26.02.2014 Aufrufe

kult! Tipp-Kick (Vorschau)

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>kult</strong>!<br />

www.goodtimes-magazin.de<br />

60er · 70er · 80er<br />

D: € 6,50<br />

Österreich € 7,50<br />

Luxemburg € 7,50<br />

Schweiz CHF 12,70<br />

Ausgabe 1/2014 (Nr. 9)<br />

mit<br />

Poster<br />

mit<br />

DVD!<br />

Catherine Deneuve<br />

DT-Control<br />

geprüft:<br />

Nicht jugendbeeinträchtigend<br />

Bilitis<br />

Catweazle · Captain Future · James Bond<br />

· Das Jahr 1973 · Michael Landon · Abi Ofarim · Olsenbande


AUS DER TV-WERBUNG!<br />

3 CD-BOX<br />

AUCH DIGITAL ERHÄLTLICH<br />

DAS ORIGINAL<br />

ZUR RTL NITRO SHOW!<br />

JETZT ÜBERALL ERHÄLTLICH!<br />

TV TIPP<br />

3 DVDs<br />

Formel Eins - 30 Jahre<br />

mit Peter Illmann<br />

ab 19.10. immer Samstag<br />

auf RTL NITRO


IMPRESSUM<br />

Anschrift:<br />

NikMa Verlag<br />

Fabian Leibfried<br />

Eberdinger Straße 37<br />

71665 Vaihingen/Enz<br />

Tel: 0 70 42/37660-160<br />

Fax: 0 70 42/37660-188<br />

email: goodtimes@nikma.de<br />

www.goodtimes-magazin.de<br />

Herausgeber und Chefredakteur:<br />

Fabian Leibfried<br />

Mitarbeiter:<br />

Jens-Uwe Berndt, Horst Berner, Kirsten<br />

Borchardt, Lothar Brandt, Michael Fuchs-<br />

Gamböck, Hans-Jürgen Günther, Peter<br />

Henning, Christian Hentschel, Teddy Hoersch,<br />

Hugo Kastner, Andreas Kötter, Frank Küster,<br />

Bernd Matheja, Helmut Ölschlegel, Thorsten<br />

Pöttger, Alexander Querengässer, Philipp Roser,<br />

Roland Schäfl i, Oliver Schuh, Ulrich Schwartz,<br />

Eckhard Schwettmann, Christian Simon,<br />

Alan Tepper, Jörg Trüdinger, Claudia Tupeit,<br />

Uli Twelker, Peter Verhoff, Thomas Wachter,<br />

Jürgen Wolff<br />

Abonnements, Shop:<br />

Andrea Leibfried<br />

Grafische Gestaltung:<br />

Andrea Zagmester, <strong>kult</strong>@nikma.de<br />

Kathleen Müller, grafi k@nikma.de<br />

Anzeigenverkauf:<br />

Petra Czerny, anzeigen@nikma.de<br />

Vertrieb:<br />

IPS Pressevertrieb GmbH<br />

Postfach 1211<br />

53334 Meckenheim, Tel: 0 22 25/88 01-0<br />

Druckerei:<br />

Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG<br />

Frankfurter Str. 168<br />

34121 Kassel<br />

Erscheinungsweise:<br />

2x jährlich<br />

Copypreis:<br />

Einzelheft: 6,50 € (Preis inkl. 7% MwSt.)<br />

Abonnement:<br />

siehe Seite 71<br />

Anzeigen:<br />

Für gewerbliche Anzeigen bitte<br />

Preisliste Nr. 01 (inkl. Mediadaten) anfordern.<br />

Kontoverbindung:<br />

NikMa Verlag<br />

Kreissparkasse Ludwigsburg<br />

Konto: 108 294<br />

BLZ: 604 500 50<br />

IBAN: DE38 6045 0050 0000 1082 94<br />

BIC: SOLADES1LBG<br />

Titelfoto:<br />

Terence Hill: © Interfoto/Friedrich<br />

Poster Elvis Presley:<br />

© Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Der Verlag hat sich bemüht, alle Rechte -<br />

inhaber der abgedruckten Fotos zu erreichen.<br />

Leider ist dies nicht in allen Fällen gelungen.<br />

Ggf. möchten bisher unbekannte Urheber<br />

ihre Ansprüche geltend machen. GoodTimes<br />

<strong>kult</strong>! ist auf umweltfreundlichem, chlorfrei<br />

gebleichtem Papier gedruckt! Weiterverwendung<br />

aller in GoodTimes <strong>kult</strong>! erschienenen<br />

Artikel, Interviews, Fotos, Rezensionen etc.<br />

nur mit der Zustimmung des Herausgebers<br />

gestattet.<br />

Gerichtsstand: Stuttgart<br />

Willkommen bei <strong>kult</strong>!<br />

Von den beiden griechischen Worten nostos" (Rück- oder Heimkehr)<br />

und algos" (Schmerz) leitet sich der Begriff Nostalgie ab.<br />

"<br />

"<br />

Der ist heute leider oft mit einem allzu negativen Beigeschmack<br />

belegt, den er gar nicht verdient – denn warum ist eine Rückkehr,<br />

eine Besinnung auf Vergangenes unbedingt etwas Schlechtes? ?Gerade in derart<br />

schnelllebigen Zeiten wie heute tut es manchmal gut, ein wenig innezuhalten, zurückzublicken,<br />

sich zu erinnern. Zumal der Mensch meist mehr und intensiver an<br />

schöne Erlebnisse zurückdenkt. Einfach um den Augenblick der Erinnerung zu genießen<br />

– oder aber auch, um daraus Kraft und Motivation für die Gegenwart und vor<br />

einem Liegendes zu schöpfen.<br />

Positive Nostalgie wollen wir Ihnen mit unseren <strong>kult</strong>!-Heften liefern: Ältere wollen wir<br />

an längst vergangene Zeiten und die Dinge erinnern, die diese zurückliegenden Ären ausgemacht<br />

haben. Jüngere können so erfahren, was ihre Eltern und Großeltern mit geprägt<br />

hat, womit diese ihre Jugend verbrachten, als es nur drei Fernsehkanäle, aber noch keine<br />

Computer, Handys und sonstige moderne Kommunikationsmittel gab. Unterstützung leistet<br />

hier auch die jüngste Tochter unserer Zeitschriften-Familie: Zu GoodTimes und <strong>kult</strong>!<br />

ist nun auch unsere neue Fernsehzeitschrift TV<strong>kult</strong>! getreten. Noch<br />

ein TV-Magazin auf einem ohnehin überfluteten Markt? Ja, denn<br />

wir meinen, dass die spezielle Ausrichtung der Neugründung dies<br />

rechtfertigt und angebracht erscheinen lässt. Denn TV<strong>kult</strong>! legt den<br />

Schwerpunkt auf Kultfilme und Kultsendungen der 30er bis 80er<br />

Jahre. Allzu oft gehen diese Klassiker in der Unübersichtlichkeit t<br />

der gängigen Programmzeitschriften unter. Wir wollen Sie damit<br />

auf besondere Filme, Serien und Sendungen wie Bonanza", High<br />

" "<br />

Chaparral", die Hitparade", Disco", Winnetou", Dick & Doof"<br />

" " " "<br />

gezielt hinweisen – also Werke und ihre Protagonisten, die wir in <strong>kult</strong>! l! vorstellen, weil sie<br />

längst Kultstatus genießen.<br />

Und auf noch etwas wollen wir Ihr Augenmerk richten: auf die DVD-Beilage. Auf ihr finden<br />

Sie satte 13.500 Titelbild-Abbildungen alter Science-Fiction- und Fantasy-Romane!<br />

Viel Spaß beim nostalgischen wie schmerzfreien Schmökern wünscht Ihnen<br />

Fabian Leibfried<br />

-Herausgeber/Chefredakteur-<br />

mit<br />

Poster<br />

<strong>kult</strong>! Nr. 10<br />

erscheint am 17.4.2014<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 3


Ausgabe Oktober 2013<br />

1/2014 (Nr. 9)<br />

INHALT<br />

RUBRIKEN<br />

3 Editorial/Impressum<br />

4 Inhaltsverzeichnis<br />

5 Top 5: 80er Serien<br />

6 News from the past<br />

Altes neu ausgepackt<br />

21 <strong>kult</strong>! Shop<br />

25 <strong>kult</strong>! Verlosung<br />

71 <strong>kult</strong>! Abo-Bestellschein<br />

47 Elvis Presley/The Who<br />

Riesenposter<br />

31 DVD-Beilage<br />

13.500 Titelseiten-Abbildungen<br />

alter Science-Fiction- & Fantasy-Romane<br />

Seite 18<br />

<strong>kult</strong>!<br />

60er · 70er · 80er<br />

Seite 14<br />

Seite 26<br />

14 Porsche 911<br />

Der Rennwagen für die Straße<br />

18 Bilitis<br />

Softsex unterm Weichzeichner<br />

20 Formel Eins<br />

Rückkehr auf den Bildschirm –<br />

zum 30-jährigen Jubiläum<br />

22 Literatur als Comic<br />

Von Homers Odyssee" bis<br />

Stieg Larssons "<br />

Millennium"<br />

"<br />

26 Mein Name ist Nobody<br />

Niemand zog schneller" – Leones Versuch,<br />

komisch<br />

"<br />

zu sein<br />

28 Matchbox Superfast<br />

Die Antwort auf die Hot Wheels<br />

32 Der Himmel ist leer<br />

Ufologen stecken in einer Krise<br />

34 Pan Tau<br />

Der Held aller Kinder<br />

36 Kultbücher<br />

Geschätzt, geliebt, gelobt<br />

38 <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong><br />

Bei Knopfdruck Tor<br />

40 Johannes Mario Simmel<br />

Der Weltverbesserer" oder eine Empfehlung,<br />

"<br />

Johannes Mario Simmel wieder zu lesen<br />

42 Captain Future<br />

1980 noch ein Fall für die Zensur<br />

44 Blueberry<br />

Ein Westmann wird 50<br />

46 Catweazle<br />

Salmei, Dalmei, Adomei<br />

55 Sunkist<br />

Von der Sonne geküsst<br />

Seite 65<br />

Seite 62<br />

Seite 66<br />

Seite 82<br />

Seite 55<br />

Seite 34<br />

56 TV-Serien der 80er (Teil 3)<br />

Fernsehen mit Suchtgefahr<br />

60 Die Gladbach-Story<br />

Wie der "<br />

Fohlen"- Mythos zustande kam<br />

62 Hanni und Nanni<br />

Sardinenpicknick im Mondschein<br />

65 Asterix<br />

Neue Mentoren für die Gallier<br />

66 Fischertechnik<br />

Spielerisch zu technischer Präzision<br />

68 James Bond<br />

Made in Switzerland – Ein Wegweiser zu<br />

18 Bond-Locations in der Schweiz<br />

72 Grundig Kugellautsprecher<br />

Rundum-Schlag<br />

74 Das Jahr 1973<br />

Kein Öl, ein Klo, viel Klimbim<br />

78 Catherine Deneuve zum 70.<br />

Sexsymbol mit Understatement<br />

82 Mode-Serie – 60er Jahre (Teil 2)<br />

Zauberwort Vintage:<br />

Im 60s-Look durch das Heute<br />

86 Ben Sherman – 50 Jahre<br />

Der Stil der Sub<strong>kult</strong>uren für den Mann<br />

88 Die Olsenbande<br />

Mächtig gewaltig! Die Bande gaunert<br />

sich durch Europa<br />

90 Abi Ofarim<br />

An die "<br />

Kinder von gestern" das Herz verloren<br />

92 Michael Landon<br />

Little Joe wird zum großen Star<br />

96 Zuckersüße Träume<br />

Kindheitserinnerungen<br />

aus Schoko und Karamell<br />

98 Joachim Fuchsberger<br />

Mit dem Frosch hat alles angefangen<br />

Seite 4 ■ GoodTimes 1/2014


TOP 5<br />

<strong>kult</strong>!<br />

80 e r TV-Serien<br />

1. Formel Eins<br />

2. Dallas<br />

3. Magnum<br />

4. Alf<br />

5. Miami Vice<br />

Fabian Leibfried<br />

1. Magnum<br />

2. Eine schrecklich nette Familie<br />

3. Alf<br />

4. Bill Cosby Show<br />

5. Die fliegenden Ärzte<br />

Oliver Schuh<br />

1. Remington Steele<br />

2. Fackeln im Sturm<br />

3. Mein Freund Winnetou<br />

4. Sledge Hammer<br />

5. Knight Rider<br />

Jens-Uwe Berndt<br />

1. Irgendwie und sowieso<br />

2. Der Fahnder<br />

3. Monaco Franze<br />

4. Alf<br />

5. Bill Cosby Show<br />

Ulrich Schwartz<br />

1. Tatort<br />

2. Kir Royal<br />

3. Monaco Franze<br />

4. Sketchup<br />

5. Bill Cosby Show<br />

Horst Berner<br />

1. Bill Cosby Show<br />

2. Ein Fall für Zwei<br />

3. Miami Vice<br />

4. Inspector Gadget<br />

5. Matlock<br />

Eckhard Schwettmann<br />

1. Tatort mit Schimanski<br />

2. Denver Clan<br />

3. Eine schecklich nette Familie<br />

4. Alf<br />

5. Miami Vice<br />

Lothar Brandt<br />

1. Dallas<br />

2. Magnum<br />

3. Tatort<br />

4. Ein Fall für Zwei<br />

5. Denver Clan<br />

Christian Simon<br />

1. Mit Schirm, Charme und Melone<br />

2. Solo für U.N.C.L.E.<br />

3. Immer wenn er Pillen nahm<br />

4. Cobra übernehmen Sie<br />

5. Department S<br />

Peter Henning<br />

1. Formel Eins<br />

2. Magnum<br />

3. Dallas<br />

4. Aktenzeichen XY ... ungelöst<br />

5. Ein Colt für alle Fälle<br />

Christian Stronczek<br />

1. Monaco Franze<br />

2. Kir Royal<br />

3. Der Fahnder<br />

4. Tatort mit Schimanski<br />

5. Liebling Kreuzberg<br />

Teddy Hoersch<br />

1. Magnum<br />

2. Drei Engel für Charlie<br />

3. Quincy<br />

4. Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert<br />

5. Die Profis<br />

Alan Tepper<br />

1. Miami Vice<br />

2. Hart aber herzlich<br />

3. Ein Colt für alle Fälle<br />

4. Denver Clan<br />

5. Die Wicherts von nebenan<br />

Andrea Leibfried<br />

1. Captain Future<br />

2. Knight Rider<br />

3. Alf<br />

4. Magnum<br />

5. Miami Vice<br />

Jörg Trüdinger<br />

1. Alf<br />

2. Der kleine Vampir<br />

3. Die Fraggles<br />

4. Simon & Simon<br />

5. Remington Steel<br />

Thorsten Pöttger<br />

1. Hart aber herzlich<br />

2. Dallas<br />

3. Golden Girls<br />

4. Bill Cosby Show<br />

5. Alf<br />

Claudia Tupeit<br />

1. Miami Vice<br />

2. Monaco Franze<br />

3. Ein Colt für alle Fälle<br />

4. Lindenstraße<br />

5. Meister Eder und sein Pumuckl<br />

Philipp Roser<br />

1. Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert<br />

2. Muppet Show<br />

3. Lou Grand<br />

4. MacGyver<br />

5. Magnum<br />

Jürgen Wolff<br />

1. Magnum<br />

2. Rudis Tagesshow<br />

3. Ein Colt für alle Fälle<br />

4. Miami Vice<br />

5. Eine schrecklich nette Familie<br />

1. Formel Eins<br />

2. Das Model und der Schnüffler<br />

3. Magnum<br />

4. Bill Cosby Show<br />

5. Muppet Show<br />

Roland Schäfli<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 5<br />

Blank & Jones<br />

(DJ- und Produzenten-Team)


from the past<br />

EDITH PIAF<br />

Von Charles Dumont<br />

2013, edel Books<br />

ISBN 978-3-84190-230-6<br />

256 Seiten; 300 Abbildungen; 36,00 Ð<br />

Sie brauchte die Liebe. Sie sang nur gut,<br />

"<br />

wenn sie entweder überschwänglich oder gebrochen<br />

war", so charakterisierte der große<br />

französische Chansonnier<br />

und Schauspieler<br />

Yves Montand Edith<br />

Piaf. Ihr schicksalhaftes<br />

Leben, ihre ungewöhnliche<br />

Karriere begeistern<br />

bis heute die Massen, mit<br />

unbändigem Durchsetzungswillen<br />

gelang dem<br />

Spatz von Paris" der schwierige i Weg von<br />

"<br />

der Straßensängerin zum gefeierten Weltstar.<br />

Diesen Weg zeichnet dieser großformatige<br />

Bildband anhand von zahlreichen, teilweise<br />

sehr seltenen Archivbildern, handschriftlichen<br />

Dokumenten sowie Noten und Chansontexten<br />

nach. Die kommentierten Fotografien zeigen<br />

sie privat, auf der Bühne sowie mit prominenten<br />

Zeitgenossen wie Marlene Dietrich,<br />

Alain Delon, Yves Montand oder Georges<br />

Moustaki, mit den beiden Letztgenannten verband<br />

Edith Piaf auch eine private Beziehung.<br />

Am 10. Oktober diesen Jahres hat sich ihr<br />

Todestag zum 50. Mal gejährt, der passende<br />

Anlass für den französischen Autor und Komponisten<br />

Charles Dumont (von dem u.a. die<br />

Melodie von Piafs wohl berühmtesten Chanson,<br />

"Non, Je Ne Regrette Rien", stammt), mit<br />

diesem Bildband an eine einmalige Künstlerin<br />

zu erinnern.<br />

BONANZA<br />

DIE KOMPLETTE 10. STAFFEL<br />

Auch in der zehnten Staffel der erfolgreichen<br />

amerikanischen Westernserie Bonanza" lebt<br />

"<br />

Ben Cartwright (Lorne Greene) immer noch<br />

mit seinen Söhnen auf der Ranch Ponderosa.<br />

Pernell Roberts, der bis Folge 195 Sohn Adam<br />

spielte, war da schon aus der Serie ausgestiegen<br />

(in der Serie verließ er die Ponderosa, um in St.<br />

Louis Medizin zu studieren) und wurde durch<br />

David Canary in der Rolle des Candy ersetzt.<br />

In den 30 Episoden dieser Stafel (Folgen 304<br />

bis 333) erweitert die Serie ihr Spektrum, zeigt<br />

teilweise auch ungewohnte<br />

Seiten und wechselt die<br />

Kulisse – mal in eine<br />

Schneelandschaft, mal in<br />

die Wüste. Inhaltlich geht<br />

es neben den gewohnten<br />

Bonanza-Themen wie<br />

Viehdiebstahl, Selbstjustiz,<br />

Falschspieler, Betrug<br />

und Grenzstreitigkeiten auch mal um Dinge<br />

wie Naturschutz oder das Selbstbestimmungsrecht<br />

eigenwilliger Frauen. Wie gewohnt gibt<br />

es neben der deutschen Synchronisation auch<br />

eine Spur mit dem Originalton, eine Option,<br />

die dem Ganzen dann noch einen Schuss mehr<br />

Authentizität verleiht, mit der man noch tiefer<br />

in diese Kultserie eintauchen kann.<br />

(Studiocanal, 1973, 8 DVDs, 1456 Min.)<br />

LOUIS DE FUNÈS<br />

Von Marc Halupczok<br />

2013, U Books<br />

ISBN 978-393923-948-2<br />

237 Seiten; 14,95 Ð<br />

Tief verbeugt sich dieses<br />

Buch vor einer unsterblichen<br />

Legende! Der<br />

wohl liebenswürdigste<br />

Choleriker der Filmgeschichte,<br />

einer der<br />

größten französischen<br />

Komiker und – nicht zu<br />

vergessen – ein großartiger Schauspieler: Louis<br />

de Funès hat sich in rund 150 Filmen seinen<br />

Kultstatus redlich verdient. Autor Marc Halupczok<br />

lebt und arbeitet als Journalist, Autor und<br />

Übersetzer in Braunschweig, ist gleichzeitig<br />

absoluter Kenner und Liebhaber von Funès'<br />

Filmen, deren denkwürdigste Momente er in<br />

diesem Buch noch einmal Revue passieren<br />

lässt. Mit zahlreichen O-Tönen von Kollegen,<br />

Fans und Weggefährten wird so ein Stück Kinogeschichte<br />

wieder lebendig.<br />

DAS GROSSE DINGS BEI<br />

BRINKS<br />

Boston im Jahr 1950. Der kleine Ganove<br />

Tony (Traumrolle für Peter "<br />

Columbo" Falk)<br />

überfällt mit seiner Bande<br />

einen Geldtransporter.<br />

Doch seltsamerweise wird<br />

dieser Raub in den Medien<br />

gar nicht aufgegriffen.<br />

Als Tony der Sache auf<br />

den Grund geht, stellt<br />

sich schnell heraus, dass<br />

die Geldtransportfirma<br />

Brinks etwas zu verbergen<br />

hat. Denn die Sicherheitsmaßnahmen<br />

dieser renommierten Firma sind alles andere<br />

als gründlich, woraufhin Tony und seine Bande<br />

beschließen bei Brinks "<br />

das ganz große<br />

Ding" zu drehen. Kurz darauf erleichtern sie<br />

den Brinks-Hauptsitz um sagenhafte 2,7 Millionen<br />

Dollar! Doch wiederum bleibt die erhoffte<br />

Presse aus, und selbst das FBI tappt im<br />

Dunkeln, hält die Kommunisten für die Täter.<br />

Dieser Film entstand 1978 frei nach einer wahren<br />

Begebenheit, für Authentizität sorgte dabei<br />

einer der echten Räuber, der als Berater für<br />

Regisseur William Friedkin ( "<br />

Der Exorzist")<br />

fungierte.<br />

(Breu Media/edel, 103 Min.)<br />

BUSTER KEATON XXL<br />

Zusammen mit Charlie Chaplin und Harold<br />

Lloyd gehört Buster Keaton zu den erfolgreichsten<br />

Stars der Stummfilmzeit.<br />

Wegen seines bewusst<br />

ernsten, stoischen Gesichtsausdrucks<br />

wurde er in<br />

den USA The Great Stoneface"<br />

(in Deutschland Der "<br />

"<br />

Mann, der niemals lachte")<br />

genannt. Aus den Jahren<br />

1920 bis 1928 stammen die<br />

Filme dieser zwei DVDs,<br />

auf denen man den amerikanischen Komiker in<br />

zahlreichen seiner Paraderollen erleben kann.<br />

Als Extra gibt es noch eine Bildergalerie, Trailershow<br />

sowie die Biografie Keatons.<br />

(Starmovie/edel, 2 DVDs, 372 Min.)<br />

MARKS OF EXCELLENCE<br />

Von Per Mollerup<br />

2013, Phaidon Press Limited<br />

ISBN 978-0-71486-474-7<br />

296 Seiten, Englisch; 45,95 Ð<br />

Neu aufgelegt und behutsam modernisiert bleibt<br />

dieser dicke Wälzer das Maß der Dinge, wenn<br />

es um Markenzeichen geht. Beginnend mit der<br />

Heraldik des Mittelalters<br />

zeigt Marks "<br />

Of Excellence", wie<br />

sich Wappen und<br />

Monogramme zu den<br />

ersten Markenzeichen<br />

entwickelten,<br />

beleuchtet ausführlich<br />

deren Funktion,<br />

Aussage und Design,<br />

liefert dazu eine schier unerschöpfliche Palette<br />

an Beispielen. Kurze Erläuterungen zu jedem<br />

Thema, zu jedem Markenzeichen, liefern den<br />

theoretischen Hintergrund, doch seine Faszination<br />

bezieht dieses Buch vor allem von seiner<br />

Optik. Es zeigt, wie sich Marken im Laufe der<br />

Jahre entwickelten, wie sich ihre Corperate "<br />

Identity", ihr Außenauftritt veränderte, ohne die<br />

eigentliche Botschaft, den Kern der Marke zu<br />

verlieren. Nach diesen einführenden Grundlagen<br />

werden dann alle unterschiedlichen Arten von<br />

Markenzeichen ausführlich und mit zahlreichen<br />

Beispielen vorgestellt. Von allen möglichen<br />

Grafiken, Bildern, Figuren und Metaphern über<br />

Akronyme wie Nasa, IBM oder Ikea bis zu<br />

einem breiten Spektrum an Motiven wie Tieren<br />

(... der Lufthansa-Kranich, der Firefox-Fuchs),<br />

Kreuzen (Bayer, Swissair, Malteser), geometrischen<br />

Figuren (Deutsche Bank, Mitsubishi).<br />

Dazu Motive aus Natur (Adidas, Air Canada),<br />

Musik (das Horn der Deutschen Post, die Harfe<br />

der Brauerei Guinness) und Mythologie (Nike,<br />

Goodyear). Ein großartiges Nachschlagewerk,<br />

bei dem man darüber hinaus noch richtig viel<br />

dazulernen kann!<br />

Seite 6 ■ GoodTimes 1/2014


ENNIO MORRICONE<br />

2013, edel earBooks<br />

ISBN 978-3-943573-02-2<br />

120 Seiten, 4 CDs; 39,95 Ð<br />

Jeder kennt seine Melodien, ohne die Klassiker<br />

wie Spiel mir das Lied vom Tod" oder The<br />

" "<br />

Mission" nicht das wären, was sie heute sind,<br />

sein Gesamtwerk ist so umfangreich wie kaum<br />

ein anderes – und trotz seiner fast 85 Jahre wird<br />

Ennio Morricone nicht<br />

müde, selbst neuen Hollywood-Streifen<br />

(aktuell wieder<br />

dem Tarantino-Film<br />

Django Unchained") seinen<br />

speziellen Sound mit<br />

"<br />

ins Kino zu geben. Das<br />

Earbook Ennio Morricone"<br />

zollt ihm und seinem beeindruckendem<br />

"<br />

Werk nun auf besondere Art und Weise Tribut:<br />

Filmfotografien und -Plakate, unterschiedliche<br />

Portraits von Morricone, Texte über seine wichtigsten<br />

Werke und vor allem vier CDs voller<br />

(Film-)Musik ergeben ein interessantes, vielschichtiges<br />

und kurzweiliges Bild dieses großartigen<br />

Komponisten, der mit seiner Musik eine<br />

fast unglaubliche Liste an Filmen veredelte, von<br />

" Zwei glorreiche Halunken" über Es war einmal<br />

"<br />

in Amerika" bis zu Cinema Paradiso".<br />

"<br />

DIE 3 MUSKETIERE<br />

EINER FÜR ALLE, ALLE FÜR EINEN<br />

Eine ungewöhnliche Adaption von Alexandre<br />

Dumas' Romanvorlage, die Hollywood 1933 in<br />

die arabische Wüste verlegte. e. Ein junger<br />

John<br />

Wayne verdient sich hier an<br />

der Seite der späteren Leinwand-Helden<br />

Lon Chaney<br />

und Noah Beery erste Sporen,<br />

spielt einen treuen Soldaten<br />

der Fremdenlegion,<br />

der zusammen mit seinen<br />

beiden Waffenkameraden<br />

Kopf und Kragen riskieren<br />

muss, um den Schurken El Shaitan ausfindig<br />

zu machen, damit dieser keinen weiteren Schaden<br />

anrichten kann. Eine ebenso gewagte wie<br />

interessante Weiterentwicklung des bekannten<br />

Mantel- und Degenstoffes mit vergnüglichen<br />

Ausblicken auf spätere Schauspiellegenden.<br />

(Starmovie/edel, 168 Min.)<br />

PARODI<br />

EIN LITERARISCHES KARTENSPIEL<br />

VON EUGEN OKER<br />

2012, Georg Olms Verlag<br />

ISBN 978-3-48708-515-9<br />

19,95 Ð<br />

Mit geflügelten Worten, die von Moses, den<br />

Gebrüdern Grimm, Shakespeare oder Brecht<br />

stammen, spielt man "<br />

Parodi". Dabei sind den<br />

kreativen Ideen, wie man die Zitatkärtchen einsetzt<br />

– also welche Variante man spielen möchte<br />

– schier unerschöpflich. Beim<br />

so genannten Primitiv-Parodi<br />

muss jeder Mitspieler versuchen,<br />

seine zehn Kärtchen zu<br />

neuen kurzen oder langen Gedichten<br />

zusammenzubauen"<br />

"<br />

–<br />

ob dieses neue Gedicht dann<br />

allerdings anerkannt wird,<br />

entscheidet das Auditorium auf klassisch-römische<br />

Art: Daumen hoch oder Daumen runter!<br />

Beim Sonder-Parodi gibt es – natürlich<br />

auf Antrag und durch Votum – Sonderpunkte<br />

für echte Reime und für besonders gelungene,<br />

verblüffende oder sinnreiche Sprüche, beim<br />

Mixed-Parodi müssen Zitate in gerader und<br />

kursiver Schrift streng aufeinanderfolgen, und<br />

auch alleine lässt sich Solo-Parodi spielen; geübten<br />

und langjährigen Spielern wird es nicht<br />

schwer fallen, schnell eigene Versionen dieses<br />

Spieles zu entwickeln. Wer gerne mit (fremden)<br />

Worten spielt, wer aus lauter Lust Schiller<br />

mit Bibelzitaten und Kinderreimen kombinieren<br />

möchte, für den dürfte Paroli ohne Frage<br />

ein lohnender Zeitvertreib sein ...<br />

PERRY RHODAN<br />

DIE CHRONIK BAND 3, 1981–1995<br />

Von Hermann Urbanek<br />

2013, Hannibal Verlag<br />

ISBN 978-3-85445-342-0<br />

656 Seiten; 29,99 Ð<br />

Mit einer Gesamtauflage von<br />

über einer Milliarde sind die<br />

Perry-Rhodan-Romane ohne<br />

Zweifel die erfolgreichste<br />

Science-Fiction-Serie (vielleicht<br />

sogar) unseres Universums,<br />

über 50 ausnahmslos deutschsprachige<br />

Autoren erzählen seit Anfang der 60er Jahre die<br />

Abenteuer von Major Perry Rhodan. Der dritte<br />

Chronikband, dessen Inhalt die Jahre 1981 bis<br />

1995 abdeckt, liefert die gewohnt ausführliche<br />

Betrachtung des Gesamtkunstwerkes Perry "<br />

Rhodan", zeigt mit Hintergrundinformationen<br />

und Briefwechseln auch die bislang größte<br />

Krise der Serie, als Chefautor William Voltz<br />

Anfang der 80er an Krebs erkrankte und 1984<br />

starb. Sehr interessant ist auch zu lesen, welche<br />

Anstrengungen sein Nachfolger Ernst Vlcek<br />

aus Wien unternahm, um die erfolgreiche Romanserie<br />

auf Kurs zu halten. Entscheidend dabei<br />

auch, dass man erkannt hatte, dass es dem<br />

modernen" Publikum schon lange nicht mehr<br />

"<br />

genügt, jede Woche einen neuen Roman zu lesen;<br />

Bücher, Hörbücher, Computerspiele und<br />

der dazu passende Internetauftritt, das musste<br />

genauso gestemmt werden, wie man darauf zu<br />

achten hatte, dass die Roman-Geschichten ihr<br />

gewohntes Niveau hielten. Aufgelockert wird<br />

der voluminöse Wälzer durch Interviews, Cover-Abbildungen,<br />

Fotos und zahlreiche Kurzportraits<br />

der Perry-Rhodan-Autoren.<br />

DIE SCHÖNSTEN FRAUEN IN<br />

HOLLYWOOD<br />

Marilyn Monroe, Ava Gardner, Judy Garland,<br />

Ingrid Bergmann, Senta Berger, Hildegard<br />

Knef und Rosalina Russell: Sie sind<br />

laut DVD-Titel Die schönsten Frauen in<br />

"<br />

Hollywood". In rund zehn Stunden Spielzeit<br />

präsentieren zwei DVDs jeweils einen Film<br />

dieser Diven, Ernest Hemmingways Schnee "<br />

am Kilimandscharo" mit Ava Gardner und<br />

Gregory Peck, der auch<br />

in Ingrid Bergmanns Ich "<br />

kämpfe um dich" die männliche<br />

Hauptrolle innehatte.<br />

Senta Berger und Giuliano<br />

Gemma sieht man im <strong>kult</strong>igen<br />

Als die Frauen noch<br />

"<br />

Schwänze hatten", Judy<br />

Garland und Frank Sinatra<br />

im klassischen Hollywood-Streifen<br />

Till The Clouds Roll By",<br />

"<br />

Marylin Monroe und Jeffrey Lynn in Headline<br />

Story" sowie Rosalina Russell und Cary "<br />

Grant, die in der 1940er Screwball-Komödie<br />

Sein Mädchen für besondere Fälle" ihr komisches<br />

Talent zeigen dürfen.<br />

"<br />

(Starmovie/edel 2 DVDs, 600 Min.)<br />

JOHN WAYNE COLLECTION<br />

VOL. 4 + DIE GRÖSSTEN<br />

WESTERNHELDEN<br />

In der vierten Ausgabe der JOHN WAYNE<br />

COLLECTION gibt es weitere fünf Filme des<br />

bärig-kauzigen Westernstars aus den 30er Jahren<br />

zu sehen. Eine klassische Geschichte über<br />

hinterlistige Morde, in der Wayne als unbestechlicher<br />

Rächer in seiner Paraderolle agieren darf,<br />

erzählt Flussabwärts" aus dem Jahr 1934. Ein<br />

"<br />

Jahr später entstand Desert Trail" (dt. Titel:<br />

"<br />

Der Rodeo-Raub), in dem John Wayne einen<br />

Rodeoreiter spielt, der sich mit allen Mitteln<br />

gegen falsche Anschuldigungen wehren muss.<br />

Im selben Zeitraum entstand mit Das Gold von<br />

"<br />

Texas" ein Film mit ähnlicher Geschichte, dieses<br />

Mal muss der Held aber<br />

seine Unschuld im Goldgräbermilieu<br />

beweisen. In Unter<br />

dem Himmel von Arizo-<br />

"<br />

na" verhilft John Wayne der<br />

kleinen Nina, die nach dem<br />

Verschwinden ihres Vaters<br />

Anrecht auf ein wertvolles<br />

Ölfeld hat, zu ihrem Recht.<br />

Auch die Story von Film Nummer Fünf, Im<br />

"<br />

Tal des Regenbogens", ist ein gutes Stück entfernt<br />

vom klassischen Western. Hier muss sich<br />

Wayne, der als verdeckter Ermittler in einer<br />

Kleinstadt einen Überfall auf den Postboten vereitelt,<br />

als Straßenbauer bewähren. Hart bedrängt<br />

wird er dabei von seinem früheren Kumpel<br />

Butch (gespielt von Buffalo Bill Jr.), der den Bau<br />

der Straße mit allen Mitteln verhindern möch-<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 7


from the past<br />

te. Mit zwei Filmen von<br />

Roy Rogers ( "<br />

The Days<br />

Of Jesse James" und "<br />

Billy<br />

The Kid kehrt zurück"),<br />

sowie je einem Streifen von<br />

John Wayne ( "<br />

US Marshal<br />

John") und von Clayton<br />

Moore ( "<br />

Buffalo Bill")<br />

liefert die Doppel-DVD "<br />

Die Größten Westernhelden"<br />

klassisches Western-Material zu<br />

kleinem Preis, und als Clou gibt es noch die<br />

oben bereits vorgestellten fünf Filme der "<br />

John<br />

Wayne Collection Vol. 4" als Bonus dazu – da<br />

kann man nun wirklich nicht meckern ...<br />

(Starmovie/edel, 263 Min. + 500 Min.)<br />

HALLO TANKWART<br />

WO DAS WIRTSCHAFTSWUNDER<br />

FAHRT AUFNAHM<br />

Von Alexander F. Storz<br />

2013, Motorbuchverlag<br />

ISBN 978-3-61303-535-5<br />

176 Seiten; 19,95 Ð<br />

Nach dem überaus gelungenen Band So rollten "<br />

die Fünfziger" widmet sich Alexander F. Storz<br />

nun den Tankstellen, die die durstigen Karossen<br />

mit Öl und Sprit versorgten und wo der nette<br />

Tankwart dem Kunden auch mal schnell die<br />

Windschutzscheibe reinigte. Neben den Texten,<br />

mit denen der Autor die Zeit von den 50er bis<br />

Ende der 70er Jahre dokumentiert, sind es die<br />

liebevoll ausgewählten<br />

Fotos, Postkarten und<br />

Reklameschilder,<br />

die<br />

einen starken Eindruck<br />

der Entwicklung in den<br />

Jahren<br />

vermittelten.<br />

Nicht nur Aufnahmen<br />

von Tankstellen und Reisenden<br />

regen zum nostalgischen<br />

Schmunzeln an, nein, auch die Automodelle<br />

(und die Pop-Farben) entführen den Betrachter<br />

in eine längst vergessene Zeit. Der Fiat<br />

500, der klassische Käfer, uralte Mercedes oder<br />

ein Porsche 911 L 2.0 Targa – ja, das waren noch<br />

Autos, die liefen und liefen, ohne dass ständig<br />

irgendwelche elektronischen Bauteile versagten.<br />

Exzellenter Gesamteindruck.<br />

CAVEMAN<br />

DER AUS DER HÖHLE KAM<br />

Endlich gibt es diesen Kultstreifen auch als<br />

Blu-ray. Anarchischer Humor im Stile von<br />

Monty Python und Mel Brooks ist garantiert in<br />

dieser Geschichte, in der sich 200.000 Jahre vor<br />

Christus der Höhlenmensch Atouk (gespielt<br />

elt<br />

vom Ex-Beatle Ringo Starr)<br />

unsterblich in die schöne<br />

Lana (Barbara Bach) – Frau<br />

seines Sippenhäutlings Tonda<br />

– verliebt. Daraufhin aus<br />

der Sippe verbannt, trifft er<br />

in der Wildnis die hübsche Tala (Shelley Long)<br />

mit ihrem einfältigen Begleiter Lar (Dennis<br />

Quaid). Zusammen bestehen sie jede Menge<br />

Abenteuer und kämpfen gegen allerlei prähistorische<br />

Dinos. Entdecken dazu noch hilfreiche<br />

Dinge wie den aufrechten Gang, das<br />

Feuer, das Rad, die Musik und vieles mehr.<br />

Und wie das Leben eben so spielt, verliebten<br />

sich Ringo Starr und Barbara Bach während<br />

der Dreharbeiten 1980 wirklich ineinander, so<br />

dass sie ein Jahr darauf heirateten ...<br />

(Breu Media/edel, 88 Min.)<br />

DER MÜDE THEODOR<br />

Erstmals auf DVD ist nun diese Filmkomödie<br />

aus dem Jahr 1957 mit Heinz Erhardt in<br />

der Hauptrolle erschienen. Als Marmeladenfabrikant<br />

hat Theodor Hagemann leider keinerlei<br />

Sinn fürs Geschäft,<br />

verschleudert sein Geld<br />

lieber als Sponsor verkannter<br />

Künstler. Was seine<br />

Tochter Jenny (Karin<br />

Baal), die in einen glücklosen<br />

Komponisten verliebt<br />

ist, zwar freut, aber<br />

seine strenge Gattin und<br />

Geschäftsführerin Rosa<br />

(Loni Heuser) dafür umso mehr zur Verzweiflung<br />

treibt. Als Hagemann dann wirklich pleite<br />

geht und einen Job als nächtlicher Zimmerkellner<br />

in einem Nobelhotel annehmen muss,<br />

zeigt er eindrucksvoll, dass er auch dort alles<br />

andere als eine Idealbesetzung ist. Dafür sieht<br />

man aber, dass so eine Geschichte natürlich<br />

nichts anderes als eine Paraderolle für Heinz<br />

Erhardt darstellt. Mit Schauspielern wie Ralf<br />

Wolters, Wolfgang Neuss, Peter Weck und Renate<br />

Ewert sind auch die Nebenrollen hervorragend<br />

besetzt. Als Bonus kommt diese DVD<br />

mit einer zusätzlichen Audio-CD mit 20 Heinz-<br />

Erhardt-Liedern ("Ach wenn ich doch im Lotto<br />

...", "Skat Polka", "Baby es regnet doch", "Herr<br />

Meier wird verlangt" ...).<br />

(Hoppe Entertainment, 90 Min. plus CD)<br />

DAS GROSSE MÄRCHEN-<br />

BUCH<br />

Von Ruth und Martin Koser-Michaëls<br />

2013, Knaur<br />

ISBN 978-3-42665-344-9<br />

480 Seiten; 19,99 Ð<br />

Nach einer vorzüglichen Ausgabe von<br />

Grimms Märchen", bei der besonders die<br />

"<br />

wunderschönen Aquarellbilder gefielen, erscheint<br />

mit Das große Märchenbuch" eine<br />

"<br />

empfehlenswerte Anthologie, die in die Tage<br />

der Kindheit zurückführt. Neben den Texten<br />

an sich begeistern erneut die Bilder von Ruth<br />

und Martin Koser-Michaëls, nicht nur wegen<br />

der geschmackvollen Farbigkeit, sondern auch<br />

aufgrund des Ausdrucks. Und auch Neues gibt<br />

es zu entdecken, denn zusätzlich zu den Klassikern<br />

von Jakob und Wilhelm Grimm (unter anderem<br />

Rotkäppchen", Rumpelstilzchen"<br />

oder Frau Hol-<br />

"<br />

" "<br />

le"), darf man sich von Hans<br />

Christian Andersen verzaubern<br />

lassen ( Die wilden Schwäne",<br />

"<br />

Die Schneekönigin" bzw.<br />

"<br />

Die Nachtigall") oder Ludwig<br />

Bechstein und vor allem<br />

"<br />

Wilhelm Hauff, dessen Märchen<br />

Der Zwerg Nase", Die<br />

" "<br />

Geschichte von dem kleinen Muck" oder Die<br />

"<br />

Geschichte vom Kalif Storch" auch heute noch<br />

wirken. Hervorragend!<br />

GULLIVERS REISEN<br />

Am 5. November 1699 erlitt der Seemann Gulliver<br />

in einem schweren Orkan Schiffbruch und<br />

wachte erst am Strand von Liliput wieder auf.<br />

Dort hatten ihn die Liliputaner – ein Volk von<br />

winzigen Menschen – gefunden. Panik brach<br />

aus, ein Riese am Strand. Die Tochter von König<br />

Little, Prinzessin Gloria, sollte den Sohn von<br />

König Bombo von Blefusko – dem Nachbar-<br />

Königreich – heiraten. König Little bestand auf<br />

dem seit Jahrhunderten bei Hochzeiten gespielten<br />

Lied "Treue", doch König Bombo wollte<br />

unbedingt, dass "Forever" gespielt werden<br />

sollte. So platzte die Hochzeit,<br />

und es wurde der Krieg<br />

zwischen den Völkern ausgerufen.<br />

Dank Gulliver kam<br />

es letztlich aber doch zum<br />

Frieden und zu einer schönen<br />

Hochzeit ... Dieser Oscarnominierter<br />

Zeichentrickfilm<br />

von Star-Produzent Max<br />

Fleischer war 1939 einer der weltweit ersten<br />

Zeichentrick-Hauptfilme und die erste Nicht-<br />

Walt-Disney-Produktion überhaupt. Er entstand<br />

wie spätere Klassiker des Genres in den renommierten<br />

Fleischer Studios (u.a. Betty Boo",<br />

"<br />

" Superman", Popeye") und punktet heute immer<br />

noch mit seinem ganz eigenen Charme.<br />

"<br />

Extras: Zwei Kurzfilme plus Dokumentation.<br />

(Interpathe/edel, 76 Min.)<br />

ÄFFLE & PFERDLE<br />

ZUSAMMA ISCH'S OIFACH<br />

SCHEENER!<br />

Von Heiko Volz und Roman Lang<br />

2013, Esslinger Verlag<br />

ISBN 978-3-48023-103-4<br />

64 Seiten; 12,95 Ð<br />

Zusamma isch's oifach scheener!" ist bereits<br />

"<br />

der dritte Band, der mit neuen Geschichten<br />

(und altbewährter Herzlichkeit) die Lebensweisheiten<br />

der beiden schwäbischen Kultfiguren<br />

des (ehemals) Süddeutschen Rundfunks<br />

präsentiert. Ob in den Schweizer Bergen, auf<br />

dem Volksfest (natürlich auf dem Cannstatter<br />

Seite 8 ■ GoodTimes 1/2014


Wasen ...), beim Campen,<br />

beim Konzert in der Stuttgarter<br />

Liederhalle oder bei<br />

Trips nach Tübingen, Freiburg<br />

und Heidelberg – zu<br />

zweit macht alles gleich<br />

doppelt so viel Spaß!<br />

Und natürlich hlassen einen die beiden wieder<br />

teilhaben an ihren sinnvoll sinnlosen Gesprächen,<br />

stellen (in stilechtem Schwäbisch); klar,<br />

dass man warme Stiefel nicht für kalte Tage,<br />

sondern für warme Füße braucht, und dass es<br />

halt oft wie im wirklichen Leben ist: Die einen<br />

" schwätzet", die anderen schaffet". So isch's!<br />

"<br />

A TRIBUTE TO ROBERT<br />

CRUMB<br />

2013, Edition 52<br />

ISBN 978-3-93522-984-5<br />

100 Seiten; 20,00 Ð<br />

Robert Crumb, dieser geniale<br />

Maler, Musiker und<br />

Illustrator aus dem amerikanischen<br />

Philadelphia,<br />

hat vor allem in der Comicszene<br />

einen legendären<br />

Ruf. Dabei scheute der<br />

Underground-Künstler selbst im prüden Amerika<br />

der 60er Jahre nie vor politisch und sexuell<br />

anzüglichen Cartoons zurück, war in seiner Direktheit,<br />

ja in seiner Deutlichkeit Vorreiter und<br />

Wegbereiter für zahlreiche junge Kollegen. Mit<br />

A Tribute To Robert Crumb" zahlen ihm einige<br />

"<br />

dieser Künstler nun eine Kleinigkeit zurück,<br />

mal mehr oder weniger werkgetreu, mal stilistisch<br />

anbandelnd oder völlig frei, mal mit und<br />

ohne Text zeigen Comiczeichner wie Fil (von<br />

dem auch das Vorwort stammt), Tom Bunk,<br />

Ralf König, Eckart Breitschuh, Robert Platzgumer,<br />

Lars Fiske, Ivo Kircheis, Denis Kitchen,<br />

Gilbert Shelton oder Martin Perscheid, mit welchen<br />

Augen sie Robert Crumb (und sein Werk)<br />

sehen, liefern so eine kurzweilige Hommage<br />

an einen wahrlich außergewöhnlichen Kollegen<br />

ab.<br />

DER VERRAT<br />

Von Val McDermid<br />

2013, Droemer<br />

ISBN 978-3-42619-969-5<br />

512 Seiten; 19,99 Ð<br />

Val McDermid zählt zu den<br />

beliebtesten Krimi- und<br />

Thriller-Autorinnen Großbritanniens<br />

und wurde bereits<br />

mit zahlreichen Preisen<br />

geehrt, wie zum Beispiel dem Diamond Dagger".<br />

Mit ihrem aktuellen Roman betritt sie Neu-<br />

"<br />

land und schickt das beliebte Ermittlerteam Tony<br />

Hill und Carol Jordan kurzfristig in den Urlaub.<br />

Der Roman handelt von Stephanie Harker, einer<br />

Ghostwriterin, die momentan für eine Celebrity-<br />

Star tätig ist. Sie will mit ihrem Adoptivsohn<br />

Jimmy verreisen, wird kurzfristig durch einen<br />

Alarm am Metalldetektor des Flughafens aufgehalten<br />

und muss zusehen, wie ihr Sohn von einem<br />

Fremden entführt wird. In dem darauffolgenden<br />

Verhör mit einer FBI-Agentin erzählt sie ihre Geschichte<br />

und bietet somit auch einen Einblick in<br />

die vermeintliche Glitzerwelt ihrer Klientin. Die<br />

anschließende Suche nach Jimmy konfrontiert<br />

die beiden mit einer unerwarteten Wendung. Es<br />

mag sein, dass der aktuelle Roman nicht ganz so<br />

spannend ist wie einige der erstklassigen Vorgänger,<br />

dafür präsentiert Val McDermid hier eine<br />

bissige Gesellschaftskritik und hinterfragt den<br />

penetranten Promi<strong>kult</strong>. Empfehlung.<br />

DIE HECKPARADE<br />

MEINE LIEBLINGSHITS – UNSERE<br />

NR.1-HITS – MEINE HITPARADEN-<br />

JAHRE<br />

In Anlehnung an seine erfolgreichste TV-<br />

Sendung, die ZDF-Hitparade", überschreibt<br />

"<br />

Dieter Thomas Heck seine drei CD-Boxen mit<br />

Musik aus dieser Zeit mit DIE HECKPARDE.<br />

Thematisch unterteilt er sie in drei Kategorien,<br />

präsentiert auf MEINE HITPARADEN-<br />

JAHRE das Beste aus den<br />

" ZDF-Hitparade"-Jahren<br />

1969 bis 1984. Somit liefert<br />

dieser Streifzug eine<br />

breite Palette an deutschem<br />

Schlager, ergänzt<br />

um die ersten NDW-Hits<br />

von Falco, Nena oder Geier Sturzflug, die ab<br />

Anfang der 80er in diese Sendung einzogen.<br />

Auf UNSERE NR.1-<br />

HITS liefert Heck dann<br />

einen Querschnitt durch<br />

die Top-Platzierten der<br />

deutschen Single-Charts<br />

von Ende der 60er bis<br />

heute, reicht die Auswahl<br />

von Mireille Mathieu ("La Paloma ade") über<br />

Modern Talking ("You're<br />

My Heart, You're My<br />

Soul") bis zu Tim Bendzko<br />

("Nur noch kurz die<br />

Welt retten"). Eine ganz<br />

persönliche Auslese traf<br />

der Moderator dann für<br />

MEINE LIEBLINGSHITS, sie reicht von Top-<br />

Hits wie Howard Carpendales "Deine Spuren<br />

im Sand" und "Über sieben Brücken musst<br />

du gehen" von Karat über Kultmaterial wie<br />

"Im Wagen vor mir" von Henry Valentino mit<br />

Uschi und Binos "Mama Leone" bis zu Volksmusik<br />

wie "Herzilein" von den Wildecker<br />

Herzbuben und "Patrona Bavariae" vom Original<br />

Naabtal Duo. Tolle Boxen, die sich ihre<br />

Klasse vor allem durch eine breite Stilpalette<br />

verdienen.<br />

(Ariola/Sony Music, jeweils 3 CDs)<br />

FASHION: BOX<br />

MODEKLASSIKER UND IHRE STARS<br />

– VON DER JEANS BIS ZUM<br />

KLEINEN SCHWARZEN<br />

Von Isabella Dothel<br />

2013, DuMont<br />

ISBN 978-3-83219-347-8<br />

480 Seiten; 19,99 Ð<br />

In dem vorzüglichen Fotoband mit mehr als<br />

400 Fotografien und Filmstills dokumentiert<br />

Isabella Dothel 60<br />

Jahre Modegeschichte.<br />

Vom Kleinen Schwarzen<br />

und dem Bleistiftrock<br />

über die Hotpants<br />

und dem Bikini bis hin<br />

zur Caprihose und dem<br />

Minirock werden die<br />

maßgeblichen Stile anhand<br />

exemplarischer Fotos dargestellt. Dabei<br />

wurden nicht nur die obligatorischen Starfotos<br />

ausgewählt, sondern auch die sogenannten<br />

Stills aus bekannten Filmen. Marlene Dietrich<br />

(Trenchcoat), Raquel Welch und Sharon Stone<br />

(Minirock), Marilyn Monroe und Jane Russell<br />

(Korsage – aus "<br />

Blondinen bevorzugt"), Jessica<br />

Alba und natürlich Ursula Andress (Bikini)<br />

oder Claudia Cardinale (Das Kleine Schwarze)<br />

stehen stellvertretend für Mode-Epochen.<br />

Zwar stehen die Accessoires im Vordergrund,<br />

doch das überwältigende Staraufgebot beeindruckt<br />

gleichermaßen und entführt in einer<br />

Zeit, in der Schauspieler und Musiker noch<br />

einen Vorbild- und Vorläufercharakter hatten.<br />

BLOOD ON THE SUN<br />

James Cagney spielt in diesem Film aus dem<br />

Jahr 1945 einen amerikanischen Journalisten,<br />

der in den 20er Jahren Wind vom Plan Japans<br />

bekommt, die Weltherrschaft zu übernehmen.<br />

In einem Artikel schreibt er über diesen Plan<br />

und bringt damit ungewollt eine Lawine ins<br />

Rollen, erste Todesopfer sind seine Frau und<br />

ein Journalistenkollege. Zusammen mit der<br />

von Sylvia Sidney gespielten Iris Hilliard<br />

versucht er, die Dokumente, die den größenwahnsinnigen<br />

Plan Japans beweisen können,<br />

außer Landes zu schmuggeln. g Ein Film, der<br />

mit seiner moralischen<br />

Schwarz-Weiß-Zeichnung<br />

der Charaktere sicherlich<br />

stark von der US-Kriegspropaganda<br />

nach dem japanischen<br />

Angriff auf Pearl<br />

Harbour beeinflusst ist, aber<br />

mit einem stark agierenden<br />

Hauptdarsteller sowie mit<br />

klasse Hintergrundbildern (Oscar für Beste "<br />

Ausstattung") vor allen Freunden von hochklassigen<br />

Hollywood-Actionfilmen der Vorkriegszeit<br />

zusagen dürfte.<br />

(Starmovie/edel, 94 Min.)<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 9


from the past<br />

VINTAGE & CLASSIC STYLE<br />

GUIDE<br />

Von Jos Bendinelli Negrone und<br />

Michael Köckritz (Hrsg.)<br />

2013, edel earBooks<br />

ISBN 978-3-94357-305-3<br />

240 Seiten; 49,95 Ð<br />

Dieser in einem Pappschuber erhältliche großformatige<br />

Prachtband entführt in eine Zeit, in<br />

der das Design eines Produkts unverfälscht<br />

und höchst originell<br />

war. Von Schreibmaschinen<br />

(Olivetti) über<br />

Autoklassiker (Lamborghini<br />

Miura) und<br />

Kameras (Leica, Rolex)<br />

bis hin zu Spielsachen<br />

(Matchbox-Autos,<br />

Flipper) und Gegenständen des täglichen<br />

Gebrauchs (Plattenspieler, Braun-Rasierapparat)<br />

sind vergessene oder noch nie gekannte<br />

Kultobjekte zu bestaunen. Neben den erstklassigen<br />

Fotos erhält der Leser in dem kurzen<br />

Text (dt./engl.) wissenswerte Informationen.<br />

Eine stilecht beigelegte 10"-Vinylplatte enthält<br />

Stücke von unter anderem Miles Davis,<br />

dem Dave Brubeck Quartet und Louis Armstrong<br />

And His Hot Five. Herrlich! Warum<br />

allerdings die die Kapitel einleitenden Zitate<br />

nur in Englisch verfasst wurden und von den<br />

jeweiligen Produkten auch nur die englischen<br />

Markennamen verzeichnet sind, bleibt ein<br />

Rätsel (ein deutscher Verlag hat diesen Titel<br />

veröffentlicht). Bei dem Preis sollte man so<br />

etwas erwarten dürfen.<br />

NIGHT OF THE LIVING DEAD<br />

Barbara – sie kommen und holen dich!",<br />

"<br />

dieser Satz, den Johnny seiner Schwester im<br />

Scherz auf dem Friedhof<br />

zuruft, ist schon wenige<br />

Augenblicke später<br />

grausame Wirklichkeit.<br />

Ein mysteriöser Fremder<br />

greift sie an, und Barbara<br />

kann in letzter Sekunde<br />

fliehen. Zusammen mit<br />

einigen wenigen Überlebenden<br />

verschanzt sie sich in einem einsamen<br />

Haus, das schon kurz darauf von aus den Gräbern<br />

gekrochenen Untoten belagert ist, verrückt<br />

danach, ihren unbändigen Hunger nach<br />

Menschenfleisch zu stillen. Scheinbar gibt es<br />

für die Eingeschlossenen keine Hoffnung auf<br />

Rettung, unaufhörlich kratzen die Totenhände<br />

an Fenster und Türen, nichts kann sie aufhalten<br />

... 1968 erschuf Regisseur George A. Romero<br />

mit Night Of The Living Dead" einen der ersten<br />

Zombie-Filme, inzwischen ein absoluter<br />

"<br />

Klassiker der Horrorszene, der noch Jahrzehnte<br />

später weniger durch blutrünstige Bilder als<br />

durch subtile Gruseleffekte, Gänsehaut-Filmmusik<br />

und verstörende Bilder zum Alptraum<br />

schlechthin wird. Zusätzlich zum Originalfilm<br />

(wahlweise deutsch oder englisch) gibt es noch<br />

massenhaft Bonus-Material wie Audiokommentar,<br />

Bildergalerie, Hintergrund-Doku zum<br />

Film sowie Interviews mit Regisseur George A.<br />

Romero und Schauspieler Duane Jones.<br />

(Starmovie/edel, 91 Min. & 100 Min.<br />

Bonus-Material)<br />

DAS SCIENCE-FICTION<br />

JAHRBUCH 2013<br />

Von Sascha Mamczak /<br />

Wolfgang Jeschke (Hrsg.)<br />

2013, Heyne<br />

ISBN 978-3-453-53445-5<br />

992 Seiten; 36,99 Ð<br />

Der Heyne-Verlag hat in diesem<br />

Jahr die anspruchsvollen<br />

Science-Fiction-Fans mit<br />

der Publikation des bahnbrechenden<br />

Werks 2312" "<br />

von Kim Stanley Robinson<br />

beglückt. Nun folgt das obligatorische<br />

Jahrbuch, in dem<br />

wirklich alles Wissenswerte zum Genre zu erfahren<br />

ist. Neben den wichtigen theoretischen<br />

Artikeln (zum Beispiel ein Aufsatz zum Tode<br />

von Jack Vance, eine Abhandlung über Herberts<br />

Wüstenplaneten und dessen Folgen oder einem<br />

Interview mit Daniel Suarez) sind es erneut<br />

die Reviews, die einen großen Teil des Schinkens<br />

ausmachen. Buch, Hörspiele, Filme oder<br />

Spiele – hier werden alle Neuheiten kompetent<br />

und zudem auch kritisch vorgestellt. Nach dem<br />

obligatorischen Marktbericht, der für die Fantastik<br />

allgemein positiv ausfällt, werden noch<br />

die aktuellen Preisträger der verschiedensten<br />

internationalen Preise genannt. Kompetent,<br />

sachkundig und überaus informationsreich –<br />

was will man mehr?<br />

RUHE SANFT GMBH<br />

Mit Vincent Price, Peter Lorre und Boris Karloff<br />

hatte Regisseur Jacques Tourneur 1963 drei<br />

gestandene Horrormimen zur Verfügung, mit<br />

denen er eine schwarzhumorige Horror-Persiflage<br />

erschuf. Dabei dreht sich alles um das<br />

ehemals florierende Bestattungsunternehmen<br />

Hichley, deren Leiter Waldo<br />

Turnbull nicht einmal mehr<br />

die anstehende Jahresmiete<br />

bezahlen kann. In dieser Not<br />

entsteht die geniale Idee, sich<br />

durch Morde (zahlungskräftige)<br />

Kundschaft zu verschaffen,<br />

doch einerseits zeigt es<br />

sich weitaus komplizierter als<br />

gedacht, jemanden die Lebenslichter auszublasen,<br />

andererseits sorgen zusätzliche familiäre<br />

Verwicklung für jede Menge Chaos ...<br />

(Breu Media/edel, 83 Min.)<br />

DANIEL BOONE<br />

TRAIL BLAZER<br />

Den Originalklassiker aus dem Jahr 1956 über<br />

den berühmten Jäger Daniel Boone gibt es nun<br />

erstmals in deutscher Sprache<br />

als DVD. Bruce Bennett<br />

( Tarzan", Der Schatz der<br />

" "<br />

Sierra Madre") spielt dabei<br />

den legendären Fallensteller<br />

und Jäger, der die ersten<br />

Siedler nach Kentucky führt,<br />

um dort neues Land zu gewinnen.<br />

Doch bald werden<br />

sie in Kämpfe mit den dort lebenden Indianern<br />

verwickelt, die von einem Franzosen aufgestachelt<br />

wurden, den friedlichen Siedlertreck unter<br />

Boones Führung zu überfallen. Neben dem<br />

Ex-Leichtathleten Bennett (1928 Silber im Kugelstoßen)<br />

ermöglicht Daniel Boone" auch ein<br />

"<br />

Wiedersehen mit Lon Chaney Jr. ( Dracula vs. "<br />

Frankenstein") als Häuptling Blackfish sowie<br />

mit Countrysänger Faron Young.<br />

(Starmovie/edel, 75 Min.)<br />

CORNELIA FROBOESS +<br />

VICKY LEANDROS +<br />

JOHANNA VON KOCZIAN<br />

DIE NEUEN LIEDER + ICH LIEBE DAS<br />

LEBEN + DAS BISSCHEN HAUSHALT<br />

... SAGT MEIN MANN<br />

Conny Froboess kennt man vor allen durch die<br />

" Badehose", die sie 1951 einpackte", sowie<br />

"<br />

durch zahlreiche Schlagerduette, die sie in den<br />

frühen 60ern mit Rex Gildo, Peter Alexander<br />

oder Peter Kraus aufnahm. Fast vergessen wurden<br />

darüber DIE NEUEN<br />

LIEDER (14/40:33), ihr<br />

musikalisch anspruchsvolles<br />

Schlageralbum aus<br />

dem Jahr 1967, auf dem<br />

sie mit Kompositionen<br />

von Francis Lai und Alyn<br />

Ainsworth sowie einem vertonten Gedicht von<br />

Francois Villon eine ganz andere, ungemein facettenreiche<br />

Seite ihrer Persönlichkeit zeigen<br />

durfte. Von außen sieht die CD genauso aus<br />

wie die damalige LP, der Inhalt wurde remastert<br />

und um zwei Bonus-Tracks erweitert. Die<br />

gleiche hochwertige Behandlung – allerdings<br />

mit vier Zusatztracks, darunter zwei englisch<br />

gesungene Titel – erhielt ICH LIEBE DAS<br />

LEBEN (15/56:46), der Longplayer von Vicky<br />

Leandros aus dem Jahr 1975, der neben dem<br />

erfolgreichen Titeltrack mit "Ja, ja der Peter<br />

der ist schlau", "Drehorgelmann" und "Weißt<br />

du woraus die Träume sind" noch drei weitere<br />

Singles in den Charts<br />

platzieren konnte. Definitiv<br />

Kult ist zwischenzeitlich<br />

Johanna von<br />

Koczians Hausfrauen-<br />

Hymne "Das bisschen<br />

Seite 10 ■ GoodTimes 1/2014


Haushalt macht sich von<br />

allein ... sagt mein Mann".<br />

Wer mehr von der wandlungsfähigen<br />

Schauspielerin<br />

und Sängerin hören<br />

möchte, kann sich jetzt<br />

als remasterte CD-Erstveröffentlichung DAS<br />

BISSCHEN HAUSHALT ... SAGT MEIN<br />

MANN (14/44:49) aus dem Jahr 1977 zulegen.<br />

Mit dem kleinen Haushalt-Nachfolge-Hit<br />

"Aufsteh'n ist schön" sowie "Der Kater lässt das<br />

mausen nicht" gibt es auch hier zwei Bonus-<br />

Tracks dazu.<br />

(Polydor/Universal, 3 CDs)<br />

DIE LIEBHABER MEINER<br />

TÖCHTER<br />

Von Kati Naumann<br />

2013, Knaur Taschenbuch<br />

ISBN 978-3-426-51258-6<br />

270 Seiten; 9,99 Ð<br />

Stellen Sie sich vor, Sie sind<br />

Mutter von drei wohlgeratenen<br />

Töchtern, die so langsam<br />

flügge werden. Doch<br />

halt: Eigentlich haben Sie<br />

nun sechs Kinder, denn die<br />

jeweiligen Freunde richten<br />

sich allmählich auch bei Ihnen ein, es ist ja so<br />

nett – und so bequem: Das Essen steht auf dem<br />

Tisch, die Wäsche wird gewaschen, und eine<br />

Schulter zum Ausweinen ist auch immer da.<br />

Und dann passiert eines Tages das Unglaubliche:<br />

Eine nach der anderen machen die Töchter<br />

mit ihren Liebhabern Schluss! Das haben<br />

diese armen Kerle doch nicht verdient, oder?<br />

Wie können die Mädels nur so herzlos sein?<br />

Rund um diesen Plot erzählt die in Leipzig und<br />

London lebende Autorin Kati Naumann mit<br />

dem auch als Hörbuch erhältlichen Roman Die "<br />

Liebhaber meiner Töchter" eine ebenso witzige<br />

wie intelligente Geschichte vom ganz normalen<br />

(?) Alltag einer modernen Frau zwischen Job,<br />

Haushalt, Mann, Töchtern und gebrochenen<br />

Herzen, lässt den Leser mitfühlen, mitlachen<br />

und mitweinen – und präsentiert dazu noch ein<br />

Ende, mit dem niemand gerechnet hätte ...<br />

SHERLOCK HOLMES<br />

Mit einem Detektiv, der seine Fälle mit detailgenauer<br />

Beobachtungsgabe und messerscharfen<br />

Schlussfolgerungen löst, begründete Arthur<br />

Conan Doyle 1886 mit seiner ersten Sherlock-<br />

Holmes-Geschichte ein neues<br />

Genre. Schnell faszinierte der eigenwillige<br />

Charakter mit Pfeife<br />

und Tweedmütze Generationen<br />

von Krimifans, wurde zusammen<br />

mit seinem Assistenten<br />

Dr. Watson zu einem der populärsten<br />

Duos der Krimiliteratur.<br />

Mitte der 50er Jahre verkörperte<br />

der britische Schauspieler Howard Jones<br />

den Meisterdetektiv in einer amerikanischen<br />

TV-Serie. 15 dieser Schwarz-Weiß-Folgen (sowie<br />

zwei neuere in Farbe) gibt es nun auf einer<br />

Dreifach-DVD zu sehen, insgesamt über zwölf<br />

Stunden klassisches Krimimaterial, also genau<br />

das Richtige für die nun kommenden, langen<br />

Herbst- und Winterabende.<br />

(Best Entertainment, 3 DVDs, 730 Min.)<br />

MEINE HITPARADEN-JAHRE<br />

Schier unerschöpflich scheint das Reservoir,<br />

aus dem Dieter Thomas Heck für die Zusammenstellung<br />

seiner" Hitparadenerinnerungen<br />

"<br />

schöpfen kann. Auf jeweils<br />

3x Buch "<br />

Die Ducks in Deutschland":<br />

zwei DVDs (inkl. 60-seitigem<br />

Begleitbuch) geht es<br />

– Ullrich Löser, Lüdingshausen<br />

– Andreas Krisch, Fulda<br />

mittels dreier Boxen chronologisch<br />

durch die Jahre<br />

– Matthias Kirchheim, Neumünster<br />

1969 bis 1974, 1975 bis<br />

5x DVD "<br />

Kitty und die große Welt":<br />

1979 und 1980 bis 1984.<br />

– Elena Hagemann, Viernheim<br />

Kult neben den zahlreichen<br />

– Marion Meister, Hemhofen<br />

Schlagerstars (... wo hatten<br />

– Angelika Ronneberger,<br />

die damals nur diese Klamotten her?!?) vor Gummersbach<br />

allem Hecks kurz prägnante – man war ja in – Reiner Tschernowsky, Niedernhall<br />

