatique.<br />
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136<br />
*<br />
YOHJI YAMAMOTO<br />
68<br />
– no –<br />
Es ist fast acht Jahre her, da sagte Yohji Yamamoto,<br />
dass er die <strong>Mode</strong> hasst. <strong>Mode</strong> hechele<br />
Trends hinterher, er aber strebe nach zeitloser<br />
Eleganz. Heute klingt das vermessen, doch<br />
wahrscheinlich würde Yamamoto, der sehr<br />
vorsichtig mit Farben umgeht und dessen Entwürfe sich durch eine<br />
skulpturale Schlichtheit auszeichnen, das Gleiche wieder sagen. Einerseits<br />
hat er natürlich leichter reden, er ist der bekannteste <strong>Mode</strong>designer<br />
Japans und mit der Adidas-Linie Y-3 weltweit auch im mittelpreisigen<br />
Segment erfolgreich. Sein Platz in der <strong>Mode</strong>geschichte ist ihm<br />
sicher. Andererseits hatte auch Yamamoto im Zuge der Finanzkrise<br />
Schwierigkeiten, musste Insolvenz anmelden, Flagshipstores schliessen.<br />
Allerdings rettete Yamamoto die wichtigsten Linien.<br />
Langsam berappelt sich sein <strong>Mode</strong>reich wieder. Nun expandiert<br />
Yamamoto in China und legt einen Schwerpunkt auf den japanischen<br />
Markt. Trotzdem: Junge Designer können sich diese Unabhängigkeit<br />
kaum leisten, Yamamoto wahrscheinlich auch nicht – und ist es nicht<br />
der Wandel, die <strong>Mode</strong> so spannend macht? Dennoch ist an seiner Haltung<br />
etwas dran: In der <strong>Mode</strong> geht es um Individualität, jedes Label<br />
hat einen eigenen Stil. Wäre es also – wie Suzy Menkes schon ein<br />
Mal vorschlug – angebracht, über slow fashion nachzudenken, eine<br />
konzentrierte <strong>Mode</strong>, die langfristiger an Kollektionen festhält? „Die<br />
Beschleunigung der Dinge verhindert, dass man darüber nachdenkt“,<br />
sagte Yamamoto damals. „Zweifel werden ausgeschlossen. Alle folgen.<br />
Bis alles allem ähnelt.“
RÄTSEL<br />
IMPRESSUM<br />
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<strong>Fräulein</strong> ist eine<br />
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AUTOREN<br />
Manuel Almeida, Ruben Donsbach, Virginie<br />
Henzen, Charles Wilcox, Melissa Whitworth,<br />
Jan Joswig, Marcel Malachowski, Lena<br />
Bergmann, David Torcasso, Nike van Dinther,<br />
Doris Hardt, Aicha Reh, Pia-Luisa Lenz,<br />
Marie-Sophie Müller, Wäis Kiani<br />
www.roeckl.com<br />
138<br />
139
Foto: ITC Ethical Fashion Initiative<br />
Redaktion: Lisa Leinen<br />
VENTURINI<br />
FENDI<br />
Ilaria Venturini Fendi könnte als<br />
Spross der <strong>Mode</strong>-Dynastie in einer<br />
Glamour-Welt leben. Doch sie zog<br />
sich auf einen Bauernhof bei Rom<br />
zurück und gründete ein Hilfsprojekt<br />
in Afrika. Liebe ist ein Gefühl, das sie<br />
antreibt und gleichzeitig erdet.<br />
Liebe ist für mich in erster Linie ein Überlebensinstinkt.<br />
Die Liebe zu uns selbst hat<br />
es möglich gemacht, dass die Menschheit<br />
sich weiterentwickeln konnte. Als Mutter<br />
und Frau, die sich der Umwelt verbunden<br />
