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Das kleine Magazin<br />
über die große Bahn<br />
Das neue<br />
Heft ist da.<br />
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Inhalt<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
da hat es uns gleich richtig gepackt:<br />
Schon beim ersten Durchblättern des<br />
Sommer-Kursbuchs <strong>1975</strong> lasen wir uns<br />
fest. Da war der „Hispania-Express“,<br />
stimmt ja, der große Fernzug von Hamburg-Altona<br />
nach Port Bou! Und D 714,<br />
Mensch, der letzte Schnellzug, den die<br />
012 bespannte, damals von Rheine<br />
hinauf nach Norddeich Mole. Und dann<br />
die Nebenbahnen: der Betrieb zwischen<br />
Bad Neustadt und Königshofen im Fränkischen<br />
(dort gab es damals noch Personenverkehr!)<br />
oder der Langlauf von<br />
Lauterbach Nord über die Hauptbahn<br />
bis Frankfurt (Main) – wer dafür wohl<br />
dreieinhalb Stunden im Schienenbus<br />
verbrachte? Im Nu fühlten wir uns in<br />
jene alte Zeiten versetzt, als wir wieder<br />
und wieder die Kursbuchtabellen studierten.<br />
In der Fahrkartenausgabe – für<br />
die nächste Fahrt. In der Jugendherberge<br />
– für den nächsten Reisetag. Oder<br />
am Küchentisch – einfach so.<br />
Ein bisschen von diesem Gefühl möchten<br />
wir mit diesem Heft auch bei Ihnen<br />
wecken. Mit Beispielen aus dem Fahrplan,<br />
den die <strong>Deutsche</strong> <strong>Bundesbahn</strong><br />
zum Kursbuch-Jubiläum <strong>1975</strong> anbot.<br />
Auch wenn sich im Rückblick die Zeiten<br />
als gar nicht so rosig darstellen – das<br />
Betriebsgeschehen dieses konträren<br />
<strong>Bundesbahn</strong>-Jahres zieht bestimmt<br />
auch Sie in den Bann. So, wie es uns<br />
bereits ergriffen hat ...<br />
Viel Vergnügen!<br />
Ihre Redaktion <strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong><br />
Idylle in Ederbringhausen an der Strecke Korbach – Frankenberg (Eder): Im Mai <strong>1975</strong> trifft<br />
eine Schienenbusgarnitur mit 798/998 in dem nordhessischen Bahnhof ein<br />
Momentaufnahmen<br />
Im Übergangsstadium<br />
Die <strong>Bundesbahn</strong> der Mittsiebziger 4<br />
Die letzten Mohikaner<br />
Fahrzeuge vor dem Abschied 52<br />
Das ist die DB!<br />
<strong>Bundesbahn</strong>-Impressionen 74<br />
Was ist geblieben?<br />
Bahnstandorte einst und jetzt 86<br />
Schwerpunkt: Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Die Jubiläumsausgabe<br />
125 Jahre Kursbuch 20<br />
Fundgrube Fahrplan<br />
Markantes und Besonderes im Kursbuch 24<br />
Vor allem Fernverkehr<br />
Der Betrieb auf der Vogelfluglinie<br />
Lübeck – Puttgarden (KBS 140) 36<br />
Tief in den Wald hinein ...<br />
Nebenbahn Passau – Freyung (KBS 877) 40<br />
Vielfalt garantiert<br />
Der Betrieb auf der Nord-Süd-Strecke<br />
Hannover – Kassel/– Bebra (KBS 250) 42<br />
Der andere Weg<br />
Der Heckeneilzug Frankfurt – Köln 50<br />
Hintergrund<br />
Krisenstimmung<br />
Die allgemeine Lage der<br />
<strong>Bundesbahn</strong> <strong>1975</strong> 14<br />
Erinnerungen<br />
Mit der Bahn auf Dampflokjagd<br />
Mit der Bezirkswochenkarte unterwegs<br />
in Niedersachsen 70<br />
Strecken und Fahrten<br />
Abschied mit 012<br />
Der letzte dampflokbespannte<br />
Schnellzug der <strong>Bundesbahn</strong> 56<br />
Knallfrosch, Akku-Blitz und Eierkopf<br />
Nahverkehr im Ballungsraum Ruhrgebiet 58<br />
Neuer Bestwert 10.000<br />
Elektrifizierung <strong>1975</strong> 62<br />
Einstmals bedeutend<br />
Vergangene Eisenbahnknoten 64<br />
Ein Unfall als Merkpunkt<br />
Zugverkehr im bayerischen<br />
Oberland 1974/75 76<br />
Abwechslung auf allen Strecken<br />
Betrieb in und um Hameln <strong>1975</strong> 80<br />
<strong>Vorschau</strong>/Leserservice/Impressum 98<br />
Titelfotos: Georg Wagner (gr. Bild),<br />
Peter Schiffer/Bildarchiv d. Eb.stftg.<br />
(o. r.), Slg. Konrad Rothzoll (Kursbuch),<br />
Albert Schöppner, Herbert<br />
Stemmler, Ludwig Rotthowe (u., v. l.)<br />
Rücktitel: Georg Wagner (gr. Bild),<br />
Jürgen A. Bock (u. l.), Wolf-Dietmar<br />
Loos (u. r.)<br />
Bilder S. 3: Slg. Konrad Rothzoll (o.<br />
l.), Wolf-Dietmar Loos (Mitte)<br />
Autoren in diesem Heft<br />
Ulrich Rockelmann, Jahrgang<br />
1953, studierte Volkswirtschaft<br />
und arbeitete im Personennahverkehr.<br />
Er ist heute als<br />
freier Autor im Eisenbahnbereich<br />
tätig. Nebenbahnen und<br />
Bahnbetriebsabläufe zählen zu<br />
seinen Schwerpunktthemen.<br />
Mit dem Bildfahrplan an der<br />
Strecke: Josef Mauerer, Jahrgang<br />
1958, begann 1974<br />
seine Laufbahn bei der DB, befasste<br />
sich aber schon vorher<br />
mit Fahrplänen. Seit 1994 ist<br />
er bei DB Regio zuständig für<br />
die Fahrplangestaltung.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
1
Momentaufnahmen<br />
Die <strong>Bundesbahn</strong> der Mittsiebziger<br />
Im Übergangsstadium<br />
Als <strong>1975</strong> das Jubiläumskursbuch erscheint, ist die <strong>Bundesbahn</strong> nicht<br />
unbedingt in Feierlaune. Die Modernisierung kommt zwar voran, aber<br />
auch der Schuldenberg wächst. Eisenbahnfreunde erleben diese Zeit<br />
ebenso als Wechselbad. Denn der Abschied der Dampflok naht<br />
4
Vorgänger und Nachfolger: Auf der Angertalbahn<br />
Lintorf – Wülfrath begegnen sich im<br />
August <strong>1975</strong> Dampflok 052 024 als Lokzug<br />
und die mit einem Ganzzug betraute Diesellok<br />
216 012<br />
Georg Wagner<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
5
Momentaufnahmen<br />
Nachdem sie in den 50er- und 60er-Jahren die Dampflok abgelöst hat,<br />
ist die V 60 oder jetzt 260 die Standardmaschine im Rangierdienst.<br />
Hunderte der robusten Stangendieselloks bevölkern das DB-Netz; im<br />
Oktober 1976 ist 260 033 in Frankfurt (Main) Hauptgüterbahnhof im<br />
Einsatz<br />
Wolf-Dietmar Loos<br />
6
Die Zweisystem-Ellok 181 255 ist eines der<br />
bestaunten Exponate auf der Verkehrsausstellung<br />
in Essen (Bild vom März <strong>1975</strong>). Sie<br />
trägt auch schon das aktuelle <strong>Bundesbahn</strong>-<br />
Farbschema Ozeanblau-Beige Theodor Horn<br />
Altes und Neues<br />
Alles grau in grau bei der<br />
<strong>Bundesbahn</strong>? Nein. Neue<br />
Fahrzeuge in neuen Farben<br />
rücken in den Bestand,<br />
während die Vor- und Vor-<br />
Vor-Generationen weiterhin<br />
im Einsatz stehen. Und<br />
dann gibt es da manche<br />
„<strong>Bundesbahn</strong>isierte“ ...<br />
Eigentlich ist 465 021 ein Vorkriegstriebwagen.<br />
Aber mit Doppellampen und neuer Front<br />
hat man ihn auf „<strong>Bundesbahn</strong>-Aussehen“ getrimmt.<br />
Im Februar 1976 trifft er als Vorortzug<br />
in Stuttgart Hbf ein, der seinerzeit noch<br />
über Formsignale verfügt Herbert Stemmler<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013
Einst Massenware, im Frühjahr <strong>1975</strong> aber<br />
längst gern gesehen und freudig in Szene gesetzt:<br />
die Schlepptenderlok der Baureihe 50.<br />
Im Bild 052 807 bei Baumholder Georg Wagner<br />
Dampflok adé<br />
Nur 25 Einsatzjahre zählt<br />
die Baureihe 23, als <strong>1975</strong><br />
die letzten Exemplare ausgemustert<br />
werden. Der<br />
Dampf-Abschied geht bei<br />
der DB ohne Pause voran;<br />
kein Wunder, dass Eisenbahnfreunde<br />
vor allem<br />
Dampfloks fotografieren<br />
Der Lokschuppen in Herzberg im Harz hat<br />
kein richtiges Dach mehr. Wozu auch? Die<br />
Zeit, in der Dampfloks ihn aufsuchen, läuft<br />
ohnehin ab. Und so steht die Kabinentenderlok<br />
052 798 im September <strong>1975</strong> quasi unter<br />
freiem Himmel<br />
Jürgen A. Bock<br />
8
Dampflok adé<br />
Je mehr sich das Ende der planmäßigen<br />
Dampflokeinsätze abzeichnet, umso mehr<br />
haben Dampf-Sonderfahrten Konjunktur. Im<br />
Oktober <strong>1975</strong> steht 023 023 – wieder mit<br />
alter Nummer versehen – mit einem Sonderzug<br />
in Tübingen Hauptbahnhof. Ein Ereignis,<br />
das sich kein Eisenbahnfreund entgehen<br />
lassen möchte<br />
Herbert Stemmler<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
9
Momentaufnahmen<br />
10
Im Juni 1976 rollt eine 220 mit dem Eilzug<br />
nach Emden in den Bahnhof Norden ein. Das<br />
Bahnhofspersonal erwartet ihn schon, nicht<br />
zuletzt wegen anstehender Postsendungen<br />
Jürgen A. Bock<br />
Reisevariationen<br />
Auf der Nebenfernstrecke,<br />
mit dem Hecken eilzug oder<br />
doch im schnittigen Intercity-Triebwagen?<br />
Es gibt<br />
viele Möglichkeiten, mit der<br />
<strong>Bundesbahn</strong> zu fahren.<br />
Auch wenn Kürzungen im<br />
Fahrplan das Angebot seit<br />
<strong>1975</strong> einschränken<br />
Die IC-Linie 4 München – Bremen ist die Heimatstrecke<br />
des Elektrotriebwagens 403 –<br />
falls er nicht für Sonderfahrten herangezogen<br />
wird. Im Oktober 1976 eilt eines der „Donald<br />
Duck“ genannten Fahrzeuge als IC „Hermes“<br />
auf der Strecke Gemünden – Fulda dahin<br />
Dr. Rolf Brüning<br />
Etwas abseits der großen Verkehrsadern<br />
liegt das pfälzische Grünstadt. Den Reisenden<br />
aber empfängt der Bahnhof mit Charme:<br />
Gusseiserne Bahnsteigüberdachungen wetteifern<br />
mit dem Kaugummi-Automat um die<br />
Aufmerksamkeit, und dann sind da noch die<br />
Bahnhofsnamensschilder in dreierlei Schrift<br />
Herbert Stemmler<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
11
Munterer Plausch „im Schatten“ einer 118<br />
im Februar <strong>1975</strong> in Stuttgart Hbf. Die eleganten<br />
Vorkriegs-Elloks stehen seinerzeit<br />
noch klar im Schatten der letzten Dampfer;<br />
ihre Zeit kommt erst später ...<br />
Burkhard Wollny/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung<br />
Erlebnis DB<br />
Altbau-Ellok, Akku-Anhang<br />
oder Schmalspurbahn, der<br />
<strong>Bundesbahn</strong>alltag der Mittsiebziger<br />
hat so manchen<br />
Leckerbissen in petto. Doch<br />
es dauert, bis die vom<br />
Dampf-Abschied gepeinigten<br />
Eisenbahnfreunde auf<br />
den Geschmack kommen<br />
Die Strecke von Warthausen nach Ochsenhausen<br />
hat <strong>1975</strong> ein Alleinstellungsmerkmal:<br />
Sie ist die letzte Schmalspurbahn der<br />
DB auf dem Festland – und dient auch nur<br />
dem Güterverkehr. Im Mai <strong>1975</strong> hat 251 903<br />
auf der 750-Millimeter-Strecke einen Zug mit<br />
aufgeschemelten Güterwagen am Haken<br />
Herbert Stemmler
Erlebnis DB<br />
Eine ungewöhnliche Kombination steht im<br />
Mai 1976 als Dienstzug 83712 im Bahnhof<br />
Wanne-Eickel bereit: Diesellok 212 301<br />
nimmt neben einigen Umbau- und einem<br />
Mitteleinstiegswagen auch einen Akkutriebwagen<br />
515 mit<br />
Wolf-Dietmar Loos<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
13
Hintergrund<br />
Auch Lauda gehört <strong>1975</strong> zum elektrifizierten Netz. In der neuen, 1974 eingeführten Lackierung Ozeanblau-Beige steht Einheits-Ellok 110 242<br />
mit Altbau-Ellok 118 055 im Schlepp und E 2656 im August <strong>1975</strong> im Bahnhof. Der Zug hat den Laufweg Würzburg – Heidelberg – Mannheim –<br />
Kaiserslautern – Pirmasens; man stelle sich einen solchen Zuglauf heute vor ...<br />
Albert Schöppner<br />
Die allgemeine Lage der <strong>Bundesbahn</strong> <strong>1975</strong><br />
Krisenstimmung<br />
In der Geschichte der <strong>Bundesbahn</strong> ist das Jahr <strong>1975</strong> ein problematisches Jahr. Anhaltende Defizite,<br />
politischer Druck und ein „Sparfahrplan“ schränkten den Betrieb ein. Auf der anderen Seite stehen<br />
einige Erfolge bei der Modernisierung, die Spätzeit der Dampflok und manche romantische Strecke<br />
Das Jahr <strong>1975</strong> war für die Bundesrepublik<br />
Deutschland noch erheblich durch<br />
die Folgen der 1973 eingetretenen<br />
Energiekrise geprägt; die spürbare Verteuerung<br />
des Erdöls belastete die wirtschaftliche<br />
Entwicklung. Und noch ein weiterer Faktor<br />
machte sich bemerkbar: Willy Brandt war im<br />
Mai 1974 als Bundeskanzler zurückgetreten.<br />
Sein Nachfolger wurde Helmut Schmidt, was<br />
für die Bundespolitik wie auch für die <strong>Bundesbahn</strong><br />
Konsequenzen haben sollte.<br />
Gegenwind für die <strong>Bundesbahn</strong><br />
Von der Regierungsumbildung 1974 war nicht<br />
zuletzt das Verkehrsressort betroffen. Während<br />
der vorherige Verkehrsminister Lauritz Lauritzen<br />
(1910 – 1980) dem öffentlichen Verkehrswesen<br />
positiv gegenübergestanden hatte, konnte man<br />
das von seinem Nachfolger Kurt Gscheidle (1924<br />
– 2003) wohl nicht behaupten. Gscheidle kam<br />
von der Ausbildung her aus dem technischen<br />
Postdienst und wurde 1953 hauptberuflicher<br />
Funktionär bei der <strong>Deutsche</strong>n Postgewerkschaft<br />
(DPG). Zum Eisenbahn- oder öffentlichen Verkehrswesen<br />
besaß er persönlich keine Beziehung<br />
und strebte eine baldige Privatisierung der damaligen<br />
<strong>Bundesbahn</strong> – mit Ausnahme des Schienennetzes<br />
– an. Priorität hatte für ihn, ebenso wie<br />
für seinen Chef Helmut Schmidt, die bloße<br />
Ökonomie.<br />
In der Regierungserklärung Schmidts vom<br />
17. Mai 1974 hatte es daher unter anderem<br />
geheißen: „In einer Zeit weltweit wachsender<br />
Probleme konzentrieren wir uns in Realismus<br />
und Nüchternheit auf das Wesentliche, auf<br />
das, was jetzt notwendig ist.“ Damit nahm er<br />
Abstand von der Politik Willy Brandts, die von<br />
Schlechte Karten für die <strong>Bundesbahn</strong>: Die neue<br />
Bundesregierung setzte allein auf Ökonomie<br />
visionärem Idealismus und weitgreifenden Gestaltungsabsichten<br />
geprägt war. Als innenpolitische<br />
Schwerpunkte seiner Arbeit nannte<br />
Schmidt die Fortsetzung der bisherigen Wirtschafts-<br />
und Finanzpolitik, die Bekämpfung<br />
14
Die Lage der <strong>Bundesbahn</strong><br />
Dr. Wolfgang Vaerst, Vorsitzer des DB-Vorstands,<br />
wendet sich in der Zeitschrift „Die<br />
<strong>Bundesbahn</strong>“ 12/<strong>1975</strong> mit einem Lagebericht<br />
an die Leserschaft. Die schwierige<br />
Situation der DB wird noch öfter Thema der<br />
DB-Publikationen sein Slg. Oliver Strüber<br />
der Arbeitslosigkeit und die Wiedererlangung<br />
der Geldwertstabilität.<br />
Volkswirtschaftlich ergaben sich für das<br />
Jahr <strong>1975</strong> folgende Kennzahlen: Die Inflationsrate<br />
betrug 5,9 Prozent, die Zahl der Arbeitslosen<br />
1,074 Millionen (entspricht 4,6<br />
Prozent); das Bruttosozialprodukt sank im<br />
Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Prozent.<br />
Einige Zahlen für die DB des Jahres <strong>1975</strong>: Es<br />
waren durchschnittlich 410.000 Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter beschäftigt. Die Beförderungsleistungen<br />
beliefen sich auf 1,6 Milliarden<br />
Reisende (einschließlich Bahnbus) und über<br />
310 Millionen Tonnen Güter. Dazu dienten unter<br />
anderem 9.820 Triebfahrzeuge, 19.200 Reisezug-<br />
und 290.000 Güterwagen. An neuen<br />
Fahrzeugen kamen dazu: 67 Elloks, 120 Dieselloks,<br />
120 elektrische Triebwagen, 30 Dieseltriebwagen,<br />
290 Reisezug- und 4.000 Güterwagen.<br />
Außerdem beschaffte die DB 260 neue<br />
Omnibusse. Ein Kuriosum ist beim Schienengüterverkehr<br />
beachtenswert: Trotz der Ölkrise<br />
von Ende 1973 wuchsen die Güterverkehrsleistungen<br />
der Bahn 1974 noch auf ein höheres Niveau<br />
– offenbar schlug die Wirtschaftskrise im<br />
Transportwesen erst zeitverzögert durch. Der<br />
Absturz danach fiel allerdings umso drastischer<br />
aus. Für die kriselnde Situation der <strong>Bundesbahn</strong><br />
steht auch die vielleicht wichtigste Zahl ihrer Bilanzen.<br />
Der betriebswirtschaftliche Jahresfehlbetrag<br />
belief sich auf 4,2 Milliarden DM. Damit<br />
setzte sich die Verschuldung der DB fort; sie<br />
war nicht zuletzt eine Folge stetig gestiegener<br />
Zahlungen für Löhne und Gehälter an das <strong>Bundesbahn</strong>-Personal.<br />
Für die Schienenpolitik waren <strong>1975</strong> vor allem<br />
drei Bundesminister relevant: Finanzminister<br />
Hans Apel, Verkehrsminister Kurt<br />
Gscheidle (beide SPD) und Wirtschaftsminister<br />
Hans Friderichs (FDP). Alle Ressorts<br />
mussten finanziell kürzer treten – entweder<br />
durch reale Mittelstreichungen oder geringere<br />
Zuwächse als ursprünglich geplant. Die drei<br />
genannten Minister bildeten zusammen mit<br />
Kanzler Schmidt nun nicht gerade große Un-<br />
Im August <strong>1975</strong> ist 290 373 im Rangierbahnhof Duisburg-Hochfeld im Einsatz. Unter anderem<br />
im Wagenladungsverkehr mit seinen aufwendig zu verschiebenden Einzelwagen oder Wagengruppen<br />
hat die Bahn gegenüber dem Lkw das Nachsehen<br />
Wolf-Dietmar Loos<br />
Auch der Fernverkehr kriselt Mitte der 70er-Jahre; es braucht neue Ideen, um wieder in die Gewinnzone<br />
zu kommen. Im Bild: 103 124 mit D 533 nach Westerland und ein Gasturbinen-Triebzug<br />
602 als Reisebüro-Sonderzug nach Norddeich in Münster Hbf, Juli <strong>1975</strong> Ludwig Rotthowe<br />
IN KÜRZE: STILLLEGUNGEN DER DB IM PERSONENVERKEHR <strong>1975</strong><br />
01.06.<strong>1975</strong> KBS 152 Dannenberg Ost – Lüchow (21 km)<br />
01.06.<strong>1975</strong> KBS 153 Uelzen – Dannenberg West (42 km)<br />
01.06.<strong>1975</strong> KBS 831 Ebersdorf (bei Coburg) – Fürth am Berg (23 km)<br />
01.06.<strong>1975</strong> KBS 858 Floß – Eslarn (40 km)<br />
26.09.<strong>1975</strong> KBS 122 Itzehoe – Kellinghusen – Wrist (21 km)<br />
28.09.<strong>1975</strong> KBS 222 Schandelah – Velpke – Abzw Grafhorst (30 km)<br />
28.09.<strong>1975</strong> KBS 253 Bad Gandersheim – Bodenburg (23 km)<br />
28.09.<strong>1975</strong> KBS 247 Odertal – St. Andreasberg West (7 km)<br />
28.09.<strong>1975</strong> KBS 515 Stockheim (Oberhessen) – Lauterbach Nord (65 km)<br />
28.09.<strong>1975</strong> KBS 684 Winden (Pfalz) – Kapsweyer – Wissembourg [F] (16 km)<br />
28.09.<strong>1975</strong> KBS 773 Ludwigsburg – Markgröningen (8 km)<br />
28.09.<strong>1975</strong> KBS827 Breitengüßbach – Dietersdorf (32 km)<br />
28.09.<strong>1975</strong> KBS 854 Holenbrunn – Wunsiedel – Leupoldsdorf (11 km)<br />
28.09.<strong>1975</strong> KBS 856 Tirschenreuth – Bärnau (13 km)<br />
Gesamtlänge: 352 km<br />
Die Strecke Winden – Wissembourg wurde inzwischen für den Personenverkehr reaktiviert, und zwischen<br />
Kellinghusen und Wrist ist eine Reaktivierung ziemlich sicher. Für Markgröningen gibt es<br />
Stadtbahnpläne.<br />
ULRICH ROCKELMANN<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013 15
Hintergrund<br />
ZUM THEMA AUSWIRKUNGEN DES SPARFAHRPLANS<br />
Die erste Ölkrise im Herbst 1973 und den<br />
daraus folgenden Konjunktureinbruch<br />
bekam die <strong>Deutsche</strong> <strong>Bundesbahn</strong> seit der<br />
zweiten Jahreshälfte 1974 in Form rigider<br />
Rückgänge beim Personenaufkommen und<br />
auch beim Güterverkehr zu spüren. Am<br />
11. Dezember 1974 forderte der damalige<br />
Verkehrsminister Gscheidle die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Bundesbahn</strong> auf, einer neuerlichen starken<br />
Zunahme des Defizites vorzubeugen und ließ<br />
erkennen, dass seitens des Bundes keine Bereitschaft<br />
zu einer Erhöhung der Zuschüsse<br />
bestände. Als eine von mehreren Maßnahmen<br />
gegen die Finanzprobleme sah die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Bundesbahn</strong> für den Jahresfahrplan<br />
<strong>1975</strong>/76 die Reduzierung der Nahverkehrsleistungen<br />
in der Fläche um ca. 10 % vor.<br />
Zur Verwirklichung dieses Zieles genügte es<br />
nicht mehr, sich auf die Streichung einzelner<br />
schwach ausgelasteter Züge zu beschränken.<br />
Vielmehr bedurfte es in bisher nicht gegebenem<br />
Umfang der Einstellung des gesamten<br />
Reisezugverkehrs an Sonn- und Feiertagen,<br />
zum Teil auch an Samstagnachmittagen. Das<br />
ergab sich schon daraus, dass in den Randbereichen<br />
der Verdichtungsräume mit ihrem<br />
hohen Personenaufkommen Streichungen von<br />
Zügen kaum angebracht waren. Umso härter<br />
musste es folglich die Peripherie treffen. Hier<br />
waren in der Tat die nur wenigen an Feiertagen<br />
noch rollenden Reisezüge vielfach minimal<br />
ausgelastet. Allerdings dürfte sich der<br />
Einspareffekt in Grenzen gehalten haben,<br />
befuhr man doch häufig die von ihrem Verkehrsaufkommen<br />
her in Betracht kommenden<br />
Strecken im Zugleitbetrieb ohne eigenes örtliches<br />
Betriebspersonal. Aber auch Hauptbahnen<br />
waren betroffen. Hier konnte sich der<br />
Einspareffekt sehen lassen wegen des umfangreichen<br />
örtlichen Betriebspersonals.<br />
Beispiel Hessen<br />
Sehen wir uns die Situation im Bundesland<br />
Hessen an: Insgesamt waren es 535 Streckenkilometer<br />
Bahn, die ganz oder teilweise in Hessen<br />
verliefen und damals ihren Feiertags verkehr<br />
einbüßten. Auf der verkehrsarmen Nebenbahn<br />
Berleburg – Frankenberg mit ihren zuletzt drei<br />
Zugpaaren an Sonn- und Feiertagen wurde an<br />
örtlichem Betriebspersonal der Fahrdienstleiter<br />
in Hatzfeld eingespart, die Nebenbahn Herborn –<br />
Schönbach verfügte über kein örtliches Betriebspersonal.<br />
Anders sah es bei den betroffenen<br />
Hauptbahnen aus. Zwischen Gießen und Gelnhausen<br />
war der Kundenandrang tatsächlich bescheiden,<br />
aber mehr als zehn Schrankenwärter,<br />
Weichenwärter und Fahrdienstleiter erforderte<br />
die Durchführung des Betriebes auf der 70 Kilometer<br />
langen Strecke. Vergleichbar war die<br />
Situation zwischen Darmstadt und Aschaffenburg.<br />
Die zweigleisige elektrifizierte Hauptbahn<br />
wies zwar an Werktagen umfangreichen Berufs-<br />
und Schülerverkehr sowie zahlreiche<br />
Güterzüge auf, sie wurde aber an Feiertagen<br />
wenig genutzt. Dazu verfügte sie noch über<br />
viele zu besetzende Stellwerke. Inwieweit die<br />
angestrebten Sparziele erreicht wurden, steht<br />
dahin. Ersatzbusverkehre mussten organisiert<br />
und bezahlt werden, zudem waren die Zugstreichungen<br />
dazu angetan, Kunden generell, also<br />
auch an den übrigen Wochentagen zu vergraulen.<br />
Rollmaterial ließ sich schon gar nicht einsparen,<br />
denn dessen Umfang bemaß sich<br />
nach dem in der Regel umfangreicheren Verkehr<br />
an Werktagen.<br />
Während vor allem bei den Strecken im nörd -<br />
lichen Hessen die Einstellung des Feiertagsverkehrs<br />
den Anfang vom Ende bedeutete,<br />
erfreuen sich einige der im südlichen Hessen<br />
gelegenen Bahnen inzwischen wieder regen<br />
Verkehrs auch an Feiertagen, so die Linien<br />
Friedberg – Friedrichsdorf und Aschaffenburg<br />
– Darmstadt. Trotz immer noch hohen Personalbedarfs,<br />
bedingt durch alte Sicherungstechnik,<br />
rollen zwischen Gießen und Gelnhausen<br />
ebenfalls wieder an allen Tagen in<br />
der Woche Reisezüge. DR. LUTZ MÜNZER<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
Am 11. September <strong>1975</strong> hat 212 276 ihren Nahverkehrszug in den alten Bahnhof von Kirchheim<br />
(Teck) gebracht; wenig später geht die neue Station am Stadtrand in Betrieb Wolf-Dietmar Loos<br />
terstützer des Schienenverkehrs, so dass der<br />
DB schwierige Zeiten ins Haus standen. Auf<br />
Hilfe bei der zunehmenden finanziellen<br />
Schieflage konnte sie wohl kaum rechnen.<br />
Prekäre Situation für die Bahn<br />
In der Tat beschritt die <strong>Bundesbahn</strong> einen gewagten<br />
Spagat. Einerseits stimmte die Führung<br />
den Regierungsforderungen weitgehend<br />
zu, andererseits konnte sie den wachsenden<br />
Widerstand in weiten Teilen der Bevölkerung<br />
nicht ignorieren. Hierzu gibt der <strong>1975</strong> veröffentlichte<br />
Artikel „Zum Abschuss freigegeben“<br />
des damaligen DB-Pressereferenten Elmar<br />
Haass ein treffendes Beispiel. Er schrieb<br />
dort unter anderem:<br />
Die <strong>Bundesbahn</strong> setzte auf Rationalisierung und<br />
Sparkurs – und traf wiederholt auf Widerstand<br />
„Nun liegt natürlich die Forderung nahe,<br />
diesen schwerfälligen Beamtenapparat auf Trab<br />
zu bringen, ihm wirtschaftliches Denken und<br />
unternehmerisches Verhalten gleich kübelweise<br />
einzuflößen. Und die allgemeine Überraschung:<br />
Der angeblich so verknöcherte Beamtenapparat<br />
und seine angeblich durch keinerlei<br />
Managementwissen belastete Unternehmensleitung<br />
tun es. Sie handeln – wo das Gesetz es<br />
zuläßt – wie ein Unternehmen, sie denken<br />
kommerziell. Hierzu einige Kostproben: Es<br />
werden nichtrentable Strecken stillgelegt; die<br />
Verwaltung wird durchrationalisiert; das Angebot<br />
im hochdefizitären Kleingutverkehr wird<br />
gestrafft; der Personalbestand wird abgebaut;<br />
das Angebot im Schienenpersonennahverkehr<br />
verstärkt, der tatsächlichen Nachfrage angepaßt,<br />
also verringert mangels Nachfrage; auf<br />
dem Güterverkehrsmarkt wird mit härteren<br />
Bandagen um Marktanteile gerungen.<br />
Wer da allerdings meint, diese Weichenstellung<br />
finde breiten Beifall, täuscht sich. Gleichgültig<br />
ob nun der schärfere Wettbewerb, die Stillegung<br />
der sonst schon fast aus dem Bewußtsein<br />
verschwundenen Bahnstrecke, ein verstärkter<br />
Personalabbau oder überhaupt die ganze Richtung<br />
nicht paßt, alles mobilisiert jetzt ungeahnte<br />
Kraftreserven gegen den eingeschlagenen<br />
Weg…“ (zitiert aus dem Buch „40 Jahre Deut-<br />
16
DB auf Sparkurs<br />
Eine Dampflok der Baureihe 050 und Schienenbusse pausieren gemeinsam im Bahnbetriebswerk Westerburg. Seit das Defizit der DB ansteigt,<br />
stehen die Strecken „in der Fläche“ unter verschärfter Beobachtung. Kürzungen und Streichungen werden folgen<br />
Wolf-Dietmar Loos<br />
OBEN Auch einige Altbau-Elloks werden von der <strong>Bundesbahn</strong> farblich „aktualisiert“: 118 028<br />
ist eine von drei Maschinen dieser Baureihe, die das Schema Ozeanblau-Beige erhalten (Bild<br />
in München Hbf)<br />
Edgar Fischer/Archiv GM<br />
RECHTS Ende 1974 vorgestellt, geht die 111 als Nachfolgerin der 110 im Jahr <strong>1975</strong> in Serie. Die<br />
Ellok bleibt mit 227 Exemplaren für lange Zeit die größte Neubeschaffung der <strong>Bundesbahn</strong> M. Weltner<br />
derlanden oder der Schweiz) erfolgreiche Einbeziehung<br />
von Nebenstrecken in einen attraktiven<br />
Nahverkehr ignorierten sowohl die<br />
meisten tonangebenden Verkehrspolitiker als<br />
auch die <strong>Bundesbahn</strong>-Führung. Dort war<br />
nach wie vor eine Nebenstrecke „in der Fläche“<br />
gleichbedeutend mit dem Attribut „überflüssig“.<br />
Daran, dass man mit einem jahrelang<br />
unzureichenden Zugangebot Reisende vergrault<br />
hatte und kaum aus dem meist vorsche<br />
<strong>Bundesbahn</strong> 1949 – 1989“ von Horst Weigelt<br />
und Ulrich Langner; Seite 400)<br />
Im Zuge des eingeschlagenen Wegs hatte<br />
die <strong>Bundesbahn</strong> <strong>1975</strong> einen „Sparfahrplan“<br />
auf den Weg gebracht, der vor allem für Nebenbahnen<br />
Einschränkungen im Angebot<br />
brachte. Dazu passte es, dass die DB-Spitze<br />
durchaus den Wert der Schiene betonte, aber<br />
dabei nur die Ballungsgebiete meinte. Die zu<br />
jener Zeit schon anderswo (etwa in den Nie-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
17
Hintergrund<br />
Mit einem kurzen Eilzug dieselt 220 079 im Juli <strong>1975</strong> nach Groß Gleidingen herein, wo sich die Strecken Löhne – Braunschweig (Kursbuchnummer<br />
265) und Hannover – Braunschweig (KBS 230) vereinigen. Im Bahnhof hat die Moderne vor kurzem mit der Oberleitung Einzug gehalten<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
Auf der Strecke Gronau – Dortmund (Kursbuchnummer 289) übernehmen 624er-Triebwagen<br />
große Teile des Zugverkehrs. Im Bild: 624 668 im Bahnhof Bork (Westf) Wolf-Dietmar Loos (2)<br />
handenen guten Fahrgastpotenzial Neukunden<br />
rekrutieren konnte, durfte offiziell nicht<br />
erinnert werden. Und ebenso wenig an die<br />
meist weit geringere Attraktivität des Autobusses!<br />
Charakteristisch war weiterhin die<br />
Aussage, DB bedeute auch „Der Bus“. Man<br />
übersah dabei, dass normalerweise die Fahrgastzahlen<br />
auch in Bahnbussen sanken und die<br />
Busfahrpläne in der Region ebenso – nur entsprechend<br />
zeitverzögert – ausgedünnt wurden<br />
wie zuvor auf der Schiene.<br />
Kleine Lichtblicke<br />
In die recht düstere Grundstimmung kam im<br />
Herbst <strong>1975</strong> ein kleiner Lichtblick: Am<br />
25. September erreichte die Streckenelektrifizierung<br />
ihren 10.000sten Kilometer; ein sichtbarer<br />
Beweis für den Erfolg der Modernisierungsmaßnahmen<br />
der <strong>Bundesbahn</strong>, die den<br />
Betrieb rationeller und leistungsfähiger machten.<br />
Ort des Jubiläums-Geschehens war der<br />
Bahnhof Villingen an der berühmten Schwarzwaldbahn,<br />
als der Fahrdraht von Offenburg her<br />
das Gebirge überwunden hatte. Zwei Jahre<br />
später sollte dann auch die Fortsetzung über<br />
Singen bis Konstanz in Betrieb gehen.<br />
Die Planungen zur Infrastruktur gingen unterdessen<br />
noch in eine andere Richtung. So wurde<br />
die propagierte Verkehrswende durch Überlegungen<br />
zu einem „betriebswirtschaftlich<br />
optimalen Schienennetz“ geprägt. Manche Politiker<br />
– wenn auch weniger in der SPD – forderten<br />
zudem generell die Privatisierung öffentlicher<br />
Bereiche. Finanzminister Apel bemerkte hierzu<br />
im April <strong>1975</strong> in einer Haushaltsdebatte:<br />
„Wir denken nicht daran, dadurch Unruhe<br />
bei Bahn und Post zu erzeugen, daß wir<br />
eine völlig unnötige Debatte über Privatisierung<br />
dieser Bundesunternehmen beginnen.<br />
Diesen Schuh mögen Sie sich anziehen (Anm.:<br />
gemeint war die CDU/CSU-Opposition), wir<br />
machen ihn uns nicht zu eigen. Wir haben<br />
sehr großen Respekt vor der Leistung der<br />
Bahn- und Postbeamten in schwierigen Zeiten,<br />
auch in schwierigen Haushaltszeiten.“<br />
Konkret auf die anvisierten Kürzungen vor<br />
allem im Streckennetz ging der Minister allerdings<br />
nicht ein. Diese sollten bald in zahlreichen<br />
mehr oder weniger fundierten Meldungen<br />
auftauchen und allenthalben noch für<br />
größere Verwirrung sorgen. Da wurden in der<br />
Boulevardpresse Listen veröffentlicht, in die<br />
man offensichtlich verschiedene stillzulegende<br />
Bahnlinien ohne Zusammenhang aufgenommen<br />
hatte. So fehlte in der Liste eines<br />
„Bild“-Artikels für Rheinland-Pfalz die Eifel-<br />
18
Personenverkehr <strong>1975</strong>: 110 506 mit D 614 (in „Pop-Farben“) in Bingerbrück (l.) und ein 430 im Ruhrgebiets-Nahverkehr (r.)<br />
J. A. Bock (l.), L. Rotthowe (r.)<br />
ZUM THEMA DAMPFLOK <strong>1975</strong>: DER ABSCHIED NAHT<br />
Der Wirtschaftsaufschwung der frühen<br />