dieser Sendung immer in Zeitnot – Anmoderationen:<br />

Gitte, bitte!". Klasse bei diesen drei<br />

"<br />

– Christian Fleischer, Berlin<br />

Zusammenstellungen auch die breitgefächerte 3x DVD-Box "<br />

Formel Eins":<br />

Auswahl der Titel, bei weitem unterscheidet – Markus Thum, Wemding<br />

sich diese von so vielen anderen ähnlich daherkommenden<br />

DVDs, selbst ausgemachte – Otger Wagner, Wenden<br />

– Monika Hofscheier, Griesheim<br />

Schlagerkenner werden hier noch so manches<br />

Unbekanntes (oder wohl eher Vergessenes?) 3x Buch "<br />

Krieg der Knöpfe":<br />

entdecken können. Beispiele? – Rolf Svensson, Hamburg<br />

Frank Farians "Gold in Acapulco",<br />

die "Liechtensteiner – Horst Müller, Murrhardt<br />

– Dieter Flack, Berlin<br />

Polka 29" von Tina York,<br />

Gaby Baginskys "Diebe 3x Hörbuch "<br />

Krieg der Knöpfe":<br />

kommen am Abend", "Silver<br />

Bird" von Tina Rainford, – Renate Just, Röhrmoos<br />

– Sandra Weil, Herborn<br />

"Die Dinosaurier" von Lonzo – Sharon-Sara Heße, Hamburg<br />

oder Phil & John mit "... denn<br />

3x DVD<br />

seit mehr als 1000 Jahren" – bis auf die letzten<br />

"<br />

New York Express":<br />

Jahre auch noch alles live gesungen! Natürlich – Sascha Richter, Mudersbach<br />

gibt es auch die großen Hits aus diesen Zeiten – Peter Helmes, Hilchenbach-Müsen<br />

zu sehen, von Jürgen Marcus' "Schmetterlinge – Hans-Rolf Haybach, Büttelborn<br />

können nicht weinen" über "Komm in meinen<br />

3x Heft<br />

Wigwam" von Heino bis zu "Moskau" von<br />

"<br />

Yps":<br />

– Manfred Birkenbeul, Solingen<br />

Dschinghis Khan. Stark auch die 60-seitigen<br />

Begleitbücher, die jeweils<br />

– Uwe Oster, Gelsenkirchen<br />

einen kurzen zeitgeschichtlichen<br />

Abriss aus Sport, Po-<br />

– Daniela May-Van Brackel, Köln<br />

2x DVD<br />

litik, TV, Kino und Mode<br />

"<br />

Detektiv Rockford":<br />

– Herbert Raubbach, Wiesbaden<br />

liefern, dazu die Songlisten<br />

– Thorsten Hauffe, Halle<br />

aller Hitparaden-Folgen<br />

(inkl. Gewinner und Neuvorstellungen),<br />

zahlreiche<br />

– Andreas Wischer, Potsdam<br />

3x DVD-Box "<br />

Meine Hitparaden-Jahre":<br />

Cover-Abbildungen sowie<br />

– Josy Goergen, Rosport (Luxembourg)<br />

klasse Fotos aus der Sendung. Tolle Boxen,<br />

– Corinna Sawall, Halberstadt<br />

klasse Musik – und immer noch zeitlos gut!<br />

(Sony Music, 3 x 2 DVDs, 241 Min.,<br />

265 Min, 287 Min.) Herzlichen<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 11<br />

Unsere Gewinner der<br />

Verlosung aus <strong>kult</strong>!<br />

Heft 8 – 2/2013:<br />

5x DVD Heinz Erhardt<br />

"<br />

Der müde Theodor":<br />

– Willy Mayerl, Iffeldorf<br />

– Klaus Feldmann, Haßloch<br />

– Siegfried Patzer, Lemförde<br />

– Mario Eduard, Grünstadt<br />

– Claus Pless, Hamburg<br />

Glückwunsch!


from the past<br />

KRACH MIT DER KOMPANIE Ustinov als Nero, Ivanhoe – Der schwarze Ritter"<br />

"<br />

Als Varieté-Künstler bringen Vic Puccinelli (Dean (1951) mit Elizabeth Taylor oder Der Schatz des<br />

"<br />

Martin) und Alvin Korwin (Jerry Lewis) jeden Gehenkten" (1957) mit Richard Widmark.<br />

zeitlose Kinohits wie Die Kameliendame" (1936) Längst überfällige DVD-Veröffentlichung des<br />

"<br />

mit Greta Garbo, Broadway Melodie" (1938) mit Danny-Kaye-Films Wonder Man" aus dem<br />

" "<br />

Judy Garland, Der unbekannte Geliebte" (1946) Jahr 1945, ursprünglich in Deutschland als<br />

"<br />

mit Katharine Hepburn und Robert Mitchum, Der Wundermann" bekannt – allerdings gab es<br />

" Quo Vadis" (1950) mit dem unvergessenen Peter "<br />

nach unseren Recherchen wohl nie eine (deut-<br />

Abend das Publikum zum Lachen. Auch privat<br />

verstehen sich die beiden ausgezeichnet. Das ändert<br />

sich allerdings, als sie zum Militärdienst eingezogen<br />

werden: Puccinelli<br />

nämlich bringt es schnell zum<br />

Feldwebel, während Korwin<br />

als ein einfacher Schütze im<br />

Schlamm robben darf oder<br />

HANNI & NANNI 3<br />

Mit zwischenzeitlich schon zwei Fortsetzungen<br />

ist die Verfilmung der Hanni & Nanni-Jugendbücher<br />

von Enid Blyton ohne Frage zum Erfolgsmodell<br />

geworden. Mit Jana und Sophia Münster in<br />

den Titelrollen sowie Katharina Thalbach, Heino<br />

Ferch, Suzanna von Borsody und Hannelore Elsner<br />

Küchendienst schieben<br />

standen für die drei Kinofilme Top-Schau-<br />

muss. Als ob das nicht Grund<br />

genug für Scherereien wäre,<br />

taucht eines Tages auch noch<br />

Puccinellis Ex-Freundin auf. Und da dieser sich<br />

inzwischen weit mehr für die charmante Helen<br />

interessiert, ist in dieser Militärkomödie aus dem<br />

Jahr 1950 der Ärger programmiert ...<br />

(Starmovie/edel, 89 Min.)<br />

spieler zur Verfügung, die die<br />

Abenteuer der Zwillinge im<br />

Mädcheninternat Lindenhof<br />

zur besten Unterhaltung für<br />

Jung und Alt werden lassen.<br />

Schon länger waren die ersten<br />

beiden Teile als DVD<br />

erhältlich, jetzt, Anfang Oktober,<br />

ist endlich auch der<br />

ROBERT TAYLOR<br />

EINE BIO- UND FILMOGRAFIE<br />

Von Sofia Tchernomordik, Reinhard<br />

Weber, Birte Wrage und Solveig Wrage<br />

dritte Teil erhältlich. Vor allem die Wandlung, die<br />

Hanni und Nanni im Laufe der Zeit durchleben,<br />

ist klasse dargestellt. Zuerst sind die beiden noch<br />

kindlich verspielt, doch dann wachsen sie im dritten<br />

Teil zu richtigen" Teenies heran, erste Lie-<br />

"<br />

2013, Reinhard Weber Fachverlag<br />

für Filmliteratur<br />

ben, Zickenkriege und die üblichen pubertären<br />

ISBN 978-3-94312-704-1<br />

196 Seiten; 34,00 Ð<br />

Schon fester Bestandteil<br />

dieser Rubrik sind die Bücher<br />

des Reinhard Weber<br />

Themen inklusive. Neu dabei im dritten Teil auch<br />

Liedermacher Konstantin Wecker, der mit seiner<br />

Gastrolle als Professor Kästner wieder einmal<br />

seine schauspielerische Klasse beweisen darf.<br />

(Universal, 83 Min.)<br />

Fachverlages für Filmliteratur<br />

aus Landshut.<br />

Wer sich ausführlich mit<br />

dem Gesamtwerk eines<br />

Schauspielers oder eines<br />

DER GENERAL<br />

Während des amerikanischen Bürgerkriegs fühlt<br />

sich der Lokomotivführer Johnnie Gray (Buster<br />

Keaton) gleichermaßen zu seiner Braut Annabelle<br />

(Marion Mack) und zu seiner Lokomotive The "<br />

Regisseurs befassen möchte, der kommt an den<br />

zahlreichen Themenbüchern dieses Verlages einfach<br />

General" hingezogen. Sein Dilemma löst sich erst<br />

nicht vorbei. Die neueste Ausgabe widmet<br />

sich mit Robert Taylor einem der wohl perfektesten<br />

Schauspieler, den die Traumwelt Hollywood<br />

auf, als beide von Truppen der Union gefangen<br />

bzw. beschlagnahmt werden. Johnny setzt nun<br />

alles daran, sowohl Annabelle als auch seine Lok<br />

je hervorgebracht hat. Wie gewohnt liefern die<br />

zurückzubekommen,<br />

doch<br />

ersten Seiten des Buches die Biografie Taylors,<br />

der sich vom einfachen Landjungen – geboren in<br />

Nebraska – zum begehrten Filmstar entwickelte,<br />

wie gewohnt wird sie mittels zahlreicher Fotos<br />

und Filmplakate sowie durch Zitate von Kollegen,<br />

Freunden und Weggefährten aufgelockert. Akkurat<br />

und detailliert auch die darauf folgende Filmografie,<br />

in der jeder Film, in dem Taylor auftrat, mit<br />

Regisseur, Drehbuchautor(en), Produktionsinfos,<br />

Schauspielern und seiner Handlung genügend<br />

Platz findet. Auch Kritikerstimmen, Publikumsreaktionen<br />

sowie wichtige Rand- und Nebenerscheinungen<br />

erst nach einer turbulenten<br />

Eisenbahn-Verfolgungsjagd<br />

mit zahlreichen, spektakulären<br />

Zwischenfällen gelingt<br />

es ihm, seine geliebte Braut<br />

zurückzuholen. Dieser Film<br />

aus dem Jahr 1926 gehört zu<br />

Buster Keatons bekanntesten<br />

und erfolgreichsten Werken, sein hohes Tempo<br />

sowie das Timing der Gags sorgen auch heute<br />

noch für kurzweiliges Sehvergnügen!<br />

(Starmovie/edel, 76 Min.)<br />

werden erwähnt. In der Rückschau<br />

bleibt ein eindrucksvolles (Film-)Werk, bleiben MIRACLE MAN<br />

sche) Kinoversion. Als Kronzeuge gegen einen<br />

Gangsterboss hat der Komiker Buzzy Bellows<br />

nur eine äußerst geringe Lebenserwartung und<br />

wird dementsprechend schnell und skrupellos<br />

aus dem Weg geräumt. Doch Buzzy kehrt wieder<br />

zurück, erscheint seinem Zwillingsbruder<br />

Edwin Dingle als<br />

Geist. Er überredet den schüchternen<br />

und unscheinbaren Bücherwurm,<br />

in die Rolle seines<br />

glamourösen Bruders zu<br />

schlüpfen, um die Gangster zu<br />

Rechenschaft zu ziehen. Das ist<br />

natürlich genau die Story, die<br />

ein Komiker wie Danny Kaye braucht, um all<br />

seine Stärken auszuspielen ...<br />

(Starmovie/edel, 94 Min.)<br />

SIEBEN FÄLLE FÜR PATER<br />

BROWN<br />

Von Gilbert Keith Chesterton<br />

ISBN 978-3-89964-485-2<br />

Zwischen 1910 und 1935 veröffentlichte der britische<br />

Autor Gilbert Keith Chesterton zahlreiche<br />

kurze Geschichten über Pater Brown, einen katholischen<br />

Geistlichen, dessen Hobby ungelöste<br />

Kriminalfälle sind. Vor allen durch die 60er-<br />

Jahre-Verfilmungen, bei denen Heinz Rühmann<br />

dem Geistlichen in seiner unnachahmlichen Art<br />

ein charakteristisch verschmitztes<br />

Gesicht gab,<br />

wurden die Pater-Brown-<br />

Kriminalfälle Kult. Auf<br />

sieben CDs hat nun das<br />

mdr-Kulturradio Figaro<br />

sieben Kriminalhörspiele<br />

in einer Box zusammengefasst, die von Horst<br />

Bollmann (Pater Brown), Jürgen Holtz (Erzähler)<br />

sowie Hilmar Eichborn, Herbert Fritsch und<br />

Peter Groeger in weiteren Rollen in Szene gesetzt<br />

wurden.<br />

(mdr Figaro/Audiobuch Verlag, 7 CDs, 354 Min.)<br />

CHARLIE CHAPLIN<br />

KLAMOTTENKISTE XL<br />

Er zählt zu den einflussreichsten Komikern des<br />

20. Jahrhunderts, mit seiner Darstellung eines<br />

Landstreichers in The Tramp" kreierte er schon<br />

"<br />

früh einen Charakter, der sich in vielen seiner<br />

Filme wiederfand, ja, die Figur mit dem Zweifingerschnauzer<br />

(auch Chaplin-Bart genannt),<br />

übergroßer Hose und Schuhen, viel zu enger Jacke,<br />

Bambusstock in der Hand und Melone auf<br />

dem Kopf wurde zur Filmikone. In zahlreichen<br />

Episoden ermöglicht die Klamottenkiste XL"<br />

"<br />

einen nostalgischen Blick zurück auf viele Höhepunkte<br />

aus der Stummfilmzeit,<br />

zeigt noch einmal eindrucksvoll,<br />

warum Charlie Chaplin<br />

auf seine unnachahmliche Art<br />

zum Weltstar wurde.<br />

(Starmovie/edel, 231 Min.)<br />

Seite 12 ■ GoodTimes 1/2014


Das etwas andere TV-Magazin!<br />

NEU!<br />

19.10. bis<br />

01.11. 2013<br />

3,80 €<br />

A: 4,40 €,<br />

L: 4,40 €,<br />

CH: 7,40 sfr<br />

Ausgabe<br />

22/13<br />

Das TV-Magazin für den Klassiker-Fan!<br />

66<br />

TV-TIPPS<br />

14 TAGE<br />

FREE- UND PAY-<br />

TV-PROGRAMM<br />

Nur das Beste sehen!<br />

Dan Blocker<br />

alias Hoss<br />

Super Extra<br />

4 Bonanza-Lesezeichen<br />

Formel 1<br />

Peter Illmann<br />

ist zurück:<br />

10 neue<br />

Folgen!<br />

Hier<br />

kommen<br />

Hoss & Co.!<br />

Viele Serien-Klassiker<br />

endlich wieder im TV<br />

SERIE!<br />

Film- & TV-Legenden: Blacky Fuchsberger<br />

„Edgar Wallace war meine Rettung!“<br />

Komplettes TV-Programm mit dem Fokus auf Filme, Serien und<br />

Sendungen mit Kultcharakter – Das Beste von Gestern!<br />

www.goodtimes-magazin.de


Der Rennwagen für die Straße<br />

Wer Sportwagen meint, der hat den Porsche 911 im Sinn: Traumauto auto aller Männer<br />

und nicht weniger Frauen. Dieses Jahr feiert der "<br />

911er" seinen 50. Geburtstag.<br />

Von Jürgen Wolff<br />

Der Porsche 911 sieht erbarmungswürdig aus. Der – nun ja –<br />

rote Lack ist von einer stumpfen Mattigkeit und von üppigem<br />

Rostfraß gezeichnet. Schon mit bloßem Auge lassen sich ein<br />

gutes Dutzend Stellen ausmachen, die von der braunen Pest befallen<br />

sind. Gar nicht auszudenken, was auf der Hebebühne noch alles herauskäme.<br />

„Garagenfund" nennen<br />

das die Oldtimerfans. Gleich neben<br />

dem armen 911er liegen in einem<br />

Holzverschlag diverse zum Auto<br />

gehörende Einzelteile, wild gestapelt<br />

und in Pappkartons verpackt.<br />

Das „Bitte nicht berühren"-Schild<br />

an der Seitenscheibe erscheint<br />

angesichts des jämmerlichen<br />

Zustandes eher wie Ironie – oder<br />

wie eine Warnung: Das Teil könnte<br />

bei der leisesten Berührung in sich<br />

zusammenfallen.<br />

Doch Mitleid ist nicht angebracht:<br />

Der Schrott-Porsche,<br />

„mostly complete", ging bei einer<br />

britischen Versteigerung edler Oldtimer im Sommer dieses Jahres für<br />

über 30.000 Pfund weg. Doch wie meistens bei einem Autoklassiker<br />

macht die Geschichte hinter dem Wagen einen großen Teil seines<br />

Wertes aus: Das marode Porsche 911S SWB Coupé aus dem Jahre 1966,<br />

ursprünglich einmal weiß, ist der erste Porsche, der als Rechtslenker auf<br />

die britische Insel geliefert wurde. Kennzeichen: LYY 911D.<br />

Alte Porsche sind derzeit gefragt auf dem Markt und erzielen<br />

Traumpreise. Denn das Zuffenhausener „Sportgerät" hat einen runden<br />

Jahrestag: Die Internationale Automobil Ausstellung (IAA) in Frankfurt<br />

ist 1963 die Geburtsstunde des Porsche 911. Zunächst heißt er 901.<br />

Bei der Namensgebung g orientiert sich Porsche an den Ersatzteil-<br />

Nummernkreisen von Volkswagen.<br />

Wegen einer möglichen künftigen<br />

Kooperation mit dem VW-Werk soll<br />

der neue Porsche bereits kompatibel<br />

zu den dortigen Nummernkreisen<br />

sein. Da in Wolfsburg die 900er<br />

Zahlen noch nicht belegt sind, entscheidet<br />

man sich in Zuffenhausen<br />

für die Projektbezeichnung 901 bei<br />

der Sechszylinder-Variante und 902<br />

für einen späteren Vierzylinder.<br />

Doch dagegen haben die<br />

Franzosen etwas: Peugeot hat sich die<br />

dreistelligen Zahlenkombinationen<br />

Garagenfund 911er: mit der Ziffer 0 in der Mitte schon<br />

heruntergekommen, aber wertvoll<br />

1929 markenrechtlich gesichert. So<br />

wird der Porsche 901 eilig in 911 umbenannt. Immerhin wurden noch<br />

13 Prototypen als Porsche 901 gebaut. Der Grund für die legendäre<br />

Ziffernfolge 9-1-1 ist ein ganz pragmatischer: Prospekte, Preislisten<br />

und Betriebsanleitungen sowie die Typ-Bezeichnung auf dem Heck<br />

und Handschuhkasten waren bereits in der Endphase der Vorbereitung,<br />

so dass die doppelte Verwendung der bereits existierenden Schrifttype<br />

Seite 14 ■ GoodTimes 1/2014


innenbelüftete Scheibenbremsen, geschmiedete Magnesiumfelgen von<br />

Fuchs (die „Fuchsfelgen") und goldene Schriftleisten mit.<br />

Den vorläufigen Höhepunkt der PS-Protzerei setzt 1972 kurz<br />

vor dem Modellwechsel der Porsche Carrera. Er wird Deutschlands<br />

schnellstes Serienauto, hat einen 2,7 Liter großen Boxer im Heck, einen<br />

seitlichen Carrera-Schriftzug als Kriegsbemalung und natürlich den<br />

Entenbürzel-Spoiler auf dem Heckdeckel.<br />

Ein weniger bekanntes Kapitel der 911-Historie ist der 912. Der<br />

Wagen kommt 1965 als günstige Alternative zum 911 auf den Markt.<br />

Der Vierzylinder-Boxer des 912 stammt vom Porsche 356 C, hat 1582<br />

Kubikzentimeter Hubraum und 90 PS. Das sind 40 Pferdestärken weni-<br />

1 schlicht die einfachste Lösung ist. Um einen neuen Zifferntyp oder<br />

gar einen Namensschriftzug zu produzieren, ist keine Zeit vorhanden.<br />

Nach dem großen Erfolg auf der IAA kommt die erste Generation<br />

des Porsche 911 auf den Markt. Anders als der in die<br />

Jahre gekommene Porsche 356, der in Karosserie<br />

und Fahrwerk noch auf dem VW Käfer basierte,<br />

hat der 911 eine selbst tragende Karosserie und<br />

Radaufhängungen mit Dreiecksquerlenkern und<br />

Dämpferbeinen vorn und Schräglenkern hinten. n.<br />

Dazu kommt eine Zahnstangenlenkung mit zweimal<br />

abgewinkelter Sicherheitslenksäule.<br />

Die Produktion startet im September 1964.<br />

Zunächst nicht ohne Tücken: Verarbeitungsprobleme<br />

Das Porsche 911 S Coupé<br />

und Ventilschäden verärgern die Kundschaft. Die<br />

aus dem Jahr 1970<br />

Ventilprobleme werden ab 1965 durch einen Drehzahlbegrenzer<br />

verhindert. Ab 1966 sorgen neue Dreifachvergaser er von Solex für mehr<br />

Zuverlässigkeit. Immerhin ist das Geräusch des luftgekühlten Motors Der Ur-911 wird von einem luftgekühlten Sechszylinder-Boxermotor<br />

mit Trockensumpfschmierung bereits der unverwechselbare Klang des mit zwei Litern Hubraum und oben liegenden Nockenwellen angetrieben.<br />

Ein Fünfganggetriebe übernimmt die Kraftübertragung. Der Motor<br />

911. Im ersten Modelljahr 1965 werden insgesamt 230 Wagen des 911er<br />

produziert.<br />

ist eng mit den Achtzylinder-Porsche-Rennaggregaten verwandt.<br />

In Zeiten, als 60 PS schon für einen kraftvollen Auftritt sorgten,<br />

geht der erste 911 mit 96 KW/130 PS an den Start. Die<br />

Höchstgeschwindigkeit liegt bei 210 km/h, den imageträchtigen Spurt<br />

von 0 auf 100 km/h schafft das Auto in 9,1 Sekunden. Heute schafft<br />

das locker jedes mittelprächtige Auto aus Korea. Damals reichte das zur<br />

Rennmaschine.<br />

Seine Motorsportgene sind dem 911 jedoch nicht nur durch Motor<br />

und Antriebskonzept in die Wiege gelegt. Um bei einem Autorennen<br />

mit klassischem Le-Mans-Start – beim Startschuss müssen die Piloten<br />

erst zu ihren Autos rennen – wertvolle Sekunden zu sparen, wird das<br />

In den 60er Jahren wird die Grundlage zur Legende des Porsche<br />

Zündschloss auf die linke Seite vom Lenkrad platziert. Dort sitzt es<br />

911 gelegt. Seit dieser Zeit gilt er als Auto der Schönen und Reichen. noch heute.<br />

Für das Design zeichnet Ferdinand Alexander Porsche verantwortlich. Technisch betritt der Porsche 911 ebenfalls Neuland. Die pendelnden<br />

Angeblich hatte er für den Entwurf der Karosserie unter anderem die Halbachsen des Porsche 356 werden von einer McPherson-Vorderachse<br />

Maßgabe, mindestens ein Set Golfschläger im Kofferraum unterbringen abgelöst. Zudem gibt es Schräglenker und Doppelgelenk-Antriebswellen.<br />

zu können. Denn das hatte die typische<br />

Für die exzellenten Fahreigenschaften sorgen<br />

neben Fahrwerk und Heckmotor die<br />

Porsche-Kundschaft beim 356er vermisst.<br />

Auch der Heckmotor hinter der Hinterachse<br />

Sicherheitszahnstangenlenkung und der<br />

ist ein festes Kriterium im Pflichtenheft.<br />

kurze Radstand. Mit 62 Litern Tankinhalt<br />

Das erste Modell im Maßstab 1:1 wird<br />

sind keine großen Sprünge drin, denn der<br />

Ende 1958 fertiggestellt. Es zeigt bereits<br />

erste 911 genehmigt sich im Schnitt satte<br />

die typische 911er-Kontur, die bis heute<br />

15 Liter Treibstoff auf 100 Kilometern. Ab<br />

unverwechselbar geblieben ist. Charakteristisch sind die fließenden August 1967 steht auf Wunsch eine Halbautomatik zur Verfügung –<br />

Linien, die markanten Kotflügel und der Motor im Heck. Damit imitiert doch besonders beliebt wird die „Sportomatic" nicht, zumal sie bei der<br />

der 911 das Grundkonzept seines berühmten Vorgängers 356, aber auf Beschleunigung von 0 auf 100 eine Sekunde frisst. In diesen Kreisen<br />

ungleich modernere Weise.<br />

zählt zumindest auf dem Papier jede Zehntelsekunde.<br />

Der erste 911er bietet Platz für zweimal zwei Personen. Das Im August 1966 legen die Zuffenhausener eine Schippe drauf:<br />

Armaturenbrett bekommt die typische „Uhrensammlung" mit fünf Der 911 S holt aus dem gleichen Hubraum 160 PS und verbessert die<br />

Rundinstrumenten, der Pilot dreht an einem schmucken Holzlenkrad. Beschleunigung um eine Sekunde. Erst bei 220 Sachen stoppt die<br />

Der Preis liegt anfangs bei 21.900 D-Mark. Das entspricht – inflationsbereinigt<br />

– in heutiger Währung 42.500 Euro.<br />

behaupten. Zusätzlich zu den Extra-Pferdestärken bringt das<br />

Tachonadel – das können in den 60er Jahren nicht viele Autos von sich<br />

S-Modell<br />

Das macht einen Teil des 911er-Mythos aus: Er ändert sich – aber er sieht nie wirklich anders aus.<br />

Peter Falk war über 30 Jahre in der Entwicklung des Porsche 911<br />

tätig: „Wir haben früher alles gemacht. Bremsen, Fahrwerk oder Motor<br />

– eben alles, was getestet werden musste. Wir hatten anfangs für alle<br />

Tests gerade mal zehn Autos. Heute sind es ein paar Hundert."<br />

800.000 Porsche 911 wurden im Laufe der vergangenen 50 Jahre<br />

verkauft. Rund drei Viertel aller Modelle fahren heute noch – ein einmaliger<br />

Wert in der Automobilgeschichte, den allenfalls noch Land<br />

Rover mit dem unkaputtbaren Defender toppen kann. „Der Rennsport<br />

war schon immer die beste Erprobung", erinnert sich Peter Falk. „Was<br />

bei den Rennen gut funktionierte, das hat es oft auch bei uns in die<br />

Serie geschafft."<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 15


ger als beim damaligen 911er mit zwei Litern Hubraum. Im Vergleich<br />

zum 911 S mit 160 PS sieht der 912 geradezu schwachbrüstig aus.<br />

Immerhin ist der 912 etwas leichter als sein potenter Bruder, statt 1095<br />

bringt er nur 995 Kilogramm auf die Waage. Doch die Fahrleistungen<br />

sprechen für sich: 13,5 Sekunden braucht der 912 für den Spurt<br />

von 0 auf 100 km/h, der 911er knackt die 100er Marke je nach<br />

Modell und Getriebe schon nach acht bis elf Sekunden. Während die<br />

Sechszylinder-Porsche spielend die 200 km/h-Latte überspringen, endet<br />

der Vorwärtsdrang des 912 bei 183 Sachen.<br />

Doch Leistung ist selbst in den 60er Jahren nicht alles, als sich<br />

Playboys am Porsche-Volant noch keine Gedanken über Spritverbrauch<br />

und Tempolimit machen müssen. Der 912 macht den Traum vom<br />

schicken Sportwagen etwas erschwinglicher, denn er kostet bei seiner<br />

Markteinführung im April 1965 „nur" 16.250 D-Mark. Bis zur Einstellung<br />

der Produktion im Jahr 1969 laufen mehr als 30.000 Porsche 912 vom<br />

Band, davon 2544 Targa-<br />

Versionen. Zeitweilig überflügelt<br />

die 912-Produktion die<br />

des 911er um das Doppelte.<br />

Der amerikanische Rennfahrer<br />

Mark Donohue vergleicht<br />

für die Zeitschrift „Car &<br />

Driver" den 912 mit seinem<br />

großen Bruder 911 und ist<br />

nicht nur vom Handling des<br />

Wagens begeistert: „Man<br />

muss Porsche dafür bewundern,<br />

dass sie so viel aus so<br />

einem relativ kleinen Motor<br />

herausholen."<br />

Das Ende des 912 läutet<br />

Porsche mit dem 911<br />

T ein, der 1967 erscheint<br />

und eine auf 110 PS abgespeckte<br />

Version des 911er darstellt – aber immerhin mit Sechszylinder-<br />

Boxer samt entsprechender Soundkulisse. Mit 19.000 D-Mark ist der<br />

Neuling 1967 nicht viel teurer als ein 912, dessen Preis mittlerweile<br />

auf 17.000 gestiegen ist. Es ist also keine Überraschung, dass das<br />

Interesse am Vierzylinder-Porsche schnell abebbt und man das Modell<br />

in Zuffenhausen schließlich ganz aus dem Programm kippt.<br />

Bevor in den 70er Jahren die G-Serie einen weiteren Meilenstein der<br />

911er-Geschichte setzt und Porsche das 911 Cabrio einführt, schneiden<br />

die Zuffenhausener ihrem Kultauto das Dach ab – jedenfalls teilweise.<br />

Natürlich gibt es einen ernsten Grund für den Targa (italienisch<br />

„Schild"). Seit der amerikanische Verbraucherschützer Ralph Nader mit<br />

seinem Buch „Unsafe At Any Speed" die schlechte Sicherheitsausstattung<br />

amerikanischer Autos zum Thema gemacht hat, steht in den 60ern für<br />

viele Hersteller die Zukunft ihrer Cabrios ernsthaft auf der Kippe. Der<br />

Targa mit seinem Überrollbügel kommt da genau richtig. Als „erstes<br />

serienmäßiges Sicherheitscabrio der Welt" bewirbt Porsche denn auch<br />

den Wagen auf der Frankfurter IAA. Das herausnehmbare Faltdach<br />

kann man im Kofferraum verstauen und die Heckscheibe („Softwindow"<br />

genannt) herunterklappen. Der Name leitet sich von der Targa Florio ab,<br />

dem Langstreckenrennen auf Sizilien, das Porsche von 1956 bis 1965<br />

fünfmal gewann. Der Aufpreis für einen Targa beträgt zu Beginn 1400<br />

D-Mark.<br />

Der Ur-911 wird bis zum Jahr 1973 gebaut. Für die sportliche<br />

Ablösung sorgt im gleichen Jahr die G-Serie, die 16 Jahre lang der<br />

Legende Porsche 911 neues Leben einhaucht. Das Markenzeichen dieser<br />

911er-Generation sind die dicken Stoßfänger mit Faltbälgen auf beiden<br />

Seiten und das durchgehende Leuchtenband mit Porsche-Schriftzug<br />

am Heck. Alle Modelle bekommen zunächst den 2,7-Liter-Motor. Der<br />

Sechszylinder leistet im Basismodell 150 PS und beschleunigt den<br />

Wagen in neun Sekunden von 0 auf 100. Das S-Modell steigert die<br />

Leistung auf 175 PS, der Carrera prahlt mit 210 PS – und rennt in<br />

damals geradezu Formel-1-verdächtigen 6,5 Sekunden von 0 auf 100<br />

km/h. Auch die Preise für Porsches Sportwagen legen einen Sprint hin.<br />

Im August 1973 kostet ein 911 noch 27.000 D-Mark, bis zum Februar<br />

1977 steigt der Preis um satte 10.000 Mark. Der Werbeslogan der 70er<br />

Jahre hat sich bis heute gehalten: „Keiner braucht ihn – jeder will ihn."<br />

Highlight der erfolgreichen G-Serie ist der 1974 vorgestellte 911<br />

Turbo. Er ist der erste Seriensportwagen mit Abgasaufladung. Durch die<br />

Turboaufladung, die bis dahin fast ausschließlich bei Rennfahrzeugen<br />

eingesetzt wurde, quetschen die Zuffenhausener aus drei Litern<br />

Hubraum eine Leistung von satten 260 PS heraus. Von 0 auf 100 km/h<br />

donnert der zwangsbeatmete 911er in beeindruckenden 5,5 Sekunden,<br />

die Höchstgeschwindigkeit liegt jenseits der 250 km/h-Marke. So ist der<br />

1,2 Tonnen schwere Porsche 911 Turbo mit seinem charakteristischen<br />

Heckflügel eines der schnellsten Serienfahrzeuge der Welt. Wie schon<br />

beim sportlichen 911 Carrera RS sind die vorderen und hinteren Räder<br />

unterschiedlich breit – vorne sieben Zoll, hinten acht Zoll. Bei seiner<br />

Markteinführung kostet der Turbo 65.800 D-Mark – dieser Preis wird<br />

sich bis zum letzten Produktionsjahr 1989 mehr als verdoppeln.<br />

Den 912 E gibt es nur in den USA und von 1975 bis 1976. Sein<br />

Boxer leistet magere 87 PS. Es braucht schon den amerikanischen<br />

Way Of Drive mit gemütlichem<br />

Cruisen bei 55 Meilen<br />

pro Stunde (89 km/h) – so<br />

schnell darf man damals<br />

im Sonnenstaat Kalifornien<br />

noch fahren –, damit nicht<br />

auffällt, was für eine lahme<br />

Ente das E-Modell ist. Den<br />

Motor leiht sich der Wagen<br />

vom Porsche 914, in dem<br />

die Zuffenhausener ebenfalls<br />

Sportlichkeit mit vier Töpfen<br />

verbinden.<br />

Neben dem Targa wagt<br />

Porsche in den 80ern erstmals<br />

auch die völlige Offenheit:<br />

Das Cabriolet wird 1982 auf<br />

dem Genfer Salon vorgestellt<br />

und 1983 ausgeliefert. 1986<br />

bekommt bk tder Freiluft-Flitzer Flit für 4000 Mark Aufpreis ein elektrisches<br />

Verdeck. Der ungewöhnlichste Vertreter der G-Serie ist jedoch der<br />

Speedster. Er wird 1989 nur ein halbes Jahr lang gebaut und bleibt einer<br />

der seltensten Vertreter seiner Art – genau wie sein legendärer Vorgänger<br />

Porsche 356 Speedster. Das Fahrzeugkonzept folgt einer Devise von<br />

Ferry Porsche: „Fahrspaß wird nicht durch Komfort erzeugt", glaubte<br />

der Sportwagen-Konstrukteur. So war der erste Speedster von 1954 ein<br />

Porsche in Reinform: 760 Kilo „Lebendgewicht", leichte Schalensitze,<br />

Kunststoff-Seitenscheiben. Eine superkurze Windschutzscheibe und ein<br />

flatterndes Notverdeck konzentrieren die Aufmerksamkeit des Piloten<br />

allein auf die Straße.<br />

Danach sollte es mehr als 30 Jahre dauern, bis Porsche wieder<br />

einen Speedster auf die Räder stellte. 1989 bauen die Zuffenhausener<br />

die Speedster-Variante des 911 Carrera. Eine geduckte Silhouette<br />

durch die flachere Windschutzscheibe, Sportsitze und der 231 PS<br />

starke Boxermotor machen den Wagen zu einer recht komfortablen<br />

Fahrmaschine. Das ungefütterte Verdeck muss man in einer genau<br />

festgelegten Prozedur unter einer Abdeckung aus leichtem Kunststoff<br />

verstauen, sonst drohen Kratzer. Der Verdeckdeckel präsentiert sich mit<br />

einer dicken Doppelhutze, die dem Speedster seine charakteristische<br />

Optik verleiht. Den Speedster der G-Serie gibt es in zwei unterschiedlich<br />

breiten Karosserieformen. Die schmale Form basiert auf dem Cabrio, die<br />

breite Variante auf der Karosserie des 911 Turbo.<br />

Optisch unterscheidet sich die G-Serie des 911er kaum von der<br />

Nachfolge-Generation 964, die Ende 1988 vorgestellt wird. Etwas rundlicher,<br />

etwas moderner, dickere Stoßfänger mit breiten Blinkern – das<br />

war es schon. Doch auch der neue Porsche 911 ist ein typischer 911er.<br />

Allein die Elektronik hat mittlerweile Einzug gehalten.<br />

Der 964 ist der erste Serien-Porsche, der mit einem permanenten<br />

Allradantrieb zu bekommen ist. Der 250 PS starke Porsche 911 Carrera<br />

4 setzt ein Zeichen und ist bis heute bei Kennern besonders beliebt.<br />

Neben dem optionalen Allradantrieb bekommt die dritte Generation des<br />

911er ein neu entwickeltes Fahrwerk, eine verbesserte Innenausstattung<br />

und einen automatisch ausfahrbaren Heckspoiler.<br />

Besonderen Einfluss auf die Entwicklung des Porsche 964 hat der<br />

Technologieträger 959. Diese streng limitierte Serie setzt Mitte der 80er<br />

Seite 16 ■ GoodTimes 1/2014


Jahre Maßstäbe in Sachen Aerodynamik, Antrieb und Fahrwerk. Neben<br />

einem variablen Allradsystem ist der 959 mit 450 Turbo-PS und einem<br />

variablen Fahrwerk unterwegs. Unter anderem gewinnt er im Jahr 1986<br />

die Rallye Paris-Dakar. 283 Modelle werden gebaut, Stückpreis 420.000<br />

D-Mark. Die meisten verschwinden auf Nimmerwiedersehen in privaten<br />

Sammlungen.<br />

Heute ist Allradantrieb nicht mehr aus der 911-Modellpalette wegzudenken<br />

– die 4 am Heck steht dafür. In den 80ern betritt Porsche<br />

damit Neuland – wenn man einmal von Exoten wie dem 1953 vorgestellten<br />

„Jagdwagen" absieht. Unter der werksinternen Bezeichnung<br />

Typ 953 entstehen im Winter 1983 drei Allrad-Rallyeboliden mit dem<br />

Namen 911 Carrera 4x4. Im Heck der Fahrzeuge tobt sich der altbekannte<br />

Sechszylinder-Boxermotor mit 3,2 Litern Hubraum aus. Erstmals<br />

kommt eine digitale Motorelektronik zum<br />

Einsatz. Die Verdichtung<br />

des Boxers müssen<br />

die Ingenieure allerdings<br />

reduzieren, damit<br />

der Motor die schlechte<br />

Benzinqualität in vielen<br />

Ländern verträgt. Die<br />

Leistungsausbeute des<br />

Boxers ist deshalb mit 225<br />

PS ziemlich mager.<br />

Die Rallye-Siege bringen<br />

den Zuffenhausenern<br />

schließlich ihren erhofften en<br />

PR- und Erkenntnisgewinn. nn.<br />

„Als das Ziel erreicht war,<br />

hörte Porsche auf, wie sie<br />

es immer tun", erinnert sich<br />

Jacky Ickx, der in den 80er<br />

Jahren Rallye-Pilot bei Porsche<br />

war. „Bei denen hat Rennsport<br />

letzten Endes immer nur einen technischen hi h Hintergrund." d"<br />

Doch der Allradantrieb bekommt auch Gegenwind. Viele e<br />

Porsche-Fans wollen Ende der 80er einen dynamischen 911er nur<br />

mit Heckantrieb akzeptieren. Unbestritten ist, dass der Carrera<br />

4 im Grenzbereich leichter zu beherrschen ist und seine Kraft<br />

souveräner auf die Straße bringt. Wer Heckantrieb will, kann den<br />

beim 964 in Form des Carrera 2 jedoch ebenfalls bekommen. Sowohl<br />

Carrera 2 als auch Carrera 4 sind als Coupé, Targa und Cabrioversion zu<br />

haben. Die Preise reichen kurz nach der Markteinführung von 103.500<br />

D-Mark (Carrera 2) bis 131.000 Mark (Carrera 4). Der Turbo kommt im<br />

März 1990 und bringt für 178.500 Mark 320 PS auf die Straße.<br />

Bereits drei Jahre später kommt die schnelle Ablösung. Optisch<br />

hat sich 1993 besonders an Front und Heck einiges getan. Die Front<br />

ist flacher, die Scheinwerfer sind nicht mehr derart erhaben wie bei<br />

den Vorgängerserien. Das Hinterteil zeigt sich bulliger als bisher. Der<br />

Innenraum ist dagegen nahezu unverändert. Selbstverständlich gibt es<br />

wieder Sportversionen wie den Carrera 4, den Carrera 4S oder den Turbo.<br />

Die Targaversion hat kein herausnehmbares Dach mehr, vielmehr lässt<br />

sich das übergroße Schiebedach elektrisch hinter die Rücksitze fahren.<br />

Der Sechszylinder leistet zunächst 300 und danach 320 PS bei 6800<br />

U/min und ein maximales Drehmoment von 370 Newtonmeter (Nm)<br />

bei 4250 U/min. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 285 km/h. Neben<br />

den deutlich verbesserten Fahrleistungen präsentiert sich der 996 auch<br />

sparsamer als seine potenten Ahnen.<br />

Für die entsprechende Kühlung des Motors sorgt erstmals Wasser.<br />

Die langjährige Luftkühlung ist verschwunden, die Lüftungsgitter am<br />

Heck nicht. Die einstige Heckschleuder zeichnet sich bereits seit dem<br />

993 durch ein Fahrwerkspotenzial und Sicherheitsreserven aus, von<br />

denen man bis zu den späten 80er Jahren nur träumen konnte.<br />

Wer sich mit den Standard-911ern nicht zufriedengeben mag, der<br />

wird von der Porsche-Rennsportabteilung glücklich gemacht. Auf den<br />

Le-Mans-erprobten Porsche 911 GT 1 folgt die Straßenversion des 911<br />

GT 2. Dank Doppelturbolader bringt er nicht nur die Konkurrenz auf<br />

den Rennstrecken dieser Welt zum Staunen. Aus 3,6 Litern Hubraum<br />

holt das Sportgeschoss 462 PS. Ein maximales Drehmoment von<br />

620 Nm und eine Höchstgeschwindigkeit von 316 km/h sprechen<br />

eine deutliche Sprache. Von 0 bis Tempo 100 vergehen rund vier<br />

Sekunden. Ebenfalls auf die Rennstrecke abgestimmt: Keramikbremsen,<br />

Sportfahrwerk und Rennsportschaltung.<br />

Ähnlich sportlich ist der etwas zahmere Porsche 911 GT 3. Er leistet<br />

immerhin 381 PS. Die Höchstgeschwindigkeit sprengt ebenfalls die<br />

300er-Grenze. Als erstes Serienfahrzeug der Welt knackt der GT 3 die<br />

Acht-Minuten-Marke auf der Nordschleife des Nürburgrings.<br />

Der 996 ist eine langlebige 911er-Generation. Erst 2004 schreibt der<br />

997 die Geschichte der Sportwagenlegende weiter und ist dennoch eine<br />

konsequente Weiterentwicklung des 996. Eine modifizierte Optik unterscheidet<br />

ihn stärker von den PS-schwächeren Boxster-Modellen. Er vereint<br />

Elemente der Generationen 964, 993 und 996. Bei Markteinführung ist<br />

der 997 als Carrera und Carrera S mit Leistungen von 325 und 355 PS zu<br />

bekommen. Neu ist die aktive Dämpfereinstellung, die für ein Höchstmaß<br />

an Agilität sorgt.<br />

Der 911 Targa kommt etwas später und verfügt nach wie vor über<br />

ein sich weit öffnendes Schiebedach, das Luft und/oder Licht in den<br />

Innenraum des Zweisitzers bringt. Serienmäßig ist das Targamodell nur<br />

mit Allradantrieb zu bekommen. Immer mehr Kunden entscheiden sich<br />

denn auch für einen vierradgetriebenen<br />

911er.<br />

Zur Modellpflege 2008<br />

gibt es neue Motoren mit<br />

Direkteinspritzung. Der Normverbrauch<br />

des nun auf 345 PS<br />

erstarkten<br />

3,8-Liter-Triebwerks<br />

sinkt erstmals unter die Zehn-<br />

Liter-Marke. Die immer wieder<br />

als zu unsportlich kritisier-<br />

te Getriebeautomatik Tiptronic<br />

hat ausgedient. Sie wird<br />

von einem neu entwickelten<br />

Doppelkupplungsgetriebe mit dem<br />

Kürzel PDK ersetzt. Der Erfolg ist<br />

riesig. Mittlerweile entscheiden<br />

sich in vielen Ländern mehr als<br />

80 Prozent für die Kombination<br />

aus Fahrspaß, automatischem und<br />

manuellem Schalten sowie niedrigem<br />

Verbrauch.<br />

Anders sieht es bei biden Sportversionen aus. Modelle wie GT3, GT3<br />

R oder GT2 RS setzen nach wie vor auf kompromisslosen Fahrspaß auf<br />

Rundkursen und Landstraßen. Die Sportmodelle von Porsche werden<br />

wie gehabt per Handschaltung auf Touren gebracht. Nach vielen Jahren<br />

legt Porsche erstmals auch wieder einen Speedster auf, eine Version<br />

mit manuellem Dach und flacher Windschutzscheibe. Ebenso wie die<br />

Sondereditionen des Carrera GTS und Carrera GTS 4 wird auch er von<br />

einem auf 408 PS erstarkten Sauftriebwerk befeuert.<br />

Topmodell bleibt jedoch auch beim überarbeiteten Porsche 997 das<br />

Führungsdoppel aus 997 Turbo und 997 Turbo S, 500 beziehungsweise<br />

530 PS stark. Highlight beim Turbo-Doppel sind nicht die pure Leistung und<br />

Höchstgeschwindigkeiten von rund 320 km/h, sondern ein Torque Vectoring<br />

und ein besonders fahraktiver Allradantrieb. Das weiterentwickelte Porsche<br />

Traction Management (PTM) besteht aus einem aktiven Allradantrieb mit<br />

elektronisch gesteuerter Lamellenkupplung unter Einbeziehung des automatischen<br />

Bremsendifferenzials und der Antriebsschlupfregelung.<br />

Für Baureihenleiter August Achleitner ist der 991 der „Übervater<br />

des 911er und das Rückgrat unseres Unternehmens". 150 Millionen<br />

Euro hat Porsche in neue Designstudios, einen Windkanal und das<br />

Integrationszentrum in Weissach investiert. „Wir hatten bei der<br />

Entwicklung des 991 deutlich mehr Freiheiten als bisher, wir haben<br />

wirklich auf einem weißen Blatt Papier angefangen", sagt Achleitner.<br />

Neue Plattform, größere Abmessungen, effizientere Motoren, konsequenter<br />

Leichtbau, ein komplett neues Cockpit – die jüngste 911er-<br />

Generation gleicht nur auf den allerersten Blick ihrem Vorgänger wie<br />

ein Ei dem anderen. Mittlerweile hat das Ausrollen der neuen 991er-<br />

Baureihe begonnen. Die Versionen Carrera und Carrera S erfreuen sich<br />

ebenso großer Beliebtheit wie die Allradversionen. Als nächstes können<br />

sich die Porsche-911-Fans auf die 475 PS starke GT3-Sportversion<br />

freuen. Auf der IAA stand zum 50. Ehrentag dann die Turboversion.<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 17


Bilitis<br />

Softsex<br />

unterm<br />

Weichzeichner<br />

Von Thorsten Pöttger<br />

Mann und Frau haben es nicht leicht, wenn es sich während der<br />

intensiven Phase ihrer Pubertät ums Erwachsenwerden dreht. Das<br />

gilt für die heutige Zeit voller verliebter Vampire unverändert wie<br />

für die vor über 30 Jahren, als die sexuelle Revolution der 68er<br />

schon vorüber war. Dennoch grübelten nach Orientierung suchende<br />

Teenager Mitte bis Ende der 70er offensichtlich nach wie vor<br />

über sinnstiftende Dinge wie "<br />

natürliche" Romantik. Fündig wurden<br />

sie in Fotos, aber auch Puzzles und Bettwäsche mit Motiven des<br />

David<br />

Hamilton<br />

frankophilen britischen<br />

Fotografen<br />

David Hamilton.<br />

Der im April 1933<br />

in London geborene<br />

Künstler hatte<br />

nämlich neben der<br />

Côte d’Azur eine<br />

weitere Vorliebe,<br />

wie 1977 auch sein<br />

Filmdebüt "<br />

Bilitis"<br />

zeigte.<br />

Die Feinheit ihrer Beine, die Zartheit ihres Körpers und vor allem<br />

ihr Katzengesicht, ihre katzenhaften Augen, auf die leicht ihre<br />

„ oberen Augenlider fielen. Wie ich sie so ansah, wusste ich<br />

schon, was für eine Schönheit sie werden würde." Mit diesen Worten<br />

schildert Hamilton in seinen Erinnerungen ein Schlüsselerlebnis 1966 an<br />

einem Strand in Bournemouth, als er ein Mädchen beim Spiel mit der<br />

jüngeren Schwester beobachtete. Zwei Jahre später nahm er von dem<br />

„Objekt der Begierde" Schnappschüsse auf, nachdem er bei der Mutter<br />

artig angefragt hatte. Ein Bild aus dieser Session erschien prompt 1970 in<br />

Hamiltons erstem Fotoband mit dem bezeichnenden Titel „Träume junger<br />

Mädchen". Die Gestaltung des Albums war von Leonard Cohens Song<br />

"Suzanne" inspiriert, indem der dazugehörige Text als Bildunterschriften<br />

fungierte. Hamilton persönlich machte nie einen Hehl daraus, dass<br />

junge Mädchen sein allseits beherrschendes Markenzeichen gewesen<br />

sind. Angesprochen auf seine Lieblingsmotive, äußert er sich über<br />

„Fragestellungen ihres Alters", die durch seine Fotografie zum Ausdruck<br />

gebracht werden könnten; vielleicht sogar mit der Möglichkeit, darin<br />

einige „Antworten" zu finden. Warum die Modelle außer jung bevorzugt<br />

blond oder rothaarig waren, erklärt er mit der „Durchsichtigkeit ihrer<br />

Haut", mit Hilfe derer sie sich besser ins Gesamtbild einfügen ließen.<br />

1969 befand sich der Fotograf zu Arbeiten für Yves Saint Laurent<br />

auf den Kanarischen Inseln und hatte dort eine weitere schicksalhaf-<br />

Seite 18 n GoodTimes 1/2014


te Begegnung, nämlich die mit seiner künftigen<br />

ersten Ehegattin. Von Mona Kristensen, der<br />

in<br />

Worten des Künstlers „schönsten Frau, der<br />

ich<br />

je begegnet bin", machte Hamilton mehr<br />

Fotos als von jedem anderen Modell. Sie<br />

käme „der körperlichen Vollkommenheit<br />

so nahe, wie es selten zu sehen ist". Dass<br />

sie auch deswegen in seinem erstem<br />

Film mitspielen würde, galt seit Beginn<br />

ihrer Partnerschaft als ungeschriebenes<br />

Gesetz. Und so kam es dann auch.<br />

Eines unbekannten Tages mitten<br />

in den 70ern trat der Drehbuchautor<br />

Jacques Nahum an Hamilton heran, zum<br />

ersten mit der 1894 in Paris von Pierre Louys<br />

veröffentlichten erotischen Gedichtsammlung<br />

„Les Chansons de Bilitis", und zum zweiten mit<br />

dem Vorschlag, daraus einen Film zu machen. Das in<br />

der Vorlage beschriebene „sexuelle Erwachen" der<br />

weiblichen<br />

Protagonistin ist aber auch schon alles, was sie mit ihrem Äquivalent<br />

im Kino gemeinsam hat. Aus der griechischen Schäferin zu Beginn des<br />

sechs ten Jahrhunderts vor Christus im Buch wurde im Film eine zeitgenössische<br />

französische Internatsschülerin, zu dessen Beginn auf den antiken<br />

Ursprung (aber auch auf die Unschuld der Titelfigur) angespielt wird:<br />

Bilitis probt samt weißer Tunika und Lorbeerkranz ein für ein Schulfest<br />

geplantes Theaterspiel, vergisst aber ihren Text.<br />

In die Rolle der Bilitis war die amerikanische Schauspielerin Patti<br />

d’Arbanville geschlüpft. Exakt, jene „Lady D’Arbanville", an die wenige<br />

Jahre zuvor Cat Stevens eine Ode in Form seines gleichnamigen<br />

Evergreens verfasst hatte. Dass sie zum Zeitpunkt der Dreharbeiten<br />

mit Mitte 20 bereits deutlich älter als die von ihr gespielte 17-jährige<br />

Schülerin war, fiel nicht weiter auf. Spötter würden sagen, dass der Grund<br />

dafür Hamiltons auch aus seinen Fotos bekannte Weichzeichner-Optik<br />

war, die eh keinen Platz für Falten ließ. Doch zeitgenössische Kritiker<br />

der schreibenden Zunft fanden für die Hauptdarstellerin angesichts ihrer<br />

gefühlvollen Spielweise durchaus auch lobende Worte.<br />

Bilitis kommt über die Sommerferien an den Strand von Saint Tropez,<br />

das Hamilton als junger Mann wie ein „vollkommen neues Universum"<br />

kennen gelernt hatte. Auch ohne vorher zu wissen, dass die Handlung<br />

in Südfrankreich stattfindet, wird dies dem Betrachter anhand der idyllischen<br />