fühlt, glaube ich sehr stark an diesen Instinkt.<br />
Liebe ist ein freies, einvernehmliches<br />
Geschenk, das man dankend annehmen<br />
sollte. Alles, was man mit Liebe tut, tut man<br />
mit Leidenschaft. Das verleiht dem Tun und<br />
Handeln eine Eigendynamik. Wenn man<br />
an die Kraft der Liebe glaubt, gibt sie diese<br />
stets zurück.<br />
Ich habe einen Freund, der vor ein paar Jahren<br />
für seine Ideen verhaftet, eingesperrt<br />
und gefoltert wurde. Nachdem er entlassen<br />
war, hat er mir erzählt, dass es der Gedanke<br />
an Liebe war, der ihn gerettet hat. Je mehr<br />
sie ihn gefoltert haben, desto mehr Liebe<br />
hat er ihnen entgegengebracht. Es mag seltsam<br />
klingen, aber irgendwann haben sie<br />
aufgegeben. Sie konnten diesen Gegensatz<br />
nicht mit sich vereinbaren, so schien es.<br />
Ich erinnere mich gerne an diese Geschichte,<br />
denn in der heutigen Zeit geht der Gedanke<br />
an die Kraft der Liebe oft verloren.<br />
Die Menschen erkennen sie oft nicht mehr,<br />
weil sie in einer Gesellschaft voller Stereotypen<br />
leben. Alles lebt für den Moment.<br />
Würden wir der Liebe etwas mehr Vertrauen<br />
und Aufmerksamkeit schenken, könnten<br />
wir viele Fehler vermeiden, davon bin ich<br />
überzeugt. Wir könnten uns die Chance geben,<br />
in Frieden zu leben.<br />
Der Glaube an die Liebe war für mich und<br />
meine persönliche Entwicklung sehr wichtig.<br />
Ich habe angefangen, mich intensiv mit<br />
den Dingen um mich herum zu beschäftigen,<br />
vor allem mit der Natur. Dieses Engagement<br />
wollte ich mit anderen teilen, und so<br />
habe ich 2006 mein Label Carmina Campus<br />
gegründet, das für handgemachte und fair<br />
71<br />
- no -<br />
SO STELL’<br />
ICH MIR DIE<br />
LIEBE VOR<br />
produzierte Accessoires und Möbel steht.<br />
Dafür benutzen wir ausschließlich recyceltes<br />
Material. Meine Kreativität hat viel mit<br />
der Liebe zu Handgemachtem zu tun. Ich<br />
erarbeite gerne etwas mit meinen Händen,<br />
ebenso wie ich anderen gerne dabei zusehe,<br />
wenn sie ihr Handwerk beherrschen.<br />
Diese Bilder zeigen genau dies. Ich bin stolz<br />
auf die Handwerkstradition meiner Familie.<br />
Ich erinnere mich sehr gerne an die Zeit als<br />
junges Mädchen, als ich bei meiner Mutter<br />
im Atelier zugucken durfte. Ich war fasziniert<br />
von dieser Welt. Viele der Menschen,<br />
die heute für mich arbeiten, sind die Töchter<br />
und Söhne derer, die für meine Mutter<br />
gearbeitet haben. Jedes Mal, wenn ich zu<br />
Besuch in Afrika bin, setze ich mich zu ihnen<br />
und sehe diese Zufriedenheit in ihren<br />
Augen, eine Art von Respekt vor sich selbst,<br />
den sie sich erarbeitet haben.<br />
Als ich das Projekt begonnen habe, war ich<br />
oft in Afrika, um meine Kenntnisse zu vermitteln<br />
und weiterzugeben. Ich habe andere<br />
italienische Designer und Künstler gebeten,<br />
mich zu begleiten. Das alles hat etwas sehr<br />
Familiäres, und ich stecke immer noch viel<br />
Liebe in dieses Projekt.<br />