sich Ende des Jahres von den Gleisen. Damit<br />
70er-Jahre war <strong>1975</strong> längst vorbei, so waren dampfgeführte Reisezüge zur absoluten<br />
Rarität geworden und beschränkten sich<br />
dass die DB die schwarzen Rösser nicht mehr<br />
als Reserve brauchte. Vielmehr konnte sie bei auf Kurzstrecken. Während die Bestände der<br />
der Ausmusterung von Dampfloks nun zunehmend<br />
aus dem Vollen schöpfen. So mussten blieben, reichten bei den „Massenbaureihen“<br />
Baureihen 042 und 043 weitgehend stabil<br />
die Rheiner 012 als letzte Schnellzugloks im 044 und 050-053 schon kleine Schäden für<br />
Mai <strong>1975</strong> den im Schwarzwald arbeitslos gewordenen<br />
220 weichen, und die 023 als<br />
wann die Fristen abliefen. Die Emslandstre-<br />
die Abstellung – ganz unabhängig davon,<br />
letzte Nachkriegs-Neubaulok verabschiedete cke, das Ruhrgebiet mit seinem weit verzweig-<br />
ten Streckennetz, Teile des Saarlandes, Ulm<br />
und Crailsheim sowie die Einsatzgebiete der<br />
niedersächsischen Bahnbetriebswerke Lehrte<br />
und Ottbergen waren die letzten Hochburgen<br />
der Dampftraktion und zogen die Fotografen<br />
an. Und mancherorts entstanden Sammelplätze<br />
für die ausgedienten Maschinen – von<br />
dort gab es nur noch ein Fahrtziel, den Ort,<br />
wo Männer mit Schweißbrennern warteten ...<br />
MARTIN WELTNER<br />
Da ist die 023 noch im Einsatz: Am 14. März <strong>1975</strong> wendet 023 018<br />
auf der ländlich platzierten Drehscheibe in Lauda Ludwig Rotthowe<br />
In Jerxheim warten im August <strong>1975</strong> abgestellte 023 und 050 aus<br />
Crailsheim auf die Verschrottung in Braunschweig Martin Weltner<br />
querbahn Mayen – Daun – Gerolstein (also<br />
nicht betroffen?), aber die Hauptstrecke Euskirchen<br />
– Gerolstein – Ehrang war dabei …<br />
Überhaupt schienen zum Thema „betriebswirtschaftlich<br />
optimales Bahnnetz“ gar keine<br />
sinnvollen Definitionen zu bestehen. Es wurden<br />
nicht selten recht fragwürdig einzelne Streckenabschnitte<br />
untersucht, ohne in irgendeiner<br />
Form deren Netzwirkung zu berücksichtigen.<br />
So fiel der 18 Kilometer lange Hauptbahnabschnitt<br />
Wiesau – Marktredwitz (einzige Zwischenstation<br />
dort: Bahnhof Pechbrunn) zumindest<br />
zeitweise aus dem betriebswirtschaftlich<br />
optimalen Netz heraus mit der hanebüchenen<br />
Begründung, Schnellzüge Regensburg – Hof<br />
könnten auch über den Umweg Nürnberg –<br />
Bayreuth geleitet werden. Und noch ein pikantes<br />
Detail am Rande: Von <strong>1975</strong> bis 1977 war im<br />
mit derartigen Berechnungen befassten Bundesfinanzministerium<br />
unter anderem ein aufstrebender<br />
höherer Beamter tätig. Ach ja, sein<br />
Name fehlt noch: Thilo Sarrazin …<br />
Die weitere Entwicklung<br />
So düster die Aussichten <strong>1975</strong> schienen (und<br />
sich manche Befürchtung in der Folge bewahrheitete),<br />
nicht alles wurde letztlich verwirklicht.<br />
Die Netzreduzierung – insbesondere<br />
in der Fläche – ging wie bisher weiter, ein<br />
Kahlschlag im Sinne des „betriebswirtschaftlich<br />
optimalen Bahnnetzes“ kam aber doch<br />
nicht. Die <strong>Bundesbahn</strong> blieb auf schwierigem<br />
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Kurs und kämpfte weiterhin mit Verlusten.<br />
Wer andererseits aus der heutigen Situation<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Bahn AG heraus den Vergleich<br />
zum Bahnbetrieb <strong>1975</strong> zieht, dürfte sich wohl<br />
mehrfach verwundert die Augen reiben. Vieles,<br />
was seinerzeit im Zugverkehr und im Betriebsgeschehen<br />
alltäglich war, ist in späteren<br />
Jahren und erst recht seit der Bahnreform verschwunden.<br />
Es hat moderneren Entwicklungen<br />
und neuen Reisetrends Platz gemacht,<br />
nicht immer zum Vorteil der Schiene.<br />
Denn auch die durchrationalisierte Bahn AG<br />
der Gegenwart läuft nahezu chancenlos den anderen<br />
Verkehrsträgern hinterher. Insofern ist der<br />
Blick zurück oftmals ein Blick mit Wehmut.<br />
Zum einen, weil selbst die gebeutelte <strong>Bundesbahn</strong><br />
von damals dem aktuellen Bahnwesen<br />
manches voraus hat – und sei es nur die hier und<br />
da beschaulicher anmutende Art des Betriebs.<br />
Zum anderen, weil manche seinerzeit stillgelegte<br />
Strecke inzwischen mit Erfolg reaktiviert wurde.<br />
Da stellt sich im nachhinein schon die Frage,<br />
ob der Sparkurs der Mitt-Siebziger und der<br />
Folgejahre tatsächlich die einzig richtige Option<br />
für das Verkehrsmittel Bahn gewesen ist.<br />
Ulrich Rockelmann/GM<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
19
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Um es vorweg zu nehmen: So eindeutig,<br />
wie sie <strong>1975</strong> von der DB angegeben<br />
wurde, ließ sich die Angelegenheit<br />
nicht unbedingt zurückdatieren. Die <strong>Bundesbahn</strong><br />
bezog sich bei ihrem Jubiläum<br />
„125 Jahre Kursbuch“ auf das vom „Cours-<br />
Bureau des Königlichen Generalpostamtes“<br />
1850 herausgegebene, mit dem Attribut<br />
„amtlich“ versehene „Eisenbahn-, Post- und<br />
Dampfschiff-Coursbuch“. Zuvor hatte es<br />
aber auch schon Fahrplanhefte – etwa<br />
„Hendschels Telegraph“ – gegeben, wenngleich<br />
dies rein privat verlegte Werke waren.<br />
Ebenso muss der Zusatz „amtlich“ von 1850<br />
etwas differenziert betrachtet werden; die<br />
Post verlegte zwar das Kursbuch, hatte jedoch<br />
auf das Zugangebot keinen Einfluss. In dem<br />
Zusammenhang hat wohl Hans-Joachim Ritzau<br />
nicht ganz Unrecht, wenn er in seinem<br />
1978 erschienenen Buch „Das Kursbuchund<br />
Fahrplanwesen der <strong>Deutsche</strong>n Eisenbahnen“<br />
vermerkt: „Rechtlich hatte die Berliner<br />
Postbehörde gegenüber den Bahnverwaltungen<br />
vieler Länder keine andere<br />
Position, als sie Hendschel einnahm. Ein<br />
Kursbuch amtlichen Charakters setzt Identität<br />
von Herausgeber der Fahrpläne und<br />
Führung des Bahnbetriebes voraus, oder die<br />
Herausgabe erfolgt im Auftrag.“<br />
OBEN BEIDE Reisezüge der 70er-Jahre: Ein Trans-Europ-Express mit 103 153 und klimatisierten 1.-<br />
Klasse-Wagen hält in Mainz Hauptbahnhof (ganz oben, Juni 1976), ein Nahverkehrszug mit 144 018<br />
und Vorkriegswagen fährt in Heidelberg Hbf ein (unten, Juli <strong>1975</strong>) Dr. Rolf Brüning (o.), Harald Schönfeld (u.)<br />
125 Jahre Kursbuch<br />
Die Jubiläumsausgabe<br />
Das Kursbuch, das die DB zum Sommerfahrplan<br />
<strong>1975</strong> herausgab, sah nicht aus wie die anderen.<br />
Auf dem weinroten Einband prangte ein gelber<br />
Lorbeerkranz, flankiert von den Jahreszahlen 1850<br />
und <strong>1975</strong>. Der Titel lautete „Kursbuch Jubiläums-<br />
Gesamtausgabe“. Gezielt griff die <strong>Bundesbahn</strong> die<br />
Tradition der Fahrplanbücher auf<br />
Kursbücher 1850 bis <strong>1975</strong><br />
Wie immer man dazu stehen mag, es bleibt<br />
festzuhalten: Die damals bestehenden einzelnen<br />
deutschen Bahnverwaltungen zeigten sich<br />
weder Willens noch in der Lage, ein Gesamtkursbuch<br />
für Deutschland herauszugeben. So<br />
war über Jahrzehnte die Postverwaltung Herausgeber<br />
des Eisenbahnkursbuchs, während<br />
es daneben weitere Kursbücher von rein privater<br />
Seite gab. Insofern muss man den Gründungszeitpunkt<br />
nicht auf 1850 setzen, es ist<br />
andererseits aber auch nicht abwegig.<br />
Was die weitere Entwicklung des Kursbuchs<br />
betrifft, so wäre der Übergang der Länderbahnen<br />
an das <strong>Deutsche</strong> Reich zum<br />
1. April 1920 eigentlich ein Zeitpunkt gewesen,<br />
um eine Gesamtausgabe des Kursbuches<br />
unter Eisenbahnregie herauszugeben. Vermutlich<br />
verzögerte aber die prekäre Wirtschaftssituation<br />
ein solches Vorhaben. Erst<br />
1926 erhielt das Reichskursbuch echten bahnamtlichen<br />
Charakter: Als Herausgeber fungierten<br />
nunmehr Post und Bahn. Die Systematik<br />
des Werks lehnte sich an das vormalige<br />
Slg. Konrad Rothzoll (2)<br />
20
125 Jahre Kursbuch<br />
Reichskursbuch der Post an und konnte von<br />
Druckbild und Übersichtlichkeit her weiter<br />
nicht recht überzeugen.<br />
Der große Fortschritt kam 1932 mit fünf<br />
Regionalausgaben, die eine neue Streckennummerierung,<br />
neue Streckenkarten und Fahrplantabellen<br />
mit einem gelungenen zeitlosen<br />
Druckbild bekamen. Und 1934 kam endlich<br />
von der <strong>Deutsche</strong>n Reichsbahn das „Amtliche<br />
Kursbuch für das Reich“ auf den Markt. Wenige<br />
Jahre später änderte sie den Titel in „<strong>Deutsche</strong>s<br />
Kursbuch“. Das „Reichskursbuch“ der<br />
Post erschien vorerst zwar parallel weiter, spielte<br />
aber eine zunehmend geringere Rolle.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen<br />
die ersten Kursbücher für die vier deutschen<br />
Besatzungszonen im Laufe des Jahres 1946,<br />
ehe es im Sommer 1947 eine Gesamtausgabe<br />
für die drei Westzonen gab. Zum Zeitpunkt<br />
der Gründung der Bundesrepublik Deutschland<br />
am 23. Mai 1949 war das entsprechende<br />
Kursbuch bereits acht Tage zuvor erschienen,<br />
daher lautete der Titel für den<br />
Sommerfahrplan 1949 noch „Reichsbahn<br />
Kursbuch“. Erst im Herbst erschien dann ein<br />
„Amtliches Kursbuch westliches Deutschland“<br />
für den Winterfahrplan 1949/50 (gültig ab<br />
2. Oktober 1949). Zum Sommerfahrplan<br />
1954 ersetzte man den Begriff „westliches<br />
Deutschland“ durch „<strong>Deutsche</strong> <strong>Bundesbahn</strong>“.<br />
Die folgenden Änderungen waren dann<br />
mehr kosmetischer Natur. Ab Sommerfahrplan<br />
1959 erhielt der Einband eine Glanzfolie<br />
und 1967 wechselte seine Farbgebung von<br />
Das Äußere wechselte,<br />
der Grundaufbau des<br />
Kursbuchs blieb gleich<br />
Dunkelbraun in ein freundlicheres Weinrot.<br />
Schließlich verzichtete die DB 1971 im Titel<br />
auf das Attribut „amtlich“. So präsentierte sich<br />
das zweimal jährlich – jeweils im Frühsommer<br />
und Herbst zu den Fahrplanwechseln – herausgegebene<br />
Kursbuch auch in den Folgejahren<br />
bis zum Jubiläum.<br />
Der Aufbau des Kursbuchs<br />
Im Grundaufbau unterscheidet sich die Jubiläumsausgabe<br />
nicht von den seit den 50er-Jahren<br />
angebotenen Vorgängern. Es umfasst sechs Einzelteile.<br />
Teil 1 („Allgemeines“) enthält den Kurs-<br />
IN KÜRZE: KURSBUCH-STRECKENNUMMERN <strong>1975</strong><br />
Im Jahr 1934 hatte die <strong>Deutsche</strong> Reichsbahn<br />
für die deutschen Kursbuchstrecken<br />
nordöstliches Niedersachsen<br />
100 – 199 Schleswig-Holstein mit Hamburg;<br />
eine einheitliche Nummerierung eingeführt.<br />
Das System reichte von 90 bis 429, zur Feinverteilung<br />
200 – 299 übriges Niedersachsen, nördliches<br />
Westfalen<br />
wurden diese Streckennummern 300 – 399 Ruhrgebiet, übriges Westfalen<br />
noch durch die Kleinbuchstaben a bis z ergänzt.<br />
Mit dem geteilten deutschen Streckennetz<br />
400 – 499 Rheinland, Westerwald,<br />
westliche Eifel<br />
nach 1945 sowie der Einstellung des 500 – 599 Hessen<br />
Personenverkehrs auf etlichen Nebenstrecken<br />
lag es spätestens Anfang der 70er-Jahre<br />
600 – 699 Rheinland-Pfalz (ohne Westerwald),<br />
Saarland<br />
nahe, eine neue Systematik der Nummern zu 700 – 799 Baden-Württemberg<br />
finden. Ähnliches hatte die <strong>Deutsche</strong> Reichsbahn<br />
der DDR schon zum Sommerfahrplan<br />
800 – 899 Franken, Oberpfalz, nordöstliches<br />
Niederbayern<br />
1968 vorgenommen.<br />
Im Jahr 1972 führte die DB ihre neue Nummernsystematik<br />
900 – 999 restliches Niederbayern,<br />
Oberbayern, Schwaben<br />
ein. Dabei verzichtete sie auf<br />
zusätzliche Buchstaben und verwendete dreistellige<br />
Nummern von 100 bis 999. Vereinfacht<br />
ausgedrückt trugen fortan wichtige<br />
Strecken runde, durch zehn teilbare Nummern,<br />
während die Einerstellen die Funktion<br />
der vormaligen Kleinbuchstaben übernahmen<br />
und weniger wichtige Strecken kennzeichneten.<br />
Die aufsteigenden Tabellennummern<br />
erstreckten sich ungefähr in einer Schlangenlinie<br />
von Norden nach Südosten und zeigten<br />
folgende regionale Hundertergruppen:<br />
Hierbei kam es bisweilen zu Überlappungen,<br />
vor allem bei längeren Strecken. Dann versuchte<br />
die DB, den jeweils längeren Abschnitt<br />
„seiner“ Region zuzuordnen. So gehörte die<br />
Kursbuchstrecke 250 (Hannover – Bebra/<br />
Kassel) der Region Niedersachsen an. In den<br />
Hundertergruppen hielt man überwiegend die<br />
Endzahlen zwischen .90 (teilweise auch .80)<br />
und .99 für den Nah- oder S-Bahn-Verkehr frei<br />
– der Münchner S-Bahn waren so die Nummern<br />
990 bis 998 vorbehalten.<br />
ULRICH ROCKELMANN<br />
buchschlüssel, Hinweise für Fahrgäste, Preistabellen<br />
und Ortsverzeichnisse; hier findet sich auf<br />
einer Umschlagseite auch die Übersicht über „die<br />
schnellsten Züge der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Bundesbahn</strong>“,<br />
<strong>1975</strong> angeführt vom „Rheinpfeil“ mit 118 km/h<br />
Reisegeschwindigkeit zwischen Hannover und<br />
Duisburg (1974 waren es noch 120 km/h).<br />
Teil 2 enthält die Fernverbindungen, wobei die<br />
Seiten mit drei Farben gekennzeichnet werden:<br />
grün für die Verbindungen ins Ausland, gelb für<br />
die großen Fernverbindungen und rot für die<br />
mittleren Fernverbindungen in der Bundesre -<br />
pub lik. Der grüne Teil listet auch die TEE-Züge<br />
und Autoreisezugverbindungen auf. Am Ende<br />
des roten Teils kommen nochmals weiße Seiten<br />
mit den Fahrplänen der Fernbuslinien, die von<br />
der DB, der Bundespost, der <strong>Deutsche</strong>n Touring<br />
(Europabus) oder auch anderen Unternehmen<br />
(zum Beispiel nach Berlin) betrieben wurden.<br />
Die für Eisenbahnfreunde wohl wichtigsten Teile<br />
3 bis 5 (Umschläge grün, rosa und blau) enthalten<br />
dann die kompletten Streckenfahrpläne<br />
des DB-Netzes in der ungefähren Aufteilung von<br />
Nord nach Südost. Der letzte, kurze Teil 6 – ohne<br />
speziellen Umschlag – ist schließlich Schifffahrtslinien<br />
und Bergbahnen gewidmet und<br />
weist zusätzlich die Anschriften aller Vertretungen<br />
des <strong>Deutsche</strong>n Reisebüros (DER) auf. Als<br />
Beilage gibt es das Kurswagenverzeichnis sowie<br />
die Streckenkarte. Verantwortlich für den Inhalt<br />
war <strong>1975</strong> die in Mainz angesiedelte Zentrale<br />
Transportleitung (Kursbuchstelle der DB).<br />
Ergänzt wurde die Gesamtausgabe noch<br />
durch neun Regionalausgaben, ein Fernkursbuch,<br />
ein Auslandskursbuch (für fast ganz<br />
Europa einschließlich Türkei und zudem die<br />
Maghreb-Staaten), ein Omnibus-Kursbuch<br />
(in Kooperation von DB und Bundespost) sowie<br />
regionale Taschenfahrpläne. Wer zumindest<br />
das Gesamtkursbuch einsehen wollte,<br />
musste es aber nicht zwingend kaufen. Bei<br />
großen Fahrkartenausgaben lagen einige Bände<br />
im Vorraum aus, so dass der Reisende selbst<br />
seine Verbindungen heraussuchen konnte und<br />
nicht am Auskunftsschalter fragen musste.<br />
Manchmal bekam man dort auf seine Bitte<br />
hin sogar Kursbücher von Nachbarbahnen<br />
zum Nachschlagen ausgehändigt.<br />
Der Inhalt im Jubiläumsjahr<br />
Bezüglich des Fahrplanangebots stand das Jubiläumskursbuch<br />
allerdings unter keinem gu-<br />
Slg. Konrad Rothzoll (5)<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013 21
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
LINKS BEIDE Weitere<br />
Reisezüge der 70er-<br />
Jahre: In Biberach<br />
(Riß) überholt ein<br />
D-Zug mit 221 138<br />
an der Spitze einen<br />
von 050 735 bespannten<br />
Dienstgüterzug<br />
(links oben,<br />
Mai <strong>1975</strong>), bei Weikersheim<br />
ist Nahverkehrszug<br />
7531 mit<br />
023 002 auf dem<br />
Weg von Lauda nach<br />
Crailsheim (links<br />
Mitte, März <strong>1975</strong>)<br />
Burkhard Wollny/Bildarchiv<br />
der Eisenbahnstiftg.<br />
(o.), Ludwig Rotthowe (M.)<br />
Slg. Konrad Rothzoll (3)<br />
ten Stern: Die DB befand sich <strong>1975</strong> in einer<br />
schwierigen wirtschaftlichen Lage und der<br />
Fahrplan von <strong>1975</strong> war ein ausgesprochener<br />
„Sparfahrplan“. Aufgrund dieses Umstandes<br />
konnte er kaum mit neuen Zügen aufwarten<br />
– dafür gab es jede Menge Streichungen und<br />
Reduzierungen. Die DB bekannte sich damals<br />
noch offen dazu und in der Beilage „Neuerungen<br />
und Änderungen“ wurde das wie folgt<br />
angekündigt: „In den vergangenen Jahren<br />
wurde das Angebot im Personenfernverkehr<br />
ständig erweitert und verbessert. In Erwartung<br />
neuen Verkehrs wurde davon ausgegangen,<br />
daß dieses Angebot entsprechend genutzt würde.<br />
Nachdem jedoch das Verkehrsaufkommen<br />
seit einiger Zeit rückläufig ist, wird mit Beginn<br />
des Sommerfahrplans <strong>1975</strong> das Angebot im<br />
Personenfernverkehr um ca. 3 % gekürzt.“ Im<br />
Regionalverkehr lagen die Kürzungen sogar<br />
bei durchschnittlich zehn Prozent.<br />
Das Kursbuch nach <strong>1975</strong><br />
Bald nach der Jubiläumsausgabe wurde die<br />
Gestaltung des Kursbuchs modifiziert. Die<br />
Farben wechselten ab den 80er-Jahren (zum<br />
Teil auch zwischen Winter- und Sommerausgabe),<br />
das Tabellen-Layout der Tabellen wurde<br />
durch die Einführung der Lichtsatztechnik<br />
modernisiert, womit der auf die 30er-Jahre zurückgehende<br />
Bleisatz zunehmend der Vergangenheit<br />
angehörte. 1992 gab es nochmals eine<br />
Neugestaltung der Tabellennummern, da die<br />
Strecken der <strong>Deutsche</strong>n Reichsbahn integriert<br />
wurden. Zudem wurden lange Tabellen zunehmend<br />
„zerstückelt“, um sie leichter in regionalen<br />
Heften unterbringen zu können.<br />
Im Zeitalter der elektronischen Medien<br />
begann ab 2000 der Abstieg des gedruckten<br />
Kursbuches. Ein 150-jähriges Jubiläum wurde<br />
von der nunmehrigen <strong>Deutsche</strong>n Bahn<br />
AG nicht gefeiert. Ab 2001 erschienen nur<br />
noch regionale Hefte, die zunächst gesammelt<br />
in einem Karton als „Gesamtausgabe“<br />
vertrieben wurden. Ab 2010 verzichtete die<br />
DB AG auch darauf. Informationen in Kursbuchart<br />
bietet sie seitdem nur im Internet mit<br />
dem elektronischen Kursbuch an. Einige Verbünde<br />
und Aufgabenträger, zum Beispiel in<br />
Bayern und Baden-Württemberg, geben hingegen<br />
weiterhin gedruckte Regionalausgaben<br />
heraus. Sie halten auch noch an einer alten<br />
Kursbuch-Tradition fest: dem quadratischen<br />
Format aus den 30er-Jahren.<br />
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22
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Eine Chronik, die keine Fragen offen lässt !<br />
WA-Nr. 6200070048
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Markantes und Besonderes im Kursbuch<br />
Fundgrube Fahrplan<br />
Selbst wenn das Sommerkursbuch <strong>1975</strong> nicht viel Neues brachte, es bot doch<br />
reichlich Interessantes: internationale Zuglangläufe, Kurswagenverbindungen,<br />
ungewöhnliche Nahverkehrszüge oder auch Strecken kurz vor dem Aus<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
Rund eineinhalb Kilo schwer und rund<br />
2.000 Seiten stark – die Gesamtaus -<br />
gabe des Kursbuchs vermochte die<br />
Einkaufstasche (oder den Rucksack) recht gut<br />
auszufüllen. Jedes Mal erwarteten Eisenbahnfreunde<br />
mit Spannung den Ausgabetag, um<br />
sich schnellstmöglich die neueste Edition zu<br />
holen und anschließend stundenlang darin zu<br />
blättern und zu stöbern. Was war neu? Was<br />
war anders? Was gab es Interessantes? So verhielt<br />
es sich auch <strong>1975</strong>, und es gab auf die<br />
Fragen eine Reihe von Antworten.<br />
D 240/241 „Ost-West-Express“<br />
Immer eine Betrachtung wert waren etwa die<br />
Ferntabellen. So zum Beispiel die Tabelle B 1,<br />
die das Angebot zwischen der Bundesrepublik,<br />
Polen und der Sowjetunion darstellte. Sie verzeichnete<br />
für Hannover sechs abgehende D-<br />
Züge, darunter einen der Züge mit dem längsten<br />
Laufweg des gesamten Fahrplanangebots:<br />
D 240/241 „Ost-West-Express“ Moskau –<br />
Berlin – Hannover – Köln – Paris.<br />
Den Zugnamen gab es erstmals im Jahr<br />
1969, während die Schlafwagenverbindung<br />
auf der rund 3.000 Kilometer langen Strecke<br />
zwischen Moskau und Paris ab 1960 regel-<br />
24
Interessantes im Kursbuch<br />
mäßig angeboten wurde. Seit 1971 verkehrte<br />
das Zugpaar mit den Zugnummern 240/241.<br />
Im <strong>Bundesbahn</strong>-Bereich fuhren die Züge<br />
zwischen Aachen und Helmstedt über Nacht;<br />
der Zuglauf zwischen Köln und Paris findet sich<br />
auf der Ferntabelle G 1. Er führte über Liege<br />
(Lüttich) und den belgisch-französischen<br />
Grenzübergang Erquelinnes – Jeumont. Diese<br />
Route nutzten damals alle Fernzüge zwischen<br />
Köln und Paris. Im Bereich der französischen<br />
Staatsbahnen SNCF lief D 240 vereinigt mit<br />
D 234 Kopenhagen – Paris, im Winterfahrplan<br />
<strong>1975</strong>/76 war dies auch bei D 241/235 der Fall.<br />
In Richtung Osten führte der Weg über die damals<br />
für den Ost-West-Verkehr wichtigste<br />
Route Helmstedt – Berlin und weiter über Warschau<br />
nach Brest, wo die Umspurung der Wagen<br />
von/nach Moskau stattfand.<br />
Im Sommer führte der Zug planmäßig drei<br />
Schlafwagen der sowjetischen Staatsbahn SZD,<br />
die westlich von Berlin durch die Internationale<br />
Schlafwagengesellschaft (ISTG) betreut<br />
wurden. Zwei dieser Wagen liefen zwischen Pa-<br />
Reichlich Kurs- und<br />
Schlafwagen: D 240<br />
„Ost-West-Express“<br />
im Kurswagenverzeichnis<br />
Winter<br />
<strong>1975</strong>/76<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
ris und Moskau und einer zwischen Oostende<br />
und Moskau, bei Bedarf war auch hier ein<br />
zweiter vorgesehen. Wer von Moskau bis Paris<br />
im Zug mitfuhr, war mehr als 40 Stunden<br />
unterwegs. Im Sommer <strong>1975</strong> gab es einen Liegewagen<br />
Paris – Warschau, gestellt von den<br />
Polnischen Staatsbahnen (PKP), sowie einen<br />
Liegewagen der <strong>Deutsche</strong>n Reichsbahn/Mitropa<br />
zwischen Oostende und Berlin. Die Sitzund<br />
Gepäckwagen wurden im Sommer von<br />
PKP und SNCF gestellt, von/nach Oostende<br />
lief ein Wagen der Belgischen Staatsbahn<br />
SNCB nach Warschau und ein Wagen der<br />
<strong>Deutsche</strong>n Reichsbahn (DR) nach Berlin.<br />
Im Winterfahrplanabschnitt bestand die<br />
Sitzwagengruppe Aachen – Berlin aus Wagen<br />
der DR, wobei diese östlich von Helmstedt im<br />
zeitnah verkehrenden Zugpaar D 244/245<br />
Warschau – Helmstedt (– Aachen) liefen.<br />
Mit 3.000 Kilometern<br />
hatte D 240/241 einen<br />
der längsten Laufwege<br />
Zwei Wagen Warschau – Paris wurden von der<br />
SNCF gestellt. Auch einen DB-Wagen gab es<br />
mit Lauf von Warschau nach Hoek van Holland.<br />
Von den SZD-Schlafwagen lief nur einer<br />
bis Paris; ein weiterer lief vier Mal wöchentlich<br />
bis/ab Hoek van Holland, der nach Oostende<br />
zwei Mal wöchentlich. Zusätzlich endete<br />
ein Schlafwagen zwei Mal wöchentlich in Aachen.<br />
Der DR-Liegewagen lief im Winter zwischen<br />
Berlin und Aachen, ergänzt durch einen<br />
Mitropa-Schlafwagen. Auch diese wurden in<br />
Helmstedt umgestellt auf D 244/245, während<br />
die beiden Wagen nach Hoek van Holland in<br />
Hannover auf das Zugpaar D 1244/1245 übergingen.<br />
Die Umstellung der Wagengruppe<br />
nach Oostende fand in Aachen statt – im Sommer<br />
auf das Zugpaar D 1212/1213, im Winterfahrplanabschnitt<br />
auf D 810/225. Neben<br />
diesen vielen abschnittsweise eingereihten Wagen<br />
bzw. Kurswagen sei schließlich noch ein<br />
Am 29. Mai 1976, dem letzten Tag des Winterfahrplans<br />
<strong>1975</strong>/76, verlässt die erst<br />
sechs Monate alte 111 048 mit D 790 München<br />
– Kassel die bayerische Landeshauptstadt;<br />
rechts zwei Elektrotriebwagen 403.<br />
Gleich hinter der Ellok läuft der Kurswagen<br />
Meran – Kassel. Kurswagenverbindungen wie<br />
diese sind seinerzeit noch oft im Zugangebot<br />
der <strong>Bundesbahn</strong> zu finden E. Fischer/Archiv GM<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013 25
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Im Juli <strong>1975</strong> ist<br />
103 182 mit D 221<br />
„Donau-Kurier“ in<br />
Würzburg eingetroffen.<br />
Der Zug hat nur<br />
fünf Minuten Aufenthalt<br />
und anders als<br />
beim Gegenzug<br />
D 220 werden hier<br />
keine Kurswagen<br />
umgestellt; das erledigt<br />
man in Nürnberg<br />
Jürgen A. Bock<br />
Speisewagen der PKP zwischen Frankfurt<br />
(Oder) und Warschau erwähnt; im Winterfahrplan<br />
verkehrte er bis Brest.<br />
Der „Ost-West-Express“ ging 1998 auf im<br />
EuroNight „Jan Kiepura“. Den Wagenlauf<br />
Moskau – Paris hatte man bereits 1994 beendet,<br />
er wurde aber 2007/2008 wieder anderweitig<br />
reaktiviert.<br />
D 413/412 „Istanbul-Express“<br />
Ein dichtes Zugangebot enthielt die Ferntabelle<br />
D 3 zu den Balkanländern – Folge des<br />
in den 60er-Jahren stark angestiegenen Gastarbeiterverkehrs.<br />
<strong>1975</strong> gab es noch drei Direktverbindungen<br />
nach Athen und zwei nach<br />
Istanbul, letztere mit dem „Tauern-Orient“<br />
und dem „Istanbul-Express“. Auch hierbei<br />
handelte es sich um stattliche Langläufer.<br />
Der „Istanbul-Express“ wurde eingelegt im<br />
Jahr 1965 – zunächst zwischen München und<br />
Istanbul. Seit 1971 verkehrte er als D 413/412<br />
zwischen Frankfurt (Main) und Istanbul, einer<br />
Strecke von knapp 2.500 Kilometern, auf<br />
der die Züge rund 45 bis 46 Stunden unterwegs<br />
waren – also länger als der „Ost-West-Express“,<br />
obwohl der „Istanbul-Express“ dessen<br />
Distanz nicht ganz erreichte.<br />
In München Hbf hielt der in Richtung Süden<br />
abfahrende Zug nur zum Einsteigen, der<br />
aus Richtung Süden ankommende nur zum<br />
Aussteigen. In der Kursbuchtabelle wurde das<br />
durch einen kleinen „Halbmond“ neben den<br />
Abfahrtszeiten kenntlich gemacht. In Rosenheim<br />
hingegen war das Aussteigen bei D 413<br />
zugelassen. Dieser Halt wurde 1974 neu eingelegt,<br />
während D 412 von Istanbul dort weiterhin<br />
durchfuhr. In dieser Richtung wäre der<br />
Vor allem für Gast -<br />
arbeiter gedacht:<br />
D-Zug „Istanbul-<br />
Express“, hier<br />
im Winterfahrplan<br />
<strong>1975</strong>/76<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
Zug für potenzielle Einsteiger aber ohnehin<br />
uninteressant gewesen, weil die Züge eine<br />
hohe Verspätungsanfälligkeit hatten.<br />
Überhaupt hatte man bei den Zügen aus<br />
Richtung Balkan ein Qualitätsproblem. Deshalb<br />
erhielten die Züge ab 1969 in den Streckentabellen<br />
den Vermerk „Internationaler<br />
Reisezug mit langem Laufweg; mit normaler<br />
Pünktlichkeit und dem üblichen Komfort<br />
kann nicht gerechnet werden.“ Auch D 412<br />
hatte im Kursbuch von <strong>1975</strong> die entsprechende<br />
Anmerkung. Ab der Winterfahrplanperiode<br />
1977/78 wurde schließlich wieder darauf<br />
verzichtet.<br />
Die abfahrenden Züge waren grundsätzlich<br />
platzkartenpflichtig für Reisende in die Balkanländer,<br />
bei D 413 war das auch für Reisende<br />
nach Österreich (einschließlich Salzburg)<br />
der Fall.<br />
<strong>1975</strong> führte der „Istanbul-Express“ einen<br />
Schlafwagen der Jugoslawischen Staatsbahn JZ<br />
zwischen Frankfurt (Main) und Belgrad, ein<br />
bulgarischer Liegewagen lief zwischen Frankfurt<br />
und Istanbul. Die Sitzwagengruppe nach<br />
Istanbul bestand hauptsächlich aus Wagen der<br />
DB, die teilweise in München beigestellt wurden.<br />
Einen Wagen Frankfurt – Istanbul stellte<br />
die türkische Staatsbahn TCDD. Daneben<br />
gab es eine Wagengruppe Frankfurt – Zagreb/Belgrad,<br />
die aus Wagen der JZ bestand.<br />
Der Balkanverkehr hatte <strong>1975</strong> seinen Zenit<br />
bereits überschritten und ab 1976 kam es<br />
deshalb zu kontiniuierlichen Reduzierungen<br />
des Zugangebotes. Direktzüge von München<br />
nach Istanbul und Athen verkehrten letztmals<br />
im Fahrplanjahr 1993/94, seitdem sind diese<br />
Langläufe Geschichte.<br />
D 220/221 „Donau-Kurier“<br />
Aber auch auf kürzeren internationalen Relationen<br />
verzeichnete das Kursbuch interessante<br />
Verbindungen, die einerseits Fernweh weckten,<br />
andererseits bereits Tradition aufwiesen. Und<br />
die nicht selten attraktive Kurswagenläufe mitführten<br />
– im Jahr <strong>1975</strong> noch gang und gäbe.<br />
26
D-Züge mit Kurswagen<br />
Der „Donau-Kurier“ hat<br />
neun Wagen im Stammlauf<br />
plus Kurswagen<br />
Ein solcher „Kandidat“ war das Paar<br />
D 220/221 „Donau-Kurier“ Dortmund –<br />
Wien. Den Zug mit diesem Namen gab es<br />
erstmals im Fahrplanjahr 1956, damals als<br />
D 303/304. Damit wurde das wohl eher<br />
glücklose F-Zug-Paar 19/20 „Glückauf“ zwischen<br />
Essen und Passau mit Wagenlauf nach<br />
Wien, das nur 2. Klasse (ab 1956 = 1. Klasse)<br />
führte, ersetzt. Der „Donau-Kurier“ war<br />
von Anfang an eine Tagesverbindung Dortmund<br />
– Wien, 1956 noch als „LS“-Zug klassifiziert,<br />
also als Zug mit Leichtbauwagen und<br />
kurzen Reisezeiten. Ab 1971 verkehrte er mit<br />
den Zugnummern 220/221.<br />
Im Kursbuch von <strong>1975</strong> sind D 220/221 in<br />
der Ferntabelle D 1 im „grünen Bereich“ aufgelistet,<br />
also bei den Fernverbindungen ins<br />
Ausland. Die Tabelle D 1 bildet den Abschnitt<br />
Frankfurt (Main) – Wien ab und beinhaltet<br />
alle Fernzüge, die über Passau verkehren. Im<br />
DB-Bereich werden nur große Knoten wie Regensburg,<br />
Nürnberg und Würzburg aufgeführt,<br />
während sich im Bereich der Österreichischen<br />
<strong>Bundesbahn</strong>en (ÖBB) auch kleinere<br />
Bahnhöfe finden. Dazu werden Anschlüsse<br />
nach Budapest und Bukarest dargestellt.<br />
Im <strong>Bundesbahn</strong>-Gebiet lässt sich der Lauf<br />
des „Donau-Kurier“ komplett auf der Ferntabelle<br />
3 im „gelben Bereich“, das heißt, in den<br />
großen Nord-Süd-Verbindungen im Bundesgebiet,<br />
nachverfolgen. Der Zug führt gemäß<br />
Kursbuch einen Speisewagen und das Symbol<br />
für Kurswagen; diese waren beim nordwärts<br />
fahrenden D 220:<br />
• Wien – Hamburg mit Umstellung in Würzburg<br />
auf D 592<br />
• Bad Aussee – Dortmund samstags und sonntags<br />
mit Umstellung in Wels aus Zug 3019<br />
• Prag – Dortmund mit Umstellung in Würzburg<br />
aus D 558, dem sie in Nürnberg aus<br />
E 2668 beigestellt wurden (von Prag bis<br />
Schwandorf liefen diese im D 468 Prag –<br />
München).<br />