Bilder sehr schnell klar. Hamilton wäre nach eigenen Aussagen<br />

nie auf die Idee gekommen, den Film woanders als in der Provence zu<br />

produzieren – allein schon aus Gründen der Bequemlichkeit, um nicht<br />

zu weit entfernt von seinen eigenen vier Wänden arbeiten zu müssen.<br />

Gedreht wurde in dem verlassenen Schloss Saint-<br />

Amé, das zu einem Studio umgebaut wurde. Mit<br />

dem Bühnenbildner Eric Simon fand Hamilton<br />

einen kongenialen Partner, der seine Vorstellungen<br />

von Möbeln, Formen und Farben genauestens<br />

umsetzte – und die entsprachen mehr oder weniger<br />

einer Kopie seines Hauses. Für ihn war „Bilitis" ein<br />

„sehr hübscher Film", in dem das Publikum die<br />

Schönheit seiner Fotos wiederentdecken konnte.<br />

Kritiker warfen ihm vor, er habe ein künstliches<br />

Pastellfarben-Paradies erschaffen. Dabei betonte<br />

der Fotograf stets, kein einziges seiner veröffentlichten Bilder sei<br />

jemals<br />

mit Hilfe künstlicher Beleuchtung entstanden.<br />

Doch zurück zu der zugegebenermaßen überschaubaren Handlung<br />

des Films: Bilitis wohnt während der Ferien bei Melissa (Mona<br />

Kristensen), der Tochter einer Freundin ihres Vaters. Einerseits schwärmt<br />

sie für einen – wer hätte das gedacht – jungen Fotografen (Bernard<br />

Giraudeau), ohne dies sich (und ihm) eingestehen zu wollen. Andererseits<br />

ist sie schnell von ihrer eleganten älteren Freundin fasziniert und schämt<br />

sich vor ihr. Die wiederum lässt sich auch davon nicht aus der Ruhe<br />

bringen, dass ihr Ehemann Pierre sie mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr<br />

zwingt, wie Bilitis eines Nachts von draußen durch die Fensterscheibe<br />

beobachtet. Dabei wollte sie ihr neues Idol doch nur beim Auskleiden<br />

beobachten … Sie findet ebenfalls heraus, dass Pierre offensichtlich<br />

ein Verhältnis mit einer seiner Reitschülerinnen hat. Als er mit dieser<br />

zu einem Rennen nach Monte Carlo fährt, kommt es zwischen den<br />

beiden jungen<br />

Frauen zu einer kurzen, aber innigen<br />

Liebesaffäre,<br />

die von Melissa freundlich, aber<br />

bestimmt<br />

beendet wird. Daraufhin begibt<br />

Bilitis<br />

sich mit ihrem Fotografenfreund auf<br />

die Suche<br />

nach einem geeigneten Mann<br />

für<br />

Melissa. Diese Frühform des Castings<br />

geht<br />

folgendermaßen vonstatten, dass<br />

auf<br />

offener Straße spontan von Bilitis<br />

für<br />

geeignet gehaltene Kandidaten<br />

geradewegs<br />

abgelichtet und Melissa zur<br />

Musterung<br />

vorgelegt werden. Vielleicht<br />

gab<br />

es vor dem Fotohandy-Zeitalter<br />

noch<br />

kein Recht am eigenen Bild. Es<br />

kommt<br />

zu einem Fest, bei dem auch Bilitis’<br />

favorisierter<br />

Anwärter für den Posten an<br />

Melissas<br />

Seite aufkreuzt, dargestellt vom jun-<br />

gen Matthieu<br />

Carrière. Obwohl (oder weil?) diesem<br />

die Rolle des nonchalanten<br />

Freigeistes hervorragend<br />

zu Gesicht steht (Zitat<br />

über ihn: „Ich glaube, dass er nie zu<br />

jemandem gehören wird"), funkt es zwischen ihm und Melissa nicht.<br />

Schließlich erkennt Bilitis, wer am Ende warum zusammengehört, und<br />

legt wortwörtlich die Schicksale ihrer älteren Freundin und des ebenfalls<br />

anwesenden Fotografen in beider gegenseitige Hände. Die beiden finden<br />

letztlich zueinander, während Bilitis tränenüberströmt das Weite sucht.<br />

Somit ist die Handlung am Ende zwar insgesamt nach wie vor weichgezeichnet,<br />

aber keinesfalls weichgespült. Um einige Erfahrungen reicher<br />

– um nicht zu sagen „erwachsener"<br />

– wird Bilitis nach den Sommerferien<br />

in<br />

das Internat zurückkehren. Der Backfisch hat<br />

zwei<br />

geliebte Menschen zueinandergeführt, salopp<br />

und<br />

unsensibel gesprochen: sich letztlich irgendwie<br />

selbst<br />

in die Pfanne gehauen.<br />

David Hamilton blieb nach seinem erfolgrei-<br />

chen<br />

Filmdebüt bis Mitte der 80er dem von ihm<br />

selbst<br />

mit zum Leben erweckten Genre des roman-<br />

tischen<br />

Softsexfilms treu, bis er sich erneut schwer-<br />

punktmäßig<br />

der Fotografie zuwandte. „Zärtliche<br />

Cousinen"<br />

(u.a. mit Anja Schüte) wurde 1981 ein<br />

ähnlich<br />

großer Erfolg.<br />

Bezogen auf<br />

„Bilitis"<br />

ist außerdem ein auch im Internet kursierendes<br />

Gerücht um einen angeblich zu Beginn der 90er geplanten zweiten<br />

Teil namens „Bilitis 2 – My Love" erwähnenswert. Ob der deutschamerikanisch-schweizerische<br />

Film 1991 überhaupt fertiggestellt oder<br />

während der Dreharbeiten im Streit zwischen den Produzenten abgebrochen<br />

wurde, kann nicht mit Gewissheit gesagt werden. Co-Regisseur<br />

– neben Hamilton selbstredend – war der tschechische Drehbuchautor<br />

Karel Kachi^na, angebliche Hauptdarstellerin eine mysteriöse Dame<br />

namens Patricia Van Haaren. Angesichts allgemein leidiger Erfahrungen<br />

mit zweiten Teilen wird es seine Gründe haben, dass die Fortsetzung<br />

bislang nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat. Bis dies entgegen<br />

aller Erwartungen einmal der Fall sein könnte, besteht freilich weiterhin<br />

die Gelegenheit, sich von Bild und Ton des Originals samt samtweichen<br />

Soundtracks von Francis Lai (weltweit über fünf Millionen verkaufter<br />

Exemplare!) betören zu lassen.<br />

GoodTimes 1/2014 n Seite 19


Blank & Jones –<br />

Kult-Produzenten im<br />

Dienste der Kult-Sendung<br />

Natürlich gehört zu einer so spektakulären „Wiederauferstehung“ wie der der Kultsendung „Formel<br />

Eins“ die passende „Begleitmusik“. Für die sorgen Piet Blank und Jaspa Jones, besser bekannt als<br />

das DJ- und Produzentenduo Blank & Jones, die für die „so80s“-Ausgabe für die „Formel Eins“<br />

tief in die Archive tauchten, ihre Verbindungen zu Musikerkollegen spielen ließen und den Sound<br />

vieler Songs für diese spezielle CD kräftig aufpolierten – und zugleich für ein „Formel Eins“-Novum<br />

sorgten. Man lese nur, was die beiden nach getaner Arbeit im Tonstudio eigens für die Leser von<br />

<strong>kult</strong>! zu Papier gebracht haben.<br />

Genau 30 Jahre nach dem Start der TV Show „Formel Eins" freuen<br />

"<br />

wir uns, dieses ehrwürdige Jubiläum mitgestalten zu dürfen. Als<br />

die Musikshow mit Video-Clips und Bandauftritten 1983 auf Sendung<br />

ging, war es für uns Teenager eine wahre Offenbahrung. MTV gab es<br />

in Deutschland noch nicht, und immer nur bei „Bio's Bahnhof" oder<br />

g<br />

„Bananas" auf die Musik zu warten, die wir gut fanden, war sehr<br />

mühsam. Mit „Formel Eins" bekam eine ganze Generation quasi ihre<br />

eigene, neue Sendung, die auch ihre eigenen neuen Popstars hervorbrachte.<br />

Plötzlich gab es neben der „Bravo" und dem Radio eine weitere<br />

wöchentliche Quelle, in der man neue Musik entdecken konnte.<br />

Die Sendung hat uns komplett durch unsere Jugend begleitet, und die<br />

gespielten Clips bzw. Studiogäste waren auch immer Thema auf den<br />

Schulhöfen.<br />

Als wir nun Anfang 2013 mit dem Mastering und der Archivsuche für<br />

die vier Jubiläumseditionen anfingen, kam uns bald der Gedanke, doch<br />

d d h i b ll s<br />

eine ganze<br />

so8os<br />

[so<br />

eighties]<br />

Ausgabe dieser<br />

Kultshow<br />

zu<br />

widmen.<br />

Schnell<br />

war<br />

klar, was auf<br />

jeden<br />

Fall<br />

nicht<br />

fehlen<br />

durfte:<br />

Alle<br />

„Formel<br />

Eins<br />

Fahren gemeinsam "<br />

Formel Eins":<br />

Christian Stronczek (Sony Music) und Peter Illmann<br />

Themes",<br />

die<br />

im Laufe der<br />

Jahre erstellt<br />

wurden.<br />

Angefangen bei den Go Go's über Jaap Egermont, Jonzun Crew, Harold<br />

Faltermeyer bis hin zu Yello. Komischerweise gab es alle Titelmelodien<br />

im Laufe der Jahre noch nie gemeinsam auf einem Album. Einige sind<br />

sogar noch nie auf CD erschienen. Um die Tracks in bestmöglicher<br />

Qualität zu bekommen, kontaktierten wir teilweise die Künstler selber,<br />

und siehe da, Boris Blank von Yello fand in seinem Archiv<br />

gleich zwei Versionen von "The Race", die damals exklusiv für<br />

„Formel Eins" angefertigt wurden. Zum einen die legendäre endäre<br />

TV-Version, mit der die Show eröffnet wurde, zum anderen<br />

noch eine extra Edit, mit der Yello damals nur bei<br />

„Formel Eins" auftraten. Auch Harold Faltermeyer ließ<br />

uns netterweise seine Original-Mastertapes zukommen,<br />

wodurch wir neben der Single-Version auch<br />

erstmalig die komplette 12"-Version seines „Formula One"-<br />

Tracks auf dieser so8os Ausgabe präsentieren können. n.<br />

Seite 20 ■ GoodTimes 1/2014<br />

Blank<br />

&<br />

J<br />

one<br />

es s(DJ-<br />

und dProd<br />

roduze<br />

nten-T<br />

n-Team<br />

nTeam<br />

eam)<br />

Ein weiterer Traum von uns war es, den legendären Soundtrack zum<br />

„Formel Eins"-Kinofilm von 1985 endlich auf CD zu veröffentlichen.<br />

Denn über die Jahre gab es den Film zwar mal auf DVD, der Soundtrack<br />

erschien jedoch nur auf Vinyl. Dank des hervorragenden EMI-Archivs<br />

gelang g es uns tatsächlich, das Mastertape<br />

des kompletten<br />

Soundtracks zu<br />

orten und ebenfalls<br />

in Spitzenqualität<br />

zu überspielen. Dass<br />

aber auch in den<br />

80er Jahren leider<br />

auch schon mal hier<br />

und da scheinbar alles „schnell, schnell" gehen musste, merkten wir<br />

dann, als wir uns ans Remastering des Soundtracks setzten. Die Titel<br />

von Falco und Jimmy Nail waren tatsächlich Vinylüberspielungen auf<br />

dem „Formel Eins"-Master. Natürlich haben wir diese auf der nun vorliegenden<br />

Version durch die echten Master ersetzt.<br />

Auf der ersten CD findet ihr einen nonstop so8os DJ-Mix, der gleich<br />

mit einer kleinen Sensation startet: Als Michael Jacksons "Billie Jean"<br />

erstmalig bei „Formel Eins" vorgestellt wurde, war der weltweite Hype<br />

um ihn und sein THRILLER-Album zwar schon in vollem Gange, aber<br />

es machte seinen Moonwalk über Nacht auch in Deutschland berühmt.<br />

Dass wir Michael Jackson nun auf einer so8os-Veröffentlichung haben,<br />

macht uns sehr stolz, denn sein Management bzw. Erben erteilen nur<br />

sehr selten Freigaben für Compilations.<br />

Aber auch Modern Talking dürfen hier nicht fehlen, denn rückblickend<br />

saßen Thomas Anders und Dieter Bohlen gefühlt jede zweite Woche<br />

am Ende der Sendung mit Peter, Ingolf, Stefanie oder Kai auf dem Sofa<br />

und erhielten wieder irgendein Autoteil als Belohnung für den nächsten<br />

Nr.-1-Hit. Auch die Hit Factory von Stock/Aitken/Waterman ist gebührend<br />

vertreten. Ihre hier versammelten 12"-Versionen für Mel & Kim,<br />

Kylie Minogue, Princess, Rick Astley oder Bananarama sind alle samt<br />

extrem rar und gar nicht oder nur in schlechten Vinylüberspielungen<br />

auf CD erhältlich.<br />

Wir hoffen, mit dieser Box sowohl allen Komplettisten als auch Fans<br />

dieser prägenden TV-Show eine ebenso große Freude zu machen wie<br />

uns selbst, und wünschen Euch jetzt viel Spaß bei<br />

der Zeitreise in die bunten und kreativen 80er!<br />

"<br />

TV TIPP!<br />

Piet & Jaspa<br />

Formel Eins" – 30 Jahre<br />

"<br />

ab 19.10 Uhr jeden Samstag<br />

auf RTL Nitro<br />

„Formel Eins“-<br />

Best-Of Fan-Edition inkl.<br />

einer Dokumentation und<br />

eines Wiedersehens mit<br />

allen Moderatoren


SHOP<br />

<strong>kult</strong>! SHOP<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 9 (1/2014)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 8 (2/2013)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 7 (1/2013)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 6 (2/2012)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 5 (1/2012)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 4 (2/2011)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 3 (1/2011)<br />

Preiskatalog LP/CD 2014<br />

• über 145.000<br />

Sammlerpreise<br />

Preiskatalog Single 2014<br />

• über 105.000<br />

Sammlerpreise<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 2 (2/2010)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 1 (1/2010)<br />

❏<br />

3,80 €<br />

TV <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 21<br />

mit Programm<br />

vom<br />

05.10.–18.10.<br />

2013<br />

❏<br />

3,80 €<br />

TV <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 22<br />

mit Programm<br />

vom<br />

19.10.–01.11.<br />

2013<br />

❏<br />

29,80 €<br />

NEU mit DVD<br />

über 5.000<br />

LP/CD-<br />

Cover-Abb.!<br />

❏<br />

29,80 €<br />

NEU mit DVD<br />

über 25.000<br />

Single-<br />

Cover-Abb.!<br />

weitere GoodTimes-Ausgaben finden Sie unter www.goodtimes-magazin.de<br />

Nr. 5/2013<br />

Nr. 5/2012<br />

❏<br />

6,50 €<br />

❏<br />

6,50 €<br />

Nr. 4/2013<br />

Nr. 4/2012<br />

❏<br />

6,50 €<br />

❏<br />

6,50 €<br />

Nr. 3/2013<br />

❏<br />

6,50 €<br />

❏<br />

6,50 €<br />

Nr. 2/2013<br />

❏<br />

6,50 €<br />

❏<br />

6,50 €<br />

Nr. 1/2013<br />

❏<br />

6,50 €<br />

❏<br />

6,50 €<br />

Nr. 6/2012<br />

Nr. 3/2012 Nr. 2/2012 Nr. 1/2012 Nr. 6/2011<br />

❏<br />

6,50 €<br />

❏<br />

5,90 €<br />

❏<br />

12,80 €<br />

Anzahl<br />

(bitte eintragen)<br />

3 CD-Box<br />

14,99 €<br />

Sammelordner mit<br />

Stabmechanismus<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!-Box<br />

3 CDs, 60 <strong>kult</strong>!-Hits<br />

❏<br />

14,99 €<br />

bietet Platz für bis zu<br />

12 Ausgaben inkl.<br />

Jahrgangsaufklebern<br />

Oben ausgewählte Artikel gehen Ihnen unmittelbar nach Zahlungseingang zu.<br />

Ich bezahle auf folgende Weise:<br />

❏ bar beigefügt<br />

❏ per Bankeinzug (nur Inland! Daten bitte unten eintragen)<br />

❏ per Verrechnungs-Scheck (beiliegend) ❏ per Vorabüberweisung (Kontodaten siehe Impressum, S. 3)<br />

Bank: _____________________________________________________________________________________________<br />

BLZ: ____________________________________________________ Konto-Nr.: _______________________________<br />

Die Genehmigung zum Bankeinzug und die Information über die 14-tägige Widerrufsmöglichkeit bestätige ich mit meiner folgenden Unterschrift:<br />

Datum: _____________________ Unterschrift: ____________________________________________________<br />

Vor-/Nachname: ________________________________________ Straße: _____________________________<br />

PLZ/Ort: __________________________________________________ Land: _________________________________<br />

Telefon: ____________________ Fax: _____________________ email: ________________________________<br />

Zuzüglich Versandkosten: Inland: 2,– € · Ausland: 3,50 € · versandkostenfrei ab 20,– € Warenwert<br />

Bestellschein bitte faxen an: 0 70 42/37660-188 oder ausschneiden bzw. fotokopieren und senden an:<br />

NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />

weitere Artikel und Bestellmöglichkeiten im Internet unter: www.goodtimes-magazin.de<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 21


Von Homers<br />

Odyssee" bis<br />

"<br />

Stieg Larssons<br />

" Millennium":<br />

Literatur als Comic<br />

wurde weltweit, auch in Deutschland, eine gewaltige Resonanz zuteil.<br />

Der 1948 in Stockholm geborene Künstler hatte die Lebensgeschichte<br />

seiner Familie, die Grauen des Konzentrationslagers, in eine grafische<br />

Erzählung gefasst und wählte dafür Tiere<br />

als Metaphern: Nazis als Katzen, Juden<br />

als Mäuse. Spätestens mit dieser auf 300<br />

Seiten abgehandelten „Geschichte eines<br />

Überlebenden" zeigte das Medium, dass<br />

es auch zur Darstellung ganz anderer<br />

Inhalte taugte. Komisch<br />

im Sinn des Wortes Comic<br />

war daran nun wirklich<br />

gar nichts mehr.<br />

Mit „Maus" – dessen<br />

deutschen<br />

Erstdruck<br />

1989 der Rowohlt Verlag<br />

besorgte – gelangte nicht<br />

nur ein gehobener Inhalt<br />

zur Publikation, die schwarz-weißen Bildfolgen l präsentierten<br />

sich auch zwischen zwei Buchdeckeln und<br />

nicht wie bis dahin meist üblich in der Form eines<br />

großformatigen Comic-Albums. Im Grunde folgte diese<br />

Vorgehensweise mit dem Anspruch, „eine Erzählweise zu<br />

finden für intime Themen", einer Überlegung des ame-<br />

Verne, Defoe, Cervantes, Homer, Dickens, Kipling,<br />

Cooper, Hugo, Flaubert – jeder einzelne Autor ist<br />

ein Schwergewicht der Literaturgeschichte. Doch<br />

die Wenigsten werden behaupten können, dass sie<br />

deren bekannteste Werke gelesen haben. Der Griff<br />

zum Comic kann da Abhilfe schaffen. Die<br />

Brockhaus Literaturcomics" etwa sind<br />

"<br />

eine dieser Serien,<br />

mit denen derlei<br />

Klassiker in derter Form auf<br />

bebil-<br />

den<br />

Punkt<br />

gebracht<br />

werden.<br />

Und im besten en Fall<br />

machen sie Appetit<br />

auf die Lektüre des<br />

Originals.<br />

Noch vor einigen Jahrzehnten, speziell jedoch in den 50er<br />

und 60er Jahren, standen die Comics hier zu Lande im Ruf<br />

von Schundliteratur. Besorgte Kritiker befürchteten in den<br />

„Heftchen" mit der gestrichelten Bilderware die Bankrotterklärung<br />

für den Bildungsstand und nannten sie schon mal „Opium fürs<br />

Kinderzimmer". Demgegenüber wurde die hehre Literatur gelobt, die sich<br />

den jugendlichen Lesern im „guten Buch" erschloss. Vieles, um nicht zu<br />

sagen alles, hat sich seit jenen Tagen geändert. Längst sind die Comics<br />

mit ihrer inhaltlichen Vielfalt als eigene Literaturform anerkannt, und<br />

ein beständig wachsender Leserkreis in allen Altersklassen<br />

erfreut sich an der aufregenden Mischung aus ausgefallener<br />

Textgestaltung und persönlich gefärbtem Artwork als<br />

kurzweilige Lektüre. „Donald Duck", „Peanuts", „Asterix",<br />

„Lucky Luke", „Tim und Struppi", „Spirou und Fantasio",<br />

„Die Schlümpfe", „John Difool", „Prinz Eisenherz",<br />

„Batman", „Spider-Man", „Watchmen", „Akira" und viele<br />

andere faszinierende Charaktere haben die verschlackten<br />

Vorurteile nach und nach weggefegt.<br />

Als im Jahr 1992 der im New Yorker Stadtteil<br />

Manhattan beheimatete Art Spiegelman für sein<br />

Werk „Maus" als erster Comic-Autor mit dem Pulitzer-Preis<br />

ausgezeichnet wurde, markierte das abermals eine veränderte<br />

Sicht auf die Comics. Spiegelman und seinem Werk<br />

Seite 22 ■ GoodTimes 1/2014


Literatur als Comic<br />

rikanischen Altmeisters Will Eisner (1917–2005).<br />

Der veröffentlichte seine „Mietshaus-Stories aus<br />

New York" im Oktober 1978 unter dem Titel „A<br />

Contract With God" und bezeichnete das Ergebnis<br />

als „Graphic Novel". Wie schon bei „Maus" war es<br />

zunächst keiner der typischen Comic-Verlage, der<br />

die erste deutsche Ausgabe publizierte: „Ein Vertrag<br />

mit Gott" erschien 1980 bei Zweitausendeins.<br />

E inen frühen Versuch, den Comics zu einem besseren Image zu verhelfen,<br />

startete der US-Verleger Albert Lewis Kanter (1897–1973). Im<br />

Oktober 1941 gab er mit „The Three Musketeers" („Die drei Musketiere")<br />

nach dem Roman von Alexandre Dumas<br />

die erste Ausgabe einer Serie heraus, in<br />

der bekannte Werke der Weltliteratur zu<br />

Bildergeschichten umgestaltet wurden.<br />

Ursprünglich als „Classic Comics" begonnen,<br />

erwuchs daraus unter dem bedeutsameren<br />

Titel „Classics Illustrated" eine internationale<br />

Erfolgsstory. Selbst zu Zeiten, als<br />

die amerikanische Comic-Industrie sich heftiger<br />

Kritik ausgesetzt sah, angefacht durch<br />

das 1954 erschienene Buch „Seduction Of<br />

The Innocent", in dem der deutschstämmige<br />

Psychiater und Autor Fredric Wertham<br />

(1895–1981) die schädlichen Einflüsse der Comics auf das jugendliche<br />

Gemüt beschwor, blieben die „Classics Illustrated" davon nahezu ausgenommen.<br />

Manche Pädagogen nutzten sogar bereits damals die Hefte<br />

in der Schule als Hilfsmittel für den Unterricht. Im Zeitraum 1941 bis<br />

1962 wurden allein in den USA 167 Titel kreiert, die ihren Weg auch<br />

nach Deutschland fanden. n. Mit großem Erfolg gab der Bildschriftenverlag<br />

von Januar 1956 bis<br />

Juli 1972 die Reihe<br />

heraus, die hier zu<br />

Lande als „Illustrierte<br />

Klassiker"<br />

bekannt<br />

wurde. Als literarische<br />

Vorlagen dienten in<br />

erster Linie populäre<br />

Abenteuerromane,<br />

etwa von Jules Verne<br />

(„20.000 Meilen unter<br />

dem Meer"), Herbert George Wells („Der Krieg Ki der Welten"), Alexandre<br />

Dumas („Der Graf von Monte Christo") oder Walter Scott („Ivanhoe").<br />

Selbstverständlich durften auch klassische Jugendbücher wie Stevensons<br />

„Schatzinsel", Defoes „Robinson Crusoe", Coopers „Der Letzte Mohikaner"<br />

und Twains „Tom Sawyer" in dieser Sammlung von „farbenprächtigen<br />

Nacherzählungen" nicht fehlen.<br />

Die „großen Werke der Weltliteratur" waren dagegen am ehesten mit<br />

den Bearbeitungen von Schillers „Wilhelm Tell", Goethes „Faust",<br />

Shakespeares „Hamlet" oder Hugos „Die Elenden" vertreten. Zu einer<br />

festen Größe in „Illustrierte Klassiker" wurde der stets am Ende einer<br />

Ausgabe vermerkte Ratschlag: „Jetzt hast du die Illustrierte Klassiker<br />

Ausgabe gelesen. Versäume auf keinen Fall, dir die Original-Ausgabe<br />

dieses Buches zu besorgen. Es wird sicher in jeder guten Buchhandlung,<br />

Leihbücherei oder städtischen Bücherei vorrätig sein." Die anhaltende<br />

Beliebtheit dieser Kultreihe veranlasste den Norbert Hethke<br />

Verlag zwischen 1991 und 2002 zu einem kompletten Nachdruck<br />

von insgesamt 206 Nummern. Damit nicht genug, legt nun der neue<br />

Bildschriftenverlag in Hannover seit dem<br />

Jahreswechsel 2012/13 auch noch jene Titel<br />

auf, die einst zwar angefertigt wurden, in<br />

Deutschland aber nie erschienen sind. Aktuell<br />

liegen zehn Ausgaben vor.<br />

Allemal wegweisend waren die „Illustrierte e<br />

Klassiker" mit ihrem Versuch, Literatur in<br />

gezeichneter Form zu adaptieren. Unzählige<br />

Beispiele lassen sich bis zum heutigen Tag<br />

nennen, die direkt oder indirekt von dieser<br />

Erfolgsreihe inspiriert sind. In Anlehnung an<br />

das große Vorbild bewegte sich die zu Beginn<br />

der 1970er Jahre von Bastei verlegte Serie<br />

„Berühmte Geschichten", in der „Meisterwerke<br />

aller Zeiten in vielen bunten Bildern nacherzählt"<br />

wurden. Das Experiment blieb allerdings<br />

genauso bescheiden wie die 13 Alben der Reihe<br />

„Classicomics", die der Verlag Schwager &<br />

Steinlein bis 1978 auflegte.<br />

Nicht besser erging<br />

es<br />

den kurz darauf<br />

erschienenen Titeln in den beiden Reihen<br />

„Illustrierte Bestseller von Pelikan" und<br />

„Illustrierte Klassiker", wobei letztgenannte<br />

Serie nichts mit dem Original zu tun hatte,<br />

sondern neukreiertes Material aus Spanien<br />

zeigte. In Serie eher ein Flop, blieben Comic-<br />

Bearbeitungen von Literaturvorlagen als<br />

Einzeltitel in den Verlags-<br />

Programmen aber stets ein<br />

schmuckes, weil interessant<br />

zu vertretendes Beiwerk. Aus<br />

der fast unüberschaubaren<br />

Menge früher Beispiele<br />

seien „Nora" von Cinzia<br />

Ghigliano nach Henrik<br />

Ibsen, „Fliegenpapier" von<br />

Hans Hillmann nach Dashiell<br />

Hammett, „120, Rue de la<br />

Gare" von Jacques Tardi<br />

nach Léo Malet, „Kaputt<br />

in der City" von Matthias<br />

Schultheiss nach<br />

Charles Bukowski oder<br />

der erste „Peter Pan"-<br />

Band von Régis Loisel<br />

nach James Matthew<br />

Barrie in Erinnerung<br />

gerufen, die zwischen<br />

1981 und 1991 in den<br />

Handel kamen, heute<br />

zum Teil aber nur noch<br />

antiquarisch erhältlich<br />

sind. Besonders originell<br />

muten die beiden Bücher<br />

„Comic-Zeichner präsentieren<br />

Werke der Weltliteratur"<br />

und „100 Meisterwerke e<br />

der Weltliteratur" aus den<br />

Jahren 1993 und 2009 an.<br />

Darin abgedruckt finden n<br />

sich 1 38 höchst eigenwillige Interpretationen<br />

t ti<br />

von „Alice im Wunderland" nach Lewis Carroll<br />

bis hin zu „Wir sind alle Kinder der Götter" nach hEih Erich von Däniken, die<br />

auf eine Seite komprimiert und in Schwarz-Weiß-Illustrationen dargestellt<br />

sind.<br />

Ermutigt<br />

von<br />

Spiegelmans „Maus"<br />

brachten viele andere<br />

Autoren biografisch<br />

gefärbte Werke zu Papier.<br />

Am bekanntesten ist<br />

sicher Marjane Satrapi<br />

– 1969 im Iran geboren,<br />

in Teheran aufgewachsen<br />

und seit 1994 in<br />

Frankreich heimisch –, die ab 2000 einen Riesenerfolg fl mit „Persepolis"<br />

landete. Die deutsche Fassung erschien 2004/05 in der Edition Moderne.<br />

Ihre darin geschilderte Kindheit und die Jugendjahre im Iran zu Zeiten<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 23


Literatur als Comic<br />

der islamischen Revolution von 1979 und<br />

des Krieges mit dem Irak wurden 2007 als<br />

Zeichentrickfilm umgesetzt, der im Jahr<br />

darauf als bester nicht-englischsprachiger<br />

Film bei der Oscar-Verleihung nominiert<br />

war. Nicht zuletzt „Maus" und „Persepolis"<br />

bewirkten in der hiesigen Comic-Szene<br />

ein Umdenken. en. Verlage mit ambitionierten<br />

Programmen<br />

wie Reprodukt<br />

und<br />

Avant in Berlin, Carlsen in Hamburg,<br />

Edition 52 in Wuppertal und die bereits<br />

erwähnte Edition Moderne in Zürich<br />

regten an, derlei grafische Erzählungen<br />

fortan mit dem Siegel der Graphic Novel<br />

zu<br />

versehen.<br />

Damit wollte<br />

man sich einerseits<br />

bewusst<br />

von den herkömmlichen h Comics absetzen<br />

und andererseits dem Buchhandel und den<br />

Lesern, die dem Medium bisher womöglich<br />

eher distanziert gegenüberstanden, die<br />

neuen Qualitäten veranschaulichen. Alles<br />

spricht derzeit dafür, dass dieses Konzept<br />

aufgeht. Eine Fülle von spannenden Titeln,<br />

sehr oft auch von deutschsprachigen<br />

Künstlern geschaffen, fand in der jüngeren<br />

Vergangenheit den Weg zum Publikum.<br />

Ob „Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens” von Ulli Lust,<br />

„Baby’s In Black – The Story Of Astrid Kirchherr & Stuart Sutcliffe”<br />

von Arne Bellstorf oder „Die Sache mit Sorge – Stalins Spion in<br />

Tokio” von Isabel Kreitz – die Ergebnisse können sich sehen lassen,<br />

und sie kommen gut an. Auch bei Kritikern in der Zeitung, im Radio,<br />

Fernsehen und Internet. Einen guten Überblick dessen, für was eine<br />

„Graphic Novel" heute steht, gibt die gleichnamige Kollektion, die von<br />

der „Süddeutschen Zeitung" herausgegeben wird. Die mittlerweile 28<br />

von der Feuilletonredaktion ausgewählten<br />

Titel liefern faszinierende Belege für diese<br />

neue Variante der Vermengung aus Text und<br />

Zeichnung zu stilvoller Literatur. Ständig<br />

aktualisierte Informationen zum Phänomen<br />

Graphic Novels gibt es im Übrigen auch auf<br />

dem<br />

verlagsübergreifenden<br />

Internet-<br />

Portal www.graphicnovel.info<br />

m Zeichen der<br />

IGraphic Novels<br />

finden natürlich auch<br />

literarische Vorlagen<br />

ihre<br />

Bearbeitung.<br />

„Der Boxer" von<br />

Reinhard Kleist nach<br />

Hertzko Haft, „Stadt aus Glas" von Paul<br />

Karasik und David Mazzucchelli nach Paul<br />

Auster oder „Pinocchio" von Winshluss nach<br />

Carlo Collodi sind Paradebeispiele für gelungene<br />

Adaptionen. Da<br />

diese Titel in erster<br />

Linie ein erwachsenes<br />

Publikum<br />

ansprechen, bedienen<br />

sich deren<br />

Macher darin schon<br />

mal einer eher etwas<br />

unkonventionellen<br />

Bildsprache. Auf die<br />

Spitze treiben das<br />

Flix in „Don Quijote" nach Miguel de Cervantes und Nicolas Mahler in<br />

„Alice in Sussex" nach Lewis Carroll und H.C. Artmann, wo nicht nur<br />

dem grafischen Experiment gefrönt wird, sondern auch die literarische<br />

Vorlage eine ideenreiche, sehr moderne<br />

Interpretation erfährt.<br />

Wem das alles zu mutig erscheint,<br />

dem bietet eine konventioneller<br />

gestrickte Bilderware aber noch genügend<br />

anderen Stoff. Das reine Lesevergnügen<br />

garantieren „Die Odyssee" in der Fassung<br />

von Pérez Navarro und Martin Sauri und<br />

„Der Glöckner von Notre-Dame" von<br />

Robin Recht und Jean Bastide. Gleiches<br />

lässt sich von „Verblendung" behaupten,<br />

dem Einstiegsband in die sensationelle<br />

„Millennium-Trilogie" des schwedischen<br />

Schriftstellers Stieg Larsson, der kurioserweise<br />

in einer Version von Denise Mina, Leonardo<br />

Manco und Andrea Mutti Anfang des Jahres<br />

bei Panini herauskam und im Mai 2013 in<br />

einer weiteren Interpretation von Sylvain<br />

Runberg und José Homs bei Splitter erschienen<br />

ist. Mit ihren realistischen Bildfolgen<br />

und einer nah am Original ausgerichteten<br />

Textfassung wissen auch die bislang 15 Titel<br />

der Reihe „Brock-<br />

haus Literatur-rcomics"<br />

zu gefallen.<br />

Wenn gleich<br />

die Bearbeitungen<br />

klassischer Vorlagen<br />

der Weltliteratur<br />

nicht von den ganz<br />

großen Namen in<br />

der Branche ausgeführt wurden, liefern die<br />

beteiligten Zeichner dieser in Frankreich entwickelten<br />

Serie doch grundsolides Handwerk<br />

ab. In Ergänzung mit den Nachworten, die<br />

Informationen zum Autor, zum Werk und<br />

zur Entstehungszeit liefern, hat sich die<br />

Reihe schon nach kurzer Zeit als förderliche<br />

Arbeitsunterlage in der Sekundarstufe I und<br />

II erwiesen. Eigentlich an Jugendliche ab<br />

zehn Jahren gerichtet, werden sich wohl auch<br />

etliche Comic-Fans nicht zurückhalten und<br />

besonders gelungene Titel wie „In 80 Tagen<br />

um<br />

die Welt" von<br />

Chrys Millien nach<br />

Jules Verne, „Das<br />

Dschungelbuch"<br />

von Djian und<br />

TieKo nach<br />

Rudyard Kipling, „Quo vadis?" von Patrice ti<br />

Buendia und Cafu nach Henryk Sienkiewicz<br />

oder „Eine Weihnachts geschichte" von<br />

Patrice Buendia und Jean-Marc Stalner nach<br />

Charles Dickens ihrer Sammlung zuführen.<br />

Horst Berner<br />

© Die Rechte für die Abbildungen liegen bei den Verlagen und den jeweiligen Autoren.<br />

Seite 24 ■ GoodTimes 1/2014


Literatur als Comic<br />

Große Literatur im Comic-Format:<br />

30 Titel, deren Lektüre sich lohnt<br />

1. Art Spiegelman: Die vollständige Maus"<br />

"<br />

(Fischer Verlag)<br />

2. Will Eisner: Ein Vertrag mit Gott" (Carlsen Verlag)<br />

"<br />

3. Alfred Sundel, Norman Nodel: Faust" "<br />

(Norbert Hethke Verlag)<br />

4. Cinzia Ghigliano: Nora" "<br />

(Schreiber & Leser)<br />

5. Hans Hillmann: Fliegenpapier"<br />

"<br />

(Zweitausendeins)<br />

6. Jacques Tardi: 120, Rue de<br />

"<br />

la Gare" (Edition Moderne)<br />

7. Matthias Schultheiss: Kaputt "<br />

in der City" (Heyne Verlag)<br />

8. Régis Loisel: Peter Pan" "<br />

(Ehapa Comic Collection)<br />

9. Comic-Zeichner präsentieren<br />

Werke der Weltliteratur:<br />

Alice im Comicland"<br />

"<br />

(Edition Moderne)<br />

10. Moga Mobo präsentiert: 100 Meisterwerke"<br />

"<br />

der Weltliteratur (Ehapa Comic Collection)<br />

11. Marjane Satrapi: Persepolis" (Edition Moderne)<br />

"<br />

12. Ulli Lust: Heute ist der letzte Tag vom Rest<br />

"<br />

deines Lebens" (Avant Verlag)<br />

13. Arne Bellstorf: Baby’s In Black – The Story Of<br />

"<br />

Astrid Kirchherr & Stuart Sutcliffe" (Reprodukt)<br />

14. Isabel Kreitz: Die Sache mit Sorge – Stalins<br />

"<br />

Spion in Tokio" (Carlsen Verlag)<br />

15. Peer Meter, Barbara Yelin: Gift" "<br />

(Süddeutsche Zeitung Bibliothek)<br />

16. Joe Sacco: Palästina" "<br />

(Süddeutsche Zeitung Bibliothek)<br />

17. Robert Crumb: Robert Crumbs Genesis"<br />

"<br />

(Süddeutsche Zeitung Bibliothek)<br />

18. Keiji Nakazawa: Barfuß durch<br />

"<br />

Hiroshima" (Süddeutsche<br />

Zeitung Bibliothek)<br />

19. Jon J. Muth: M – Eine Stadt<br />

"<br />

sucht einen Mörder"<br />

(Süddeutsche Zeitung Bibliothek)<br />

20. Reinhard Kleist: Der Boxer" "<br />

(Carlsen Verlag)<br />

21. Paul Karasik, David Mazzucchelli:<br />

Stadt aus Glas" (Reprodukt)<br />

"<br />

22. Winshluss: Pinocchio" "<br />

(Avant Verlag)<br />

23. Flix: Don Quijote"<br />

"<br />

(Carlsen Verlag)<br />

24. Nicolas Mahler: Alice in Sussex"<br />

"<br />

(Suhrkamp Verlag)<br />

25. Pérez Navarro, Martin Sauri: Die Odyssee"<br />

"<br />

(Ehapa Comic Collection)<br />

26. Robin Recht, Jean Bastide: Der Glöckner von<br />

"<br />

Notre-Dame" (Splitter)<br />

27. Denise Mina, Leonardo Manco, Andrea Mutti:<br />

Verblendung" (Panini Verlag)<br />

"<br />

28. Sylvain Runberg, José Homs: Verblendung"<br />

"<br />

(Splitter)<br />

29. Djian, TieKo: Das Dschungelbuch" (Brockhaus)<br />

"<br />

30. Patrice Buendia, Cafu: Quo vadis?" (Brockhaus)<br />

"<br />

VERLOSUNG<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>! verlost unter allen Teilnehmern<br />

Stichwort: <strong>kult</strong>!-Verlosung<br />

(gerne zusätzlich mit Angabe des gewünschten Artikels)<br />

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Einsendeschluss ist der 15. Januar 2014<br />

NikMa Verlag Eberdinger Str. 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />

Fax: 0 70 42/37660-188 · email: goodtimes@nikma.de<br />

4x DVDs<br />

Krimis<br />

1x DVD<br />

3x CD-Box<br />

1x Box-Set<br />

4 CDs + Buch<br />

3x DVD-Box<br />

3x Buch<br />

3x DVDs<br />

Straßenfeger-<br />

Krimis<br />

2x DVD<br />

3x Buch<br />

3x Buch<br />

3x Blu-ray<br />

3x Buch<br />

3x Hörbuch<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 25<br />

1x CD-Box-Set<br />

(insges. 9 CDs)


Von Alexander<br />

Querengässer<br />

en<br />

Mitte der 60er Jahre überschwemmte<br />

eine Flut von Italowestern den europä-<br />

ischen<br />

Kinomarkt. Ausgelöst worden war<br />

die Modewelle vom Erfolg der „Dollar „ -<br />

Trilogie von Sergio Leone, die ihn und<br />

seinen<br />

Hauptdarsteller Clint Eastwood<br />

zu<br />

Stars gemacht hatten. Obwohl das<br />

gesamte Genre oft als Abklatsch<br />

der Originale Leones verspottet<br />

wurde, brachte eine Reihe anderer<br />

Regisseure mit charismatischen<br />

Hauptdarstellern noch sehr unterhaltsame,<br />

coole und brutale Filme auf die<br />

Leinwand.<br />

1966 wurde Franco Nero mit Sergio Corbuccis „Django" zu dem<br />

Western-Antihelden schlechthin, während Giuliano Gemma in<br />

Duccio Tessaris „Eine Pistole für Ringo" oder in Michele Lupos<br />

„Arizona Colt" bereits als strahlender Sonnyboy glänzen durfte.<br />

Sergio Sollimas „Der Gehetzte der Sierra Madre" lenkte das Augenmerk<br />

auf den proletarischen Helden, den armen mexikanischen Peone<br />

Cuchillo, gespielt von Tomas Milian. Ein eher klassisches<br />

Westernthema, die Meister-Schüler-Beziehung, inszenierte<br />

Tonino Valerii, ein Protegé Leones, in „Der Tod<br />

ritt dienstags" mit Gemma und Lee Van Cleef in den<br />

Hauptrollen. Die guten Regisseure explodierten geradezu<br />

vor Kreativität, die in Dutzenden guter Filme bis 1968<br />

mündete. Danach wendeten sich viele vom Western<br />

ab, so dass weniger talentierte Klone nachrutsch-<br />

ten. Andere erreichten schlicht und einfach<br />

den alten Zenit nicht mehr.<br />

Der<br />

Italowestern flachte künstlerisch<br />

ab, und amerikanische Western<br />

wie Sam Peckinpahs „Wild Bunch" und George<br />

Roy Hills „Butch Cassidy und Sundance Kid",<br />

oder<br />

Actionfilme ilme<br />

wie Arthur Penns<br />

„Bonny und<br />

Clyde" eroberten<br />

den Markt zurück.<br />

„Niemand zog<br />

schneller „ –<br />

Leones Versuch,<br />

komisch zu sein<br />

Der Italowestern schien eines natürlichen Todes zu sterben, bis 1970<br />

Enzo Barbonis „Die rechte und die linke Hand des Teufels" zum<br />

Überraschungshit in Europa avancierte. Die beiden Protagonisten Terence<br />

Hill und Bud Spencer<br />

waren bereits populäre<br />

Stars in Italien, dank<br />

einer Western-Trilogie<br />

von Giuseppe Colizzi,<br />

welche im Erfolg nur<br />

den Filmen Leones nachstand.<br />

Barbonis Film verhalf<br />

ihnen zum europaweiten<br />

Durchbruch, den<br />

sie mit der noch erfolgreicheren<br />

Fortsetzung<br />

„Vier Fäuste für<br />

ein<br />

Halleluja" leluja<br />

1971<br />

nachhaltig alti<br />

untermauerten. Die neuen<br />

Western Barbonis verzichteten auf blutige Pistolenduelle und setzten auf<br />

slapstickhafte Prügeleien. Das gab es zwar schon vorher, aber Barboni<br />

hatte ein besonderes Talent für Komödien. Dies und die Popularität seines<br />

Duos verhalfen seinen Filmen zum großen Erfolg, dem eine Welle von<br />

Seite 26 ■ GoodTimes 1/2014


Westernparodien folgte. Doch auch der harte Italowestern erhielt noch<br />

mal Auftrieb, wenn auch überwiegend nur noch drittklassige Regisseure<br />

solche Filme machten.<br />

Für Sergio Leone, dessen Name bisher untrennbar mit dem Genre<br />

verbunden war, stellte der Erfolg der „Trinity"-Filme einen Schlag ins<br />

Gesicht dar, besonders da „Vier Fäuste für ein Halleluja" seinen eigenen<br />

„Für ein paar Dollar mehr" als bis dato kommerziell erfolgreichsten Film<br />

Italiens verdrängt hatte. Obwohl Leone dem Western bereits den Rücken<br />

gekehrt hatte, um an seinem Traumprojekt eines Gangsterfilms zu arbeiten,<br />

beschloss er, sich noch einmal seinen Thron zurückzuerobern.<br />

Schließlich entschied er sich aber dafür, nicht selbst bei dem Film Regie<br />

zu führen, sondern als Produzent im Hintergrund die Fäden zu ziehen.<br />

Eine Geschichte hatte er auch schon. Immer wieder hatte der dickliche<br />

Römer darauf verwiesen, dass die griechischen hen Epen<br />

die<br />

besten<br />

Drehbücher für Italowestern lieferten. Eine bekannte Szene<br />

aus der Odyssee schwebte ihm vor, als Odysseus seus<br />

den<br />

Zyklopen Polyphem austrickste, indem er behauptete,<br />

te,<br />

sein Name sei „Niemand". Als er ihm das Auge stach und der Riese seine Brüder um Hilfe fragte,<br />

wollten diese wissen, wer ihn verletzt habe.<br />

„Niemand" antwortete Polyphem. Ein listiges<br />

Wortspiel, dachte auch Leone und versuchte e<br />

aus-<br />

ursprünglich, eine Art Remake von „Im Winde<br />

verweht" darum zu konstruieren, ehe nach<br />

etlichen Anläufen ein ganz anderes Drehbuch<br />

entstand, eine Schwanengesangs-Geschichte e<br />

auf den Western: „Mein Name ist Nobody." Sie<br />

handelte von dem alternden Revolverhelden Jack<br />

Beauregard, der heimlich den Westen verlassen<br />

will, da die Leute nur noch darauf aus sind, sich mit<br />

seiner Ermordung einen großen Namen zu machen.<br />

Doch dann taucht ein jugendlicher Fremder auf, der nichts<br />

unversucht lässt, um seinem Kindheitsidol einen glänzenden<br />

Abgang zu verschaffen: Er soll die wilde Horde, 150 Mann, erledigen<br />

und dann gegen ihn selbst antreten. Beauregard schafft das Unmögliche<br />

und wird dann von Nobody im finalen Duell überlistet. Sein Tod ist nur<br />

fingiert, so dass er nach Europa auswandern und von sich behaupten<br />

konnte „Nobody (Niemand) zog schneller"...<br />

Leones Film ist voller Zitate und Querverweise auf alte Western:<br />

Beauregard, der von anderen Killern gejagt wird, die sich mit seinem<br />

Tod einen großen Namen machen wollen, erinnert an Gregory Peck in<br />

„Der Scharfschütze", die wilde Horde ist eine Anlehnung an Peckinpahs<br />

„Wild Bunch", erinnert in der Inszenierung aber auch an Sam Fullers<br />

Duell zwischen ihm und Nobody,<br />

als beide auf die Hüte schießen,<br />

aus „Für ein paar Dollar<br />

mehr" übernommen wurde. Wie<br />

Clint Eastwood in „Für eine<br />

Handvoll Dollar" ist Nobody der<br />

mysteriöse Fremde, der ständig<br />

zwischen Jack und einer<br />

Bande steht. Das Zitatespiel<br />

kann fast endlos weiterbetrieben<br />

werden. Aus hunderten<br />

Versatzstücken setzten Leone<br />

und Drehbuchautor Ernesto<br />

Gastaldi den Film zusammen.<br />

Auch der Hauskomponist des<br />

Maestros, Ennio nio Morricone, one lieferte<br />

e mit seinem em Score<br />

einen n Querschnitt<br />

seines es bisherigen<br />

Westernschaffens ab, zitiert t aber auch andere<br />

musikalische Vorbilder. So erinnert das Thema der<br />

wilden Horde an Wagners „Ritt der Walküren".<br />

Leone besetzte die Hauptrolle des Beauregard<br />

mit Henry Fonda und den Youngster Nobody<br />

mit Terence Hill. Der eine verkörpert den<br />

alten Westernstar Leones, der andere ist das<br />

Gesicht der Komödien Barbonis. Ursprünglich<br />

wollte Leone Beauregard zum alleinigen Helden<br />

machen und Nobody eher negativ inszenieren.<br />

Als Regisseur wurde schließlich Tonino Valerii ein-<br />

gesetzt, der mit „Der Tod ritt dienstags" ja bereits ein<br />

ähnliches Thema aufgegriffen hatte. Gedreht wurde im<br />

spanischen Almeria (siehe auch Story in <strong>kult</strong> Nr. 8), aber auch<br />

in New Mexiko und New Orleans. Und da geschah es: Valerii begann,<br />

einen sehr guten Film zu drehen, und Leone fürchtete plötzlich, dass<br />

sein Name gar nicht mehr damit in Verbindung gebracht werden würde.<br />

Also begann er den Drehplan seines Schützlings auseinanderzupflücken<br />

und nun selbst etliche Szenen zu drehen: die Eingangssequenz, den<br />

Kampf mit der wilden Horde und etliche Szenen mit Hill, die zwar witzig<br />

sind, aber die Story nicht vorantreiben. Die Stimmung am Set war sehr<br />

angespannt, und die Freundschaft zwischen Leone und Valerii zerbrach<br />

schließlich über der Fertigstellung des Films.<br />

Es zieht sich eine sehr melancholische Stimmung durch „Mein Name<br />

ist Nobody", die vom Ende des Westens und des Westerns kündet und<br />

die mehrheitlich auf Valeriis Szenen zurückgeht. Leones Momente mit<br />

Hill sind zwar sehr komisch, reißen diesen Faden aber immer wieder<br />

auseinander. Bis heute streiten Filmhistoriker darüber, wie viele Szenen<br />

des Films tatsächlich von Leone stammen. Valerii sieht ihn immer noch<br />

als sein Produkt.<br />

In Italien war „Mein Name ist Nobody" mit 3,5 Millionen Zuschauern<br />

zwar ein Hit, reichte aber nicht an „Vier Fäuste für ein Halleluja" heran.<br />

In ganz Europa erreichte der Film trotz seiner fehlenden inhaltlichen<br />

Stringenz schnell Kultstatus. Leone und Hill versuchten 1975, eine weitere<br />

Western-Komödie im Stil des George-Roy-Hill-Hits „Der Clou" zu produzieren.<br />

Der Film wurde in Deutschland als Fortsetzung mit „Nobody ist<br />

der Größte" betitelt, war auch kommerziell erfolgreich, blieb aber hinter<br />

den Erwartungen aller zurück. Es war Leones letzter Western.<br />

„Vierzig ig Gewehre". ehre<br />

Wie<br />

Joel McCreas Figur in Peckinpahs „Sacramento"<br />

trägt Beauregard eine Brille. Mit der Eingangssequenz, in der Beauregard<br />

drei Killer tötet, zitiert Leone seinen eigenen Film „Spiel mir das Lied<br />

vom Tod". Dass er dabei beim Barbier sitzt, erinnert stark an Edward<br />

Dmytrycks „Warlock" (einen von Leones Lieblingswestern), während das<br />

Terence Hill redet heute in geradezu schwärmerischer Verehrung über<br />

Leone und bezeichnet „Nobody" als seinen besten Film. Das Kostüm,<br />

der weiße Hut und der lange helle Staubmantel blieben Teil all seiner<br />

künftigen Westernfiguren.<br />

Obwohl Leone seinen Erfolgsdurst nicht befriedigen konnte, eines<br />

gelang ihm: Als komischer Westernheld ist sein Nobody noch mehr im<br />

Gedächtnis geblieben als Barbonis Trinity.<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 27


Matchbox Superfast -<br />

Die Antwort auf die Hot Wheels<br />

Von Jörg Trüdinger<br />

Bist<br />

" du Matchbox-Superfast-Fan, -Fan oder stehst du<br />

eher auf die Heißen Räder' von<br />

'<br />

Mattel?" Anfang der 70er Jahre war das unter Jungs eine Frage, die häufig gestellt<br />

wurde. Sie war damals enorm wichtig, und die Antwort konnte durchaus mitentscheiden,<br />

ob man eine Freundschaft weiter vertiefte oder nicht. Heutzutage, nachdem<br />

Matchbox längst von Mattel aufgekauft wurde, ist diese Frage irrelevant, zumal<br />

Spielzeugautos für die Kinder<br />

nicht mehr das Statussymbol<br />

sind, das sie einst waren.<br />

BMC 1800 Pininfarina<br />

Dodge Charger<br />

MK III<br />

Opel Diplomat<br />

Dodge Dragster<br />

Seite 28 ■ GoodTimes 1/2014


Porsche 910<br />

Maserati Bora<br />

Datsun 126X<br />

Saab Sonett III<br />

Display, wie es in vielen Tabak- und Spielwarengeschäften in den 70er Jahren an der Wand hing.<br />

Fotos: © Jörg Trüdinger<br />

Vauxhall Guildsman Beach Buggy Baja Buggy<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 29


Seite 30 ■ GoodTimes 1/2014


Exklusive<br />

<strong>kult</strong>!<br />

-DVD<br />

13.500 Titelseiten-Abbildungen<br />

Titelbilder zu über 90 Science- Fiction- und Fantasy-Reihen<br />

und -Serien der 50er Jahre bis heute<br />

Romanhefte, Taschenbücher, Sonderbände, nde, Bücher und<br />

Leihbücher in Top-Qualität


Der Himmel ist leer<br />

Ufologen<br />

stecken in<br />

einer Krise<br />

Der Weltraum – unendliche Weiten." So heißt es seit fast fünf Jahrzehnten,<br />

"<br />

wenn die Enterprise – die Mutter aller TV-Raumschiffe – mal wieder ihre<br />

Bahn über die Mattscheibe zieht. Der Blick über den Tellerrand unseres<br />

Planeten beschäftigte und faszinierte die Menschen aber schon viel länger.<br />

Filme zum Thema gibt es nach wie vor in rauen Mengen. Und dennoch ist das<br />

Interesse der Grenzwissenschaftler an möglichem Leben außerhalb unseres<br />

Vorstellungskreises offenbar etwas erlahmt. Woran kann das liegen?<br />

Sanft gleitet das monströse Mutterschiff über die<br />

Bergkuppe und landet behutsam auf dem Boden<br />

der Forschungsstation. Die Kontaktaufnahme<br />

beginnt. Aus dem Raumschiff wird eine Rampe abgesenkt, über die<br />

dutzende Menschen aus verschiedenen Epochen – kaum gealtert – das<br />

Ufo verlassen. Darauf erscheinen zahlreiche Außerirdische auf dem hell<br />

erleuchteten Abstieg, und der Größte von ihnen breitet seine Arme in<br />

einer freundschaftlichen Geste aus. Roy Neary schließlich wird ausgewählt,<br />

das Raumschiff zu betreten, das daraufhin mit ihm in eine ferne<br />

(oder nahe?) Zukunft abhebt. Tränen der Zurückgebliebenen. Filmende.<br />

Steven Spielbergs „Unheimliche Begegnung der dritten Art" ist einer der<br />

wenigen Science-Fiction-Filme, in denen Ufos keine Bedrohung für die<br />

Menschheit darstellen. Zuvor und danach mussten unzählige Menschen<br />

durch Angriffe von Außerirdischen auf der Leinwand ihr Leben lassen.<br />

Ufos haben die Menschheit immer fasziniert. Der Gedanke, nicht alleine<br />

auf einer blauen Kugel im All zu leben, lieferte mannigfaltig Stoff für<br />

Geschichten, die wohl der Fantasie entsprungen sind. Oder sind die doch<br />

wahr?<br />

Die vermehrte Sichtung der so genannten unbekannten Flugobjekte<br />

oder auch unidentifizierbaren fliegenden Objekte (englisch: Unidentified<br />

Flying Objects) insbesondere in den 50er, 60er und 70er Jahren ist<br />

zurückzuführen auf die in eben jenen Jahrzehnten<br />

grassierende Angst vor den möglichen Folgen<br />

des Kalten Krieges, ähnlich wie in Japan Figuren<br />

wie Godzilla den Atomkrieg verarbeiten helfen sollten.<br />

So gesehen macht es Sinn, dass „Unheimliche Begegnung der<br />

dritten Art" 1977 erschien – zu einer Zeit, da US-Präsident<br />

Jimmy Carter begonnen hatte, ein erstes Tauwetter zwischen<br />

den Großmächten einzuleiten. Spielberg versteht<br />

seinen Film noch heute als Botschaft, miteinander<br />

zu kommunizieren und sich auf das Unbekannte<br />

einzulassen.<br />

Jahrelang hatte die so genannte Ufologie eine stetig wachsende Schar<br />

von Interessierten und Grenzwissenschaftlern in ihren Bann gezogen. Die<br />

Nachkriegsjahre mit der Entwicklung von Raketen, Hubschraubern und<br />

des Düsenantriebs sowie dem Durchbrechen der Schallmauer ließ viele<br />

Menschen glauben, dass alles am Himmel möglich sei. Warum sollte es<br />

also keine interstellaren Reisen geben?<br />

Zu dieser sich verbreitenden Frage trug in nicht geringem Maße auch die<br />

Heimlichtuerei der Großmächte bei. Die Verteidigungsministerien der USA<br />

sowie Großbritanniens richteten Kommissionen und Arbeitsgruppen ein<br />

(Project Blue Book sowie Flying Saucer Working Party), und auch die CIA<br />

errichtete Planstellen für die Erfassung der Ufo-Phänomene.<br />

An Geschichten mangelte es nicht. Die werden<br />

nach wie vor zum Teil von Wichtigtuern<br />

und Träumern verbreitet, sind aber in manchen<br />

Fällen noch bis heute unerklärlich. Die Legende vom<br />

Roswell-Zwischenfall 1947 ist eine, die sich am hartnäckigsten<br />

hält. Demnach sollen nahe der gleichnamigen Stadt in New Mexico<br />

Flugobjekte am Himmel gesichtet worden sein, die der amerikanische<br />

Pilot Kenneth Arnold mit folgenden Worten beschrieb:<br />

„Die Dinger flogen wie Untertassen, die man flach über das<br />

Wasser springen lässt." Diese Aussage gilt als Ursprung für den<br />

Begriff der Fliegenden Untertasse.<br />

Seite 32 ■ GoodTimes 1/2014


Anderen Quellen zufolge sollen eines dieser Ufos damals abgestürzt<br />

und die Insassen von Angestellten einer nahegelegenen<br />

Luftwaffenbasis abgeholt worden sein. Es gibt da<br />

dieses ominöse Foto von einem Außerirdischen<br />

auf einer Bahre, und die Aussage eines Militärs<br />

„Was immer es war, es kam nicht<br />

von dieser Welt" wird auch<br />

heute noch kolportiert.<br />

Beweise wurden<br />

jedoch nie erbracht.<br />

Seit den 80er Jahren<br />

ist die Anzahl der Ufo-<br />

Sichtungen sowie der Berichte<br />

über Unerklärliches deutlich zurückgegangen. In der Zeit von 1988<br />

bis heute ist sie um erstaunliche 96 Prozent gesunken. Dadurch<br />

ist die gesamte Ufologie-Bewegung in eine schwere Krise geraten.<br />

1990 berichteten einige Zeitungen von mehreren Ufos am belgischen<br />

Himmel, die angeblich von tausenden Menschen gesehen wurden.<br />

Piloten bestätigten, dass die Objekte in der Luft stillgestanden und<br />

plötzlich auf circa 1800 Stundenkilometer beschleunigt<br />

hätten. Dies soll in der Nacht auf den 31. März geschehen<br />

sein, was einen Aprilscherz nahelegt. Tatsächlich<br />

outete sich im Jahr 2011 ein Fotograf, der die entsprechende<br />

Montage in Umlauf gebracht haben will.<br />

Selbst einer der Sprecher der Ufologen, Dave Wood, hegt<br />

mittlerweile Zweifel an der Existenz von Ufos: „Es ist<br />

möglich, dass das ganze Thema in zehn Jahren tot ist. Das<br />

Fehlen einschlägiger Ereignisse lässt die Vermutung zu,<br />

dass es da draußen nichts gibt."<br />

Ob dem wirklich so ist, kann jeder für sich selbst entscheiden.<br />

Websites mit Bildern von Himmelsphänomenen gibt es ohne Ende.<br />

Sie würden vielleicht seriöser wirken, wenn sie nicht mit esoterischer<br />

oder bombastischer Musik untermalt wären.<br />

Tatsache ist, dass die ersten<br />

Beobachtungen aus dem<br />

Ägypten der Zeit von circa<br />

1400 v. Chr. überliefert<br />

sind. Hier wird von „Kreisen aus<br />

Feuer" berichtet, die sich tagelang am<br />

Himmel zeigten. Aus dem römischen Buch der Vorzeichen<br />

(prodigorium liber) stammen Schilderungen von<br />

Schiffen am Himmel, runden Schilden<br />

und einem goldenen Globus aus Feuer,<br />

der vom Himmel gefallen, wieder aufgestiegen<br />

und weggeflogen sei.<br />

Auch die frühe Neuzeit hat etwas zu bieten:<br />

In Nürnberg wurden 1561 von mehreren Menschen<br />

Röhren, Kreuze, Scheiben und Kugeln am Firmament gesichtet, die<br />

miteinander zu kämpfen begonnen haben sollen, bevor sie sich nach<br />

einer Stunde in Rauch auflösten. Nur fünf Jahre später das Gleiche in<br />

Basel: Hier waren es schwarze Kugeln, die extrem flink<br />

und in schnellem Kurvenflug miteinander gestritten<br />

haben sollen, bis sie rot erglühten und verloschen.<br />

Die Tabu-Schwelle ist hoch. Laut der amerikanischen<br />

Lee-Studie gaben damals nur 13 Prozent der Menschen<br />

mit Sichtungserfahrungen an, diese an eine offizielle<br />

Stelle gemeldet zu haben. 40 Prozent hielten sie für<br />

unbedeutend, und 19 Prozent hatten Angst, verspottet<br />

zu werden. Der Rest wusste nicht, an wen man sich<br />

wenden sollte, oder ging davon aus, auf Desinteresse<br />

zu stoßen.<br />

Was würden Sie tun?<br />

Oliver Schuh<br />

Jetzt<br />

im Handel<br />

Jetzt auch die grosse John Wayne Box<br />

mit 18 weiteren Klassikern aus seiner<br />

glorreichen Fruhzeit.<br />

d<br />

d<br />

Endlich auf DVD, sowie das<br />

Double-Feature auf Blu-ray<br />

Digital restauriert und<br />

erstmalig auf Deutsch<br />

synchronisiert<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 33<br />

www.facebook.com/HeimkinoHeimkino


Der Held<br />

aller Kinder<br />

Wenn ich einem Kind begegne, glimmt in unseren<br />

Augen das gemeinsame Erkennen", sagte<br />

"<br />

Ota Simánek einmal in einem Interview.<br />

Und tatsächlich hatte der tschechoslowakische<br />

Schauspieler eine unvergleichliche Art, sich in<br />

seiner Rolle als Pan Tau in die Kinderseelen<br />

hineinzuspielen. Und nicht nur in die.<br />

Generationsübergreifend ist der<br />

Mann eine Legende.<br />

Pan Tau ist eine der ungewöhnlichsten Serienfiguren: ein<br />

eleganter Herr im Frack mit weißer Nelke im Knopfloch und<br />

einem Regenschirm in der Hand. Seine Anziehungskraft auf<br />

Kinder ist enorm. Er kommt in einem Raumschiff angeflogen,<br />

kann<br />

zaubern<br />

und vermag<br />

so wahre<br />

Wunder zu<br />

bewirken.<br />

Kindertr<br />

äume werden<br />

wahr,<br />

und sei es<br />

nur einer<br />

wie der,<br />

dass der<br />

Großvater<br />

endlich einmal<br />

Zeit<br />

Pan Tau hat für jeden ein offenes Ohr<br />

für seine<br />

Enkelin Claudia hat, seine Firma sausen lässt und mit dem Mädchen<br />

(und Pan Tau) einfach mal als Landstrei cher durch die Gegend zieht.<br />

Ansonsten können in dieser Serie Karpfen plötzlich sprechen, einem<br />

Kaktus wachsen Haare, Opas Bierglas wird geleert, ohne dass er<br />

etwas trinkt, eine Ziege steht im Treppenflur und und und …<br />

Er muss stets aufmerksam sein<br />

Pan Tau (zu<br />

Deutsch Herr<br />

Hut) kommuniziert<br />

ohne<br />

Sprache, ein<br />

Blick genügt.<br />

Ein schönes<br />

Pendant zu<br />

den unablässig<br />

plappernden<br />

und<br />

quatschenden<br />

Erwachsenen,<br />

die den Kindern<br />

das Leben<br />

manchmal schwermachen und über ihren eigenen Tellerrand<br />

nicht hinaussehen können. Und ebenso ein hervorragender<br />

Gegenentwurf zu den ganzen amerikanischen Kinderserien, die<br />

schon damals – noch vor der bösen Brut des Privatfernsehens<br />

– die Bildschirme zukleisterten. Pan Tau steht bis heute für<br />

Geborgenheit und Zuverlässigkeit.<br />

Er passt in eine Aktentasche, denn wenn er ganz sanft auf<br />

seinen Zauberbowler klopft und elegant mit den Fingern an<br />

der Hutkrempe entlangstreicht, wird aus ihm plötzlich eine kleine<br />

Handpuppe, die sich leicht verstecken lässt. Auf diese Weise<br />

kommt er kaum einem Erwachsenen unter die Augen. Die haben<br />

Seite 34 ■ GoodTimes 1/2014


sowieso für alles eine wissenschaftliche<br />

Erklärung, streiten oft und haben keine<br />

Fantasie. Genau dort holt Pan Tau die<br />

Kinder und die<br />

Junggebliebenen<br />

ab – weil er das Kind<br />

in sich bewahrt hat.<br />

Nie weiß man, wo er herkommt, wie lange<br />

er bleiben wird, und wann er wieder<br />

geht. Meist ist Letzteres natürlich der Fall,<br />

wenn die Wogen geglättet, die Familie intakt<br />

und die Kinderseelen im Lot sind. Manchmal<br />

bleibt er auch länger, wie bei der chaotischliebenswerten<br />

Familie Urban in Prag (mit dem<br />

wunderbaren Schauspieler Vladimir Mensik<br />

als Oberhaupt). In deren Haushalt bringt er<br />

einiges durcheinander, weil man ihn dort für<br />

den verschollenen Onkel Alfons hält. Der sollte<br />

eigentlich in der Milchfabrik mitarbeiten, hat<br />

vorübergehend aber das Leben auf Achse und<br />

schließlich einer einsamen Insel vorgezogen,<br />

weil er seinem Bruder früher mal drei Murmeln<br />

geklaut und die 20 Mark für die Klavierlehrerin<br />

anderweitig ausgegeben hat.<br />

des Herrn Tau". Das Autorenteam Ota<br />

Hofman (Drehbuch) und Jindrich<br />

Polák (Regie) zauberte im Laufe der<br />

folgenden Jahre weitere Highlights des<br />

Kinderfernsehens aus dem Hut. Wir erinnern<br />

uns an „Die Märchenbraut", „Luzie, der Schrecken<br />

der Straße", „Der fliegende Ferdinand", „Die Rückkehr der<br />

Märchenbraut" und vieles andere. In vielen dieser Filme dabei: Ota<br />

Simánek.<br />

Er war ein Glücksfall für die Rolle<br />

des Pan Tau. Mühelos überwand er<br />

Zeit und Raum, und seine Art, die sich<br />

ihm bietende Szenerie mal mit mildem<br />

Lächeln, mal mit ungläubigem Staunen<br />

zu betrachten, war schwer zu überbieten.<br />

1988 schlüpfte Simánek noch einmal<br />

in die Rolle des Kinderverzauberers. In<br />

„Pan Tau – Der Film" rettet er – natürlich<br />

wieder in einer Doppelrolle – den<br />

Film sowie den abgehalfterten und leicht<br />

versoffenen Ex-Star Karasek (der laut<br />

Drehbuch damals Pan Tau gespielt haben<br />

soll), indem er als Lumpensammler Novak<br />

mit seinem eigentümlicherweise auf den<br />

Namen „Mensch" getauften Hund den<br />

ehemaligen Star wieder in die Spur bringt.<br />

... und um den Zusammenhalt<br />

der Familie bemüht<br />

Immer korrekt gekleidet ...<br />

Schwierig wird es erst, als Pan Tau seinen Doppelgänger im<br />

Fesselballon zur Familie zurückholt, und dieser Ballon landet<br />

natürlich mitten im Garten. Die Slapstick-Szenen haben absolutes<br />

„Laurel & Hardy"-Niveau. Ota Simánek spielte natürlich auch den<br />

Alfons und durfte endlich auch einmal sprechen. Und das nicht zu<br />

knapp.<br />

In der Rolle des Pan Tau hingegen kommuniziert er auf eine tänzerische<br />

und pantomimische Weise. Erst in den späteren Folgen<br />

beginnt der bislang so stille Held ansatzweise zu reden, wird sozusagen<br />

zu einem realistischeren Pan Tau, was der so vertrauten Figur<br />

nicht unbedingt gut bekommt.<br />

Die Serie war mit 33 Folgen eine der langlebigsten, die je im tschechoslowakischen<br />