Einige werden sagen, dass das Wort Liebe<br />
nichts mit einem Businessplan zu tun haben<br />
sollte. Das sehe ich anders. Dass eine<br />
<br />
die Geschäftsgrundlage sein. Aber warum<br />
sollte ich mich nur auf die Grundlage konzentrieren,<br />
wenn ich eine höhere Ebene anstreben<br />
kann? Das höchste Level ist für<br />
„Einige werden sagen, dass das Wort Liebe<br />
nichts mit einem Businessplan zu tun haben<br />
sollte. Das sehe ich anders.“<br />
mich erreicht, wenn man die jeweils einzigartigen<br />
Fähigkeiten von Menschen zusammenbringt,<br />
um Neues zu erschaffen. Dieses<br />
Ziel basiert auf Liebe, denn Liebe bedeutet<br />
für mich die Wertschätzung eines anderen.<br />
Nach diesem Prinzip versuche ich zu arbeiten<br />
und zu leben, es im besten Fall anderen<br />
mit auf den Weg zu geben. Denn eins ist unumstritten:<br />
Liebe verändert deine Sicht auf<br />
die Welt.<br />
ILARIA VENTURINI FENDI ist Erbin des italienischen<br />
Luxusunternehmens Fendi, verkaufte aber ihre<br />
Anteile und gründete stattdessen ihr eigenes<br />
Label Carmina Campus. Für dieses gestaltet sie<br />
Taschen aus ökologisch korrekten Materialien.<br />
141
Illustration: Katrin Funcke, Text: Wäis Kiani<br />
ANNA<br />
DELLO RUSSO<br />
Wir kannten sie als freigeistige<br />
Fashiondirektorin der japanischen<br />
Vogue, die anzog, was sie wollte und<br />
sich nicht um das eng geschnürte<br />
Korsett von Fashion Trends scherte.<br />
Bis sie uns in einem Video für ihre<br />
H&M-Kollaboration mit Porno-Boots<br />
und Leder-Bodydress schockierte.<br />
72<br />
- no -<br />
ANTIFRÄULEIN<br />
Sie wirkt wie ein Leder-<br />
Domina-Transvestit.<br />
Unser neues Antifräulein ist die schräge<br />
Fashiondirektorin der Vogue Japan, Anna<br />
Dello Russo. Wir mochten die immer schrill<br />
und außergewöhnlich gestylte Anna für<br />
ihre Exzentrik und ihren Mut, sich auf die<br />
<br />
<br />
Zudem hatte sie die Courage, mitten im<br />
überstrengen, von Trends und Hypes eingeengten<br />
Fashion Business nur das anzuziehen,<br />
wozu sie Lust hatte – am liebsten alles<br />
gleichzeitig. Und wenn es noch eine große<br />
Kirsche auf ihrem Kopf brauchte, dann trug<br />
sie diese, als wäre sie ein spießiger Dutt.<br />
Anna scherte sich nicht um Regeln und<br />
Konventionen und tat, was sie wollte. Und<br />
immerhin war sie nicht nur eine Fashion-<br />
Ikone mit einer bemerkenswert großen<br />
Sammelobsession (4000 Paar Schuhe machen<br />
uns natürlich Angst!) und einer weltweiten<br />
Fan-Gemeinde, sondern die Stilvorlage<br />
einer modebesessenen Nation:<br />
Japan!<br />
Wir in Europa sahen sie als eine nette, frei<br />
denkende Spinnerin. Und weil nette, frei<br />
denkende Spinner der Welt keinen Schaden<br />
zufügen, fanden wir sie okay. Irgendwie ist<br />
eine 50-jährige Frau, die nicht ständig daran<br />
denkt, dass sie für alles „zu alt“ sein<br />
könnte, auch eine erfrischende Abwechslung.<br />
Zudem hat sie, im Gegensatz zu den<br />
meisten anderen, einen richtigen Job, und<br />