Gemäß Zugbildungsplan bestand der ganze<br />
Zug einschließlich der Kurswagen aus DB-Wagen;<br />
in der Hauptsaison vom 14. Juni bis<br />
31. August liefen planmäßig neun Wagen zwischen<br />
Wien und Dortmund, darunter ein Gepäckwagen<br />
Dm, ein Speisewagen WRmz und<br />
ein 1.-Klasse-Wagen Am. Dazu kamen zwei<br />
Wagen Wien – Hamburg, also zusammen elf<br />
Wagen. An bestimmten Sonntagen gab es auch<br />
noch einen Liegewagen Wien – Dortmund für<br />
Eine der wenigen<br />
Neuheiten im<br />
Sommerkursbuch<br />
<strong>1975</strong> war der DER-<br />
Auto reisezug Münster<br />
– Sonthofen<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
den „Alpen-See-Express“. In Passau wurden<br />
weitere Wagen beigestellt, aber hauptsächlich<br />
außerhalb der Sommerhauptsaison, wenn der<br />
Zugteil von Wien schwächer war.<br />
Die Wagengruppe Wien – Hamburg lief<br />
am Schluss des D 220. In Würzburg wurde sie<br />
umgestellt auf den Schluss des D 592 (Stuttgart<br />
– Hamburg). Anschließend wurde am<br />
Schluss die Wagengruppe Prag – Dortmund<br />
beigestellt (zwei Wagen), die mit D 558 von<br />
Nürnberg kamen. Eine Beistellung dieser<br />
Gruppe gleich in Nürnberg schied wegen der<br />
Gruppe Hamburg aus, die dann nicht mehr<br />
am Schluss gewesen wäre. Auf diese Weise<br />
konnte der Aufenthalt in Nürnberg Hbf auf<br />
fünf Minuten begrenzt werden, während er in<br />
Würzburg 13 Minuten betrug – aus heutiger<br />
Sicht eine durchaus kurze Zeit für das Rangieren<br />
von zwei Kurswagengruppen.<br />
Der „Donau-Kurier“ wurde 1977 mit den<br />
neuesten ÖBB-Fernverkehrswagen ausgestattet<br />
und avancierte 1983 zum „Fern-Express“ (FD),<br />
als diese Zuggattung für den „qualifizierten<br />
Schnellzug“ eingeführt wurde. 1988 wurde er<br />
noch für kurze Zeit auf einem Teillaufweg zum<br />
IC, doch 1989 verschwand der Name vorübergehend<br />
und der „Franz Liszt“ trat die Nachfolge<br />
an. 1991 bekam ein Nachtzug Dortmund<br />
– Wien den Namen „Donau-Kurier“.<br />
D 790/791<br />
Neben den internationalen Zügen führten<br />
auch etliche Inlandsreisezüge Kurswagen mit,<br />
welche die Verbindungen noch weiter verbesserten.<br />
Stellvertretend sei hier das Zugpaar<br />
D 790/791 erwähnt, wobei sich die Betrachtung<br />
auf den nordwärts laufenden D 790 beschränkt.<br />
Dieser war eine Nachmittagsverbindung<br />
von München über Stuttgart und<br />
Inlands-Tages ver -<br />
bindung mit Kurs -<br />
wagen: D 790 im<br />
Winterfahrplan<br />
<strong>1975</strong>/76<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
Frankfurt (Main) nach Kassel. Sein Laufweg<br />
lässt sich am besten in der Ferntabelle 90 im<br />
„roten Bereich“ des Kursbuchs, also dem Bereich<br />
der mittleren Fernverbindungen, verfolgen.<br />
D 790 verließ München um 14:09 Uhr,<br />
nahm ab Stuttgart den Weg über Bruchsal<br />
nach Heidelberg und dann über die „Main-<br />
Neckar-Bahn“ nach Frankfurt. Unter dem<br />
Speisewagensymbol ist noch die Raute abgedruckt,<br />
die auf Beschränkungen für Gruppenreisen<br />
hinweist (nur im Sommerfahrplan).<br />
Vor allem freitags war die Nachfrage groß, deshalb<br />
gab es an diesem Wochentag auch einen<br />
Entlastungszug D 1790, der in München Hbf<br />
um 13:45 Uhr abfuhr und in Augsburg vom<br />
D 264 „Mozart“ Wien – München – Paris<br />
überholt wurde. Im weiteren Verlauf verkehrte<br />
der Entlastungszug stets etwa zehn Minuten<br />
vor dem Hauptzug, da er nur so am besten seine<br />
Entlastungsfunktion erfüllte. Im Winterfahrplan<br />
fuhr er nur zwischen Stuttgart und<br />
Frankfurt (Main).<br />
Von Frankfurt (Main) nach Kassel nahm<br />
D 790 den Weg über die Main-Weser-Bahn;<br />
hier kann man den Zuglauf auf der regionalen<br />
Tabelle 520 oder der Ferntabelle 50<br />
betrachten. Zug 790 wurde ab Frankfurt zum<br />
zuschlagfreien Eilzug, ebenso der sommerliche<br />
Entlastungszug 1790; Letzterer endete bereits<br />
in Gießen. E 790 erreichte schließlich um<br />
22:08 Uhr Kassel. In der Ferntabelle 50 werden<br />
nun zwei Widersprüche sichtbar: Zum einen<br />
führt E 790 weiterhin links die punktierte<br />
Linie für die Zuschlagpflicht und der<br />
Speisewagen wird plötzlich zum Büffetwagen.<br />
In der Tabelle 520 sind die Darstellungen plausibel<br />
(keine Zuschlagpflicht und das „richtige“<br />
Speisewagensymbol). Solche Unstimmigkeiten<br />
waren bei der „Fülle des zu<br />
verarbeitenden Materials nicht immer vermeidbar“,<br />
wie es eingangs im „Kursbuchschlüssel“<br />
respektive in der Zeichenerklärung<br />
hieß – durchaus verständlich. Zur Berichtigung<br />
erschien immer ein mehr oder weniger<br />
umfangreiches „Fahrplan-Mitteilungsblatt“, in<br />
dem wohl dies korrigiert worden sein dürfte.<br />
Oder auch nicht: Im Winterfahrplan war in<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
27
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Im September 1976 hat 144 024 den Güterzug mit Personenbeförderung (GmP) 62957 Griesen – Garmisch-Partenkirchen übernommen. Mit<br />
einem Reisezugwagen und einem Kesselwagen fährt die Altbau-Ellok bei Hammersbach durch die Alpen<br />
Claus-Jürgen Schulze<br />
der Tabelle 50 nach wie vor die punktierte Linie<br />
vorhanden. Das Speisewagensymbol<br />
stimmte aber in allen Darstellungen überein.<br />
Bei D 790 findet sich weiterhin das Kurswagensymbol,<br />
das auf entsprechende Wagen<br />
hinweist. Dies war gemäß Kurswagenverzeichnis<br />
eine Wagengruppe Meran – Kassel,<br />
die aus D 286 von Rom umgestellt wurde, Ankunft<br />
in München Hbf um 13:10 Uhr. Eine<br />
Stunde Umstellzeit war durchaus angemessen<br />
aufgrund der Verspätungsanfälligkeit der Züge<br />
aus Italien. Im Winterfahrplan gab es weitere<br />
Kurswagen Oberstdorf – Frankfurt und Innsbruck<br />
– Lindau – Frankfurt/Kassel, die in Ulm<br />
beigestellt wurden. Dazu betrug im Winterfahrplan<br />
der Aufenthalt in Ulm acht Minuten,<br />
während es im Sommer nur drei Minuten waren.<br />
Bemerkenswert außerdem: Ulm wurde<br />
im Winter fünf Minuten früher erreicht, obwohl<br />
die Abfahrtszeit in Augsburg in beiden<br />
Fahrplanperioden unverändert war!<br />
DER-Tagesautoreisezug<br />
Dk 9717/9716<br />
Zu den wenigen Neuerungen im ansonsten von<br />
Einsparungen gekennzeichneten Fahrplan von<br />
<strong>1975</strong> gehörte das Autoreisezugpaar 9717/9716<br />
zwischen Münster (Westf) und Sonthofen. Es<br />
fand sich im grünen Kursbuchbereich beim Autoreisezugteil,<br />
als Tabelle 14 auf Seite B10.<br />
Das DER mietete einen<br />
Autoreisezug und trug<br />
das finanzielle Risiko<br />
Der neu eingeführte DER-Autoreisezug Münster – Sonthofen im Zugbildungsplan. Intern wurden<br />
die Autoreisezüge seit 1971 mit der Zuggattung „Dk“ geführt; das stand für schnell fahrende<br />
Reisezüge des Fernverkehrs, die überwiegend der Beförderung von Reisenden mit Kraftfahrzeugen<br />
dienen<br />
Slg. Josef Mauerer<br />
D 9716 verkehrte samstags um 11:09 Uhr ab<br />
Sonthofen; der Laufweg führte über die Ruhr-<br />
28
Autoreisezüge und Expressgutzüge<br />
Eine Kleinlok und<br />
Dreiachser-Umbauwagen<br />
bilden <strong>1975</strong><br />
den Zug für die vier<br />
Kilometer kurze Verbindung<br />
Salzgitter-<br />
Ringelheim – Salzgitter<br />
Bad der KBS 237<br />
Wolf-Dietmar Loos<br />
Auszug des Verkehrs<br />
auf der Strecke 237<br />
aus dem Sommerfahrplan<br />
<strong>1975</strong><br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
Sieg-Strecke nach Hagen und dann weiter nach<br />
Münster mit Ankunft um 21:06 Uhr. Sonntags<br />
fuhr der Wagenpark als D 9717 auf dem gleichen<br />
Laufweg wieder nach Sonthofen. Zu- und<br />
Auslademöglichkeiten bestanden in Hagen-Kabel<br />
und Hüttental-Weidenau (= Siegen).<br />
Der Wagenpark für D 9716 kam aus D 9783,<br />
der freitags von Hamburg nach Sonthofen verkehrte<br />
– ebenfalls ein DER-Tagesautoreisezug.<br />
Dessen Gegenzug 9782 verkehrte montags, womit<br />
die Garnitur optimal verwendet werden<br />
konnte. Allerdings war dies bei 9783/9782 mit<br />
einer entsprechenden Änderung verbunden: Diese<br />
Züge wurden 1974 neu eingelegt und verkehrten<br />
zweimal wöchentlich. <strong>1975</strong> wurden die<br />
Verkehrstage auf einmal wöchentlich reduziert,<br />
so dass insgesamt kein Mehraufwand durch das<br />
neue Zugpaar entstand.<br />
GmP und Expressgutzüge<br />
Auch sonst hat das Kursbuch <strong>1975</strong> (im Sommer<br />
wie im Winter) interessante Züge zu bieten.<br />
So gab es noch auf verschiedenen Strecken<br />
den Güterzug mit Personenbeförderung<br />
(GmP), in den Tabellen oft erkennbar an der<br />
hohen fünfstelligen Zugnummer. Ein Beispiel<br />
dafür verkehrte auf der Kursbuchstrecke (KBS)<br />
973 Kempten – Pfronten – Reutte – Garmisch-<br />
Partenkirchen (Außerfernbahn) mit dem Zug<br />
62957; er verließ Griesen um 13:30 Uhr und<br />
erreichte Garmisch-Partenkirchen um 14:04<br />
Uhr. Gemäß dem Zugbildungsplan bestand der<br />
Zug aus einem Mitteleinstiegswagen Byl. In<br />
Untergrainau hatte er nach der Fußnote [7] einen<br />
Aufenthalt von 13:41 bis 13:54 Uhr. Hier<br />
fand die Kreuzung mit N 5428 statt, der in Untergrainau<br />
aber schon um 13:47 Uhr abfuhr.<br />
Die längere Aufenthaltszeit dürfte zum Beistel-<br />
Für die Beförderung von Personen führt der Expressgutzug 14040 Kassel – Hamm einen nicht näher<br />
definierten Wagen 2. Klasse (Kürzel „B“) mit; Auszug aus dem Zugbildungsplan Slg. Josef Mauerer<br />
len von Güterwagen genutzt worden sein. Daneben<br />
gab es DB-intern seit den 50er-Jahren<br />
eine Reihe von Zügen, die nur der Gepäck- und<br />
Expressgutbeförderung dienten: die Expressgutzüge,<br />
abgekürzt als „Expr“ und ab 1971 als<br />
„ExprD“. Diese Züge wurden eingerichtet, weil<br />
die Regelzüge für den öffentlichen Verkehr auf<br />
den betreffenden Relationen die Aufgaben im<br />
Mitläuferverkehr nur noch in begrenztem Umfang<br />
erfüllen konnten. Ab 1971 führten die Expressgutzüge<br />
fünfstellige Zugnummern im<br />
14000er-Bereich und <strong>1975</strong> gab es etwa 20 Zugpaare<br />
davon, wobei manche Relationen nicht<br />
paarweise bedient wurden. Für die öffentliche<br />
Personenbeförderung waren diese Züge nicht<br />
zugelassen, aber es gab auch Ausnahmen wie das<br />
Zugpaar 14040/14041 Kassel – Hamm, das einen<br />
im Zugbildungsplan nicht näher spezifizierten<br />
B-Wagen (2. Klasse) mitführte.<br />
KBS 237 Salzgitter-Ringelheim –<br />
Salzgitter Bad (– Börßum)<br />
Überraschungen erwarteten den Reisenden<br />
<strong>1975</strong> noch andernorts im <strong>Bundesbahn</strong>netz,<br />
beispielsweise auf dem Abschnitt Salzgitter-<br />
Ringelheim – Salzgitter Bad der KBS 237.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
29
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Eine 140er-Ellok und<br />
ein doppelklassiger<br />
Reisezugwagen aus<br />
der Vorkriegszeit<br />
stellen <strong>1975</strong> den<br />
Nahverkehrszug<br />
Duisburg-Wedau –<br />
Düsseldorf<br />
Udo Kandler<br />
Wer dort als unkundiger Beobachter die<br />
Köf II mit zwei Umbau-Dreiachserwagen am<br />
Haken sah, dachte mit Sicherheit an eine Rangierfahrt.<br />
Doch dem war nicht so: Die Kleinlok<br />
der Baureihe 323 bewältigte mit den beiden<br />
Wagen einen Teil des Gesamtverkehrs<br />
zwischen den beiden an Hauptstrecken gelegenen<br />
Ortsteilen. Vier Kilometer waren bei<br />
der Fahrt zu bewältigen, womit die hiesigen<br />
Nahverkehrszüge am anderen Ende der Laufweg-Skala<br />
standen als etwa der anfangs beschriebene<br />
„Ost-West-Express“. Während die<br />
sonst im Pendelverkehr eingesetzten Schienenbusse<br />
diese Kurzstrecke in vier Minuten<br />
bewältigten, waren die mit der 323 bespannten<br />
Züge acht Minuten unterwegs – kein<br />
Wunder bei einer Höchstgeschwindigkeit von<br />
45 km/h. Und wenn es draußen kalt wurde,<br />
schürte der Zugführer den in einem der Dreiachser<br />
installierten Kohleofen ein, denn über<br />
eine Zugheizeinrichtung verfügte die Kleinlok<br />
natürlich nicht.<br />
Womit ein weiteres Feld interessanter Kursbuchstudien<br />
eröffnet ist: das einzelner Strecken<br />
und ihrer Bedienung. Hier liefert der<br />
Sommerfahrplan <strong>1975</strong> erneut markante, ungewöhnliche<br />
Beispiele.<br />
KBS 307<br />
Duisburg-Wedau – Düsseldorf<br />
Mit dieser 23 Kilometer langen, elektrifizierten<br />
Strecke war im Kursbuch eine Bahnlinie<br />
verzeichnet, die in erster Linie dem Güterverkehr<br />
diente. Speziell für Berufspendler gab es<br />
außerdem noch zwei Reisezugpaare, die montags<br />
bis freitags in den frühen Morgen- und<br />
Abendstunden verkehrten. Allzu groß war das<br />
Reisendenaufkommen nicht: Anfang der 70er-<br />
Jahre pendelte noch ein Akkutriebwagen, <strong>1975</strong><br />
war es dann eine Ellok mit einem einzelnen<br />
Reisezugwagen. Und noch etwas Besonderes ist<br />
zu bemerken: Während das morgendliche<br />
Zugpaar nur die 2. Wagenklasse führte, musste<br />
für das Abend-Zugpaar ein Wagen mit 1.<br />
und 2. Klasse verwendet werden – wofür die<br />
<strong>Bundesbahn</strong> auch Vorkriegsfahrzeuge heranzog.<br />
Durchgehende Züge gibt es seit 1983<br />
nicht mehr, Teile der Strecke werden heute von<br />
der S-Bahn befahren. Duisburg-Wedau ist nur<br />
noch über die KBS 449 Duisburg Hbf – Duisburg<br />
auf der Schiene zu erreichen.<br />
KBS 515 Lauterbach Nord –<br />
Stockheim – Frankfurt<br />
Die Kursbuchtabelle weist hier immerhin eine<br />
112 Kilometer lange Verbindung aus, von der<br />
nur 16 Kilometer auf die Hauptstrecke Frank-<br />
Dreieinhalb Stunden<br />
Schienenbus: Das erlebten<br />
Reisende, die<br />
sich im Sommer<br />
<strong>1975</strong> Zug 6213 Lauterbach<br />
– Frankfurt<br />
anvertrauten. Zum<br />
Ende des Sommerfahrplans<br />
legte die<br />
DB den Abschnitt<br />
Lauterbach – Stockheim<br />
für den Personenverkehr<br />
still<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
30
Kursbuchstrecken 307, 515, 811, 815<br />
Wegen des Güterverkehrs<br />
präsentiert<br />
sich das Personen -<br />
zug angebot auf der<br />
eingleisigen Werntalbahn<br />
<strong>1975</strong> schon<br />
ziemlich reduziert.<br />
Zum Ende des Winterfahrplans<br />
<strong>1975</strong>/<br />
76 verzichtet die DB<br />
hier ganz und gar auf<br />
Personenzüge<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
Mehr Bus als Bahn:<br />
das Angebot zwischen<br />
Bad Neustadt<br />
und Königshofen<br />
(Grabfeld) im<br />
Sommer <strong>1975</strong><br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
Von Lauterbach nach<br />
Frankfurt mit 31 km/h<br />
Reisegeschwindigkeit<br />
Eine 212 bedient im März 1976 den Bahnhof Königshofen (Grabfeld) im Güterverkehr; der<br />
Personenverkehr wird nur noch bis Ende des Winterfahrplans <strong>1975</strong>/76 betrieben M. Weltner<br />
furt – Gießen entfielen; der Rest war als Nebenbahn<br />
eingestuft. Verkehrlich bildete der<br />
Bahnhof Stockheim (Oberhessen) eine Art<br />
Brechpunkt. Nordöstlich davon in Richtung<br />
Vogelsberg war das Verkehrsaufkommen geringer,<br />
und auf dem Nordteil Gedern – Lauterbach<br />
Nord verkehrten <strong>1975</strong> gerade noch drei werktägliche<br />
Schienenbuspaare. Darunter gab es aber<br />
einen interessanten Langlauf von Lauterbach bis<br />
Frankfurt Hbf. Lauterbach Nord wurde von<br />
dem roten Brummer um 05:15 Uhr verlassen,<br />
und nach einer Fahrzeit von drei Stunden und<br />
37 Minuten hätte ein Durchgangsreisender<br />
Frankfurt Hbf erreicht! Bis auf Eisenbach wurde<br />
an allen Zwischenstationen gehalten, einen<br />
größeren Aufenthalt von mehr als fünf Minuten<br />
gab es im Knotenpunkt Heldenbergen-Windecken.<br />
Die mittlere Reisegeschwindigkeit betrug<br />
knapp 31 Kilometer pro Stunde. Doch sollte<br />
dies die letzte Saison sein, in der ein Reisender<br />
eine solche Bahnfahrt unternehmen konnte.<br />
Zum Winterfahrplan <strong>1975</strong>/76 legte die DB den<br />
Schienenreiseverkehr Lauterbach Nord – Stockheim<br />
auf 65 Kilometern Streckenlänge still.<br />
KBS 811 Schweinfurt – Gemünden<br />
Die 39,7 Kilometer lange eingleisige Werntalbahn<br />
bildet eine direkte Verbindung des<br />
Schweinfurter Raums mit dem Knotenpunkt<br />
Gemünden und ermöglicht eine Umgehung<br />
von Würzburg. Dadurch wird klar, dass die<br />
Hauptstrecke vor allem für den Güterverkehr<br />
Bedeutung hat. Eine Elektrifizierung war die<br />
logische Folge, der Planbetrieb begann am<br />
22. September 1971. Hier lag aber auch das<br />
Dilemma: Wegen des regen Güterverkehrs<br />
standen immer weniger günstige Fahrplantrassen<br />
für Reisezüge zur Verfügung – was der<br />
damaligen DB-Politik nur recht gelegen kam.<br />
Die seit den 60er-Jahren durchgeführten Fahrplanausdünnungen<br />
hatten für den Sommerfahrplan<br />
<strong>1975</strong> einen kläglichen Rest von vier<br />
unpaarigen Reisezügen übrig gelassen: Frühmorgens<br />
(Montag bis Freitag) und am frühen<br />
Nachmittag (werktags) von Gemünden nach<br />
Schweinfurt und zweimal nachmittags (werktags<br />
bzw. Montag bis Freitag) von dort zurück<br />
nach Gemünden. Dabei wurde die Leistung<br />
Schweinfurt ab 16:06 Uhr als Schienenbus<br />
(798/998) unter Fahrdraht erbracht. Ob die<br />
Rückleistung als Leerfahrt geschah? Im Kursbuch<br />
ist keine Triebwagenleistung mehr angeboten.<br />
Mit Ende des Winterfahrplans<br />
<strong>1975</strong>/76 am 29. Mai 1976 endete schließlich<br />
der Reiseverkehr über die Werntalbahn vollständig.<br />
KBS 815<br />
Bad Neustadt – Königshofen<br />
Auf der 23,2 Kilometer langen Stichstrecke<br />
im unterfränkischen Grabfeld war der Schienenreiseverkehr<br />
schon seit den frühen 60er-<br />
Jahren sukzessive ausgedünnt und meist durch<br />
Buskurse ersetzt worden. Der Sommerfahrplan<br />
von <strong>1975</strong> wie auch der vorausgegangene<br />
Winterfahrplan verzeichneten nur noch ein<br />
werktägliches Triebwagenpaar auf der Schiene:<br />
In aller Frühe ging es von Königshofen<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
31
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Auch die Meterspur-Strecke Amstetten – Laichingen der Privatbahn WEG ist im Kursbuch <strong>1975</strong> verzeichnet. Im Juli des Jahres stehen die<br />
Triebwagen T 35 und T 34 im Bahnhof Laichingen<br />
Theodor Horn<br />
Das Angebot auf der<br />
KBS 905 im Sommer<br />
<strong>1975</strong>; an Sonntagen<br />
kommen noch zwei<br />
Zugpaare zum Einsatz<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
Auch internationale<br />
Busverbindungen der<br />
<strong>Deutsche</strong>n Touring-<br />
Gesellschaft sind im<br />
Kursbuch <strong>1975</strong> enthalten.<br />
Unter anderem<br />
findet sich dabei<br />
die Linie München –<br />
Istanbul (– Teheran);<br />
die Reisezeit zwischen<br />
Deutschland<br />
und Iran beträgt<br />
rund eine Woche<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
nach Bad Neustadt (dabei war die Zeitlage für<br />
den potenziell nicht geringen Schülerverkehr<br />
ungeeignet, denn der Zug erreichte Bad Neustadt<br />
bereits um 06:16 Uhr), ehe der Triebwagen<br />
montags bis freitags am Spätnachmittag<br />
wieder zurück ins Grabfeld fuhr. Auch<br />
hier fällt die Nichtberücksichtigung des Schülerverkehrs<br />
ins Auge! Zum Einsatz gelangte<br />
eine dreiteilige Schienenbusgarnitur der Reihe<br />
798/998. Schon im November 1974 hatte<br />
die <strong>Bundesbahn</strong>direktion Nürnberg das<br />
Stilllegungsverfahren für den Reiseverkehr eingeleitet,<br />
dessen Umsetzung durch den Bundesverkehrsminister<br />
schließlich für das Ende<br />
des Winterfahrplans <strong>1975</strong>/76 angeordnet<br />
wurde.<br />
KBS 905 Amstetten – Laichingen<br />
Abgesehen von der Wangerooger Inselbahn<br />
hatte die <strong>Deutsche</strong> <strong>Bundesbahn</strong> den Personenverkehr<br />
auf ihren Schmalspurbahnen<br />
längst eingestellt, aber auch <strong>1975</strong> konnte man<br />
32
Kursbuchstrecke 905 und der Wangerooge-Zubringer<br />
Im Juli 1976 hat die 212 mit ihrem Nahverkehrszug Reisende für die Insel Wangerooge nach Harle gebracht. Nun setzt die Diesellok für die<br />
Rückfahrt um ihren Zug um<br />
Jürgen A. Bock, Herbert Stemmler (u.)<br />
Die einzige DB-Schmalspurbahn mit Personenverkehr gibt es <strong>1975</strong> auf der Insel Wangerooge. Die Fahrzeiten zwischen Anleger (Foto) und Wangerooge<br />
Bahnhof richten sich nach den Schiffsfahrzeiten; das Kursbuch enthält nur Fahrpläne für die Zubringerzüge nach Harle und die Schiffe<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
33
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Mitteleinstiegswagen und eine 212 sind das Fahrzeugmaterial, das die Reisenden Richtung<br />
Wangerooge bringt. Ausfahrt aus Carolinensiel, Juli <strong>1975</strong><br />
Jürgen A. Bock<br />
unter der Nummer 905 noch eine richtige<br />
schmalspurige „Festlands-Kleinbahn“ im<br />
Kursbuch finden: Von Amstetten an der<br />
Hauptbahn Stuttgart – Ulm fuhren meterspurige<br />
Triebwagen nach Laichingen. Der<br />
Hintergrund: Hier fuhr die Württembergische<br />
Eisenbahn-Gesellschaft, eine Privatbahn,<br />
deren Züge mit im Kursbuch aufgeführt wurden.<br />
Mit sechs Zugpaaren war das Angebot<br />
gar nicht mal schlecht. Zwischen 40 und<br />
50 Minuten dauerte die 19 Kilometer lange<br />
Fahrt über die beschauliche Schwäbische Alb,<br />
inklusive vier regulären Halten und einem Bedarfshalt.<br />
Noch zehn Jahre sollte eine solche<br />
Fahrt möglich sein, bis am 31. August 1985<br />
der Personenverkehr und wenige Tage später<br />
der Güterverkehr eingestellt wurde. Heute<br />
verkehren auf dem Teilstück Amstetten – Oppingen<br />
Museumszüge mit Dampfloks oder<br />
Triebwagen.<br />
Strecke 10007<br />
Sande – Harle (– Wangerooge)<br />
Zum Abschluss noch ein Blick in den Norden,<br />
auf den Zubringer zur eben erwähnten<br />
Wangerooger Inselbahn. Dabei wies die Strecke<br />
Sande – Harle eine interessante Besonderheit<br />
auf: Die Züge verkehrten im Anschluss<br />
an die Schiffe zur Nordseeinsel<br />
Wangerooge, die in Harle anlanden. Dieser<br />
Schiffsverkehr ist von Ebbe und Flut abhängig,<br />
wobei sich die „Flut“ jeden Tag um etwa<br />
45 Minuten verschiebt. Die Schiffe verkehren<br />
im so genannten Tidefahrplan mit fast täglich<br />
wechselnden Fahrzeiten. Entsprechend wurde<br />
der Fahrplan der Anschlusszüge nach Sande<br />
auf den Schiffsfahrplan ausgerichtet; dies<br />
hatte zur Folge, dass auch die Züge nach Ebbe<br />
und Flut verkehrten. Man sprach hier deshalb<br />
von „Tidezügen“.<br />
Schiffe wie Zubringerzüge<br />
in Harle richteten<br />
sich nach Ebbe und Flut<br />
Den Fahrplan der Züge findet man deshalb<br />
nicht in einer „gewöhnlichen“ Streckentabelle<br />
mit dreistelliger Nummer, sondern<br />
zweckmäßigerweise integriert bei der Fahrplantabelle<br />
des Schiffsfahrplans. Dieser Fahrplan<br />
war im Kursbuch tagesscharf abgebildet<br />
und beanspruchte deshalb auch gleich vier<br />
Seiten nur im Sommerfahrplan. Im doppelt<br />
so langen Winterfahrplan reichten auch vier<br />
Seiten, da die Darstellung aufgrund der geringeren<br />
Bedienungsfrequenz komprimierter<br />
möglich war.<br />
Die Tabelle des Sommerfahrplans beginnt<br />
am 1. Juni <strong>1975</strong> und hier ist für die ersten drei<br />
Tage die Abfahrt des Zuges 7584 in Sande um<br />
16:21 Uhr verzeichnet. Das Anschluss-Schiff<br />
nach Wangerooge verkehrt ab Harle ebenfalls<br />
drei Tage lang unverändert um 17:40 Uhr, ungeachtet<br />
des sich verschiebenden Gezeitenwechsels.<br />
Am 4. Juni gibt es mit Zug 7580<br />
eine weitere Abfahrt um 07:42 Uhr in Sande<br />
mit Anschluss in Harle an ein Schiff um 08:45<br />
Uhr. Dieses Schiff verkehrt am 3. Juni noch<br />
um 07.40 Uhr und war offenbar für einen Anschlusszug<br />
zu früh. Der Nachmittagszug verkehrt<br />
am 4. Juni als 7586 erst um 18:14 Uhr<br />
ab Sande, rund zwei Stunden später als an den<br />
vorherigen drei Tagen. Das gleiche gilt für das<br />
Anschluss-Schiff um 19:30 Uhr ab Harle. Am<br />
5. Juni verschiebt sich die Abfahrt des Frühzuges<br />
auf 08:32 Uhr, während die Nachmittagsfahrt<br />
noch einmal gleich bleibt.<br />
So schiebt sich das ganze fort und am<br />
18. Juni ist man wieder bei der Abfahrt um<br />
16:21 Uhr, am Tag darauf wird wieder um<br />
18:14 Uhr gefahren. Es wurde also versucht,<br />
bestimmte, sich wiederholende Fahrpläne mit<br />
gleichen Zugnummern einzuhalten, die dann<br />
intern mit entsprechenden Verkehrstageregelungen<br />
versehen wurden. Für die Gegenrichtung<br />
gilt das analog. Dadurch konnten in<br />
Sande in der Regel auch gute Anschlüsse von<br />
und nach Bremen hergestellt werden. Die<br />
meisten der Tidezüge verkehrten durchgehend<br />
von/nach Wilhelmshaven, in der Tabelle<br />
an der geraden Darstellung in der Anschlussspalte<br />
erkennbar. Auf eine zusätzliche<br />
Darstellung in der Streckentabelle 215 wurde<br />
aber aus den bereits erwähnten Übersichtlichkeitsgründen<br />
verzichtet.<br />
Insgesamt verkehrten ein bis zwei Züge<br />
pro Tag. Im Herbst – hier ab 22. September<br />
<strong>1975</strong> – wurde der Zugverkehr eingestellt und<br />
es verkehrten Busse zwischen Sande und Harle.<br />
Dieser Busverkehr bestand schließlich über<br />
die ganze Winterfahrplanperiode, wo nur<br />
zwischen Sande und Jever an einzelnen Tagen<br />
Züge verkehrten. Mitte April 1976 verkehrten<br />
wieder Züge an bestimmten Tagen, wohl<br />
aufgrund des höheren Verkehrsaufkommens<br />
an Ostern – ansonsten überwog weiterhin der<br />
Busverkehr. Erst ab Mitte Mai 1976 setzte<br />
wieder der Zugverkehr im vollen Umfang mit<br />
ein bis zwei Zugpaaren je Tag ein.<br />
Das Ende für den Verkehr zwischen Sande<br />
und Harle kam am 27. September 1987.<br />
An diesem Tag verkehrte zum letzten Mal ein<br />
Tidezug auf der Strecke. Ein Jahr später wurde<br />
auch der Güterverkehr eingestellt und die<br />
Strecke stillgelegt, bald darauf wurde sie abgebaut.<br />
Den Zubringerdienst leisten heute<br />
ausschließlich Busse, die so genannten Inselhopper,<br />
die auch einen Anhänger für das Gepäck<br />
mitführen.<br />
Josef Mauerer/Ulrich Rockelmann/<br />
Martin Weltner/Georg Müller<br />
Vier Seiten nehmen<br />
die „Tidezüge“<br />
Sande – Harle mit<br />
Anschluss zu den<br />
Schiffen nach<br />
Wangerooge im<br />
Sommerkursbuch<br />
<strong>1975</strong> ein. Der Zugfahrplan<br />
verschiebt<br />
sich gemäß den<br />
variierenden Gezeiten<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
34
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Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Als „Fehmarn-Express“ setzt die <strong>Bundesbahn</strong> einen Eil- bzw. D-Zug ein, der als Leerzug von<br />
Puttgarden nach Burg kommt, dann für Reisende von Burg nach Puttgarden und weiter nach<br />
Süden fährt. Im Bild der Leerzug von Puttgarden in der Kurve nach Burg (1976) Dr. Rolf Brüning<br />
Der Betrieb auf der Vogelfluglinie (KBS 140)<br />
Vor allem<br />
Fernverkehr<br />
Seit Eröffnung der Vogelfluglinie 1963 hat die <strong>Bundesbahn</strong> den<br />
Nahverkehr auf der Strecke Lübeck – Puttgarden spürbar verringert.<br />
Die Fernreisezüge haben Vorrang. Dies und einige betriebliche<br />
Besonderheiten machen das Zugangebot des Jahres <strong>1975</strong> aus<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
Beim Blick auf die Tabelle der Kursbuchstrecke<br />
140 fallen im nördlichen<br />
Teil sofort die vielen Buskurse auf, und<br />
ebenso die Wellenlinien bei den überregionalen<br />
Zügen. Die Strecke, die einst nur lokale<br />
Bedeutung hatte, wurde Anfang bis Mitte der<br />
50er-Jahre für den Fernverkehr nach Skandinavien<br />
optimiert, zunächst zum Fährhafen<br />
Großenbrode. Damit verbunden war der Bau<br />
von Umgehungskurven bei Neustadt (Holst)<br />
und Lütjenbrode sowie eine Erhöhung der<br />
Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h. 1963<br />
wurde die Verbindung nach Puttgarden in Betrieb<br />
genommen und der Fährverkehr nach<br />
Rodby eröffnet. Burg (Fehmarn) wurde durch<br />
ein Gleisdreieck angeschlossen. Nun firmierte<br />
die Route offiziell als „Vogelfluglinie“.<br />
Im Jahr <strong>1975</strong> rollen auf der Kursbuchstrecke<br />
140 Hamburg – Lübeck – Puttgarden<br />
13 Fernreisezüge gen Norden, ein weiterer<br />
kommt ab Lübeck dazu. Star des Angebots ist<br />
– zumindest auf dem Papier – TEE 35 „Merkur“<br />
Stuttgart – Hamburg – Kopenhagen. Eine<br />
Diesellok 221 und einige wenige 1.-Klasse-Wagen<br />
genügen allerdings für das Fahrgastaufkommen.<br />
Größeren Umfang haben die meisten<br />
D-Züge, unter denen sich attraktive<br />
internationale Zugläufe versammeln. Zu ihnen<br />
zählen D 280 „Alpen-Express“ Rom – München<br />
– Hamburg – Kopenhagen, D 231 „Holland-Skandinavien-Express“<br />
Hoek van Holland<br />
– Kopenhagen, D 270 „Italia-Express“ Rom –<br />
Frankfurt (Main) – Hamburg – Kopenhagen,<br />
D 398 „Hamburg-Express“ Hamburg – Kopenhagen<br />
– Stockholm oder D 371 „Schweiz-<br />
Express“ Chur – Hamburg – Kopenhagen.<br />
Nahverkehrszüge gibt es im nennenswerten<br />
Umfang nur auf dem Streckenabschnitt zwischen<br />
Neustadt (Holst) und Lübeck – und natürlich<br />
weiter südlich bis Hamburg. Nördlich<br />
von Neustadt hat die DB den Schienenpersonennahverkehr,<br />
der 1963 noch recht umfangreich<br />
war, bis Ende der 60er-Jahre fast vollkommen<br />
eingestellt. Die Bedienung des dünn<br />
besiedelten Gebietes geschieht seitdem ausschließlich<br />
durch Busse. Neben den Fernreisezügen<br />
nach Dänemark verkehren noch einzelne<br />
Eilzüge, die Stationen wie Oldenburg,<br />
Großenbrode, Burg und auch Heiligenhafen<br />
bedienen. Interessant ist noch, dass zwischen<br />
Hamburg und Lübeck einige Eilzüge, D-Züge<br />
sowie ein DC-Zug als „Hansa-City“ laufen; sie<br />
sind damit in das IC-Zubringersystem der<br />
DCity-Züge eingebunden.<br />
Beispielzug E 3121<br />
Einer der Eilzüge auf der Vogelfluglinie ist<br />
E 3121, der Puttgarden um 06:21 Uhr verlässt<br />
und einige aufwendige „Manöver“ durchläuft.<br />
Zunächst fährt er über das Gleisdreieck Burg<br />
(Fehmarn) an, wo er „Kopf machen“ muss. Die<br />
Abfahrt geschieht um 06:32 Uhr und über die<br />
südliche Verbindung des Gleisdreiecks fährt er<br />
Eine Reihe namhafter D-Züge nimmt den Weg über<br />
die Vogelfluglinie nach Skandinavien<br />
wieder auf die Hauptstrecke. Nach einem weiteren<br />
Halt in Großenbrode befährt er bei der<br />
Abzweigung Lütjenbrode Ost erneut ein Gleisdreieck<br />