Fernsehen produziert wurde, und gleichzeitig der<br />

Beginn einer wunderbaren Freundschaft mit dem WDR. Der Bambi<br />

in Silber 1974 sowie der Adolf-Grimme-Preis 1976 waren wohlverdiente<br />

Auszeichnungen für die Pionierarbeit des westdeutschen<br />

Fernsehens. In der DDR lief die Serie unter dem Titel „Die Abenteuer<br />

Ota Simánek war erkennbar ausgebildeter<br />

Pantomime und unterrichtete am<br />

Prager Konservatorium in eben diesem<br />

Bereich. Zudem war er Mitglied des<br />

Prager Stadttheaters, an dem er auch<br />

in klassischen Rollen („König Lear",<br />

„Pygmalion" etc.) brillieren konnte.<br />

Auch in den bereits erwähnten Hofman/<br />

Polák-Produktionen war er Dauergast.<br />

Ota Simánek starb am 8. Mai 1992 im<br />

Alter von 67 Jahren. Auch über 20 Jahre<br />

später ist seine märchenhafte Erscheinung<br />

unvergessen. Kinder glauben, was sie sehen<br />

– leider auch an den ganzen Dreck, den es<br />

heute im Fernsehen gibt. Umso mehr: An Pan<br />

Tau glauben sie noch heute, und es ist gut,<br />

dass die Serie immer mal wiederholt wird. Sie<br />

ist jederzeit aufs Neue einzigartig.<br />

Oliver Schuh<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 35


<strong>kult</strong>! Bücher<br />

Von Alan Tepper<br />

Kultbücher – Geschätzt, geliebt, gelobt<br />

In den USA spielen sich momentan ungeheuerliche<br />

Marktkämpfe ab. Nachdem führende Internet-<br />

Versandhäuser aufgrund der fehlenden Buchpreisbindung<br />

jahrelang mit Dumping-Angeboten Mitbewerber<br />

vom Markt gefegt hatten, ziehen jetzt die Preise kräftig<br />

an, besonders im Segment Fachliteratur, die für viele<br />

unumgänglich ist. Und Neuerscheinungen in der Belletristik?<br />

Oft nur noch als Lesegerät-Ausgabe und nicht<br />

mehr "<br />

physisch" erhältlich. Maximaler Profit bei minimalen<br />

Kosten. Buchhändler, Autoren, Lektoren, Übersetzer<br />

und Literaturagenten müssen nun für Hungerlöhne arbeiten.<br />

Gelobt sei da die deutsche Buchpreisbindung,<br />

die einen angemessenen Standard ermöglicht, der Kulturschöpfern<br />

zumindest ein Existenzminimum sichert.<br />

Henry James –<br />

Preston & Child –<br />

" Die Kameliendame" "<br />

Die dunklen Gassen des Himmels"<br />

Fear: Grab des Schreckens"<br />

Das Durchdrehen der Schraube"<br />

Alexandre Dumas –<br />

Tad Williams –<br />

D" as Autorenteam Douglas Preston und Lincoln Child hat sich durch<br />

Beständigkeit und einen unerschöpflichen Ideenvorrat einen<br />

Namen gemacht. Neben den Wissenschaftsthrillern<br />

und der aktuellen, leider nicht sehr starken Gideon-<br />

Crew-Reihe, sind es die Romane um den FBI-<br />

Spezialagenten Pendergast, die für Furore sorgen.<br />

Nach dem überaus gelungenen „Formula" (2003)<br />

und der spannenden Trilogie „Burncase" (2005),<br />

„Dark Secret" (2006) und „Maniac" (2007) ist der<br />

aktuelle Kultroman der letzte Teil der so genannten<br />

Helen-Trilogie. Pendergast erfährt, dass seine Frau<br />

noch am Leben<br />

ist, aber in dunkle Machenschaften<br />

verstrickt war, die bis in die Zeit<br />

des Nationalsozialismus zurückführen.<br />

Nach einem kurzen Wiedersehen wird<br />

Helen entführt, woraufhin sich der<br />

FBI-Mann auf eine spektakuläre Jagd begibt, die ihn schließlich bis<br />

nach Südamerika führt. Dort kommt er dem unfassbaren Geheimnis auf<br />

die Spur. Zwar wirkt der Roman an einigen Stellen recht konstruiert,<br />

doch insgesamt kann er wegen der Spannung überzeugen.<br />

Nein, Bücher wie „Die drei Musketiere" oder „Der Graf von<br />

Monte Cristo" stammen nicht von dem „Kameliendame-Dumas",<br />

sondern von seinem gleichnamigen Vater.<br />

Alexandre Dumas d. J. (27. Juli 1824 – 27.<br />

November 1895) hat mit seinem zentralen<br />

Roman ein Werk mit einem ähnlich hohen<br />

Stellenwert verfasst, das mehrfach verfilmt<br />

(unter anderem mit Greta Garbo und Robert<br />

Taylor) und von Giuseppe Verdi vertont<br />

wurde. In dem auch noch heute aufwühlenden<br />

Roman beschreibt er die Liebe des<br />

aus gutem Elternhaus<br />

stammenden Armand<br />

Duval zur Kurtisane<br />

Marguerite<br />

Gautier,<br />

die sich von mehreren<br />

Männern aushalten lässt. Die beiden verlieben<br />

sich ineinander und beginnen ein neues Leben.<br />

Duvals Vater empört sich über die Entscheidung<br />

seines Sohnes und drängt Marguerite – obwohl sie den Mann von<br />

ihrer ehrlichen Liebe überzeugt –, seinen Sohn zu verlassen, den<br />

diese Entscheidung tief verletzt. Erst auf dem Sterbebett enthüllt sie<br />

ihm den wahren Grund für die Trennung. Intensiv, vielschichtig und<br />

immer noch aktuell.<br />

"<br />

Henry James (15. April 1843 – 28. Februar 1916) zählt zu den amerikanischen/britischen<br />

Autoren, die sowohl von den Kritikern als<br />

auch vom Publikum geschätzt werden. Neben<br />

realistischen Werken wie „Bildnis einer Dame" und<br />

sozialkritischen Arbeiten („Daisy Miller") hat er<br />

sich gelegentlich dem Schauerroman zugewandt.<br />

Allerdings setzte James hier nicht auf vordergründige<br />

Effekte, sondern kreierte eine durchgehend<br />

subtil-unheimliche Atmosphäre, die die Frage nach<br />

der Natur des Bösen anregt. In<br />

dem 1898 publizierten Roman<br />

beschreibt er das Erlebnis einer<br />

Gouvernante, die auf einem englischen Gut zwei<br />

Waisenkinder (Flora und Giles) betreuen soll. Kurz<br />

nach ihrer Ankunft bemerkt sie die Wiedergänger<br />

ihrer Vorgänger Miss Jessel und Peter Quint, die<br />

kurz vor ihrem Tod im häufigen Kontakt zu den<br />

Kindern standen. Nun scheint ihre schemenhafte Anwesenheit das<br />

Leben der Kleinen zu bedrohen. Obwohl der Roman schon über 100<br />

Jahre alt ist, erzeugt er eine unvergleichliche Atmosphäre, die nichts an<br />

Wirkung eingebüßt hat.<br />

Tad Williams (geb. 14. März 1957) wird schon seit einigen Jahren zu<br />

den ganz Großen der modernen Fantasy-Literatur gezählt. Zyklen<br />

wie „Otherland" oder „Shadowmarch" haben<br />

zahlreiche Leser gefunden, die sich von den<br />

eher konservativen Ausprägungen des Genres<br />

entfernen und neue Themen bevorzugen. In<br />

seinem aktuellen Buch widmet er sich der<br />

so genannten Urban Fantasy, integriert aber<br />

auch Elemente des Krimis und der vor einiger<br />

Zeit einen kurzen Boom erlebenden „Engel"-<br />

Romane. Williams beschreibt die Geschichte<br />

von<br />

Bobby<br />

Dollar, einem<br />

Anwalt der<br />

Engel, der mit der „Gegenseite", also<br />

der Hölle, um jede Seele kämpft. Er<br />

unternimmt Dienstreisen zur Erde<br />

und führt ein meist angenehmes<br />

Leben in den himmlischen Bars. Das<br />

ändert sich, als ihm eines Tages eine Seele abhandenkommt. Wer<br />

steckt hinter dieser vermeintlichen Entführung? Ist es eine Intrige?<br />

Williams hat mit dem Roman einen unterhaltsamen und spannenden<br />

Text verfasst, der niemals blasphemisch wirkt, sondern die exakt passende<br />

Portion Humor vermittelt.<br />

Seite 36 ■ GoodTimes 1/2014


Ernest Hemingway – "<br />

Fiesta"<br />

Ernest Hemingway (21. Juli 1899–2. Juli 1961) zählt zu den ganz<br />

großen amerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Seine zahlreichen<br />

Bücher wurden häufig verfilmt, wie zum<br />

Beispiel „Schnee am Kilimandscharo" (mit Gregory<br />

Peck und Hildegard Knef), „Wem die Stunde schlägt"<br />

(mit Gary Cooper und Ingrid Bergman) und natürlich<br />

„Der alte Mann und das Meer" (mit Spencer<br />

Tracy). Auch „Fiesta" kam mit Starbesetzung unter<br />

dem Titel „Zwischen Madrid und Paris" 1957 in die<br />

Kinos. Der Pulitzer- und Nobelpreisträger führte<br />

ein unstetes Leben, reiste viel, war Großwildjäger,<br />

Hochseefischer und Kriegsberichterstatter, wobei<br />

zuletzt lttgenannte Tätigkeit einen großen Einfluss auf sein Schaffen hatte.<br />

Im Gegensatz zu Zeitgenossen, wie zum Beispiel William Faulkner, zeichnete<br />

sich Hemingways Erzählstil durch knappe, unprätentiöse Sätze aus,<br />

die dem Leser einen leichten Zugang zu seinen<br />

Schriften ermöglichen, die thematisch wichtige<br />

Aspekte und Extremsituationen des letzten<br />

Jahrhunderts widerspiegeln. Der Autor gehört<br />

zur so genannten verlorenen Generation, ein<br />

von der Schriftstellerin Gertrude Stein geprägter<br />

Begriff, der die durch den Ersten Weltkrieg entwurzelten und ihrer<br />

Ideale beraubten Menschen beschreibt. Der in den 20er Jahren in Paris<br />

entstandene Roman, zu der Zeit eine für angloamerikanische Schriftsteller<br />

wie zum Beispiel Henry Miller bedeutende Stadt, ist in drei Teile gegliedert.<br />

Im ersten Buch schildert Hemingway das Leben der Emigranten, das von<br />

Sinnsuche, Liebschaften und Unbeständigkeit bestimmt wird. Der zweite<br />

und längste Teil beschreibt eine Reise nach Pamplona, wo eine siebentägige<br />

Fiesta gefeiert wird, bei der der explizit dargestellte Stierkampf<br />

und der Alkohol eine große Rolle spielen. Im letzten Abschnitt offenbart<br />

sich die Tragik des Protagonisten, dem das Schicksal eine erfüllende<br />

Liebesbeziehung versagt und der ein „Treibender" und „Gebrochener"<br />

im Strom der verlorenen Generation bleiben wird. Ein unnachahmliches<br />

Gesellschaftsporträt der 20er Jahre.<br />

Richard Matheson – "<br />

Ich bin Legende"<br />

Als Richard Matheson (20. Februar 1926–23. Juni 2013) vor wenigen<br />

Monaten verstarb, erinnerte sich in Deutschland kaum jemand an<br />

seine Arbeiten. Das lag vermutlich an der geringen<br />

Popularität hier zu Lande, denn die Bedeutung<br />

seines Lebenswerks wurde bislang wenig beleuchtet.<br />

Matheson hat nicht nur bedeutende Beiträge<br />

zur Science Fiction geliefert, unter anderem das<br />

Buch „The Shrinking Man", das 1957 unter dem<br />

Titel „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C" verfilmt<br />

wurde, sondern auch den Horrorklassiker „Hell<br />

House" und den faszinierenden Zeitreise-Liebesroman<br />

„Somewhere In Time" (verfilmt mit Jane Seymour).<br />

Darüber hinaus war er als Drehbuchautor einer der wichtigsten Schreiber<br />

von vielen Kultfilmen. Die von Roger Corman umgesetzten „Der Untergang<br />

des Hauses Usher" (1960) und „Das Pendel des<br />

Todes" (1961), eine Hammer-Produktion („Die<br />

Braut des Teufels", 1968) sind nur einige Titel<br />

einer langen Filmografie. Auch „Ich bin Legende"<br />

kam in die Kinos – sogar dreimal! 1964 spielte<br />

der unvergessene Vincent Price die Hauptrolle<br />

in „The Last Man On Earth", 1971 gefolgt von<br />

Charlton Heston in „Der Omega-Mann", wohingegen Will Smith 2008 in „I<br />

Am Legend" auftrat. Der Roman spielt im Los Angeles des Jahres 1976. Die<br />

Menschen wurden durch das Virus zu Vampiren, die das Haus von Robert<br />

Neville, dem letzten Überlebenden, jede Nacht belagern. Dieser ist einer<br />

ständigen Gefahr ausgeliefert. Tagsüber tötet er seine Kontrahenten und<br />

beschafft sich Vorräte, nachts ist er in seinem Haus eingesperrt. Eine Frau<br />

scheint nicht an dem Virus zu leiden, doch wie sich herausstellt, gehört<br />

sie zu einer mutierten Spezies, die die Weltherrschaft übernimmt und<br />

ihn – den Anormalen - exekutieren will. Die Fusion von Science-Fiction-<br />

Elementen, Horror und dem klassischen Vampirroman, nicht zu vergessen<br />

die schriftstellerische Raffinesse, heben „Ich bin Legende" auf ein hohes<br />

Niveau, das erst in den letzten Jahren erkannt wurde. Die aktuelle Heyne-<br />

Ausgabe erscheint mit zusätzlichen zehn Kurzgeschichten.<br />

Die Sprechblase<br />

78602<br />

Sept.<br />

2013<br />

€ 9,90<br />

38. Jahrg.<br />

Nr. 228<br />

Stan Lee: Die Marvel-Ära<br />

TARKAN,<br />

der türkische<br />

Kultcomic<br />

PENG!-Preis-Gewinner 2013 für<br />

BESTE COMIC-BERICHTERSTATTUNG!<br />

Gratisbeilage:<br />

Ein ganz spezieller<br />

Märchencomic<br />

Vance<br />

PENG!-Preis-Gewinner 2013<br />

SPRECHBLASE 228<br />

3 große Storys:<br />

VANCE<br />

(BRUNO BRAZIL, XIII)<br />

TARKAN,<br />

der unglaubliche<br />

türkische Kultcomic<br />

Stan Lee´s<br />

Marvel-Ära<br />

u.v.m.<br />

Starke Abbildungen!<br />

Beilage: toller Märchencomic!


®<br />

BEI KNOPFDRUCK TOR<br />

Seit es <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Spieler gibt, hält sich die Faszination, mit ihnen zu spielen. Fußballfeld,<br />

Tor, Torwart und Figuren sind schnell aufgebaut, ein spannender Zweikampf auf dem<br />

Fußboden oder Tisch kann beginnen. So klein das Spiel, so groß die Namen der Fans: Die<br />

bekanntesten sind Franz Beckenbauer und Campino von den Toten Hosen. <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> spielt man aber<br />

nicht nur am heimischen Herd. Es gibt organisierte Spieler, eine Bundesliga und zahlreiche Turniere.<br />

Von Eckhard Schwettmann<br />

ereits 14 Jahre nach der Firmengründung 1924 wurde mit der<br />

TFG Hildesheim 1938 der erste Verein gegründet. Aktuell sind<br />

im Deutschen <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Verband (DTKV) knapp 100 Klubs registriert.<br />

Daneben gibt es welche im Schweizer <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Verband (STKV) und<br />

auch einige in Österreich.<br />

<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> ist ein Spiel für zwei Personen. Das Spielfeld besteht<br />

dabei aus einer Spielplatte, zwei Toren, zwei Torhütern und zwei<br />

beliebig positionierbaren n<br />

Feldspielern sowie einem<br />

zweifarbigen, zwölfeckigen<br />

Ball. Die Spielfiguren<br />

werden auf dem Spielfeld<br />

bewegt. Durch das Drücken<br />

des Kopfes der Spielfigur,<br />

<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Schachtel der Jahre 1923 –1948.<br />

bewegt sich der Fuß und<br />

kickt den Ball. Das Schießen ist eine Wissenschaft für sich.<br />

Die Stärke des Drückens in Verbindung mit dem Abstand<br />

und der Winkelstellung des Fußes zum Ball sind die wichtigsten<br />

technischen Elemente. Der Schussfuß wird von den<br />

Profis mit einer Feile manchmal so bearbeitet, dass er den<br />

Ball bei geschickter Handhabung in Drehung versetzt.<br />

Den Torwart überlisten und trickreich Tore erzielen,<br />

darum geht es im <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> – ganz wie beim echten<br />

Fußballspiel.<br />

wie heute gespielt: Mit einer Blechfigur, deren Fuß sich auf<br />

K(n)opfdruck bewegen ließ, galt es, einen zweifarbigen<br />

Korkwürfel in ein Tor zu schießen. Wegen der geringen<br />

Masse des Blechspielers war das nicht einfach, deshalb<br />

ließ Edwin Mieg die Figuren aus Blei gießen.<br />

Auf dem Treppenabsatz vor dem Eingang zu den<br />

Leipziger Messehallen baute Mieg 1926 sein<br />

Spiel erstmals auf, ließ die interessierten<br />

Besucher <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> spielen und fand viele<br />

Käufer. Der Erfolg nahm seinen Lauf:<br />

1938 baute Edwin Mieg ein Werk in<br />

Zink-Spielfi gur aus<br />

dem Jahr 1956.<br />

Bis 1938 wurden die<br />

<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Figuren aus<br />

Blei gefertigt. Dadurch<br />

hatten sie mehr Masse<br />

als die Blechfi guren, die<br />

in den Anfangsjahren<br />

hergestellt wurden.<br />

1923, als der Exportkaufmann Edwin Mieg die indische<br />

Verkaufsniederlassung der Firma Junghans-Uhren<br />

übernehmen sollte, wurde die Grundlage für <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong><br />

gelegt. Junghans vergab die Stelle an einen anderen<br />

Bewerber, und Edwin Mieg wechselte von der Uhrenzur<br />

Spielwarenindustrie. Er machte die ebenso<br />

einfache wie geniale e<br />

Spielidee des Stuttgarter r<br />

Möbelfabrikanten<br />

Karl Mayer zu einem<br />

marktreifen Produkt und<br />

machte sich mit <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> bereits ein Jahr später<br />

selbstständig. Schon mit dem Prototyp wurde<br />

Auslieferung in den<br />

1950er Jahren.<br />

seiner Heimatstadt Schwenningen am Neckar. Die neuen <strong>Kick</strong>er aus<br />

Zink konnten nun in der eigenen Fabrik gegossen werden.<br />

Als Firmengründer Edwin Mieg 1948 verstarb, führten seine Söhne Peter<br />

und Hansjörg Mieg die Erfolgsgeschichte<br />

weiter. Im Weltmeisterschaftsjahr 1954<br />

kam es zu einer Innovation und zum<br />

großen Durchbruch: 180.000 Spiele<br />

wurden in diesem Jahr in Deutschland<br />

verkauft – und Peter Mieg entwikkelte<br />

den fallenden Torwart namens<br />

<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Schachtel der Jahre 1964–1968.<br />

Die 2. Generation: Peter Mieg präsentiert<br />

seine <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Kollektion.<br />

Fotos: © Edwin Mieg OHG<br />

Seite 38 ■ GoodTimes 1/2014


durch Betätigung der Knöpfe zu bedienen,<br />

besteht dann aber nicht mehr. 2011 kamen<br />

die ersten weiblichen <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Spielfiguren<br />

auf den Markt.<br />

Mit solchen<br />

Korkbällen wurde<br />

bis 1954 gespielt.<br />

Mit solchen Torhütern aus Blei<br />

wurde bis 1938 gespielt.<br />

„Toni". Bis heute kaum verändert, kann dieser auf Knopfdruck nach<br />

rechts oder links fallen. Sonst ist seither<br />

kaum etwas anders geworden.<br />

Mit dem Beginn der Fußball-Bundesliga<br />

1963 wurden die Mannschaften auch<br />

als <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Spieler produziert. Schon<br />

1967 wurde ein bis dahin unbe-<br />

kannter junger Fußballspieler lspieler auf<br />

Turnier in den 60er Jahren<br />

der Verpackung abgebildet: b Für<br />

1000 Mark Honorar erhielt die<br />

Firma Mieg die Rechte<br />

am Namen und an<br />

der Abbildung des<br />

Stürmers Gerd Müller.<br />

1978 wurden textile<br />

Netztore eingeführt und<br />

vier Jahre später der<br />

Star-Keeper – ein<br />

Torwart, der sich<br />

zusätzlich nach<br />

vorne hechten<br />

<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Figur<br />

heute<br />

kann –<br />

vorgestellt.<br />

Turnier in den 70er Jahren<br />

Rund um die klassische Ausstattung gibt es noch viel<br />

Zubehör: Zur korrekten Zeitmessung (ein <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-<br />

Torwart in den 60er Jahren. Spiel dauert in der Regel zweimal fünf Minuten) gibt<br />

es daher auch eine Uhr, mit der gleich der Spielstand<br />

festgehalten werden kann. Mit einer Flutlichtanlage<br />

kann abends gespielt werden,<br />

Masten mit jeweils sechs LED-<br />

Lichtern beleuchten dabei<br />

das Spielfeld. Es<br />

gibt natürlich auch<br />

passende<br />

T-Shirts,<br />

Verpackung 1970–1980 mit Gerd Müller in Aktion<br />

Tassen, Pins, Kappen<br />

Die heutigen Inhaber des Familienunternehmens,<br />

Mathias (l.) & Jochen<br />

Mieg (r.)<br />

<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Turnier in einer Sporthalle heute<br />

Blick in die heiligen Hallen<br />

der <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Fabrikation.<br />

Franz Beckenbauer gewann schon<br />

einmal 2:0 gegen Bobby Charlton.<br />

<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Bälle<br />

1954–1970<br />

Typischer Ball<br />

ab 1970<br />

Zweifarbige Bälle<br />

aus Plastik in ihrer<br />

heutigen Form.<br />

und Taschen, sogar<br />

ein <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Bärchen<br />

als Maskottchen von<br />

Steiff.<br />

„Wir spielen <strong>Tipp</strong>-<br />

<strong>Kick</strong>" ist der Titel<br />

einer Audio-CD, die<br />

von der Zeitschrift „11<br />

Freunde" empfohlen<br />

wird. Darauf sind 18<br />

Musikstücke versammelt,<br />

von den Toten<br />

Hosen über Blackmail bis zu den Mimmis.<br />

Natürlich drehen sich alle Musikstücke um<br />

das Thema <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> oder Fußball.<br />

Auch passende Lektüre zum Thema ist<br />

erschienen: Die Autoren Katrin Höfer und<br />

Peter Hesse von „Das große <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong><br />

Buch" haben viele Informationen zur<br />

Geschichte, Herstellung, zu Spielmaterial,<br />

Regeln und Klubs zusammengetragen.<br />

„Aus der Tiefe des Raumes" ist ein skurriler<br />

Kinofilm aus dem Jahr 2004, der<br />

auch auf DVD erhältlich ist. Der Inhalt<br />

Eine Besonderheit<br />

zeichnet <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> aus:<br />

Die „Bälle" sind nicht<br />

rund, sondern zwölfeckig<br />

und zur einen<br />

Hälfte schwarz und zur<br />

Campino von den Toten Hosen ist<br />

anderen Hälfte weiß bekennender <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Fan.<br />

gekennzeichnet. Sie<br />

wurden ursprünglich aus Kork hergestellt, sind heute aber aus Plastik.<br />

Die Spielfiguren sind aus Metall, handbemalt in den aktuellen<br />

Trikotfarben der beliebtesten Vereine und mit einem<br />

zusätzlichen Gewicht in der Standplatte versehen. Dazu gibt<br />

es einen spitzen Fuß für gefühlvolle Heber. Die echten „<strong>Tipp</strong>-<br />

<strong>Kick</strong>-Profis" haben neben dem Spielerfuß<br />

auch ihren Torwart umgearbeitet,<br />

so dass aus dem<br />

Bedienungskasten nur<br />

noch eine starre Stange<br />

herausragt, an der der<br />

Torwartkörper befes tigt<br />

ist. Die Möglichkeit,<br />

den Torwart<br />

Seit dem Jahr 2011 gibt es<br />

auch weibliche Spielfi guren.<br />

WM 2006: Angela Merkel<br />

prüft die Mechanik einer<br />

übergroßen Spielfi gur.<br />

in Kurzform: Hauptfigur ist ein Kfz-Lackierer, der das <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-<br />

Spiel perfekt beherrscht. Bei einem Turnier lernt er eine hübsche<br />

Zeitungsfotografin kennen. Die beiden verlieben sich, aber bei einem<br />

Rendezvous verwandelt sich seine <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Figur durch ein Bad in<br />

Fotochemikalien in einen richtigen Menschen, der nach und nach<br />

Gestalt und die Rolle des Fußballspielers Günter Netzer annimmt.<br />

Das ist typisch für <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>: Der Hauch der 70er Jahre umweht<br />

dieses <strong>kult</strong>ige<br />

Spiel!<br />

Die Aktuelle<br />

<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Edition zur WM<br />

in Brasilien 2014.


Der Weltverbesserer"<br />

"<br />

oder eine<br />

Empfehlung,<br />

Johannes<br />

Mario Simmel<br />

wieder zu<br />

lesen<br />

Von Peter Henning<br />

Als er im Jahr 2009 85-jährig in seinem Schweizer Domizil<br />

Zug verstarb, trat er als Auflagenmillionär ab: Johannes<br />

Mario Simmel, der Mann, der weltweit 75 Millionen<br />

Bücher verkaufte – und sich bis zuletzt mit grimmiger<br />

Entschlossenheit in der Rolle des Weltverbesserers sah;<br />

einer, der seinen Lesern Romane mit Titeln wie Liebe "<br />

ist nur ein Wort", Hurra, wir leben noch" oder Der<br />

" "<br />

Stoff, aus dem die Träume sind" schenkte, die ganze<br />

Lesergenerationen prägten. Und der nicht müde wurde,<br />

darin immer neu drohende Apokalypsen wie den Atomtod<br />

und die Umweltzerstörung wortreich zu beschwören.<br />

Simmels Bücher repräsentieren – als Gesamtwerk betrachtet – das<br />

weit gespannte Unheilspanorama eines passionierten Aufklärers<br />

und Schwarzsehers<br />

in der Maske<br />

des Schriftstellers, der<br />

die drohenden Gefahren<br />

der Gentechnik und des<br />

Computerwahns ebenso<br />

visionär thematisierte<br />

wie die gefahrvolle<br />

Korruption des Einzelnen<br />

durch Macht, Geld und<br />

politische Verirrung.<br />

Gleichzeitig aber waren<br />

seine Schnurren immer<br />

auch große Liebesromane,<br />

in welchen die Liebenden<br />

stets über dünnes Eis wandelten.<br />

Kurzum: Es waren<br />

Stoffe, die geradezu prädestiniert für die Kinoleinwand schienen.<br />

Zwischen 1958 und 1974 allen voran von Alfred Vohrer filmisch adaptiert,<br />

tummelte sich in den Verfilmungen das einstige Who is who der<br />

deutschen Schauspielkunst. Angefangen bei Doris Kunstmann, Senta<br />

Berger, Margot Werner und Hans Christian Blech bis hin zu Karin<br />

Dor, Herbert Fleischmann oder Horst Frank. Simmel-Verfilmungen<br />

waren Kassenschlager, gekonnt aufs große Publikum zugeschnittene<br />

Adaptionen seiner Romane. 22 Verfilmungen mehrten nicht nur Simmels<br />

Ruhm als Erzähler, sondern zementierten zugleich auch seinen Ruf des<br />

engagierten Moralisten, der sich in seinen Büchern bis<br />

zuletzt als zivilisationskritischer Skeptiker gerierte.<br />

Beschlich ihn auch am Ende seines Lebens das<br />

ungute, ja selbstzweiflerische Gefühl, womöglich<br />

„in Wasser geschrieben und in den Wind gesprochen"<br />

zu haben, weil ihm die Weihen des bürgerlichen<br />

Feuilletons trotz aller Anstrengungen bis zuletzt t<br />

versagt blieben, so ist ihm sein Platz im Olymp der<br />

gehobenen deutschen Unterhaltungsliteratur trotz<br />

allem nicht zu nehmen.<br />

Denn Simmel, der lange als Journalist, Filmkritiker für die Wiener<br />

Tageszeitung „Welt am Abend" und Drehbuchschreiber unterwegs<br />

war, ehe nach einer Novellensammlung<br />

1949 sein erster Roman „Mich wundert, dass<br />

ich so fröhlich bin"<br />

im Wiener Zsolnay<br />

Verlag erschien,<br />

traf mit all seinen<br />

Arbeiten jeweils<br />

den Nerv seiner<br />

Zeit. Und als 1960<br />

in dem Magazin<br />

„Quick" sein<br />

wahrhaft furioser<br />

Schelmenroman „Es<br />

muss nicht immer<br />

Kaviar sein" als<br />

Fortsetzungsroman erschien, ging der Stern<br />

des 1924 in Wien als Sohn eines jüdischen<br />

Chemikers und einer Schneiderin geborenen Autors hellstrahlend über<br />

Literatur-Deutschland auf. Kurz darauf erschien im Schweizer Druckund<br />

Verlagshaus<br />

die Buchausgabe<br />

des Romans – und<br />

Simmels einzigartige<br />

Erfolgsgeschichte<br />

begann.<br />

Denn der Mann,<br />

der<br />

nach<br />

dem<br />

Krieg<br />

zunächst<br />

als<br />

Dolmetscher<br />

und<br />

Übersetzer<br />

für die<br />

US-Regierung arbeitete, t ehe er für die „Quick" Reportagen aus<br />

Übersee schrieb, vollbrachte in seinem ebenso episodenmächtigen<br />

wie rasant vorangetriebenen Roman das Kunststück, filmisches<br />

Erzählen mit burleskem, wild wucherndem Anekdotenreichtum zu<br />

verschmelzen.<br />

Seite 40 ■ GoodTimes 1/2014


Im Zentrum des ruhelos zwischen den<br />

Schauplätzen hin- und herpendelnden<br />

Geschehens steht Thomas Lieven, ein<br />

ebenso ausgekochter wie abenteuerlustiger<br />

Filou, der, auf schöne Frauen und<br />

gutes Essen abonniert, schon mal auf<br />

engstem Raum und kleinster Flamme<br />

ein schmackhaftes Fünf-Gänge-Menü aus<br />

dem Hut zaubert, ehe er lustvoll ebenso<br />

glücksengelhaft wie James-Bond-gleich<br />

ganze Heerscharen von Geheimdiensten n<br />

gegeneinander ausspielt und an der<br />

Nase herumführt. Das Buch wurde ein riesiger<br />

Verkaufserfolg, und Simmel legte fleißig Buch<br />

um Buch nach.<br />

Es folgten nicht minder erfolgreiche Romane<br />

wie „Bis zur bitteren Neige" (1962), „Liebe<br />

ist nur ein Wort" (1963), „Lieb Vaterland<br />

magst ruhig sein" (1965) und „Alle Menschen<br />

werden Brüder" (1967). Und spätes tens mit<br />

Erscheinen des Romans „Und Jimmy ging zum<br />

Regenbogen" im Jahr 1970 fand sich Simmel<br />

auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Die klug<br />

gewählten Titel seiner Bücher avancierten zu geflügelten<br />

Worten – und wer seinerzeit mitreden wollte, wenn die<br />

Gespräche sich um Genmanipulation, den Kalten Krieg, atomare<br />

Bedrohung oder ums Waldsterben drehten, der kam an<br />

der Lektüre der Simmel-Romane nicht vorbei.<br />

Doch was war das<br />

Geheimnis von Simmels<br />

Bestsellern? Was hatten seine<br />

Bücher, das andere nicht hatten?<br />

Eine besondere literarische<br />

Qualität, eine spannende<br />

Geschichte, ein gutes Thema<br />

– oder einfach nur ein üppiges<br />

Marketingbudget? Auf den<br />

ersten Blick von allem etwas.<br />

Doch was Simmels Bücher<br />

seinerzeit aus der Masse<br />

erscheinender Romane heraushob,<br />

war ihr unanfechtbarer<br />

moralischer Anspruch. Simmel,<br />

lange vom Hochfeuilleton als<br />

Malte Thorsten, Judy Winter<br />

1971 in "<br />

Liebe ist nur ein Wort"<br />

„Bestseller-Mechaniker" und „Trivialautor" Ti i geschmäht, verpackte seine<br />

nicht selten massive Gesellschaftskritik geschickt in flotte, massenkompatible<br />

Plots, deren Grundlage<br />

jeweils ernsthafte journalistische<br />

Recherche war. Er agitierte, ohne<br />

aufdringlich zu sein, mahnte, ohne<br />

den platten Besserwisser zu geben.<br />

Dabei erwies sich der gebürtige<br />

Wiener nicht selten als ein literarischer<br />

Visionär, der gesellschaftliche<br />

Brennpunkte und Umbrüche früh<br />

erzählerisch vorwegnahm. So stieß<br />

der fröhliche Apokalyptiker mit der<br />

Präzision eines Schweizer Uhrwerks<br />

seine ziegelsteindicken Bücher hervor<br />

– mitreißende Schnurren mithin,<br />

die immer neue Kritiker auf den Plan<br />

riefen, die sich anschickten, das früh<br />

gefällte Urteil über Simmel als nicht Harald Leipnitz und Doris<br />

ernstzunehmenden Trivialautor neu Kunstmann 1973 in Alle "<br />

zu überdenken.<br />

Menschen werden Brüder"<br />

Doch selbst eine späte Verneigung des obersten Richters in literarischen<br />

Geschmacks- und Qualitätsfragen, Marcel Reich-Ranicki, der<br />

Simmel „einen fabelhaften Blick für Themen, Probleme,<br />

Motive" attestierte, führte am Ende nicht dazu, ihn vom<br />

Makel des bloßen „Unterhalters" zu befreien. Simmel<br />

selbst trug's mit Fassung – und schraubte weiter ungerührt<br />

an seinen literarischen, stets im wahren Leben<br />

wurzelnden Apokalypsen. Unverändert getrieben vom<br />

Ehrgeiz, die „Welt zu verbessern". In einem Interview<br />

im Jahr 2000 bemerkte er dazu: „Ich bin<br />

maßlos in meiner Empörung, und ich werde<br />

nicht aufhören, Unrecht anzuprangern.<br />

Und wenn ich könnte, würde ich sämtliche<br />

Ideologen abschaffen. Denn erst in den<br />

Händen von Ideologen wurden die großen<br />

Ideen zu mörderischen Werkzeugen." Sich<br />

selbst beschrieb Simmel als einen Menschen,<br />

der „ein paar gute Eigenschaften hat, allem<br />

voran ein Gefühl für Unrecht. Und wenn es<br />

einen Stärkeren gibt, bin ich auf der Seite des<br />

Schwächeren."<br />

Diese Haltung gab er bis zu seinem Tod im Jahr 2009<br />

nicht auf. Warum auch? Man hatte ihn jahrzehntelang<br />

geschmäht und ihm die zweifellos vorhandenen<br />

literarischen Qualitäten abgesprochen. Am Ende aber, alt<br />

geworden und von milder Resignation erfasst, nachdem<br />

seine Frau Lulu, die große Liebe seines Lebens, gestorben<br />

war, konnte er derlei Anwürfe lässig mit den Worten, „ich<br />

war früher arm und musste alles schreiben, jetzt aber kann<br />

ich sagen: Leckt mich am Arsch" kontern. Und wer heute<br />

nach einem Roman wie „Es muss nicht immer Kaviar sein"<br />

greift und sich ernsthaft darauf einlässt, der wird sein<br />

hellblaues literarisches Wunder erleben, denn dieser<br />

Roman ist nicht nur ziemlich gut recherchiert und<br />

noch besser geschrieben, sondern darüber hinaus<br />

ein schlagender Beweis dafür, dass sich erkennbare<br />

literarische Qualität und der Furor eines geborenen<br />

Unterhalters keineswegs<br />

gegenseitig<br />

ausschließen müssen.<br />

Denn das ist<br />

das wahre Simmel-<br />

Wunder: in seinen<br />

Büchern Figuren zu<br />

begegnen, die trotz<br />

drohender und am<br />

Ende vielleicht alles<br />

vernichtender Katastrophen nicht<br />

gewillt sind, ihren einmal begonnenen<br />

Kampf für<br />

eine bessere Welt<br />

einzustellen. Dieses<br />

furchtlose, heldenhafte<br />

„Dennoch", das seine Bücher auch heute,<br />

Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen, lesenswert macht:<br />

Romane, die oszillieren zwischen Stern und Spinoza,<br />

zwischen Boulevard und Bloch. Denn wie sagte er<br />

doch noch kurz vor Ende seines Lebens mit Blick<br />

auf sein Lebenswerk: „Ich habe nie Stil-Experimente<br />

gemacht, und ich kann einfach keine Bücher lesen,<br />

die auf Stil aufgebaut sind. Meine Romane sind das,<br />

was Norman Mailer einmal Faction nannte."<br />

So schrieb er bis zuletzt an gegen<br />

Hoffnungslosigkeit, die er für „das Unhaltbarste,<br />

das ganz und gar den menschlichen Bedürfnissen<br />

Zuwiderlaufende" hielt; der Mann mit den viel zu<br />

großen Brillen, durch die er schon damals mehr sah<br />

und wahrnahm, h als die meisten seiner Zunft es heute tun. Wir bräuchten<br />

einen wie ihn. Einen solchen Unbeirrbaren. Gerade jetzt. Deshalb<br />

werden seine Bücher weiter gelesen werden. Stil hin oder her.<br />

Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 41


Captain Future<br />

1980 noch<br />

ein Fall für<br />

die Zensur<br />

Wenn<br />

auf den einschlägig bekannten Internet plattformen<br />

für eine Box mit vier DVDs regelmäßig Sammlerpreise von<br />

über 100 Euro bezahlt werden, dann ist es in einer Zeit der<br />

ständig weiter verfallenden DVD-Preise durchaus erstaunlich.<br />

Die beiden<br />

Boxen mit allen Ausgaben der Science-Fiction-<br />

Zeichentrickserie „Captain Future“ sind allerdings nicht bil-<br />

liger zu haben. Was ist an dieser Serie so besonders, dass<br />

viele Sammler beim Kauf kaum aufs Geld schauen?<br />

Captain Future<br />

Von Jörg Trüdinger<br />

Als am 27. September 1980 im ZDF<br />

die erste Folge von „Captain Future" im deutschen<br />

Fernsehen ausgestrahlt wurde, hatte man die ursprünglich<br />

für jugendliche Fernsehzuschauer konzipierte Serie ins deutsche<br />

Kinderprogramm verbannt und die japanische Originalfassung<br />

stark zerstückelt. Die vorliegende Bearbeitung war nach Ansicht<br />

der Programmgestalter des ZDF passend für Kinder, auch wenn<br />

man damit bewusst Brüche in den Geschichten hinnahm. Vor<br />

allem Szenen, die dem ZDF entweder zu gewalttätig oder zu<br />

langatmig erschienen, hatte man einfach herausgeschnitten.<br />

Trotz der umfangreichen Bearbeitungen blieb die<br />

Serie vor 32 Jahren umstritten, und es gab<br />

nicht wenige Sittenwächter, die sie gerne e<br />

aus dem Kinderprogramm verbannt hätten.<br />

Wenn man die Serie heute anschaut<br />

und mit dem aktuellen Kinderprogramm<br />

vergleicht, erscheint einem die damalige<br />

Diskussion geradezu als lächerlich.<br />

Für die meisten Leser bildet sich bei dem Begriff<br />

„Captain Future" im Kopf sicher gleich das<br />

Bild eines braunhaarigen, athletischen<br />

Zeichentrickhelden der Fernsehserie der späten<br />

70er Jahre. Dass „Captain Future" ursprünglich<br />

Cosmoliner (Japan)<br />

eine amerikanische Romanheftserie<br />

war, die der Autor Edmond Hamilton<br />

1940 erschuf, ist sicher nur wenigen<br />

bekannt. Als Edmond Hamilton<br />

1940 seine Romane schrieb, tobte<br />

in Europa längst der Zweite Weltkrieg, und in<br />

Amerika gab es große Diskussionen, ob man in<br />

den Krieg eintreten sollte, um die alliierten<br />

Streitkräfte im Kampf gegen Deutschland<br />

und seine Verbündeten zu unterstützen.<br />

Das war genau die Zeit, in der die Leserer<br />

nach Superhelden verlangten, n, nach<br />

Menschen, die sich vorbehaltlos dem<br />

Kampf gegen das Verbrechen widmeten und<br />

die stets moralisch einwandfrei handelten. en.<br />

Der auf dem Mond geborene Curtis<br />

Newton, der später zu Captain Future<br />

wurde, war ein solcher Prototyp<br />

des nahezu perfekten Menschen.<br />

Als Waisenkind aufgewachsen – seine<br />

Seite 42 ■ GoodTimes 1/2014


Eltern wurden vom Kriminellen Victor Corvo ermordet<br />

–, widmete er sich als junger Erwachsener r dem<br />

Kampf gegen das Verbrechen. Bei diesem<br />

Kampf halfen ihm der Wissenschaftler<br />

Professor Simon Wright, dessen Gehirn<br />

in einem durchsichtigen Glasbehälter<br />

aufbewahrt wurde, der von seinen<br />

Eltern erschaffene Roboter Grag und<br />

der ebenfalls von seinen Eltern entwickelte<br />

Androide Otho. Weitere wichtige<br />

Personen sind Joan Randall und Ezra Gurney,<br />

beide Mitarbeiter der Planetaren Polizei, und<br />

Ul<br />

Comet (Japan)<br />

Quorn, in der deutschen Fassung Vul Kuolun, der Sohn<br />

Victor Corvos und Gegenspieler von Captain Future. ure.<br />

Nach Veröffentlichung der Romane dauerte es über<br />

40 Jahre, bis sich das japanische Trickfilmstudio<br />

Toei Doga der Serie annahm und auf Grundlage<br />

von 13 Geschichten der 40er Jahre eine aus 52<br />

Teilen bestehende Trickfilmserie produzierte. Die<br />

Erstausstrahlung in Japan startete am 7. November<br />

1978 und endete im Dezember 1979. In Japan an<br />

lief die Sendung im Vorabendprogramm und<br />

nicht wie in Deutschland im nachmittäglichen<br />

Kinderprogramm. Bis zur Ausstrahlung<br />

im Fernsehen war die Serie „Captain Future"<br />

hier zu Lande nur absolut eingefleischten<br />

Science-Fiction-Fans bekannt, was sich aber<br />

sehr schnell änderte.<br />

All diese Rahmendaten können allerdings nicht<br />

erklären, warum „Captain Future" zu solch<br />

einer Kultserie wurde. Vor allem stellt sich die<br />

Frage, warum die Serie gerade e in<br />

Deutschland so erfolgreich war und<br />

nach wie vor unzählige Fans hat?<br />

Wie<br />

immer gibt es sicher verschiedene<br />

Antworten, ein Grund für<br />

Grag<br />

den großen Erfolg ist ganz<br />

und<br />

sicher die von Christian<br />

Yiek<br />

Bruhn speziell für die<br />

deutsche Fassung komponierte<br />

Musik. Dieser Soundtrack ist<br />

absolut zeitlos, und man kann ihn bis<br />

heute anhören. Ein weiterer Grund ist,<br />

dass mit „Captain Future" erstmals<br />

im Nachmittagsprogramm eine Serie<br />

für Jugendliche lief, sie unterschied<br />

sich doch stark von den anderen en<br />

Serien zu dieser Sendezeit wie<br />

„Sindbad", „Wickie" oder „Biene<br />

Maja". Kein Wunder, dass sie vor<br />

allem bei den meist männlichen n<br />

Zuschauern einen absolut blei-<br />

benden Eindruck hinterließ. Da die<br />

Zuschauer weder das Original kannten<br />

noch wussten, was herausgekürzt<br />

war, spielte die Verstümmelung melung<br />

Otto<br />

keine Rolle. Auch die verschiedenen edenenn<br />

weiteren Charaktere der Serie waren gut gewählt<br />

und boten für jeden Zuschauer etwas. Das reichte<br />

vom lustigen Androiden bis zur hinreißend<br />

aussehenden Polizistin. Abweichend end<br />

von der Romanserie wurden für die<br />

Zeichentrickfilme verschiedene weitere ere<br />

Figuren eingeführt oder ihre Funktion<br />

verändert. Auf Seiten von Captain<br />

Future stehen dabei wie im Original<br />

Ken<br />

Simon Wright und Roboter Grag, mit<br />

neuem Namen versehen wurden Android Otto sowie die<br />

Polizistin Joan Landor und ihr alter und<br />

langgedienter Kollege Eszella Garnie. Viele<br />

Leser erinnern sich auch sicher noch an den Mondhund<br />

Yiek und das Weltraum-Chamäleon Oak. Diese beiden wur-<br />

den für die Fernsehserie ganz neu<br />

eingeführt.<br />

Das Phänomen „Captain Future"<br />

fand in den frühen 80er Jahren<br />

allerdings<br />

nicht<br />

nur im Nachmittagsprogramm<br />

des Fernsehens statt,<br />

es war vielmehr ein geradezu allumfassender<br />

medialer Rundumschlag, der den<br />

Kindern und jungen Erwachsenen geboten<br />

wurde. Für die etwas älteren Fans war die<br />

Taschenbuch-Reihe gedacht, die zwischen<br />

1981 und 1984 im Bastei-Verlag erschien, lei-<br />

der wurden damals nur 15 der ursprünglich 17<br />

Originalromane veröffentlicht, ein Versäumnis,<br />

das der Golkonda-Verlag zwischenzeitlich<br />

behoben hat.<br />

Wesentlich erfolgreicher als die Taschenbücher er<br />

waren allerdings die Comics. Ebenfalls<br />

der Bastei-Verlag veröffentlichte zwischen<br />

1980 und 1983 insgesamt 80<br />

Hefte der Eigenproduktion „Captain<br />

Future". Heute, rund 30 Jahre nach der<br />

Erstveröffentlichung, sind vor allem die frühen<br />

Nummern in sehr guter Erhaltung hochgehan-<br />

delte Sammlerstücke. Weniger bekannt ist, dass s<br />

bei Bastei auch 18 „Captain Future"-Comic--<br />

Taschenbücher erschienen. Leider legte man<br />

bei Bastei damals wenig Wert auf Qualität und<br />

produzierte nur möglichst schnell und billig,<br />

was zur Folge hatte, dass die Comics in keiner Weise<br />

an die Qualität der Fernsehserie heranreichten und sich<br />

schon bald nach Auslaufen der Serie im Fernsehen<br />

Absatzschwierigkeiten einstellten. Darum ist es umso<br />

erstaunlicher, dass 80 Hefte produziert wurden. Es<br />

gab aber noch eine ganze Anzahl weiterer, die Serie<br />

begleitender Merchandising-Artikel. Bei ASS erschienen enen<br />

ein „Captain Future"-Brettspiel und ein Quartett. tt. Der<br />

für seine Sammelbilder bekannte Panini-Verlag hatte<br />

ein Klebebilderalbum im Angebot. Von Sammlern<br />

ganz besonders gesucht sind die Hörspiele, welche<br />

Polydor 1980 und 1981 veröffentlichte. Es gibt sie als<br />

Hörspielkassette und als Langspielplatte.<br />

Am begehrtesten auf dem Sammlermarkt dürf-<br />

ten heute jedoch die verschiedenen Spielsachen<br />

sein, die begleitend zur Serie produziert wurden. Die<br />

Hauptakteure gab es einerseits als Hartgummifiguren<br />

mit eingeschränkter Beweglichkeit. Und da es<br />

kein passendes Raumschiff gab, kann auch der<br />

Spielwert nur als sehr begrenzt bezeichnet werden.<br />

Ganz anders sieht es dagegen bei den beweg-eglichen<br />

Spielfiguren von Popy aus, die zwar spar-<br />

sam bemalt waren, aber zusammen mit dem äußerst<br />

gelungenen Modell des<br />

Raumschiffs Cosmoliner für<br />

stundenlangen Spielspaß<br />

sorgten. Aus Hongkong-ong-<br />

noch<br />

Produktion gab es weitere „Captain Future"-ure"-<br />

Figuren, die deutlich besser<br />

als die Spielzeuge von Popy<br />

gestaltet waren.<br />

Joan<br />

Randall<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 43


Ein Westmann wird 50<br />

Das erste Mal, dass<br />

die Leser einen Blick auf<br />

ihn werfen konnten, war am 31.<br />

Oktober 1963, im untersten Panel der<br />

Seite eins: Frech und siegesgewiss grinste<br />

er aus dem Bild. Das war Blueberrys erste<br />

Nahaufnahme", übersetzt man die Filmsprache<br />

"<br />

in die Bildsprache der Comics. Unser neuer<br />

Held hat seinen ersten Auftritt am Spieltisch<br />

(wie übrigens im Kino kurz davor auch James<br />

Bond). Augenblick, Gentlemen", spricht er<br />

"<br />

via Sprechblase, ich muss euch leider<br />

"<br />

enttäuschen." Und hält triumphierend<br />

seine Pokerhand hoch:<br />

einen Flush.<br />

Unnötig zu erwähnen, dass das bisher friedliche Pokerspiel dadurch<br />

in die typische Saloon-Schlägerei<br />

ausartet. Und schon auf Seite<br />

zwei übersteht dieser Blueberry seine<br />

erste Schießerei, seiner Schnelligkeit mit<br />

dem Sechsschüsser sei gedankt. Gedruckt<br />

war dieses erste Abenteuer „Fort Navajo"<br />

als Fortsetzungscomic im französischen<br />

Magazin „Pilote", das schon<br />

Geburtshelfer für Figuren wie „Asterix"<br />

und „Gaston" war. Nun feiert „Leutnant t<br />

Blueberry" seinen 50. Geburtstag. Bei<br />

seinem gefährlichen Lebensstil hätte man<br />

ihm das nicht zugetraut. Seine Eltern,<br />

Zeichner Jean Giraud (1938–2012) und<br />

Texter Jean-Michel Charlier (1924–1989) hat er bereits<br />

überlebt. Doch das Raubein reitet immer noch.<br />

Eine Familie von Comic-Göttern<br />

René Goscinny, Texter von „Lucky Luke" und „Asterix",<br />

und Jean-Michel Charlier, bereits durch die Piloten-Serie<br />

„Buck Danny" (siehe auch Story in <strong>kult</strong> Nr. 8) zu Ruhm<br />

gekommen, hatten „Pilote" 1959 gegründet und waren<br />

sich einig: Ihr Magazin könnte einen harten Western vertragen.<br />

Sie wandten sich an einen alten Weggefährten, den<br />

großen Comic-Maestro Joseph Gillain, Jijé genannt (1914–<br />

1980). Der galt mit seinem Westernhelden „Jerry Spring"<br />

als Wegbereiter er<br />

der franko-belgischen Westerntradition.<br />

Vor Jerry Spring hatte es im europäischen Comic keine halbwegs realistische<br />