weiß demnach, was sie tut.<br />
So stand es um Anna Dello Russo bis zu<br />
dem Tag, an dem das Video für ihre Accessoires-Kollektion<br />
für H&M unsere unschuldigen<br />
Gemüter schockierte. Anna sieht man<br />
hier in einem schrillen gold-türkisen Ambiente.<br />
Dello Russo wirkt wie ein Leder-Domina-Transvestit,<br />
der sich unbeholfen wie<br />
Gregor Samsa als Käfer auf einer gigantischen<br />
Gold-Stiefelette räkelt. Sie trägt eine<br />
Art Leder-Bodydress mit einem Lederslip<br />
darunter, was leicht erkennbar ist, da der<br />
Dress diese Stelle zwischen den Beinen,<br />
die jede Lady vor den Blicken der Öffent-<br />
<br />
trägt sie über die Oberschenkel reichende<br />
schwarze Porno-Boots aus schwarzem<br />
Leder an ihren 50-jährigen Beinen.<br />
Sie hüpft wie eine verwirrte Dohle durch<br />
das gold-türkise Bühnenbild und hält ein<br />
buntes Plastikschmuckstück nach dem anderen<br />
ins Bild – bis zum türkisen Koffer-<br />
Finale, das mit den erschütternden Worten<br />
„You need a Faäschnschauääärrr“ endet.<br />
Ich muss zugeben, das Video bis zum Ende<br />
anzusehen war mehr als schmerzhaft und<br />
qualvoll für meine Augen, aber ihr letzter<br />
Satz hat auch noch meine armen Ohren<br />
vibrieren lassen. So weit, so gut.<br />
Zu guter Letzt möchte ich die gute Anna<br />
noch aus der Prä-H&M-Ära zitieren: Sie liebe<br />
das Geklimper von Juwelen. Wenn es an<br />
ihrem Handgelenk klimpere, dann sei es<br />
für sie wie Therapie. Allerdings trug sie zu<br />
der Zeit am liebsten Hollywood-Brillanten<br />
von Harry Winston oder die unfassbar<br />
schönen Schmuckstücke von Attilio Codognato<br />
aus Venedig. Für das einfache Volk<br />
muss nun aber der Schepperton von Billigzeugs<br />
aus China reichen. Wir dachten,<br />
Anna ist zu cool, um sich für einen bescheuerten<br />
Hype um nichts herzugeben.<br />
Aber wir haben uns geirrt.<br />
ANNA DELLO RUSSO ist fashion director der japanischen<br />
Vogue, wohnt aber in Mailand. Zuvor<br />
war sie Redakteurin bei der italienischen Vogue<br />
und bei L’Uomo Vogue. Sie ist bekannt für ihren<br />
extravaganten Stil, den sie in Form einer H&M-<br />
Kollaboration für alle zugänglich machte.<br />
WÄIS KIANI schreibt nicht nur Artikel für <strong>Fräulein</strong>,<br />
sondern auch Bücher. Gerade erschienen ist der<br />
Roman „Hinter dem Mond“, den wir Ihnen ans<br />
Herz legen wollen.<br />
142<br />
143
Illustration: Anje Jager<br />
Caroline de maigret<br />
ab Seite 98<br />
SACHEN<br />
GIBT’S<br />
Roter<br />
Lippenstift<br />
Rote Lippen – und Frau ist angezogen.<br />
Besonders schöne Nuancen<br />
gibt es von Tom Ford (Smoked<br />
Red) oder Chanel (Rouge Allure<br />
Velvet).<br />
ROTER<br />
NAGELLACK<br />
Hände.<br />
Farblich passend zu den Lippen<br />
am besten roten Nagellack<br />
auftragen. Zum Beispiel Rouge<br />
Pop Art von Yves Saint Laurent.<br />
Handtasche<br />
Anstatt viele einzelne Handtaschen<br />
für jeden Anlass zu<br />
kaufen, lieber auf eine sparen,<br />