und hält dann in Lütjenbrode. Anschließend<br />
geht es zum Endbahnhof Heiligenhafen,<br />
wo der Zug nochmals die Fahrtrichtung<br />
36
Vogelfluglinie<br />
Von Rang und Namen her ist der Trans-Europ-Express „Merkur“ Mitte der 70er-Jahre der glanzvollste Zug auf der Vogelfluglinie. Im August 1976<br />
holt eine 221 in Puttgarden die Wagen des TEE 34 Kopenhagen – Hamburg – Stuttgart mithilfe eines Zwischenwagens von der Fähre Dr. Rolf Brüning<br />
wechselt. Der Aufenthalt dort dauert von 06:53<br />
Uhr bis 07:01 Uhr. Die Fahrt geht danach ein<br />
weiteres Mal südwärts nach Lütjenbrode und<br />
über den Abzweig Lütjenbrode Süd wird wieder<br />
die Hauptstrecke erreicht.<br />
Nach Bedienung der Zwischenhalte Oldenburg<br />
und Lensahn trifft der Zug in Neustadt<br />
(Holst) ein, wo sich ebenfalls ein Kopfbahnhof<br />
befindet. Doch hier gibt es kein<br />
Gleisdreieck (mehr) wie in Burg oder Lütjenbrode,<br />
da die Kurve in Richtung Norden Ende<br />
der 60er-Jahre abgebaut wurde. Deshalb muss<br />
der Zug in Neustadt (Holst) Güterbahnhof<br />
(Gbf) einen Betriebshalt einlegen und dort<br />
wenden, um nach Neustadt Personenbahnhof<br />
(Pbf) zu gelangen. Dort hat er abermals einen<br />
Wendehalt von vier Minuten und setzt<br />
dann die Fahrt nach Lübeck fort, jetzt ohne<br />
weitere Besonderheiten.<br />
E 3121 ist <strong>1975</strong> der einzige Zug, der Heiligenhafen<br />
noch bedient. Einen weiteren Eilzug<br />
(E 3075) gibt es noch nachmittags ab<br />
Puttgarden, dieser fährt aber ohne Umwege<br />
nach Hamburg mit Ausnahme von Neustadt<br />
– dieser Halt ist für einen Eilzug obligatorisch.<br />
In der Gegenrichtung verkehren ebenfalls zwei<br />
Eilzüge bis Puttgarden, aber keiner von ihnen<br />
fährt Heiligenhafen an.<br />
Beispielzug „Fehmarn-Express“<br />
Ein weiterer interessanter Zug ist E 1840 (ab<br />
Lübeck: D 1840) „Fehmarn-Express“. Ihn hat<br />
die DB speziell zur Bedienung<br />
der Ferienziele in<br />
Ostholstein eingelegt,<br />
wobei er ursprünglich<br />
in Neustadt<br />
(Holst) endete.<br />
1964 wurde er<br />
verlängert bis<br />
Puttgarden, um<br />
auch Fehmarn<br />
miteinzubeziehen<br />
(seinerzeit<br />
D 409/410), 1966<br />
gab es erstmals die<br />
Verbindung nach Burg, die aber noch als<br />
Kurswagen ausgewiesen wurde. 1968 wurde<br />
schließlich der Zuglauf bis/ab Burg geführt.<br />
Im Kursbuch vom Sommer <strong>1975</strong> verkehrt er<br />
bis Lübeck als zuschlagfreier Eilzug, ab Lübeck<br />
schließlich als D-Zug. Diese Abstufung ist damals<br />
bei vielen derartigen Zügen noch üblich<br />
und wird 1983 generell abgeschafft werden.<br />
Entgegen der üblichen Reihenfolge in der<br />
Tabelle startet der Zug in Burg (11:19 Uhr).<br />
Dazu fahren vier Wagen als Leerreisezug<br />
Lr 31840 zunächst von Puttgarden nach Burg.<br />
Nach Umfahren mit dem Triebfahrzeug startet<br />
E 1840 seinen definitiven Zuglauf und<br />
kehrt zurück nach Puttgarden. Dort wird der<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
37
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
OBEN LINKS Auszug<br />
aus einem Buchfahrplan<br />
von 1976, der<br />
fast identisch ist mit<br />
dem Fahrplan von<br />
<strong>1975</strong>: Links der<br />
Fahrplan für Ea 3840<br />
von Burg bis Puttgarden;<br />
er ist für<br />
eine 260 berechnet,<br />
diese muss aber<br />
nicht Zuglok sein.<br />
Rechts ein Auszug<br />
aus dem weiteren<br />
Fahrtverlauf bis Bad<br />
Schwartau mit einer<br />
Minute (!) Wendehalt<br />
in Neustadt Gbf<br />
Slg. Josef Mauerer (2)<br />
RECHTS Der Fernverkehr<br />
dominiert den<br />
Zugbetrieb auf der<br />
Strecke Lübeck –<br />
Puttgarden. Mit einem<br />
D-Zug am Haken<br />
rollt 221 128 im<br />
Sommer 1976 aus<br />
dem Fährbahnhof<br />
Puttgarden aus<br />
Dr. Rolf Brüning<br />
LINKS Der E/D 1840<br />
im Zugbildungsplan<br />
von <strong>1975</strong>. Ab Burg<br />
führte er vier Wagen,<br />
ab Puttgarden in der<br />
Hauptsaison bis zu<br />
elf Wagen; zwei davon<br />
waren Nahverkehrswagen<br />
Bnr, die<br />
in der verkehrsstarken<br />
Reisezeit vom<br />
16. Juli bis 31. August<br />
zum Einsatz kamen.<br />
In Lübeck wurden<br />
noch drei Wagen<br />
Kiel – Köln beigestellt.<br />
Den gastronomischen<br />
Service<br />
übernahm ein Halbspeisewagen<br />
BRbum<br />
In Neustadt (Holst) ist das gleiche Manöver<br />
durchzuführen wie bei E 3121, doch handelt<br />
es sich bei E/D 1840 nicht um einen<br />
Wendezug. In einem Buchfahrplan von 1976<br />
(fast identisch mit <strong>1975</strong>) kann der Ablauf<br />
nachverfolgt werden: In nur einer (!) Minute<br />
wird der Wendehalt in Neustadt Gbf durchgeführt!<br />
Sicher stand dafür ein Bediensteter<br />
während der Fahrt am Zugschluss bereit. Der<br />
nächste öffentliche Wendehalt in Neustadt<br />
Pbf beträgt drei Minuten. Ab Lübeck benutzt<br />
D 1840 die Strecke über Büchen nach Lüneburg,<br />
ab dort geht es elektrisch weiter. Der<br />
Laufweg des Zuges führt über Hannover nach<br />
Köln – durch die Führung über Lehrte ist in<br />
Hannover Hauptbahnhof kein Kopf machen<br />
erforderlich. Zur Entlastung des „Fehmarn-<br />
Express“ gibt es drei Stunden früher mit dem<br />
saisonalen E 1842 nach Mönchengladbach einen<br />
vergleichbaren Zug, der aber Burg nicht<br />
bedient. Im Buchfahrplanauszug von 1976<br />
sind beide Züge nebeneinander dargestellt.<br />
Mit vier Wagen bedient der „Fehmarn-Express“<br />
Burg, mit elf Wagen geht es ab Puttgarden weiter<br />
komplette Zug zusammengestellt (bis zu elf<br />
Wagen in der Hauptsaison) und tritt dann die<br />
Reise nach Köln an, nun vorbei am Gleisdreieck<br />
Burg. Eine Lösung wie bei E 3121 dürfte<br />
wegen der nicht ausreichenden Bahnsteiglänge<br />
in Burg nicht möglich gewesen sein.<br />
Die Streckensituation auf der Insel Fehmarn<br />
und im Anschluss daran Slg. Konrad Rothzoll<br />
Die weitere Entwicklung<br />
E 3121 wird im Jahr 1976 nördlich von Oldenburg<br />
eingestellt; damit endet die Bedienung<br />
von Heiligenhafen. Der „Fehrmarn-Express“<br />
fährt bis einschließlich Sommer 1983<br />
von und nach Burg. Danach wird auch dieser<br />
Halt nicht mehr bedient. Den Zug selbst<br />
gibt es als IC 2220/2221 heute noch. Neu-<br />
38
Die Entwicklung nach <strong>1975</strong><br />
LINKS E 3121 ist im<br />
Sommer <strong>1975</strong> der<br />
einzige Zug, der noch<br />
Heiligenhafen bedient.<br />
Nach der Abfahrt<br />
in Burg um<br />
06:21 Uhr macht er<br />
bis Neustadt (Holst)<br />
nicht weniger als drei<br />
Mal Kopf<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
stadt (Holst) fährt er wegen des umständlichen<br />
Manövers aber nicht mehr an. Dafür bedient<br />
er seit 2011 wieder den neu gebauten Bahnsteig<br />
in Fehmarn-Burg, jedoch nicht Puttgarden.<br />
Bis einschließlich Sommerfahrplan 1992<br />
fuhr der Zug (damals als „Fern-Express“ – FD)<br />
über die KBS 145 Lüneburg – Büchen – Lü-<br />
beck, seitdem ist auch diese Strecke ohne Fernverkehr.<br />
Stichwort Fernverkehr: Dieser zeigt nicht<br />
mehr die Bandbreite von einst. Der Trans-<br />
Europ-Express „Merkur“ wurde 1978 zum Intercity<br />
mit 1. und 2. Klasse. Ab 1987 fuhren<br />
er und andere Züge als EuroCity, die 1991<br />
weitgehend vertaktet wurden. Die D-Züge<br />
und lokbespannten EuroCitys verschwanden<br />
bis Juni 1997; mit den ICE/EC-Zügen Hamburg<br />
– Kopenhagen (– Berlin) gibt es heute<br />
eine vertaktete Verbindung Deutschland –<br />
Dänemark, die aus fünf bis sechs Zugpaaren<br />
am Tag besteht. Josef Mauerer/GM<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
39
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Schienenbusse tragen <strong>1975</strong> die Hauptlast des Zugverkehrs Passau – Freyung. Eine Garnitur aus Triebwagen 798<br />
und Beiwagen 998 trifft in Waldkirchen ein<br />
Jürgen A. Bock<br />
Die Nebenbahn Passau – Freyung (KBS 877)<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
Tief in den Wald hinein ...<br />
Von Passau mit der Bahn ins 50 Kilometer entfernte Freyung – das klingt schon nach Urlaub im<br />
Bayerischen Wald. <strong>1975</strong> wurde diese als Ilztalbahn bekannte Strecke von der DB mit Reiseund<br />
Güterzügen bedient. Wobei Reisezug meist einen Schienenbus meinte, aber nicht nur ...<br />
Die große Zeit der Nebenbahn von Passau<br />
über Kalteneck und Waldkirchen<br />
in den Bayerischen Wald nach Freyung<br />
war <strong>1975</strong> bereits vorüber. Die DB hatte den<br />
Personenverkehr auf der Verbindungsbahn<br />
von Kalteneck nach Deggendorf und auf der<br />
Stichstrecke von Waldkirchen nach Handmühle<br />
bereits eingestellt. Auch Dampfloks<br />
waren dort Geschichte: Keine Passauer 64<br />
oder 86 dampfte mehr ins 636 Meter über<br />
dem Meeresspiegel gelegene Freyung, den zugleich<br />
höchsten Punkt der Strecke.<br />
Fünf Zugpaare im Einsatz<br />
Aber immerhin: Die im Kursbuch unter der<br />
Nummer 877 geführte Verbindung hatte die<br />
bisherigen Stilllegungswellen bei der <strong>Bundesbahn</strong><br />
überstanden. Der Bahnbus trug inzwischen<br />
die Hauptlast des Verkehrs, an Sonnund<br />
Feiertagen sogar ausschließlich. Andererseits<br />
gab es im Sommer <strong>1975</strong> montags bis freitags<br />
noch fünf werktägliche Zugpaare, samstags<br />
deren drei – wenngleich nicht alle auf der<br />
gesamten Strecke. Im Vergleich zu manch an-<br />
40
Nebenbahn Passau – Freyung<br />
Das Kontrastprogramm: Eine 212 und eine gemischte Wagengarnitur bilden den nachmittäglichen Zug 7410. Auf dem Weg<br />
von Passau nach Freyung erreicht er soeben Waldkirchen<br />
Jürgen A. Bock<br />
derer Nebenbahn im <strong>Bundesbahn</strong>-Netz war<br />
das aber noch ein halbwegs gutes Angebot.<br />
Wie sah die Bedienung der Strecke seinerzeit<br />
aus? Überwiegend dieselten Schienenbusse<br />
der Baureihe 798 mit Beiwagen 998 durch<br />
das malerische Ilztal; daneben gab es aber auch<br />
das Reisezugpaar 7403/7410, geführt von einer<br />
212-Diesellok und auf der gesamten Strecke<br />
unterwegs. Fast anderthalb Stunden<br />
brauchte die V 100 für die exakt 49,5 Kilometer<br />
nach Freyung, neun reguläre Halte und<br />
ein Bedarfshalt inbegriffen. Neben dem Zugpaar<br />
7403/7410 erreichten zwei weitere, aus<br />
Schienenbussen zusammengestellte Zugpaare<br />
den Endbahnhof Freyung. Die beiden Zugpaare,<br />
die in den Morgenstunden bzw. vormittags<br />
verkehrten, beschränkten die Fahrt<br />
dagegen auf den Abschnitt zwischen Passau<br />
Das Zugangebot Passau – Freyung im Sommer <strong>1975</strong><br />
Fast eineinhalb Stunden war die 212-Diesellok auf<br />
den 49,5 Kilometern nach Freyung unterwegs<br />
und Waldkirchen, den bedeutendsten Zwischenbahnhof<br />
der Ilztalbahn; sie waren vorrangig<br />
auf den Schüler- und Berufsverkehr<br />
ausgerichtet.<br />
Der einst recht rege Güterverkehr war<br />
schon deutlich zurückgegangen. Hauptkunden<br />
waren eine Zahnradfabrik unweit von Passau,<br />
die Bundeswehr in Freyung sowie der<br />
Wohnwagenhersteller Knaus in Jandelsbrunn<br />
an der Zweigstrecke nach Haidmühle.<br />
Die weitere Entwicklung<br />
Mit der Einführung der Alpen-See-Express-<br />
Ferienzüge wurde die Nebenbahn vom Sommer<br />
1979 an kurzzeitig noch einmal aufgewertet.<br />
Ein ehemaliger TEE-Triebzug der<br />
Baureihe 601 verkehrte planmäßig von Dortmund<br />
bis nach Freyung. Schon im Folgejahr<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
war damit Schluss, und am 30. April 1982,<br />
noch vor Beginn des Sommerfahrplans, wurde<br />
der Reisezugverkehr auf der Ilztalbahn eingestellt.<br />
Als im Jahre 2001 auch der Güterverkehr<br />
zwischen Passau und Freyung eingestellt wurde<br />
und das Augusthochwasser 2002 die Strecke<br />
an mehreren Stellen beschädigte, schien<br />
das Schicksal der Ilztalbahn besiegelt. Wie vielerorts<br />
sollten die Gleise entfernt werden. Anliegergemeinden<br />
planten, auf der Trasse einen<br />
Radweg zu errichten. Doch sie trafen auf<br />
Widerstand: Engagierte Eisenbahnfreunde<br />
kämpften um den Erhalt der Strecke und setzten<br />
sich für eine Wiederaufnahme des Zugverkehrs<br />
in saisonaler Form ein. Mit Erfolg:<br />
Seit Juli 2011 wird die Gesamtstrecke durch<br />
die Ilztalbahn GmbH an Wochenenden von<br />
Reisezügen befahren – planmäßig von einem<br />
angemieteten RegioShuttle, gelegentlich aber<br />
auch von einem Schienenbus der Passauer Eisenbahnfreunde,<br />
sozusagen auf den Spuren<br />
der roten Brummer einstmals bei der <strong>Bundesbahn</strong>.<br />
Martin Weltner/GM<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013 41
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Der Betrieb auf der Nord-Süd-Strecke (KBS 250)<br />
Vielfalt garantiert<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
Sie ist eine der großen Verkehrsadern der <strong>Bundesbahn</strong>. Über die Nord-Süd-<br />
Strecke Hannover – Göttingen – Bebra/– Kassel rollen die Fernzüge Richtung<br />
Frankfurt und Würzburg. Im Sommer <strong>1975</strong> hat das Angebot kaum an Reichhaltigkeit<br />
eingebüßt, selbst wenn sich einige Negativtrends zeigen<br />
42
Nord-Süd-Strecke<br />
OBEN Eine beeindruckende<br />
Dichte an<br />
Nachtzügen ist auf<br />
der Strecke Kassel –/<br />
Bebra – Hannover versammelt.<br />
Der Auszug<br />
zeigt den Zug verkehr<br />
in den Morgenstunden<br />
in Süd-Nord-Richtung<br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
LINKS Nahezu rund<br />
um die Uhr rollen die<br />
Züge auf der Nord-Süd-<br />
Strecke Hannover –<br />
Kassel/– Bebra. Die<br />
Intercity- und TEE-<br />
Züge mit der Ellok-<br />
Baureihe 103 gehören<br />
dabei zum Besten, was<br />
die <strong>Bundesbahn</strong> zu bieten<br />
hat (Foto auf der<br />
Brücke in Oberrieden)<br />
Wolf-Dietmar Loos<br />
Keine Frage, in der Liste der <strong>Bundesbahn</strong>-Magistralen<br />
hat die Strecke Hannover<br />
– Göttingen – Bebra/– Kassel ihren<br />
sicheren Platz. Das Verkehrsaufkommen<br />
ist stattlich, das zeigt auch das Kursbuch: Die<br />
Fahrplantabellen nehmen sage und schreibe<br />
14 Seiten ein, sieben für die Nord-Süd-, sieben<br />
für die Gegenrichtung. Dagegen täuscht<br />
die Nummerierung etwas über die Bedeutung<br />
hinweg. Die Nord-Süd-Strecke ist zwischen<br />
Hannover und Bebra als Kursbuchstrecke<br />
(KBS) 250 geführt, dabei stünde ihr durchaus<br />
eine „glatte 100er-Nummer“ zu. Bei der Tabellenneuordnung<br />
von 1972 konnte jedoch<br />
für diesen Abschnitt kein voller 100er-Block<br />
berücksichtigt werden, da die Nummern 200<br />
und 300 wohl auch aufgrund der geographischen<br />
Zuordnung besser zu den dann verwendeten<br />
Strecken passten (200: Hannover –<br />
Hamm; 300: Köln –Hamm). Ihre Fortsetzung<br />
findet die KBS 250 südlich von Bebra in den<br />
Nummern 500 (Kassel – Frankfurt/– Gemünden)<br />
und 800 (Frankfurt – Nürnberg). In<br />
der Anschlussspalte der Fahrplantabellen sind<br />
die wichtigsten Zielorte schon dargestellt, so<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013 43
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
dass man auch hier erkennen kann, wann die<br />
Züge (oder Anschlusszüge) in Frankfurt,<br />
München oder Basel ankommen.<br />
LINKS OBEN Zwei der<br />
vier IC-Linien laufen<br />
über die KBS 250 (IC-<br />
Durchfahrt im Bahnhof<br />
Friedland). Hohe<br />
Geschwindigkeiten erreichen<br />
die Fernzüge<br />
dabei kaum, deshalb<br />
baut die <strong>Bundesbahn</strong><br />
an einer neuen Strecke.<br />
Diese geht aber<br />
erst ab den späten<br />
80er-Jahren in Betrieb<br />
Wolf-Dietmar Loos<br />
LINKS MITTE Als „rotblauen“<br />
Zug muss<br />
man sich den „Komet“<br />
vorstellen gemäß der<br />
<strong>1975</strong> üb lichen Farbgebung<br />
der Schlaf- und<br />
Liegewagen (Auszug<br />
aus dem Zugbildungsplan).<br />
Zum Autotransport<br />
führt der Zug<br />
noch einen gedeckten<br />
Autotransportwagen<br />
MDDm nach Chiasso.<br />
Einen solchen besitzt<br />
er seit der Anfangszeit<br />
1958; <strong>1975</strong> ist dies<br />
schon eine exo tische<br />
Erscheinung<br />
Slg. Josef Mauerer<br />
Nachtzüge nach Mitternacht<br />
Konkret zur KBS 250: Auf der ersten Seite fällt<br />
gleich das umfangreiche Nachtzugangebot<br />
auf. Dabei handelt es sich noch nicht einmal<br />
um die gesamte Palette, sondern „nur“ um die<br />
Nachtzüge, die Hannover nach 0 Uhr verlassen.<br />
Die Betriebsamkeit ist nichtsdestotrotz<br />
beachtlich. Zunächst fährt um 00:05 Uhr<br />
D 471 „Komet“ ab. Der Zugname ist Kennern<br />
ein Begriff, kam dieser Zug doch erstmals<br />
1954 als Glieder-Triebzug zwischen Hamburg<br />
und Basel – Zürich ins Laufen. Dieser Triebzug<br />
wurde 1958 aus dem Verkehr gezogen, geblieben<br />
ist bis in die 70er-Jahre der Status als<br />
reiner Schlaf- und Liegewagenzug. Da hier<br />
ständiges Ein- und Aussteigen unerwünscht<br />
ist, bedient der Zug auch nur wenig Zwischenhalte,<br />
selbst in der Universitätsstadt Göttingen<br />
fährt er durch. Der nächste Halt ist um<br />
03:26 Uhr in Frankfurt Süd, in der Anschlussspalte<br />
noch erkennbar.<br />
Neun Minuten später, um 00:14 Uhr, fährt<br />
in Hannover Hbf D 281 „Alpen-Express“ ab.<br />
Er hat den Zuglauf Kopenhagen – Rom; dieser<br />
entstand 1952 bis 1954 durch Zusammenschluss<br />
eines Nachtzuges München –<br />
Hamburg und eines Tageszuges München –<br />
Rom. Zwischen Kopenhagen und Rom laufen<br />
Sieben Züge in 40 Minuten: Das ist das Nachtzug -<br />
angebot nach 00:00 Uhr in Hannover Hbf<br />
<strong>1975</strong> noch zwei Wagen sowie weitere ein bis<br />
zwei ab Puttgarden. Ansonsten ist es eine<br />
Nachtverbindung Hamburg – München, aus<br />
der 1981 ein reiner Schlaf- und Liegewagenzug<br />
Hamburg – München ähnlich dem „Komet“<br />
wird. Der „Alpen-Express“ verkehrt ab<br />
1981 nur noch zwischen München und Rom.<br />
Der Flugverkehr beginnt diesen langen Relationen<br />
seinerzeit den Rang abzulaufen.<br />
Nach weiteren sechs Minuten, um 00:20<br />
Uhr, macht sich D 599 Kiel – Lindau in Hannover<br />
Hbf auf den Weg. Bis Barnten kennzeichnet<br />
ihn eine Wellenlinie, die besagt, dass<br />
der Zug über eine andere Strecke fährt. In der<br />
Anschlussspalte von Nordstemmen sieht man<br />
es auch gleich: Der Zug fährt von Hannover<br />
nach Hildesheim und kommt in Nordstemmen<br />
auf die Nord-Süd-Strecke. Die Fortsetzung<br />
folgt einige Spalten weiter rechts, weil der<br />
Umweg einen gewissen Zeitverlust verursacht.<br />
Ab Eichenberg nimmt der Zug schließlich den<br />
Weg nach Kassel, von wo er über die Main-<br />
Weser-Bahn via Marburg und Gießen nach<br />
Frankfurt fährt. Der weitere Weg führt über<br />
Heidelberg – Stuttgart – Ulm nach Lindau.<br />
Nochmals zwölf Minuten später, um 00:32<br />
Uhr, folgt D 597, damals noch eine Nachtverbindung<br />
Hamburg – Stuttgart über Würzburg.<br />
Um 00:36 Uhr schließt sich D 1685 von Norddeich<br />
nach München an. Die vierstellige Zugnummer<br />
sagt: Er verkehrt nur saisonal; die Wellenlinie<br />
links weist auf eine Verkehrszeitund/oder<br />
Verkehrstagebeschränkung hin und der<br />
Buchstabe „N“ erläutert diese. Auch D 1685<br />
nimmt – wie D 599 – den Weg über Hildesheim.<br />
Um 00:39 Uhr nimmt auch D 473 den<br />
Weg nach Süden, eine weitere Verbindung<br />
Hamburg – Basel. Wenn die Zeiger bei 00:44<br />
Uhr stehen, verlässt D 1485 „Tirol-Express“<br />
von Kopenhagen nach Innsbruck Hannover<br />
Hbf. Dieser Zug verkehrt während der gesamten<br />
Sommerfahrplanperiode täglich, nicht<br />
aber im Winterfahrplan. Deshalb hat er ebenfalls<br />
eine vierstellige Zugnummer; sonst sind<br />
keine Einschränkungen dargestellt, da es ja für<br />
die Winterfahrplanperiode eine eigene Kursbuchausgabe<br />
gibt.<br />
Die frühen Morgenstunden ...<br />
Damit findet die große Betriebsamkeit nach<br />
Mitternacht langsam ihr Ende. Es gibt eine<br />
größere „Pause“ bis 01:26 Uhr, wenn D 299<br />
„Kärnten-Express“ in Hannover abfährt. Bei<br />
dem Zug handelt es sich um eine weitere<br />
Standard-Nachtverbindung zwischen Hamburg<br />
und München; nur in der Sommerfahrplanperiode<br />
verkehrt er bis Klagenfurt. Nach<br />
weiteren 46 Minuten, um 02:12 Uhr, rollt<br />
D 677 Wilhelmshaven – Frankfurt aus, dessen<br />
Laufweg eine eher kurze Strecke für einen<br />
Nachtzug darstellt. Bei diesem Zug gibt es<br />
auch keine Schlafwagen, nur einen Liegewagen,<br />
der bereits von Westerland kommt.<br />
Kurz nach D 677 kann man noch D 575<br />
sehen, der um 02:23 Uhr ausfährt und den<br />
Laufweg Westerland – Hamburg – Basel hat;<br />
er ist bereits die dritte Nachtverbindung zwischen<br />
Hamburg und Basel. Zwischen Westerland<br />
und Hamburg verkehrt er saisoniert. Der<br />
Zug ist bis Kassel mit einer Wellenlinie dargestellt,<br />
denn er nimmt die als Entlastung für<br />
die Nord-Süd-Strecke dienende Route über<br />
Hameln – Altenbeken – Warburg.<br />
D 575 hat eine interessante Geschichte:<br />
Schon 1949 verkehrte er als D 476/475 mit<br />
dem Zuglauf Kiel – Frankfurt, noch über Bebra.<br />
1951 hatte er den Zuglauf Hamburg –<br />
Basel, ab 1954 fuhr er saisonal ab Westerland.<br />
Vor der Elektrifizierung der Nord-Süd-Strecke<br />
im Jahr 1963/64 verkehrte er dort als D 476<br />
bis Göttingen und nahm anschließend den<br />
44
Nachtzüge und Nahverkehr<br />
Gegenüber dem dichten Fernverkehr spielen der Güter- und der Nahverkehr nur eine nachgeordnete Rolle. Eine 141 rollt mit ihrem Nahverkehrszug<br />
Richtung Göttingen in den Bahnhof Friedland ein<br />
Wolf-Dietmar Loos<br />
Weg über Dransfeld nach Hannoversch Münden<br />
und weiter nach Kassel. Diese Route wurde<br />
damals nur in Nord-Süd-Richtung genutzt;<br />
der Gegenzug D 475 fuhr deshalb über Eichenberg<br />
(KBS 1959).<br />
Erst 1972 hat man ihn und ein weiteres Tageszugpaar,<br />
D 579/578, zur Entlastung der<br />
Nord-Süd-Strecke auf die Route über Altenbeken<br />
verlegt und dort verbleibt er bis 1982.<br />
Auf dieser Route legt er nur in Hameln einen<br />
Verkehrshalt ein. Altenbeken wird ohnehin<br />
auf der 1958 dort gebauten Kurve umfahren<br />
und auch in Warburg hält er nicht.<br />
Danach gibt es keine weiteren Nachtzüge<br />
mehr, nun haben die Güterzüge sprichwörtlich<br />
„freie Bahn“. Doch ist das noch nicht alles;<br />
weitere Nachtzüge fahren vor 24 Uhr/0<br />
Uhr ab Hannover, dazu später mehr.<br />
Nahverkehrs- und Eilzüge<br />
Nahverkehrszüge finden sich ab 5 Uhr schwerpunktmäßig<br />
auf dem dichter besiedelten Abschnitt<br />
Eichenberg – Hannoversch Münden –<br />
Kassel. Bemerkenswert ist an dem um 05:05<br />
Uhr ab Eichenberg fahrenden N 5501, dass er<br />
um diese Zeit auch sonntags verkehrt; damals<br />
nicht der übliche Standard.<br />
Zwischen Hannover und Nordstemmen<br />
gibt es den Hinweis „Gesamtverkehr siehe<br />
240“. Auf der KBS 250 sind also nur die Nahverkehrszüge<br />
dargestellt, die über Nordstemmen<br />
hinaus fahren. Um 05:25 Uhr fährt werktags<br />
der erste Nahverkehrszug ab Hannover<br />
(N 5541) in Richtung Göttingen. Das Besondere<br />
ist hier, dass er zwischen Elze und<br />
Göttingen als Eilzug unterwegs ist, im Kursbuch<br />
erkennbar an der fetten Schrift und dem<br />
Hinweis in der Fußnote [9]. Das gleiche gilt<br />
für N 5361 (06:45 Uhr ab Hannover mit längerem<br />
Aufenthalt in Nordstemmen, wo er von<br />
IC 173 und D 571 überholt wird) und für alle<br />
weiteren Nahverkehrszüge auf diesem Streckenabschnitt.<br />
Das erstaunt zunächst, weil die<br />
Züge doch überall halten! Wieso die Einstufung<br />
als „Eilzug“? Die Erklärung dafür liegt in<br />
der Anordnung der Haltestellenabstände.<br />
Zwischen Hannover und Elze findet sich alle<br />
drei bis sechs Kilometer ein Halt (= durchschnittlich<br />
alle vier Kilometer), ab Elze betragen<br />
die Haltestellenabstände fast immer zehn<br />
Kilometer. Grund genug für die <strong>Bundesbahn</strong>direktion<br />
Hannover, diese Züge deshalb<br />
als Eilzüge einzustufen. Bis 1974/75 trugen<br />
diese Züge übrigens auf dem gesamten Laufweg<br />
die Bezeichnung „Nahschnellverkehrszug“,<br />
doch wird dieser Zugtyp <strong>1975</strong> generell<br />
abgeschafft.<br />
Ab Kreiensen finden sich in der Tabelle Eilzüge,<br />
die von Braunschweig (über Seesen)<br />
kommen und dann nach Göttingen, Kassel<br />
oder noch weiter fahren. Interessant ist hierbei<br />
E 2079, der Braunschweig laut Kursbuch<br />
(Anschlussspalte) um 06:17 Uhr verlassen hat.<br />
Er befährt dabei die KBS 235 (Wolfsburg –)<br />
Braunschweig – Kreiensen und in dieser Tabelle<br />
kann man ersehen, dass der Zug in Kreiensen<br />
um 07:14 Uhr ankommt. Vier Minuten<br />
Aufenthalt sind für einen Lokwechsel zu kurz,<br />
deshalb dürfte dieser – wenn überhaupt – in<br />
Göttingen stattgefunden haben. Der Zug<br />
fährt über die Main-Weser-Bahn weiter nach<br />
Frankfurt und beim „Kopf machen“ in Kassel<br />
Hbf ist auf jeden Fall ein (weiterer) Lokwechsel<br />
erforderlich.<br />
In Göttingen wird E 2079 überholt von<br />
IC 173 „Mercator“. Der Eilzug stellt sowohl<br />
zu diesem als auch von diesem einen Anschluss<br />
her; aufgrund letzterem trägt er zwischen Göttingen<br />
und Kassel die Bezeichnung „Kurhessen-City“.<br />
Diese Bezeichnung resultiert aus<br />
dem 1973 eingeführten City-D-Zug-System,<br />
bei dem neben ergänzenden DC-Zügen bereits<br />
bestehende D-Züge und Eilzüge auf kürzeren<br />
IC-Anschlussstrecken regional orientierte<br />
Bezeichnungen mit dem Zusatz „City“<br />
bekommen haben. Der Name „Kurhessen-<br />
City“ taucht deshalb noch mehrmals bei Eilzügen<br />
zwischen Göttingen und Kassel auf, so<br />
um 12:14 Uhr (E 3087) und 14:15 Uhr<br />
(E 2071), aber seltsamerweise nicht bei<br />
E 3081 um 20:14 Uhr, wo noch ein Anschluss<br />
aus IC 191 „Sachsenross“ hergestellt wird.<br />
Man kann diese Bezeichnungen lächerlich finden<br />
oder auch nicht – 1978 wird jedenfalls damit<br />
wieder „aufgeräumt“.<br />
Auswirkungen des „Sparfahrplans“<br />
Und noch ein weiterer Aspekt der aktuellen<br />
DB-Entwicklung schlägt sich im Zugangebot<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
45
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Kurzer Zug, eingeschränkte Verkehrszeit: Der DCity 942 „Schwälmerland“ steht symptomatisch<br />
für den langsamen Niedergang des als Intercity-Zubringer gedachten DCity-Systems. Wenige<br />
Jahre später wird die <strong>Bundesbahn</strong> ganz auf die Zuggattung verzichten Slg. Josef Mauerer<br />
der Nord-Süd-Strecke im Sommer <strong>1975</strong> nieder:<br />
der „Sparfahrplan“. E 3087/E 942 bieten<br />
gleich ein Beispiel dafür. Bis 1974/75 verkehrte<br />
im Anschluss an IC 175 „Otto Hahn“<br />
um 12:14 Uhr ab Göttingen DC 942 „Werraland“<br />
mit dem Zuglauf Göttingen – Siegen<br />
– Köln, und zwar jeweils montags bis freitags.<br />
<strong>1975</strong> hat die <strong>Bundesbahn</strong> die Verkehrstage<br />
(bedarfsgerecht) reduziert auf den Freitag; zudem<br />
ist DC 942 zwischen Göttingen und Kassel<br />
abgestuft zum Eilzug, damit er auf diesem<br />
Abschnitt auch mit Fahrkarten ohne D-Zug-<br />
Zuschlag benutzt werden kann (dieser Zuschlag<br />
ist damals noch erforderlich bei D-Zug-<br />
Fahrten bis 50 Kilometer Entfernung sowie<br />
bei bestimmten Zeitkarten). Ergänzend dazu<br />
hat die DB montags bis donnerstags E 3087<br />
eingelegt, damit zumindest bis Kassel die Bedienung<br />
Montag bis Freitag erhalten bleibt.<br />
Eine weitere DC-Verbindung verkehrt um<br />
18:27 Uhr ab Göttingen mit E 944 „Schwälmerland“<br />
nach Köln. Diese ist zwar noch für<br />
Montag bis Freitag erhalten, aber auch hier<br />
findet sich die Abstufung zum Eilzug, obwohl<br />
der Zug in Hannoversch Münden nicht hält.<br />
Darin zeigt sich auch der mittlerweile begonnene<br />
Niedergang des DC-Systems; bis 1978<br />
wird es wieder verschwunden sein.<br />
Auch als Triebwagen geführte Eilzüge (mit<br />
entsprechendem Symbol) erreichen von<br />
Braunschweig aus öfter Göttingen, zum Beispiel<br />
E 3061 um 08:08 Uhr, E 3065 um 12:02<br />
Uhr oder auch E 3075 um 17:23 Uhr. Alle<br />
diese Züge verkehren über Bad Harzburg –<br />
Seesen nach Kreiensen und benutzen dann die<br />
46
Betrieb auf der Nord-Süd-Strecke<br />
LINKS Drei Mal 103 in<br />
Hannover Hbf, drei<br />
verschiedene Züge,<br />
aber alle fahren über<br />
die KBS 250: Im Juni<br />
1976 stehen 103 109<br />
mit der „Füllleistung“<br />
E 2077 nach Frankfurt,<br />
103 215 mit<br />
IC 175 „Otto Hahn“<br />
nach Basel und<br />
103 207 mit IC 185<br />
„Nordwind“ nach<br />
München bereit<br />
Dietrich Bothe<br />
RECHTS OBEN Pause im<br />
Bahnbetriebswerk<br />
Northeim für Kleinlok<br />
311 229 und<br />
Diesellok 216 161<br />
(September <strong>1975</strong>)<br />
Jürgen A. Bock<br />
RECHTS UNTEN Ein<br />
Elektrotriebzug der<br />
Baureihe 403 und<br />
sonntags eine Lok-<br />
Wagen-Garnitur sind<br />
die Fahrzeuge für<br />
IC 189 „Hermes“ auf<br />
der IC-Linie 4 München<br />
– Bremen<br />
Slg. Josef Mauerer<br />
Nord-Süd-Strecke bis Göttingen. E 3075 hat<br />
bereits in Helmstedt seinen Ausgangspunkt.<br />
Die Intercity-Züge<br />
Große Bedeutung hat die Nord-Süd-Strecke<br />
für den IC-Verkehr, verlaufen zwischen Hannover<br />
und Flieden doch gleich zwei der insgesamt<br />
vier Linien: IC-Züge der Linien 3 und<br />
4 fahren alle zwei Stunden in jeweils zeitlich<br />
nahem Abstand zueinander, da in Hannover<br />
untereinander Systemanschlüsse bestehen. Die<br />
Züge der Linie 3 haben den Laufweg Hamburg<br />
– Basel und halten auf dem Abschnitt der<br />
KBS 250 in Hannover, Göttingen und dann<br />
erst wieder in Fulda; in Bebra fahren sie durch.<br />
Die Züge der Linie 4 wiederum fahren von<br />
Bremen nach München; sie machen nach<br />
Hannover in Göttingen und Bebra Station,<br />
haben aber keinen Halt in Fulda.<br />
Doch keine Regel ohne Ausnahme: IC 173<br />
„Mercator“, Hannover ab 07:00 Uhr, hat den<br />
Zuglauf Bremen – Basel, dafür hat der rund<br />
eine halbe Stunde später verkehrende IC 183<br />
„Riemenschneider“ den Zuglauf Hamburg –<br />
München. Aufgrund des größeren zeitlichen<br />
Abstandes gibt es hier auch keinen Systemanschluss<br />
in Hannover.<br />
Zwei Stunden später wird die Systematik<br />
gleich wieder durchbrochen: Der in das IC-<br />
System integrierte TEE 75 „Roland“ hat den<br />
Zuglauf Bremen – Basel – Milano, während<br />
TEE 91 „Blauer Enzian“ (seit jeher) von Hamburg<br />
nach München und dann weiter nach<br />
Klagenfurt fährt. Vormittags dominieren also<br />
schon die Direktverbindungen Hamburg –<br />