Annäherung an das Genre gegeben. Doch<br />

der chronisch überbeschäftigte Jijé lehnte ab.<br />

Allerdings kam es nur dank seiner Vermittlung<br />

überhaupt zum Dreamteam der Blueberry-<br />

Kreatoren. Jijé verwies Charlier nämlich an<br />

seinen Assistenten: Jean Giraud, der seine<br />

Zeichnungen mit „Gir" signierte. Nun war dieser<br />

Gir noch ein im wahrsten Sinne unbeschriebenes<br />

Blatt. Doch „Blueberry" zu zeichnen, war<br />

für ihn das Ticket zum Weltruhm. Auch unter<br />

dem Pseudonym „Moebius" sollte Gir zum<br />

stilbildenden französischen Comic-Zeichner per<br />

se werden.<br />

Blueberry: ein Antikonformist<br />

Früh stand fest, dieser Blueberry sollte ein raubeiniger,<br />

grobschlächtiger Charakter sein, ein Anti-Held eigentlich,<br />

der sich jeder Autorität verweigert, der es auch im<br />

Gegensatz zum stereotypen Helden nie darauf anlegt,<br />

Gerechtigkeit herzustellen, sondern der sich vor allem um<br />

seine eigenen Angelegenheiten kümmert. Ungekämmt,<br />

unrasiert, ständig pleite, mit breitgeschlagener Nase,<br />

und zum Ärger aller im Fort schlecht Trompete blasend.<br />

Ein Antikonformist und Zyniker, wie ihn die Comic-<br />

Szene zumindest im Western noch nicht erlebt hatte.<br />

Als Blueberry die deutschen Kioske erreichte, ritten da<br />

noch immer die herausgeputzten Westernhelden des<br />

Seite 44 ■ GoodTimes 1/2014


Bastei-Verlags. Wäre man je auf die Idee gekommen,<br />

den braven Andy Cayoon mit der blonden Haartolle aus<br />

„Bessy" gegen Blueberry antreten zu lassen, es wäre<br />

bestimmt unschön für den netten Andy ausgegangen.<br />

Wanderer zwischen den Zeiten<br />

Seine Väter einigten sich auf den Namen Blueberry und<br />

nahmen sich das Aussehen Belmondos zum Vorbild,<br />

„der damals für die Jungs<br />

in meinem Alter eine<br />

Art Symbol war", erinnerte<br />

sich Giraud, und<br />

Blueberry sollte dieselbe<br />

Leck-mich-Haltung<br />

an<br />

den Tag legen. Die zweidimensionale<br />

Comic-Figur spiegelte<br />

den Zeitgeist. Tobte in der<br />

realen Welt der Vietnamkrieg,<br />

sah Blueberry sich im Westen<br />

von den vorgesetzten Militärs<br />

verraten. Als Leutnant war<br />

er für seine Vorgesetzten im<br />

Fort Navajo ohnehin hi<br />

nur tragbar, weil er als einziger mit<br />

den Rothäuten konnte. Oft genug hat man seine Nähe<br />

zu den Ureinwohnern ausgenutzt, einen Friedensvertrag<br />

einzufädeln, den die Säbelrassler dann prompt brachen.<br />

Charlier schlug sich verhältnismäßig früh auf die Seite<br />

des Spätwestern, als historische Figuren wie<br />

General Custer oder Wyatt Earp schon nicht mehr<br />

zu Legenden verklärt, sondern als fehlerhafte<br />

Menschen enttarnt wurden.<br />

Die Evolution eines Stils<br />

Gir gelangte mit Blueberry zur zeichnerischen n<br />

Reife. Präzise Strichführung, die dennoch locker,<br />

nie verkrampft wirkt, zeichnete Giraud aus. Mit der<br />

Zeit wurden seine Pinsel sensibler, die Panoramen n<br />

kraftvoller, die Prügeleien härter. Der experimentierfreudige<br />

Giraud gestattete eine zunehmend<br />

expressionistischere Kolorierung, immer öfter fand<br />

Blueberry sich in einem wahren Farbenrausch<br />

wieder.<br />

Der frühere Lehrling von Jijé überflügelte bald den<br />

Meister. Jijé war sich nicht zu schade, das einzugestehen:<br />

„Einmal musste ich für Giraud einspringen,<br />

während er verreist war. Ich lieferte 20 Blueberry-Seiten<br />

und muss gestehen, dass ich dabei eine Menge gelernt<br />

habe." Gleichzeitig dachte sich Szenarist Charlier immer<br />

verschachteltere Plots aus, nicht mehr in einem Album<br />

abgeschlossen, sondern ganze Zyklen über mehrere<br />

Nummern einnehmend. Literarischer Anspruch wurde<br />

erhoben, Charlier zog seine Sprechtexte über ganze<br />

Panels. Blueberrys Welt wurde zunehmend komplexer.<br />

Ihm stellten sie Aufgaben, die selbst er nicht mehr einfach<br />

mit einem Schuss aus der Hüfte lösen konnte.<br />

Charlier: „Der Comic ist von seinen Stilmitteln und<br />

dem Seriencharter her ein Unterhaltungsroman."<br />

Wie im Western-Kintopp<br />

Blueberry stand dem Kino stets nahe. Die ersten<br />

Abenteuer des Kavalleristen lehnten sich stark an die<br />

Kavallerie-Trilogie von John Ford an, der Band „Der<br />

Sheriff" leiht sich die Handlung von „Rio Bravo".<br />

Charlier/Giraud sprachen eine filmische Sprache,<br />

etwa mit „Regietricks" wie der Stimme aus dem<br />

„Nichts", aus dem „Off", die jemanden erschreckt, bis<br />

erst im nächsten Bild (also nach einem „Filmschnitt")<br />

aufgeklärt wird, um wen es sich da handelt. Auch<br />

dem klassischen Cliffhanger blieben sie verpflichtet, indem das letzte<br />

t<br />

Bild der rechten Seite die Spannung auf die Höhe treibt,<br />

bevor umgeblättert wird. Tatsächlich wirkten Blueberrys<br />

Taten stets so filmisch, dass man sich wundern kann,<br />

warum erst 2004 eine Filmadaption in Angriff genommen<br />

wurde, ein französischer<br />

Western, gedreht<br />

in Spanien und glücklicherweise<br />

schnell in<br />

Vergessenheit geraten.<br />

Vincent Cassel mimte<br />

den Blueberry. Man<br />

hätte sich den frühen<br />

Belmondo gewünscht.<br />

Blueberry<br />

hat<br />

nicht nur diese<br />

unglückliche Verfilmung<br />

überlebt,<br />

sondern auch die Untiefen des Verlagswesens.<br />

Mehrmals war „Leutnant Blueberry" Gegenstand<br />

von Gerichtsverhandlungen. Auch in Deutschland<br />

wurde die Serie durch verschiedene Verlage gereicht.<br />

Sein deutsches Debüt feierte der Leutnant mit<br />

der schlechten Moral 1968 im „MV-Comix". Dann<br />

führte „Zack" die Serie ab 1972 fort. Erstmals brach-<br />

te<br />

dann der Koralle-Verlag die Albenreihe heraus,<br />

beginnend 1978 mit „Der Einsame Adler". Wobei die<br />

Leser jedoch nicht beim ersten Abenteuer einsteigen<br />

konnten, sondern mitten in einem Zyklus, der sich über mehrere<br />

Bände hinzog. Um das Chaos perfekt zu machen, führte<br />

der Delta Verlag ein Jahr darauf die Serie fort, indem er eine<br />

neue Reihe unter dem Namen „Edelwestern" lancierte. All diese<br />

Nummerierungen wirkten eher, als ob Blueberry seine Spuren<br />

verwischen wollte. Erst seit 1989 bringt der Ehapa-Verlag<br />

Ordnung ins Universum, indem er die Reihe in der Werkedition<br />

„Die Blueberry Chroniken" herausgibt.<br />

Waisenkind mit neuen Eltern<br />

Als Charlier 1989 überraschend in die ewigen Jagdgründe<br />

abberufen wurde, war der nächste Band „Arizona Love" erst<br />

bis Seite 22 gediehen. Zeichner Gir musste selbst in die Tasten<br />

greifen, um es zu Ende zu bringen, allerdings nicht ohne<br />

sich mit den Erben Charliers einen juristischen Showdown<br />

zu liefern. Nun ist 2012 auch der große Giraud von<br />

der Bühne abgetreten. Andere erstklassige Zeichner wie<br />

Colin Wilson, William<br />

Vance und Michel Blanc<br />

Dumont führen die Serie<br />

weiter, haben dazu teilweise<br />

sogar ihre eigenen<br />

Comic-Figuren<br />

aufgegeben, um an<br />

Blueberrys Legende weiterzustricken.<br />

Es wartet<br />

Band 50 auf seine<br />

Veröffentlichung. Doch<br />

noch etwas hebt Charlier/<br />

Giraud von anderen Comic-<br />

Eltern ab: Wo Tim und<br />

Struppi alterslos bleiben und Gaston nie einen Tag älter wird,<br />

da weist Blueberry, schließlich im Jahre 1888 am historischen<br />

O.K. Corral angekommen, nicht nur graue Schläfen auf, sondern<br />

auch mannigfaltige Verschleißerscheinungen. Doch auch<br />

als gealterter Mann ist er kein Deut weniger zynisch. Noch<br />

immer versucht er vergeblich, sich jeglichem Ärger fernzuhalten,<br />

keinesfalls freiwillig einzuschreiten. Bis er schließlich dem<br />

Genre-Gesetz folgend und aufs Neue losziehen muss, einmal<br />

mehr das Böse zu besiegen. Seine Anhänger, selbst in die<br />

Jahre gekommen, danken es ihm.<br />

Roland Schäfli<br />

Abb.: © Dargaud by Charlier, Giraud<br />

A<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 45<br />

<strong>kult</strong>_S_44_45_Blueberry.indd 45 08.10.13 11:16


Salmei, Dalmei,<br />

Adomei<br />

Glühbirnen sind kleine Flaschen, die das<br />

Sonnenlicht mit dem „Elektriktrick" einfangen,<br />

und bei einem Telefon handelt es sich um<br />

einen „sprechenden Zauberknochen". Diese<br />

und viele andere Erklärungen verwirrender<br />

Dinge sind es, die die „Catweazle"-<br />

Serie Anfang der 70er Jahre Kultstatus<br />

erlangen ließen.<br />

Von Oliver Schuh<br />

Bayldon entwickelte mit Hilfe seines rauen Yorkshire-Dialektes eine<br />

ganz eigene Interpretation der alten englischen Sprache. Die Reaktion<br />

darauf in England war formidabel. Etwas unglücklich an der deutschen<br />

Synchronisation ist sicher die leichte, vermutlich gedankenlose Anlehnung<br />

an einen schnauzbärtigen Teufel der deutschen Geschichte. Das Beispiel<br />

eines Catweazle-Zitates: „Morrgen frrüh, da will ich neue Hexenkunst<br />

errlerrnen."<br />

Auch im wahren Leben war der Schauspieler ein absoluter Technikfeind.<br />

Später einmal auf CDs, Computer und Mobiltelefone angesprochen, entgegnete<br />

er, dass er deren Funktionsweise überhaupt nicht verstehe und es<br />

wie Catweazle vorziehe, in das 11. Jahrhundert zurückzukehren und sich<br />

den Normannen zu stellen. Diesen Gegner hätte er nach eigener Aussage<br />

leichter bezwingen können.<br />

Geoffrey Bayldon, 1928 geboren und bei Entstehung dieser Zeilen<br />

immer noch gut zu Fuß, ist und war ein Bühnenschauspieler par<br />

excellence. Doch wer genau hinsieht, erkennt ihn zudem in diversen<br />

TV- und Kino-Produktionen. Er wirkte mit bei „Mit Schirm, Charme und<br />

Melone", „Geheimauftrag für John Drake" („Danger Man") sowie „Simon<br />

Durch den Zauberspruch „Salmei, Dalmei, Adomei" wird ein schrulliger,<br />

verwahrloster und zerzauster angelsächsischer Zauberer auf der<br />

Flucht vor den ins Land einfallenden Normannen aus dem Jahr 1066 in<br />

das England des Jahres 1970 katapultiert. Hier lernt er den Farmersohn<br />

Harold Bennet kennen, der ihm hilft, die Tücken der Technik in der<br />

modernen Welt zu ver- und zu überstehen. „Heule nicht auf, du magischer<br />

Kriegswagen", ist das erste, was der Zauberer zu einem Traktor sagt.<br />

Und als Harold das Licht im Schuppen anmacht, sinkt Catweazle vor ihm<br />

auf die Knie und spricht in den Staub: „Meister der magischen Kräfte,<br />

lass mich dir dienen."<br />

13 Folgen lang begeisterte die erste Staffel Zuschauer in diversen<br />

Ländern und verlangte umgehend nach einer Fortsetzung. Die London<br />

Weekend Television ließ sich nicht lange bitten und Catweazle einen<br />

weiteren Zeitsprung machen, dieses Mal auf den Landsitz der kurz vor der<br />

Pleite stehenden Adelsfamilie Collingford und ihres Sohnes Lord Cedric,<br />

der gerade seine Internatsferien in dieser langweiligen Umgebung antritt.<br />

Zusammen mit dem zwölfjährigen „Eulengesicht" (Cedric sieht aus wie<br />

ein vorweggenommener Harry Potter) findet Catweazle einen verborge-<br />

nen Schatz, der den Fortbestand des Schlosses se<br />

s sichert. Dabei macht er<br />

unangenehme Erfahrungen mit Wasserhähnen, Fernsehern, Zahnpasta<br />

etc. Das Chaos ist programmiert.<br />

Der sich ständig wiederholende Kulturschock, dem der stets neugierige<br />

und staunende Catweazle – begleitet von seiner Kröte Kylwalda<br />

–<br />

immer wieder ausgesetzt ist, machte den unerwarteten Erfolg dieser<br />

Serie aus. Drehbuchautor Richard Carpenter schrieb dem an sich klassischen<br />

Theaterschauspieler Geoffrey Bayldon diese begnadete Rolle auf<br />

den Leib. Beide kannten sich von der Bristol Old Vic Theatre School,<br />

1947 gegründet von Sir Laurence Olivier, der Bayldon frühzeitig mit<br />

dem Shakespeare-Virus angesteckt hatte. Aber als dieser das Angebot<br />

von Carpenter erhielt, ließ er in 26 Folgen regelrecht die Sau raus.<br />

Templar", und in der<br />

grandiosen 1967er „James Bond"-Parodie o „Casino<br />

Royale" spielte er den Waffenmeister. Bei Interesse sollte man auch noch<br />

mal bei „Born To Boogie" reinschauen: Regisseur<br />

Ringo Starr hat Bayldon hier als Kellner besetzt. Marc<br />

Bolan und die Beatles waren nämlich Catweazle-Fans.<br />

Bayldon erinnert sich gerne an einen gemeinsamen<br />

Auftritt mit dem „äußerst sympathischen und<br />

zuvorkommenden Mr. Bolan. Wir saßen in dieser<br />

Limousine auf weißen Ledersitzen, und als wir ausstiegen,<br />

kreischten alle möglichen Fans, und Bolan rief:<br />

‚Ja, ja, Leute, ich bin es, Marc Bolan, aber das hier ist<br />

Catweazle!’"<br />

Geoffrey ey Bayldon<br />

Seite 46 ■ GoodTimes 1/2014<br />

<strong>kult</strong>_S_46_Catweazle.indd 46 07.10.13 10:06


<strong>kult</strong>!


<strong>kult</strong>!<br />

The Who<br />

© Pressefoto Polydor/Terry O‘Neil


Von Andreas Kötter<br />

Es war zu einer Zeit, als Wellness noch nicht erfunden<br />

war. Sogenannte Wohlfühl-Getränke, bei denen<br />

Geschmacksrichtungen wie Weißtee und Birne längst<br />

zur Normalität gehören und die in immer wilderen<br />

Mixturen wie Black Tea, Ginseng, Peach, Acai in den<br />

Regalen der Supermärkte auftauchen, existierten damals<br />

noch nicht einmal in der Fantasie der Marketing-<br />

Strategen. Kurzum: Es war die Zeit, als Sunkist" " (nicht nur) für alle kleinen Indianer der ganz<br />

große Durstlöscher war.<br />

Sunkist" war ein eigenartiger Name. Gedanken, n, was es damit<br />

„ wohl auf sich haben könnte, machte ich mir gegen e Ende<br />

der 60er Jahre aber nicht. Erst viele Jahre später sollte<br />

ich erfahren, dass „Sunkist" eine Verkürzung von „Sun-<br />

Kissed" darstellte, was soviel heißt wie „von der Sonne<br />

geküsst". Und von einer höheren Macht auserwählt<br />

schienen mir die Orangen damals wirklich, die<br />

schnöden Apfelsinensaft wie von Zauberhand<br />

in das köstliche „Sunkist" verwandelten.<br />

Tatsächlich aber war die Sache weit weniger geheimnisvoll. Bereits<br />

Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich in Kalifornien und Arizona<br />

Zitrus-Farmer zu einer Erzeugergemeinschaft zusammengeschlossen,<br />

um bessere Preise erzielen zu können. Später begann man, selbst Säfte<br />

zu produzieren, und schließlich gelangte die „Sunkist"-Lizenz auch<br />

nach Deutschland, wo die Hamburger Rickertsen Getränke Vertrieb<br />

Gmbh & Co. KG alsbald ihr eigenes Fruchtsüppchen kochte.<br />

Das alles aber konnte ich damals natürlich noch nicht wissen.<br />

Und wahrscheinlich hätte es mich auch gar nicht interessiert. Denn<br />

das, was ich zu wissen glaubte, reichte mir völlig aus. War mir dieses<br />

fruchtig-süße Orangen-Saftgetränk in der eigenwilligen, pyramidenförmigen<br />

Verpackung doch weit mehr als nur ein köstlicher Durstlöscher.<br />

„Sunkist" war für mich beinahe schon ein Versprechen. Ein Versprechen<br />

darauf, dass im Leben alles möglich sein müsste, wenn doch schon in<br />

einer solch kleinen Papppackung so viel pralle Exotik stecken konnte.<br />

Und im Gegensatz zu den zuckerwässrigen Limonaden der Zeit war<br />

„Sunkist" auch den Müttern der ideale Nektar für ihren Nachwuchs.<br />

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass kein Kurzausflug in<br />

den Zoo oder ins Phantasialand und schon gar keine längere<br />

Bahnreise ohne zwei, drei „Sunkist" im Gepäck angetreten n<br />

wurde.<br />

Als mit Zitrone und Kirsch schon bald<br />

zwei weitere<br />

Geschmacksrichtungen folgten und<br />

so auch für frisch-fruchtige Abwechslung gesorgt war,<br />

schien mir und meinen Freunden „Sunkist" endgül-<br />

tig unersetzlich. Kein Wunder also, dass Rickertsen<br />

mit diesem Pfund wucherte: „Überall auf der Welt löschen Kinder den<br />

Durst am liebsten mit ,Sunkist'", lautete der Text zu einer Werbeanzeige<br />

in „Die tollsten Geschichten von Donald Duck". Gezeigt wurden drei<br />

Jungen, deren Physiognomie deutlich verriet, dass sie ganz offensichtlich<br />

aus den verschiedensten Teilen der Welt stammten, die sich aber<br />

schon deshalb zu verstehen schienen, weil „Sunkist" ihnen ein köstliches<br />

Gemeinschaftserlebnis bescherte.<br />

Gelebte Völkerverständigung hier, frühe Markenbindung dort:<br />

Mit einem Malwettbewerb forderte man alle „ABC-Schützen und<br />

Puppenmütter, Cowboys und Sheriffs, Häuptlinge und Astronauten – alle<br />

Kinder bis 15 Jahre!" auf, „mit Buntstiften, mit Tusche, mit Bleistiften" ein<br />

„Sunkist"-Bild zu malen, das zeigen sollte, wo Häuptlinge, Puppenmütter<br />

und Co. „Sunkist" in der Dreieckstüte am liebsten tranken. Vielleicht in<br />

der Schulpause? Oder am Strand? Oder ... oder ... oder? Der Erfolg von<br />

„Sunkist" schien für kurze Zeit unaufhaltsam.<br />

Und doch erkaltete irgendwann auch diese Liebe. Vielleicht<br />

schon, als man sich 1977 entschied, mit einem quaderförmigen<br />

Pack<br />

eine zweite Verpackungsform einzuführen. Spätestens<br />

aber, als dieser Quaderpack das Dreieck in den frühen 80ern<br />

endgültig ablöste. „Sunkist" hatte sein Alleinstellungsmerkmal<br />

verloren. Ein Alleinstellungsmerkmal, das „Sunkist" in meiner<br />

kleinen Welt nicht nur zu (m)einer Marke, sondern zu einem<br />

Gattungsbegriff für Fruchtsaft per se gemacht hatte. Ähnlich<br />

wie es „Tempo" für Papiertaschentücher oder „Nivea" für<br />

Handcreme bis heute sind. Ohne das Dreieck war „Sunkist" nur<br />

noch ein Fruchtgetränk unter vielen. Und ich hatte ohnehin<br />

längst andere reizvolle „Säfte" entdeckt. Die Zeit von „Sunkist"<br />

war endgültig vorbei.<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 55


TV-Serien der<br />

80 e r<br />

Teil 3<br />

Foto: © Kir Royal, Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Fernsehen mit Suchtgefahr<br />

Popper, Punks, Yuppies, Reagan und Kohl, Atari<br />

und der Apple-Würfel, Tschernobyl-Katastrophe und<br />

Challenger-Explosion, die Ermordung von John Lennon<br />

und der Fall der Berliner Mauer. Abgesehen von<br />

den Ereignissen in Politik, Wirtschaft und Kultur<br />

gelten die 80er Jahre allgemein als das Jahrzehnt<br />

des schlechten Geschmacks. Kein Wunder: schlimme<br />

Frisuren wie der Vokuhila-Schnitt, grelle Farben,<br />

Mode und Accessoires, die Augenkrebs verursachen,<br />

ziemlich viel schrecklich belanglose Musik. Aber wo<br />

Licht ist, da ist halt auch Schatten, und die 80er sind<br />

vor allem in puncto Fernsehen viel besser als ihr Ruf.<br />

Intelligenter fernsehen dank<br />

Helmut Dietl<br />

1<br />

984 gehen die ersten privaten Fernsehsender an den Start: Am 1.<br />

Januar Sat.1, damals noch als Programmgesellschaft für Kabelund<br />

Satellitenrundfunk, und einen Tag später RTL plus. Die<br />

Vorherrschaft der öffentlich-rechtlichen Anstalten ist Vergangenheit.<br />

Das Geschmacksdiktat<br />

von gebührengestütztem<br />

Fernsehen gerät in<br />

Gefahr. Hugo Egon Balder<br />

verteilt Länderpunkte<br />

für nackte Titten. Alle<br />

Sündenfälle angloamerikanischen<br />

Bezahlfernsehens<br />

werden lizenziert und in<br />

Hugo Egon Balder verteilt bei Tutti Frutti"<br />

Deutschland als absolute<br />

"<br />

Länderpunkte – wofür eigentlich?<br />

Neuheit verkauft. Tägliche<br />

Gameshows wie das „Glücksrad" (ursprünglich: „Wheel Of Fortune")<br />

schaffen den Rahmen für Werbe-Inseln. Aufgeschreckte Moralwächter<br />

sehen den Niedergang des Abendlandes kommen, aber Dr. Thoma,<br />

damals uneingeschränkter Alleinherrscher bei RTL, macht Kritiker mit<br />

typisch österreichischem Schmäh mundtot. „Der Köder muss dem Fisch<br />

schmecken", lässt er verlauten, „nicht dem Angler." Oder: „In seichtem<br />

Wasser kann man nicht ertrinken." Wohl wahr. Dass es noch viel<br />

schlimmer kommen kann, als selbst übellaunigste Bedenkenträger sich<br />

damals vorstellen konnten, ist heute Gewissheit. „Dschungelcamp",<br />

„Bauer sucht Frau", „Promi Big Brother" – damals in den 80ern wurde<br />

der Grundstein für das Prekariatsfernsehen heutiger Prägung gelegt.<br />

Aber, klar, mit dem Abstand von fast 30 Jahren kann man gut klugscheißen.<br />

Seinerzeit sah es nach Öffnung, nach Demokratisierung des Mediums<br />

aus, die Claims wurden neu abgesteckt, das Bärenfell neu verteilt. Aber<br />

wer ein Hirn hatte, begriff<br />

schon damals: Das wird<br />

nicht besser! Im Gegenteil.<br />

Fernsehen wurde eine<br />

saulangweilige, saublöde<br />

Sache, vor allem dann, als<br />

die Öffentlich-Rechtlichen<br />

aufgrund von Quotendruck<br />

anfingen, den Blödsinn<br />

der Privaten zu imitieren.<br />

Gameshows, Flirtshows,<br />

Datingshows, Kuppelshows, Talkshows ... es war zum Fremdschämen<br />

schlimm. Seifenoper anders gab’s ab dem 8. Dezember 1985<br />

dann vom öffentlich-rechtlichen WDR: Hans Wilhelm Geißendörfer,<br />

Regisseur, Autor und Produzent, lancierte nach dem Vorbild der britischen<br />

Dauerbrenner-Sendung „Coronation Street" eine Seifenoper<br />

namens „Lindenstraße", die wöchentlich läuft und größer wurde<br />

als das Leben selbst. Die Figur der dauerbesorgten „Mutter Beimer"<br />

zum Beispiel machte aus<br />

Marie-Luise Marjan einen<br />

Star. Der Bezug zu aktuellen<br />

gesellschaftlichen<br />

Themen – homosexuelles<br />

Coming Out, Drogenkonsum und Cannabis-Freigabe, i b Stalking,<br />

Tierrechte, Vegetarismus, Arbeitslosigkeit, Integrationsproblematik –<br />

war gesetzt, und die Einarbeitung zeitgenössischer Ereignisse gelang<br />

ein ums andere Mal. Für die einen ist der sonntägliche Blick in die<br />

Lindenstraße um 18:50 Uhr Kult, ich zappe – mit allem Respekt vor<br />

dieser Soap – weiter, sobald ich die Erkennungsmelodie höre.<br />

Ein Fernsehereignis der ganz besonderen Art kam 1986 auf den<br />

Bildschirm – die sechsteilige, vom Kölner WDR produzierte, in München<br />

spielende Miniserie „Kir Royal (Aus dem Leben eines Klatschreporters)".<br />

Mit dieser hochkarätig besetzten, höchst amüsanten Persiflage auf die<br />

Seite 56 ■ GoodTimes 1/2014


Bussi-Gesellschaft der Isar-Metropole etablierte sich Regisseur und<br />

Autor Helmut Dietl endgültig als einer der intelligentesten Chronisten<br />

bundesdeutscher Wirklichkeit. Die Figuren, die Dietl zusammen mit seinen<br />

Unruh (Ruth-Maria Kubitschek). Als Dame von Welt hält sie eigentlich<br />

wenig bis nichts von Babys Klatschgeschichten, aber wenn’s Auflage<br />

macht, dann sei’s s halt drum, und außerdem, dem virilen Charme des<br />

Autoren Patrick Süskind („Das<br />

Schimmerlos kann auch sie sich nur schwer ent-<br />

Wo Baby ist, ist Party und was nettes Blondes<br />

Parfum") und Kurt Raab (Folge 4)<br />

ziehen. In einer denkwürdigen Szene zeigt sie, auf<br />

entwickelte, waren komödiantisch<br />

zwar krass überzeichnet, aber dann<br />

wieder so lebensnah inszeniert, dass<br />

man aus dem Lachen nicht mehr<br />

herauskam. Fans von „Kir Royal"<br />

können ganze Textpassagen des<br />

großkotzigen Industriellen Heinrich<br />

Haffenloher – wunderbar prollig<br />

gespielt von Mario Adorf – Wort für<br />

Wort nachsprechen. Berühmtester<br />

One-Liner des geltungs- und promisüchtigen<br />

Generaldirektors: „Ich scheiß' dich sowas von zu mit meinem<br />

dem Tisch stehend, den Rock sehr hoch ziehend<br />

und ihre Beine entblößend, wie ein Phlebologe ihre<br />

Krampfadern veröden wird. Die Rache der versammelten<br />

Baby-Frauen kommt – seine vernachlässigte<br />

Mutter stirbt bei dem Versuch, einen TV-Auftritt<br />

ihres Sohnes mit dem VHS-Rekorder aufzuzeichnen<br />

(zum Heulen traurig!), Mona verlässt den Hallodri<br />

und wird, gegen seinen Willen, Schlagersängerin;<br />

die Verlegerin kündigt ihm in Abwesenheit.<br />

Aber der Reihe nach. „Kir Royal" ist, was Architektur,<br />

Inhalt und Inszenierung angeht, genau jene<br />

Mischung, die großes Kino ausmacht und große Gefühle auslöst. Die<br />

Geld." Gleich die erste Folge vom 22. September 1986 setzt den Ton Geschichten sind bekloppt genug, um nicht vorhersagbar, und lebenswirklich<br />

genug, um wahr zu sein. Heißt: Die Spannung bleibt erhalten.<br />

für das großartige,<br />

Preiswürdig:<br />

später mit dem Die Storys haben Gewicht. Sie haben etwas mit unserem Leben, mit<br />

Billie Zöckler als<br />

Babys großäugige<br />

Grimme-Preis<br />

in deutscher Wirklichkeit, mit dem Geist der Zeit zu tun. Der Klebstoff-<br />

Sekretärin Edda<br />

Gold ausgezeich-<br />

Millionär mit Faible für die Münchner Schickeria; die aufopfernde Mutter,<br />

Pfaff<br />

nete Dietl-Oeuvre.<br />

die einem auf die Nerven geht, aber dann unter so tragisch-traurigen<br />

Umständen stirbt,<br />

Dreamteam: Senta Berger als Mona,<br />

dass es einen<br />

Franz-Xaver Kroetz als Baby und Dieter<br />

rührt; die wütende,<br />

mit einem<br />

Hildebrandt als Fotograf Herbie<br />

Messer<br />

bewaffnete<br />

Geliebte,<br />

die mit dem<br />

Vorsatz,<br />

ihren<br />

untreuen<br />

Lover<br />

zu lynchen, einen<br />

Filmempfang<br />

besucht und es<br />

dann doch nicht<br />

fertigbringt, den<br />

Allein die Konstellation ti der Hauptfiguren ist it ein<br />

Geniestreich. Da ist der rastlose, großspurige, immer<br />

heulenden Sohn,<br />

der gerade die<br />

auch etwas einsam wirkende Baby Schimmerlos,<br />

Nachricht<br />

vom<br />

Klatschreporter der „Münchner Allgemeinen<br />

Tageszeitung" (Matz), ein Mann aus kleinen Verhältnissen, den die<br />

Großkopferten jetzt hofieren, weil sie in seiner Kolumne auftauchen<br />

Tod seiner Mutter<br />

erhalten hat, zu erstechen – das alles ist hochverdichtete h Satire, die<br />

leicht daherkommt und doch die richtig schweren Themen im Gepäck<br />

möchten.<br />

hat. Dietl, wohl<br />

Arme Mona –<br />

Franz-Xaver<br />

sie hatte unter ihrem Baby zu leiden<br />

auch ein tiefer,<br />

Kroetz gibt dieser,<br />

trauriger<br />

Mann,<br />

dem ein-<br />

ist ein Meister<br />

zigen<br />

wahren<br />

dieses Genres. Er<br />

Michael Graeter<br />

nachempfun-<br />

serviert locker mit<br />

links, was man<br />

denen<br />

Figur<br />

kaum mit beiden<br />

den<br />

granteligen<br />

Händen zu<br />

Ton, das<br />

Striezi-hafte,<br />

aber auch das<br />

packen bekommt<br />

–<br />

das Bittere, die<br />

Peinlichkeit, das<br />

Bodenständige.<br />

Ungerechte des<br />

Baby fährt Porsche, Geld ist immer Mangelware, und so richtig<br />

nett zu seiner herzkranken, überfürsorglichen Mutter ist er nicht.<br />

Auch seine schöne österreichische Freundin Mona fasst er nicht mit<br />

Glacéhandschuhen an. Er ist nicht treu (wie auch?), mault ständig<br />

rum, und Mona muss ein ums andere Mal als Babys Schmuckstück<br />

herhalten. Senta Berger spielt diese Frau mit so viel hintergründigem,<br />

verletztem, herzzerreißendem Charme, dass man dem Beziehungsrüpel<br />

am liebsten manchmal eine klatschen möcht’. Im Umfeld des rasenden<br />

Reporters: sein ständig quatschender Fotograf Herbie Fried (grandios:<br />

Dieter Hildebrandt), heimlich in Mona verknallt und darum oft wütend<br />

auf seinen Chef; dann die kuhäugige Sekretärin Edda Pfaff (sensationell:<br />

Billie Zöckler), ganz offensichtlich in Baby verschossen und stets<br />

bemüht, dessen Chaos, so gut es geht, zu organisieren. Im Hintergrund,<br />

als ständig präsente Übermutter, die üppige Verlegerin Friederike von<br />

Lebens. All das,<br />

was man nicht so<br />

richtig zu sagen<br />

wagt, aber was<br />

doch unser Dasein<br />

bestimmt. Satire<br />

ist der Ausweg:<br />

Man kann cool<br />

bleiben, unpeinlich,<br />

und doch<br />

alles einbringen,<br />

die Camus’schen<br />

Zweifel, die sisyphoshafte h Verzweiflung, den ganzen Scheiß, der<br />

einem das Lachen so oft im Halse erstickt. Der Klatschreporter und<br />

Foto: © Kir Royal, Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: © Kir Royal, Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 57<br />

Foto Senta Berger: © Kir Royal, Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: © Kir Royal, Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: © Kir Royal, Davids/Bildarchiv Hallhuber


seine Jagd nach der aktuellen, brisanten, der heißen Story werden<br />

Sinnbild für unser aller Getriebensein, die Not, die uns alle umtreibt,<br />

die Verwerfungen des Medienzeitalters, in dem wir inzwischen mit<br />

NSA-Abhörskandal, sozialen Netzwerken wie Facebook und „Promi Big<br />

Brother" bis Oberkante Unterlippe stecken. Dietl, seit „Monaco Franze"<br />

als Regisseur und Autor gesetzt, wurde mit „Kir Royal" zum Star. Sein<br />

Co-Autor Patrick Süskind, jener weltenscheue Schriftsteller, der keine<br />

Interviews gibt und ungern fotografiert wird, wird durch den 1985 aufgelegten<br />

Roman „Das Parfum" zum Millionenseller. Nach „Kir Royal" –<br />

ein Thema, das der Regisseur Jahre später, mit Benjamin von Stuckrad-<br />

Barre als Co-Autor, in dem zu Unrecht verrissenen Film „Zettl" wieder<br />

aufgreift – wandert Dietl ins Kino ab; er braucht für seine Ideen und die<br />

Riege der Stars, die er schon für „Kir Royal" engagiert hat, mehr Geld.<br />

Die „Kir Royal"-Serie, deren Einschaltquoten bei der Erstausstrahlung<br />

zu wünschen übrigließen, hatte mehr gekostet als normale TV-Ware.<br />

Erst die späte DVD-Auswertung bringt Nachhaltigkeit in den Kult um<br />

Baby Schimmerlos, und diejenigen, die manchmal nicht wissen, was<br />

anfangen mit einem langen Wochenende, sei an dieser Stelle das<br />

2004 erschienene Boxset empfohlen. Es garantiert ein unterhaltsames<br />

Weekend mit „Baby" und all den Stars des deutschen Films, die unter<br />

Dietls Regie brillierten.<br />

" Der Fahnder" , das "<br />

A-Team " und ein<br />

Dauerbrenner namens "<br />

Ein Fall für zwei "<br />

Was tat sich in den 80ern in der Abteilung „Crime"? Eigentlich bot<br />

die Realität die krasseren Fälle als die Drehbuchautoren, aber aus dem<br />

Fundus des Angebots stechen zwei Serien hervor. Na, sagen<br />

wir drei. „Ein Fall für zwei", seit 1981 am Start und 2013<br />

nach der Emission von<br />

Claus Theo Gärtner<br />

(alias Josef Matula)<br />

dazu: „style over substance". Sonnys Ray Ban Wayfarer wurde ebenso<br />

Stil-Accessoire wie sein T-Shirt-Anzug-Look ein Must Have der Saison.<br />

Die Serie beeindruckte auch durch<br />

schnelle Bildmontagen, rasante<br />

Kamerafahrten, Super Slomo, fetzige<br />

Videoclip-Ästhetik und große<br />

Gaststars, von James Brown bis<br />

vorübergehend eingestellt,<br />

Phil Collins, von Frank Zappa bis<br />

zählt zu den<br />

Formaten, die allein<br />

durch ihre Dauer – 300<br />

Folgen, 31 Staffeln –<br />

Miles Davis, von Liam Neeson bis<br />

Bruce Willis. Trotzdem oder gerade<br />

wegen des trendigen Looks und der<br />

ungewöhnlichen Gäste – mit dem<br />

Ehrfurcht einflößen.<br />

Abstand von jetzt 27 Jahren wirkt<br />

Das Gegensatz-Paar<br />

„Miami Vice" ziemlich verstaubt<br />

„Privatdetektiv und<br />

und pomadig.<br />

Rechtsanwalt im Kampf<br />

um Gerechtigkeit"<br />

Etwas affig und nicht ganz ernst-<br />

wollen wir aber hier<br />

nur streifen. Interessanter, t weil spannender inszeniert und<br />

gespielt: „Der Fahnder" mit Klaus Wennemann. Berühmt<br />

zunehmen war für europäische<br />

Augen auch „Das A-Team”, Anfang<br />

der 80er Jahre in den USA eine der<br />

geworden als Leitender Ingenieur, kurz LI, in Wolfgang<br />

erfolgreichsten Serien überhaupt,<br />

Miami Vice"-Vice-Ermittler Crockett und<br />

Petersens Buchheim-Verfilmung „Das Boot", gab der Theatererprobte<br />

Wennemann der Figur des Hannes Faber, Fahnder in<br />

Zuschauern. Der Ausgangsplot<br />

" mit Spitzenquoten von 20 Millionen<br />

Tubbs waren auch modisch Role Models<br />

hatte<br />

einer nicht näher bezeichneten deutschen Stadt, ein unverwechselbares<br />

Profil. Nicht der immer gerechte Übervater, der die durch Verbrecher<br />

gestörte gesellschaftliche Ordnung wieder herstellt, sondern auch als<br />

Ermittler durch und durch Mensch, der es mit den Vorschriften nicht<br />

immer so genau nahm. Seine Freundin Susanne (Barbara Freier) hat eine<br />

Kneipe namens „Treff", Faber fährt einen grünen Ford und läuft meist<br />

in Zivil rum. Zitat zum Erfolg der Vorabend-Krimiserie: „Als ,eigenwilliger<br />

und unverwechselbarer Polizist völlig neuen Typs' erreichte<br />

er dabei im Vorabendprogramm im Ersten Rekordeinschaltquoten."<br />

Die 50-Minuten-Folgen, nach einer Idee von Dominik Graf, setzten –<br />

ähnlich wie die Figur des „Schimanski", der ab 1981 seinen Dienst als<br />

„Tatort"-Kommissar aufnahm und natürlich der Kult-Kommissar per se<br />

ist – neue Maßstäbe<br />

und beförderten einen<br />

Realitätszuwachs in<br />

deutschen Krimis.<br />

Die Herren Ermittler<br />

sprachen wie normale<br />

Menschen (siehe<br />

Schimanski) und<br />

agierten wie normale<br />

Menschen.<br />

Der Fahnder" machte menschliche<br />

"<br />

Bullen salonfähig<br />

Wennemanns nervöse Umtriebigkeit als Fahnder Faber brachte der ARD<br />

an diesem Sendeplatz enorme Zuwächse. Nach 91 Folgen wanderte<br />

Faber mit Freundin nach Irland aus; Dieter Pfaff, bis dahin uniformierter<br />

Polizist, rückte als Otto Schatzschneider auf Platz zwei, neuer<br />

Kommissar wurde Jörg Schüttauf als Thomas Becker. „Der Fahnder"<br />

trug wie Schimanski dazu bei, dass Kriminaler nicht in einer fiktiven<br />

Parallelwelt ermittelten, sondern in einer quasi-dokumentarischen und<br />

dank Dominik Graf auch modern inszenierten TV-Welt. Viele damals<br />

noch junge Talente, von Uwe Ochsenknecht bis Edgar Selge, hatten<br />

beim Fahnder ein Forum.<br />

Nachhaltig Kult ist das, was oft und gern wiederholt wird oder nach<br />

erfolgreicher TV-Auswertung für die Kinoleinwand und einen Langfilm<br />

genutzt wird. Das<br />

gilt unter anderem<br />

für die ab Ende 1986<br />

in Deutschland ausgestrahlte<br />

US-Serie<br />

„Miami Vice". Deren<br />

verdeckte Ermittler,<br />

Don Johnson alias<br />

James „Sonny"<br />

Crockett und Philip<br />

Michael Thomas alias Ricardo „Rico" Tubbs, waren modische Role<br />

Models und wandelnde Product Placements, das kritische Stichwort<br />

ziemlich Comic-hafte Züge: Eine söldnerartige Task-Force-Truppe um<br />

Colonel John „Hannibal” Smith (gespielt von George Peppard) hilft<br />

Menschen, die in Not geraten sind, von Gangstern bedroht werden oder<br />

von der Polizei keinen Schutz erwarten können. Alle vier Hauptfiguren<br />

(zeitweise waren es auch fünf), darauf wurde im ursprünglichen Intro<br />

immer hingewiesen, gehörten einst einer militärischen Spezialeinheit<br />

an. Die vier Männer wurden wegen eines Verbrechens verurteilt, das<br />

sie nicht begangen hatten. „Seitdem werden sie von der Militärpolizei<br />

gejagt, aber sie helfen anderen, die in Not sind ..." Sie sind angesichts<br />

ihrer teils kriegsbedingten Gegensätzlichkeit pures Amerika, loyal, treu,<br />

teambewusst, dem Guten zugeneigt. Bei Licht besehen aber haben die<br />

vier Kriegsveteranen alle einen mächtigen Dachschaden.<br />

Smith trägt seinen Spitznamen in Anlehnung an den karthagischen<br />

Feldherrn. Stratege, Verkleidungskünstler, Troupier – Hannibal hat<br />

immer einen lockeren Spruch auf den Lippen, zwischen denen meist<br />

eine Zigarre steckt. Diese ist, neben seinen schwarzen Handschuhen,<br />

das Markenzeichen des waghalsigen Colonels. Er besucht – verkleidet<br />

– neue Klienten, reizt die Bösewichter mit markigen Sprüchen, dirigiert<br />

mit schrägem Humor seine merkwürdige Truppe und führt sie aus noch<br />

so hoffnungslosen Situationen immer zum Erfolg. Ihm zur Seite First<br />

Lieutenant Templeton Peck, von allen wegen seiner hübschen Fratze<br />

Seite 58 ■ GoodTimes 1/2014


nur „Face" genannt. Der Schönling hat eine starke Ausstrahlung auf das<br />

weibliche Geschlecht, bezirzt aber auch männliche Zeitgenossen durch<br />

sein freundlich-naives, manipulatives Wesen. Face ist der Charmeur<br />

und Hochstapler der Vierer-Bande und möchte, obwohl aus armen<br />

Verhältnissen, gerne als mehr gelten. Ausdruck davon: seine gewählte<br />

Ausdruckweise,<br />

seine Abneigung<br />

gegen körperliche<br />

Gewalt (obwohl<br />

auch er zulangen<br />

kann), seine weiße<br />

Corvette. Das<br />

ganze Gegenteil<br />

von ihm ist Captain<br />

H.M. Murdock,<br />

genannt „Howling<br />

Mad". Baseball-<br />

Cap, Chucks,<br />

Flieger jacke,<br />

immer leicht etwas<br />

schmuddelig und<br />

eigentlich Insasse<br />

einer Nervenklinik<br />

für Veteranen. Der<br />

Vietnam-erfahrene<br />

Pilot hat einen an<br />

der Klatsche oder<br />

gibt das zumindest vor. Er grimassiert, i dreht schnell durch, spricht mit<br />

toten Gegenständen oder nicht vorhandenen Aliens, aber er kann so<br />

ziemlich alles fliegen – Hubschrauber, Flugzeuge, was immer abheben<br />

kann. Das macht ihn nicht gerade zum Freund von Master Sergeant<br />

Bosco Albert Baracus, genannt B.A., was einmal für seine Initialen<br />

steht, aber auch für „Bad Attitude", denn genau diese legt der dauergereizte<br />

Muskelberg, der mit seinem Iro und den Goldketten aussieht<br />

wie ein im Reagenzglas gezüchteter Rapper, an den Tag. Im Privatleben<br />

ist der Milchtrinker und Gesundheitsfanatiker Streetworker und hilft<br />

Kindern. Er ist der Elektronik- und Reparatur-Crack der Truppe und<br />

hat eine Achillesferse: panische Flugangst. Bei Aufträgen, die das<br />

Fliegen erforderlich machen, wird er trotz wüster Drohungen betäubt<br />

und ins Fluggerät verfrachtet. Er liegt, prima vista, im Dauerclinch mit<br />

Murdock, aber in wirklich brenzligen Situationen wird klar: Was sich<br />

liebt, das neckt sich.<br />

„Das A-Team" – seit 1987 auf deutschen Mattscheiben zu bewundern,<br />

zuerst bei der ARD, später bei RTL – ist pures, kunterbuntes Amerika. So<br />

sättigend wie Kaugummi, so verlockend wie die grellen Neonreklamen,<br />

die ständig „home made cooking" ankündigen und dann doch nur pappiges<br />

Fastfood servieren, so echt wie Disneyland ... Das Vaterland hat die<br />

Soldaten zwar verstoßen und krankgemacht, aber die Patrioten bleiben<br />

Patrioten, bleiben gut, helfen Menschen in Bedrängnis und tun stets das<br />

Richtige. Aber „Das A-Team" ist auch in puncto Gewalt und Sex meist nur<br />

Scharade. Gewalt ist keine richtige Gewalt, die niedergestreckten Gegner<br />

erheben sich nach wenigen Minuten ohne sichtbare Verletzung. Kugeln<br />

schwirren bei dem Geballere zwar dauernd durch die Gegend, aber wenn<br />

es mal ernst wird, wird abgeblendet.<br />

Blut, Mord, Totschlag<br />

werden à la Hollywood angedeutet,<br />

aber selten gezeigt. Nur eine<br />

Sache – die seinerzeit erhobenen<br />

Sexismusvorwürfe – konnten die<br />

Hannibal-Kumpane nicht recht<br />

entkräften. Die TV-Macker stehen<br />

in einem permanenten „Meiner<br />

ist länger!"-Konkurrenzkampf.<br />

Beide Frauenfiguren, die in die<br />

Serie reingeschrieben wurden,<br />

wurden ebenso schnell wieder<br />

rausgeschrieben. Peppard, der in<br />

„Frühstück bei Tiffany" als sanfter,<br />

schriftstellernder t Gigolo<br />

Hollywood-Ruhm erlangte,<br />

soll der Schauspielerin Marla<br />

Heasley, die kurz als Tawnia<br />

Baker eingeführt wurde, am<br />

Set gesagt haben, sie sei in<br />

der Männergesellschaft des<br />

A-Team eigentlich nicht<br />

erwünscht. Wie denn auch?<br />

Frauen würden sich nicht für<br />

ein Land aufreiben, das sie<br />

ohne Grund verfolgt, in die<br />

Nervenheilanstalt bringt, abschiebt bt ... Frauen taugen nicht als „soldiers<br />

of fortune". Darum hatten sie in dieser Kinderserie mit viel Stunts,<br />

Pyro und Tamtam auch nichts verloren. Peppard, der 1994 an einer<br />

Lungenentzündung verstarb, hat die Würdigung der TV-Serie als Film<br />

im Jahre 2010 nicht mehr erlebt.<br />

Im Teil 4 der Kult-TV-Serien der 80er Jahre: Liebling Kreuzberg, Die<br />

Schwarzwaldklinik, Dallas, Denver Clan, Fackeln im Sturm, MacGyver,<br />

Schrecklich nette Familie, Baywatch …<br />

Teddy Hoersch<br />

TOP-SCHLAGERALBEN MIT BONUSTRACKS - DIGITAL REMASTERT!<br />

Jetzt<br />

in neuer<br />

Ausstattung!<br />

VICKY LEANDROS 5344306<br />

AB SOFORT ERHÄLTLICH!<br />

CORNELIA FROBOESS 5342389<br />

WEITERE SCHLAGERALBEN GoodTimes UNTER WWW.ORIGINALE.CD<br />

1/2014 ■ Seite 59<br />

JOHANNA VON KOCZIAN 3733490


Die Gladbach-Story<br />

Wie der Fohlen"-<br />

Mythos zustande " kam<br />

Von Andreas Kötter<br />

Die Mönch englad<br />

bacher<br />

Borussia ist es<br />

Jupp Heynckes damals, die den Krösus<br />

aus München in der<br />

Liga gar übertrifft. Während die „Roten" im Laufe der Dekade „nur" vier<br />

Meistertitel sammeln, kommen die Borussen gar auf fünf. Fast noch wichtiger:<br />

Während sich längst nicht jeder Fußballenthusiast für die Erfolge<br />

der Bayern erwärmen kann, genießen die Gladbacher für ihren attraktiven<br />

Offensivfußball europaweit größte Sympathie und Bewunderung.<br />

Vater des Systems ist der legendäre Trainer Hennes Weisweiler, der<br />

Gladbach schon seit Mitte der 60er Jahre eine Ausrichtung gibt, die ein<br />

spektakuläres 4:3 allemal einem schnöden 1:0 vorzieht. Die heute vielbeschworene<br />

Null muss bei den<br />

„Fohlen", wie die Borussen ob<br />

der unbekümmerten Spielweise<br />

genannt werden, nicht stehen.<br />

„Erfunden" wird der „Fohlen"-<br />

Begriff – heute würde man<br />

wohl von Corporate Identity<br />

sprechen – übrigens bereits<br />

im Laufe von Borussias letzter<br />

Regionalliga-Saison, 1964/65,<br />

von einem Sportredakteur der<br />

„Rheinischen Post".<br />

Keine Frage, die 50. Bundesliga-Saison stand ganz im<br />

Zeichen des FC Bayern. Nicht nur, dass die Münchner in<br />

der Liga alle Rekorde brachen und die Dortmunder Borussia<br />

mit 25 Punkten Vorsprung geradezu deklassierten. Der<br />

Gewinn des ersehnten Triples setzte dieser Jubiläumssaison<br />

nicht nur aus Münchner Sicht die Krone auf. Und wenn in der<br />

Vergangenheit überhaupt einmal ein Team den Bayern Paroli<br />

bieten konnte – mal war es der HSV, mal Werder, mal<br />

wie zuletzt der BVB –, so war diese Vorherrschaft<br />

doch nie wirklich gefährdet. Nie? Doch! Einmal,<br />

in den 70er Jahren, da gab es ein kleines Dorf" "<br />

am Niederrhein, das den damals gar nicht übermächtigen<br />

Bayern auf lange Sicht mindestens<br />

ebenbürtig schien.<br />

Borussia Mönchengladbach – Teamfoto 1969/70<br />

Auch Rainer Bonhof, heute<br />

Vizepräsident des Klubs, gehört damals zur „Fohlen"-Herde. Der junge<br />

Gewinn des Uefa-Pokals auch der<br />

Bonhof, 1974 mit Deutschland auch Weltmeister, wird nicht nur wegen erste internationale Titel gelingt.<br />

seines unbändigen Kampfgeistes, sondern auch ob seiner knallharten Im ersten Spiel vom damals noch<br />

Freistöße gefürchtet. So besagt die Legende, dass Ray Clemence, Keeper in zwei Partien ausgetragenen gen<br />

des FC Liverpool, aus Wut über Bonhofs wahre Freistoßgeschosse einmal<br />

gar Tränen der Wut vergossen haben soll. Bonhof selbst mag sich gegen Twente Enschede im<br />

Wettbewerb erreicht man<br />

im Gespräch mit <strong>kult</strong>! zwar nicht an Tränen erinnern, erzählt aber, Düsseldorfer Rheinstadion<br />