die sowohl für den Alltag, als<br />
auch für die Abendplanung passt.<br />
Im besten Fall führt man natürlich<br />
die Kelly Bag oder die Birkin<br />
Bag von Hermès aus.<br />
WEIßES T-SHIRT<br />
Ein absolutes Must-have im Kleiderschrank.<br />
Das Label spielt hierbei<br />
keine Rolle. Hauptsache,<br />
es hat den perfekten Schnitt.<br />
schwarz e<br />
High Heels<br />
Egal ob zu Jeans oder zum Kleid –<br />
schwarze High Heels gehen immer.<br />
Manolo Blahniks und Louboutins<br />
sind schön, aber auch teuer. Buffalo<br />
bietet preisgünstigere Alternativen.<br />
SCHWARZER BLAZER<br />
<br />
<br />
garantiert den passenden.<br />
– NO –<br />
75<br />
In dieser Rubrik schlagen wir Ihnen<br />
dieses Mal die 15 essenziellen<br />
Kleidungsstücke und Accessoires<br />
vor, die eine Frau haben sollte.<br />
Grundsätzlich empfehlen wir Klassiker:<br />
Lieber mehr in Altbewährtes<br />
investieren als weniger Geld für zu<br />
viel modischen Trash ausgeben.<br />
weißes<br />
Oversize-Hemd<br />
Das Männerhemd ist längst nicht mehr<br />
nur Sonntagsmorgens zum Frühstück<br />
tragbar. Kombiniert mit schwarzen<br />
Heels und Blazer perfektioniert es den<br />
den<br />
gibt es bei Hermès, Tom Ford oder<br />
Laurence Doligé oder (als Kleid) von<br />
Thom Browne.<br />
BOMBERJACKE<br />
Ja, auch an Frauen sehen Bomberjacken<br />
cool und sogar sexy aus. Maharishi<br />
knows how to do it.<br />
BIKERLEDERJACKE<br />
Direkt neben dem schwarzen Blazer<br />
sollte optimalerweise die rockigere<br />
Variante in Form einer Biker-Lederjacke<br />
am Kleiderhaken hängen. Die<br />
schönste gibt’s bei Maison Martin<br />
Margiela.<br />
SONNENBRILLE<br />
Less is more: Das trifft auch auf die<br />
perfekte Sonnenbrille zu. Die stilvollsten<br />
bieten Persol und Loro Piana.<br />
Perlen-<br />
& Brilliant-<br />
Ohrringe<br />
Wer nicht weiß, was er sich dieses<br />
Jahr zu Weihnachten schenken lassen<br />
soll... Wir hätten da so eine<br />
Idee.<br />
Nike<br />
Dunks<br />
Isabel-Marant-Hype hin oder her –<br />
was das Thema Sneaker betrifft,<br />
gibt es nichts Besseres als<br />
die von Nike. An <strong>Mode</strong>llen wie<br />
den Dunks oder dem Air Jordan<br />
sehen wir uns nie satt.<br />
JEANSJACKE<br />
Vintage-<strong>Mode</strong>lle wie Levi’s Supreme<br />
und Lee Rider haben den<br />
besten Schnitt und die schönsten<br />
Waschungen.<br />
TRENCHCOAT<br />
Am Schönsten ist immer noch das<br />
Original: Thomas Burberry erfand<br />
den Trenchcoat Ende des 19. Jahrhunderts.<br />
Auf alle Zeit die perfekte<br />
Bekleidung für den Herbst.<br />
Kleines<br />
Schwarzes<br />
Coco Chanel begriff bereits in den<br />
Zwanzigern die Eleganz eines kleinen<br />
schwarzen Kleides. Doch es muss<br />
nicht unbedingt aus einem Luxushaus<br />
stammen. Man sollte nur darauf ach-
Hinter jedem großartigen Cappuccino<br />
verbirgt sich ein Geheimnis.<br />
Nur ein perfekter Espresso macht<br />
Nur aus frischer<br />
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