München, erst ab 11 Uhr wird die Liniensystematik<br />
eingehalten.<br />
Wichtig für den Fernverkehr: Zwei der vier Intercity-<br />
Linien laufen über die Nord-Süd-Strecke<br />
Ansonsten fällt auf: Bei den IC-Zügen der<br />
Linie 4 fehlt ab 11 Uhr das Symbol für Zugpostfunk<br />
und Schreibabteil, während es bei<br />
den Zügen der Linie 3 überall geführt wird<br />
mit Ausnahme der Tagesrandverbindung IC<br />
191 „Sachsenross“. Das ist wohl auch ein Indiz<br />
für die schwache Auslastung der IC-Züge<br />
der Linie 4, wo 1976 erstmals die 2. Klasse bei<br />
IC-Zügen eingeführt werden wird. Dazu ist zu<br />
bemerken, dass <strong>1975</strong> IC 185 „Nordwind“<br />
(Hannover ab 11:18 Uhr) mit einem Dieseltriebzug<br />
601 geführt wird, während IC 187<br />
„Albrecht Dürer“ (Hannover ab 15:16 Uhr)<br />
und IC 189 „Hermes“ (Hannover ab 17:27<br />
Uhr) mit den neuen Elektrotriebzügen 403<br />
verkehren. Bei IC 191 handelt es sich übrigens<br />
auch um einen 601. Schon 1972 hat man auf<br />
der KBS 250 bei den TEE- und IC-Zügen auf<br />
das Triebwagensymbol verzichtet, während es<br />
auf anderen Strecken auch <strong>1975</strong> bei den mit<br />
601 geführten Zügen teilweise noch zu finden<br />
ist. Bei den mit 403ern laufenden IC-Zügen<br />
kam das Triebwagensymbol nie zur Anwendung.<br />
Intern werden sie gleichwohl als „ICt“<br />
bezeichnet (siehe Auszug aus dem Zugbildungsplan).<br />
Insgesamt verkehren auf der Nord-Süd-<br />
Strecke im erwähnten Sommerfahrplan vier<br />
TEE- und neun IC-Züge, davon zwei plus<br />
fünf auf der Linie 3 sowie zwei plus vier auf der<br />
Linie 4.<br />
Bemerkenswerte Tageszüge<br />
Neben dem vertakteten Fernverkehr enthält<br />
der Sommerfahrplan der KBS 250 noch eine<br />
Reihe von D-Zügen und Eilzügen, von denen<br />
einige durchaus bemerkenswert sind. Beispielsweise<br />
verkehren tagsüber:<br />
D 371 „Schweiz-Express“ mit dem Laufweg<br />
Kopenhagen – Chur, Hannover Hbf ab<br />
07:58 Uhr, nächster Halt Kassel Hbf an 09:41<br />
Uhr. Der Zug ging 1960 aus dem „Basel-Express“<br />
hervor und führt unter anderem <strong>1975</strong><br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
47
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Der „Hispania-Express“ ist <strong>1975</strong> einer der großen Fernzüge im <strong>Bundesbahn</strong>-Zugsortiment.<br />
Auch wenn, genau genommen, nur zwei der zwölf Wagen den gesamten Laufweg von Hamburg<br />
nach Port Bou mitmachen<br />
Slg. Josef Mauerer<br />
noch durchlaufende Wagen Kopenhagen –<br />
Milano sowie Schlaf- und Liegewagen Kopenhagen<br />
– Frankfurt. Die entsprechenden<br />
Symbole sind in der Tabelle nicht dargestellt,<br />
weil eine Benutzung auf diesem Abschnitt<br />
nicht mehr in Frage kommt. An Samstagen<br />
gibt es einen saisonalen Entlastungszug D<br />
1371 zwischen Hannover und Karlsruhe, der<br />
ebenfalls in Göttingen durchfährt. Ab 1979<br />
fährt das Zugpaar D 370/371 nur noch<br />
von/nach Konstanz und verliert seine internationale<br />
Transitfunktion.<br />
D 1683 Hamburg – Berchtesgaden, Hannover<br />
Hbf ab 10:06 Uhr, Würzburg Hbf (!) an<br />
13:37 Uhr: Dieser durchgehende Zuglauf entstand<br />
1965 durch Zusammenschluss des damaligen<br />
D 84/83 mit D 13/10 in München.<br />
1983 wird daraus der „Fernexpress“ (FD) 781/<br />
780 „Königssee“ und als IC 2083/2082 gibt es<br />
diese Verbindung noch heute!<br />
D 377 „Hispania-Express“ mit dem Zuglauf<br />
Hamburg – Genf – Lyon – Port Bou an<br />
der spanischen Grenze (mit Anschluss nach<br />
Barcelona, der gleich im Zuglauf mit erwähnt<br />
wird); er fährt in Hannover Hbf um 10:28<br />
Uhr ab, hält in Göttingen (11:24 Uhr/11:26<br />
Uhr) und dann erst wieder in Frankfurt<br />
(Main) Hbf (an 13:51 Uhr). Der Langlauf<br />
nach Port Bou besteht nur aus einem D-Zug-<br />
Wagen 1./2. Klasse (Gattung ABm), der saisonal<br />
durch einen Wagen 2. Klasse (Bm) ergänzt<br />
wird.<br />
E 2071; dies ist ein klassischer „Hecken -<br />
eilzug“ mit dem Laufweg Westerland (S) – Luxembourg<br />
über Kassel – Gießen – Koblenz.<br />
Der Zug hat Westerland um 06:55 Uhr verlassen,<br />
fährt in Hannover um 12:41 Uhr ab<br />
und erreicht nach zehn Zwischenhalten Kassel<br />
Hbf um 15:14 Uhr. In Luxembourg trifft<br />
er um 22:02 Uhr ein. Das entspricht einer<br />
Fahrzeit von 15 Stunden auf exakt 1.011 Kilometern<br />
Laufweg und einer Reisegeschwindigkeit<br />
von 67 km/h.<br />
D 271 „Italia-Express“ Kopenhagen –<br />
Frankfurt (Main) – Rom, Hannover Hbf ab<br />
17:58 Uhr, Zwischenhalt in Göttingen<br />
(18:58/19:00 Uhr), Ankunft in Fulda um<br />
20:29 Uhr. Seit 1947 ist das eine bedeutende<br />
Verbindung Skandinavien – Italien. <strong>1975</strong> führt<br />
der Zug unter anderem noch einen Schlafwagen<br />
Stockholm – Mailand und einen Liegewagen<br />
Puttgarden – Ventimiglia. Doch seine<br />
große Zeit hat er bereits hinter sich; 1977 wird<br />
man ihn nördlich von Hamburg einstellen.<br />
D 591 „Konsul“ Kiel – Stuttgart, Hannover<br />
Hbf ab 18:34 Uhr, Frankfurt (Main)<br />
Hbf an 21:52 Uhr (!). Das ist damals die<br />
schnellste Verbindung zwischen Kiel/Hamburg<br />
und Stuttgart mit einer Reisezeit von<br />
rund sieben Stunden zwischen Hamburg und<br />
Stuttgart. Bemerkenswert ist, dass er zwischen<br />
Hannover und Frankfurt nicht hält.<br />
Die Verbindungen Hamburg – Stuttgart über<br />
Würzburg (Beispiel D 593, um 9:40 Uhr ab<br />
Hannover Hbf) brauchen rund acht Stunden,<br />
bedienen aber auch mehr Halte.<br />
D 671 „Senator“; dies ist eine schnelle Tagesrandverbindung<br />
Bremerhaven – Wiesbaden<br />
über Frankfurt, Hannover Hbf ab 18:38 Uhr,<br />
Zwischenstopp in Göttingen (19:36/19:38<br />
Uhr), Kassel Hbf an 20:25 Uhr. Der „Senator“<br />
war einst „Versuchszug“ für den erfolglosen Tages-Gliedertriebzug<br />
der 50er-Jahre. <strong>1975</strong> führt<br />
er in der verkehrsschwachen Zeit Montag bis<br />
Donnerstag nur fünf Wagen und einen Postwagen;<br />
freitags sind es bis zu zehn Wagen.<br />
D 499 „Beograd-Express“ Hamburg –<br />
Beograd, Hannover Hbf ab 18:43 Uhr, Zwischenhalte<br />
in Kreiensen (19:21/19:23 Uhr),<br />
Göttingen (19:45/19:47 Uhr), Bebra an 20:40<br />
Uhr. Dieser Zug erscheint erstmals 1971 und<br />
wird wegen der damals starken Auslastung der<br />
österreichischen Tauernbahn über Passau und<br />
Spielfeld – Straß geführt. Im Gegensatz zu den<br />
München anlaufenden „Balkanzügen“ besteht<br />
er ausschließlich aus einem DB-Wagenpark<br />
einschließlich des Schlaf- und Liegewagens.<br />
Einmal wöchentlich führt er Autotransportwagen<br />
des Typs DDm bis Graz.<br />
Nachtzüge am Abend<br />
Quasi als Gegenstück zum Angebot nach Mitternacht<br />
verlassen in den Abendstunden zuvor<br />
weitere Nachtzüge Hannover Hauptbahnhof<br />
gen Süden. Zu ihnen zählen<br />
D 491 Kopenhagen – Wien; Hannover<br />
Hbf ab 21:12 Uhr, fünf Zwischenhalte, Bebra<br />
an 23:28 Uhr. Er kam im Sommer 1969<br />
als D 388/389 zustande, noch mit durchgehendem<br />
Schlafwagen, der schon 1970 entfiel.<br />
<strong>1975</strong> führte der Zug nur noch Sitzwagen auf<br />
der Gesamtstecke sowie einmal wöchentlich<br />
einen Liegewagen ab Puttgarden. Schlaf- und<br />
Liegewagen gab es täglich in der Relation<br />
Hamburg – Wien. 1979 entfiel der Zug nördlich<br />
von Hamburg.<br />
Das Tagesangebot auf der Strecke reicht vom<br />
Heckeneilzug bis zum „Hispania-Express“<br />
D 681 Hamburg – München, Hannover<br />
Hbf ab 23:01 Uhr, vier Zwischenhalte, Bebra<br />
an 01:36 Uhr; er fährt via Hildesheim, wie der<br />
einmal pro Woche laufende Entlastungszug<br />
D 881 Bremerhaven – München, Hannover<br />
Hbf ab 22:50 Uhr, vier Zwischenhalte, Bebra<br />
an 01:30 Uhr. Dieser Zug führt auch Wa-<br />
48
Nord-Süd-Strecke nach <strong>1975</strong><br />
Die deutsche Teilung mit den von Ost-West- auf Nord-Süd-Richtung gedrehten Verkehrsströmen hat die Verbindung Hannover – Kassel/– Bebra<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg aufgewertet. Die innerdeutsche Grenze kann man abschnittsweise von der Strecke aus direkt sehen, wie hier im<br />
Bahnhof Oberrieden<br />
Wolf-Dietmar Loos<br />
gen von Cuxhaven und Wilhelmshaven nach<br />
München, trägt aber keine vierstellige Saisonzugnummer,<br />
weil er auf der KBS 210 Bremerhaven<br />
– Hannover ganzjährig täglich verkehrt<br />
(als Eilzug). Außerhalb der saisonalen Führung<br />
nach München geht in Hannover die entsprechende<br />
Wagengruppe auf D 681 über.<br />
D 1381 Hamburg – Salzburg, Hannover<br />
Hbf ab 22:24 Uhr, zwei Zwischenhalte, Bebra<br />
an 00:34 Uhr. Dies ist ein weiterer Entlastungszug,<br />
der im Sommer täglich verkehrt und<br />
als „multifunktionaler“ Kurswagenträger<br />
dient. Zwei Wagen laufen nach Garmisch-Partenkirchen<br />
bzw. Innsbruck, drei Wagen gehen<br />
nach Oberstdorf; eine weitere Wagengruppe<br />
(drei Wagen einschließlich Liegewagen) haben<br />
das Ziel Berchtesgaden und schließlich gibt<br />
es noch einen Wagen nach Bad Aussee im Salzkammergut,<br />
der in Salzburg umgestellt wird.<br />
Belebte Strecke<br />
Insgesamt gibt es <strong>1975</strong> nicht weniger als<br />
30 täglich verkehrende D-Züge in einer Richtung.<br />
Davon halten 25 in Göttingen, immerhin<br />
16 in Kreiensen, sechs in Elze, acht in<br />
Northeim, einer in Alfeld, zwei in Bad Sooden-Allendorf<br />
und fünf in Eschwege West, wo<br />
stets Anschlusszüge von und nach Eschwege<br />
verkehren. Dazu muss bemerkt werden, dass<br />
die DB für die Bedienung größerer Halte versuchte,<br />
ein möglichst ausgewogenes Verhält-<br />
nis zwischen Eilzügen und D-Zügen zu schaffen.<br />
Eilzüge verkehrten bevorzugt in Zeitlagen,<br />
in denen es keine D-Züge gab, so findet<br />
man <strong>1975</strong> zwischen 11 und 13 Uhr zwei Eilzüge<br />
ab Hannover. Zwischen 9 und 11 Uhr<br />
fehlen Eilzüge wegen des dichten D-Zug-Angebotes,<br />
mit dem sich auch weitere Halte als<br />
nur Göttingen bedienen lassen. Zusammen<br />
mit den 13 TEE- und IC-Zügen summiert<br />
sich das Angebot auf 43 regelmäßig verkehrende<br />
Fernreisezüge auf der KBS 250.<br />
Sieben D-Züge fahren ab Eichenberg in<br />
Richtung Kassel, davon hält einer in Hannoversch<br />
Münden. Dazu kommen noch die beiden<br />
1973 eingelegten DC-Züge ab Göttingen,<br />
die – wie erwähnt – <strong>1975</strong> zu Eilzügen abgestuft<br />
worden sind und von denen nur noch einer<br />
montags bis freitags verkehrt.<br />
Nimmt man dazu die abschnittsweise fahrenden<br />
Nahverkehrszüge (vor allem in den<br />
Streckenteilen Hannover – Kreiensen und<br />
Göttingen – Bebra bzw. – Kassel) und den<br />
Güterverkehr, lässt sich leicht erahnen, wie intensiv<br />
die Nord-Süd-Strecke <strong>1975</strong> in Anspruch<br />
genommen wird. Abwechslung im<br />
Zugverkehr ist garantiert, und die Verbindung<br />
macht ihrem Ruf als Magistrale alle Ehre.<br />
Was daraus wurde<br />
An der Bedeutung ändert sich in den nächsten<br />
Jahren nicht viel. Von den Tagesfernzügen<br />
des Inlands werden 1979 mit IC 79 viele<br />
zu Intercity-Zügen hochgestuft. Von den<br />
D-Zügen mit exotischen Laufwegen halten<br />
sich einige bis in die 80er-Jahre, bevor sie<br />
langsam aus dem Angebot genommen werden.<br />
Die Teilinbetriebnahme der Schnellfahrstrecke<br />
Fulda – Würzburg 1988 bringt<br />
der KBS 250 durch die Fahrzeitverschiebungen<br />
der Linie 4 einen 30-Minuten-Takt<br />
im IC-Verkehr. Es ist jedoch die letzte Blüte;<br />
1991 verliert die Nord-Süd-Strecke ihre<br />
Bedeutung im Fernreiseverkehr, als die<br />
Schnellfahrstrecke Hannover – Würzburg in<br />
Betrieb geht. Zwischen Hannover und Göttingen<br />
verbleibt eine zweistündliche Inter-<br />
Regio-Linie, von der einzelne Züge bis Fulda<br />
fahren. Daneben gibt es einige FD-Züge<br />
und Nachtzüge (in kleinerem Umfang als<br />
<strong>1975</strong>). 2003 macht die <strong>Deutsche</strong> Bahn AG<br />
die IR-Linie zur IC-Linie, die sie 2010 auf<br />
die Schnellfahrstrecke verlegt. Zudem wird<br />
das Nachtreiseangebot verringert. Im Regionalverkehr<br />
gibt es 1991 zwischen Göttingen<br />
und Bebra Eilzüge mit Taktzeiten zwischen<br />
ein und drei Stunden. Ab 1993 fahren die<br />
Züge im Stundentakt, seit Dezember 2006<br />
bedient die Cantus Verkehrsgesellschaft mit<br />
FLIRT-Triebwagen die Strecke.<br />
Im Vergleich zu <strong>1975</strong> ist es heute vor allem<br />
der Fernreiseverkehr, den man bei der Strecke<br />
vermisst. Der Fahrplan von damals wirkt<br />
da wie ein glorreiches Beispiel aus längst vergangenen<br />
Zeiten. Josef Mauerer/GM<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
49
Kursbuch <strong>1975</strong><br />
Slg. Konrad Rothzoll<br />
Der Heckeneilzug Frankfurt (Main) – Köln<br />
Der andere Weg<br />
Als einer von wenigen Eilzügen hielt E 2842<br />
in Marburg Süd. Hier führt er ausnahmsweise<br />
einen Vorkriegspackwagen statt<br />
eines Behelfsgepäckwagens mit M. Ritter<br />
An sich ist die linke Rheinstrecke der Weg, um von Frankfurt<br />
nach Köln zu fahren. Aber es gab <strong>1975</strong> auch eine Alternative:<br />
das Eilzugpaar 2842/43 über Gießen, Marburg und zwei Nebenbahnen.<br />
Es sollte vor allem die ländlichen Regionen erschließen<br />
Manfred Ritter<br />
In den frühen 50er-Jahren hatte die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Bundesbahn</strong> ein Eilzugpaar mit dem<br />
Laufweg Frankfurt – Marburg – Cölbe –<br />
Biedenkopf – Laasphe – Erndtebrück –<br />
Kreuztal – Siegen eingelegt. Wenige Jahre<br />
später erfuhr es eine Verlängerung bis Köln<br />
und hatte weit über 20 Jahre bei wenig veränderter<br />
Zeitlage Bestand. Im Unterschied zu<br />
zahlreichen anderen „Heckeneilzügen“, mit<br />
denen die DB ländliche Regionen erschloss,<br />
gab es bei diesem Zugpaar nur zwei Wechsel<br />
zwischen Haupt- und Nebenbahnabschnitten.<br />
Letzterer war dafür mit 89 Kilometern<br />
(Cölbe – Kreuztal) recht lang. Genau 300 Kilometer<br />
betrug die Distanz zwischen den<br />
Endbahnhöfen.<br />
Die Fahrzeiten <strong>1975</strong><br />
Die Fahrplankürzungen des Frühjahres <strong>1975</strong><br />
überstand das Eilzugpaar (E 2842/43) unbeschadet.<br />
Weiterhin wurde Frankfurt im Gefolge<br />
einer Ellok um 06:08 Uhr verlassen, in<br />
Gießen wurden Kurswagen abgegeben, die<br />
von da mit einem Eilzug über Dillenburg –<br />
Siegen (!) – Hagen nach Oberhausen liefen.<br />
Schon ab Gießen beförderte eine 216-Diesellok<br />
den aus drei Silberlingen und einem Behelfsgepäckwagen<br />
gebildeten Eilzug, die fünf<br />
Minuten Aufenthalt in Marburg dienten der<br />
umfangreichen Umladung von Kleingut. Zwei<br />
Stunden und fünf Minuten nahmen die<br />
89 Kilometer auf dem Nebenbahnabschnitt in<br />
Anspruch, das entspricht einer Reisegeschwindigkeit<br />
von 42 km/h. Das war durchaus<br />
beachtlich – war doch der im Zugleitbetrieb<br />
befahrene 28 Kilometer lange<br />
Teilabschnitt Wallau – Erndtebrück nur für<br />
maximal 50 km/h zugelassen und wies, da<br />
unmittelbar neben einer Landstraße gelegen,<br />
längere Langsamfahrstellen auf! Zu berücksichtigen<br />
sind schließlich die Neigungsverhältnisse:<br />
Auf langen Rampen mit maximalen<br />
Steigungen von 1:45 wird die Nebenbahn<br />
im Rothaargebirge windungsreich auf mehr<br />
als 600 Meter über dem Meer geführt. Jenseits<br />
der Wasserscheide zwischen Eder und Sieg<br />
geht es in engen Schleifen mit minimalen Bogenhalbmessern<br />
von 180 Metern lang anhaltend<br />
bergab – dieser Streckenabschnitt trägt<br />
die Bezeichnung „Westfälischer Semmering“<br />
und zählt zu den großartigsten deutschen Nebenbahnabschnitten.<br />
Kurz vor 12 Uhr wurde<br />
Köln erreicht. Um 17:38 Uhr ging es auf<br />
den Rückweg. Auf diesem fand das Umspannen<br />
von Diesel auf Ellok schon in Marburg<br />
statt, hier wurden Kurswagen aus E 3133 von<br />
Kassel übernommen. In Gießen gab es zwölf<br />
Minuten Aufenthalt wegen des vorfahrenden<br />
DC 917 Norddeich – Hagen – Frankfurt.<br />
Der linken Rheinstrecke unterlegen<br />
Auf Teilen der Hauptbahnabschnitte wurde<br />
das Eilzugpaar eher schleppend durchgeführt.<br />
So hatte es Richtung Köln zwischen Gießen<br />
und Marburg Aufenthalte in den ansonsten<br />
Frankfurt – Köln auf dem Nebenweg: Knapp sechs<br />
Stunden brauchte der Eilzug für 300 Kilometer<br />
nur von einzelnen Eilzügen bedienten Stationen<br />
Lollar, Niederwalgern und Marburg Süd,<br />
in der Gegenrichtung wurde in Lollar gehalten.<br />
Die Fahrplanlagen lassen erkennen, dass<br />
das Zugpaar nicht als Direktverbindung Köln<br />
– Frankfurt konzipiert war. Vielmehr sollte das<br />
Rothaargebirge um Laasphe früh – für Tou-<br />
50
Heckeneilzug Frankfurt – Köln<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Auszug aus der Kursbuchtabelle Marburg – Erndtebrück – Siegen, Sommerfahrplan <strong>1975</strong>, mit<br />
dem Heckeneilzug E 2842. Dank recht weniger Aufenthalte wurde der Nebenbahnabschnitt<br />
trotz bescheidener Fahrgeschwindigkeit in einer akzeptablen Zeit bewältigt Slg. Dr. Lutz Münzer<br />
risten eigentlich zu früh – von Frankfurt aus<br />
erreicht werden. Unter touristischen Aspekten<br />
war auch für die Fahrt Richtung Köln die Abfahrt<br />
aus dem Rothaargebirge noch reichlich<br />
früh, nicht aber für Geschäftsreisende. In der<br />
Gegenrichtung handelte es sich um eine attraktive<br />
Abendverbindung vom Rhein ins<br />
Rothaargebirge, für die Fahrt von dort Richtung<br />
Frankfurt lag der Zug dann schon ziemlich<br />
spät. Andererseits dürfte er mit der<br />
abschnittsweisen Lage zu Zeiten des Berufsverkehrs<br />
wenigstens auf Teilstrecken gut ausgelastet<br />
gewesen sein. Auf dem Nebenbahnabschnitt<br />
hielt sich die Inanspruchnahme in<br />
bescheidenen Grenzen. Gut ausgelastet war<br />
der Zug dafür in anderer Hinsicht: Es handelte<br />
sich um eine wichtige Verbindung für den<br />
Kleingutverkehr, des großen Gepäckwagens<br />
bedurfte es durchaus.<br />
Im Rheintal – linksrheinisch – betrug die<br />
Distanz zwischen beiden Endpunkten mit<br />
249 Kilometern 51 Kilometer weniger, war<br />
also spürbar billiger. Etwa zweieinhalb Stunden<br />
nahm die Fahrt im Schnellzug in Anspruch,<br />
per IC ging es noch einige Minuten<br />
schneller, wobei außer dem Zuschlag dann die<br />
1.-Klasse-Fahrkarte obligatorisch war. So oder<br />
so, die Reise am Rhein war für die Relation<br />
klar die bessere. Es dürfte kaum einen Fahrgast<br />
gegeben haben, der das Eilzugpaar Frankfurt<br />
– Laasphe – Köln auf ganzer Länge benutzte.<br />
Ihre Daseinsberechtigung bezog die Verbindung<br />
aus dem Zwischenortsverkehr.<br />
Doch auch das sollte nicht mehr allzu lange<br />
Bestand haben. 1979 war – zeitgleich mit<br />
der Einführung des zweiklassigen IC-Netzes –<br />
Schluss mit dem Eilzugpaar in der gewohnten<br />
Führung.<br />
Dr. Lutz Münzer<br />
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Fahrzeuge vor dem Abschied<br />
Die letzten<br />
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Dass die Dampftraktion einem baldigen Ende entgegen<br />
sieht, pfeifen die Spatzen <strong>1975</strong> förmlich von den Dächern.<br />
Aber auch manche Diesel- und Ellokbaureihe hat keine<br />
allzu lange Dienstzeit mehr<br />
Wer hat in Ratingen im Januar <strong>1975</strong> den<br />
größten Kultfaktor? Das Moped als erster<br />
fahrbarer Untersatz, der VW Käfer als<br />
dessen Fortsetzung oder die Schlepptenderlok,<br />
wegen der Moped und Käfer an<br />
der Schranke warten müssen? Udo Kandler
Rheine hat für Dampflokfreunde immer etwas<br />
zu bieten. Hier treffen die schwarzen Rösser<br />
der Emslandstrecke (vor allem 012, 042 und<br />
043) auf die Dieselloks 220, welche die Reisezüge<br />
aus den Niederlanden ab Hengelo in<br />
Richtung Hannover ziehen Dr. Dietmar Beckmann<br />
OBEN Im März <strong>1975</strong> stampft eine 50er mit<br />
ihrem Kalkwagenzug auf der Angertalbahn<br />
dahin. Noch hat das Straßenschild<br />
Recht, wenn es vor Dampfloks warnt.<br />
Zwei Jahre später sorgen hier allenfalls<br />
Dieselloks für Rauch und Ruß ...<br />
J. Schmidt/Bildarch. d. Eisenb.stiftg., M. Weltner (r.)<br />
RECHTS Mit einem schweren Durchgangsgüterzug<br />
ist eine Ottbergener 044 im<br />
März <strong>1975</strong> von Löhne nach Braunschweig<br />
unterwegs. Typische Schienenfracht<br />
damals: neue bunte Opel Kadett C ...<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
53
Momentaufnahmen<br />
In München sagt <strong>1975</strong> die letzte Stangen-Ellok der Baureihe 191 „servus“. Im Herbst leistet<br />
191 099 im Rangierbahnhof München-Laim die letzten Dienste – 50 Jahre, nachdem die ersten<br />
dieser Maschinen gebaut worden sind<br />
Peter Schricker<br />
Die anderen Kandidaten<br />
Im Jahr <strong>1975</strong> ist der Diesel- und Ellok-Bestand<br />
der <strong>Bundesbahn</strong> noch recht vielfältig. Noch,<br />
denn die Rationalisierung macht auch hier nicht<br />
Halt. Und es trifft nicht allein Altbau-Reihen; so<br />
manche Ausmusterungskandidatin wurde von<br />
der jungen <strong>Bundesbahn</strong> beschafft<br />
Im Jahr 1952 war die V 80 die erste große<br />
DB-Diesellok. Mit zehn Exemplaren blieb sie<br />
eine Splittergattung, weshalb ihr Stern <strong>1975</strong><br />
schon spürbar sinkt. In Franken hat die nunmehrige<br />
280 noch ihr Auskommen (Bild in<br />
Baunach, Strecke Breitengüßbach – Maroldsweisach);<br />
1978 kommt das Aus Udo Kandler<br />
54
Diesel- und Elloks<br />
Viel zu schauen gibt es für Eisenbahnfreunde,<br />
wenn einmal das AW München-Freimann seine<br />
Tore öffnet. Altbau-Elloks wie 118, 119<br />
und 169 sind <strong>1975</strong> auch übliche Gäste<br />
Theodor Horn<br />
Mit der Baureihe 117 kommt in Baden-Württemberg<br />
und Bayern eine weitere Altbau-Ellok-Reihe<br />
zum Einsatz: Im April <strong>1975</strong> bringt<br />
117 102 E 2353 von Stuttgart nach Heilbronn<br />
(Bild bei Lauffen am Neckar). Bis 1980<br />
mustert die DB diese Maschinen aus<br />
Peter Schiffer/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
55
Strecken und Fahrten<br />
Der letzte dampflokbespannte Schnellzug der <strong>Bundesbahn</strong><br />
Abschied mit 012<br />
Am 31. Mai <strong>1975</strong> endete bei der DB eine Ära: Zwischen Rheine und Norddeich-<br />
Mole verkehrte der letzte, planmäßig mit einer Dampflok bespannte Schnellzug.<br />
012 081 schloss mit D 714 das Kapitel ab<br />
Norddeich Mole den letzten dampfgeführten<br />
Schnellzug der DB überhaupt zu führen. Von<br />
Eisenbahnfreunden mit Schriftzügen dekoriert,<br />
bespannte sie den Zug.<br />
Der D 714<br />
Wer heute von München nach Norddeich<br />
Mole fahren will, besteigt in der bayerischen<br />
Landeshauptstadt einen ICE nach Bremen und<br />
steigt dort in einen Regionalexpress um, der an<br />
der Norddeicher Mole endet. Rund achteinhalb<br />
Stunden dauert die Fahrt über Nürnberg,<br />
Würzburg und Hannover. <strong>1975</strong> war das noch<br />
ganz anders. Die Reisezeit betrug knapp zwölf<br />
Stunden. Der D 714 war ein für die <strong>Bundesbahn</strong><br />
typischer Tagesschnellzug, der auf einer<br />
ganz anderen Trasse Deutschland durchquerte.<br />
Kurz nach 7 Uhr morgens ging es in München<br />
los, über Ulm, Stuttgart und Heidelberg<br />
wurde gegen 12 Uhr Frankfurt (Main) erreicht.<br />
Mit einem Schnellzug<br />
fährt 012 075 in<br />
den Bahnhof Lingen<br />
(Ems) ein und liefert<br />
sich ein Rennen mit<br />
einem Fiat 850 Coupé.<br />
Anders als beim<br />
D 714 sind in diesem<br />
Schnellzug noch<br />
ein Vorkriegspackwagen<br />
und ein<br />
„Verstärkungs-Silberling“<br />
eingereiht<br />
Martin Weltner (3)<br />
Zuletzt fuhren die 012 nur zwischen Rheine und<br />
Norddeich Mole – aber auch mit einem D-Zug!<br />
Als das Bahnbetriebswerk Hamburg-Altona<br />
zum Ende des Sommerfahrplans 1972<br />
seine 012er nach Rheine abgab, dürfte es<br />
manchem Eisenbahner (und Eisenbahnfreund)<br />
schon gedämmert haben. Das Bahnbetriebswerk<br />
in Westfalen konnte selten mit neuen Loks<br />
dienen. Vielmehr wurden hier nicht mehr benötigte<br />
Maschinen anderer Standorte „abgefahren“.<br />
Und nun traf dieses Los also diese<br />
wuchtigen Schnellzug-Dampfloks. Auch wenn<br />
die ölgefeuerten 012 in Rheine erst einmal die<br />
kohlegefeuerten Schwestern 011 ersetzten, ihr<br />
Ende ließ sich nun mehr oder weniger absehen.<br />
Schließlich war das westfälische Bw zur letzten<br />
Heimat der hochrädrigen Renner geworden.<br />
Der Grundbedarf betrug während der Wintermonate<br />
fünf Loks, im Sommer wurden einige<br />
weitere Maschinen benötigt. Während der<br />
Sommermonate absolvierten die Rheiner 012<br />
rund 500 Kilometer täglich; Eil- und Schnellzüge<br />
auf der Emslandstrecke, auf der nicht schneller<br />
als 120 km/h gefahren werden durfte, waren<br />
ihr täglich Brot. Probleme bereitete aber die steigende<br />
Schadanfälligkeit der Loks, hervorgerufen<br />
durch die jahrelange hohe Belastung und gleichzeitig<br />
nur noch leidliche Unterhaltung – wie gesagt,<br />
Rheine war „nurmehr“ Auslaufstelle.<br />
Der letzte Umlaufplan<br />
Zum Winterfahrplan 1974/75 wurde der letzte<br />
012-Plan aufgestellt: Ausschließlich zwischen<br />
Rheine und Norddeich Mole unterwegs,<br />
kamen noch fünf Loks planmäßig zum Einsatz,<br />
die durchschnittlich 458 Kilometer pro<br />
Tag abspulten. Neben zahlreichen Eilzügen<br />
waren auch noch die beiden Schnellzugpaare<br />
D 714/715 und D 734/735 im Plan enthalten.<br />
Der Traktionswechsel, sprich, der Abschied<br />
von der Dampftraktion, lief bei der <strong>Bundesbahn</strong><br />
unterdessen unentwegt weiter. Anfang<br />
<strong>1975</strong> wurde bekannt, dass die DB den folgenden<br />
Sommerfahrplan ohne 012 plane:<br />
Schon bald tauchten erste Dieselloks in den<br />
012-Umläufen auf, um das Personal zu schulen.<br />
Am 31. Mai war der offiziell letzte Betriebstag<br />
für die mächtigen Dreizylinder-<br />
Dampfloks. Einsatzfähig waren noch 012 061,<br />
063, 066, 075, 081 und 100. Die 012 081<br />
hatte an diesem Tag die Ehre, mit D 714 nach<br />
Weiter führte die Fahrt nach Gießen, wo mit einer<br />
Ellok 103 die damalige „creme de la creme“<br />
des DB-Lokparks den Zug übernahm. Sie<br />
brachte ihn über Siegen, Schwerte, Hamm und<br />
Münster nach Rheine. Dort kam die Rheiner<br />
012 ins Spiel, die für die Zugförderung auf den<br />
restlichen 176 Kilometern über die noch nicht<br />
elektrifizierte und für maximal 120 km/h zugelassene<br />
Emslandstrecke nach Norddeich<br />
Mole zuständig war. Nach dem Lokwechsel, bei<br />
dem die Stars der Schiene von einst und jetzt<br />
auch kurzzeitig nebeneinander standen, dampfte<br />
die 012 um 16:50 Uhr in Rheine los, um<br />
nach sieben Zwischenhalten um 18:51 Uhr<br />
Norddeich Mole zu erreichen. Das war spät,<br />
aber nicht zu spät: Hier bestand noch Anschluss<br />
an das Schiff zur Ferieninsel Norderney.<br />
Der D 714 war auch in Sachen Zugbildung<br />
ein typischer Schnellzug seiner Zeit: Er bestand<br />
nur aus 26,4-Meter-Wagen. Für Koffer und Expressgut<br />
stand ein Halbgepäckwagen zur Verfügung,<br />
bei den planmäßig fünf bis sechs Sitzwagen<br />
handelte es sich um Seitengangwagen<br />
der 1. und 2. Wagenklasse und in einem Büffetwagen<br />
sorgte sich das DSG-Team um das<br />
leibliche Wohl der Reisenden. Und natürlich<br />
führte der Zug auch Kurswagen mit: Von München<br />
aus gab es Wagen nach Trier und Hagen,<br />
und in Ulm wurde ein Kurswagen aus Friedrichshafen<br />
beigestellt, der somit eine Direktverbindung<br />
Bodensee – Nordsee darstellte.<br />
Die 012 081<br />
Die 1940 gebaute 012 081 zählte zu den letzten<br />
012-Neuzugängen des Bw Rheine. Nach<br />
Aufgabe des Dampfbetriebs in Hamburg-Altona<br />
war sie im September 1972 nach Westfalen<br />
gekommen. Sie wurde aber wegen Loküberschusses<br />
nicht gleich in Betrieb genommen,<br />
sondern überwinterte gut konserviert im Bw<br />
Rheine. Erst der Saisonverkehr im Sommer<br />
1973 sorgte für eine Wiederinbetriebnahme der<br />
Schnellzuglok. Nach ihrer Ausmusterung wurde<br />
die Lok in Bad Münster am Stein als Denkmal<br />
aufgestellt, 1988 wechselte sie in den Besitz<br />
der Ulmer Eisenbahnfreunde. Seit 2007 kann<br />
die Lok im Bahnpark Augsburg besichtigt werden.<br />
Eine gebührende Ehre, nachdem sie doch<br />
<strong>1975</strong> ein großes Kapitel deutscher Eisenbahngeschichte<br />
beendet hatte. Oder auch: hatte beenden<br />
müssen. Martin Weltner<br />
56
Der letzte Dampfschnellzug<br />
Mit geöffnetem Ölhahn passiert 012 081 mit D 734 nach Köln die Emsbrücke bei Hanekenfähr (links). Rechts steht 012 075 im März <strong>1975</strong><br />
mit dem D 715 abfahrbereit in Norddeich Mole – der Gegenzug D 714 sollte wenige Monate später die D-Zug-Zeit mit Dampf beschließen<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013 57
Strecken und Fahrten<br />
Nahverkehr im Ruhrgebiet<br />
Knallfrosch, Akku-Blitz<br />
und Eierkopf<br />
Die Industrieregion an Rhein und Ruhr bediente Mitte der 70er-Jahre noch typische Klischees:<br />
Stahlwerke, Hochöfen, Bergbau prägten häufig das Bild. Der Berufsverkehr war ein wesentliches<br />
Standbein des hiesigen Nahverkehrs; Elektro- und Dieseltraktion regierten<br />
58
Nahverkehr im Ruhrgebiet<br />
OBEN Der 420 ist<br />
<strong>1975</strong> der Standard für<br />
den S-Bahn-Betrieb im<br />
Ruhrgebiet (Foto:<br />
420 171 in Hösel,<br />
1976). Ende der<br />
70er-Jahre müssen<br />
die Elektrotriebzüge<br />
Lok-Wagen-Garnituren<br />
weichen<br />
LINKS Ein typisches<br />
Fahrzeug im Ruhrgebiets-Nahverkehr<br />
ist<br />
der 430; er kommt<br />
auch nur hier zum<br />
Einsatz. Im Mai<br />
1976 hält einer der<br />
Elektrotriebzüge in<br />
Wanne-Eickel<br />
Aufnahmen des Beitrags:<br />
Wolf-Dietmar Loos<br />
Am Anfang ein paar Zahlen. Mitte der<br />
70er-Jahre hatte das Ruhrgebiet rund<br />
5,5 Millionen Einwohner. Zirka<br />
1,1 Millionen Menschen waren in Industrie<br />
und Handwerk beschäftigt, das entsprach<br />
rund 53,4 Prozent aller Erwerbstätigen in der<br />
Region. Die Stahlproduktion lag auf beachtlichem<br />
Niveau (<strong>1975</strong>: 24,3 Millionen Tonnen),<br />
während der Bergbau bereits zurückging.<br />
Der industrielle Wandel hatte eingesetzt<br />
und begann langsam das Revier zu verändern.<br />
Er schlug sich nieder in zunehmenden Zeitungsmeldungen<br />
über Zechenschließungen,<br />
in zurückgehenden Produktionszahlen in der<br />
Montanindustrie und dem daraus folgenden<br />
Anstieg der Arbeitslosen (im Ruhrgebiet wurde<br />