Seite 60 ■ GoodTimes 1/2014<br />

dass Clemence durchaus Grund zum Unmut hatte. „Erst war da dieses<br />

Freistoßtor im Europapokal gegen Liverpool, als sich der Ball kurz vor<br />

seiner Schulter noch mal wegdrehte", so Bonhof. „Und nur eine Woche<br />

später habe ich ihm im Länderspiel gegen England einen Freistoß um<br />

die Mauer gedreht." „Bonhof schießt schneller als Wyatt Earp", jammert<br />

Clemence hinterher. „Ich glaube, das hat ihm damals wirklich zu schaffen<br />

gemacht", vermutet Gladbachs Vize, der sich auch heute noch ein<br />

Schmunzeln nicht verkneifen kann.<br />

Gut lachen haben Bonhof und die Borussen damals beinahe am laufenden<br />

Band. Ob nun in der Saison 1969/70, als die Elf um Günter Netzer,<br />

Herbert Wimmer, Berti Vogts und Wolfgang Kleff ausgerechnet im 70.<br />

Vereinsjahr den ersten Meistertitel holt (noch ohne Bonhof). Ob ein<br />

Jahr später, als man als erster<br />

Bundesligist den Titel verteidi-<br />

gen kann. Oder ob in der Saison<br />

1974/75, als<br />

mit dem


Fotos: © Horstmueller<br />

(dorthin zieht es die „Fohlen" wegen der<br />

beschränkten Kapazität des heimischen<br />

Bökelbergs bei internationalen Spielen)<br />

nur ein 0:0. Damit steht man vor dem<br />

Rückspiel gehörig unter Druck. Und spielt<br />

umso größer auf. 5:1 heißt es nach einer<br />

Lehrstunde in Sachen Konterfußball für<br />

die Weisweiler-Elf, für die ihr Goalgetter,<br />

der spätere Bayern-Trainer und Triple-<br />

Gewinner Jupp Heynckes, gleich dreimal<br />

trifft.<br />

Twente, das war Kontertaktik in Perfektion<br />

Deutscher Meister 1970: Borussia<br />

Mönchengladbach beim Autocorso<br />

und ein Triumph des Offensivfußballs.<br />

durch die Gladbacher Innenstadt.<br />

Ausgerechnet das wohl beste Spiel der<br />

Vereinsgeschichte überhaupt aber gerät schon Jahre zuvor zu einem<br />

b di W hl f ll<br />

Drama. Am 20. Oktober 1971 empfängt man im Achtelfinalhinspiel des<br />

Europapokals der Landesmeister, noch auf dem Bökelberg, mit Inter<br />

Mailand einen der damaligen Titanen des europäischen<br />

Fußballs. Borussia spielt sich in einen wahren<br />

Rausch und deklassiert Inter mit sage und schreibe<br />

7:1. Als „Mutter aller Borussen-Spiele" ist diese<br />

Offensivdemonstration in die Fußballgeschichte<br />

eingegangen. Ein Triumph, aus dem eine leere Cola-<br />

Dose (die heute in einer Glasvitrine im Borussia Park<br />

bestaunt werden kann) eine fußballerische Tragödie<br />

macht. Irgendein Dummkopf hatte die leere Dose<br />

gen Spielfeld geworfen und damit – vermeintlich<br />

– Roberto Boninsengna schwer am Kopf getroffen.<br />

Das zumindest muss der Schiedsrichter annehmen,<br />

als Inters Stürmerstar wie vom Blitz getroffen<br />

in eine tiefe<br />

Ohnmacht zu fallen scheint.<br />

Die Partie wird annulliert, und<br />

nach dem 2:4 in Mailand reicht<br />

das 0:0 im neu angesetzten<br />

Wiederholungsspiel in Berlin<br />

nicht fürs Weiterkommen.<br />

Borussias hellste Stunde ist<br />

damit gleichzeitig auch die dunkelste.<br />

Nicht ganz so dramatisch, für<br />

die Seele der Borussen aber<br />

kaum weniger schmerzlich, ist<br />

viereinhalb Jahre später das<br />

Trainer<br />

erneute Scheitern im Landesmeister-<br />

Hennes<br />

Weisweiler Wettbewerb. Mit der schweren<br />

Hypothek eines 2:2 aus dem Hinspiel<br />

reist die Borussia im März 1976 zum Viertelfinalrückspiel nach Madrid.<br />

1:1 heißt es bei Real nach 90 bitteren Minuten, die nach der bekannten<br />

Europapokal-Arithmetik um auf dem gegnerischen Platz erzielte Tore<br />

das Aus bedeuten. Die Art und Weise, wie dieses 1:1 aber zustande<br />

kommt, ist ein handfester Skandal. Der holländische Unparteiische<br />

Leonardus van der Kroft wird seiner Berufsbezeichnung in keiner Weise<br />

gerecht, bevorzugt klar die Heimmannschaft und verweigert den besseren<br />

Gladbachern die Anerkennung gleich zweier regulär erzielter Treffer!<br />

Der Autor dieser Zeilen, damals zwölf Jahre alt und glühender Borussen-<br />

Fan, heult vor Wut, und nicht wenige Borussen hätten es ihm an diesem<br />

Abend wohl am liebsten gleichgetan. Van der Kroft<br />

wird zwar nie wieder eine internationale<br />

Partie pfeifen, was aber selbst in der späten<br />

Rückschau kein Trost sein kann.<br />

Aber es gibt in diesen Jahren auch<br />

Fußballdramen, die ein gutes Ende für<br />

die Borussia nehmen. Zunächst noch<br />

sind die „Fohlen" nach den Erfolgen<br />

der Vorjahre im Juni 1973 zwischenzeitlich<br />

aber zurück auf dem Boden der<br />

Tatsachen. Denn in der Liga reicht es<br />

„nur" zu Platz fünf, und auch der erste<br />

Einzug in ein Uefa-Cup-Finale endet mit<br />

einer Enttäuschung. Im Hinspiel schießt<br />

der FC Liverpool ein 3:0 heraus, das<br />

den Engländern trotz zweier Heynckes-<br />

Treffer im Rückspiel reicht. Noch aber<br />

bleibt der Borussia das DFB-Pokalfinale<br />

gegen den rheinischen Erzrivalen aus<br />

Köln. Es soll ein Spiel werden, das bis<br />

heute untrennbar mit einem Namen<br />

verbunden ist. Mittelfeldregisseur Günter<br />

Netzer ist damals mit seiner blonden<br />

Mähne, den schnellen Autos und seiner<br />

Discothek Lovers Lane längst der erste<br />

Popstar des deutschen Fußballs. Nicht<br />

unbedingt zum Wohlgefallen seines Trainers. Hennes Weisweiler findet,<br />

dass Netzer im Training durchaus etwas mehr Eifer an den Tag legen<br />

und so ein paar Pfunde weniger auf den Rippen mit sich herumschleppen<br />

könnte. Als zehn Tage vor dem Finale auch noch<br />

bekannt wird, dass der Superstar nach Saisonende<br />

zu Real Madrid wechselt, ist Weisweiler endgültig<br />

bedient. Er stellt Netzer fürs Finale einen Bankplatz<br />

in Aussicht. Der wiederum sieht darin einen Affront<br />

und kokettiert mit dem Gedanken, sich das Spiel<br />

Netzer<br />

wechselt<br />

sich ein<br />

Schlussjubel Borussia v.l.: Herbert Wimmer,<br />

Berti Vogts und Günter Netzer<br />

lieber gleich von der Tribüne aus anzuschauen. Die<br />

Teamkollegen können ihm diese Torheit zum Glück<br />

ausreden, und der „Lange" (wie Weisweiler Netzer<br />

in wenigen zarten Momenten nennt) nimmt erst<br />

einmal Platz auf der harten Ersatzbank. 1:1 steht es<br />

nach 90 Minuten. Verlängerung! Und dann wird es<br />

dem „Blonden" doch<br />

zu viel. Kurzerhand<br />

wechselt sich Netzer<br />

für Christian Kulik<br />

selbst ein. Gerade<br />

einmal drei Minuten<br />

später ist eine der<br />

wundersamen<br />

Geschichten perfekt,<br />

die nur der Fußball<br />

schreibt. Einen einzigen<br />

gelungenen<br />

Doppelpass mit<br />

Bonhof braucht<br />

es, um Netzer in<br />

der 93. Minute in<br />

Schussposition zu bringen. Mit seinem legendären linken Fuß jagt er<br />

das Leder in den Winkel des FC-Tores. Ein unglaublicher Triumph, mit<br />

dem sich der zuvor Gedemütigte als glänzender Sieger nach Spanien<br />

verabschiedet.<br />

Wer denkt, mit der Borussia würde es nun bergab gehen, der sieht sich<br />

alsbald getäuscht. Drei Meisterschaften (1975, 1976, 1977) und zwei<br />

Uefa-Cup-Siege (neben dem schon erwähnten von 1975 klappt es 1979<br />

gegen Roter Stern Belgrad ein zweites Mal) sollen folgen. Lediglich der<br />

Triumph bei den Landesmeistern bleibt versagt. 1977 scheitert man im<br />

Finale erneut am Angstgegner aus Liverpool. Erst in den 80er Jahren, als<br />

der zu kleine Bökelberg die Borussia immer weiter ins finanzielle Abseits<br />

zwingt, verliert man zusehends den Rhythmus. Zweimal wird man später<br />

gar den bitteren Weg in die Zweitklassigkeit antreten müssen, bevor der<br />

heutige Sportdirektor Max Eberl und Trainer Lucien Favre<br />

in der Saison 2011/12 erstmals wieder ein<br />

Team aufs Feld schicken können,<br />

das den Namen „Fohlen-<br />

Elf" verdient. Oder wie Rainer<br />

Bonhof es ausdrückt: „Wir<br />

sind gesund, weil wir seriös<br />

arbeiten. Wenn ich das und<br />

unser Leistungszentrum sehe,<br />

dann kann man sagen, dass<br />

wir heute ein Vorzeigeverein sind."<br />

GoodTimes 1/2014 14 ■ Seite 61


Von Kirsten Borchardt<br />

Abbi<br />

ldung: :© Mit fr<br />

eund<br />

licher rG<br />

eneh<br />

migu<br />

ng<br />

gv<br />

on S<br />

chne<br />

ider<br />

Buc<br />

h<br />

Ac<br />

ht<br />

ung Gehe<br />

heim<br />

imni<br />

niss<br />

e:<br />

Hann<br />

nni und Nann<br />

nni pl<br />

anen<br />

eine<br />

nen<br />

neue<br />

n Stre<br />

reic<br />

ich.<br />

Lindenhof, das war eine fremde Welt, in<br />

der es aber genau um die Dinge ging, mit<br />

denen man sich als Zehnjährige tagtäglich<br />

herumschlagen musste: um Cliquenbildung<br />

in der Schule, Zickenkrieg, Anerkennung,<br />

Ausgrenzung, und, vor allem, um Freundschaft<br />

und Zusammenhalt. Aufregend war dabei, dass<br />

Hanni und Nanni weit weg von zu Hause<br />

lebten, in einer faszinierenden weiblichen<br />

Solidargemeinschaft, in der es außer einem sehr<br />

sporadisch auftretenden Hausmeister und vielleicht<br />

noch dem einen oder anderen am Rande<br />

erwähnten Vater oder Bruder keine Männer gab.<br />

Lindenhof war eine reine Mädchenschule, und<br />

schon allein das war für mich, wenn ich auf dem<br />

Schulhof von den blöden Jungs aus meiner eigenen n<br />

Klasse gerade Juckpulver in den Nacken gesteckt t<br />

bekommen hatte, eine paradiesische Vorstellung.<br />

Es unterrichteten dort auch nur Lehrerinnen, und<br />

die Direktorin, Fräulein Theobald, war unglaublich<br />

klug und immer gerecht. Sie erkannte stets,<br />

s,<br />

was ihren Schülerinnen Kummer bereitete und<br />

was wirklich in ihnen steckte, und davon hätte<br />

sich das pädagogische Personal meiner damaligen<br />

Grundschule gerne eine Scheibe abschneiden können.<br />

Dass Lindenhof im Vergleich zum deutschen Schulalltag der Mitt-<br />

70er etwas Exotisches anhaftete, lag daran, dass die Bücher um<br />

Hanni und Nanni aus der Feder der britischen Kinderbuchautorin Enid<br />

Blyton stammten und in Großbritannien bereits in den frühen 40ern<br />

erschienen waren. Dann hatte sie der Franz Schneider Verlag, der 1965<br />

die deutschen Rechte an der Reihe erwarb, stark überarbeitet, modernisiert<br />

und auch die Namen weitgehend eingedeutscht. Aus Patricia und<br />

Isabel O’Sullivan wurden Hanni und Nanni Sullivan, was nicht zu fremd,<br />

Mit zehn Jahren wollte ich unbedingt<br />

auf ein Internat. Die Vorstellung,<br />

die Nächte in einem Schlafsaal mit<br />

acht anderen Mädchen zu verbringen<br />

und den ganzen Tag über mit<br />

Gleichaltrigen zusammen zu sein,<br />

mitten in der Nacht heimliche Partys<br />

zu veranstalten und Streiche auszuhecken,<br />

erschien enorm verlockend,<br />

auch wenn ich im wahren Leben<br />

anderen Kindern eher aus dem Weg<br />

ging. Zu gern wäre ich in Lindenhof<br />

zur Schule gegangen. Die Lehrerinnen<br />

waren zwar oft furchtbar streng, und<br />

man musste dauernd Handball spielen<br />

– aber ich hätte Freundinnen haben<br />

können wie Hanni und Nanni.<br />

Enid Blyton<br />

aber auch nicht zu normal klang. Und<br />

Lindenhof war ein aufregendes, beinahe<br />

märchenhaftes Flair geblieben – zum<br />

Beispiel hatten die älteren Schülerinnen<br />

in<br />

ihren Zimmern Kamine, in denen<br />

sie Brot rösten konnten. Einmal ganz<br />

davon abgesehen, dass ich einen Kamin<br />

viel spannender fand als die klobige<br />

Rippenheizung unter dem Fenster mei-<br />

nes<br />

Jugendzimmers: Es gehörte auf<br />

Lindenhof zu den Aufgaben der jüngeren<br />

Mädchen, für die Sechstklässlerinnen die<br />

Zimmer einzuheizen. Mädchen, die nur<br />

ein kleines bisschen älter waren als ich,<br />

durften Feuer machen, während bei uns<br />

zu<br />

Hause unweigerlich der alte Spruch<br />

„Messer, Gabel, Schere, Licht sind für<br />

kleine Kinder nicht" erschallte, wenn<br />

ich<br />

auch nur eine Streichholzschachtel<br />

in die Hand nahm.<br />

Das war typisch für das Leben von<br />

Hanni und Nanni in ihrem Internat:<br />

Man traute dort den Mädchen allerlei<br />

zu<br />

und ließ sie viele Dinge selbstständig<br />

erledigen. Lindenhof war nicht nur<br />

eine männerfreie Gesellschaft, sondern<br />

auch eine weitgehend erwachsenenfreie:<br />

Konflikte klärten die Schülerinnen selbst,<br />

sie<br />

organisierten ihre geheimen Partys<br />

ebenso allein wie die Sportveranstaltungen<br />

oder<br />

bunten Abende an der Schule, sie<br />

wählten ihre Anführerinnen und halfen<br />

sich gegenseitig, wenn es Probleme gab.<br />

Seite 62 ■ GoodTimes 1/2014


Nur im größten Notfall wandten Hanni und Nanni sich an<br />

die Direktorin. Natürlich spielten die Lehrerinnen eine Rolle,<br />

wie Fräulein Roberts, die alle Streiche sofort durchschaute,<br />

die aufbrausende, aber humorvolle Französischlehrerin<br />

Mamsell, das oberflächliche Fräulein Quentin oder die<br />

unfähige Geschichtslehrerin Fräulein Kennedy. Sie gaben<br />

Unterricht, waren manchmal streng, manchmal ungerecht,<br />

manchmal auch überraschend humorvoll und gütig, aber sie<br />

mischten sich nicht in die Belange der Mädchen ein, sondern<br />

erwarteten von ihnen, Probleme allein zu lösen. Dass s<br />

Hanni und Nanni das konnten, trug ihnen meine aufrichtige<br />

Bewunderung ein.<br />

Dabei wussten es die Sullivan-Zwillinge zunächst gar nicht<br />

zu schätzen, wie gut sie es in Lindenhof hatten. Im ersten<br />

Band, „Hanni und Nanni sind immer dagegen", sträuben sie<br />

sich noch mit Händen und Füßen gegen ihre neue Schule,<br />

weil es dort viel weniger schick zugeht als auf ihrem alten<br />

Internat. Sie finden zunächst einmal alles blöd, was ihnen bei<br />

ihren Mitschülerinnen ruckzuck den Spottnamen „die hochnäsigen<br />

Zwillinge" einträgt. Dazu kommt, dass sie in einigen<br />

Fächern im Stoff hinterherhinken und nicht mehr wie gewohnt<br />

zu den Besten in der Klasse gehören. Sie lehnen sich gegen<br />

die strengen Regeln auf, die in Lindenhof zu befolgen sind,<br />

drücken sich vor kleinen Arbeiten und verlassen unerlaubt das<br />

Schulgelände. Doch nach und nach bröckelt ihr Widerstand –<br />

sie holen einen Sieg für die Handballmannschaft und erweisen<br />

sich auch sonst als verlässliche, lustige Kameradinnen, die<br />

schließlich in ihrer Klasse und der ganzen Schule anerkannt<br />

sind.<br />

In den späteren Büchern waren es dann andere Mädchen,<br />

die neu nach Lindenhof kamen und zunächst durch<br />

ihre Art, ihre Herkunft oder besondere Umstände auffielen:<br />

Elli, die Cousine von Hanni und Nanni, die sich<br />

in ihrer Oberflächlichkeit immer wieder an die falschen<br />

Freundinnen hängt. Margot, die verschlossen und immer<br />

schlecht gelaunt jeden Kontakt ablehnt, bis ihr die Klasse<br />

alles Schlechte zutraut, und die ihren Mut beweist, als sie<br />

bei einem Brand eine andere Schülerin rettet. Carlotta, die<br />

als Kind in einem Zirkus aufwuchs und als Kunstreiterin<br />

auftrat. Oder die Italienerin Gina, die überstürzt ins Internat<br />

kommt, weil ihr Vater in Afrika verunglückt ist, und die<br />

lange braucht, um aufzutauen. Sie alle können sich dem<br />

guten Geist, der in Lindenhof herrscht, nicht verschließen und<br />

fügen<br />

sich schließlich in die Gemeinschaft ein, finden Freundinnen und erleben<br />

viele Abenteuer im Internat.<br />

In Lindenhof geschieht nämlich neben<br />

den kleinen Streichen mit Stinkbomben<br />

und zugenähten Pulloverärmeln auch<br />

allerlei Dramatisches: Sadie, eine reiche<br />

Amerikanerin, wird von Erpressern entführt<br />

und von Carlotta und ihren Freunden<br />

vom<br />

Zirkus wieder befreit; Mädchen verunglücken<br />

auf Ausflügen oder stürzen<br />

von<br />

Dächern, ängstigen sich um kranke<br />

Eltern oder werden aus den verschiedensten<br />

Gründen zu Diebinnen. Immer wieder geraten<br />

Mitschülerinnen in schwierige Situationen, können<br />

sich<br />

aber darauf verlassen, dass Hanni und Nanni zur<br />

Stelle sind, um ihnen aus der Klemme zu helfen. Im<br />

aktuellen Band versteckt sogar ein Verbrecher, der mit<br />

einem der Hausmädchen unter einer Decke steckt, die<br />

Beute aus einem Raub im Internat. Aber trotzdem haben<br />

die<br />

Mädchen auch viel Spaß: Bei geheimen Picknicks<br />

verzehren sie unglaubliche Sachen wie Sardinen mit<br />

Dosenmilch, sie kleben den älteren Semestern die<br />

Wanderschuhe mit Kaugummi auf dem Linoleum fest,<br />

verschaukeln immer wieder ihre Französischlehrerin<br />

oder gründen einen Klub. Zugegeben, verglichen<br />

mit Harry Potter, wo Trolle und Geister in den<br />

Schultoiletten lauern, geht es in Lindenhof weitaus<br />

beschaulicher zu. Aber genau wie in Hogwarts lernen<br />

die Schülerinnen, Verantwortung zu übernehmen, für<br />

eigene Fehler einzustehen, aufrecht, ehrlich, mutig<br />

und loyal zu sein. Denn nichts zählt auf Lindenhof<br />

mehr als die Gemeinschaft.<br />

Dabei war das Internat bei aller Freundschaft auch<br />

immer ein Haifischbecken: Wer sich nicht anpassen<br />

konnte oder wollte, bekam die ganze Palette<br />

sozialer Ächtung zu spüren und musste am Ende<br />

vielleicht sogar die Schule verlassen. Wenn auf einer<br />

Klassenversammlung beschlossen wurde, dass ein<br />

Mädchen geschnitten werden sollte, dann durfte bis auf<br />

weiteres eben niemand mit ihr reden – heute nennt<br />

man das Mobbing. Wenigstens war die körperliche<br />

Züchtigung mit Haarbürsten, die in Enid Blytons<br />

älteren „Dolly"-Büchern noch als probates Mittel zur<br />

Eingliederung renitenter Klassenkameradinnen galt,<br />

bei<br />

Hanni und Nanni schon tabu.<br />

Trotzdem – bis heute erfreut sich die „Hanni und<br />

Nanni"-Reihe bei Mädchen enormer Beliebtheit,<br />

und<br />

es erscheinen bei Schneider Buch, wie der Franz<br />

Schneider Verlag heute heißt, noch immer neue Bände.<br />

27<br />

sind es inzwischen, als Einzelbände erhältlich oder in<br />

verschiedenen Sammelbänden; seit 1972 erschienen die<br />

Geschichten auch als Hörspiele bei Europa. Damit ist die<br />

eigentliche Reihe abgeschlossen, wie Susanne George,<br />

die<br />

zuständige Redakteurin bei Schneider Buch erklärt:<br />

Ab<br />

jetzt sollen nur noch Sonderbände folgen, die sich<br />

nicht mehr an der Chronologie der Schullaufbahn orientieren,<br />

sondern einfach Episoden aus dem Internatsalltag<br />

erzählen. Die Illustrationen auf dem Einband stammen<br />

dabei immer noch vom Zeichner Nikolaus Moras, der den<br />

Zwillingen schon bei ihrem Deutschland-Debüt 1965 ihre<br />

spitzbübischen Gesichter und lustigen Pferde schwänze<br />

verpasste; er zeichnete die „Deckelbilder", wie man<br />

damals noch sagte, für zahlreiche weitere Schneider-<br />

Bücher und prägte mit seinem Stil das gesamte Erscheinungsbild<br />

des<br />

Verlags. Der<br />

inzwischen<br />

isch<br />

77-Jährige<br />

hat bereits für die<br />

Zukunft vorgesorgt,<br />

wie George berichtet:<br />

„Er hat auf seine eigene<br />

Anregung hin schon eine<br />

Reihe Bilder auf Halde<br />

gemalt, für die Zeit, wenn<br />

er einmal nicht mehr ist."<br />

Die Zeichnungen haben<br />

Kultcharakter: Echte<br />

Hanni-und-Nanni-Fans,<br />

sagt George, stricken sich<br />

sogar die Pullis von den<br />

Deckelbildern nach.<br />

© Schne<br />

chneider<br />

Buch<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 63


Foto: © 2012 UFA Cinema GmbH<br />

Die Autorin Enid Blyton starb bereits 1968 und hatte lediglich die<br />

ersten sechs Bände selbst verfasst, die bei Schneider erschienen: Sie<br />

erzählten die Abenteuer der Zwillinge in den ersten beiden Klassen und<br />

berichteten dann noch einmal aus der fünften. Doch in Deutschland<br />

war die Serie so erfolgreich, dass man sich bei Schneider schon in den<br />

70er Jahren entschloss, bei heimischen Autorinnen Fortsetzungen in<br />

Auftrag zu geben, um die Lücke zwischen den Klassen zwei und fünf<br />

zu füllen. „Man hat sehr lange ein Geheimnis darum gemacht, von wem<br />

diese Bücher wirklich stammten", räumt George ein; im Impressum<br />

mogelte man sich damals mit „Deutsche Bearbeitung: Franz Schneider<br />

Verlag" durch. Das ist heute anders: „Es steht immer noch Enid Blyton<br />

vorn drauf, das ist wie ein Markenzeichen, aber inzwischen wird im<br />

Impressum auch die wahre Autorin genannt."<br />

Hanni & Nanni, Teil 1<br />

– die Filme<br />

HANNI UND NANNI<br />

2010 kamen Hanni und Nanni nach ihrer Karriere in Büchern und auf<br />

Schallplatten auch auf die große Leinwand. Die Titelrollen übernahmen<br />

die Zwillingsschwestern Jana und Sophie Münster, unterstützt von<br />

renommierten deutschen Schauspielern wie Katharina Thalbach, Heino<br />

Ferch oder Hannelore Elstner. Die Handlung war nun fest in Deutschland<br />

verortet und gründlich modernisiert, aber die Grundidee blieb erhalten:<br />

Zwei widerspenstige Mädchen gewöhnen sich langsam am auf einem Internat<br />

ein, das sie erst ganz schrecklich finden. Nach<br />

dem großen Erfolg des erstens Teils folgte 2012<br />

"<br />

Hanni und Nanni 2", bei dem tatsächlich auch<br />

ein Junge mitspielte: Der gut aussehende Neffe der<br />

Französischlehrerin Mademoiselle Bertoux mischt<br />

das Internat gründlich auf.<br />

Im dritten Teil geht es noch<br />

mehr um die Liebe: Als statt<br />

einer Mädchenklasse englischer<br />

Austauschschülerinnen<br />

eine Busladung Jungen eintrifft,<br />

verlieben sich Hanni<br />

und Nanni – ausgerechnet in<br />

Hanni & Nanni Teil 1–3<br />

denselben Jungen.<br />

sind auf DVD & Blu-ray<br />

erhältlich<br />

Klub" ein Essen für ihre Lehrerinnen rinn<br />

en veranstalten alte<br />

n und<br />

die Italienerin<br />

Gina etwas ganz Exotisches kocht, das kaum jemand von den Mädchen<br />

richtig auf die Gabel<br />

bekommt: Spaghetti<br />

standen anno 1971,<br />

als<br />

die Originalausgabe<br />

Dadurch wurden die Bücher über die Jahre immer „deut-<br />

erschien, eben noch<br />

scher" und moderner: Die Kamine verschwanden, die<br />

längst nicht so häufig<br />

Lehrerinnen wurden vom Fräulein zur Frau, und der Alltag<br />

auf deutschen<br />

der 70er und 80er Jahre hielt Einzug in Lindenhof, auch<br />

Speisezetteln<br />

wie<br />

wenn es eine Welt ohne Fernsehen und Telefon blieb. Und<br />

heute. Aber wahrscheinlich<br />

so genießen Hanni und Nanni auch nach fast 50 Jahren<br />

wird<br />

hier zu Lande immer noch ungebrochene Beliebtheit:<br />

Meine neunjährige Nichte hat sich über die Schulbibliothek<br />

bereits mit dem Lindenhof-Virus infiziert und freut sich<br />

auch sie insgeheim<br />

davon träumen, in<br />

Lindenhof zur Schule<br />

darauf, den Stapel 70er-Jahre-Originale vererbt zu bekommen,<br />

die ich für diesen Artikel vom Dachboden geborgen<br />

Kamin zu rösten, um<br />

Hanni & Nanni Teil 3<br />

zu gehen, Brot am<br />

habe. Vielleicht wird es ihr ein bisschen komisch vorkommen, men wenn<br />

die Schülerinnen am Schluss von „Hanni und Nanni gründen einen<br />

Mitternacht bei Mondschein Sardinen mit Dosenmilch zu essen und vor<br />

allem: Hanni und Nanni als Freundinnen zu haben.<br />

DOLLY – Hanni und Nannis große Schwester Mädchenbücher aus Kaisers Zeiten<br />

Dolly ging schon vor Hanni und Nanni auf ein Internat: auf Burg Hanni und Nanni lösten eine andere Generation von Mädchenbüchern<br />

Möwenfels, eine Schule direkt am Meer. Die Bände um die jähzornige, aber ab, die in den 70ern immer noch gern von Omas und Opas verschenkt<br />

großherzige und mutige Dolly schrieb Enid Blyton noch vor der Reihe um und weiterhin gern gelesen wurden: „Nesthäkchen" von Else Ury,<br />

die Zwillinge. Es gibt viele Parallelen: die Atmosphäre an der Schule, der „Der Trotzkopf" von Emmy von Rhoden<br />

Zusammenhalt der Mädchen und die Eingliederung von Außenseiterinnen, oder die Reihe um „Pucki" von Magda<br />

die gütige Direktorin und natürlich die vielen Streiche, die gerade den Trott, die aus der Zeit vor dem Ersten<br />

Französischlehrerinnen immer wieder gespielt werden. Dolly ist jedoch von Weltkrieg stammten. Sie erzählten über<br />

Anfang an begeistert von ihrer Schule und lebt sich schnell dort ein: Das verschieden viele Bände alle eine mehr<br />

störrische Problemkind ist ihre spätere beste Freundin Susanne, die sich oder weniger ähnliche Geschichte von dem<br />

von den Eltern abgeschoben fühlt, seit ihre kleine Schwester auf der Welt ungebärdigen kleinen Wildfang, der stets zu<br />

ist. Ähnlich wie bei „Harry Potter" gab es<br />

Streichen aufgelegt ist, dann aber in einem<br />

bei Dolly einen Band pro Jahrgangsstufe, bis<br />

Institut für höhere Töchter zur verantwor-<br />

Dolly ihren Abschluss macht und Abschied<br />

tungsvollen jungen Frau geschliffen wird,<br />

von Möwenfels nehmen muss. Für die deut-<br />

um schließlich brav zu heiraten, Kinder zu<br />

schen Leserinnen ließ der Schneider Verlag<br />

bekommen und liebevoll und ergeben ihren<br />

sie jedoch zurückkehren: In zwölf weiteren<br />

Gatten zu umsorgen. Hanni und Nanni, die<br />

Bänden, die zum großen Teil von Rosemarie<br />

immerhin auch aus den 40er Jahren stammten, hatte ihre<br />

Schöpferin<br />

Eitzert geschrieben wurden (sie verfasste<br />

vermutlich ein ähnliches Schicksal zugedacht, aber in ihrer ausschließlich<br />

weiblichen Internatswelt wirkten sie emanzipiert genug, um von<br />

unter anderem als Tina Caspari auch die<br />

Reihe „Tina und Tini") wurde Dolly erst<br />

den Mädchen akzeptiert zu werden, die schon mit Pippi Langstrumpf<br />

Erzieherin, dann Hausmutter und schließlich<br />

Direktorin.<br />

mach' mir die Welt, wie sie mir<br />

aufgewachsen waren und es mit deren berühmtem Motto hielten: Ich<br />

gefällt.<br />

Foto: © 2012 UFA Cinema GmbH<br />

Seite 64 ■ GoodTimes 1/2014


Asterix und Obelix<br />

Von Horst Berner<br />

Neue Mentoren für<br />

die Gallier<br />

Asterix-Fans haben sich den 24. Oktober 2013 im<br />

Kalender rot angekreuzt, denn an diesem Tag bringt<br />

der Egmont Ehapa Verlag mit Band 35, Asterix<br />

"<br />

bei den P ikten", das neue Abenteuer der antiken<br />

Widerständler aus dem wohlbekannten gallischen<br />

Dorf in den Buch- und Zeitschriftenhandel. Das<br />

Besondere daran ist, dass es das erste Album ist,<br />

das nicht von den bisherigen Asterix-Autoren René<br />

Goscinny und Albert Uderzo gestal tet wurde.<br />

Ursprünglich hätte es einen derartigen Asterix-<br />

Band gar nicht geben sollen. Die Absicht der<br />

geistigen Väter von Asterix – Texter René<br />

Goscinny (bereits 1977 verstorben) und Zeichner<br />

Albert Uderzo (nach Goscinnys Tod auch als Texter<br />

aktiv, mittlerweile 86 Jahre alt und im Ruhestand)<br />

– war nämlich, dass es nach ihnen keine neuen n<br />

Comics mit dem gallischen Helden mehr geben wird.<br />

Dass es dann doch anders kam, ging einher mit der<br />

Veräußerung der Asterix-Rechte. Ab 2008 verkauften en<br />

nach und nach sowohl Albert Uderzo als auch Anne n<br />

Goscinny (Tochter von René Goscinny) und Sylvie Uderzo<br />

(Tochter von Albert Uderzo) ihre Anteile am Verlag<br />

Albert René an den französischen Branchenriesen<br />

Hachette, dem damit auch die Genehmigung eingeräumt<br />

wurde, die Bestseller-Reihe fortzuführen.<br />

Die beiden Neuen, denen man diese Großtat zutrau-ute,<br />

sind Texter Jean-Yves Ferri und Zeichner Didier<br />

Conrad, deren Geburt ins gleiche Jahr fällt wie die<br />

von Asterix: 1959. Diese Tatsache allein ist freilich<br />

nicht mehr als ein nettes Beiwerk. Die eigentliche<br />

Empfehlung erwarb sich das Duo durch seine bisherigen<br />

Leistungen als Urheber von beachtenswerten Comics. In<br />

Frankreich heimste beispielsweise Ferri für seinen „De Gaulle à<br />

la plage" viel Anerkennung ein. In diesem Album wirkt er als<br />

Texter und Zeichner und bietet subtilen Humor, der mitunter<br />

an den großen Filmkomiker Jacques Tati und eben an René<br />

Goscinny erinnert. Uderzo, von dem Ergebnis angetan, n, sagte<br />

dazu schlicht: „Der Junge hat Talent." Publiziert in deutscher<br />

Sprache gibt es derzeit von Ferri allerdings nur „Le Retour à<br />

la terre" als „Die Rückkehr aufs Land". Weitaus vertrauter sind<br />

dem hiesigen Publikum die Serien von Conrad: „Helden<br />

ohne Skrupel", „Bob Marone", „Donito", „Lucky Kid",<br />

„Cotton Kid", „Die<br />

Weiße Tigerin", „RAJ" oder „Marsu Kids". Das<br />

sind<br />

mit unverkennbarer<br />

Linienführung gefertigte Comics vol-<br />

ler Witz und Elan in<br />

der Tradition der klassischen franko-<br />

belgischen Schule. Erste freigegebene Bildbeispiele<br />

aus „Asterix bei den Pikten" lassen erahnen, dass<br />

der in Marseille geborene Künstler – seit 1996<br />

beheimatet<br />

et in der Nähe von Los Angeles, wohin<br />

ihn die Arbeit für DreamWorks führte – auch<br />

in Sachen gallische Spaß-Antike den richtigen<br />

Pinselstrich getroffen hat und als<br />

Uderzo-Nachfolger eine ausgezeichnete<br />

Wahl ist.<br />

Wenngleich die Geheimniskrämerei um den<br />

neuen Asterix-Band riesig ist – der Titel<br />

ist<br />

seit geraumer Zeit bekannt. Klar ist<br />

auch, dass der Comic (im französischen n<br />

Original: „Astérix chez les Pictes") am<br />

Erscheinungstag in nicht weniger als 23<br />

Sprachen gleichzeitig in den Verkauf geht.<br />

Das Abenteuer führt unsere gallischen Freunde<br />

nach Kaledonien, sprich ins antike Schottland,<br />

zu einem Volk, das seinen Namen den<br />

Römern verdankt. „Pikte" steht wörtlich<br />

für<br />

„bemalter Mensch". Des Weiteren ließ Ferri<br />

durchblicken, dass er sich für die von ihm erdachte<br />

„Art Liebesgeschichte zwischen einem Pikten und<br />

einem Mädchen, denen Asterix und Obelix zu Hilfe eilen", von der<br />

Debatte über die schottische Unabhängigkeitsbewegung anregen ließ.<br />

Dabei würden sie „auf Krieger und alte Clans stoßen, Whiskey entdek-<br />

ken, Dudelsäcke und das Monster von Loch Ness …" Sechs Monate hat<br />

Ferri an seinem Drehbuch für „Asterix bei den Pikten" geschuftet, um<br />

den hohen hen Ansprüchen gerecht zu werden, mit denen man<br />

sich<br />

als Nachfolger des genialen René Goscinny konfrontiert<br />

sieht. Conrad seinerseits hat bei der sich über neun Monate<br />

hinziehenden komplexen Zeichenarbeit im einmaligen Stil<br />

von Albert Uderzo nicht weniger als 18 Kilo verloren. Warum<br />

er diese Tortur auf sich genommen hat, erklärt seine Aussage:<br />

„Asterix ist ein Mythos. Dass ich Asterix zeichne, ist für<br />

mich ein<br />

außergewöhnliches Abenteuer. Damit geht ein<br />

Kindheitstraum in Erfüllung."<br />

Das alles klingt recht vielversprechend und nährt die<br />

Hoffnung, dass der „Pikten"-Band anders als die<br />

letzten Alben in der Reihe den Lesern wieder ein<br />

Mehr an Intelligenz und Pfiffigkeit bietet. Gerade<br />

diese Qualitäten haben Asterix in der Vergangenheit<br />

charakterisiert und hievten die gallische Saga in den<br />

Status einer Kultserie. Oder anders ausgedrückt: zum mit 350 Millionen<br />

Exemplaren – davon allein 130 in den französisch- und 120 in den<br />

deutschsprachigen Ländern – meistverkauften Comic auf der Welt, der<br />

in 110 Sprachen und Dialekte übersetzt ist.<br />

© Egmont Ehapa Verlag / 2013 Les Éditions Albert René<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 65


Spielerisch zu<br />

technischer Präzision<br />

Selbst gebastelte Weihnachtsgeschenke eschenke sollen<br />

besser ankommen als fertig<br />

gekaufte. Das muss sich<br />

der Fabrikant Artur Fischer<br />

(Jahrgang 1919) Mitte der<br />

60er Jahre gedacht haben, als<br />

er die üblichen Verdächtigen<br />

in Sachen Firmenpräsente à<br />

la Kugelschreiber und Feuerzeuge<br />

leid war. Dass er dabei<br />

zunächst konkret an fantasieförderndes<br />

Spielzeug für<br />

die Kinder von Mitarbeitern<br />

und Geschäftsfreunden dachte,<br />

sagt auch etwas über seine<br />

Mentalität als Unternehmer aus.<br />

Begonnen hatte alles nach dem Zweiten Weltkrieg: Nachdem<br />

Fischer 1949 den Synchronblitz für Fotoapparate erfunden hatte,<br />

den er Jahrzehnte lang für Agfa produzierte, machte ab 1958 der<br />

so genannte S-Dübel den endgültigen g n Aufstieg der in Tumlingen im<br />

Schwarzwald beheimateten<br />

Fischerwerke zu einem<br />

Konzern von Weltformat<br />

mit Millionenumsätzen<br />

im wahrsten Sinne des<br />

Wortes fest. Das graue<br />

Nylonröhrchen wurde so<br />

erfolgreich, dass es oft einfach<br />

nur „Fischer-Dübel"<br />

genannt wird. Und damit<br />

sind<br />

an dieser Stelle nur zwei der mehreren tausend<br />

Patente angesprochen, die Artur Fischer hält.<br />

Mit der Zahl könnte er Thomas Edison, dem<br />

wahrscheinlich namhaftesten Erfinder überhaupt<br />

(unter anderem Glühbirne, Schreibmaschine),<br />

Konkurrenz machen.<br />

Der Spreizdübel verschaffte dem Firmenchef „spielerische"<br />

Freiheit zur Gestaltung seiner Vorstellung eines Baukastens,<br />

basierend auf dem von Märklin, mit dem er selbst als Kind<br />

gespielt hatte. Über die Weihnachtsfeiertage 1963 sägte er<br />

aus Polyamid einen Grundbaustein zurecht, auf den ebenso<br />

das Prinzip eines Dübels angewendet wurde: Bis heute ist<br />

der<br />

charakteristische schwarze Zapfen mit dem – ursprüng-<br />

lich<br />

– grauen Baustein durch einen Stahlstift verbunden. Die<br />

Idee hinter den Grundbauteilen<br />

lautet, sie ohne Schrauben oder<br />

Ähnliches ineinanderschieben zu<br />

können, so dass an all ihren<br />

sechs Seiten stufenlos angebaut<br />

werden kann. Auf diese<br />

Weise erschuf der Fachmann im<br />

Befestigungsbereich schlechthin<br />

ein kindgerechtes Abbild von<br />

seinem Befestigungselement.<br />

Zu besagtem Baustein gesellten<br />

sich Räder, Achsen, Naben<br />

und Zahnräder. Weihnachten<br />

1965 war der Fischertechnik-<br />

Konstruktionsbaukasten fertig.<br />

Die erste Serie wurde der<br />

Aktion Sorgenkind des Zweiten<br />

Deutschen Fernsehens zur<br />

Verfügung<br />

gestellt.<br />

Dass Artur Fischer,<br />

der selbst nie studiert<br />

hat, mit Hilfe seines<br />

Kinderspielzeugs eine<br />

ganze Generation von<br />

Ingenieuren zu ihrem<br />

Beruf inspirieren würde,<br />

ahnte zu dem damaligen<br />

Zeitpunkt noch<br />

niemand. Ein rasanter<br />

Erfolg<br />

über<br />

die deutschen Grenzen hinaus zeichnete ih sich allerdings<br />

schnell ab. 1970 wurde Fischertechnik in Frankreich<br />

mit dem „Oscar du Jouet" für den wissenschaftlich und<br />

pädagogisch wertvollsten Konstruktionsbaukasten zeichnet.<br />

ausge-<br />

Bereits Ende der 60er Jahre war das Interesse so<br />

groß, dass neue Bauteile wie Motoren und<br />

Getriebe sowie statische, elektromechanie<br />

intesche<br />

und elektronische Elemente<br />

griert wurden. 1968 analysierte an<br />

der Pädagogischen Hochschule<br />

Heidelberg eine aus Pädagogen<br />

und Didaktikern zusammengesetzte<br />

Arbeitsgruppe Technische<br />

Bildung (ATB Heidelberg) mehrere<br />

gängige Baukästen. Das Resultat<br />

ihrer Untersuchungen lautete, dass s durch Fischertechnik<br />

Seite 66 ■ GoodTimes 1/2014


technisches Denken am stärksten gefördert werde und dass es das dazu<br />

am besten geeignete Arbeitsmittel sei. Dementsprechend kam eine<br />

Zusammenarbeit mit den Fischerwerken zustande. u-t 1 bzw. u-t 2 für<br />

Maschinentechnik (Kran, Seifenkiste, Gabelstapler und anderes) sowie<br />

u-t 3 bzw. u-t 3/1 entsprechend für Elektromechanik mit Glühlampen,<br />

Elektromagneten, Steckern usw. stellen nur zwei Beispiele für daraus<br />

entstandene Lernbaukästen dar.<br />

Schließlich wurde das Programm von Fischertechnik in Spielprogramm<br />

für Kinder ab sechs<br />

Jahre, Schulprogramm<br />

für alle Schularten<br />

und Schulstufen sowie<br />

Hobby-Programm<br />

für<br />

Jugendliche<br />

und Erwachsene<br />

unterteilt.<br />

Noch<br />

heute sind die<br />

Bauelemente für<br />

lassen. Obwohl seine Elemente von den Grundbauteilen abweichen,<br />

können sie problemlos in das „gewöhnliche" Fischer-System integriert<br />

werden. Anstöße zum Modellbau lieferten seit Ende der 60er<br />

regelmäßig erscheinende Clubhefte. Insgesamt haben sich in über 40<br />

Jahren 90 Ausgaben angesammelt. Wer<br />

diese Fundgrube durchforsten möchte,<br />

dem hilft das Internet, das für<br />

Anhänger eines technischen Spielzeugs<br />

kein Neuland darstellen dürfte. Ein<br />

Verzeichnis sämtlicher Modelle aus<br />

den Clubheften vom Flammenwächter<br />

über Nonsens wie den singenden n<br />

Hamster bis zum Katapult ist in einer<br />

Ausgabe von ft:pedia zu finden. Mit<br />

dieser seit 2011 unentgeltlich erscheinenden<br />

Quartalszeitschrift haben die<br />

Herausgeber Dirk Fox und Stefan Falk<br />

sich es zum Ziel gesetzt, Kinder und<br />

den gesamten naturwissen-<br />

schaftlich-technischen Unterricht bis hinauf<br />

zu den Hochschulen geeignet. Maschinen aus der Großtechnik<br />

und Funktionsabläufe in komplexen Produktionsanlagen können<br />

reproduziert werden. Der Sinn des womöglich intelligentesten technischen<br />

„Spielzeugs" erschöpft sich jedoch nicht im maßstabsgerechten<br />

Nachbau technischer Geräte zu Demonstrationszwecken.<br />

Genauso geht es um die Förderung<br />

der Fantasie und des logischen<br />

Denkens: Umgekehrt können an<br />

einem Fischertechnik-Modell künftige<br />

Arbeitsabläufe geprobt werden,<br />

so dass auch Firmen die Bausteine<br />

längst für sich entdeckt haben – und<br />

das nicht nur zur Erprobung, son-<br />

dern auch zum Einsatz als Arbeitsgerät.<br />

Beispielsweise baute bereits zu Beginn der<br />

70er Jahre eine Arzneimittelfirma ein<br />

Rührwerk für Blutuntersuchungen<br />

aus Fischertechnik, weil andere<br />

Geräte auf dem Markt größer<br />

und teurer waren.<br />

Doch<br />

zurück unter den<br />

Weihnachtsbaum und von<br />

dort in die Kinderzimmer, denn dort<br />

wurde die Basis für einen bis heute<br />

anhaltenden Erfolg von<br />

Fischertechnik<br />

gelegt, der sich unter anderem in einem<br />

vom Unternehmen selbst unterstütz-<br />

ten Fanclub mit über 30.000 Mitgliedern<br />

äußert. Mitte der 70ern kam<br />

für Kleinkinder<br />

das „3 bis 6"-System zum Spielen und Lernen<br />

zu Hause oder im Kindergarten dazu, aus dem sich<br />

zum Beispiel eine Eisenbahn oder Flugzeuge bauen<br />

Erwachsene für Technik zu begeistern – auch weil sie sich im Medien-<br />

Zeitalter in Anbetracht der konkurrierenden Angebote für Kinder wie<br />

Fernsehen und Computerspielen gewisse Sorgen um die künftige<br />

Innovationsfähigkeit Deutschlands machen. Auch in ft:pedia geben<br />

Autoren Anregungen zu Modellen, beispielsweise il i von der Wuppertaler tl<br />

Schwebebahn oder einem Planetarium. Es gibt vermutlich nichts, was<br />

sich mit Fischertechnik grundsätzlich nicht nachbauen ließe, sei es ein<br />

Morseapparat oder ein Blitzlichtgerät in Anlehnung an die Erfindung<br />

von Artur Fischer, die Fischertechnik wahrscheinlich überhaupt erst<br />

ermöglichte. Die anscheinend grenzenlosen Variationsmöglichkeiten<br />

machen mit Sicherheit eine Seite der Faszination aus. Auf<br />

der anderen Seite sind die Bauelemente unglaublich präzise.<br />

Angesichts dieser Erfolgsgeschichte erstaunt die<br />

Information, dass mit Fischertechnik lange Zeit kein Geld<br />

verdient wurde: Noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts<br />

handelte es sich dabei um ein Zuschussgeschäft, wie<br />

Fischer in einem Porträt verriet: „Ich habe mir die Freiheit<br />

genommen, von dem Geld, das ich mit Dübeln verdient<br />

habe, die Fischertechnik abzuzweigen." Denken Sie ehrfürchtig<br />

daran, wenn Sie das nächste Mal eine Schraube in<br />

einen Dübel drehen.<br />

Thorsten Pöttger<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 67


Made in Switzerland<br />

Ein Wegweiser zu<br />

18 Bond-Locations<br />

in der Schweiz<br />

Während die Schweiz vom Geheimdienstskandal erschüttert<br />

wird und Bankdaten von Informanten an fremde Länder verkauft<br />

werden, ist mitunter die Rede von der "<br />

James Bond Manier", in<br />

der Whistleblower geheime Daten übergeben. Kein Wunder: 007<br />

ist ein halber Schweizer. Seine Mutter war Schweizerin. Und sein<br />

geistiger Vater, Ian Fleming, hat das Alpenland zum Reich der<br />

Supergangster erklärt. Eine Spurensuche.<br />

I<br />

n „Die Welt ist nicht genug" betritt Bond in Spanien eine<br />

Bank – eine Schweizer Bank. Bevor das Geschäftliche<br />

geregelt wird, muss Pierce Brosnan sich filzen lassen. Sein<br />

Kommentar ist so trocken wie sein Martini: „Was wäre das für eine Welt,<br />

in der man nicht einmal einem Schweizer Bankier vertrauen kann?" Die<br />

geschäftliche Angelegenheit endet mit Betrug und Tod. Die Wahrheit<br />

ist: In James Bonds Welt sind die Schweizer Bankiers die Handlanger<br />

der Bösewichte. Wenn Bond, nun als Daniel Craig, in „Casino Royale"<br />

Geschäfte mit der Filiale der (fiktiven) Basler Bank in Venedig macht,<br />

dann lauern auch hier Betrug und plötzlicher Tod. Das ist das geistige<br />

Erbe von Ian Fleming. Der ließ sein Alter Ego, den Geheimagenten mit<br />

der Doppelnull-Nummer, immer wieder in der neutralen Schweiz gegen<br />

die Mächte des Bösen operieren. Und auch die Filmemacher nutzten<br />

die alpine Kulisse als Land, in dem nur scheinbar Frieden und Eintracht<br />

herrschen. Darum finden Fans der populärsten Filmserie aller Zeiten<br />

noch heute in dieser Drehscheibe Europas die Spuren des Kosmopoliten<br />

mit der Lizenz zum Töten.<br />

Goldfinger<br />

Location 1: Mit „Goldfinger" begann die besondere Liaison der<br />

Filmemacher mit Helvetien. Der Aston Martin verfolgt die Luxuskarosse<br />

seines Gegenspielers und taucht zuerst in Genf auf der Rue de Lausanne<br />

auf (beim Botanischen Garten).<br />

Location 2: Durch das Wunder des Filmschnitts befindet sich Bond in der<br />

nächsten Einstellung<br />

bereits auf dem hochalpinen<br />

Furkapass.<br />

Der silbergraue Aston<br />

Martin, das wohl<br />

berühmteste Fahrzeug<br />

der Filmgeschichte, ist<br />

zu sehen, wie er das<br />

Dorf Realp im Kanton<br />

Uri verlässt.<br />

Location 4: Bond, damals noch<br />

Sean Connery, stoppt auf dem<br />

Pass in der Haarnadelkurve bei der<br />

Kilometermarke 49 und entgeht<br />

um Haaresbreite dem Schuss aus<br />

einem Scharfschützengewehr.<br />

Location 5: 007 bringt das erste<br />

Gimmick seines Geheimagenten-Vehikels hik zum Einsatz: den legendären<br />

Pneu-Schredder. Die Einstellung, wie der Aston Martin damit ein Auto<br />

zum plötzlichen Halt zwingt, wurde auf der Furkastraße zwischen Realp<br />

und Zumdorf gedreht (auf Höhe des heutigen Campingplatzes).<br />

Location 6: Bond lässt seine Beifahrerin an der Tankstelle Aurora in<br />

Andermatt aussteigen.<br />

Der Betreiber<br />

der Tankstelle<br />

kann dem britischen<br />

Spion für<br />

den Zwischenstopp<br />

danken: Noch heute<br />

halten hier regelmäßig<br />

Touristen, um<br />

sich vor dem eher<br />

unüblichen Fotosujet teiner Benzinzapfsäule fotografieren fi zu lassen, und<br />

natürlich wird dann auch gleich „aufgetankt".<br />

Location 3: Goldfingers Weg führt am Rhône-Gletscher und dem<br />

bekannten Hotel Belvédère vorbei. Erwähnenswert, dass der Gletscher<br />

zum Zeitpunkt der Aufnahmen 1962, verglichen mit heute, wesentlich<br />

weiter ins Tal herunterragte.<br />

Seite 68 ■ GoodTimes 1/2014


Location 7: Bond beobachtet, wie Gert Fröbe in seiner Fabrik ankommt.<br />

Im Roman lebt Gauner Goldfinger im Waadtländer Städtchen Coppet – wo<br />

Ian Fleming im Jahr 1931 tatsächlich wohnte. Für sein filmisches Domizil<br />

wählten die Produzenten die noch heute existenten und im Flugzeugbau<br />

äußerst aktiven<br />

Pilatuswerke<br />

im luzernischen<br />

Stans aus (Stans<br />

liegt am Südfuß<br />

des Bürgenstocks,<br />

einer<br />

hochgelegenen<br />

VIP-<br />

Siedlung,<br />

die<br />

unter<br />

anderem<br />

lange die Heimat<br />

von Mel Ferrer und seiner Frau Audrey Hepburn war). Connery beobachtet<br />

diese Werkhallen von einem Hügel aus. Der Ausblick ist bis heute<br />

unverändert.<br />

Location 8: In Andermatt, wo heute ein Supermillionär ein Alpen-Ressort<br />

aus dem Boden stampft, logierte damals die Goldfinger-Filmcrew.<br />

Connery nächtigte<br />

im Hotel Bergidyll,<br />

das im heutigen<br />

Zustand kaum<br />

als Adresse von<br />

Superstars in Frage<br />

käme. In Zimmer 21<br />

allerdings, so will es<br />

die lokale Legende,<br />

soll Connery<br />

dann in seinen<br />

Drehpausen mit dem<br />

Zimmermädchen<br />

gleich noch<br />

Überstunden als<br />

Aufgeräumte Stimmung nach Drehschluss: Heini Holzhauser (rechts),<br />

seinerzeit Hotelpage im Andermatter Bergidyll, in illustrer Gesellschaft<br />

mit Bondgirl Tania Mallet (3. von rechts) und 007 himself.<br />

Verführer gemacht haben.<br />

Der damalige Hotelpage<br />

Heini Holzhauser erinnert<br />

sich mit diebischem<br />

Vergnügen, wie er dem<br />

bärenstarken Ringer<br />

Harold Sakata zeigte (er<br />

schleudert im Film einen<br />

tödlichen Zylinder), wo<br />

der Bartel den Most holt:<br />

Er schlug Sakata in der<br />

urchigen Disziplin, ein<br />

Spiel Jasskarten zu zerreißen.<br />

Im Geheimdienst Ihrer Majestät<br />

Location 9: Die Idee zur Alpenfestung eines weiteren größenwahnsinnigen<br />

Gangsters kam Fleming während seiner Weihnachtsferien<br />

im Engadin: Im<br />

Hotel Kronenhof-<br />

Bellavista erdachte<br />

er „Im Geheimdienst<br />

Ihrer Majestät". Sein<br />

Einfall, den Schurken<br />

Blofeld auf einer<br />

Bergspitze logieren<br />

zu lassen, stellte die<br />

Filmemacher freilich<br />

vor ein großes logistisches<br />

Problem. Es war<br />

für den Schweizer<br />

Tourismus und für<br />

die 007-Macher ein<br />

wahrer Glücksfall, dass just 1967 ein Bergrestaurant t in den Berner Alpen<br />

geplant war, auf<br />

dem fast 3000<br />

Meter hohen<br />

Schilthorn – es<br />

ist der einzige<br />

bis zum heutigen<br />

Tag real existierende<br />

Bond-<br />

Set (denn was<br />

am Ende in die<br />

Luft fliegt, ist<br />

lediglich li ein täuschend echtes Modell). Die Produzenten finanzierten<br />

den Bau mit<br />

und durften<br />

dadurch<br />

architektonisch<br />

eingreifen<br />

(so<br />

legten sie<br />

etwa einen<br />

Helikopter-<br />

Landeplatz<br />

an). Die<br />

Aargauer<br />

Firma De Sede lieferte die Möbel fürs Interieur, und Bond-Freunde<br />

d<br />

können sich bis heute daran erfreuen,<br />

Teile des Filmsets in Augenschein<br />

zu nehmen. So ist die Verkleidung des<br />

Treppenaufgangs unschwer wiederzuerkennen,<br />

und an prominenter Stelle hängt<br />

Blofelds „Familienwappen". Die Schweizer<br />

waren clever genug, sich das Recht einzuräumen,<br />

mit dem 007-Logo Werbung zu<br />

betreiben – einen solchen Deal sind die<br />

Bond-Produzenten nie mehr eingegangen.<br />

Location 10:<br />

Bond, jetzt als<br />

George Lazenby,<br />

wird am Bahnhof<br />

Lauterbrunnen im<br />

Pferde schlitten<br />

abgeholt. Bis auf<br />

einige bauliche<br />

Veränderungen ist die<br />

Station so ursprünglich wie damals.<br />

Location 11: Bond entledigt sich eines Gegners, indem er ihn<br />

die markante Mürrenflüh-Felsspalte hinabstürzt, heute eine<br />

gefragte – und gefährliche – Location für Basejumper.<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 69


Location 12: Bonds<br />

Flucht vom Schilthorn<br />

führt ihn zu einer<br />

Schlittschuh-Bahn.<br />

Der Eiskarneval und<br />

das Stockcar-Rennen<br />

wurden im bernischen<br />

Grindelwald gedreht.<br />

Location 13: 007 versucht, mit London zu<br />

telefonieren, wird aber in der Telefonkabine<br />

beschossen. Der Tatort ist noch heute einfach<br />

zu finden: gleich beim alten Schulhaus von<br />

Lauterbrunnen.<br />

George Lazenby mit<br />

den Bond-Girls in<br />

Mürren 1969.<br />

007-Produzenten ist zurückzuführen, das in Mürren heute noch<br />

Nachkommen jener lebhaften Drehtage leben: die „Bond-Babys", wie<br />

sie im Volksmund genannt werden.<br />

Im Angesicht des Todes<br />

Location 16: Bond, jetzt sieht<br />

er schon aus wie Roger Moore,<br />

entflieht russischen Häschern<br />

in Sibirien i auf Skiern – tatsächlich ttähli h<br />

wurde im Engadin gedreht, auf dem<br />

Morteratsch-Gletscher (der auch<br />

Drehort des Sean-Connery-Streifens<br />

„Five Days One Summer" war).<br />

Goldeneye<br />

Location 17: 007, nunmehr als Pierce<br />

Location 14: In einer ruhigen Minute von „Im<br />

Geheimdienst Ihrer Majestät" steigt George<br />

Lazenby aus dem Auto seiner Geliebten, um<br />

in Bern ein Anwaltsbüro aufzusuchen. Die<br />

Brosnan, riskiert den Bungy-Sprung<br />

von einer russischen Staumauer. Erneut<br />

doubelt die Schweiz für Sibirien:<br />

Am Verzasca-Staudamm im Kanton<br />

Fahrt führt vorbei an der damals populären<br />

Touristenattraktion, dem „Bärengraben", und<br />

endet an der Berner Adresse Bollwerk 15.<br />

Bond stiehlt geheime Unterlagen und übergibt bt seine Beute auf dem<br />

Balkon des Hotels Schweizerhof (diese Sequenz fiel in der Kinofassung<br />

Tessin kann heute,<br />

wer für einmal den<br />

der Schere zum Opfer, ist aber in den digitalen Versionen wieder eingefügt<br />

Adrenalin-<strong>Kick</strong> des<br />

worden).<br />

Super-Agenten spü-<br />

ren will, den „James-<br />

Location 15: Die Dreharbeiten<br />

Bond-Sprung" am<br />

am Schilthorn<br />

Gummiseil wagen.<br />

wurden durch die<br />

Wetterverhältnisse stark<br />

Location 18: Auf der<br />

verzögert. Cast und<br />

Flucht aus Sibirien<br />

Crew lebten im nur per<br />

stürzt 007 auf seinem<br />

Seilbahn erreichbaren<br />

Motorrad über<br />

Kurort Mürren. Lazenby<br />

eine Klippe, nur um in<br />

war, seinem Bond-<br />

ein Flugzeug umzu-<br />

Status entsprechend,<br />

im Grand-Hotel Htl<br />

steigen: Diese spekta-<br />

kuläre Sequenz wurde<br />

am Tällistock aufgenommen, wiederum id im Berner Oberland.<br />

untergebracht<br />

(das mittlerweile<br />

schlie-<br />

ßen<br />

musste),<br />

Bösewicht<br />

Telly<br />

Savalas<br />

im Jungfrau,<br />

während<br />

Regisseur<br />

In der letzten Szene von „Skyfall"<br />

erleuchtet ein Feuer gespenstisch einen en<br />

Grabstein mit der Inschrift „Monique<br />

Delacroix": James Bonds Mutter.<br />

Gestorben ausgerechnet beim Ski-<br />

Unfall in der Schweiz. Ihr reales Vorbild<br />

war Monique Panchaud de Bottens.<br />

Fleming traf sie als junger Diplomat in<br />

Peter<br />

Hunt<br />

Genf – sie blieb die große, aber unerfüllte<br />

im Chalet Uhu und<br />

Liebe seines Lebens. Zeit seines<br />

Bond-Girl Diana<br />

Lebens kehrte der Schriftsteller immer<br />

Rigg<br />

im Chalet<br />

wieder zurück in die Schweiz, um<br />

Am<br />

Rauft wohn-<br />

ten.<br />

In der Tächi-<br />

Bar<br />

des Eigerweltbekannte<br />

Zeitgenossen zu treffen,<br />

dem Alpinsport zu frönen und seiner<br />

Verflossenen nachzutrauern. In seinen<br />

Hotels hängt<br />

Romanen ließ er die Verwalter dubioser<br />

bis heute ein<br />

Vermögen auftreten, die Schweiz stell-<br />

Dankesschreiben<br />

te er als Paradies für Spione dar. Fleming pflegte wahrlich h ein<br />

der Bond-Pro du zenten. Auf die Durch mischung<br />

ambivalentes Verhältnis zu diesem Land. Und Bond, James Bond, hat<br />

mit der Dorfbevölkerung und vielleicht auch auf dieses Misstrauen von ihm geerbt.<br />

den<br />

reichlichen Alkoholausschank auf Kosten der<br />

Roland Schäfli<br />

Seite 70 ■ GoodTimes 1/2014


<strong>kult</strong>! Abo-Schein<br />

✘❏ Ja,<br />

ich möchte ein<br />

<strong>kult</strong>! -Abonnement<br />

• kostenlose Lieferung<br />

• Zustellung früher als im Einzelhandel<br />

• sicher verpackt<br />

• keine Ausgabe verpassen<br />

Auch bestellbar unter:<br />

www.goodtimes-magazin.de<br />

Kommende geplante Ausgaben:<br />

Nr. 10 (2/2014) erscheint am 17.4.2014<br />

Nr. 11, Nr. 12, Nr. 13 usw.<br />

(Nr. 1–9 weiterhin erhältlich)<br />

❏<br />

per Bankeinzug (nur Inland)<br />

Es wird die jeweils anstehende Ausgabe mit dem aktuell gültigen Copypreis (derzeit € 6,50 – keine Versandkosten)<br />

abgebucht. Das Abo kann laufend gekündigt werden.<br />

Bank: _____________________________________________________________________________________________<br />

BLZ: _____________________________________________________ Konto-Nr.: _______________________________<br />

Die Genehmigung zum Bankeinzug und die Information über die 14-tägige Widerrufsmöglichkeit bestätige ich mit meiner folgenden Unterschrift:<br />

Datum: _____________________ Unterschrift: ____________________________________________________<br />

Vor-/Nachname: ________________________________________ Straße: _____________________________<br />

PLZ/Ort: __________________________________________________ Land: _________________________________<br />

Telefon: ____________________ Fax: _____________________ email: ________________________________<br />

❏<br />

per Vorabüberweisung (Ausland)<br />

Überweisen Sie bitte vorab für ein oder auch mehrere künftige <strong>kult</strong>!-Ausgaben (je 6,50 €) auf folgendes Konto:<br />

NikMa Verlag · Kreissparkasse Ludwigsburg · Konto: 108 294 · BLZ: 604 500 50<br />

IBAN: DE38 6045 0050 0000 1082 94 · BIC: SOLADES1LBG · Betreff: <strong>kult</strong>!-Abo Ausgabe(n) Nr. 9, 10 usw.<br />

Abo-Bestellschein bitte faxen an: 0 70 42/37660-188 oder ausschneiden bzw. fotokopieren und senden an:<br />

NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 71


Kugellautsprecher –<br />

Rundum-Schlag<br />

Audiorama 7000<br />

Mit<br />

den kugeligen<br />

Audiorama-Laut sprech<br />

ern gelang Grundig in den<br />

70ern ein highfideler Coup.<br />

Die runden Boxen aus Fürth<br />

sahen cool aus und klangen<br />

einzigartig.<br />

Von Lothar Brandt<br />

Deutschland, Ende der 60er Jahre: So ganz langsam begann sich der<br />

spießige Mief aus Köpfen, Wohnstuben und Erziehung zu verziehen,<br />

allmählich wich der braune Untertanengeist in Westdeutschland dem<br />

Mut, mehr Demokratie zu wagen. In der verklärenden Rück-Sicht scheint<br />

„68" immer die gesamte Gesellschaft beherrscht zu haben. Pustekuchen.<br />

Bis ein freieres, aufgeklärteres, lebensfroheres Denken e den Laden ganz<br />

durchdrungen hatte, sollten allerdings Jahre<br />

vergehen.<br />

Nichtsdestotrotz – einige begannen, sich zu trauen.<br />

Zum Beispiel Lautsprecher in Kugelform zu<br />

bauen. Das war auch so ein bisschen revolutionär.<br />

Denn der deutsche Schallwandler hatte viereckig,<br />

möglichst versteckt hinter Gardinen oder<br />

Möbeln seine Pflicht zu erfüllen. Nun wagte<br />

sich ausgerechnet Grundig, jenes erzbundesdeutsche<br />

Vorzeige-Unternehmen unter Patriarch<br />

Max Grundig, einen Lautsprecher anzubieten,<br />

der nicht nur kugelrund war, sondern der auch<br />

als Blickfang im Zimmer stehen oder gar – auch<br />

das nahezu umstürzlerisch – hängen durfte. Genauer: sogar sollte. Und<br />

Grundig war nicht die erste und nicht die einzige Firma; auch JVC aus<br />

Japan oder Telefunken aus Deutschland zum<br />

Beispiel gaben den Kunden die Kugel.<br />

Aber nur Grundig verschaffte seinen<br />

Lautsprechern den Ruf und kommerziellen<br />

Erfolg, so dass heute fast nur noch die<br />

Franken aufgerufen werden, wenn es darum<br />

geht, wer den Stein ins Rollen brachte. Das<br />

mag auch an dem griffigen Namen gelegen<br />

haben: Audiorama. Die lustige Verbindung von<br />

Audio (lateinisch: ich höre) und Panorama wurde<br />

zur Marke. Wer Kugellautsprecher sagte, meinte<br />

Grundig Audiorama.<br />

Es kursieren unterschiedliche Versionen, wann es mit<br />

den Audioramas losging. Der oft genannte Ursprung, der<br />

„Kugelstrahler 700" von 1969, hieß offiziell noch nicht Audiorama,<br />

strahlte mittlere und hohe Töne aber schon in mehr oder weniger in alle<br />

Richtungen ab, darf also als veritabler Urahn gelten. So richtig rund lief<br />

die Sache ab 1970/71. Da kam mit der Audiorama 7000<br />

die erste und in den Augen vieler Fans einzig wahre<br />

Kugelbox auf den Markt. Die kostete pro Paar 1600<br />

Mark, damals ein kleines Vermögen.<br />

Man darf nicht vergessen: Die frühen 70er waren<br />

auch hinsichtlich High Fidelity eine andere Zeit.<br />

Die heute nahezu entsorgte deutsche HiFi-Norm<br />

DIN 45500 war das Maß der Dinge. Kaum ein<br />

Verstärker leistete mehr als 100 unverzerrte Watt<br />

pro Kanal, die meisten Schallplattenspieler frästen<br />

die Vinylscheiben eher, als dass sie sie abtasteten, kaum<br />

ein Lautsprecher übertrug tiefste und höchste Frequenzen so<br />

unverzerrt und kraftvoll, wie man<br />

das heute schon von kleinen, feinen<br />

HighEnd-Boxen gewohnt ist. Ein<br />

Irrtum war damals so präsent wie<br />

noch oft heute: Die Prospekte versahen<br />

Lautsprecher mit einer Watt-<br />

Zahl – und der geneigte Käufer<br />

schloss darauf auf den maxima-<br />

len<br />

Radau, den er damit machen<br />

konnte. Dabei war es de jure lediglich<br />

eine Angabe darüber, wie viel<br />

Leistung man in den Speaker jagen<br />

konnte, ohne dass er kaputtging.<br />

Dass schwache, h an der Leistungsgrenze stramm verzerrende<br />

Transistorverstärker eine Box viel eher zerstören können<br />

Audiorama 7000<br />

Seite 72 ■ GoodTimes 1/2014<br />

Audiorama 4000


als kraftvolle, mit Reserven gesegnete Exemplare oder viele Röhren-<br />

Amps, dass der Wirkungsgrad für die tatsächlich erzielbare Lautstärke um<br />

Faktoren wichtiger war als die Belastbarkeit, verschwieg man getreulich.<br />

Also auch Grundig. Die Familie der Audioramas nannte sich nach der DINadäquaten<br />

Wattzahl plus zwei Nullen hintendran. Die Audiorama 7000<br />

vertrug also 70 Watt.<br />

Es ist wundervoll, dazu im zeitgenössischen<br />

Prospekt heute folgende<br />

Beschreibung zu lesen:<br />

„Diese Kugel mit 12 hochwertigen<br />

Lautsprechern und einem<br />

supermodernen Styling verspricht<br />

ein völlig neues Klangerlebnis.<br />

Naturgetreue Rundumstrahlung<br />

aller Töne des angegebenen n<br />

Übertragungsbereiches. Deutliche,<br />

saubere Höhen, kräftige ausgeglichene<br />

Mitten und runde, weiche Bässe. Bestmögliche<br />

Beschallung auch in schwierigen akustischen Fällen.<br />

Universelle Verwendbarkeit für Disotheken, Hotels,<br />

Konzerträume und zu Hause. Ein elegantes Fußgestell<br />

und eine dekorative Kettenaufhängung werden mitgeliefert."<br />

Na, das ist doch was. Zu lesen im Grundig-<br />

Prospekt 1970, als der Lautsprecher zwar fertig war,<br />

aber der Preis noch nicht feststand.<br />

Für die dann 1971 aufgerufenen 798 D-Mark<br />

pro Stück Audiorama 7000 gab es ja auch viel:<br />

Die angelieferte Musikleistung verteilte jeder<br />

Lautsprecher wirklich auf sage und schreibe<br />

zwölf Schallwandler intern, schön symmetrisch<br />

verteilt auf beide Halbkugeln. Vier<br />

Tieftöner und acht Hochtöner übernahmen<br />

den angegebenen Übertragungsbereich von<br />

45 bis 20.000 Hertz, wobei die Hochtöner<br />

so bei etwa 3500 Hertz übernahmen. Die<br />

45 Hertz entsprechen etwa der tiefsten Saite<br />

eines Kontrabasses, die 3500 Hertz liegen weit<br />

oberhalb des so genannten Grundtonbereichs schon im klangentscheidenden<br />

Obertonspektrum von Musik, die 20.000 Hertz markieren die<br />

obere Hörgrenze eines gesunden Kleinkindes.<br />

Versetzen wir uns noch einmal in die zeitgenössische Hör<strong>kult</strong>ur.<br />