<strong>1975</strong> erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik<br />
deutlich die 100.000-Marke übersprungen).<br />
Dennoch: <strong>1975</strong> beschränkte sich<br />
all dies auf erste Anzeichen. Der Wirtschaftsalltag<br />
lief vielfach noch unverändert.<br />
Berufsverkehr auf der Schiene<br />
Und so bildete die enge Verflechtung von Eisenbahn,<br />
(Schwer-)Industrie und Handel nach<br />
wie vor das Rückgrat des Schienenverkehrs.<br />
Vor allem die Scharen der Berufstätigen konnten<br />
kaum auf die Eisenbahn, soll heißen, die<br />
<strong>Bundesbahn</strong>, als Verkehrsmittel verzichten.<br />
Die öffentlichen Verkehrsmittel hatten ihre<br />
Fahrpläne auf die Bahn abgestimmt und sorgten<br />
für die Weiterverteilung in der Fläche.<br />
Ein Charakteristikum des Ruhrgebiets war<br />
das dichte Netz an Schienenwegen, die –<br />
ursprünglich in Konkurrenz zueinander entstanden<br />
– allein von der DB betrieben wurden. So<br />
konnte die <strong>Bundesbahn</strong> <strong>1975</strong> frei von jeglicher<br />
Konkurrenz auf der Schiene aus dem Vollen<br />
schöpfen. Dabei hatte sie auf die wachsende Einwohnerzahl<br />
des Ruhrgebiets mit Modernisierungsmaßnahmen<br />
reagiert. Seit 1957 waren fast<br />
alle wichtigen Strecken elektrifiziert worden, seit<br />
Ende der 60er-Jahre bestand ein S-Bahn-System,<br />
das in seiner Vollstufe seit 1974 starre, miteinander<br />
vertaktete Fahrpläne anbot.<br />
Auch in punkto Fahrzeuge hatte die DB das<br />
Angebot modernisiert: Charakteristisch für das<br />
Revier wurden die in den 50er-Jahren speziell<br />
für den schnellen „Bezirksverkehr“ an Rhein<br />
und Ruhr beschafften Elektrotriebwagen der<br />
Baureihe ET 30. Seit 1968 von der <strong>Bundesbahn</strong><br />
als Baureihe 430 geführt, waren sie aufgrund<br />
ihrer prägnanten runden Stirnpartie bei<br />
Eisenbahnfreunden als „Eierkopf“ bekannt<br />
und beliebt. Daneben waren Garnituren aus<br />
E 41 (ab 1968: 141) und Silberlingen auf den<br />
meisten elektrisch betriebenen Strecken heimisch<br />
geworden. Das typische Anfahrgeräusch<br />
und der grüne Anstrich hatten den Elloks<br />
schnell den etwas despektierlichen, aber durchaus<br />
zutreffenden Spitznamen „Knallfrosch“ beschert.<br />
Im Revier waren sie Mitte der 70er-Jahre<br />
landauf, landab anzutreffen. Dazu kamen<br />
noch die spurtstarken Elektrotriebwagen der<br />
Baureihe 420, die <strong>1975</strong> auf den drei vorhandenen<br />
S-Bahn-Linien zu finden waren: S 1<br />
Duisburg – Essen – Bochum, S 3 Oberhausen<br />
– Essen – Hattingen und S 6 Düsseldorf – Ratingen<br />
– Essen. Die S-Bahnen fuhren tagsüber<br />
unter der Woche im 20-Minuten-Takt.<br />
Nahverkehr <strong>1975</strong>: KBS 300 und 320<br />
Und wie sah nun der Nahverkehr des Ruhrgebiets<br />
im Sommer <strong>1975</strong>, also zu Zeiten des<br />
Jubiläumskursbuchs aus? Das sollen einige<br />
Beispielstrecken zeigen.<br />
Die Betrachtung beginnt mit der weitaus<br />
wichtigsten Strecke quer durchs Ruhrgebiet,<br />
der damaligen Kursbuchstrecke (KBS) 300 von<br />
Düsseldorf über Duisburg, Mülheim, Essen,<br />
Wattenscheid, Bochum und Dortmund nach<br />
Hamm. Zu ihr zählt auch die zweite West-Ost-<br />
Verbindung, die weiter nördlich verlaufende<br />
einstige Köln-Mindener Bahn Duisburg –<br />
Typisch für das Ruhrgebiet war das dichte Netz an<br />
Strecken, allesamt betrieben von der <strong>Bundesbahn</strong><br />
Oberhausen – Essen-Altenessen – Gelsenkirchen<br />
– Wanne-Eickel – Dortmund. Sie wurde<br />
von der DB <strong>1975</strong> ebenfalls unter der Kursbuchtabellennummer<br />
300 geführt (bzw. 303<br />
für den Abschnitt Gelsenkirchen – Wanne-Eickel).<br />
Der Nahverkehr lief hier im wesentlichen<br />
auf den Teilstrecken Essen – Dortmund, Duisburg<br />
– Dortmund und Dortmund – Hamm.<br />
Er erreichte eine beachtliche Dichte: Allein<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013 59
Strecken und Fahrten<br />
Das übliche Rollmaterial des DB-Nahverkehrs fährt im November <strong>1975</strong> in Essen-Katernberg Süd vor: Die 141 und ihre Silberling-Wagen sind auf<br />
der Kursbuchstrecke 300 unterwegs, einer der wichtigsten Magistralen des Reviers<br />
zwischen Dortmund und Hamm fuhren zwölf<br />
Züge täglich, dazu weitere acht montags bis<br />
samstags, sieben montags bis freitags, einer täglich<br />
außer samstags und zwei an Sonn- und<br />
Feiertagen. Zum Einsatz kamen 430er, unterstützt<br />
von 141ern mit Silberlingen.<br />
Neben diesen beiden Magistralen, die das<br />
Ruhrgebiet in West-Ost-Richtung durchzogen,<br />
gab es mehrere Nord-Süd-Verbindungen, die<br />
nicht nur beide Strecken miteinander verbanden,<br />
sondern teilweise auch deutlich über sie hinausreichten.<br />
Eine von ihnen war die KBS 320<br />
Münster – Haltern – Recklinghausen – Wanne-Eickel<br />
– Gelsenkirchen – Essen, ebenfalls<br />
eine elektrifizierte Strecke und mit einigem Verkehr<br />
belegt. Der Nahverkehr hatte hier allerdings<br />
eine andere Ausprägung als auf der<br />
KBS 300; es gab nur zwei durchgehende tägliche<br />
Nahverkehrszüge von Münster nach Essen,<br />
zusätzlich drei von Montag bis Samstag und je<br />
einen Montag bis Freitag bzw. täglich außer<br />
Samstag. Des Rätsels Lösung: Etliche Eilzüge<br />
– allein 17 tägliche Verbindungen – fingen einen<br />
Teil des Verkehrsbedarfs auf. Zusätzlich<br />
fuhren Nahverkehrszüge auf Teilstrecken.<br />
Nahverkehr <strong>1975</strong>: KBS 309 und 330<br />
Aus dem Zentrum des Ruhrgebietes hinaus<br />
führte die „Lüner Strecke“ von Dortmund nach<br />
Lünen (KBS 309). Heute hat sie im Nahverkehr<br />
nur eine untergeordnete Bedeutung, <strong>1975</strong> sah<br />
das noch ganz anders aus. Der erste Haltepunkt<br />
Ob Ellok oder Akkutriebwagen, die Elektrotraktion<br />
war die Nummer eins im Nahverkehr des Reviers<br />
nördlich des Dortmunder Hauptbahnhofs hieß<br />
Dortmund-Hoesch und hier war der Name Programm;<br />
direkt nebenan erhoben sich die An -<br />
lagen der Westfalenhütte der Hoesch AG, auf<br />
deren Gelände der Haltepunkt lag. Die Werktätigen<br />
des riesigen Stahlwerks machten einen<br />
Großteil des Berufsverkehrs auf dieser Strecke<br />
aus; entsprechend dicht war der Fahrplan angelegt.<br />
16 tägliche Nahverkehrszüge, dazu noch<br />
acht von Montag bis Freitag sowie zehn von<br />
Montag bis Samstag sorgten unter der Woche<br />
phasenweise für einen angenäherten Halbstunden-<br />
bis Stundentakt. Lok-Wagen-Garnituren<br />
(141 + Silberlinge) kamen dabei ebenso zum<br />
Einsatz wie Triebwagen (430). Vergangene Zeiten,<br />
nicht nur wegen des Abgangs der Fahrzeuge.<br />
Nach der Stilllegung der Westfalenhütte Anfang<br />
der 90er-Jahre fiel die Strecke zunächst in<br />
Agonie, der Personenverkehr am Haltepunkt<br />
wurde zum 31. Mai 1992 eingestellt.<br />
Auf weniger stark frequentierten Strecken<br />
hingegen waren Mitte der 70er-Jahre auch<br />
141er mit Dreiachser-Umbauwagen und Mitteleinstiegs-Steuerwagen<br />
anzutreffen, etwa auf<br />
der etwas abseitigen Nord-Süd-Querverbindung<br />
von Recklinghausen über Herne, Bochum<br />
Nord, Bochum-Langendreer und Witten nach<br />
Hagen (KBS 330). Nur auf die durchgehende<br />
Relation Recklinghausen – Hagen bezogen, gab<br />
es im Sommer <strong>1975</strong> drei tägliche Nahverkehrszüge,<br />
dazu fünf montags bis freitags, drei montags<br />
bis samstags sowie einen täglich außer<br />
Samstag. Ergänzt durch Nahverkehrszüge und<br />
Eilzüge (auch auf Teilabschnitten), ergab sich<br />
hier in einer recht komplexen Fahrplangestaltung<br />
wiederum eine recht umfangreiche Bedienung,<br />
wenngleich sie beileibe nicht an jene der<br />
KBS 300 oder 309 herankam.<br />
Akku-Blitz und Diesellok<br />
Aber nicht nur auf den elektrifizierten Strecken<br />
im Kohlenpott war <strong>1975</strong> der Elektrobetrieb die<br />
Regel, in ähnlicher Form galt das auch für die<br />
(noch) nicht mit Fahrdraht überspannten Strecken.<br />
Hier verkehrten ebenso Elektrotriebwagen,<br />
wobei der Fahrstrom nicht aus der Oberleitung,<br />
sondern aus Akkumulatoren kam.<br />
Diese Traktionsart hatte im Ruhrgebiet eine<br />
lange Tradition; bereits die Preußischen Staatsbahnen<br />
hatten zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
mit Erfolg die frühen Vertreter der Wittfeld-<br />
Akkutriebwagen heimisch gemacht. Bei der DB<br />
waren diese in den 50er-Jahren durch die modernen<br />
ETA 150 (ab 1968: 515) abgelöst worden,<br />
die noch Mitte der 70er-Jahre unverändert<br />
nahezu alle anfallenden Nahverkehrsleistungen<br />
erbrachten. Bestes Beispiel hierfür ist die Emschertalbahn,<br />
KBS 308, von Herne über Castrop-Rauxel<br />
Süd, Dortmund-Bövinghausen<br />
und -Huckarde Nord zum Dortmunder<br />
Hauptbahnhof. Hier waren die 515 zeitweise<br />
recht häufig unterwegs: Für die Fahrtrichtung<br />
Wanne-Eickel – Dortmund sind im Kursbuch<br />
insgesamt 20 Züge angegeben; davon befahren<br />
zwölf die gesamte Strecke – fünf täglich, fünf<br />
montags bis samstags und die übrigen zwei<br />
montags bis freitags. Dazu kommen ein Zug<br />
Wanne-Eickel – Herne sowie sieben Züge Herne<br />
– Dortmund (einer täglich, einer montags<br />
bis freitags, fünf montags bis samstags).<br />
60
<strong>1975</strong> und später<br />
Schlachten am Boden,<br />
in der Luft und<br />
auf dem Wasser.<br />
Übrigens war der Einsatz des „Akku-Blitz“,<br />
der Baureihe 515, die meist in Kombination mit<br />
einem Steuerwagen der Baureihe 815 unterwegs<br />
war, nicht allein auf die fahrdrahtlosen Strecken<br />
beschränkt. Auf der erwähnten KBS 330, der<br />
Nord-Süd-Querverbindung von Herne bzw.<br />
Wanne-Eickel nach Bochum-Langendreer über<br />
Bochum Nord, waren sie <strong>1975</strong> ebenso in einigen<br />
Kursen unterwegs. Doch das Ende dieser Verbindung<br />
war schon abzusehen: 1979 verschwand<br />
die direkte Relation Herne – Bochum-Langendreer<br />
aus den Kursbüchern, nachdem eine neue<br />
Verbindungskurve den Herner Ast von Bochum-<br />
Hamme aus an den Bochumer Hauptbahnhof<br />
angeschlossen hatte. Damit reagierte die <strong>Bundesbahn</strong><br />
auch auf die geänderten Verkehrsströme,<br />
mit denen das Aufkommen auf der alten Streckenführung<br />
zuletzt stetig zurückgegangen war.<br />
Gleichzeitig endete der Personenverkehr am quasi<br />
in Sichtweite zum Hautpbahnhof liegenden<br />
Bochumer Nordbahnhof. Und auch das Ende des<br />
alten Bahnhofs Bochum-Langendreer nahte: Im<br />
Zuge der Fortführung der S 1 nach Dortmund erhielt<br />
Langendreer zwei neue S-Bahnhöfe, die ihn<br />
überflüssig machten. Noch heute hat die alte Strecke<br />
über Bochum Nord Bestand, nur rollen hier<br />
jetzt ausschließlich Güterzüge.<br />
Ganz ohne Diesellok ging es aber letztlich<br />
doch nicht. Auf den nicht elektrifizierten Außenstrecken<br />
des Reviers, etwa auf der KBS 381<br />
von Essen über Langenberg nach Wuppertal-<br />
Vohwinkel, der KBS 382 Essen Hbf – Essen-<br />
Borbeck – Bottrop oder der teilweise (von<br />
Oberhausen bis Gladbeck-Zweckel) von Fahrdraht<br />
überspannten KBS 284 nach Dorsten<br />
– Coesfeld und weiter bis Rheine, waren die<br />
<strong>1975</strong> bereits klassischen Garnituren mit 212-<br />
Diesellok zu sehen. Meist zog sie Silberlinge,<br />
zum Teil auch Umbauwagen.<br />
Der 515 war vielfach<br />
die Option für nicht<br />
elektrifizierte Strecken,<br />
aber auch auf<br />
Verbindungen mit<br />
Fahrdraht konnte<br />
man ihn antreffen.<br />
Im Dezember <strong>1975</strong><br />
legt 515 555 in Bochum-Langendreer<br />
einen Halt ein<br />
In die Zukunft<br />
Was 141er, 515er und 212er betrifft, sollte sich<br />
das Bild der Nahverkehrszüge in den ersten Jahren<br />
nach <strong>1975</strong> nicht gravierend wandeln. Anders<br />
sah es bei den 420ern und 430ern aus. Als das<br />
S-Bahn-Netz ab 1979 weiter ausgebaut wurde,<br />
griff die DB (auch durch politische „Fürsprache“)<br />
bewusst auf lokbespannte Wendezüge zurück.<br />
Die x-Wagen hielten Einzug. Und die 430 mussten<br />
Anfang der 80er-Jahre Wagengarnituren mit<br />
Elloks weichen. Nun war es allein der 515, der im<br />
Revier die Fahne des Nahverkehrs-„Elektrotriebwagens“<br />
noch hoch hielt.<br />
O. Strüber/Dr. H.-B. Schönborn/GM<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
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Strecken und Fahrten<br />
Elektrifizierung <strong>1975</strong><br />
Neuer Bestwert 10.000<br />
Seit den 50er-Jahren intensivierte die <strong>Bundesbahn</strong> ihre Bestrebungen zur Rationalisierung und<br />
Beschleunigung ihres Betriebes. Das essenzielle Mittel dazu war die Elektrifizierung zumindest<br />
der wichtigsten Strecken. <strong>1975</strong> überschritt die DB dabei die 10.000-Kilometer-Marke<br />
Der 28. August <strong>1975</strong> war ein bedeutendes<br />
Datum für die DB. An diesem Tag<br />
weihte sie feierlich den 10.000. elektrifizierten<br />
Streckenkilometer ein; die Rekordmarke<br />
erreichte sie im Bahnhof Villingen<br />
(Schwarzwald). Seit den 50er-Jahren hatte die<br />
<strong>Bundesbahn</strong> die Elektrifizierung kontinuierlich<br />
vorangetrieben. In den jährlichen Bilanzen<br />
konnte sich <strong>1975</strong> mit 301 Kilometern neu<br />
elektrifizierter Strecken durchaus sehen lassen.<br />
Die großen Magistralen der <strong>Bundesbahn</strong> lagen<br />
zu dieser Zeit bereits unter Fahrdraht. Nun<br />
ging es um die Ergänzungen, vor allem die bedeutenden<br />
Nebenfernstrecken standen zur<br />
Elektrifizierung an. Das realisierte die DB<br />
<strong>1975</strong> bei mehreren Relationen:<br />
• der Strecke Herford – Himmighausen (Länge<br />
48 Kilometer; Inbetriebnahme 27. Mai <strong>1975</strong>)<br />
• der Strecken Neckarelz – Osterburken und<br />
Osterburken – Würzburg (30 bzw. 76 Kilometer;<br />
Inbetriebnahme 28. Mai <strong>1975</strong>)<br />
• der Strecke Rheine – Salzbergen (13 Kilometer;<br />
Inbetriebnahme 23. Juli <strong>1975</strong>)<br />
• der Strecke Offenburg – Villingen<br />
(„Schwarzwaldbahn“, 86 Kilometer; Inbetriebnahme<br />
28. August <strong>1975</strong>)<br />
Zusammen mit der Elektrifizierung verschiedener<br />
Ergänzungsstrecken dienten sie der weiteren<br />
Optimierung des Einsatzes der vorhandenen<br />
Fahrzeuge und ortsfesten Anlagen der<br />
elektrischen Zugförderung. Vorteile im Betriebseinsatz<br />
brachte auch die Elektrifizierung<br />
eines Abschnitts nahe der innerdeutschen<br />
Grenze, und zwar<br />
• der Strecke Coburg – Neustadt (b Coburg)<br />
(Länge 15 Kilometer; Inbetriebnahme<br />
15. Dezember <strong>1975</strong>)<br />
Hier hatte man bisher die Nahverkehrszüge<br />
noch auf Dieselloks umspannen müssen, nun<br />
konnten die Elloks die Wagengarnituren<br />
durchweg auf den 36 Kilometern von Lichtenfels<br />
über Coburg nach Neustadt befördern.<br />
Weitere Elektrifizierungen<br />
Die übrigen Elektrifizierungen <strong>1975</strong> hatten<br />
vor allem Bedeutung für den schnellen Vorort-<br />
/S-Bahn- sowie den Güterverkehr. Dies waren<br />
die Abschnitte:<br />
• Köln-Mülheim – Bergisch Gladbach (Länge<br />
10 Kilometer; Inbetriebnahme 28. Mai <strong>1975</strong>)<br />
• Köln-Longerich – Köln-Chorweiler (Neubaustrecke;<br />
4 Kilometer; Inbetriebnahme<br />
28. Mai <strong>1975</strong>)<br />
• Hamburg Hbf – Landungsbrücken (Neubaustrecke;<br />
3 Kilometer: Inbetriebnahme<br />
30. Mai <strong>1975</strong>)<br />
• Abzw. Nordstern – Gelsenkirchen-Schalke<br />
– Wanne-Eickel (9 km; Inbetriebnahme<br />
1. Juni <strong>1975</strong>)<br />
• Duisburg-Ruhrort Hafen – Oberhausen-<br />
West Stw. 1/Abzw. Mathilde (8 Kilometer;<br />
28. September <strong>1975</strong>)<br />
• Düsseldorf-Unterrath – Düsseldorf-Flughafen<br />
(Neubaustrecke; 3 Kilometer; Inbetriebnahme<br />
27. Oktober <strong>1975</strong>)<br />
Nach Eröffnung des<br />
Elektrobetriebs<br />
Herford – Himmighausen<br />
fahren in<br />
Bad Salzuflen Elektro-<br />
und Dieselzüge<br />
parallel. Links ein<br />
624 nach Herford,<br />
rechts 141 281<br />
mit E 3119 nach<br />
Altenbeken (März<br />
1976) Dietrich Bothe<br />
Am 15. Dezember<br />
<strong>1975</strong> bespannt Ellok<br />
111 009 den<br />
Sonderzug zur Eröffnung<br />
des elektrischen<br />
Abschnitts<br />
Coburg – Neustadt<br />
b. Coburg (Bild in<br />
Coburg Pbf). Bereits<br />
1950 hat die<br />
DB den Abschnitt<br />
Lichtenfels – Coburg<br />
elektrifiziert<br />
DB Museum<br />
Auch die Strecke<br />
Würzburg – Osterburken<br />
kommt<br />
<strong>1975</strong> ins elektrische<br />
Netz. Bei Reichenberg<br />
passiert<br />
eine 023 mit ihrem<br />
Zug einen Turmtriebwagen<br />
der<br />
Baureihe 701<br />
Thomas Naumann<br />
Der Fortschritt zeigte sich langfristig vor allem<br />
in der Einsparung von Ressourcen, Personal<br />
und damit auch Kosten. Dass der Betrieb dadurch<br />
flüssiger gestaltet und vor allem erheblich<br />
beschleunigt werden konnte, war ein weiteres<br />
wichtiges Mosaiksteinchen auf dem Weg<br />
der <strong>Bundesbahn</strong> zu mehr Effizienz und weniger<br />
Defizit. Auch wenn sie mit diesem Ziel oftmals<br />
Mühe hatte. Oliver Strüber<br />
62
10.000 Kilometer und<br />
noch ein bisschen<br />
dazu: der Stand der<br />
Elektrifizierung bei<br />
der <strong>Bundesbahn</strong> zum<br />
Jahresende <strong>1975</strong> DB<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013 63
Strecken und Fahrten<br />
Der kleine Turmbahnhof Mariagrube war ein Eisenbahnknotenpunkt im Aachener Steinkohlerevier, von dem man mit Triebwagen 795 oder 515<br />
in fünf Richtungen fahren konnte. Am 16. September <strong>1975</strong> steht ein Solo-795 zur Fahrt nach Aachen Nord bereit<br />
Dr. Dietmar Beckmann<br />
Vergangene Eisenbahnknoten<br />
Einstmals bedeutend<br />
Trotz mannigfacher Stilllegungen vor allem im ländlichen Raum bestanden <strong>1975</strong> im <strong>Bundesbahn</strong>-Netz<br />
noch eine Reihe von Eisenbahnknoten, auch auf Nebenbahnen. Allerdings wirkten<br />
sich die allgemeinen Fahrplaneinschränkungen vom 1. Juni des Jahres gerade dort stark aus.<br />
Sechs Knotenpunkte, die heute betrieblich nicht mehr wichtig sind<br />
Wer im <strong>Bundesbahn</strong>-Streckennetz<br />
nach Nebenbahnknoten Ausschau<br />
hielt, verzeichnete je nach Region<br />
höchst unterschiedliche Erfolge. Während es<br />
im Bereich der einstigen Preußischen Staatsbahn<br />
eine ganze Anzahl davon gab, tat man<br />
sich mit der Suche in Baden, Württemberg<br />
und Bayern schwerer. Letztlich war das auf<br />
die unterschiedliche Politik der einzelnen<br />
Länderbahnen zurückzuführen. Preußen versuchte<br />
an relativ vielen Stellen, auch durchgehende<br />
Nebenstrecken zu errichten. Dagegen<br />
war Bayern ein Verfechter des<br />
Stichbahnprinzips. Lokalbahnen sollten nur<br />
dem Zubringerverkehr zum Hauptbahnnetz<br />
dienen. Bei einer durchgehenden Nebenstrecke<br />
befürchtete man Verluste für die Hauptbahnen,<br />
und das sollte möglichst vermieden<br />
werden. Echte Nebenbahnknoten – Kreuzungspunkte<br />
mehrerer Strecken – waren im<br />
flächenmäßig großen Bayern folglich an zwei<br />
Händen abzuzählen. Eher noch gab es dort<br />
Bahnhöfe, in denen sich zwei Stichbahnen<br />
teilten (etwa Frensdorf oder Drahthammer<br />
bei Amberg). Auch die Bahnpolitik Württembergs<br />
und Badens tendierte in diese Richtung.<br />
Allerdings muss man in diesen Ländern<br />
die größere Verbreitung von Privatbahnen<br />
berücksichtigen, die sich weniger Restriktionen<br />
auferlegten …<br />
Erbe des Eisenbahnbaus: Vor allem im ehemals<br />
preußischen Netz gab es Nebenbahnknoten<br />
Durch das allgemeine Nebenbahnsterben<br />
bei der <strong>Bundesbahn</strong> wurde seit Mitte der 50er-<br />
Jahre auch die Zahl der Nebenbahnknoten beträchtlich<br />
verringert. Dennoch fanden sich<br />
<strong>1975</strong> durchaus noch einige Vertreter, wenngleich<br />
teilweise der Schienenreiseverkehr auf<br />
einzelnen Ästen bereits ruhte.<br />
Ein Kennzeichen des Fahrplanwechsels im<br />
Juni <strong>1975</strong> war bundesweit die verstärkt eingeführte<br />
Betriebsruhe auf der Schiene an Wochenenden<br />
– also in der Regel von Sonnabendnachmittag<br />
bis Montagmorgen – und<br />
64
Nebenbahnknoten<br />
Beispiel 3: Olpe<br />
Die sauerländische Kreisstadt Olpe erhielt<br />
schon früh einen Eisenbahnanschluss durch die<br />
damalige Bergisch-Märkische Eisenbahngesellwährend<br />
der Woche der nunmehrige Verzicht<br />
auf Züge in Tagesrandlagen. Das wirkte sich<br />
auch bei jenen Nebenbahnknoten aus, die im<br />
folgenden als Beispiele betrachtet werden.<br />
Beispiel 1: Sulingen<br />
Hier handelte es sich um einen geradezu klassischen<br />
niedersächsischen Knotenbahnhof,<br />
kreuzten hier doch zwei relativ lange Nebenstrecken!<br />
Allerdings besaß Sulingen 20 Jahre<br />
lang nur einen bloßen, wenn auch wichtigen<br />
Durchgangsbahnhof an der Linie (Bünde –)<br />
Rahden – Bassum, die von der Preußischen<br />
Staatsbahn in zwei Etappen eröffnet wurde:<br />
Rahden – Sulingen am 1. Oktober 1900, weiter<br />
bis Bassum am 1. August 1901. Damit war<br />
eine sekundäre Nord-Süd-Verbindung entstanden,<br />
die in DB-Tagen sogar zu Eilzugehren<br />
kam (mit den legendären Heckeneil zügen<br />
zwischen Bremen und Frankfurt über Bielefeld).<br />
<strong>1975</strong> trug sie die Kursbuchstreckennummer<br />
(KBS) 150. Die Ost-West-Querverbindung<br />
Nienburg – Sulingen – Diepholz<br />
wurde 1908 genehmigt, war aber erst ab Oktober<br />
1923 durchgehend befahrbar! In Sulingen<br />
befand sich auch ein kleiner Lokbahnhof.<br />
Die Strecke Diepholz – Nienburg stand<br />
verkehrlich stets im Schatten der Nord-Süd-<br />
Linie und verlor ihren Personenverkehr bereits<br />
in den 60er-Jahren: Im September 1966 zwischen<br />
Diepholz und Sulingen, im September<br />
1969 von Sulingen nach Nienburg. Dabei hatte<br />
der Bahnhof Sulingen in den 50er-Jahren<br />
noch ein neues Empfangsgebäude erhalten …<br />
Nach diesen Einschränkungen stellte Sulingen<br />
nur noch für den Güterverkehr einen Knotenpunkt<br />
dar. Im Winterfahrplan 1974/ 75 beschränkte<br />
sich das Zugangebot schon auf je zwei<br />
tägliche Eilzug- und Nahverkehrspaare. Zum<br />
Fahrplanwechsel am 1. Juni <strong>1975</strong> strich die<br />
<strong>Bundesbahn</strong> die Nahverkehrsleistungen komplett,<br />
die Eilzüge verkehrten nur noch werktags<br />
außer sonnabends. Dies entspricht einer<br />
Kürzung von 36 Prozent pro Woche. 19 Jahre<br />
später war dann mit der Streichung des letzten<br />
Eilzugpaares die Reiseverkehrsära für den Bahnhof<br />
Sulingen vollständig Vergangenheit. Heute<br />
gibt es lediglich Güterverkehr auf dem Abschnitt<br />
Diepholz – Sulingen – Barenburg (früherer<br />
Ast nach Rahden); das Sulinger Bahnhofsgebäude<br />
wurde vor einigen Jahren nach<br />
seinem Verkauf an die Gemeinde abgerissen.<br />
Beispiel 2: Mariagrube<br />
Einen der interessantesten Nebenbahnknoten<br />
im <strong>Bundesbahn</strong>-Netz besaß seit den frühen<br />
50er-Jahren Mariadorf im Aachener Revier:<br />
Dort fand sich eine Kombination von Turmund<br />
Anschlussbahnhof. Es kreuzten niveaufrei<br />
Mariagrube lag an<br />
den KBS 452–454<br />
die Nebenbahnen<br />
Stolberg – Herzogenrath<br />
(<strong>1975</strong>: KBS 452)<br />
und Aachen Nord –<br />
Jülich (KBS 454),<br />
und es begann die<br />
Stichstrecke zur Grube<br />
Emil Mayrisch<br />
(KBS 453; öffentlicher<br />
Verkehr nur bis<br />
In den späten 70ern verfügt Sulingen noch über Wasserkräne, obwohl die Diesellok längst den Betrieb<br />
erledigt. Eine 220 trifft 1977 mit einem Eilzug in Sulingen ein W.-D. Loos (o.), Karten: Slg. K. Rothzoll<br />
OBEN/RECHTS <strong>1975</strong><br />
ist Sulingen für den<br />
Personenverkehr nur<br />
noch Unterwegshalt<br />
(o.); die Bahnanlagen<br />
sind recht ausgedehnt<br />
(r., 1977)<br />
Wolf-Dietmar Loos (r.)<br />
zum vor dem Werksbahnhof gelegenen Haltepunkt<br />
Siersdorf). Außerdem hatte die DB<br />
1953 eine Verbindungskurve vom unteren<br />
Bahnhofsteil hinauf zur Alsdorfer Strecke (Abzweig<br />
Kellersberg) eröffnet. Trotz des hohen<br />
Verkehrsaufkommens begann die DB aber<br />
schon keine zehn Jahre später mit Fahrplaneinschränkungen<br />
– zunächst an Sonntagen<br />
zwischen Aachen Nord und Jülich.<br />
Zum Sommerfahrplan <strong>1975</strong> hatte es weitere<br />
Kürzungen gegeben. Außer in Tagesrandlagen<br />
ruhte nun auch sonnabends der<br />
Verkehr nach Aachen und Jülich sowie sonntags<br />
zwischen Stolberg und Herzogenrath.<br />
Unter der Woche war der mit Triebwagen abgewickelte<br />
Reiseverkehr aber immer noch beachtlich,<br />
wie die Zugzahlen (wegen Unpaarigkeit<br />
addierte Werte für beide Richtungen)<br />
beweisen: Grube Emil Mayrisch 14, Jülich 20,<br />
Aachen Nord 22, Herzogenrath 26 und Stolberg<br />
22. Und immer noch gab es für den Berufsverkehr<br />
einige durchgehende Verbindungen<br />
Grube Emil Mayrisch – Mariagrube –<br />
Herzogenrath über die Kellersberger Kurve!<br />
Nachmittags konnte man beispielsweise gegen<br />
15 Uhr vier Reisezüge zugleich im Bahnhof erleben:<br />
Unten kreuzten zwei Triebwagen der<br />
Relation Aachen Nord – Jülich, oben passierte<br />
ein Triebwagen Herzogenrath – Stolberg<br />
den (einzigen) Bahnsteig und schließlich gab<br />
es noch den Zuglauf Grube Emil Mayrisch –<br />
Herzogenrath am Durchgangsbahnsteig der<br />
Verbindungskurve. Lange sollte diese Nebenbahnherrlichkeit<br />
aber nicht mehr währen. Im<br />
Mai 1980 endete der Reiseverkehr Aachen<br />
Nord – Jülich und im Dezember 1984 auch<br />
auf den anderen Strecken.<br />
Der Nebenbahnknoten Olpe an den Kursbuchstrecken<br />
361 und 416, Stand <strong>1975</strong><br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013 65
Strecken und Fahrten<br />
FOKUS HAUPT<strong>BAHN</strong>KNOTEN WUPPERTAL-WICHLINGHAUSEN<br />
Betrachtet man Eisenbahnknoten, die <strong>1975</strong><br />
noch existierten (und in gewisser Weise<br />
wichtig waren), aber heute ihre Bedeutung eingebüßt<br />
haben, so finden sich hierfür nicht nur<br />
auf Nebenbahnen Beispiele. Ein (kleiner)<br />
Hauptbahnknoten ist Wuppertal-Wichlinghausen,<br />
den man heute sogar auf aktuellen Eisenbahnkarten<br />
gar nicht mehr findet.<br />
Die Ausgangslage<br />
<strong>1975</strong> gab es im Bahnhof Wuppertal-Wichlinghausen<br />
noch ganz regulären Betrieb, wenn auch<br />
schon nicht mehr so viel wie in den Jahren davor.<br />
Entstanden ist der Bahnhof unter dem Namen<br />
„Ober-Barmen (Rh)“ mit dem Bau der Rheinischen<br />
Strecke von (Düsseldorf-)Derendorf nach<br />
(Dortmund-)Hörde, die am 15. Sep tember 1879<br />
durchgehend eröffnet wurde. Gedacht als Konkurrenzlinie<br />
zur im Tal der Wupper verlaufenden Strecke<br />
der Bergisch-Märkischen Eisenbahn (BME),<br />
führte die Rheinische Strecke in erhöhter Lage an<br />
den Nordhängen der noch eigenständigen Städte<br />
Elberfeld und Barmen entlang. Dies machte aufwendige<br />
Bauwerke erforderlich, hielt die Steigungen<br />
aber im Gegensatz zur BME mit deren<br />
Steil rampe bei Hochdahl gering. Mit dem Bau der<br />
aus nördlicher Richtung einmündenden Strecke<br />
aus Hattingen wurde der im engen Gleisbogen gelegene,<br />
1892 in „Barmen-Wichlinghausen“ umbenannte<br />
Bahnhof 1884 endgültig zum kleinen<br />
Knotenpunkt. Der Ausbau ging weiter: 1890 entstand<br />
in Form einer großen S-Kurve die Einführung<br />
in den Bahnhof Barmen-Rittershausen (seit<br />
1930: Wuppertal-Oberbarmen) an der BME-Tallinie.<br />
Dadurch wurde Wichlinghausen zum Keilbahnhof.<br />
Fortan bildete er den östlichen Zugang<br />
von der Rheinischen Strecke zu den anderen Wuppertaler<br />
Bahnhöfen, dazu entstand hier auch ein<br />
großer Rangierbahnhof mit Ablaufberg.<br />
OBEN Im Mai 1973 begegnet<br />
052 625 im<br />
Bahnhof Wuppertal-<br />
Wichlinghausen einem<br />
Akkutriebwagen-Gespann;<br />
die Dampflok<br />
holt hier einen Güterzug<br />
mit Ziel Vohwinkel<br />
ab, die Garnitur aus<br />
515/815 ist im Personenverkehr<br />
unterwegs<br />
Wolfgang Bügel/Bildarchiv<br />
der Eisenbahnstiftung<br />
RECHTS Am 31. Juli<br />
<strong>1975</strong> erreicht der<br />
(offiziell) letzte<br />
dampflokbespannte<br />
Kalkzug Gag 58988<br />
aus Geseke den<br />
Bahnhof Wuppertal-<br />
Wichlinghausen. Für<br />
die Leistung ist<br />
044 674 eingeteilt<br />
Wolfgang Bügel/Bildarchiv<br />
der Eisenbahnstiftung<br />
Zugverkehr ab den späten 70ern<br />
Trotz ihrer steigungsarmen Streckenführung<br />
stand die Rheinische Strecke immer im Schatten<br />
der BME-Verbindung und erlangte im Personenverkehr<br />
nur regionale Bedeutung, während<br />
man im Güterverkehr gern auf sie zurückgriff.<br />
Ähnlich erging es auch der Hattinger Strecke<br />
(KBS 336). Im Winter <strong>1975</strong>/76 wies das Kursbuch<br />
für sie nurmehr sechs Zugpaare auf, zwei<br />
weitere Züge endeten aus Richtung Wuppertal-<br />
Oberbarmen kommend in Wichlinghausen. Auf<br />
der zuletzt allein mit Akkutriebwagen 515 und<br />
Schienenbussen betriebenen Strecke endete<br />
der Personenverkehr zum 30. November 1979<br />
und 1984 wurde die ganze Strecke stillgelegt.<br />
Auf der Rheinischen Strecke hingegen sah es<br />
<strong>1975</strong> noch besser aus: Zwar war der Personenverkehr<br />
auf dem östlichen Abschnitt von<br />
Wichlinghausen in Richtung Hagen bereits<br />
1971 eingestellt worden (letzten Güterverkehr<br />
gab es noch bis 1989), doch vermeldete das<br />
Kursbuch für die KBS 401 Düsseldorf/Wuppertal-Vohwinkel<br />
– Wuppertal-Wichlinghausen immerhin<br />
noch insgesamt 21 Zugpaare. Ab 1984<br />
dünnte die DB aber auch hier den Zugverkehr<br />
aus; übrig blieb zuletzt nur noch ein Alibi-Zugpaar.<br />
Der Anfang vom Ende der Rheinischen<br />
Strecke und damit auch des Bahnhofs Wichlinghausen<br />
kam am 27. September 1991, als<br />
die DB den kompletten Personenverkehr einstellte.<br />
Der Güterverkehr hielt sich kaum länger.<br />
1996 wurden die Gleise an mehreren<br />
Stellen demontiert, so auch im Wichlinghauser<br />
Bahnhof. Der kleine Bahnknoten im Bergischen<br />
Land war Geschichte. Heute befindet<br />
sich hier das erste Teilstück eines Radweges,<br />
der später einmal auf der Trasse der Rheini-<br />
schen Strecke durch ganz Wuppertal führen<br />
soll.<br />
Eine Besonderheit sei abschließend noch erwähnt.<br />
Der Bahnknoten verfügte im Laufe seiner<br />
Geschichte über insgesamt vier Namen.<br />
Nacheinander waren dies:<br />
Ober-Barmen (Rh) ......................... 1879 – 1892<br />
Barmen-Wichlinghausen ................ 1892 – 1930<br />
Wichlinghausen ...................... 1930 – 1952/53<br />
Wuppertal-Wichlinghausen ...... 1952/53 – 1991<br />
OLIVER STRÜBER<br />
schaft (BME), indem man die 1874 eröffnete<br />
Zweigstrecke Finnentrop (an der wichtigen<br />
Ruhr-Sieg-Strecke) – Attendorn ab 1. November<br />
1875 bis Olpe verlängerte. Zum 1. Dezember<br />
1880 wurde aus dem Endbahnhof Olpe<br />
eine Durchgangsstation durch Inbetriebnahme<br />
der Verlängerung nach Rothemühle. 1907<br />
schließlich wurden die Stadt Freudenberg bzw.<br />
das Siegtal bei Kirchen direkt per Schiene verbunden.<br />
Zum Knotenpunkt wurde der Bahnhof<br />
Olpe bereits einige Jahre vorher. Mit dem<br />
am 1. September 1903 vollzogenen Lückenschluss<br />
Olpe – Bergneustadt gab es nun auch<br />
eine durchgehende Verbindung hinüber ins<br />
Bergische Land und weiter an den Rhein.<br />
Im bis 31. Mai <strong>1975</strong> gültigen Winterfahrplan<br />
war der Schienenreiseverkehr um Olpe<br />
auf der KBS 361 Finnentrop – Olpe –<br />
66
Wuppertal-Wichlinghausen, Daun, Olpe<br />
Rothemühle noch recht umfangreich; das galt<br />
unter der Woche auch für die KBS 416 Olpe –<br />
Dieringhausen, doch gab es hier sonntags<br />
schon starke Einschränkungen. Es fuhren weit<br />
überwiegend Schienenbusse, in/aus Richtung<br />
Rothemühle sogar ausschließlich.<br />
Der Fahrplanwechsel zum Sommer <strong>1975</strong><br />
brachte für den Bahnhof Olpe Kürzungen unterschiedlichen<br />
Ausmaßes. Richtung Finnentrop<br />
entfielen nur einzelne Züge (wöchentlich<br />
vier Prozent), doch sah es auf den beiden anderen<br />
Ästen düster aus. Von Samstagnachmittag<br />
bis Montagmorgen herrschte fortan Betriebsruhe.<br />
Nach/von Rothemühle schrumpfte<br />
das wöchentliche Angebot um 34 Prozent, auf<br />
der Dieringhauser Strecke gar um 58 Prozent.<br />
Das beachtliche Verkehrspotenzial dort überließ<br />
die DB weitestgehend dem Bus. Daher<br />
war eine spätere Stilllegung der Streckenäste in<br />
Richtung Dieringhausen (Dezember 1979)<br />
und Rothemühle (Reiseverkehr Mai 1983) nur<br />
eine Frage der Zeit. Der einstige Bahnhof Olpe<br />
ist heute Endhaltepunkt der im Stundentakt<br />
betriebenen Strecke aus Finnentrop.<br />
Beispiel 4: Daun<br />
In der herb-schönen Vulkaneifel gelegen, erhielt<br />
Daun seinen Bahnhof an der am 15. Mai<br />
OBEN Im Januar 1977<br />
steht 211 230 mit<br />
ihrem Nahverkehrszug<br />
in Olpe. Der lokbespannte<br />
Zug wirkt<br />
hier eher etwas ungewöhnlich<br />
...<br />
Udo Kandler<br />
RECHTS ... denn in<br />
erster Linie war Olpe<br />
ein Schienenbusrevier<br />
(Foto mit 795<br />
und 995) Udo Kandler<br />
UNTEN RECHTS Daun<br />
(KBS 602, 623) und<br />
Simmern (KBS 606,<br />
607) im DB-Netz ‘75<br />
Ähnlich wie Olpe wurde Daun erst im frühen<br />
20. Jahrhundert ein kleiner Knotenpunkt. Die<br />
Preußische Staatsbahn eröffnete nach Süden<br />
den Abschnitt Daun – Gillenfeld. Vom Juli<br />
1910 an konnte durch den Lückenschluss Gillenfeld<br />
– Wittlich auch das Gebiet um die<br />
Mittelmosel direkt erreicht werden. <strong>1975</strong> war<br />
dies die KBS 623 Daun – Wengerohr.<br />
Fahrplankürzungen in Daun: Von Samstagmittag bis<br />
Montagmorgen fuhren keine Reisezüge mehr<br />
1895 in Betrieb gegangenen Eifelquerbahn<br />
Mayen Ost – Gerolstein (<strong>1975</strong>: KBS 602).<br />
Bis Mai <strong>1975</strong> hatte der Fahrplan die Struktur<br />
aus den späten 60er-Jahren mit – wenn auch<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
67
Strecken und Fahrten<br />
Mitte der 70er-Jahre hat der Bahnhof von Daun in der Eifel durchaus ein<br />
gewisses Verkehrsaufkommen. Davon zeugen der Güterwagen an der<br />
Laderampe und der Gepäckkarren rechts<br />
Selbst ein kleiner Lokbahnhof war in Daun vorhanden. Mitte der 70er-<br />
Jahre präsentierte er sich noch gut gepflegt, die Spitzenzeiten der<br />
Nutzung lagen aber schon hinter ihm Ulrich Rockelmann (2)<br />
nicht allzu gutem – täglichen Zug angebot. Nur<br />
ein Paar zwischen Gerolstein und Mayen war lokbespannt,<br />
sonst sah man Schienenbusse.<br />
Die Fahrplankürzungen zum 1. Juni zeigten<br />
sich auf die Woche verteilt nicht einmal so stark,<br />
doch lag der Teufel im Detail. Einmal gab es von<br />
Samstagnachmittag bis zum frühen Montagmorgen<br />
auf allen drei Streckenästen keine Reisezüge<br />
mehr. Von Daun in Richtung Gerolstein reduzierte<br />
sich das Wochenangebot um 14 Prozent,<br />
in Richtung Mayen um 13 Prozent. Werktags außer<br />
sonnabends entfielen nur wenige Züge, dafür<br />
endete am Samstag der Zugverkehr gegen 15 Uhr.<br />
Atypisch zeigte sich der neue Fahrplan auf der<br />
KBS 623 Daun – Wittlich. Während sonntags<br />
acht und samstags zwei Züge entfielen, kamen<br />
unter der Woche sogar zwei Leistungen zwischen<br />
Daun und Gillenfeld dazu. Diese stellten indes<br />
keine Kundenfreundlichkeit der DB dar, sondern<br />
waren vor allem umlaufbedingt! Auf die ganze<br />
Woche bezogen also letztlich ein „Nullsummenspiel“…<br />
1988 wurde dann durch Stilllegung des<br />
Abschnitts Daun – Schalkenmehren der Bahnhof<br />
Daun zu einer reinen Durchgangsstation.<br />
Beispiel 5: Simmern<br />
Die älteste Bahnverbindung Simmerns datiert<br />
vom 7. Oktober 1889 mit Inbetriebnahme der<br />
Stichstrecke von Langenlonsheim (Anschluss an<br />
die Nahebahn) hinauf in den Hunsrück. 1901<br />
eröffnete Preußen gleich zwei weitere Bahnen<br />
von Simmern aus: am 15. Juli nach Kirchberg<br />
(Hunsrück) und am 20. Oktober bis Kastellaun.<br />
Beide Orte waren nicht als Dauer-Endpunkte<br />
angesehen, denn es entstanden jeweils<br />
Lückenschlüsse nach Südwesten und Nordosten.<br />
Durchgehenden Nebenbahnverkehr bis<br />
Hermeskeil gab es seit Oktober 1903, bis Boppard<br />
im Rheintal ab August 1908. Die vierte<br />
Simmerner Strecke entstand bei der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Reichsbahn und wurde am 16. August<br />
1921 bis Gemünden (Hunsrück) eröffnet. Sie<br />
wies stets nur einen bescheidenen Verkehr auf<br />
und wurde von der DB bereits im November<br />
1963 (Personenverkehr) bzw. zum Jahresende<br />
1964 (Güterverkehr) stillgelegt. Simmern<br />
besaß auch ein kleines Bahnbetriebswerk.<br />
Das Zugangebot bis Ende Mai <strong>1975</strong> zeigte<br />
sich zwar mager, doch bestand außer in<br />
Richtung Hermeskeil noch Verkehr an Sonnund<br />
Feiertagen. Auf den Strecken Simmern –<br />
Boppard (KBS 606) und Simmern – Hermeskeil<br />
(Teil der KBS 607) waren Schienenbusse<br />
im Einsatz, auf der Strecke Simmern –<br />
Langenlonsheim (zweiter Teil der KBS 607)<br />
überwiegend. Der Fahrplanwechsel zum<br />
Das Jahr <strong>1975</strong> war eine Wendemarke: Für viele<br />
Nebenbahnknoten begann der Niedergang<br />
1. Juni brachte – außer auf der ohnehin schon<br />
schwach bedienten Hermeskeiler Strecke –<br />
spürbare Einschränkungen. Generell führte<br />
die DB von Sonnabendnachmittag bis Montagmorgen<br />
eine Betriebsruhe ein. Von und<br />
nach Langenlonsheim sank das wöchentliche<br />
Zugangebot um 14 Prozent, auf der Bopparder<br />
Strecke sogar um 25 Prozent. Der Grund:<br />
Der Sonntagsverkehr entfiel, unter der Woche<br />
strich man vor allem Früh- und Abendzüge.<br />
Nach Stilllegung der Verbindung Simmern<br />
in Richtung Emmelshausen 1983 besitzt<br />
Simmern einen bloßen Durchgangsbahnhof,<br />
wobei die Reaktivierung der Strecke<br />
Langenlonsheim – Simmern – Flugplatz<br />
Hahn im Reiseverkehr inzwischen fraglich erscheint.<br />
Rückblickend betrachtet, stellt gerade das<br />
Jahr <strong>1975</strong> bei der <strong>Bundesbahn</strong> eine Wendemarke<br />
dar. Setzte doch mit dem eingeführten<br />
Sparfahrplan vielfach der Niedergang ein, der<br />
die Nebenbahnknoten reduzierte und vielfach<br />
obsolet machte. Die vorgestellten Bahnhöfe<br />
liefern ein beredtes Beispiel dafür.<br />
Ulrich Rockelmann/GM<br />
Im September 1973<br />
entstand dieses Bild<br />
vom kleinen Bahnbetriebswerk<br />
des<br />
Nebenbahnknotens<br />
Simmern. Noch hat<br />
die DB hier Verwendung<br />
für Dieselloks,<br />
aber die Buskonkurrenz<br />
ist ebenfalls<br />
schon präsent<br />
Wolf-Dietmar Loos<br />
68
Ausgabe verpasst? Kein Problem!<br />
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06/12<br />
01/13<br />
02/13<br />
03/13<br />
04/13<br />
05/13<br />
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Erinnerungen<br />
Unterwegs mit der Bezirkswochenkarte<br />
Mit der Bahn auf<br />
Dampflokjagd<br />
Traditionell nutzt der jugendliche Martin Weltner die Zeit nach<br />
Weihnachten zu Ausflügen mit und zu der Eisenbahn. Ende <strong>1975</strong><br />
ist er den Strecken vor der Haustür auf der Spur: Mit der<br />
Bezirkswochenkarte geht es durch Niedersachsen und zu den<br />
letzten Dampfloks im Harz<br />
Am kalten 29. Dezember <strong>1975</strong> steht die Lehrter<br />
052 491 mit dem E 3104 abfahrbereit im<br />
Bahnhof Bad Harzburg. Die Dampflok wird<br />
den Zug bis Goslar ziehen, wo ihn eine Diesellok<br />
zur Weiterfahrt nach Hannover übernimmt<br />
Aufnahmen des Beitrags: Martin Weltner<br />
70
Bahnreise <strong>1975</strong><br />
LINKS Mit einer<br />
Bezirks- bzw.<br />
Bezirkswochenkarte<br />
war der<br />
Autor im Jahre<br />
<strong>1975</strong> mehrfach<br />
unterwegs<br />
RECHTS Der<br />
Bezirk "Kassel<br />
322" ermöglichte<br />
Fahrten<br />
von Hameln in<br />
den Harz und<br />
bis nach Kassel<br />
Im Jahr <strong>1975</strong> war an eine Bahncard noch nicht zu denken, aber die<br />
<strong>Bundesbahn</strong> bot eine Reihe von Fahrpreisvergünstigungen an, die<br />
das Bahnfahren preiswerter und teilweise auch einfacher machten.<br />
Großer Beliebtheit erfreuten sich seinerzeit die einen Monat geltenden<br />
Bezirkskarten und ihre kleinere Variante, die Bezirkswochenkarte. Diese<br />
galt auf einem Schienennetz von rund 1.000 Kilometern Länge. Das<br />
DB-Netz war dafür in zahlreiche Bezirke aufgeteilt, die sich mehr oder<br />
weniger überlappten.<br />
Im Winterfahrplanabschnitt <strong>1975</strong>/76 kostete eine solche Bezirkswochenkarte<br />
65,- DM. Dafür konnte man sieben Tage lang Nahverkehrs-<br />
, Eil-, D- und DC-Züge unbeschränkt benutzen. Die noblere<br />
Variante, die Bezirkswochenkarte 1. Klasse berechtigte (für 150,- DM)<br />
auch zur Nutzung von IC- und TEE-Zügen ohne Zuschlag.<br />
Tour in den Harz<br />
Die Tage nach Weihnachten wurden von mir wie üblich für eine ausgedehnte<br />
Fototour genutzt. Ende Dezember <strong>1975</strong> ging es aber nicht in<br />
fernere Gefilde wie Hof oder Rottweil, sondern in den Harz und das<br />
östliche Niedersachsen. Ziel waren die Dampfloks der Baureihen 044<br />
und 050-053, die in Lehrte und Ottbergen ihren letzten Fahrplanabschnitt<br />
vor sich hatten – Ende Mai 1976 sollte die Herrlichkeit enden.<br />
Und für Fahrten dorthin war die Bezirkswochenkarte ideal.<br />
Ganz früh morgens um 04:30 Uhr machten wir uns am 29. Dezember<br />
auf den Weg. Wir, das waren zwei gleichgesinnte Freunde und<br />
ich. Unser Ziel: die beiden morgendlichen Reisezüge im Harz, die zwischen<br />
Bad Harzburg und Goslar noch mit Dampfloks bespannt wurden.<br />
Das war ein lohnendes Fotoziel.<br />
Mit einer Ellok 141 und einem Wendezug aus Silberlingen ging es<br />
zunächst als Zug 5801 von Hameln nach Weetzen. Die Türen schlossen<br />
automatisch, was damals noch keinesfalls die Regel war. In Weetzen<br />
gab es Anschluss an den Zug 4801, der über die Deisterbahn von<br />
Haste kam und uns bis Hannover brachte. Auch hier Standardmaterial:<br />
eine Seelzer 141 mit Silberlingen, die noch im Originalzustand daher<br />
kamen; mit Kunstledersitzen und allen Fenstern zum Öffnen. Nach<br />
einer knappen halben Stunde Aufenthalt fuhren wir weiter mit E 3101<br />
nach Goslar. Diesmal lief eine Diesellok 216 aus Braunschweig an der<br />
Spitze und hatte ein Sammelsurium von Wagen am Zughaken: Silberlinge,<br />
einen Mitteleinstiegs-Eilzugwagen, einen Umbau-Vierachser<br />
und als krönenden Schluss des Zuges einen noblen Schürzenwagen<br />
1./2. Klasse. Längst aus dem Fernverkehr verdrängt, bot er mit (in der<br />
2. Klasse) Abteilen mit acht Sitzplätzen Schnellzugkomfort der 50er-<br />
Jahre. Keine Frage: Den mussten wir nehmen.<br />
„Bitte Türen schließen, der Zug fährt ab“ tönte es um 06:04 Uhr<br />
aus dem Bahnsteiglautsprecher. Geschmeidig rollte der Wagen von der<br />
Landeshauptstadt in Richtung Goslar. Kein Vergleich zu den Silberlingen,<br />
in denen immer etwas klapperte und schepperte. Pünktlich erreichte<br />
der Zug nach sieben Zwischenhalten und anderthalb Stunden<br />
Fahrtzeit die Kaiserstadt am Harz, wo uns schon ein Dampfzug erwartete.<br />
Am Hausbahnsteig stand der Leerreisezug für den E 3104 Bad<br />
Harzburg –<br />
Goslar – Hannover<br />
mit<br />
Kurswagen<br />
nach Köln –<br />
seinerzeit der<br />
prominenteste<br />
Dampfreisezug<br />
der DB,<br />
wenngleich<br />
die eingesetzte 44 oder 50 (das Goslarer Personal hatte da frühmorgens<br />
die freie Auswahl) nur die elf Kilometer von Bad Harzburg nach Goslar<br />
am Zug blieb. Ein, zwei Bilder vom Leerzug, der schnell den Bahnhof<br />
verließ, dann ging es mit einem Schienenbus (Nahverkehrszug<br />
6762, im Kursbuch ohne Buchstabe vor der Zugnummer) hinterher<br />
nach Bad Harzburg. Die an diesem Tag eingesetzte 50er hatte mittlerweile<br />
umgesetzt und stand vor ihren sechs 26,4-Meter-Wagen abfahrbereit<br />
am Bahnsteig. Gleich im ersten Wagen hinter der Lok fanden<br />
wir in einem freien Abteil des E 3104 Platz: Um 08:16 Uhr ging<br />
es los und die folgenden 13 Minuten bis zur Ankunft in Goslar blieb<br />
die „Rübe“ draußen. Galt es doch, den Klängen der schwer arbeitenden<br />
Lok zu lauschen und den Geruch von Dampf und heißem Öl zu<br />
schnuppern.<br />
Dampftraktion pur: Von Bad Harzburg<br />
bis Goslar blieb die „Rübe draußen“<br />
Von Goslar aus brachte uns ein Schienenbus als Zug 6121 zurück<br />
nach Bad Harzburg, wo mit dem E 3536 nach Goslar samt Kurswagen<br />
nach Flensburg der nächste Dampfzug anstand. Nur zwei Wagen<br />
umfasste er, doch durch zwei Zwischenhalte brauchte er 17 Minuten<br />
für die Fahrt nach Goslar.<br />
Von Goslar fuhren wir dann in einem weiteren Eilzug nach Kreiensen,<br />
und auch diese Fahrt verlief stilvoll. Letzter Wagen im Zug war<br />
ein aus Polen stammender Schnellzugwagen der Hecht-Bauart: Seitengang,<br />
acht Sitzplätze im Abteil und viel verbautes Holz sorgten in<br />
dem fast 50 Jahre alten Wagen für eine heimelige Atmosphäre.<br />
Nach einem Abstecher nach Herzberg ging es über Goslar am Abend<br />
nach Braunschweig: Höhepunkt des Tages war die nun folgende Mitfahrt<br />
im Zug 6178 Braunschweig – Goslar, dem damals längsten Dampflok-<br />
Durchlauf vor einem DB-Reisezug. Obwohl im Kursbuch mit dem Triebwagen-Piktogramm<br />
(so was gab es damals noch!) gekennzeichnet, verkehrte<br />
der Zug planmäßig mit einer Lehrter 50er und sechs Reisezugwagen.<br />
57 Minuten hatte der Fahrplan für die 53 Kilometer nach Goslar vorgesehen,<br />
und das bei sieben Zwischenhalten – hier waren erfahrene Männer<br />
am Regler und eine „sportliche“ Fahrweise gefragt. Ohne scharfes Anfahren<br />
und beherztes Bremsen war die Fahrzeit nicht zu halten.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013 71
Erinnerungen<br />
Schwer arbeiten muss die Tender voraus fahrende 044 671 vom Bw Ottbergen am 30. Dezember<br />
<strong>1975</strong>, um ihren Güterzug nach Northeim im Bahnhof Herzberg in Gang zu setzen<br />
„Differenz Ortszeit zu Berlin-Zeit -14 Minuten“ verkündet ein verblasster Schriftzug unterhalb<br />
der Bahnhofsuhr in Hardegsen<br />
Nachdem der Zug pünktlich um 19:53 Uhr mit qualmenden Bremsen<br />
in Goslar eingelaufen war, steuerten wir erst einmal die Bahnhofsgaststätte<br />
an, um die Erlebnisse des Tages Revue passieren zu lassen.<br />
Und wir waren uns einig, das am nächsten Tag noch einmal oder so<br />
ähnlich erleben zu wollen.<br />
Kühne Entschlüsse dank der Karte<br />
Da die Bezirkswochenkarte bis nach Kassel reichte, fassten wir einen<br />
kühnen Entschluss: eine Nacht im Zug bzw. in zwei Zügen zu verbringen.<br />
Mit dem E 3172 als letztem Zug des Tages fuhren wir nach<br />
Hannover, das wir um 23:06 Uhr erreichten. Pünktlich um 23:56 Uhr<br />
rollte D 599 Kiel – Lindau in den Bahnhof ein, der uns die erste Nachthälfte<br />
beherbergen sollte. An der Zugspitze fanden wir ein leeres Abteil,<br />
schnell waren das Licht gelöscht und die Vorhänge zum Abteil<br />
zugezogen; Sitze in Liegestellung und möglichst nicht fest einschlafen.<br />
Wenigstens einer von uns musste halbwegs wach bleiben, denn um<br />
02:59 Uhr hieß es in Kassel umsteigen in den Gegenzug D 598, der<br />
um 03:05 Uhr in Richtung Norden abfahren sollte. Alles kein Problem,<br />
unser Rückreisezug stand schon am selben Bahnsteig bereit – geschätzte<br />
acht Meter Fußmarsch, und wir fanden auch hier wieder ein Abteil<br />
für uns. Nach anderthalb Stunden flotter Fahrt über die Nord-Süd-<br />
Nächtliche Spritztour nach Kassel –<br />
Ankunft 02:59 Uhr, Abfahrt 03:05 Uhr!<br />
Strecke stiegen wir um 04:35 Uhr in Kreiensen aus, von wo uns ein<br />
als Zug 6105 geführter Schienenbus mit Halten „an jeder Milchkanne“<br />
wieder nach Goslar brachte, wo wir schon wieder dem damals noch<br />
alltäglichen Dampfspektakel entgegen fieberten ... So haben wir das<br />
Jahresende <strong>1975</strong> und den Jahresbeginn 1976 mit aufregenden Touren<br />
kreuz und quer durch „unseren“ Bezirk verbracht. Es sollte nicht<br />
das letzte Abenteuer im <strong>Bundesbahn</strong>-Netz bleiben. Martin Weltner<br />
72
„Nachtfahrt“ mit der Bezirkswochenkarte<br />
OBEN Auch am frühen Abend gibt es noch einen dampf bespannten Reisezug Goslar – Bad Harzburg:<br />
Eine Lehrter 50er wird E 3547 mit seinen Kurswagen aus Flensburg in den Kurort bringen<br />
LINKS Nostalgisch<br />
reisen im Jahre<br />
<strong>1975</strong>: In einem<br />
Eilzug von Goslar<br />
nach Kreiensen<br />
bildet dieser Hechtwagen<br />
polnischen<br />
Ursprungs den Zugschluss<br />
RECHTS Ein Blick in<br />
den Hechtwagen mit<br />
seinem Seitengang<br />
und den hölzernen<br />
Schiebetüren zu den<br />
achtsitzigen Abteilen<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
73
Momentaufnahmen<br />
Den dynamischen Schwung der 50er-Jahre-Formen nehmen die Triebzüge 601/602 auch in die<br />
70er mit. Sie fahren unter anderem im IC-Verkehr (Bild bei Münster (Westf)) Ludwig Rotthowe<br />
<strong>Bundesbahn</strong>-Impressionen<br />
Das ist die DB!<br />
Wer sagt, dass die <strong>Bundesbahn</strong> kein Flair hat? Ob letzte<br />
Dampfnostalgie, uriger Bahnhof oder dynamischer Reisezug,<br />
der Alltagsbetrieb kann durchaus beeindrucken.<br />
Erinnerungen an charakteristische Seiten der DB<br />
Links zum Personalbüro, rechts zum Gleis -<br />
lager und geradeaus zu den Dampfloks: Im<br />
Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau hat alles<br />
seine Ordnung (Bild vom September <strong>1975</strong>).<br />
Und für den Fan sind es paradiesische Verhältnisse<br />
Udo Kandler/Bildarchiv der Eisenbahnstftg.<br />
Auch in der angestrebten modernen Eisenbahnwelt<br />
hat die Zugschlusslaterne mit Petroleumlicht<br />
ihren festen Platz. Meist findet<br />
man sie auf Güterzügen, manchmal auch im<br />
Nahverkehr. Die Laternen bleiben noch bis<br />
weit in die 80er-Jahre hinein im Einsatz (Aufnahme<br />
in Bebra)<br />
Udo Kandler
<strong>Bundesbahn</strong>-Impressionen<br />
Auf den DB-Nebenbahnen sind es Mitte der<br />
70er-Jahre oftmals Umbauwagen, welche die<br />
Reisenden von der Bahnsteigkante abholen.<br />
Ausnahmsweise hat sich hier ein Schnellzugwagen<br />
dazu gesellt. Mit dem Vorkriegspackwagen<br />
ist außerdem noch ein typisches<br />
Fahrzeug für Nahverkehrs- und Eilzüge dabei.<br />
Aufgenommen in Waldkirchen, Strecke Passau<br />
– Freyung<br />
Jürgen A. Bock<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
75
Strecken und Fahrten<br />
Am 15. Mai 1976 steht Diesellok 218 254 mit E 3590 in Lenggries bereit. Der Zug nahm seit dem Winterfahrplan <strong>1975</strong>/76 die Wagen des<br />
vorigen Saison-Eilzugs E 3594 auf, womit die DB jenen Zug und eine Fahrt einsparte. Die Fahrplanlage des E 3594 und ein Versagen der Fahrdienstleiter<br />
hatten am 8. Juni <strong>1975</strong> bei Warngau eine Katastrophe heraufbeschworen<br />
Claus-Jürgen Schulze<br />
Zugverkehr im bayerischen Oberland 1974/75<br />
Ein Unfall als Merkpunkt<br />
Zwei Strecken erschließen von München aus das bayerische Oberland. Die eine führt nach Lenggries,<br />
die andere nach Bayrischzell. In den 70er-Jahren haben sie teilweise Taktverkehr erhalten. Vor allem<br />
aber bleibt ein Ereignis in Erinnerung: der schwere Zugzusammenstoß bei Warngau am 8. Juni <strong>1975</strong><br />
Als 1972 in München das S-Bahn-Zeitalter<br />
begann, hatte dies auch mehr oder<br />
weniger große Auswirkungen auf den<br />
Regionalverkehr der von München ausgehenden<br />
Strecken. Besonders beeinflusst wurde das<br />
Angebot ins „bayerische Oberland“, denn hier<br />
wurde zu dieser Zeit bereits der Taktverkehr<br />
eingeführt. Die Eilzüge nach Lenggries und<br />
Bayrischzell verkehrten im exakten Zwei-<br />
Stunden-Takt. Zwischen 7 Uhr und 20 Uhr<br />
ergab dies sieben tägliche Zugpaare je Relation<br />
– das Zugangebot war damit freilich nicht<br />
so üppig, wie man es bei dem heutigen Stundentakt<br />
kennt.<br />
Bei den Lenggrieser Taktzügen fand die Begegnung<br />
der Züge in Holzkirchen statt, damit<br />
entsprach das Taktschema schon dem heutigen<br />
Muster. Die Bayrischzeller Züge hatten<br />
ihre Systemkreuzung in Fischhausen-Neuhaus.<br />
Dadurch mussten sie zwischen München<br />
und Holzkirchen andere Taktlagen einnehmen<br />
als die Lenggrieser Züge, wodurch es<br />
auf diesem Abschnitt nicht zum exakten Stundentakt<br />
kam. Die Züge von/nach Lenggries<br />
hatten alle einen Zugteil nach Tegernsee, der<br />
in Schaftlach entsprechend umgestellt wurde.<br />
Ergänzend zu den Taktzügen gab es noch zusätzliche<br />
Nahverkehrszüge, die überwiegend<br />
von Montag bis Freitag verkehrten, sowie zusätzliche<br />
Ausflugszüge zu den verkehrsstarken<br />
Zeiten am Wochenende.<br />
Die S-Bahn-Linie 2 konnte 1972 noch<br />
nicht bis Holzkirchen verkehren, weil noch<br />
nicht genügend Elektrotriebzüge der Baureihe<br />
420 vorhanden waren. Diese Linie endete<br />
deshalb in Deisenhofen (nur zwei Züge nachts<br />
bzw. frühmorgens fuhren bis/ab Holzkirchen).<br />
In Deisenhofen bestand ein Übergang zu einem<br />
lokbespannten Zug als „S-Bahn-Anschlussverkehr“<br />
München Hbf – Holzkirchen<br />
im 40-Minuten-Takt. Bis 1974/75 gab es für<br />
die Strecken noch drei Kursbuchtabellen: 954<br />
(S-Bahn-Verkehr München – Holzkirchen),<br />
955 (München – Lenggries) und 956 (München<br />
– Bayrischzell).<br />
Der Bahnbetrieb <strong>1975</strong><br />
<strong>1975</strong> wurde einiges anders: Dies betraf zunächst<br />
die Kursbuchtabellen selbst. Aus 954,<br />
955 und 956 wurde eine Tabelle 955, die jetzt<br />
alles enthielt. Übersichtlicher wurde sie dadurch<br />
nicht unbedingt ...<br />
Die S-Bahn-Linie 2 konnte <strong>1975</strong> durchgehend<br />
von Petershausen bis Holzkirchen verkehren.<br />
Dafür entfiel der lokbespannte Anschlussverkehr<br />
München – Holzkirchen<br />
weitgehend. Nur in den Berufsverkehrszeiten<br />
76
Oberland 1974/75<br />
verblieben einzelne Züge München Hbf –<br />
Deisenhofen, aus denen später die S 27 wurde.<br />
Speziell für die Bedienung des Haltepunkts<br />
Siemenswerke gab es weiterhin einige durchgehende<br />
Züge Germering/Fürstenfeldbruck/Starnberg<br />
– Pasing – Deisenhofen.<br />
Auf der Lenggrieser Strecke wurde <strong>1975</strong><br />
der bisherige Taktverkehr aufgegeben. Offensichtlich<br />
war die Verteilung der Züge zu ungünstig<br />
und man ging wieder zur bedarfsorientierten<br />
Fahrplangestaltung über. Statt um<br />
07:30 Uhr, 09:30 Uhr und 11:30 Uhr verließen<br />
vormittags die Züge München Hbf nun<br />
um 07:28 Uhr, 08:46 Uhr und um 10:08 Uhr,<br />
also im Abstand von jeweils rund 80 Minuten.<br />
Für den Ausflugsverkehr mag diese Komprimierung<br />
bestimmt vorteilhafter gewesen sein.<br />
Dafür bestand nun eine Lücke von 10:08 bis<br />
13:28 Uhr, die wohl eher tragbar war. In der<br />
Gegenrichtung verfuhr die DB nach dem gleichen<br />
Schema, wobei hier auch nachmittags<br />
vom bisherigen Takt nichts mehr übrig blieb.<br />
Von München ausgehend, wurden die Züge<br />
3591 und 3597 um jeweils 20 Minuten nach<br />
hinten verschoben. Bei den Bayrischzeller Eilzügen<br />
wurde der Zwei-Stunden-Takt weitgehend<br />
beibehalten, die exakten Taktminuten<br />
gab es allerdings nicht mehr.<br />
Schließlich wurden <strong>1975</strong> auch alle Eilzughalte<br />
in Deisenhofen gestrichen. 1974 gab es<br />
dies noch mit Ausnahme der Wochenend-<br />
Entlastungszüge. Im Winterfahrplan <strong>1975</strong>/76<br />
entfielen auch die Halte in München-Mittersendling,<br />
dafür wurde München-Harras neu<br />
zum Eilzughalt.<br />
Durch den starken Ausflugsverkehr wurde<br />
an Sonntagen in einem Fall auf die Zugteilung<br />
in Schaftlach verzichtet. Dies betraf vormittags<br />
den E 3583 (08:46 Uhr ab München), der<br />
sonntags als E 3593 komplett bis Tegernsee<br />
verkehrte (mit sechs Wagen). Zusätzlich gab es<br />
um 09:00 Uhr einen E 3595, der mit fünf bis<br />
sechs Wagen bis Lenggries fuhr. In der Gegenrichtung<br />
verkehrten diese Züge nachmittags<br />
als E 3592 von Tegernsee und E 3594 von<br />
Lenggries nach München. Speziell E 3592<br />
musste aufgrund des hohen Zuggewichtes<br />
über den Gmunder Berg von einer Dampflok<br />
der Tegernseebahn (TAG) nachgeschoben<br />
werden.<br />
Der Unfall vom 8. Juni <strong>1975</strong><br />
Bis 1974/75 fuhr E 3592 in der Taktlage des<br />
werktäglichen E 3590 um 17:51 Uhr ab<br />
Schaftlach. In Holzkirchen fand um 18:00<br />
Uhr die Kreuzung mit E 3591 statt (München<br />
Hbf ab 17:30 Uhr). Im weiteren Verlauf<br />
kreuzte E 3591 in Warngau mit dem sonntäglichen<br />
E 3594 von Lenggries, der zwölf Minuten<br />
später verkehrte. Zwischen Holzkirchen<br />
und München verkehrte E 3594 mit acht Minuten<br />
Abstand zum vorausfahrenden S-Bahnänlichen<br />
Taktzug, wodurch es spätestens in<br />
München-Solln zum „Auflaufen“ auf diesen<br />
kam. Deshalb hatte er eine einige Minuten<br />
längere Fahrzeit als E 3592, was aber unerheblich<br />
war.<br />
Bei den Fahrplanänderungen von <strong>1975</strong> sah<br />
die Sache etwas anders aus. E 3591 verließ<br />
Im Mai 1976 trifft 218 230 mit E 3588 in Schaftlach ein. Links Diesellok V65-11 der Tegernseebahn<br />
AG mit Zug 588<br />
Claus-Jürgen Schulze<br />
Der 8. Juni <strong>1975</strong> wird zum Schreckenstag für die Bahnen im Oberland: Bei Warngau sind E 3591<br />
und E 3594 auf freier Strecke zusammengestoßen, 41 Menschen kommen bei dem Unglück ums<br />
Leben<br />
Slg. Stadler<br />
München Hbf rund 20 Minuten später<br />
(17:48 Uhr statt 17:30 Uhr) und kreuzte planmäßig<br />
in Warngau mit E 3592, da auch dieser<br />
rund eine halbe Stunde später als 1974/75 verkehrte.<br />
Unmittelbar nach E 3592 folgte schon<br />
der sonntägliche E 3594 von Lenggries. Dieser<br />
hätte in Schaftlach mit E 3591 kreuzen<br />
können, allerdings wäre er dann zu einer Zeit<br />
nach Holzkirchen gekommen, zu der die Trasse<br />
nach München von dem Bayrischzeller<br />
E 3544 beansprucht wurde (dieser verkehrte<br />
noch im Taktschema von 1972). Eine Fahrlage<br />
hinter E 3544 wiederum hätte in München-Solln<br />
zu einer Beeinträchtigung der S-<br />
Bahn (S 10) von Wolfratshausen geführt. Ein<br />
Der starke Ausflugsverkehr ins Oberland bescherte<br />
den Strecken zusätzliche Züge an Sonntagen<br />
„Nachbummeln“ hätte bei E 3594 zu einer<br />
Fahrzeitverlängerung (oder Fahrzeitänderung)<br />
von insgesamt rund 15 Minuten geführt, was<br />
die Attraktivität des Zuges doch zu sehr beeinträchtigt<br />
hätte. Eine entsprechend spätere<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013 77
Strecken und Fahrten<br />
HINTERGRUND DIE „LUFTKREUZUNG“<br />
Vom Winterfahrplan 1974/75 zum Sommerfahrplan<br />
<strong>1975</strong> gab es für die Strecken<br />
im bayerischen Oberland eine Änderung im<br />
Fahrplan, die sich bei dem Unglück von Warngau<br />
folgenschwer auswirken sollte: die so genannte<br />
Luftkreuzung. Sie ist hier anhand<br />
zweier Bildfahrplangrafiken zum Sonntagsverkehr<br />
dargestellt.<br />
1974 gab es zwischen München und Holzkirchen<br />
noch das S-Bahn-ähnliche Taktsystem.<br />
Die Kreuzung zwischen E 3591 und E 3594<br />
fand planmäßig in Warngau statt – mit der damaligen<br />
Fahrplankonstellation war dies problemlos<br />
möglich.<br />
Die Fahrplansituation <strong>1975</strong><br />
<strong>1975</strong> bestand neu die S 2 zwischen Holzkirchen<br />
und Deisenhofen (– Petershausen).<br />
Dafür ist das Taktsystem München Hbf – Holzkirchen<br />
verschwunden, was mit einer Zugkilometer-Einsparung<br />
verbunden war.<br />
Die Verschiebungen bei den Eilzügen führten<br />
schließlich zur „Luftkreuzung“, der in den Plan<br />
eingearbeiteten „Kreuzung auf freier Strecke“<br />
zwischen Warngau und Schaftlach. E 3594<br />
lag zwischen Holzkirchen und München zwischen<br />
E 3592 und E 3544 – er musste so<br />
fahren, sonst hätte es ab München-Solln zu<br />
Problemen mit der S 10 geführt. E 3591<br />
musste deshalb sonntags in Warngau mit<br />
zwei Zügen kreuzen (E 3592 und E 3594).<br />
Doch auf die „Doppellage“ hat der Fahrplanbearbeiter<br />
wohl aufgrund des zusätzlichen<br />
Darstellungsaufwandes verzichtet – in diesem<br />
Fall hätte auch der Anschlusszug nach Tegernsee<br />
eine entsprechende Anpassung erfahren<br />
müssen. Ergänzend ist dazu zu bemerken,<br />
dass es aber in der Bahnhofsfahrordnung von<br />
Warngau einen entsprechenden Vermerk gab,<br />
wonach E 3591 und E 3594 bei pünktlichem<br />
Verkehren dort zu kreuzen hatten. Bei verspäteten<br />
Zügen war die Kreuzung in entsprechend<br />
andere Bahnhöfe zu verlegen. Beides<br />
wurde von den Fahrdienstleitern am 8. Juni<br />
<strong>1975</strong> missachtet, so dass es zu dem Unglück<br />
kam.<br />
JOSEF MAUERER/GM<br />
GRAFIKEN: JOSEF MAUERER (2)<br />
Auf der Strecke Schaftlach – Tegernsee behalf sich die Tegernseebahn Mitte der 70er-Jahre zeitweise mit ihrer Dampflok TAG 7, wenn sie kein<br />