Den Schall auf mehrere so genannte Wege zu verteilen – eine<br />

Frequenzweiche splittete das vom Verstärker gelieferte Vollbereichssignal<br />

–, war schon gang und gäbe. Großflächige Membranen kamen leichter<br />

mit tiefen Frequenzen zurecht, kleine und leichte besser mit hohen.<br />

Okay, nichts Neues bei Grundig. Aber seinerzeit wurden fast ausschließlich<br />

Konusse verwandt, also nach innen gezogene Trichter, auch<br />

für die Hochtöner. Die hatten aber den unangenehmen Effekt,<br />

zu höheren Frequenzen immer stärker zu bündeln. Das<br />

führte eben erstens dazu, den Stereohörer im gefürchteten<br />

„Stereodreieck" an einen bestimmen Hörplatz zu fesseln,<br />

sollte der alles mitbekommen. Und zweitens vernahm der<br />

Lauscher – das menschliche Ohr leistet das Richtungshören<br />

über die Obertöne – die Musik doch sehr direkt aus den Boxen<br />

mit sehr strenger Links-Rechts-Trennung, ohne echte Mitte, was nicht<br />

sehr naturnah ist. Mit den später aufkommenden Kalotten-Hochtönern<br />

– eine nach außen gewölbte Halbkugel-Membran übernahm da die<br />

Abstrahlung – wurde das Bündelungsproblem abgemildert, aber die<br />

hatte Grundig noch nicht zur Verfügung.<br />

Und so verteilten die Fürther eben rundum. US-Konkurrent Bose hatte<br />

mit der 901 schon länger einen „Direct Reflecting"-Brüller am Markt, der<br />

acht Neuntel des Schalles nach hinten/seitwärts abstrahlte und so für<br />

verblüffend räumliche Klangbilder sorgte, freilich aus einem noch eckigen<br />

Gehäuse. Doch die Grundig Audioramas machten eine wahrhaft runde<br />

Sache draus. Der Autor erinnert sich noch gut an jene ersten Erlebnisse im<br />

Wohnzimmer eines Klassenkameraden, dessen begüterter Papa HiFi- und<br />

Musikfan war und die Grundig-Kugeln als einer der ersten im Heimatort<br />

besaß. Wow – das war doch was anderes als aus der Musiktruhe<br />

bei Vattern, als Jethro Tulls "Locomotive Breath" durchs ganze<br />

Zimmer fauchte. Und man wusste wirklich nicht genau, woher<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 73<br />

der Wind wehte, der Tull-Schall schien völlig losgelöst von den Boxen.<br />

Und bei klassischer Musik füllte das Orchester nun wirklich eine imaginäre<br />

Bühne und einen Saal, statt verdruckst aus zwei Ecken zu plärren.<br />

Keine Frage, Grundig war ein großer Wurf gelungen. Aber zu einem<br />

satten Preis, den nur wenige Deutsche damals für Lautsprecher zu zahlen<br />

bereit waren. Ein VW Käfer 1302 kostete anno 1970 schließlich 5745<br />

D-Mark, gerade dreieinhalbmal ein Paar Audiorama 7000 – und<br />

das heilige Blech rangierte deutlich höher in der Wertschätzung als<br />

Musikwiedergabe. Nochmals: Der Durchbruch auch der musikindustriellen<br />

Revolution stand in Deutschland ebenso noch bevor wie die<br />

japanische Invasion mit bezahlbarer Elektronik und der Sprung von<br />

High Fidelity auf Platz 3 im Schulhofsgesprächsranking unter Jungs<br />

nach den Dauerbrennern Fußball und Mädels.<br />

Grundig sah das Problem und ersann Abhilfe mit der Audiorama<br />

4000, ab 1973 verkauft und nur noch 800 D-Mark pro Paar teuer.<br />

Sie<br />

war mit einem Durchmesser von 25<br />

Zentimetern und damit einem Volumen von<br />

etwa sieben Litern merklich kleiner als die<br />

7000 mit 31 Zentimetern Durchmesser. Auch<br />

leichter (6,8 gegenüber 13,5 Kilogramm), was<br />

auch daran lag, dass intern pro Stück nur vier<br />

Chassis werkelten: zwei Tieftöner und zwei<br />

immerhin schon Kalottenhochtöner. Mit<br />

angegebenen 40 Watt Belastbarkeit zielte<br />

sie auf kleinere Verstärker, kleinere Räume<br />

und kleinere Geldbeutel – was ihr schließlich<br />

auch den Rang eines Klassikers einbrachte.<br />

Es kamen noch mehrere weitere Audioramas<br />

nach ihr, unterschiedlich groß, unterschiedlich gut,<br />

unterschiedlich teuer und höchst unterschiedlich<br />

erfolgreich. Doch nur die 7000 und die 4000 gelten<br />

als<br />

die „richtigen". Nur sie haben echten Kultstatus.<br />

Grundig, längst aus Familienbesitz durch viele Hände<br />

gewandert und inzwischen in türkischem Besitz<br />

gelandet, versuchte 2009 davon zu profitieren. Mit<br />

der Audiorama 9000 brachte die Firma ein Remake<br />

mit zeitgemäßer Technik in freilich nicht mehr kugelrunder,<br />

sondern leicht ellipsoider Gestalt. Auch wieder in Schwarz oder<br />

Weiß lieferbar, auch wieder mit Fuß (nur diesmal kein Trompetenfuß<br />

oder Dreibein, sondern Stab auf Platte) oder mit Deckenhalterung zu<br />

haben. Um 1200 Euro Paarpreis ohne Fuß, ein Kalottenhochtöner pro<br />

Box strahlte nach oben auf einen Diffusor-Kegel – Preis und räumliches<br />

Klangbild stimmten. Die HiFi-Journaille und natürlich die Trendhechler<br />

stürzten sich auf das Objekt; und zumindest die HiFi-Tester mit dem<br />

nostalgischen Herz auf dem rechten Fleck bewerteten gnädig.<br />

Doch viel spannender ist natürlich, eine originale Audiorama heute zu<br />

hören. Ein Zürcher Freund des Autors ist nicht nur Sprachgenie<br />

und Weinkenner, sondern auch Vintage-HiFi-Fan. Als solcher<br />

hat er vor Jahren eine exzellent erhaltene Audiorama 4000<br />

erworben, die nun in seiner mit 70er-Jahre-Equipment<br />

prunkenden „Zweit"-Anlage, besser seiner „Gute-Zeit"-<br />

Anlage läuft.<br />

Apropos: Wer sich heute eine Audiorama via Ebay oder sonstwie<br />

gebraucht kauft, sollte auf folgende Schwachstellen achten: originaler<br />

Fuß ohne (an-)gebrochene Schraube? Anschlusskabel noch original<br />

oder abgeschnitten? Beulen oder Dellen in den Halbschalen? Ist das<br />

Grundig-Wappen noch am „Nordpol"? Ist der Alu-Zierring am „Äquator"<br />

noch intakt, desgleichen die abdichtenden Gummiringe? Irgendwelche<br />

„Ranks"-Geräusche bei Musik? Wenn alles okay ist, kann man auch<br />

gerne bis zu 400 Euro für eine 7000 oder 250 Euro für eine Audiorama<br />

4000 in Topzustand investieren.<br />

Mit der bevorzugten Musik des angesprochenen Freundes, Reggae aus<br />

den obskursten karibischen Quellen, hatten wir jedenfalls schon verdammt<br />

viel Spaß. Ein im strengen Vergleich mit heutigen HighTech-Züchtungen<br />

etwas magerer, auch unpräziser Bass – na und? Im wiegenden Reggae-<br />

Rhythmus hebt das eher noch den Coolness-Faktor. Ein wenig schlappe<br />

Höhen – he, wir sind hier nicht im Präzisionslabor. Aber dieser raumfüllende,<br />

geradezu spacig-losgelöste Sound, der unaufdringlichsanfte<br />

Wellengang der Musik: Die Art Rundumschlag lässt man<br />

sich noch heute gerne gefallen.<br />

Remake Audiorama 9000


DAS JAHR 1973<br />

..<br />

Kein Ol,<br />

ein Klo, viel<br />

Klimbim<br />

Von Bernd Matheja<br />

Sportfans darbten: keine Fußball-WM und<br />

-EM, Olympische Spiele weder im Sommer<br />

noch Winter. Speziell in der tristeren Jahreszeit<br />

drohte weitere Abkühlung: Öl wurde radikal verknappt<br />

und damit brutal teurer. Nur gut, dass es<br />

da wenigstens für dringende Freiluftgeschäfte e<br />

neue Rückzugsflächen mit schützendem Dach<br />

gab. Und für weitere Erwärmung sorgte eine e<br />

komplett durchgeknallte Fernseh-Familie.<br />

ZEITGESCHICHTE<br />

1973<br />

Am 27.1. schließen Nordvietnam und die USA ein<br />

Waffenstillstandsabkommen. *** Mit Beginn des Jahres tritt in der<br />

Bundesrepublik die Verkürzung des Wehrdienstes auf 15 Monate (zuvor<br />

18) in Kraft. Am 1.7. wird er außerdem<br />

juristisch dem Zivildienst gleichgestellt.<br />

*** Amerikanische Indianer<br />

wehren sich: Am 27.2. besetzen sie<br />

die Ortschaft Wounded Knee in<br />

South Dakota. *** Die Mehrheit<br />

der Nordiren (57%) entscheidet<br />

sich in einem Referendum am 8.3.<br />

Wounded Knee<br />

für die weitere Zugehörigkeit zu<br />

Großbritannien. i Abgelehnte lh Alternative: Irland. *** Die größte Hubbrücke<br />

der Welt wird am 21.3. in Hamburg dem Verkehr übergeben ( "<br />

Kattwyk-<br />

Brücke"). *** Eröffnung des World Trade Centers in New York am<br />

4.4.; die beiden über 400 Meter hohen Türme („Twin Towers") sind<br />

terroristisches Attentatsziel am<br />

11.9.2001 (mehr als 3000 Tote).<br />

*** Watergate-Skandal und kein<br />

Ende: Die Nixon-Handlanger<br />

Gordon Liddy und James<br />

McCord gehen wegen Einbruchs<br />

in den Knast, die Berater John<br />

Kattwyk-Brücke<br />

Ehrlichman und Bob Haldeman<br />

treten zurück, Jurist John Dean wird gefeuert. Der Präsident bleibt<br />

weiter im Amt. *** Am 8.5. treten Mitglieder der RAF (Rote Armee<br />

Fraktion) aus Protest gegen die Haftbedingungen in einen unbefristeten<br />

Hungerstreik. *** Start der Weltraumstation „Skylab" am<br />

14.5. *** Willy Brandt besucht als erster Bundes kanzler Israel (7.6.).<br />

Helmut *** Fünf<br />

Kohl<br />

T a g e<br />

später<br />

w i r d<br />

Helmut<br />

Kohl in<br />

Bonn<br />

mit 86,6% der Si Stim men zum CDU-<br />

Vorsitzenden gewählt; er löst Rainer<br />

Barzel ab und behält das Amt 25 Jahre<br />

lang. *** Am 1.7. wird in Chile der<br />

Salvatore Ausnah me ezustand ausgerufen. Das<br />

Allende Militär unter der Leitung von Augusto<br />

Pinochet putscht am 11.9., der demokratische<br />

Regierungschef Salvatore<br />

Allende nimmt sich während des<br />

Angriffs auf den Präsidentensitz das<br />

Leben. *** Milliardärs-Enkel John Paul<br />

Getty III. wird am 15.7. in Rom entführt.<br />

Si Sein Großvater verweigert eine Lösegeldzahlung, bis die Täter ihm ein<br />

Ohr des Opfers schicken. Der alte Herr drückt die geforderte Summe von<br />

17 auf 3 Millionen Dollar. *** Die X. Weltfestspiele<br />

der Jugend und Studenten mit Delegierten aus 142<br />

Nationen finden vom 28.7. bis 5. August in Ost-<br />

Berlin statt. Besucherzahl: rund acht Millionen. ***<br />

Heinz Alfred „Henry" Kissinger aus Fürth tritt sein<br />

Amt als Nachfolger von US-Außenminister William<br />

Rogers am 22.8. an. *** Die Bundesrepublik<br />

und die DDR werden als Mitglieder Nr. 133<br />

und 134 in die Vereinten Nationen aufgenommen<br />

(18.9.). *** Flächendeckende Einführung der<br />

John Paul Getty III<br />

Seite 74 ■ GoodTimes 1/2014


Notrufnummern 110 und 112 in der BRD<br />

am 20.9. *** Der DDR-Staatsratsvorsitzende<br />

Walter „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu<br />

bauen" Ulbricht stirbt am 1.8.; sein Nachfolger<br />

Willi Stoph nimmt am 3.10. die Amtsgeschäfte auf.<br />

*** Jom-Kippur-Krieg: Am 6.10. greifen Syrien und<br />

Ägypten auf den Golanhöhen Israel an. *** Nächster<br />

Krach im Weißen Haus: Vizepräsident Spiro Agnew<br />

geht am 10.10. (Vorwürfe: Steuerhinterziehung,<br />

Bestechung). Ihm folgt Gerald Ford im Amt nach.<br />

Rufe nach einer Amtsenthebung für Präsident Nixon<br />

mehren sich. *** Ölkrise nahezu weltweit: Die Opec-Staaten erhöhen<br />

die Preise um 70 Prozent, senken<br />

zugleich die Fördermenge um 25<br />

Prozent, gezielte Lieferboykotte<br />

– u.a. gegen die USA – folgen.<br />

Grund für die Maßnahmen: Die<br />

Israelis sollen arabische Gebiete<br />

verlassen. Folge der Verknappung<br />

in der BRD ab 25.11.: vier<br />

Opec-Konferenz<br />

Sonntagsfahrverbote werden<br />

erlassen, um Sprit zu sparen. *** Am 17.11. wird in Athen ein<br />

Studentenaufstand gegen Giorgios Papadopoulos' Militärregime blutig<br />

niedergeschlagen. *** 23.11.: Die bundesdeutschen Fluglotsen beenden<br />

ihren halbjährigen Streik. ***<br />

1973<br />

SPORT<br />

In Kingston auf Jamaika wird George Foreman am 22.1.<br />

Boxweltmeister im Schwergewicht. Er besiegt mit dem siebten<br />

Niederschlag in nur zwei Runden Joe Frazier durch technischen<br />

Knockout. *** Erste Leichtathletik-Weltmeisterin der Geschichte wird<br />

Paola Cacchi am 17.3. im belgischen Waregem. Sie gewinnt den Crosslauf.<br />

*** Kaum Neues bei der Eishockey-Weltmeisterschaft in Moskau<br />

vom 31.3. bis zum 15.4.: Die lokalen Kufenroboter beenden das Turnier<br />

mit 20:0 Punkten und 100:18 Toren. Platz 6 und damit Absteiger aus<br />

Gruppe A ist die Bundesrepublik (2:18/19:82). Das B-Turnier gewinnt<br />

die DDR und steigt auf. *** Bei den beiden Radsport-Großereignissen<br />

gibt es in diesem Jahr vier verschiedene Teilnehmer aus ebenso vielen<br />

Nationen auf den Rängen 1 und 2. Beim Giro d'Italia setzt sich am<br />

9.6. Eddy Merckx (Belgien) gegen<br />

den Italiener Felice Gimondi durch. Die<br />

Tour de France beendet am 22.7. der<br />

Spanier Luis Ocana als Sieger und verweist<br />

Bernard Thévenet aus Frankreich<br />

auf Rang 2. Den Titel des Querfeldein-<br />

Weltmeisters hatte sich bereits am 24.2.<br />

Billie Klaus-Peter Thaler geholt. Dies gelingt<br />

Jean<br />

dem Siegerländer 1976 ein weiteres Mal.<br />

King<br />

*** Ebenfalls im Juli werden die All<br />

England Championships hi im Tennismekka Wimbledon entschieden:<br />

Der Tschechoslowake Jan Kodes siegt in einem Ostblockfinale bei<br />

den Herren gegen Alex Metreweli (UdSSR), das US-amerikanische<br />

Endspiel der Damen entscheidet Billie Jean King ggg<br />

gegen g Chris Evert<br />

für sich. *** Am 29.7. verunglückt<br />

der englische Formel-1-Rennfahrer<br />

Roger Williamson beim Großen Preis<br />

der Niederlande in Zandvoort tödlich,<br />

er verbrennt in seinem Auto.<br />

Weltmeister wird am 7.10. zum dritten<br />

und letzten Mal der Schotte<br />

Jackie Stewart. Auf den Plätzen:<br />

Jackie Stewart<br />

Emerson Fittipaldi (Brasilien) und der<br />

Schwede Ronnie Peterson, der 1978 in Monza sein Leben verliert. ***<br />

Fußball: BRD-Meister wird Bayern München vor dem 1. FC Köln und<br />

Fortuna Düsseldorf. Die Bayern stellen mit Gerd Müller den Saison-<br />

Torschützenkönig (38 Treffer). Die Kölner unterliegen am 23.6. auch<br />

im denkwürdigen DFB-Pokalfinale im Düsseldorfer Rheinstadion (1:2<br />

gegen Borussia Mönchengladbach), bei dem sich Günter Netzer<br />

in der Verlängerung selbst einwechselt und in der 94. Minute das<br />

Siegtor erzielt. *** DDR-Meister 1972/73 wird<br />

Dynamo Dresden vor dem FC Carl Zeiss Jena<br />

und dem 1. FC Magdeburg; den FDGB-Pokal<br />

holen sich die Magdeburger durch ein 3:2<br />

gegen Lokomotive Leipzig am 1.5. in Dessau.<br />

*** Fußballer des Jahres werden Günter<br />

Netzer (BRD) und der Dresdner Hans-Jürgen<br />

Kreische (DDR). Auf europäischer Ebene<br />

erhält Spielmacher Johan Cruyff von Ajax<br />

Günter Netzer<br />

Amsterdam die Auszeichnung. *** In den Cup-<br />

Wettbewerben b siegt bei den Meistern die Cruyff-Truppe am 30.5. in<br />

Belgrad mit 1:0 gegen Juventus Turin; Pokalsieger wird der AC Mailand<br />

in Thessaloniki (16.5.) mit 1:0 gegen Leeds United; der Uefa-Cup geht<br />

nach Hin- und Rückspiel (3:0 und 0:2 gegen Mönchengladbach) am<br />

23.5. an den FC Liverpool. *** In der Bundesliga setzt die finanziell<br />

angeschlagene Eintracht aus Braunschweig die Trikotwerbung durch.<br />

Das „Jägermeister"-Emblem des Fabrikanten und Sponsors Günter<br />

Mast wird nach anfänglichem Widerstand des DFB als Kompromiss<br />

ins Vereinswappen integriert. *** Sportler des Jahres: In der BRD<br />

holen sich Speerwerfer Klaus Wolfermann, Turnerin Uta Schorn und der<br />

Bahnradvierer die begehrten Titel. Die Schwimmer Roland Matthes und<br />

Kornelia Ender sowie Dynamo Dresden bei den Mannschaften sind die<br />

Ausgezeichneten in der DDR. *** Zwei legendäre Leichtathleten sterben:<br />

die Langstreckenläufer Paavo Nurmi, neunfacher Olympiasieger<br />

(Finnland; 2.10.), und Abebe Bikila (zweimal Olympia-Gold, Äthiopien;<br />

25.10.). *** Geburten: Marathon-Star Haile Gebrselassie (18.4.), die<br />

Tennis-Profis Barbara Rittner (25.4.) und Monica Seles (2.12.), die<br />

Fußballer Jan Koller (30.3.), Oliver Neuville (1.5.), Frank Rost (30.6.),<br />

Bernd Schneider (17.11.) sowie Radrennfahrer Jan Ulrich (2.12.). ***<br />

FUNK & FERNSEHEN<br />

Nach einem Reformentwurf des<br />

Lebensmittelrechts (und Selbstbeschränkungsdiskussionen<br />

der Industrie)<br />

soll bereits ab 1.1.1973 Tabakwerbung<br />

in Hörfunk und Fernsehen unterbleiben.<br />

Es dauert bis zum 18.6.1974, dann<br />

1973<br />

wird ein Gesetz daraus. *** Start für die<br />

Sesamstraße" am 8.1.: Ernie, Bert,<br />

" Ernie & Bert<br />

Tiffy, das Krümelmonster & Co. sind<br />

anfangs nur in überarbeiteten US-Originalfolgen l zu sehen; einmal<br />

mehr Gift für das Bayerische Fernsehen, das lieber „Das feuerrote<br />

Spielmobil" zeigt. *** Am 15.1. klinkt sich der Bayerische Rundfunk<br />

erneut aus, als die ARD den Rosa-von-Praunheim-Film „Nicht<br />

der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt"<br />

ausstrahlt. *** Bahnbrechende Neuerung mit inzwischen extremer<br />

Nachhaltigkeit auf der Krimi-Schiene im Ersten: Acht einstündige<br />

Folgen lang ist im deutschen Fernsehen (hier: ARD) erstmals eine<br />

Ermittlerin auf Ganovenjagd. Katinka Hoffmann spielt ab 4.4. die<br />

Oberkommissarin Vetter in der Serie<br />

„Frühbesprechung". *** Preisgekrönter,<br />

über vier Millionen D-Mark teurer<br />

Mehrteiler (fünf Folgen) aus der Zeit der<br />

Weimarer Republik ab 23.4., Bauern, "<br />

Bonzen, Bomben" nach Hans Fallada<br />

und mit Ernst Jacobi in der Hauptrolle.<br />

Der NDR dreht in Neumünster, wo aus<br />

Gründen der Authentizität massenhaft<br />

Hans Rosenthal<br />

Fernsehantennen von den Dächern entfernt<br />

werden müssen. *** Ein Kult-Ratespiel in spe geht am 13.5.<br />

im ZDF-Vorabendprogramm auf Sendung.<br />

153 Mal präsentiert Showmaster Hans<br />

Rosenthal (1925–1987) bis zum 11.9.1986<br />

die Original-TV-Version von "<br />

Dalli Dalli".<br />

Luftsprünge werden dabei zu seinem<br />

Markenzeichen. *** Auch im Sport führt<br />

jetzt eine Frau durch einen Klassiker:<br />

Ebenfalls für die Mainzer präsentiert<br />

Carmen Thomas „Das aktuelle Sportstudio".<br />

Carmen Thomas<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 75


In der Ausgabe vom 21.7. unterläuft ihr ein für Fußballfans vermeintlich<br />

unentschuldbarer Lapsus, den sie nie mehr los wird, als sie von<br />

Schalke 05" (statt „04") spricht. Häme ohne Ende ergießt sich,<br />

"<br />

schon 1974 zieht sich die Moderatorin aus der Sendung zurück. ***<br />

Großer Erfolg für eine zumindest im BRD-TV neue Comedy-Form ab<br />

24.7.: Klimbim" wird zum Knaller, absurd-frivoler Klamauk, u.a. mit<br />

"<br />

Ingrid Steeger, Elisabeth Volkmann und Wichart von Roell als durchgeknallte<br />

Familienmitglieder. In fünf Staffeln werden bis 22.3.1979 insgesamt<br />

30 Folgen vom WDR produziert. Die Zahl illustrer Gäste reicht<br />

von Jerry Lewis über Maria Schell und Dieter Hildebrandt bis zu Gilbert<br />

Becaud und Gustav „Bubi" Scholz. *** Beim ZDF wird der spätere ARD-<br />

„Tagesthemen"-Star Hanns Joachim<br />

Friedrichs neuer Sportchef des<br />

Senders. *** Ausstrahlungsverbot,<br />

ausgesprochen per letztinstanzlichem<br />

Urteil vom 5.6. durch das<br />

Bundesverfassungsgericht: Das auf<br />

Fakten basierende, bereits 1972<br />

Otto<br />

gedrehte Dokumentarspiel Der " Soldatenmord d von Lebach" darf vom ZDF nicht gezeigt werden.<br />

Grund: Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Täter, die vier<br />

Wachhabende ermordet hatten. Die Sperrung besteht noch heute. ***<br />

Eine mächtige Komiker-Karriere nimmt ihren Lauf, wird durch sieben<br />

TV-Specials noch intensiviert: Die erste „Otto-Show" kommt am 27.8.<br />

ins ARD-Programm. *** Vier Tage später beginnt die „Internationale<br />

Funkausstellung" in Berlin.<br />

Fast 603.000 Besucher strömen<br />

bis zum 9.9. an die<br />

Stände von 253 Ausstellern<br />

in 23 Hallen. Premieren:<br />

VCR-Recorder (Philips), TED-<br />

Bildplatten (AEG/Teldec),<br />

Farbfernseh-Portables<br />

(Grundig), Kunstkopf-<br />

Prinzessin Anne & Mark Phillips<br />

Stereofonie, Infrarot-Kopfhörer<br />

für TV-Geräte. *** Das ZDF startet am 5.10. einen Info-Dauerbrenner:<br />

Das „auslandsjournal" ist noch heute Bestandteil des Angebots. ***<br />

Royales zieht das TV-Publikum in seinen Bann: Am 14.11. heiratet<br />

die britische Prinzessin Anne den Captain Mark Phillips. ARD und<br />

ZDF übertragen die Zeremonie live. Über Eurovision schauen insgesamt<br />

rund 300 Millionen Menschen zu. *** Prominenter Gastauftritt<br />

im Zweiten: In Wim Thoelkes Donnerstags-Familienshow 3 x 9" "<br />

singt Bundesaußenminister Walter Scheel am 6.12. (per Playback) das<br />

Volkslied "Hoch auf dem gelben Wagen". Mit der gleichnamigen Single<br />

erreicht das Kabinettsmitglied 1974<br />

1973<br />

Platz 5 der offiziellen deutschen<br />

Hitparade. *** Bekannte deutsche TV-Gesichter in spe melden sich auf<br />

dem Planeten an: die Moderatorinnen Tine Wittler (2.4.), Sonya Kraus<br />

(22.6.) und Nova Meierhenrich (25.12.). ***<br />

Seite 76 ■ GoodTimes 1/2014<br />

nicht weniger als 15 Uraufführungen in zwölf Monaten. Später<br />

populär p gewordene Darsteller versuchen noch Jahrzehnte später,<br />

diese „Jugendsünden"<br />

aus ihren Arbeits nachweisen<br />

zu tilgen ...*** International<br />

starten Filme, die bis heute<br />

im Gespräch (oder zumindest<br />

im Gerede) blieben und/<br />

oder einen hervorragenden<br />

Ruf genießen, darunter<br />

Der Clou"<br />

" „Papillon" (Steve McQueen,<br />

Dustin Hoffman), „Wenn die Gondeln dl Trauer tragen" (Julie Christie,<br />

Donald Sutherland), Der Clou" (Robert Redford, Paul Newman),<br />

"<br />

„Paper Moon" (Ryan & Tatum O'Neal), „Das große Fressen" (Michel<br />

Piccoli, Marcello Mastroianni) und „Der Exorzist" (Linda Blair).<br />

*** Deutsche Produktionen mit Niveau: Wildwechsel" (nach<br />

"<br />

Franz-Xaver Kroetz, mit Eva Mattes), „Der Lord von Barmbeck"<br />

(Martin Lüttge als historisch authentischer<br />

Berufsverbrecher), „Die Legende<br />

von Paul & Paula" (DDR-Produktion;<br />

Angelica Domröse, Winfried Glatzeder)<br />

und Roland Klicks Milieu-Thriller<br />

„Supermarkt" – mit Eva Mattes und<br />

einem jungen „Marius West" als<br />

Musikinterpret (Single: "Celebration")<br />

und außerdem Synchronsprecher des<br />

Hauptdarstellers. *** Auch die Legenden<br />

Bob Dylan und Kris Kristofferson sind<br />

tätig („Pat Garrett jagt Billy The Kid"),<br />

„Jesus Christ Superstar" (komponiert<br />

von Andrew Lloyd Webber) feiert Erfolge, Musik ohne Ende prägt<br />

ferner American Graffiti" mit Richard Dreyfuss und einem<br />

"<br />

noch unbekannten Harrison Ford.*** Um Fußball-„Kaiser" Franz<br />

Beckenbauer geht es in „Libero", gepflegte Unterhaltung bieten<br />

„Die drei Musketiere" (Oliver Reed, Raquel Welch), die Johannes-<br />

Mario-Simmel-Verfilmung<br />

„Alle Menschen werden<br />

Brüder" (Doris Kunstmann)<br />

und „Mein Name ist Nobody"<br />

mit Terence Hill. *** Am 27.3.<br />

werden im Dorothy Chandler<br />

Pavillion von Los Angeles<br />

Lex Barker<br />

zum 45. Mal die begehrten<br />

Oscars vergeben. Als<br />

bester Vorjahresfilm wird „Der Pate" ausgezeichnet, ebenso sein<br />

männlicher Hauptdarsteller Marlon Brando. Liza Minnelli erhält<br />

die Trophäe für „Cabaret", und der Ehrenpreis geht an den großen<br />

Edward G. Robinson. *** Auch bei den bundesdeutschen "<br />

Bravo"-<br />

Ottos sind Schauspieler unter den Preisträgern, Roger Moore und<br />

Uschi Glas. *** Von Bühne und Leinwand verabschieden sich für<br />

immer u.a. Viktor de Kowa (8.4.), „Old Shatterhand"-Darsteller<br />

Lex Barker (11.5.), Veronica Lake (7.7.), Robert Ryan (11.7.), Jack<br />

Hawkins (18.7.), „Kung Fu" Bruce Lee (20.7.), „Miss Marple"-Partner<br />

1973<br />

Stringer Davis (29.8.), Anna Magnani (26.9.) und der schwäbische<br />

FILM<br />

Auch hier drei neue, noch eher zerknautschte<br />

Gesichter, die Schauspielerinnen<br />

Nadeshda Brennicke (geboren am 21.4.),<br />

Tori Spelling (16.5.) und Anna Thalbach<br />

Mundartkomiker Willy Reichert (8.12.). ***<br />

(1.6.) sowie Regisseur Fatih Akin (25.8.).<br />

*** Auf bundesdeutschen Leinwänden<br />

beginnt die Hoch-Zeit so genannter<br />

MUSIK<br />

Nadeshda Brennicke<br />

Reports, die alle nur eine Stoßrichtung<br />

Das Jahr beginnt mit einem Großereignis:<br />

haben – unterhalb der Gürtellinie: nach den Schulmädchen h (seit<br />

Aloha From Hawaii". Das Elvis-Presley-<br />

"<br />

1970) trifft es jetzt u.a. die Bademeister, Hausfrauen, Frühreifen, Konzert findet am 14.1. im Convention<br />

Blitzmädchen,<br />

Frauenärzte,<br />

Center von Honolulu statt, wird als erster<br />

Auftritt eines Solisten per Satellit übertragen.<br />

Studentinnen und<br />

Geschätzte Zuschauerzahl welt-<br />

– ausnehmend weit: rund 1,3 Milliarden. Eine Top-<br />

" Papillon" geschmackvoll – sogar<br />

Witwen (!): durchweg<br />

sinnfreier, pseudowissenschaftlicher<br />

Softsex-Klamauk mit<br />

Band, angeführt vom Gitarristen James<br />

Burton, begleitet den Sänger. *** Zu einem<br />

Mega-Rock-Spektakel avanciert auch der<br />

Summer Jam At Watkins Glen" am<br />

"<br />

28.7. im US-Bundesstaat New York. Vor<br />

Bruce Springsteen


der (für ein Tagesereignis) gewaltigen Livekulisse von über 650.000<br />

Fans spielen Grateful Dead (über fünf Stunden am Stück), The Band<br />

und die Allman Brothers. *** Zu einer wichtigen Clubgründung<br />

kommt es im Dezember in der Bowery in New York City: das CBGBs<br />

(Country, Bluegrass, Blues) öffnet die Türen bis ins Jahr 2006. Die<br />

stilistische Ausrichtung verschiebt sich schnell, neue und unangepasste<br />

Bands und Solisten wie die Ramones, Patti Smith, Mink DeVille,<br />

Talking Heads, Modern Lovers, Television,<br />

Blondie und Johnny Thunders stehen<br />

für die Wegbereitung des „American<br />

New Wave"-Sounds. *** Von bald schon<br />

etablierten Interpreten kommen Debüt-<br />

LPs auf den Markt, u.a. von Bruce<br />

Springsteen (GREETINGS FROM<br />

ASBURY PARK, N.J. und THE WILD, THE<br />

INNOCENT & THE E STREET SHUFFLE),<br />

Mike Oldfield (TUBULAR BELLS), Queen<br />

(QUEEN), Cockney Rebel (THE HUMAN MENAGERIE) und Aerosmith<br />

(AEROSMITH). *** Viele Karriereschritte weiter sind bereits Pink Floyd<br />

(DARK SIDE OF THE MOON), Led Zeppelin (HOUSES OF THE HOLY)<br />

und The Who (QUADROPHENIA). *** Nach ihren vielleicht fünf<br />

besten Alben beenden die Rolling Stones mit GOAT'S HEAD SOUP<br />

die seit 1968 bestehende Zusammenarbeit mit dem amerikanischen<br />

Produzenten Jimmy Miller. *** Um leichtere<br />

Kost geht es bei der 18. Auflage des<br />

Grand Prix Eurovision (heute ESC). Am<br />

7.4. gewinnt in Luxemburg die Französin<br />

Anne-Marie David (129 Punkte) mit "Tu<br />

te<br />

reconnaitras" für das Gastgeberland.<br />

Platz 2 geht an Mocedades aus Spanien<br />

("Eres tú"; 125) vor Favorit Cliff Richard,<br />

dessen "Power To All Our Friends" (123)<br />

ein internationaler Riesenhit wird. Für die BRD landet die Dänin Gitte<br />

(Haenning) mit "Junger Tag" und 85 Zählern auf Rang 8. Sie hatte<br />

sich im nationalen Vorentscheid mit lediglich einem Punkt Vorsprung<br />

gegen Tonia ("Sebastian") durchgesetzt. *** Euro-Pop, Kopplungen<br />

und ein Hund – Überschrift für die besten<br />

Notierungen in den BRD-Charts des<br />

Jahres. Die Erfolgssingles 1973 sind "Get<br />

Down" (Gilbert O'Sullivan), "Ich wünsch<br />

mir eine kleine Miezekatze" (Wums<br />

Gesang) und Suzi Quatros "Can The Can".<br />

20 POWER HITS, STARS UND HITS FÜR<br />

DAS ROTE KREUZ sowie zweimal James<br />

Last (NON STOP DANCING 73/2 und SING<br />

MIT) sind die Kauffavoriten bei den LPs.<br />

*** Im UK dominieren Sweet ("Blockbuster") und Slade ("Merry Xmas<br />

Everybody") mit 45ern, Dauerbrenner bei den Alben sind Elton John<br />

(DON'T SHOOT ME, I'M ONLY THE PIANO PLAYER), David Bowie<br />

(ALADDIN SANE und PIN UPS) und der Soundtrack THAT'LL BE THE<br />

DAY. *** Die Amerikaner favorisieren "Killing Me Softly With His Song"<br />

(Roberta Flack), Dawns "Tie A Yellow<br />

Ribbon Round The Ole Oak Tree" und<br />

"My Love" von Paul McCartney & Wings<br />

bei den Singles. LP-Kaufknüller sind<br />

GOODBYE YELLOW BRICK ROAD (Elton<br />

John), BROTHERS AND SISTERS (Allman<br />

Brothers), George Harrisons LIVING IN<br />

THE MATERIAL WORLD und NO SECRETS<br />

von Carly Simon. *** Die Musik-Grammys<br />

in den USA gehen an Roberta Flack ("The<br />

First Time Ever I Saw Your Face") und ans CONCERT FOR BANGLA<br />

DESH. Sänger: Helen Reddy und Harry Nilsson, neuer Künstler: das<br />

Trio America. *** In der BRD werden in diesem Jahr rund 37 Mio.<br />

Singles, 60 Mio. LPs und 5 Mio. MusiCassetten verkauft. *** Geburten:<br />

die Sänger Peter André (England; 27.2.), Rea Garvey (Irland; 3.5.)<br />

und Rufus Wainwright (USA; 22.7.). *** Abschied: Country-Größe<br />

Tex Ritter (2.1.), Grateful-Dead-Keyboarder Ron McKernan (8.3.), die<br />

Byrds-Mitglieder Clarence White (14.6.) und Gram Parsons (19.9.),<br />

Orgelerfinder Laurens Hammond (3.7.), Blues-Lady Lizzy Douglas<br />

1973<br />

alias Memphis Minnie (6.8.), Singer/Songwriter Jim Croce (20.9.,<br />

Flugzeugabsturz), Jazzdrummer Gene Krupa (16.10.), Shadows-<br />

Gitarrist John Rostill (26.11.) und Sänger Bobby Darin (20.12.). ***<br />

VERMISCHTES AUS ALLER WELT<br />

Der in Deutschland ansässige Amerikaner Fred Edwards gründet in Velbert<br />

die Firma Port San Ser. Er führt damit in Europa das aus den USA bekannte<br />

System der vermietbaren Mobil-Klos ein. Markenname: Dixi. *** Auch<br />

mobil, aber für höhergelegene Körperregionen: Mitnahme-Telefone,<br />

in Deutschland schon bald mit der international völlig unbekannten<br />

Bezeichnung Handy" bedacht, schleichen sich an: Der Elektro-Ingenieur<br />

" Martin Cooper (*1928) aus Chicago reicht seine Erfindung am 17.10. zum<br />

Patent ein, das 1975 erteilt wird. Gewicht der ersten Geräte: rund 1,6<br />

Kilogramm. *** Der Eisvogel erhält den Titel „Vogel des Jahres" (Wiederwahl<br />

2009). *** Am 9.2. stirbt der US-Farmer Max B. Yasgur, der 1969 sein<br />

Gelände für das Woodstock-<br />

Musikfestival vermietet hatte.<br />

Namentlich verewigt ist er in den<br />

Songs "Woodstock" (Joni Mitchell)<br />

und "For Yasgur's Farm" von<br />

Mountain. *** Mit Wirkung vom<br />

1.5. nimmt in Dortmund die ZVS<br />

ihre Arbeit auf, die bundesweite Zentralstelle ll für die Vergabe von<br />

Studienplätzen. *** Alk am Steuer: Am 26.7. wird die Promillegrenze<br />

von 1,3 auf 0,8 (als Ordnungswidrigkeit) gesenkt. *** Die Franzosen Marcel<br />

Bich (1914–1994) und Edouard Buffard (1908–1996) gründen in Clichy die<br />

Firma BIC – der weltweite Siegeszug der Einwegfeuerzeuge beginnt.<br />

Beide Industrielle hatten sich ab 1945 bereits um die Weiterentwicklung<br />

erster Kugelschreibermodelle verdient gemacht. *** Zum „Auto des Jahres"<br />

wird der Audi 80 B1 gewählt. *** In Schweden stirbt König Gustav VI. Adolf.<br />

Nachfolger wird am 15.9. Carl XVI. Gustaf, der am 19.6.1976 die deutsche<br />

Olympia-Hostess Silvia Sommerlath heiratet. *** In Istanbul weiht der türkische<br />

Staatspräsident Fahri Korutürk am 30.10. die Bosporus-Brücke ein,<br />

die Asien und Europa verbindet.<br />

*** In Japan werden<br />

erste Flüssigkristall-<br />

Displays entwickelt und<br />

der Öffentlichkeit vorgestellt.<br />

*** Der amerikanische<br />

Ingenieur Henry<br />

Flugauto<br />

Smolinski baut aus einem umgearbeiteten bi Ford Pinto sowie Flügel- und<br />

Propellerteilen einer Cessna Skymaster ein Flugauto („AVE Mizar"). Sein<br />

Testflug am 11.9. endet im Desaster: Absturz, Erfinder tot. Die Kreation<br />

wurde 1974 zum (animierten) Vorbild für das Fahrzeug im James-Bond-<br />

Film „Der Mann mit dem goldenen Colt". *** Neue, technisch deutlich verbesserte<br />

Geldautomatenmodelle werden am 4.6. patentiert. *** Entführung<br />

in München am 13.11.: Opfer ist Evelyn Jahn, Tochter des „Wienerwald"-<br />

Gründers Friedrich Jahn. Er zahlt drei Millionen D-Mark Lösegeld, die<br />

Tochter kommt frei, die Täter werden gefasst und verurteilt. *** Feuer<br />

an Bord: dramatische Bruchlandung einer Boeing 707-320C der brasilianischen<br />

Luftfahrtgesellschaft Varig am 11.7. unmittelbar vor Erreichen<br />

des Pariser Flughafens Orly. 122 Tote, zehn Besatzungsmitglieder und ein<br />

Passagier überleben die Rauchhölle. *** Den Friedensnobelpreis erhalten<br />

am 10.12. in Oslo zu gleichen Teilen<br />

der US-Sonderbotschafter (und inzwischen<br />

amtierende Außenminister) Henry Kissinger<br />

und der nordvietnamesische Politiker Le<br />

Duc Tho. Der Asiate lehnt die Auszeichnung<br />

ab. *** Trauer um: Ex-US-Präsident Lyndon<br />

B. Johnson (22.1.) und den ersten israelischen<br />

Premierminister David Ben Gurion<br />

Pablo Picasso<br />

(1.12.); die Schriftsteller(innen) Pearl S.<br />

Buck (6.3.), Noel Coward (26.3.), J.R.R. Tolkien (2.9.), Pablo Neruda<br />

(23.9.), Ingeborg Bachmann (17.10.) und Ezra Pound (1.11.); die renommierten<br />

Filmregisseure Robert Siodmak (10.3.), Jean-Pierre Melville<br />

(2.8.) und John Ford (31.8.); ferner sterben der spanische Maler Pablo<br />

Picasso (8.4.), der südafrikanische Tänzer John Cranko (26.6.), der chilenische<br />

Sänger Victor Jara (11.9.; vom Militär ermordet) und der spanische<br />

Cellist Pablo Casals (22.10.). ***<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 77


Catherine<br />

Deneuve<br />

zum 70.<br />

Von Claudia Tupeit<br />

SEX-<br />

Catherine Deneuve in "<br />

Ekel"<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

SYMBOL<br />

mit Understatement<br />

Sie gilt als kühl und unnahbar. Sie ist so schön, dass ein Film<br />

mit ihr ohne Geschichte auskommen würde, wie Regisseur<br />

François Truffaut einst befand. Sie ist die wohl berühmteste<br />

französische Schauspielerin über die Heimatgrenze hinaus. Die<br />

Kettenraucherin, die Designer-Muse, das Chanel-Gesicht, die<br />

Hollywood-Verweigerin und Hitchcock-Verpasserin, die "<br />

Belle<br />

de Jour" – die 70-Jährige. Sie ist Stil-Ikone, Film-Ikone, überhaupt<br />

eine der größten Ikonen des Diesseits. Sie hat David<br />

Bowie und Susan Sarandon den Kopf verdreht – in einem<br />

der besten Vampirfilme aller Zeiten. Sie war die entfl ohene<br />

Braut, Theaterbesitzerin zur Besatzungszeit, alkoholkranke<br />

Diamantenhändlerin, Lesbe, Plantagenbesitzerin in Indochina,<br />

Tristana, das Schmuckstück, die affektierte Gaby unter acht<br />

Frauen. Im realen Leben hatte sie prominente Liebhaber, war<br />

Ehefrau, ist zweifache Mutter und fünffache Oma. Und Catherine<br />

Deneuve ist vor allem eins: herrlich unaufgeregt, was die eigene<br />

Person angeht. <strong>kult</strong>! nähert sich dem Phänomen Catherine<br />

Deneuve an.<br />

Es ist der Blick! Eindeutig. Ein Hauch Erotik, eine<br />

Prise Zurückhaltung, überhaupt nicht fordernd.<br />

Die braunen Augen blicken wach, aber doch<br />

geheimnisvoll, gar verträumt. Wie die junge<br />

Schauspielerin Catherine Deneuve (geboren wurde<br />

sie am 22. Oktober 1943) am Anfang ihrer Karriere vor fünf Dekaden:<br />

schüchtern und verführerisch zugleich. Blick und Augen von Madame<br />

Deneuve werden nicht 70. Letzteres biologisch vielleicht. Aber ansonsten<br />

ist beides irgendwann zwischen „Die Regenschirme von Cherbourg"<br />

(„Les parapluies de Cherbourg", 1964) – ihr filmischer Durchbruch –<br />

und „Das Geheimnis der falschen Braut" („La Sirène du Mississippi",<br />

"<br />

Das Geheimnis<br />

der falschen Braut"<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Seite 78 ■ GoodTimes 1/2014


"<br />

Das Geheimnis der falschen Braut"<br />

1969) stehengeblieben. Nach ihrer Leistung in dem Musicaldrama<br />

von Jacques Demy – als sanfte, engelsgleiche g Regenschirmverkäuferin<br />

Geneviève, die durch<br />

"<br />

Bettszenen" mit Catherine Deneuve<br />

Intrigen ihrer Mutter die gibt es häufig.<br />

große Liebe gegen einen<br />

reichen Ehemann eintauscht<br />

und am Ende des<br />

Films mit ihrem einst so<br />

geliebten Guy für eine der<br />

rührendsten Finalszenen<br />

sorgt – brilliert sie knapp<br />

zwei Jahre später unter<br />

Roman Polanski in „Ekel"<br />

(„Repulsion", 1965). Es ist<br />

die erste englischsprachige<br />

Produktion für die junge<br />

Deneuve, die damit auch<br />

in den USA und England<br />

bekannt wird. In dem<br />

Schwarzweiß-Streifen ist<br />

sie die Belgierin Carole<br />

Ledoux, die mit ihrer<br />

"<br />

Belle de Jour"<br />

Schwester Sh in einem Apartment t wohnt ht und nur Hass und Ekel<br />

Männern gegenüber empfindet. Der Film beginnt und endet mit<br />

einer Nahaufnahme ihrer Augen. Die schauen schüchtern und doch<br />

verstört. Ein Blick, der unter die Haut geht, der auf be drückende<br />

Weise fasziniert. Weil sie in ihren Halluzinationen gefangen den<br />

besorgten und in sie verliebten Colin erschlägt und starr vor<br />

Abschaum den nach ihr lechzenden Hausverwalter tötet. Weil sie wirr<br />

und völlig verängstigt auf dem Bett liegt. Ein beklemmender Film,<br />

der in Deutschland bis vor Kurzem keine Jugendfreigabe hatte.<br />

Mitte der 60er ist sie Sexsymbol mit Understatement. Ganz anders<br />

als ähnlich erfolgreiche Kolleginnen wie Sophia Loren, Gina<br />

Lollobrigida oder Brigitte Bardot, mit der sie indirekt mehr verbindet<br />

als nur das gleiche Business. Denn Bardot war die erste Ehefrau von<br />

Roger Vadim, dem ukrainischen Regisseur und Frauenheld. 1961 –<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

mit 17 Jahren – lernt Catherine den damals 33-Jährigen kennen<br />

und lieben. Sie zieht zu ihm, wird schwanger. Ein Wunschkind,<br />

wie sie später sagt. Mit erst 19 Mutter zu werden, sei allerdings<br />

schwer gewesen. Zumal Vadim nur einen Monat nach der Geburt<br />

von Christian (heute erfolgreicher Komiker) im Juli 1963 wieder aus<br />

Catherines Leben verschwindet und sich Jane Fonda zuwendet.<br />

In "<br />

Straßen der Nacht" spielt sie an der Seite<br />

von Burt Reynolds eine Prostituierte.<br />

Die Rolle einer jungen, treusorgenden Mutter wie im wahren<br />

Leben bekommt Catherine nicht. Noch nicht. Stattdessen spielt<br />

sie in „Belle de Jour" – der Film, der fast überall als Erstes mit ihr<br />

in Verbindung gebracht wird. 1967 ist das. Luis Buñuel lässt sie aus<br />

ihrem Trott der gelangweilten Hausfrau ausbrechen. Ihre Fantasien<br />

von Lust, Obsession und dem speziellen <strong>Kick</strong> lebt sie nach einer<br />

Anregung durch einen Mann im Bordell bei Madame Anaïs aus, die<br />

ihr den Namen „Belle de Jour" verleiht. Wegen ihrer Schönheit und<br />

weil sie jeden Tag kommt. Zum Nachmittagsvertreib.<br />

Wenig mütterlich auch ihre darauffolgenden Rollen: eine unglückliche<br />

Affäre in „La Chamade" („Herzklopfen", 1968), Sex-lastig<br />

geht es weiter bei „Manon 70" (1968) und als das blonde Gift, eine<br />

dreiste, undurchschaubare Verführerin und Betrügerin an der Seite<br />

von Jean-Paul Belmondo in „Das Geheimnis der falschen Braut".<br />

Als Mutter tritt sie 1971 in Er schei nung. Depressiv und völlig verzweifelt<br />

nach dem Tod des Babys ist ihre Rolle in „Das passiert immer<br />

nur den anderen" („Ça n’arrive qu’aux autres") an der Seite von Marcello<br />

Mastroianni. Auch privat ist sie mit dem italienischen Schauspieler<br />

liiert. Ihre 1965 geschlossene Ehe mit dem britischen Modefotografen<br />

David Bailey (Trauzeuge<br />

"<br />

Die letzte Métro"<br />

war Mick Jagger) ist<br />

gescheitert, ebenso die<br />

kurze Affäre mit Clint<br />

Eastwood. In den Armen<br />

von Mastroianni findet<br />

sie Halt, Romantik,<br />

Liebe. Mit ihm bekommt<br />

sie ihr zweites Kind, eine<br />

Tochter, Chiara, im Mai<br />

1972 geboren, heute<br />

selbst Schauspielerin.<br />

Sie drehen weitere drei<br />

Filme zusammen. Er sei<br />

großzügig gewesen, voller<br />

Humor, er habe sie<br />

sehr gut behandelt, aber<br />

ein so ausschweifendes Leben geführt, sagt sie. Trennung 1975. Doch<br />

ihre Zuneigung zueinander reicht bis zu Mastroiannis Tod 1996, den<br />

Catherine an seinem Bett in Paris erlebt.<br />

Nach der seichten Komödie mit Jack Lemmon, „Ein Frosch in<br />

Manhattan" bzw. auch als „Darling, lass dich scheiden" bekannt<br />

(„April Fools", 1969), spielt Catherine einmal mehr in Hollywood.<br />

In „Straßen der Nacht" („Hustle", 1975) mit Burt Reynolds ist sie<br />

die Prostituierte Nicole Britton, deren Kunde ausgerechnet ein<br />

Tatverdächtiger in einem mysteriösen Todesfall ist. Erschwerend<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 79


Catherine Deneuve 1983<br />

in "<br />

Begierde", einem der besten<br />

Vampirfilme aller Zeiten.<br />

kommt hinzu, dass der Polizeiermittler i ittl ihr Lebenspartner Lb ist. it Der<br />

Film spielte über zehn Millionen Dollar ein, mehr als das Dreifache<br />

seines Budgets. Dennoch fasst Catherine Deneuve auch nach diesem<br />

Streifen nicht Fuß in der Traumfabrik. „Zu wenig interessante Rollen."<br />

Dafür würde sie sich liebend gern in den Kreis der Blondinen einreihen,<br />

mit denen der legendäre Alfred Hitchcock so<br />

gern arbeitet. Das Drehbuch habe sie bereits gehabt,<br />

aber bevor das Ganze ins Rollen kommen konnte,<br />

ist „Hitch" gestorben. Statt im Horrorfilm des Briten<br />

glänzt sie 1980 im Drama eines Franzosen. „Die<br />

letzte Métro" („Le dernier métro") nennt François<br />

Truffaut eines seiner letzten Meisterwerke (er starb<br />

1984). Als Marion Steiner versucht sie im besetzten<br />

Frankreich in den 40er Jahren das Theater zu retten,<br />

in dem das ganze Herzblut ihres Mannes steckt, des<br />

Juden Lucas (exzellent gespielt von Heinz Bennent).<br />

Er hält sich im Keller versteckt und entwirft von<br />

dort aus die Stücke für das Ensemble, zu dem seine<br />

Frau gehört – und der aufstrebende, wilde Bernard<br />

Granger (herrlich: Gérard Depardieu). Einer von<br />

unzähligen Filmen, in denen Catherine Deneuve<br />

neben Depardieu spielt. Oft sind es Geschichten über eine gemeinsame<br />

Liebe. Besonders rührend interpretiert in „Changing Times" („Les<br />

temps qui changent", 2004), besonders augenzwinkernd in „Das<br />

Schmuckstück" („Potiche", 2010).<br />

Ihre erste und bisher einzige Nominierung als beste Schauspielerin<br />

bei den Oscars erhält sie allerdings für eine ganz andere Rolle. In<br />

„Indochina" („Indochine", 1992) ist sie die reiche Plantagenbesitzerin<br />

Éliane, die ein vietnamesisches Mädchen, Camille, adopiert hat und<br />

es vor einem ihr angehängten Mord beschützen will. Später zieht<br />

sie mit dem Kind ihrer Adoptivtochter nach Frankreich, da Camille<br />

zeitweilig im Gefängnis sitzt.<br />

Die Art, ihre Gefühle in dem Epos auszudrücken, mit Blicken, mit<br />

flammenden Reden, mit ihrer bloßen Präsenz, hat die Oscar-Jury<br />

beeindruckt. Ihre Gefühlsregungen zeigt Deneuve zurückhaltend,<br />

nicht dauerschreiend, nicht dauerheulend. Vielleicht wird sie heute<br />

scheinbar stärker denn je als die Unnahbare empfunden, weil in einer<br />

Gesellschaft – in der manch' Reality-TV-Show à la „The Kardashians"<br />

oder „Die Geissens" höhere Einschaltquoten einfahren als wundervolle<br />

Filme – die völlige Offenbarung der Persönlichkeit erwartet<br />

wird, um nicht als abgehoben wahrgenommen zu werden. Zwei<br />

Monate ohne Klatsch? Für viele Stars und Sternchen unvorstellbar,<br />

für Catherine Deneuve aber Alltag. Interviews? Ja, gern, aber über<br />

den aktuellen Film, nicht den aktuellen Liebhaber. Homestories? Sie<br />

ist leidenschaftliche Gärtnerin, läuft zu Hause unglamourös in Shirt<br />

und Jeans oder in langem Blumenkleid herum. Sie geht gern ins Kino,<br />

besucht Ausstellungen und würde gern öfter Zeit haben, ihre Enkel<br />

zur Schule zu bringen. Das war's. Keine Exzesse, keine unvorteilhaften<br />

Paparazzi-Bilder. Höchstens beim Anstecken einer Fluppe. Und<br />

da die seit Jahrzehnten überall kettenrauchende Catherine Deneuve<br />

solche Aufnahmen wenig charmant findet, raucht sie ab sofort auf<br />

Pressekonferenzen nicht mehr. Ihren Blick einfangen zu können ohne<br />

die slim cigarettes ist ja auch viel schöner.<br />

Und an diesem Blick schraubt sie sehr gern. Als grandiose<br />

Schauspielerin beherrscht sie das aus dem Effeff.<br />

Herausfordernd und giftig guckt sie zum Beispiel in „8<br />

Frauen" („8 femmes", 2002). In flaschengrünem Kleid,<br />

Leopardenmantel und mit fast schon gelb gefärbtem Haar<br />

spielt sie Gaby: Ehefrau, Luxusweib, natürlich mit vielen<br />

Geheimnissen. In dem Musicalfilm von François Ozon, der in<br />

den 50ern spielt, treffen acht Frauen in einem eingeschneiten<br />

Haus aufeinander. Sie alle verbindet etwas mit dem<br />

Hausherren Marcel, Gabys Ehemann. Als er leblos in seinem<br />

Bett gefunden wird, entbrennt ein Streit um Gunst und<br />

Erbe. Es geht um Verflechtungen unter den acht Frauen,<br />

die sich im Laufe des Films auflösen und die tatsächliche<br />

Todesursache des einzigen<br />

Manns im Hause hervorbringen.<br />

Catherine Ct Deneuve spielt darin<br />

auf eine wunderbar amüsante Weise<br />

eine herzlose Sprücheklopferin, die es<br />

zu genießen scheint, ihre Schwester<br />

Augustine (brillant gespielt von Isabelle<br />

Huppert) zu demütigen<br />

und sowohl<br />

ihre<br />

Haushälterin<br />

(Emmanuelle<br />

Béart)<br />

als auch die ältere<br />

Tochter (Virginie<br />

Ledoyen) zu bevormunden. Was aber für die größte<br />

Aufmerksamkeit sorgt, ist eine Szene mit Fanny<br />

Ardant, die die Schwägerin von Gaby mimt. Nach<br />

einer Kappelei rollen sich die Grazien auf dem Boden<br />

– und küssen sich.<br />

Nicht die erste Szene, in der Deneuve sich – wenn<br />

auch kurz – zu einer Frau hingezogen fühlt. Im<br />

großartigen Vampirfilm „Begierde" („The Hunger",<br />

1983) hat sie eine Beziehung mit Susan Sarandon,<br />

was wiederum id David Bowie ganz verrückt macht. In „Diebe der<br />

Nacht" („Les Voleurs", 1997) spielt sie eine Professorin, die eine<br />

Liaison mit einer Studentin eingeht. Schon häufig wurde sie deshalb<br />

gefragt, ob sie auch privat eine lesbische Neigung habe, was sie stets<br />

verneint, da es alles Rollen seien und nichts mit ihr persönlich zu<br />

tun hätten.<br />

Ebenso gern wird bei Interviews und Pressekonferenzen danach<br />

gefragt, ob sie eine Diva sei. Und es gibt Journalisten, die diesen<br />

Status an ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit festmachen. Tatort<br />

Berlinale 2002. Zur Pressekonferenz für „8 Frauen" erscheint sie<br />

eine halbe Stunde zu spät und bringt die wartenden Reporter in<br />

Rage. Diva-Verhalten, unken alle.<br />

Und außerdem habe ihre Kleiderwahl<br />

gezeigt, wie viel Diva in la Deneuve<br />

stecke: Schließlich habe sie zu einem<br />

orangeroten Blazer eine royalblaue<br />

Satinbluse kombiniert und smaragdgrüne<br />

Ohrringe. Heute nennt die<br />

Fashionwelt diesen Style „colourblocking"<br />

und kann gar nicht genug<br />

vom Trend bekommen. Die Deneuve<br />

– eine Vorreiterin. Sicher eigenwillig.<br />

Aber wen wundert's: Über<br />

Jahrzehnte die immer gleichen<br />

Fragen beantworten zu müssen, die<br />

teils ohne jegliche Vorrecherche h hervorgebracht werden. So wollte<br />

eine Journalistin bei der Präsentation ihres aktuellen Films „Elle s'en<br />

va" (es soll der 115. in ihrer Karriere sein) während der Berlinale 2013<br />

wissen, ob Madame Deneuve denn rauche. Eine wirkliche Diva hätte<br />

diese Journalistin angeschrien, mit Vorwürfen der Unkenntnis bombardiert,<br />

ignoriert, des Saales verwiesen oder gleich alles zusammen.<br />

Die Deneuve guckt einfach verdutzt und antwortet völlig selbstverständlich:<br />

„Ja, natürlich, jede Menge."<br />

Foto: © Georges Biard, 2011<br />

Foto: © Georges Biard, 1995<br />

Seite 80 ■ GoodTimes 1/2014


MODE-SERIE<br />

D I E<br />

instyles<br />

<strong>kult</strong>!<br />

ZWEITER TEIL<br />

Von Claudia Tupeit<br />

Im 60s-Look<br />

durch das Heute<br />

Vintage" und Retro" sind<br />

die<br />

"<br />

Modeworte der<br />

"<br />

Stunde. Die<br />

Klamottentrends von heute haben<br />

Bubikragen der 50s, Miniröcke im<br />

60er-Stil, Schlaghosen und Plateauschuhe<br />

kommen aus dem Jahrzehnt von Abba,<br />

und breite Schultern, Neonfarben und<br />

Chinohosen sind ein Relikt der verrückten<br />

80s. Wer heute in" sein will, hat<br />

die vergangenen Dekaden "<br />

nicht nur im<br />

Kleiderschrank, sondern auch auf dem<br />

Plattenteller und im DVD-Player.<br />

<strong>kult</strong>! widmet sich den Trends von<br />

damals, die heute schon wieder für viele<br />

zum Lebensgefühl gehören. Weiter geht's<br />

in der Serie mit den Swingin' Sixties".<br />

"<br />

Zauberwort Vintage-<br />

Audrey<br />

Hepburn<br />

ist mit<br />

ihrer<br />

knabenhaften<br />

Figur<br />

und dem<br />

Look ok das<br />

60s-Vorbild<br />

schlechthin.<br />

© Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Etuikleider, schmale Anzüge und Krawatten,<br />