eigenes Dieseltriebfahrzeug zur Verfügung hatte. Im Winter <strong>1975</strong> bespannt die Tenderlok einen Eilzug (Bild bei Schaftlach) Peter Schricker<br />
78
Das Unglück von Warngau<br />
Abfahrt in Lenggries bzw. Schaftlach sollte<br />
wohl aus denselben Gründen vermieden werden.<br />
E 3594 musste also vor E 3544 in Holzkirchen<br />
sein, das heißt, dem E 3592 im Blockabstand<br />
folgen.<br />
Als Alternative blieb dann nur, bei E 3591<br />
an Sonntagen den Kreuzungsaufenthalt in<br />
Warngau zu verlängern, um dort auch die<br />
Kreuzung mit E 3594 durchzuführen (also<br />
zwei Kreuzungen am Sonntag). E 3591 hätte<br />
dazu eine so genannte Doppellage erhalten<br />
müssen, mit sechs bis sieben Minuten späterer<br />
Ankunft in Lenggries an Sonntagen. Die<br />
Rückfahrt der Garnitur geschah um 19:29<br />
Uhr, zum Umfahren wären also immer noch<br />
mehr als 20 Minuten Zeit gewesen. Eine Doppellage<br />
hätte aber auch Auswirkungen auf den<br />
Tegernseer Zugteil gehabt; die Tegernseebahn<br />
hätte ab Schaftlach ebenfalls zwei Fahrplanlagen<br />
vorsehen müssen.<br />
Genau diese Doppellage wollte sich der<br />
Fahrplanbearbeiter damals ersparen – die berühmt-berüchtigte<br />
„Luftkreuzung“ entstand.<br />
Die Kreuzungen sollten von den Fahrdienstleitern<br />
je nach Betriebslage, sprich: eventueller<br />
Verspätung der Züge dispositiv in eigener<br />
Zuständigkeit geregelt werden.<br />
und dem täglich verkehrenden Nahverkehrstriebwagen<br />
4914 fand laut Plan auf der freien<br />
Strecke zwischen Fridolfing und Laufen<br />
statt. In einem Vermerk war geregelt, dass bei<br />
planmäßigem Verkehren des D 1525 die<br />
Kreuzung in Laufen durchzuführen sei, Zug<br />
4914 also verspätet werde. Beim Gegenzug<br />
D 1524 wurde hingegen anders verfahren:<br />
Hier hatte ein täglicher Nahverkehrszug<br />
(4905) den Kreuzungsaufenthalt in Laufen,<br />
obwohl D 1524 nur (noch) samstags im Juli<br />
und August verkehrte.<br />
Da D 1524 in Berchtesgaden begann, war<br />
zumindest hier nicht von großer Verspätungsanfälligkeit<br />
auszugehen. Dennoch: Zwischen<br />
Landshut und Mühldorf findet man<br />
1974 an Samstagen auch eine „Luftkreuzung“<br />
zwischen zwei Nahverkehrszügen, die aber<br />
schon im Sommer <strong>1975</strong> mit einer „Doppellage“<br />
bereinigt wurde.<br />
Die „Luftkreuzung“ bei Warngau war also<br />
kein Einzelfall und in diesem Fall sollte wohl<br />
E 3591 im Hinblick auf die veröffentlichten<br />
Fahrpläne „geschont“ werden (einschließlich<br />
des Flügels nach Tegernsee). Die Bahnhofsfahrordnung<br />
von Warngau enthielt jedenfalls<br />
aufgrund der beschriebenen Umstände den<br />
„Luftkreuzungen“ waren nicht unüblich; nach dem<br />
Unfall schränkte die DB sie aber weitgehend ein<br />
Dazu muss bemerkt werden, dass solche<br />
Konstruktionen damals nicht unüblich waren.<br />
Sie kamen hauptsächlich bei saisonierten Fernreisezügen<br />
und Bedarfs-Güterzugplänen zur<br />
Anwendung. Dies sollte einer flüssigeren Betriebsabwicklung<br />
dienen, damit bei eventuellen<br />
Verspätungen von Zügen mit langem Laufweg<br />
andere Züge nicht unnötige Überholungsoder<br />
Kreuzungsaufenthalte einhalten mussten.<br />
Beispiele hierfür finden sich auf der Kursbuchstrecke<br />
945 (Landshut – Mühldorf –<br />
Freilassing): Die „Kreuzung“ zwischen dem<br />
saisonalen D 1525 (Münster – Berchtesgaden)<br />
Vermerk, dass die Kreuzung dort durchzuführen<br />
sei, wenn beide Züge planmäßig unterwegs<br />
waren.<br />
Am 8. Juni <strong>1975</strong> – dem zweiten Sonntag<br />
nach dem Fahrplanwechsel – passierte dann die<br />
Katastrophe. Vorangegangen war ein schlampig<br />
durchgeführtes Zugmeldeverfahren der beiden<br />
Fahrdienstleiter von Warngau und Schaftlach,<br />
nach dem beide davon ausgingen, dass jeweils<br />
„ihr“ Zug vom Gegenüber angenommen sei<br />
und auf die eingleisige Strecke dürfe. So ließen<br />
sie beide Züge fast zeitgleich abfahren. Technisch<br />
war dies möglich, weil die Strecke zu dieser<br />
Zeit noch nicht über einen Streckenblock<br />
verfügte, der nur die Fahrt eines Zuges in einem<br />
eingleisigen Abschnitt gestattet – eine wahre<br />
Verkettung unglücklicher Umstände.<br />
In einer unübersichtlichen Stelle kam es<br />
zum Zusammenstoß der beiden Züge, bei<br />
dem 41 Menschen starben und rund 120 verletzt<br />
wurden. Wie man nachträglich ermittelte,<br />
war E 3591 mit etwa 70 km/h, E 3594 mit<br />
88 km/h unterwegs. Die Lokführer der beiden<br />
218-Dieselloks, ein Zugführer und 35 Reisende<br />
kamen bei dem Unglück selbst ums Leben,<br />
drei weitere Personen starben an den Folgen.<br />
Es entstand ein Sachschaden von rund<br />
vier Millionen DM; bis 1977 wurden rund<br />
3,5 Millionen DM Entschädigung gezahlt.<br />
Im nachfolgenden Gerichtsverfahren wurde<br />
der Fahrdienstleiter von Schaftlach zu acht<br />
Monaten Haft auf Bewährung und einer<br />
Geldbuße von 3.000 DM verurteilt; der Fahrdienstleiter<br />
von Warngau erhielt zwölf Monate<br />
auf Bewährung und 5.000 DM Geldbuße,<br />
weil die Kreuzung laut Bahnhofsfahrordnung<br />
in „seinem“ Bahnhof, Warngau, hätte stattfinden<br />
sollen. Den Fahrplanbearbeiter verurteilte<br />
das Gericht zu acht Monaten auf Bewährung<br />
und 5.000 DM Geldbuße, vor allem<br />
mit der Begründung, sich nicht genug für die<br />
Fahrplanausarbeitung fortgebildet zu haben.<br />
Im Nachgang zu dem Unglück wurde die<br />
Ausrüstung mit Streckenblock vorangetrieben<br />
– bis 1979 erhielten alle Hauptstrecken diese<br />
Sicherheitseinrichtung – und auf Strecken<br />
ohne Streckenblock wurde 80 km/h als<br />
Höchstgeschwindigkeit vorgegeben. „Luftkreuzungen“<br />
schränkte man stark ein.<br />
Verkehrten E 3595 und E 3594 im Fahrplan<br />
1974 noch bis Anfang November, so waren sie<br />
<strong>1975</strong> nur bis Ende September vorgesehen, dem<br />
Ende der Sommerfahrplanperiode. Dies war<br />
auch ihre letzte Fahrplanperiode, 1976 erschienen<br />
sie nicht mehr. E 3590 führte dann<br />
planmäßig acht Wagen, jeweils vier von Lenggries<br />
und Tegernsee. Josef Mauerer<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
79
Strecken und Fahrten<br />
Betrieb in und um Hameln <strong>1975</strong><br />
Abwechslung auf<br />
allen Strecken<br />
In den 70er-Jahren ist Hameln ein Eisenbahndrehkreuz mittleren Ranges in Niedersachsen.<br />
Im Alltag heißt das: viel Betrieb und eine schöne, breit gefächerte Fahrzeugpalette<br />
Zwischen Hannover, Hameln, Altenbeken<br />
und Paderborn fahren Triebzüge der<br />
S-Bahn Hannover, die Strecke Löhne –<br />
Hameln – Elze wird mit LINT-Triebwagen der<br />
eurobahn bedient und Güterverkehr gibt es<br />
kaum noch: So schnell lässt sich der Betrieb<br />
2013 im Bahnhof Hameln beschreiben. Im Jahre<br />
<strong>1975</strong> war das noch ganz anders: Man konnte<br />
in Hameln in Schlaf- und Speisewagen einsteigen,<br />
ebenso in einen Privatbahntriebwagen.<br />
Ohne Umsteigen waren Ziele wie Bremerhaven<br />
oder Basel, Berlin oder Köln, Aachen und Mönchengladbach<br />
zu erreichen. Und auch der Güterverkehr<br />
rollte reichlich.<br />
Der Bahnhof Hameln liegt an den 1872 bzw.<br />
1875 eröffneten Hauptstrecken Hannover – Hameln<br />
– Altenbeken (KBS 260) und Löhne – Hameln<br />
– Elze (KBS 265). Ferner zweigte die 1900<br />
eröffnete Nebenbahn über Lemgo nach Bielefeld<br />
(KBS 204) ab, zudem wurde Hameln planmäßig<br />
von den Triebwagen der Vorwohle-Emmer-<br />
80
Betrieb in und um Hameln<br />
RECHTS In Hameln mit<br />
seinem keilförmigen<br />
Empfangsgebäude<br />
kreuzen die Strecken<br />
Löhne – Hildesheim<br />
und Altenbeken –<br />
Hannover<br />
Mit vereinten Kräften beschleunigen am 29. Oktober<br />
<strong>1975</strong> 044 434 und eine 140 einen umgeleiteten<br />
Güterzug aus dem Bahnhof Hameln in<br />
Richtung Löhne. Da der Fahrdraht wenige hundert<br />
Meter weiter endet, wird die Ellok ihren<br />
Stromabnehmer gleich senken müssen<br />
Aufnahmen des Beitrags: Martin Weltner<br />
bzw. Slg. Martin Weltner (Plan)<br />
thaler Verkehrsbetrieben (VEV) angefahren, die<br />
bis Emmerthal die Hauptbahn nach Altenbeken<br />
mitbenutzten und dort in Richtung Bodenwerder<br />
(KBS 261) abzweigten. Zu dem wichtigen<br />
Kreuzungs- und Abzweigbahnhof Hameln gehörten<br />
auch der große Rangierbahnhof mit Ablaufberg<br />
sowie ein Bahnbetriebswerk mit zwei<br />
Halbrundschuppen. 1971 war die Strecke Hannover<br />
– Altenbeken elektrifiziert worden, <strong>1975</strong><br />
liefen bereits vorbereitende Arbeiten für ein modernes<br />
Stellwerk in Drucktastentechnik. Es sollte<br />
1980 in Betrieb gehen und sechs lokale Stellwerke<br />
überflüssig machen.<br />
Bis dahin aber hatten die sechs Dienststellen<br />
noch ihre Berechtigung. Und sie hatten<br />
gut zu tun, herrschte doch auf den Hameln<br />
berührenden Strecken eine heute unglaubliche<br />
Abwechslung, siehe das Beispieljahr <strong>1975</strong>.<br />
Schnell-, Eil- und Nahverkehrszüge verkehrten<br />
nicht nur auf „ihrer“ Strecke; zahlreiche<br />
Züge wechselten in Hameln von der einen auf<br />
die andere Hauptbahn. Der in Keilform angelegte<br />
Bahnhof verfügte über sechs Bahnsteiggleise,<br />
je drei für die beiden Hauptstrecken;<br />
Gleis 1 an der Altenbekener Strecke<br />
wurde ferner von den Zügen nach Lemgo und<br />
Bodenwerder mitbenutzt. Von sechs Fahrkartenschaltern<br />
waren in der Regel zwei bis drei<br />
besetzt. Ferner gab es eine Auskunft, hier<br />
konnte man sich von einer DB-Mitarbeiterin<br />
Zugverbindungen heraussuchen und Platzreservierungen<br />
vornehmen lassen. Außerdem<br />
hatte man die Möglichkeit, selbst in den jeweils<br />
aktuellen Kursbüchern zu schnüffeln,<br />
um sich einen eigenen Reiseplan zu erarbeiten.<br />
Die Schnellzüge<br />
„Der“ Schnellzug in Hameln war über Jahrzehnte<br />
der D 640/641 – mit gelegentlich<br />
wechselnden Zugnummern –, eine schnelle<br />
Verbindung zwischen Köln und Braunschweig<br />
mit Kurswagen von/nach Berlin. Er war ein<br />
Zug mit Geschichte: 1892 erhielt er als erster<br />
Schnellzug in Deutschland überhaupt Durchgangswagen,<br />
was zur Einführung der Bezeichnung<br />
„D-Zug“ führte. Der D 640/641<br />
war einer der Züge, die in Hameln die Strecke<br />
wechselten: Mit einer Diesellok 216 kam er<br />
aus Braunschweig über die KBS 265, um in<br />
Hameln auf eine Ellok 110 umgespannt zu<br />
werden und auf der KBS 260 seine Reise in<br />
Richtung Westen fortzusetzen.<br />
Ein ganz Deutschland durchquerender D-<br />
Zug war D 578/579 mit dem Laufweg Basel –<br />
Frankfurt (Main) – Kassel – Hameln – Bremerhaven.<br />
Zehn bis zwölf Wagen führte dieser<br />
Langstreckenzug mit, inklusive eines Speisewagens<br />
der Schürzenbauart. Und bespannt<br />
wurde er <strong>1975</strong> mit dem besten, was die DB zu<br />
bieten hatte: einer Ellok der Baureihe 103!<br />
Wie der D 640/641 war auch der nächste<br />
Schnellzug ein Streckenwechsler: Der D 648/<br />
649 fuhr als Tagesschnellzug von Hildesheim<br />
über Hameln, Altenbeken, Hagen nach Düsseldorf<br />
und verkehrte nur von Montag bis<br />
Samstag. Schließlich gab es noch das Nachtzugpaar:<br />
Frühmorgens herrschte Hochbetrieb<br />
auf den Gleisen 2 und 3 des Hamelner Bahnhofs:<br />
Um 02:41 Uhr rollte D 574 Basel –<br />
Hamburg mit Schlaf- und Liegewagen sowie<br />
einem Kurswagen nach Westerland in den<br />
Bahnhof, um nach zwei Minuten weiterzufahren.<br />
Um 02:59 Uhr kam der Gegenzug<br />
D 575, der nach ebenfalls zwei Minuten seine<br />
Fahrt nach Basel fortsetzte.<br />
Die Eilzüge<br />
Die Hauptlast des Reiseverkehrs trugen die Eilzüge,<br />
die auf beiden Hauptbahnen in reichlicher<br />
Anzahl vertreten waren. Auf der KBS 260<br />
beschränkte sich der Zuglauf nur in wenigen<br />
Fällen auf die Relation Hannover – Hameln<br />
– Altenbeken, vielmehr waren längere Zugläufe<br />
und das Mitführen von Kurswagen üblich.<br />
Ein paar Beispiele: E 3783 Bentheim –<br />
Hannover – Hameln – Altenbeken, E 575<br />
Norddeich – Bremen – Hameln – Himmighausen<br />
(ab Hameln als Nahverkehrszug mit<br />
Halt auf allen Zwischenbahnhöfen), E 3005<br />
Rinteln – Hameln – Hannover, E 3023 Paderborn<br />
– Altenbeken – Hameln – Hannover<br />
– Soltau und E 3018 Hannover – Hameln –<br />
Altenbeken mit Kurswagen 2. Klasse nach<br />
Oberhausen. Danveben verkehrten einige Eilzüge<br />
zwischen Hannover und Hameln, um<br />
dem Berufstätigen eine schnelle Verbindung in<br />
die bzw. aus der Landeshauptstadt anzubieten.<br />
Der Star des Angebots ist das Zugpaar D 640/641<br />
– „Nachfahre“ des ersten deutschen D-Zugs<br />
Auf der KBS 265 fuhren zahlreiche Eilzüge,<br />
die zwar nicht besonders schnell waren, aber bequeme,<br />
da umsteigefreie Fahrten ermöglichten.<br />
Ihre Ziele hießen Braunschweig und Helmstedt<br />
in Richtung Osten, aber auch Bielefeld, Herford,<br />
Duisburg, Düsseldorf, Mönchengladbach,<br />
Essen, Krefeld oder Aachen im Westen.<br />
Nahverkehr und besondere Züge<br />
Ergänzt wurde das Zugangebot durch zahlreiche<br />
Nahverkehrszüge auf den beiden Hauptstrecken<br />
und der Nebenbahn nach Bielefeld,<br />
wobei auch hier Verbindungen existierten, die<br />
aus heutiger Sicht exotisch wirken. So fuhr<br />
Zug 5647 von Bad Pyrmont über Hameln<br />
nach Braunschweig. Mit Halt auf fast allen<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013 81
Strecken und Fahrten<br />
Abwechslung im Wendezug-Einerlei: Der von einer 141 gezogene und aus Altbau- und Umbauwagen<br />
bestehende E 3009 Paderborn – Hannover passiert den aufgelassenen Haltepunkt Hameln-Rohrsen<br />
Mit solchen mechanischen Zugzielanzeigern<br />
werden die Bahnreisenden auch noch im Jahre<br />
<strong>1975</strong> über den nächsten Reisezug informiert<br />
Mit einer 220 verkehrt E 3708 von Braunschweig nach Herford, hier<br />
aufgenommen zwischen Hameln und Fischbeck auf der KBS 265<br />
Ein alter Plattformwagen dient im September 1985 dem VT 150 der<br />
VEV als Verstärkung, da eine Reisegruppe zu befördern ist<br />
Zwischenbahnhöfen benötigte er für die<br />
109 Kilometer lange Strecke zwei Stunden<br />
und 53 Minuten – nur wenige Reisende dürften<br />
den Zug auf seinem gesamten Laufweg benutzt<br />
haben. Zug 3574, der Hameln morgens<br />
um 06:29 Uhr verließ, fuhr über Elze, Hildesheim<br />
und Braunschweig weiter bis nach<br />
Uelzen! Und auch die Strecke 204, auf der nur<br />
Nahverkehrszüge verkehrten, wurde nicht isoliert<br />
bedient: Im morgendlichen Berufsverkehr<br />
gab es den Zug 7933 von Barntrup über Hameln<br />
nach Hildesheim.<br />
Ein Sonderfall waren die jedes Jahr im April<br />
eingelegten Züge zur Hannover-Messe, die sich<br />
auf den Laufweg Bad Pyrmont – Hameln –<br />
Hannover-Messebahnhof beschränkten und<br />
im Gegensatz zu vielen anderen Messezügen<br />
keinen Namen trugen. Schade, ein „Messe-Baron“<br />
oder „Messe-Kurier“ hätte den Ankunftsund<br />
Abfahrtsplänen auf den Bahnsteigen noch<br />
ein bisschen mehr Glanz verliehen. Auf diesen<br />
gar nicht erst zu finden war eine weitere „Zug -<br />
Sonderfälle in Hameln: Züge zur Hannover-Messe<br />
sowie Ausflugszüge für Schüler und Festbesucher<br />
spezies“: die verschiedenen Sonderzüge, die<br />
<strong>1975</strong> wie üblich zum Einsatz kamen. Seien es<br />
der Ausflugszug des Schiller-Gymnasiums<br />
nach Bad Harzburg oder die Sonderzüge aus<br />
Hannover oder von Hameln zum alljährlichen<br />
Lichterfest in Bodenwerder, die ab Emmerthal<br />
die VEV-Strecke nach Vorwohle befuhren.<br />
Der Güterverkehr<br />
Aber nicht nur der Reisezugverkehr war abwechslungsreich:<br />
Auf der KBS 260, die 1971 als<br />
Entlastungsstrecke zur Nord-Süd-Strecke elektrifiziert<br />
worden war, herrschte reger Güterverkehr<br />
mit Durchgangsgüterzügen aus dem Süden<br />
Deutschlands nach Seelze. Auch auf der<br />
KBS 265 gab es neben einigen Nahgüterzügen<br />
noch durchgehenden Güterverkehr. Sie nahmen<br />
zum Teil diesen Weg, um die Magistrale Löhne<br />
– Minden – Hannover zu entlasten. Daneben<br />
gab es Übergaben, die die KBS 265 bis Voldagsen<br />
benutzen, um dort auf die ehemalige Kleinbahn<br />
Voldagsen – Duingen – Delligsen überzugehen.<br />
Die KBS 204 wurde von Hameln aus mit<br />
Übergaben bis Barntrup bedient. Und in Hameln<br />
selbst gab es zahlreiche Güterkunden: Mit<br />
zwei werktäglichen Übergaben wurde die Strecke<br />
zum Weserhafen bedient, den ganzen Nachmittag<br />
über wurde am Ablaufberg rangiert.<br />
Die Lokomotiven und Wagen<br />
Auf der elektrifizierten KBS 260 waren alle<br />
Einheitsellok der DB anzutreffen: 141 aus<br />
Seelze fuhren Nahverkehrs- und Eilzüge, 110<br />
aus verschiedenen Bahnbetriebswerken waren<br />
im Eilzug- und Schnellzugdienst zu sehen.<br />
82
Sonderzüge und Güterverkehr<br />
Als Eilzug verlässt ein Braunschweiger 613<br />
den Bahnhof Hameln in Richtung Hildesheim.<br />
Wenig später wird auch der rechts stehende<br />
Wendezug seine Fahrt nach Hannover antreten.<br />
Ganz rechts stehen alte Eilzug wagen als<br />
Betriebsreserve<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
83
Strecken und Fahrten<br />
Auch <strong>1975</strong> wird im Hamelner Weserhafen mit der Baureihe 50 rangiert. Zahlreiche Lagerhäuser und Mühlen erhalten ihre Ware noch auf der<br />
Schiene – sowie auf dem Wasserweg, wie die Hamelner Lastkähne belegen<br />
Eine klassische 515/815-Garnitur fährt als Nahverkehrszug von Hildesheim<br />
kommend in Hameln ein<br />
Für eine Festveranstaltung wird am Gleis 1 des Hamelner Bahnhofs<br />
die Straßenversion des ADLER hergerichtet<br />
Güterzüge wurden mit 140 und 150 bespannt<br />
und dann gab es das erwähnte tägliche Gastspiel<br />
einer 103. Die Eilzüge auf der KBS 265<br />
wurden in erster Linie mit 220er-Dieselloks<br />
gefahren, daneben kam die 216 zum Zuge. Im<br />
Kursbuch als Triebwagen verzeichnete Züge<br />
fuhren mit Akku-Triebwagen der Baureihe<br />
515, ergänzt durch einzelne Dieseltriebwagen<br />
613 und 624 aus Braunschweig. 211 oder 212<br />
waren in Hameln nur zu sehen, wenn sie mit<br />
einer Ersatz-Wagengarnitur für einen ausgefallenen<br />
515 auf der KBS 204 aushalfen – im<br />
Jahr zuvor war das noch die Aufgabe einer<br />
Lehrter 50er. Aber auch <strong>1975</strong> konnte man<br />
Dampfloks in und um Hameln erleben, ein<br />
Schauspiel, auf das Eisenbahnfreunde in vielen<br />
anderen Regionen des <strong>Bundesbahn</strong>-Netzes<br />
bereits verzichten mussten. Dampflokomotiven<br />
der Baureihen 044 und 050-053 teilten<br />
sich den Güterzugdienst auf der KBS 265 mit<br />
Diesellokomotiven der Baureihen 216, 260<br />
und 290. Die Übergabe nach Barntrup auf der<br />
KBS 204 war fest in der Hand einer Hildesheimer<br />
236.<br />
Die Schnellzüge bestanden durchweg aus<br />
den seinerzeit üblichen 26,4-Meter-Wagen<br />
mit Abteilen und Seitengang, ergänzt durch<br />
den Schürzen-Speisewagen der Vorkriegsbauart<br />
im D 578/579. Nahverkehrs- und Eilzüge,<br />
Auch <strong>1975</strong> erlebte man in Hameln Dampfloks –<br />
ein Schauspiel, das andernorts oft schon fehlte<br />
die mit einer 141 im Wendezugbetrieb fuhren,<br />
bestanden ausschließlich aus Silberling-Wagen.<br />
In den Eilzügen kamen vor allem die<br />
26,4 Meter langen Eilzugwagen mit Mittel-<br />
84
Bw Hameln<br />
RECHTS Mit E 2541<br />
Mönchengladbach –<br />
Helmstedt durcheilt<br />
im Winter <strong>1975</strong>/76<br />
eine Braunschweiger<br />
216 den 1964 stillgelegten<br />
Haltepunkt Afferde.<br />
Der Hamelner<br />
Vorortbahnhof diente<br />
zuletzt als Schrankenposten<br />
und fiel<br />
später einer Brandstiftung<br />
zum Opfer<br />
UNTEN Da ein<br />
515/815-Gespann<br />
ausgefallen ist,<br />
verkehrt Zug 7943<br />
Bielefeld – Hameln<br />
als lokbespannter Ersatzzug,<br />
hier bei der<br />
Ausfahrt aus Groß<br />
Berkel (KBS 204)<br />
einstiegen zum Einsatz, daneben auch Umbau-Vierachser<br />
sowie vierachsige Schnell- und<br />
Eilzugwagen der verschiedenen Vorkriegsbauarten.<br />
Der Einsatz von Umbau-Dreiachsern<br />
war bereits deutlich reduziert worden und beschränkte<br />
sich inzwischen auf wenige Züge.<br />
Vor allen Dingen im Militärverkehr konnten<br />
sie zusammen mit anderen Veteranen noch angetroffen<br />
werden. Für Verkehrsspitzen und<br />
Ersatzzüge wegen ausgefallener Akku-Triebwagen<br />
standen in Hameln mehrere Vorkriegswagen<br />
zum kurzfristigen Einsatz bereit.<br />
Und wenn die Kapazität des Schienenbusses<br />
der VEV einmal wegen einer Reisegruppe<br />
nicht ausreichte, wurden ihm ein oder zwei<br />
beige-rot lackierte Donnerbüchsen der Privatbahn<br />
beigestellt, die in Hameln für weitere<br />
Abwechslung sorgten.<br />
Auf dem Weg vom AW Bremen nach Mannheim<br />
passiert 236 260 den Hamelner Bahnhof.<br />
236er fuhren auch planmäßig in Hameln<br />
Das Bahnbetriebswerk<br />
Die große Zeit des Bw Hameln war <strong>1975</strong> dagegen<br />
schon vorbei, seit Mai 1972 beheimatete<br />
es nur noch 515. Wenigstens waren im<br />
Frühjahr und Sommer des Jahres im Dampflokschuppen<br />
noch ein paar Lehrter 50er als<br />
„Loks für alle Fälle“ abgestellt. Als die DB diese<br />
abzog, gab es keinen Bedarf mehr für den<br />
nördlichen Rundlokschuppen. Im Dezember<br />
<strong>1975</strong> fiel er der Spitzhacke zum Opfer. Im<br />
südlichen Schuppen wurden die Akku-Triebwagen<br />
unterhalten, daneben gastierten Dieselloks.<br />
Fünf Schuppengleise hatten bei der<br />
Elektrifizierung der KBS 260 Fahrdraht erhalten<br />
und boten Elloks Unterschlupf.<br />
Wenn man so möchte, zeichnete der Werdegang<br />
des Betriebswerks schon einen Gutteil<br />
des Werdegangs für den gesamten Hamelner<br />
Bahnbetrieb vor. Modernisierung und<br />
Rationalisierung hießen die Leitmotive, und<br />
folglich verschwand die Dampftraktion wenig<br />
später auch aus Hameln. Weitere Einsparungen<br />
sollten ebenfalls nicht auf sich warten lassen.<br />
So schließt sich letztlich der Kreis – siehe<br />
den eingangs beschriebenen „schmalen“<br />
Bahnbetrieb von heute. Martin Weltner<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
85
Momentaufnahmen<br />
Fotostandorte einst und jetzt<br />
Was ist geblieben?<br />
In den Jahren <strong>1975</strong>/76 hat Wolf-Dietmar Loos weite Teile des <strong>Bundesbahn</strong>-Netzes<br />
bereist. Sein Interesse galt Verkehrsknoten wie Nebenbahnen,<br />
Berufspendlerzügen wie Schienenbussen. Wie präsentieren<br />
sich die Fotostellen knapp 40 Jahre später? Sechs Zeitvergleiche<br />
Ludwigshafen einst und jetzt<br />
86
Zeitvergleich<br />
Der größte Arbeitgeber in Ludwigshafen<br />
ist die BASF, und sie<br />
sorgt auch für beachtliches Aufkommen<br />
im Berufsverkehr. Wie<br />
beachtlich, zeigt der schier endlose<br />
Zug, mit dem 218 152 im<br />
Juli 1976 von Ludwigshafen gen<br />
Pfalz unterwegs ist (l.). Solche<br />
Züge fuhren vom Bahnhof Ludwigshafen<br />
BASF in alle Pfälzer<br />
Richtungen: nach Germersheim-<br />
Wörth, Neustadt – Kaiserslautern<br />
und nach Landau – Pirmasens.<br />
Die 218 diente bis etwa<br />
2010 als Zuglok.<br />
In neuerer Zeit haben S-Bahn-<br />
Züge und 628-Triebwagen diese<br />
Aufgabe übernommen. Im September<br />
2013 rollt ein Zug der<br />
S 3 Richtung Speyer – Germersheim<br />
und passiert dabei den<br />
inzwischen gleisreduzierten<br />
Güterbahnhof (o.)<br />
Wolf-Dietmar Loos (gr. Bild), Jochen Glatt (kl. Bild)<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
87
Momentaufnahmen<br />
Die Frankenwaldbahn ist anno<br />
1976 eine Nebenfernstrecke<br />
im Schatten der deutschen<br />
Teilung. Der Fernverkehr beschränkt<br />
sich auf ein Inter zonen-<br />
und drei Berlin-Zugpaare,<br />
dazu gibt es noch einige innerdeutsche<br />
Güterzüge sowie ein<br />
paar Nahverkehrszüge zwischen<br />
Lichtenfels und Ludwigsstadt.<br />
Mit einem derartigen Nahverkehrszug<br />
fährt eine Altbau-Ellok<br />
144 aus Kronach Richtung Lichtenfels<br />
aus (r.).<br />
37 Jahre später präsentiert sich<br />
der Bahnhof leicht modernisiert,<br />
vor allem aber wieder an einer<br />
Verkehrsader. Die ICE-Züge<br />
(Hamburg –) Berlin – München<br />
halten hier zwar nicht, aber der<br />
Franken-Thüringen-Express (o.)<br />
stellt die Verbindung zwischen<br />
Saalfeld und Lichtenfels bzw.<br />
Nürnberg her – und damit auch<br />
zum nächsten ICE-Halt<br />
Wolf-Dietmar Loos (gr. Bild), Rolf Schierer (kl. Bild)<br />
88
Zeitvergleich<br />
Kronach einst und jetzt<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
89
Momentaufnahmen<br />
Dahlerau einst und jetzt<br />
90
Zeitvergleich<br />
Ein schweres Zugunglück<br />
brachte 1971 den Bahnhof Dahlerau<br />
an der Strecke Wuppertal-<br />
Oberbarmen – Radevormwald –<br />
Oberbrügge in die Schlagzeilen.<br />
Im Juli <strong>1975</strong> liegt das lange zurück;<br />
mit ihrem Güterzug fährt<br />
212 288 durch den noch mit<br />
Personal besetzten Bahnhof<br />
(l.). Bald darauf schränkt die<br />
DB hier den Betrieb ein. In zwei<br />
Etappen endet 1976 und 1979<br />
der Personenverkehr, ab 1980<br />
folgt die Einstellung des Güterverkehrs.<br />
Ein Teil der Strecke<br />
wird für die Wuppertalsperre<br />
„geopfert“.<br />
Auf dem Abschnitt Beyenburg –<br />
Wilhelmstal fährt heute die<br />
Draisinenbahn Wuppertrail; in<br />
Dahlerau kommt sie durch den<br />
in Privatbesitz befindlichen<br />
Bahnhof und bietet ihren Kunden<br />
am Bahnübergang ein Toilettenhäuschen<br />
für dringende<br />
Geschäfte (o.). Seit 2012 gehört<br />
die Strecke der Museumsbahn<br />
Bergische Bahnen/<br />
Wupperschiene, die damit einen<br />
Museumsverkehr plant<br />
Wolf-Dietmar Loos (gr. Bild), Oliver Strüber (kl. Bild)<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
91
Momentaufnahmen<br />
Nürnberg Hauptbahnhof ist<br />
<strong>1975</strong> nicht nur eine wichtige<br />
Verkehrsdrehscheibe im nördlichen<br />
Bayern, sondern auch ein<br />
beliebter Ort für Ellok-Freunde.<br />
Hier kommen unter anderem die<br />
Vorserienmaschinen der Baureihe<br />
E 10/110 zum Einsatz, im<br />
Bild 110 004 an der Ostseite<br />
des Bahnhofs, wo die Strecken<br />
Richtung Regensburg und Hersbruck<br />
abgehen (r.).<br />
Im Jahr 2013 ist die Elektrotraktion<br />
vor allem mit Triebwagen<br />
vertreten, so dem Talent 2<br />
im Nah- und S-Bahn-Verkehr. Auf<br />
der Ostseite des Hauptbahnhofs<br />
mündet inzwischen auch die<br />
Schnellfahrstrecke aus Ingolstadt<br />
ein, die Lichtsignale der<br />
frühen DB-Bauart wurden durch<br />
modernere Versionen ersetzt.<br />
Auch das Umfeld hat sich geändert:<br />
Anstelle der Postgebäude<br />
links stehen nun Hotels und<br />
Bürohäuser (o.)<br />
Wolf-Dietmar Loos (gr. Bild), Ulrich Rockelmann (kl. Bild)<br />
92
Nürnberg Hbf einst und jetzt<br />
Zeitvergleich<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
93
Momentaufnahmen<br />
Dortmund-Huckarde<br />
einst und jetzt<br />
94
Zeitvergleich<br />
Auf der Emschertalbahn von<br />
Wanne-Eickel nach Dortmund<br />
ist an einem Februarnachmittag<br />
1976 ein Akku-Gespann 515/<br />
815 unterwegs; soeben geht<br />
es vor der Kokerei und Zeche<br />
Hansa in Dortmund-Huckarde<br />
über eine Strecke der Dortmunder<br />
Straßenbahn hinweg (l.).<br />
An der Streckenführung von<br />
Straßenbahn und Eisenbahn hat<br />
sich 2013 nichts geändert; nur<br />
fährt auf der Emschertalbahn<br />
inzwischen die Nordwest-Bahn<br />
statt des <strong>Bundesbahn</strong>-Nachfolgers<br />
DB AG. Auch das Umfeld<br />
ist ein anderes, insbesondere<br />
bei der (längst still gelegten) Industrieanlage.<br />
Von der Zeche<br />
blieb nur der Förderturm, die<br />
Kühltürme der Kokerei verschwanden<br />
(o.)<br />
Wolf-Dietmar Loos (gr. Bild), Oliver Strüber (kl. Bild)<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
95
Momentaufnahmen<br />
Vor dem Zweiten Weltkrieg war<br />
die Strecke Landau (Pfalz) –<br />
Germersheim zweigleisig und<br />
Teil der Schnellzugverbindung<br />
München – Bruchsal – Saarbrücken.<br />
Zu <strong>Bundesbahn</strong>zeiten ist<br />
sie eine eingleisige Nebenbahn.<br />
1976 legt ein Schienenbus<br />
795/995 einen Halt im Bahnhof<br />
Hochstadt ein, der eine Kreuzungsmöglichkeit<br />
und ein Ladegleis<br />
besitzt – vor allem für den<br />
lebhaften Rübenverkehr (r.).<br />
Nach 1980 geht es mit dem<br />
Personenverkehr bergab. Ab<br />
1981 gibt es nur noch einige<br />
Alibizugpaare, am 1. Juni 1984<br />
fahren die letzten Personen -<br />
züge. Der Rübenverkehr endet<br />
1991, der Güterverkehr 1999.<br />
Aber damit ist die Geschichte<br />
nicht zu Ende: Seit 2006 finden<br />
auf dem Abschnitt Lingenfeld –<br />
Bornheim Draisinenfahrten<br />
statt; Hochstadt zählt zu den<br />
„Unterwegsstationen“ (o.)<br />
Wolf-Dietmar Loos (gr. Bild), Jochen Glatt (kl. Bild)<br />
96
Zeitvergleich<br />
Hochstadt (Pfalz) einst und jetzt<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2013<br />
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<strong>Vorschau</strong> – Leserservice – Impressum<br />
Impressum<br />
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im DB-Netz, Stillstand im Mainzer Hauptbahnhof und das erste Jahr der <strong>Deutsche</strong>n Bahn mit Fernbus-Konkurrenz – das<br />
Bahn-Jahr 2013 hat sich turbulent entwickelt. Das nächste <strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> bringt Sie auf den neuesten Stand: Mit fundierten<br />
Beiträgen und einer umfangreichen Chronik stellt es die aktuellen Eisenbahnthemen vor. Lesen Sie, was bei der<br />
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6/2013 l November/Dezember<br />
24. Jahrgang l Nummer 127<br />
Internet: www.eisenbahnwelt.de<br />
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Brüning, Jochen Glatt, Udo Kandler, Wolf-Dietmar<br />
Loos, Josef Mauerer, Dr. Lutz Münzer, Ulrich Rockelmann,<br />
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Stemmler, Oliver Strüber, Georg Wagner u.v.m.<br />
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Zuletzt erschienen:<br />
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(6 Hefte) Euro 67,50 (inkl. Mehrwert steuer,<br />
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ISSN 0937-7174 ISBN 978-3-86245-193-7<br />
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<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> erscheint alle zwei Monate je weils Mitte/<br />
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hofs buch handel, an gut sortierten Zeitschriften kiosken,<br />
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