Ballerinas, kniehohe Stiefel, Op-Art-Muster:<br />

Willkommen in den Swingin' Sixties. Enge<br />

Taillen, Petticoats und Peeptoes aus den 50ern<br />

werden bei den Damen abgelöst von klaren Linien,<br />

flacheren Schuhen und – vor allem – sehr kurzen<br />

Röcken. Auch die Herrenmode verwandelt<br />

sich: von Männern in weiten, hochsitzenden<br />

Stoffhosen, Slippern und mit Pomadehaar in<br />

ein Meer von Pilzkopffrisuren, Skinhead- und<br />

Mod-Klamotten, später Schlaghosen und langen<br />

Haaren. Der modisch gesehen oft niedliche<br />

Charme der 50er Jahre, in denen die weiblichen<br />

Früher Kult-Model,<br />

heute erfolgreiche Sängerin: Twiggy.<br />

Stilvorbilder Eieruhrfiguren à la Marilyn Monroe, Sophia<br />

Loren und Elizabeth Taylor hatten, geht langsam vorüber.<br />

Die 60s bieten Sexyness mit geradlinigen, aber<br />

auch weiten Schnitten. Ballerinas erobern die<br />

Füße der Frauen, Kittenheels sind „in", also vorn<br />

meist spitze Schuhe mit dünnem, aber kurzem<br />

Absatz. Grafische Drucke lösen die verspielten<br />

Blümchenmuster ab, Mini-Pünktchen von<br />

einst sind nun große Kuller. Streifen sind<br />

angesagt und wilde Muster von Paisley<br />

bis Op-Art. Statt Pastelltönen hängen in<br />

den Schaufenstern Klamotten in gedeck-<br />

© Pressefoto<br />

Seite 82 ■ GoodTimes 1/2014


ten Farben wie Grau, Schwarz und<br />

Weiß oder in intensivem Rot, Gelb,<br />

Grün und Orange. Getragen wird das<br />

Ganze von Mädchen mit knabenhaften Figuren und wenig<br />

Busen, wie etwa dem ultimativen 60s-Model Twiggy, der Andy-<br />

Warhol-Muse Edie Sedgwick und den Stilvorbildern Jacqueline<br />

Kennedy Onassis und Audrey Hepburn.<br />

Dieser Teil der 60s-Epoche sorgt vor allem seit zwei, drei<br />

Jahren wieder für Furore: im Klamotten-Sortiment großer<br />

Ketten wie H&M, Topshop, Esprit, Zara, Mango und Forever<br />

21, auf den Laufstegen internationaler Designer – und in<br />

der Musik. Mit den deutschen iMás Shake! zum Beispiel. Die<br />

Scheiben der Vierercombo sollte jeder Fan von Beat-Mucke und<br />

60s-Flair im Plattenschrank haben – oder sie schleunigst dort<br />

reinstellen. iMás Shake! versetzen einen sofort in die Ära der<br />

Beatles, von dunklen Clubs mit wahnsinnig heißen Rhythmen.<br />

Sie bringen einem das Flair des Jahrzehnts ins Ohr. Nicht als<br />

Cover-Band der „Fab Four", sondern mit einem einzigartigen Projekt:<br />

Das Quartett rockt mit 60s-Beatstücken aus Südamerika. Ja, ganz recht.<br />

Originalmusik aus den 60ern von Bands aus Peru, Argentinien,<br />

Kolumbien und Uruguay. Das kommt nicht von ungefähr,<br />

denn einer der musikalischen Köpfe der Gruppe ist ein<br />

gewisser Rod Gonzáles, Jahrgang '68, Musiker mit<br />

Leib und Seele, in Chile geboren, als kleiner Junge<br />

nach Deutschland gekommen, absoluter 60er-Jahre-<br />

Liebhaber. Ein Tausendsassa, der<br />

seine Leidenschaft sonst als Bassist<br />

bei den Ärzten oder als Gitarrist<br />

bei Abwärts auslebt. Seit drei Jahren<br />

bildet er gemeinsam mit Katy Del<br />

Carmen (voc/keys), Michell Gutiérrez<br />

Gómez (voc/b) und Tomás Fuentes<br />

(dr) die South American Beat<br />

Invasion From Berlin. Sie wollen<br />

mit iMás Shake! den Europäern die<br />

südamerikanischen Einflüsse in<br />

der Beatmusik näherbringen. Die<br />

lassen sich laut Rod zum Beispiel in der Melodieführung<br />

finden, zum Teil in der Rhythmik, die sich zwar stark an<br />

den englischen Vorbildern orientiere, „aber die Stücke<br />

haben auch Bossa-Nova-Einflüsse".<br />

Die erste Veröffentlichung der Gruppe heißt<br />

"Break It All" und erscheint 2011.<br />

Eine EP als 7''. Stilecht eben wie früher<br />

in den 60s. Die Scheibe soll schon innerhalb<br />

kürzester Zeit vergriffen gewesen sein<br />

(was ja auch irgendwie 60er-typisch ist).<br />

Während sie tausenden Leuten in der ganzen<br />

Republik, aber auch auswärts in der<br />

Schweiz live auf der Bühne zeigen, welch<br />

musikalische Schmankerl in den Gefilden<br />

Südamerikas in den 60er Jahren schlummerten,<br />

bringen sie 2012 wieder eine 7''<br />

heraus: "What A Love", genau wie "Break<br />

It All" eine Single der Los Shakers. Eine der<br />

wenigen im Beatles-Fieber entstandenen<br />

Bands in Südamerika, die auch über die<br />

Landesgrenzen hinaus bekannt wurden.<br />

Die im September 2013 erschienene 7''-EP<br />

"Demolición" (die Single ist ein Cover einer<br />

peruanischen Band) hat wiederum auch<br />

psychedelische und garagige Einflüsse.<br />

Im Interview mit <strong>kult</strong>! berichten Rod<br />

und Katy von einer sehr aufwändigen<br />

Materialsuche, bevor eine ihrer EPs voll<br />

werden kann. „Ich durchsuche meinen<br />

Riesenfundus von lateinamerikanischem<br />

Heute wieder so angesagt wie damals<br />

in den 60ern: Streifen- &<br />

Musterkleider, wie hier von H&M.<br />

60er-Jahre-Kram,<br />

arrangiere die<br />

Songs zunächst<br />

so, dass sie für<br />

mich funktionieren,<br />

also Text,<br />

Akkorde. Davon<br />

mache ich Demos<br />

und spiele es den<br />

anderen vor",<br />

erklärt Rod die<br />

Vorgehensweise<br />

und einen seiner<br />

Hauptparts in der<br />

Band.<br />

Sämtliche Originale<br />

werden<br />

Die Beatles waren auch optisch mit Anzügen, schmalen<br />

Krawatten und Pilzkopffrisur in den 60s Vorbilder. bearbeitet. Zum<br />

Beispiel müssen die Songs so umgestaltet werden, dass sie für die<br />

Stimmen von Rod, Michell und Katy passen. Auch die Arrangements<br />

vereinfacht die Band. Doch eine Hürde bleibt: „Es gibt ja keine Live-<br />

Aufnahmen der Originalbands, nur die EPs. Deshalb können<br />

wir nur abstrahieren, wie das damals live geklungen haben<br />

könnte", sagt Rod. Die Vorstellungskraft der Vier ist aber<br />

prima. Live und „on tape" klingen<br />

sie so authentisch, als hätten<br />

sie eine Zeitmaschine erfunden oder<br />

wüssten sich zu beamen.<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 83<br />

© Claudia Tupeit<br />

Kein Wunder, denn das echte 60s-Flair<br />

zu verkörpern, fällt Michell, Katy,<br />

Tomás und Rod leicht. Von Haus sind<br />

sie seit eh und je Anhänger der Dekade.<br />

Katy und Michell spielten schon vor iMás<br />

Shake! gemeinsam in der Band Petting, die<br />

60s-Pop- und Garagenmusik macht. Die Keyboarderin kannte<br />

wiederum Rod und wusste von seinen Ambitionen, eine südamerikanische<br />

Beatcombo gründen zu wollen. Nachdem Katy<br />

und Michell bei Petting ausgestiegen waren, taten sie sich mit<br />

Rod zusammen. Bassist Michell sorgte dafür, dass die Band<br />

komplett wurde. Er brachte Schlagzeuger Tomás vorbei, der wiederum<br />

in anderen 60s-Bands gespielt hatte. Was von Anfang<br />

an klar feststand: Es wird kein „Soloding-von-Rod-von-den-<br />

Ärzten" sein, sondern eine Band von vier echten 60er-Jahre-<br />

Liebhabern.<br />

© Pressefoto<br />

Spielt heute<br />

südamerikanischen<br />

60s-Beat<br />

und macht<br />

Fotoshootings<br />

mit 60s-Flair:<br />

die Berliner<br />

Combo iMás Shake!.<br />

© tbc/Apple Corps Ltd<br />

Meine ganze Kindheit bestand aus den<br />

60s", sagt Rod. „Es begann mit den<br />

Beatles und hört bei psychedelischen Raritäten<br />

auf." Die findet er übrigens auch auf einer<br />

Samplerreihe aus Amerika, die sich „Soft Sounds<br />

For Gentle People" nennt. „Vier Volumes mit<br />

unglaublichen Sachen aus den 60ern von der<br />

Westküste, unfassbar lustige Sachen, liebevoll<br />

gemacht, aber auch psychedelischer Unsinn",<br />

sagt Rod lachend.<br />

Und Katy, Jahrgang 1976, habe schon als<br />

Teenie gern ein Mod-Mädchen sein wollen.<br />

„Was in einer westdeutschen Kleinstadt natürlich<br />

nicht so einfach war wie in Berlin Ende<br />

der 80er, Anfang der 90er", merkt die sympathische<br />

Blondine an. Heute ist Katy mit<br />

ihrem Look ein absoluter Hingucker: auf der<br />

Bühne am Keyboard, als<br />

Background-Sängerin<br />

und natürlich bei den<br />

Fotoaufnahmen<br />

mit<br />

der Band. Die typischen,<br />

leicht weiten<br />

Minikleider, kniehohe


Stiefel, der Schwarz-Weiß-Stil – gängige Elemente<br />

bei Katys Style. Auch total 60s ist ihr Make-up.<br />

„Ohne Lidstrich würde ich, glaube ich, nicht auf die<br />

Bühne gehen", sagt die Designerin. Der größte Unterschied<br />

bei Katys Klamotten im Gegensatz zu den klassischen Outfits<br />

aus den 60ern sind die Schuhe. Anfang und Mitte der 60er – vor der<br />

Plateausohlen-verliebten Hippiebewegung – sind die Absätze ziemlich<br />

flach. Das weibliche Mitglied von iMás Shake! trägt jedoch hohe Absätze.<br />

Nicht, um sich größer zu machen, denn mit ihren 1,70 könnte sie die<br />

flachen Treter locker tragen. „Aber ich stehe halt auf Stöckelschuhe."<br />

Mary<br />

Quandt<br />

Um die eigene Kleiderkollektion zu erweitern, hat Katy früher<br />

viel auf Flohmärkten gestöbert oder Originale in Second-Hand-<br />

Läden abgegriffen. Die meisten „echten" Teile hätten aber einen<br />

Makel: „Sie sind oft aus weniger schönen<br />

Materialien", findet Katy. Da aber mittlerweile<br />

viele junge, aktuelle<br />

– und auch bezahlbare<br />

– Marken auf den 60s-Modetrend aufspringen, wird Katy<br />

fast überall fündig. „Hier mal ein Blüschen, da mal ein<br />

Röckchen. Die Mode der 60er ist ja heute total stark<br />

vertreten. Ob bei H&M oder Fred Perry – man kann<br />

an sehr vielen Orten solche Sachen bekommen." Und<br />

für Inspirationen oder <strong>Tipp</strong>s, wie man was trägt, müsse<br />

man nur eine aktuelle „Vogue" aufschlagen. „Da sind fast immer<br />

60s-Modestrecken drin", sagt Katy.<br />

Ganz groß wieder da ist seit einigen Monaten zum Beispiel der<br />

Schwarz-Weiß-Look. Die weiße Bluse mit schwarzem Stoffstreifen<br />

an der Knopfleiste, Kleider mit weißem Oberteil und schwarzem Rockteil,<br />

schwarz-weiß gemusterte Röcke und Hosen, Pullis, ja sogar Stiefel mit<br />

schwarz-weißem Hahnentrittmuster. Wem der Zwei-Farben-Trend zu<br />

simpel ist, kombiniert zum rot-karierten Rock einen senfgelben<br />

Strickpulli. Noch auffälliger und wilder sind die<br />

Trends aus der psychedelischen Phase der 60er Jahre,<br />

die auch mit der Veröffentlichung der Beatles-LP SGT.<br />

PEPPERS LONELY HEARTS CLUB BAND 1967 eingeläutet<br />

wird. Keine stilbewusste Frau ging damals ohne<br />

Muster aus dem Haus. Paisley (eine Variante, die stets<br />

an das Muster eines orientalischen Teppichs erinnert),<br />

Op-Art, Schottenkaro, Ringelpullis, bunte-gestreifte<br />

Kleider. Heute angesagter denn je und in so ziemlich jeder<br />

Kollektion gut sortierter Modelabels zu finden.<br />

Doch ein Mode-Unternehmen hat sich 2013 ganz und<br />

gar den Swingin' Sixties verschrien – zumindest in<br />

einer Sonderkollektion: Die Rede ist von der amerikanischen<br />

Marke Banana Republic. Die 1978 in Kalifornien<br />

gegründete Firma hat sich bei den Entwürfen von keinen<br />

Geringeren als den Figuren der US-Erfolgsserie<br />

„Mad Men" (die ersten Staffeln liefen hier bisher<br />

auf ZDFneo) inspirieren lassen. In der dreht sich<br />

alles um Charaktere (übrigens nicht nur – wie der<br />

Name vermuten ließe – Männer), die im New<br />

York der 60er Jahre Liebe, Leid, Skandale und<br />

Krisen bewältigen. Privat – und beruflich in der<br />

fiktiven Werbeagentur Sterling Cooper. Neben<br />

dem Lebensstil, dem Hang zu Zigaretten und<br />

Alkohol und der Sicht auf die Geschlechter sind<br />

©D<br />

Davids<br />

ds/<br />

Bild<br />

arch<br />

iv<br />

Hall<br />

hube<br />

uber<br />

Brigitte<br />

Bardot<br />

auch die Klamotten der Darsteller absolut<br />

stilecht. Typen wie Womanizer Don und Roger<br />

tragen schmale Anzüge und Krawatten mit<br />

Blockstreifen, aber auch karierte Jacketts.<br />

Die Frauen hüllen ihre Körper in die berühmten<br />

Klassiker, wie das gerade geschnittene<br />

und doch figurbewusste Etuikleid, greifen zu<br />

Tweedkostüm und Kastenjacke.<br />

Gemeinsam mit der Kostümdesignerin der<br />

Serie (mittlerweile steht in den USA die siebte<br />

Staffel bevor), Janie Bryant, hat Banana<br />

Republic für 2013 die Rolle der Megan Draper<br />

(Dons zweite Frau) zum Stilvorbild erkoren.<br />

E<br />

in<br />

Mustern, ebenso schmale 7/8-Hosen.<br />

Jackie<br />

Kennedy<br />

Entstanden sind so Minikleider mit langen Ärmeln<br />

in leuchtenden Farben und mit geometrischen<br />

D<br />

ie „Mad-Men"-Darstellerinnen rufen auch in<br />

Erinnerung, welche Accessoires damals (und<br />

teils heute wieder) trendy waren: Joan, Peggy,<br />

Betty und Co. tragen Lederhandschuhe, trapezförmige<br />

Handtaschen, Perlenkette und Brillen in<br />

Katzenaugen-Form. Ein weiteres Vorbild in Sachen<br />

Accessoires aus dieser Zeit spielt auch in der Serie in<br />

gewisser Weise eine Rolle. Kein Gesellschaftsdrama,<br />

das sich so intensiv den 60ern hingibt, würde schließlich ohne Jacqueline<br />

Kennedy Onassis auskommen, die ebenso schlicht wie stilvoll auch kurz<br />

als Jackie O bezeichnet wird. Sie liebte große Sonnenbrillen, Chanel-<br />

Kostüme, Ballerinas und natürlich Hüte. Was wäre die einstige First Lady<br />

und spätere Witwe des griechischen Reeders Aristoteles Onassis nur ohne<br />

ihren Pill-Box-Hut?<br />

Zu den zeitlosen Schönheiten und Ikonen à la Jackie Kennedy (sie<br />

starb 1994) gesellt sich eine ebenfalls dunkelhaarige Frau mit<br />

Knabenfigur: Audrey Hepburn. Der Schauspielstar ist bis heute<br />

Inbegriff für den typischen Stil von Anfang bis Mitte der 60er.<br />

Breite Brauen, große Kulleraugen, Kurzhaarschnitt. Das hat<br />

ungefähr zur selben Zeit viele tausend Kilometer weiter<br />

östlich ein weiteres Mädchen geboten, das den noch prüden<br />

Rocklängen amerikanischer Frauen den Kampf angesagt<br />

hat: das dünne Model Twiggy von der Insel. Ob Kleid oder Rock,<br />

Twiggy zeigt ihre schlanken Beine ausschließlich im Mini. Viele Ketten<br />

dazu, lange Wimpern, kecker Kurzhaarschnitt, flache Schuhe und Stiefel.<br />

Ein Look ist geboren. Den größten Anteil daran hat jedoch eine andere:<br />

Die Britin Mary Quandt hat schließlich die neue Kürze erfunden. Ein<br />

Meilenstein in der Modegeschichte. 1962 zeigt sie die ersten Modelle in<br />

der Londoner Kings Road. Doch erst als Designer André Courrèges 1965<br />

den Mini bei den Haute-Couture-Schauen in Paris zeigt, wird er salonfähig.<br />

Angeblich habe es dann sogar im britischen Königshaus die Erlaubnis<br />

gegeben, am Hofe „Mini" zu tragen.<br />

Zu diesem Zeitpunkt haben zwei weltberühmte Französinnen den<br />

Trend längst für sich entdeckt: die 60s-Stilikonen Brigitte Bardot<br />

und Catherine Deneuve (ein Porträt zu ihrem 70. Geburtstag<br />

finden Sie in dieser Ausgabe). La Deneuve hat daneben noch<br />

ein anderes Faible: für Trenchcoats bzw. Regenmäntel. Der<br />

klassisch-geschnittene aus dem englischen Traditionshaus<br />

Burberry wird zum Hype, zudem freuen sich nun etliche<br />

Damen über das berüchtigte Regenwetter in<br />

London. Schließlich können sie glänzende<br />

Regenmäntel in den knalligsten Farben<br />

ausführen – und liegen damit absolut im<br />

Trend. Indes macht eine gewisse Edie<br />

Sedgwick – quasi die „Twiggy in Übersee"<br />

– in den USA auf sich aufmerksam.<br />

Bekannt wird sie als Andy-Warhol-Muse<br />

und „Factory Girl", besungen (angeblich)<br />

in Songs von Bob Dylan und<br />

The Velvet Underground. Das New<br />

Yorker High-Society-Mädchen trägt<br />

zu seinem Pixie lange Ohrringe,<br />

© Claudia Tupeit<br />

Seite 84 ■ GoodTimes 1/2014


© Claudia Tupeit<br />

kombiniert zu Minikleidern viele Ketten – ein erster<br />

Vorläufer typischer Hippie-Mode. Mit der geht es so richtig<br />

'67/'68 los. Der Stil der Mamas and the Papas ist angesagt, ebenso der<br />

vom End-Sechziger-Stilvorbild Grace Slick, legendäre<br />

Sängerin von Jefferson Airplane und den diversen<br />

späteren Ablegern. Mädchen tragen Wallekleider,<br />

tiefe Ausschnitte, große Flower-Power-Muster,<br />

Schlaghosen, bauchfreie Spaghettiträgertops<br />

mit Rüschen. Es ist die Zeit psychedelischer<br />

Mucke, von Hasch und sonstigen, härteren<br />

Drogen. Es ist die Zeit, in der runde<br />

Sonnenbrillen auf der Mitte des Nasenhügels<br />

sitzend getragen werden. Es ist die Zeit von<br />

Festivals wie Monterey und – natürlich –<br />

Woodstock '69. Männer laufen mit langen<br />

Haaren, in Schlaghosen und mit<br />

Plateauschuhen durch die Straßen<br />

und halten Peace-Zeichen in die Luft.<br />

Der gleiche Stil gilt für Mädchen: Auch sie haben ihre<br />

Mähnen offen – so, als ob sie sie nach dem Aufstehen nicht<br />

gekämmt hätten –, auch sie stolzieren in Plateaustiefeln<br />

durch die Gegend und haben Hosen an, deren Saum so weit<br />

und lang ist, dass sie den Gehweg rundherum damit putzen<br />

könnten. Aber hey, was soll's. Das Motto lautet „Make love, not war", und<br />

daran halten sich zumindest die Hippies.<br />

Mamas and the Papas<br />

Oft vergessen<br />

viele Leute,<br />

dass auch dieses<br />

Lebensgefühl und<br />

die Modetrends<br />

schon ab 1967<br />

zu den „Swingin'<br />

Sixties" dazugehören.<br />

Im ausgeprägtesten<br />

Sinne ist<br />

das Hippie-Fieber<br />

jedoch erst in den<br />

letzen zwei iJh Jahren der Dekade Dkd ausgebrochen. Bis zu dieser Hippie-<br />

Periode mit bunten Blumen und Schlagjeans haben in der Männermode<br />

Mods, Skinheads und Rocker den Ton angegeben. Und in diesen<br />

Sub<strong>kult</strong>uren gibt es radikale Unterschiede: auf der einen Seite die<br />

Pilzköpfe à la Beatles, feiner Zwirn, Pullunder überm Hemd. Daneben<br />

die „Bürstenkopf-Frisierten" mit Doc Martens, Bomberjacke,<br />

Hosenträgern zu engen, umgeschlagenen Jeans. Die Rocker<br />

liebten ihre Maschinen genau wie die coolen Lederjacken. Dann<br />

die Mods, die Rebellischen, die Unangepassten, die<br />

Kinks-, Small-Faces- und The-Who-Fans. Mit<br />

ihren taillierten Sakkos, den schmalen, schon<br />

röhrenmäßigen Hosen und dem Army-Parka.<br />

Ideal geeignet für die Fahrt auf dem Roller.<br />

E<br />

in solches Standard-Fortbewegungsmittel der<br />

60s besitzen auch die Mitglieder von iMás<br />

Shake!. So fährt Rod eine blaue Vespa, nach eige-<br />

nen<br />

Angaben eine „alltagstauglichere PX 200". Sein<br />

Modell von '68 habe er an Bassist Michell Gutiérrez<br />

Gómez verkauft.<br />

Sich einen Roller leisten, abfeiern, coole Musik hören<br />

– und Keith Moon, das gehört für Rod definitiv zu<br />

den<br />

schönen Seiten der Mod-Kultur. Wie sehr er den<br />

1978<br />

verstorbenen Who-Schlagzeuger verehrt, wird auf<br />

seiner Single "Quadrophenia" klar, die auf einer der jüngsten Ärzte-EPs<br />

erschienen ist. Eine Huldigung nicht nur an den Briten, sondern eben<br />

auch an die tollen Seiten des Mod-Seins.<br />

Für das komplette Mod-Lebensgefühl ist Rod zu alt, findet er. Gott sei<br />

Dank sieht er das nicht so in puncto Mod-Style. In uniform-ähnlichen<br />

Jacketts, schmal geschnittenen Anzügen oder mit engen Hosen zum<br />

Foto: © Jens-Uwe Berndt<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 85<br />

schlichten Shirt tritt Rod nämlich gern auf die Bühne und passt damit<br />

bestens zum 60s-Look der anderen Bandmitglieder. Doch während Katy<br />

als Frau das Glück hat, einzelne 60s-Look-Teile in gängigen Kaufhäusern<br />

zu finden, ist das für den 60s-Style des Mannes schon schwieriger.<br />

Das kennt auch Rod und erzählt von aufwändigen Suchen nach<br />

Klamotten. Meist stöbere er sehr lange, vor allem in englischen<br />

Onlineshops. Wo genau, will er nicht verraten. „Sonst kaufen das ja<br />

alle", sagt er und lacht.<br />

Eine gute Adresse zum Eindecken mit Button-down-Hemden,<br />

engen Jeans, Hosenträgern, Boots und sonstigen 60s-Teilen ist<br />

für den Mann in jedem Fall die britische Marke<br />

„Ben Sherman" (siehe auch eigener Artikel<br />

auf nachfolgender Seite), die bisher auch<br />

zwei Geschäfte in Deutschland hat, in<br />

Berlin und Köln. In London gibt es<br />

sogar immer noch einen Laden in<br />

der in den 60s berühmt-berüchtigten<br />

Carnaby Street.<br />

Wer doch lieber ein Vintage-<br />

Stück abgreifen möchte, dürfte<br />

definfitiv online fündig werden.<br />

Ein Wahnsinns-Repertoire bietet zum<br />

Beispiel „Atom Retro", stilecht im United<br />

Kingdom angesiedelt. Auf der Suche nach<br />

dem klassischen Beatles-Chelsea-Stiefel, einem<br />

Jefferson<br />

Parka, Etuikleidern, Paisley-Hemden oder auch<br />

Airplain<br />

Accessoires kann man übersichtlich aus einem em breiten<br />

Angebot auswählen. Es gibt Marken, die auf Retro-Mode der 60er (und<br />

70er) spezialisiert sind, und es gibt die echten Unikate von damals. Wer<br />

Glück hat, erwischt ein Original von Yves Saint Laurent (vielleicht eines<br />

seiner berühmten Safari-Look-Kleider?) oder das Nonplusultra: einen<br />

Mini von der Erfinderin, Mary Quandt.<br />

© Claudia Tupeit<br />

ModCloth - der Name sagt's schon – ist auf Vintage-und Retro-<br />

Kleidung spezialisiert. Gegründet von zwei Amerikanern am<br />

College als eine Art privates Outlet, ist der Onlineshop mittlerweile extrem<br />

erweitert worden. Die Eigentümer arbeiten mit jungen, bisher noch unbekannten<br />

Designern zusammen und haben so eine vielfältige Auswahl vom<br />

Partykleid über Winterpullis bis zu Schuhen und Accessoires zusammengestellt.<br />

Die „ModStylists" beraten Kunden beim Auswählen oder auch<br />

beim Kombinieren ihrer neuen Lieblingsteile.<br />

Nicht ganz so weit entfernt ist eine wahre Fundgrube für Männer<br />

und Frauen, die den 60s-Stil suchen und tragen wollen: die<br />

„SchwarzeTruhe" in Berlin. Sowohl im Laden selbst als auch<br />

online kann wunderschöne Vintage-Mode erstanden werden, zu<br />

Geldbeutel-freundlichen Preisen. Und da der Begriff „Vintage"<br />

ernstgenommen wird in seiner Bedeutung, dass es sich dabei<br />

um Kleidung handelt, die deutlich älter ist als 20 Jahre (also<br />

Originale), lassen sich echte Raritäten abstauben.<br />

Schnell auffindbar für Damen und Herren, da<br />

alles in Rubriken wie Brautkleid, Oberteile,<br />

Die Autorin<br />

im 60er-Look:<br />

Minikleid in<br />

Trapezform<br />

mit Kragen,<br />

kniehohe Stiefel,<br />

Kurzmantel.<br />

Glam-Glitter,<br />

Plateaus und der<br />

Schmuddelstil der Punks:<br />

<strong>kult</strong>! instyles 70s" in der<br />

"<br />

kommenden Frühjahrs -<br />

aus gabe.<br />

Röcke, etc. eingeteilt ist. Und: Was<br />

nicht im eigentlichen Sinne unter<br />

„Vintage" läuft, wird auch so gekennzeichnet.<br />

Ganz besonderer Service: Für<br />

Mottopartys oder ähnliches darf man<br />

sich etwas ausleihen. Außerdem können<br />

Teile, die man online entdeckt hat, im<br />

Laden anprobiert werden. Einfach<br />

die Artikelnummer notieren,<br />

den Rest erledigen die<br />

Mitarbeiter<br />

Geschäft.<br />

im<br />

Was<br />

sie in<br />

den 60s<br />

trug, ist heute<br />

wieder angesagt:<br />

Audrey Hepburn<br />

im karierten<br />

Mantel im<br />

Trenchcoat-Stil.


Foto: © Ben Sherman erman<br />

© Claudia Tupeit<br />

ngefangen hat alles ganz bodenständig in England. Dort<br />

wird Arthur Benjamin Sugarman 1925 in Brighton geboren.<br />

Dass er einmal eine Legende für stilbewusste Männer<br />

sein wird, die authentische Qualitätsmode wollen, die nicht jeder Zweite<br />

trägt, ahnt damals niemand. Er am wenigsten.<br />

Die Jugend in den Kriegswirren verbracht, zieht es ihn im Alter von<br />

20 Jahren in die USA. Dort, im San Fernando Valley, beginnt er, in der<br />

Bekleidungsfabrik seines Schwiegervaters zu arbeiten. Er ändert seinen<br />

Namen in Ben Sherman. Ben nennen ihn sowieso alle in der Familie, und<br />

Sherman klänge solide und amerikanisch, meint er.<br />

Solide, das ist überhaupt eine durchaus zutreffende Bezeichnung<br />

für alles, was den Briten betrifft. „Haltbar, qualitätsvoll, lebendig und<br />

robust" – mit solchen Attributen erklärt der Duden das Adjektiv. Also<br />

nicht nur die passende Umschreibung für den neuen Namen, sondern<br />

auch für die Mode und natürlich für den Geschäftssinn von Ben<br />

Sherman.<br />

ls seine Mutter in England erkrankt, kehrt Sherman zurück nach<br />

Brighton. Im Gepäck hat er jede Menge Ideen aus Übersee.<br />

Zudem viel Eifer<br />

und Energie für<br />

etwas Neues.<br />

Seine Erfahrung<br />

nutzt er, um eine<br />

eigene Fabrik zu<br />

eröffnen. Den<br />

Seite 86 ■ GoodTimes 1/2014<br />

50 JAHRE<br />

Der Stil der Sub<strong>kult</strong>uren für<br />

den Mann<br />

Groß, hell, viel Holz, wenig Schnickschnack, Ordnung und<br />

absolut stylishe Verkäufer: Das Betreten eines Ben-Sherman-<br />

Geschäfts sorgt für ein Aha-Erlebnis bei Männern. Und das ist<br />

beim starken Geschlecht inmitten weiblich dominierter Auslagen<br />

großer Bekleidungsanbieter eher selten. Beim britischen Herren-<br />

Label klopft das Männerherz schneller, vor allem bei Ersttätern.<br />

Shirts, Hemden, Jacken, Hosen, Schuhe, Taschen – alles wird<br />

übersichtlich präsentiert. Und die (männlichen) Verkäufer zeigen<br />

gleich mal, wie das ein oder andere Stück angezogen tatsächlich<br />

aussehen könnte. Ob in New York, San Francisco, Berlin, Sydney,<br />

Singapur, Kapstadt oder Moskau: Der Brit-Chic ist Trend.<br />

Niederlassung in der Berliner Rosenthaler Straße<br />

Ärmelaufschläge in anderen Farben und Mustern<br />

gehören zu den feinen Details der Marke.<br />

Von Claudia Tupeit<br />

Typisch Ben Sherman: helle<br />

Verkaufsräume mit viel Holz<br />

und geordnetem Sortiment.<br />

Foto: © Ben Sherman<br />

Anfang macht er mit Hemden. Er<br />

entwirft sie und bringt schließlich<br />

1963 das erste auf den Markt. Seine<br />

Inspiration? Die Oberteile der Jungs<br />

an amerikanischen Elite-Unis. Und die<br />

Jazzstars, die Anfang der 60er Jahre zu<br />

Auftritten nach England kommen und<br />

diese „button-down-shirts" tragen, die<br />

es in Geschäften wie Brooks Brothers<br />

gibt. Solche Hemden mit Extraknöpfen<br />

am Kragen will Sherman fertigen.<br />

Natürlich in anderen Versionen, mit<br />

anderen Farben<br />

und Mustern. Pastellfarben,<br />

also Rosa, helles Gelb, helles<br />

Blau sollen für zusätzliche<br />

Hingucker sorgen.<br />

Teilweise setzt er noch eins<br />

Unifarben, kariert, Paisleymuster: Ben Sherman<br />

hat alles, was das Männerherz begehrt.<br />

drauf und kombiniert dazu<br />

bonbonfarbene Streifen. Anfang der 60er Jahre wird<br />

seine Farbpalette jedoch skeptisch aufgenommen.<br />

Zunächst. Er bleibt am Ball, revolutioniert sogar<br />

das Verpacken der Ware, weil er jedes Hemd<br />

einzeln in Papier einwickeln lässt. Das gab's so<br />

vorher nicht.<br />

© Claudia Tupeit<br />

en Shermans Geist (er ist bereits 1987 mit<br />

nur 62 Jahren gestorben) lebt weiter. Zwar<br />

kann der stilbewusste Mann sich längst von<br />

Kopf bis Fuß nur von der Firma Ben Sherman<br />

einkleiden. Aber ein Blick in die Läden zeigt,<br />

dass es vor allem immer noch Hemden gibt. In den<br />

berühmten und einst verpönten Pastelltönen. Hinzukommen<br />

die karierten und die mit Muster. Und die unifarbenen. Alle<br />

sind mit feinen Details versehen. Das hebt sie ab vom Mainstreamhemd.<br />

Foto: © Ben Sherman<br />

Foto: © Claudia Tupeit


Foto: © Claudia Tupeit<br />

Zum Beispiel hat das eigentlich in Rot- und<br />

Blautönen karierte Hemd seitlich am Saum einen<br />

kleinen Einsatz mit dunkelblau-weißen Karos im<br />

Miniformat. Oder das psychedelisch wirkende<br />

Oberteil mit dem braun-weißen Paisleymuster,<br />

dessen Ärmelsaum neckisch umgekrempelt das<br />

Muster mit hellblau-weißen Karos bereichert.<br />

Stets dabei: der eingestickte Labelname.<br />

Und wenn Suche und Anprobe erfolgreich<br />

gewesen sind, knistert es immer noch, wenn<br />

die Verkäufer die Hemden verpacken. Denn<br />

wie früher beim Erfinder selbst landen die<br />

neuen Oberteile eingehüllt in Papier in der<br />

Einkaufstasche.<br />

ie Marke Ben Sherman hat seit 1963 viele Leute stilistisch beeinflusst<br />

und angezogen. Im Jubiläumsbuch „50 Years Of British<br />

Style Culture" von Josh Sims zum Geburtstag des Labels werden acht<br />

Sub<strong>kult</strong>uren von der Insel näher betrachtet. Für Mark Maidment,<br />

seit über zehn Jahren kreativer Chef bei Ben Sherman, sind es die<br />

besten Sub<strong>kult</strong>uren überhaupt. Ins Buch passten sie als Auszug diverser<br />

Strömungen deshalb so gut, weil sie alle unglaublich „maskulin<br />

und legendär" waren. Viele der Szene-Anhänger waren die „working<br />

class heroes", also hart arbeitende junge<br />

Männer, die ihren Platz in der Gesellschaft<br />

behaupten wollten. Heute erinnere man<br />

sich vor allem an den Style, der die verschiedenen<br />

Bewegungen ausmachte, und<br />

auch an den Gedanken der Rebellion,<br />

die vielen Mythen, die sich um die<br />

Gruppierungen ranken. Aber noch bedeutender<br />

als all das ist laut Mark Maidment<br />

die echte Vorreiterrolle. Dass die jungen<br />

Herren (und Damen) in den 60er, 70er,<br />

80er Jahren Pioniere von etwas waren,<br />

was zuvor so nicht dagewesen ist. Allen<br />

Klassische Harrington-Jacke mit dem limierten<br />

Beatles-Köpfe-Print auf dem Innenfutter.<br />

voran natürlich die Mods mit ihrem<br />

Faible für Kleinkariertes, aber auch – wie<br />

oft von The Who getragen – für T-Shirts<br />

mit Target-Symbol, für Parkas, Röhren<br />

und eng geschnittene Anzüge. Vorreiter<br />

waren die Teddy Boys, die – inspiriert von<br />

den Dandies der „Edwardian-Epoche" –<br />

als erste (Mode-)Sub<strong>kult</strong>ur nach dem Zweiten Weltkrieg in England<br />

für Aufmerksamkeit sorgten. Im Ben-Sherman-Jubiläumsbuch (auch<br />

auf Deutsch erhältlich) werden neben diesen Sub<strong>kult</strong>uren Rocker,<br />

Punks, Skinheads, Northern Soul, Two Tone und Casuals mit ausführlichen<br />

Infos und tollem Fotomaterial bedacht.<br />

berall auf der Welt betreibt die Marke mittlerweile eigene Läden<br />

und verkauft Kollektionen in namhaften Kaufhäusern. Eigene<br />

Niederlassungen in Deutschland gibt es bisher in Berlin und Köln.<br />

Im Heimatland England existieren sechs, allein vier davon in London.<br />

Nach wie vor ist ein Laden in der berühmten und früher berüchtigten<br />

Carnaby Street, ein weiterer mit riesigem Sortiment ist im<br />

beliebten Covent Garden zu finden. Wer Ben Sherman trägt, sollte<br />

unbedingt einen der Läden im Mutterland der Marke ansteuern.<br />

Die englischen Verkäufer haben diese gewisse Attitüde, die einen<br />

beim Betreten in die 70er Jahre zurückversetzt. Die Preise sind ohne<br />

Auslandsverkauf-Aufschlag. Das Flair an diesen beiden Standorten<br />

Foto: © Derek Ridgers<br />

© Joseph McKeown/Picture Post/Getty Images<br />

Teddy<br />

Boy in<br />

London<br />

1954<br />

Skinheads 1979<br />

ist sowieso unbezahlbar – und es gibt einfach jedes Teil<br />

aus den diversen Kollektionen: „Plectrum", deren aktuelle<br />

„Spirit Of Union"-Serie inspiriert ist vom Geist des industriellen<br />

Nordens von England, umgesetzt mit moderner r<br />

Farbpalette und moderneren Schnitten. Zur „British Wardrobe<br />

Staples" und „The Duke Street Foundry" gehören Klassiker<br />

wie die Harrington-Jacke und Button-down-Hemden mit<br />

typischen Mod-Karos. „Tailoring" bietet<br />

schick geschnittene Anzüge. Coole Chino-<br />

Hosen in so ziemlich jeder denkbaren Farbe<br />

sind unter „EC1" zusammengefasst. Jetzt<br />

neu: Cordhosen in trendigen Farben von<br />

Weinrot bis Senfgelb.<br />

Two Tone – Terry Hall und<br />

Lynval Golding von The Specials<br />

1981 in Montreux.<br />

Jungs im Casual-Stil 1982 bei einer<br />

Londoner Party.<br />

Foto: © Mark Charnnock/PYMCA<br />

Foto: © Adrian Boot/Urban Image<br />

eit 2004 gehört das Unternehmen Ben<br />

Sherman der amerikanischen Oxford<br />

Industries. Am Stil ändert das (bisher)<br />

wenig. Die Marke ist weiter beliebt, weil<br />

sie den Mann (und mittlerweile mit ein<br />

paar Stücken auch die Frau) stylish und<br />

modern kleidet, Traditionen<br />

aber erhält. Erkennbar<br />

auch am besonderen<br />

Kundenwunsch von<br />

Paul Weller (The Jam, Style<br />

Council), den er 2007 an das<br />

Label heranträgt. Der Sänger<br />

möchte unbedingt ein für<br />

ihn legendäres Hemd von Ben<br />

Sherman nachgemacht bekommen,<br />

das er trug, bis es förmlich auseinandergefallen<br />

war. Wellers Bitte verführt die Firma<br />

dazu, dem Briten eine Kollektion zu widmen. Weller<br />

bringt eigene Ideen ein. Dickere Knöpfe, ein Kragen<br />

so breit wie vier Finger und ein extra Knopfloch am<br />

Bündchen, um das Hemd enger machen zu können.<br />

Berühmt wird auch die Idee, vier der wohl berühmtes ten Köpfe<br />

der Welt auf Hemden und Jacken zu drucken: Paul, John, George and<br />

Ringo – kurz: The Beatles. Ein Oberhemd mit kurzen Ärmeln ganz<br />

und gar bedruckt mit den bunten Porträts. Der gleiche Stil findet sich<br />

ebenso im Innenfutter von Übergangsjacken im Harrington-Stil. So<br />

mancher Boy wird sie vermutlich eher selten anziehen, sondern lieber<br />

mit dem Innenfutter nach außen überm Arm hängend präsentieren.<br />

Mit der Combo Madsen folgt eine weitere Zusammenarbeit<br />

mit Musikgrößen. Und just im September 2013 bringt das Label<br />

eine Geburtstagskollektion heraus, bei der fünf große Künstler<br />

für jedes der Ben-Sherman-Jahrzehnte ein eigenes, auf je 250<br />

Stück limitiertes Hemd designt haben. Für die 60er gibt es eins im<br />

Union-Jack-Style von The Whos Roger Daltrey, Pop-Art-Künstler<br />

(und Lehrer von Ian Dury) Peter Blake hat sich für die 70er etwas<br />

überlegt, stellvertretend für die 80er steht das schwarze Hemd<br />

von Bernard Sumner, ehemaliger Gitarrist und Keyboarder von<br />

Joy Division, später New Order. In<br />

einem Hellblau-Ton ist das Oberteil<br />

von Jarvis Cocker (gründete 1978 die<br />

Brit-Popband Pulp). Vervollständigt<br />

wird die Dekaden-Runde von einem<br />

Smiley-Hemd vom Künstler-Duo Jake<br />

& Dinos. Sämtliche Netto-Erlöse der<br />

Designerin Vivienne Westwood (r.)<br />

und weitere Punks an einer Londoner<br />

Telefonzelle 1977.<br />

Foto: Condé Nast Archive / Corbis<br />

„The Icons (Shirt for TCT)" gehen an<br />

den Teenage Cancer Trust, einer vom<br />

Label unterstützten Organisation für<br />

an Krebs erkrankte Jugendliche und<br />

junge Erwachsene. Wer noch keins<br />

ergattert hat – ranhalten! Vielleicht<br />

ist in einem Laden noch das ein oder<br />

andere zu finden. Und wenn nicht:<br />

Die nächste, ultracoole Kollaboration<br />

ist im Hauptquartier sicher schon in<br />

Planung.<br />

© Claudia Tupeit<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 87


OLSENBANDE<br />

DIE<br />

Von Christian Hentschel<br />

Mächtig<br />

gewaltig!<br />

Die<br />

Olsenbande<br />

gaunert sich<br />

durch Europa<br />

Foto: © Nordisk Film<br />

Der Drehbuchautor Henning Bahs und der Regisseur Erik Balling trafen sich einmal jährlich für wenige<br />

Wochen in Paris. Hier gingen die zwei dänischen Filmemacher einem ganz besonderen Projekt nach – sie<br />

schrieben jeweils ein neues Drehbuch über die Olsenbande.<br />

Die Idee dazu hatte Bahs, der seine Filmkarriere in den 50er<br />

Jahren in der Requisite begann, dann als Szenenbildner<br />

arbeitete und seit den 60ern auch Drehbücher verfasste.<br />

Mit „Die Olsenbande" wollte er einen komödiantischen<br />

Gegenentwurf zu James Bond und Lemmy Caution, einem Bruder<br />

im Geiste von Bond und Jerry Cotton, entwickeln. Jedoch<br />

ging es nicht um platten Ulk,<br />

vielmehr sollte die<br />

Geschichte von Ganoven<br />

mit ganz nor-<br />

malen Alltagsproblemen erzählt wer-<br />

den. Balling war<br />

sofort begeis-<br />

tert, schrieb an<br />

den Büchern<br />

mit und führte<br />

Regie. Schon<br />

sein erster Spielfilm „Adam<br />

Og Eva" aus dem Jahr<br />

1954 wurde<br />

mit dem<br />

Bodil, dem<br />

bis heute<br />

wichtigsten<br />

Filmpreis<br />

Dänemarks,<br />

ausge-<br />

zeichnet.<br />

Nur drei<br />

Jahre<br />

später wurde<br />

Ballings<br />

fünfter Spielfilm<br />

„Qivitoq",<br />

ein Drama über<br />

die<br />

Modernisierung Grönlands<br />

und die damit verbundenen Probleme, für den Oscar nominiert. Das<br />

war in jenem Jahr, als Erik Balling mit nur 33 Jahren den Posten<br />

des Direktors der Firma Nordisk Film übernahm.<br />

Vermutlich auch für<br />

die denn Nordisk bewilligte die Budgets. Kostete<br />

Olsenbande-Filme ein nützlicher Umstand,<br />

der erste Olsenbande-Film „nur" etwa<br />

eine Million Kronen, verschlang Film<br />

Nummer 13 bereits das Zehnfache.<br />

Wenngleich „Die Olsenbande" (1968)<br />

und<br />

„Die Olsenbande in der Klemme"<br />

(1969)<br />

nach dem Filmstart ihren<br />

Siegeszug<br />

antraten (und bis heute<br />

sehenswert<br />

sind), waren sie noch<br />

ein<br />

wenig unentschieden. Erst mit<br />

dem<br />

dritten Teil „Die Olsenbande<br />

fährt<br />

nach Jütland" (1971) gelang<br />

der<br />

endgültige Charme, der alle fol-<br />

genden<br />

Filme ausmacht. Besonders<br />

faszinierend<br />

sind die liebenswerten<br />

Figuren.<br />

Da ist zunächst die Olsenbande<br />

selbst. Benannt<br />

nach ihrem Kopf Egon<br />

Olsen, wunderbar<br />

gespielt von Ove Sprogøe.<br />

Die Filme beginnen meist damit, dass Olsen<br />

Foto: © Nordisk Film<br />

Seite 88 n GoodTimes 1/2014


das Staatsgefängnis Vridsloseville vor den Toren Kopenhagens verlässt,<br />

um am Ende dort wegen einer neuen Sache wieder einzurücken. Das<br />

war so prägend, dass der Weg vor dem Gefängnis mittlerweile tatsächlich<br />

Egon-Olsen-Straße heißt. Abgeholt wird Olsen immer von seinen<br />

oder weil die ostdeutsche Synchronisation auf ausgeklügelte Dialoge nah<br />

Compagnons Benny und Kjeld, dargestellt von Morten Grunwald und<br />

Poul Bundgaard. Während<br />

am Original<br />

setzte. Zwar lässt sich nicht jede Defa-Filmsynchronisation<br />

in den Himmel loben, doch hier wurde mit viel<br />

Egon ein Gentleman-<br />

Liebe fürs Detail gearbeitet.<br />

Gangster alter Schule ist,<br />

ist der treue Benny der<br />

Fahrer der Bande – ganz<br />

egal, ob Auto, Lokomotive<br />

oder gar Panzer. Seine<br />

Markenzeichen sind sein<br />

1974 sollte übrigens nach den genannten drei<br />

Filmen<br />

sowie „Die Olsenbande und ihr gro-<br />

ßer<br />

Coup" (1972) und „Die Olsenbande läuft<br />

Amok"<br />

(1973) mit „Der (voraussichtlich) letzte<br />

Streich<br />

der Olsenbande" (1974) erst einmal<br />

Schluss<br />

sein, doch bis 1981 ging es Schlag<br />

tänzelnder Gang und<br />

auf<br />

Schlag weiter. Mit großem Erfolg starteten<br />

seine ewige Zustimmung<br />

„Die<br />

Olsenbande stellt die Weichen" (1975),<br />

„Mächtig gewaltig".<br />

„...<br />

sieht rot" (1976), „... schlägt wieder zu"<br />

„Mächtig gewaltig" ist<br />

(1977),<br />

„... steigt aufs Dach" (1978), „... ergibt<br />

übrigens eine Erfindung<br />

des Dialogbuchautors<br />

Wolfgang Woizick, denn<br />

im dänischen Original sagt<br />

Benny stets „Skide Godt",<br />

das so viel wie „Scheiße<br />

gut" bedeutet. Kjeld, der<br />

Dritte im Bunde, ist der<br />

Schisser in der Runde und<br />

will überhaupt nicht kriminell<br />

sein. Andererseits bringt<br />

er es in „Die Olsenbande fährt<br />

nach Jütland" auf den Punkt:<br />

„Alles ist so teuer geworden,<br />

mit Mehrwertsteuer und so.<br />

Nirgendwo gibt es noch etwas<br />

Mit dem liebenswerten Gangstertrio unsterblich<br />

geworden: die dänischen Schauspieler (v.l.n.r.)<br />

Morten Grunwald, Ove Sprogøe und Poul Bundgaard.<br />

auf Pump." Zudem muss<br />

er den verschwenderischen So liebt man die Olsenbande: Egon (Mitte)<br />

sich<br />

nie" (1979) und „... fliegt über die<br />

Planke"<br />

Lebensstil seiner Frau Yvonne erläutert Benny und Kjeld seinen Plan.<br />

(1980).<br />

Im vorerst letzten Teil „Die Olsenbande<br />

gewährleisten, der er es nur<br />

fliegt über alle Berge" (1981) geht es nach Paris<br />

selten rechtmachen kann. Gespielt wurde Yvonne von Kirsten Walther,<br />

und von Film zu Film wurde ihre Rolle der notorisch nörgelnden Ehefrau<br />

größer und bedeutender. 1987 verstarb sie völlig unerwartet nur 53-jährig<br />

an Herzversagen. Jes Holtso war zehn Jahre alt, als er erstmals als<br />

Filmsohn Borge von Yvonne und Kjeld bei der Olsenbande auftauchte.<br />

Mit langem, zotteligem Haar, dicken Brillengläsern und rotem Pullover<br />

war er schon von weitem zu erkennen und erwies sich als gewiefter<br />

Handlanger für seinen Vater und dessen Kollegen. Im wirklichen Leben<br />

verfolgt der inzwischen 56-Jährige die Laufbahn eines Bluessängers, so<br />

erreichte er 2009 das Finale von „Talent 09",<br />

dem dänischen Ambivalent<br />

des „Supertalents". Vor wenigen Monaten<br />

hatte Holtso in Greifswald sein<br />

erstes Deutschlandkonzert.<br />

Unvergessen ist auch Dynamit-<br />

Harry, der trinkfreudige<br />

Sprengmeister, der sich nüch-<br />

tern nichts traut, und Bruder<br />

von Benny – verkörpert vom<br />

bereits 1981 verstorbenen<br />

Schauspieler Preben Kaas. Oder<br />

das „Dumme Schwein", ab Teil<br />

sechs ständiger Widersacher des<br />

Gaunertrios, dargestellt von Ove<br />

Werner Hansen, der in seiner Heimat auch als Sänger und<br />

Fernsehkoch bekannt ist. Und nicht zuletzt die Kommissare<br />

Mortensen, Jensen und Holm.<br />

Schnell machte die Olsenbande auch außerhalb Dänemarks Furore.<br />

Die Filme wurden nach Jugoslawien, Polen, Ungarn, Rumänien,<br />

Österreich, in die Schweiz und die Türkei sowie die BRD und DDR<br />

lizenziert. Norwegen begann schon 1969, eigene Olsenbande-<br />

Filme zu drehen (teilweise in der dänischen Originalkulisse),<br />

und 1981 zog auch Schweden mit der „Jönssonligan"-Serie ins<br />

Rennen. Kultstatus erlangten die Filme neben Dänemark vor<br />

GoodTimes 1/2014 n Seite 89<br />

allem im Osten Deutschlands. Im Westteil des Landes dagegen liefen die<br />

Filme nicht sonderlich erfolgreich. Über die Gründe wird viel spekuliert,<br />

vielleicht weil sie im Überangebot der Westkinos einfach untergingen<br />

(dem Drehbuchentstehungsort), Yvonne trennt sich von Kjeld, und Egon<br />

landet schlussendlich in der Psychiatrie. In den Folgejahren wurde über<br />

eine weitere Fortsetzung nachgedacht, doch mit dem frühen Tod der<br />

Yvonne-Darstellerin Kirsten Walther schien es abwegig. Erst 1998 wurde<br />

noch einmal ein weiterer, jedoch nicht so erfolgreicher Film gedreht:<br />

„Der (wirklich) allerletzte Streich der Olsenbande". Obendrein waren die<br />

Dreharbeiten von tragischen Ereignissen überschattet. So verstarb Kjeld-<br />

Darsteller Poul Bundgaard im Juni 1998 und musste für die noch nicht<br />

fertiggestellten Szenen gedoubelt werden. Es blieb nicht bei diesem<br />

Todesfall: Benny Hansen, der den Krankenpfleger spielte, der neu engagierte<br />

Regisseur Tom Hedegaard (Erik Balling konnte aus gesundheitlichen<br />

Gründen weder am Drehbuch mitschreiben noch Regie führen) verstarben<br />

während der Dreharbeiten, Bjorn Watt-Boolsen (seit 1974 in der Rolle<br />

des Schurken Hallandsen) wenige Tage nach der Premiere. Inzwischen<br />

sind auch Bahs (2002), Sprogøe (2004) und Balling (2005) gestorben,<br />

doch die Olsenbande bleibt unsterblich. Es gibt eine Kinderversion,<br />

Theaterstücke, Comics, Bücher, einen<br />

Animationsfilm und die<br />

guten, alten Originale in<br />

bester HD-Qualität auf<br />

DVD sowie nach und nach<br />

auf Blu-ray.<br />

Fotos: © Nordisk Film


Abi Ofarim<br />

Je oller, desto doller! Auf kaum einen trifft dieser<br />

Spruch mehr zu als auf Abi Ofarim: Der gebürtige<br />

Israeli mit deutschem Pass, der in den 60er<br />

Jahren mit seiner damaligen Gesangspartnerin und<br />

Ehefrau Esther weltweit 59 goldene Schallplatten und zahlreiche<br />

h<br />

Awards abräumte und seither immer wieder mal für Schlagzeilen<br />

gut war, hat am 5. Oktober seinen 76. Geburtstag gefeiert. Doch<br />

zu bremsen ist der Mann, der sich nach eigener Aussage wie ein<br />

Teenager" fühlt, in keinster Weise: Er tritt nicht nur beachtlich "<br />

oft live auf und arbeitet an einer neuen CD, sondern er hat sich<br />

seit geraumer Zeit einem sehr ambitionierten, für einen Promi<br />

aus dem Showbusiness eher ungewöhnlichen Projekt verschrieben,<br />

und das mit Haut und Haaren, Leib und Seele: Kinder von<br />

gestern" heißt der Verein, den er mit Seelenverwandten "<br />

gegründet<br />

hat, um noch in diesem Jahr ein Jugendzentrum für Senioren" zu<br />

eröffnen. Im Gespräch mit "<br />

<strong>kult</strong>!-Mitarbeiter Philipp Roser präsentiert<br />

er sich voller Elan, als er über dieses Vorhaben berichtet<br />

– aber er blickt auch zurück in die Vergangenheit.<br />

Abi, wie kam es zu deinem Projekt Kinder von gestern", und<br />

was verbirgt sich dahinter? "<br />

Vor einem Jahr habe ich ein Poster für den Kältebus in München<br />

gemacht, bin auch mit ihm unterwegs gewesen, als er bei frostigen<br />

Temperaturen bei den Obdachlosen vor Ort war. Da habe ich unglaubliches<br />

Elend gesehen. Wir sind ein so reiches Land, und dennoch frieren<br />

Menschen auf der Straße. Viele Leute<br />

sind gezwungen, ihre Wohnungen zu<br />

verlassen, weil sie am Ende des Monats<br />

nicht genug Geld haben, um die Miete zu<br />

zahlen. Ich habe zum Beispiel eine Frau<br />

getroffen, die lebt den ganzen Monat<br />

von Toast und Ketchup, um ihre Miete<br />

bezahlen zu können. Ich habe immer viele<br />

Wohltätigkeitssachen für Kinder und Tiere<br />

gemacht – dann habe ich eine Doku gesehen,<br />

die die Situation unserer Seniorinnen<br />

und Senioren in Deutschland zeigte. Viele<br />

werden abgeschoben nach Rumänien, weil<br />

die Heime da billiger sind. Die Aussage eines es Sohnes, der seine Mutter in<br />

einem solchen Heim untergebracht hat, hat mich besonders schockiert.<br />

Da sie an Demenz leidet, ist er der Meinung, sprachliche Barrieren seien<br />

kein Hindernis, sie verstehe sowieso nichts. Einfach unglaublich! Da kam<br />

mir die Idee zu „Kinder von gestern" – ich habe mit Gleichgesinnten<br />

den Verein gegründet, um Leuten zu helfen, die 40, 50 Jahre schwer<br />

gearbeitet und das Land in seinen heutigen Zustand gebracht haben,<br />

denn Kinder sind wir doch alle. Viele werden allerdings vergessen, werden<br />

behandelt wie Abfall der Gesellschaft. Sie sind nicht nur finanziell<br />

Foto<br />

:©Phil<br />

ipp<br />

Rose<br />

r<br />

schlecht gestellt, sondern häufig auch sehr einsam. Da kam ich auf den<br />

Gedanken für das „Jugendzentrum für Senioren". Wir richten in einem<br />

früheren Schlecker-Markt ein Treffpunkt ein, wo diese Menschen hinkönnen,<br />

um ihrer Einsamkeit für ein paar Stunden zu entkommen. Dort<br />

können sie Kaffee und Tee trinken, Schach oder Karten spielen, stricken,<br />

nähen, Freunde finden. Wir haben Leute, die ihnen den Umgang mit<br />

dem Computer beibringen, haben Handys für ältere Leute. Wir machen<br />

Lesungen, eine Tanzschule hat uns angeboten, einmal in der Woche<br />

Tanztees zu veranstalten. Auch Schuldnerberatung ist geplant.<br />

Du redest dich regelrecht in Begeisterung – da erübrigt sich<br />

fast die Frage, warum du dir all den Stress antust in einem<br />

Alter, in dem andere Leute ihren Ruhestand genießen.<br />

Wie alt sehe ich aus?<br />

Jünger!<br />

Ich fühle mich auch jünger, ich habe die Kraft, und ich bin ein Vorbild<br />

für die Leute. Ich wurde am 5. Oktober 76, fühle mich konditionell und<br />

stimmlich fitter denn je. Warum tue ich mir das an? Das gibt mir Kraft,<br />

das gibt mir die Möglichkeit zu helfen. Natürlich hilft mein Name, aber<br />

die richtige Hilfe bin ich selbst. Und ich möchte den Leuten eine innerliche<br />

Sonne bringen – und ich kann das!<br />

Ich kann das, und ich motiviere andere<br />

Leute. Im Moment bin ich fitter als vor 10<br />

oder 20 Jahren, als es mir nicht gut ging.<br />

Ich weiß, wie das ist, wenn man richtig<br />

tief unten ist, wenn man kein richtiges<br />

Zuhause hat.<br />

So ein Projekt kostet viel Geld ...<br />

Wir haben viele tolle Sponsoren, das<br />

Sozialreferat der Stadt München hilft<br />

uns sehr, und ich sammle bei meinen<br />

Auftritten. Da erzähle ich von dem Projekt<br />

und gehe mit dem Hut herum. Und ich<br />

gebe Benefizkonzerte<br />

– beim ersten in der Münchner Emmauskirche<br />

kamen 14.000 Euro zusammen. Allerdings leidet im Moment meine<br />

Musik darunter, denn ich sollte eigentlich an meiner neuen CD Abi<br />

Ofarim & Friends arbeiten, der Arbeitstitel heißt FAVOURITES – meine<br />

favorisierten Künstler und meine Lieblingslieder, dazu auch ein paar neue<br />

Songs. Ich wollte sie eigentlich dieses Jahr fertigmachen, musste es aber<br />

auf nächstes Jahr verschieben. Denn „Kinder von gestern" liegt mir so am<br />

Herzen, und ich bin froh, dass ich die Möglichkeit habe zu helfen. Und<br />

jede Hilfe, mit der man uns hilft, damit wir helfen können, ist gigantisch.<br />

Die Gitarre ist immer griffbereit: Abi Ofarim im September 2013<br />

© Pr<br />

esse<br />

se<br />

foto<br />

Seite 90 ■ GoodTimes 1/2014


Das Helfen zieht sich durch dein Leben, wie<br />

man deiner Autobiografie Licht & Schatten"<br />

von 2010 entnehmen kann. "<br />

Ende der 60er,<br />

Anfang der 70er Jahre hast du hier in der<br />

Münchner Musikszene einigen Leuten bei ihrer<br />

Karriere maßgeblich geholfen, als Produzent, als<br />

Songschreiber.<br />

Als die Staatsoper Margot Werner am Ende ihrer Karriere<br />

als Ballerina abschieben wollte, machten sie ihr dort<br />

das Jobangebot, Karten zu verkaufen. Sie wollte auch<br />

schon einwilligen, doch dann habe ich ihr angeboten,<br />

sie aufzubauen. Ich habe viele Hits für sie geschrieben<br />

und produziert. Sie hatte drei Goldene Schallplatten! Ich habe mit der<br />

Gruppe Can gearbeitet und sie großgemacht.<br />

Wie kam es denn zu dieser ungewöhnlichen Zusammenarbeit?<br />

Ich war immer ein Rocker. In meiner Teenagerzeit war Elvis mein Idol.<br />

Aber mit Esther durfte ich das nicht ausleben. Als wir uns getrennt<br />

hatten, kamen Can zu mir. Niemand wollte die Band haben. Ich habe<br />

die Musik gehört und bekam Magenschmerzen. Beim zweiten und<br />

dritten Hören hat mein Körper wieder rebelliert, aber ich habe gesagt:<br />

Das ist stark, und es gibt so viele Masochisten auf der Erde. Ich fing<br />

an, das zu mögen, und dann habe ich sie vermarktet und gemanagt.<br />

Ich hatte eine philanthropische<br />

Firma, die<br />

hieß Prom, und da habe<br />

ich junge Musiker wie<br />

Peter Petrel, Suzanne<br />

Doucet und etliche<br />

Newcomer produziert<br />

und sehr viel Geld reingesteckt,<br />

von dem ich<br />

wenig wiedersah. Aber<br />

das hinderte mich nicht<br />

daran, Leute aufzubauen,<br />

Leuten zu helfen.<br />

Ich mache viel, und ich<br />

versuche zu helfen.<br />

Du warst musikalisch<br />

© Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

lange weg von der Bühne, 27 Jahre lang – wie kam es, dass<br />

du vor einigen Jahren wieder angefangen hast, Musik zu<br />

machen?<br />

Ich war zwar weg von der Bühne, aber nicht von der Musik. Ich<br />

habe produziert, gemanagt, geschrieben. So habe ich auch meine<br />

Jungs großgemacht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich war und<br />

bin ein leidenschaftlicher Papa, habe aber auch ihre musikalischen<br />

Karrieren maßgeblich begleitet. Dann habe ich Kirsten (Schmidt)<br />

kennen gelernt, meine heutige Managerin und Lebenspartnerin. Sie<br />

kam jedes Wochenende aus Kiel, wo sie arbeitete. Ich habe ihr neue<br />

Songs vorgespielt, und sie sagte, ,Bist du noch ganz dicht? Du bist<br />

besser als alle Künstler, für die du schreibst und die du produzierst<br />

– warum gehst du nicht selbst wieder auf die Bühne?' Sie hat mich<br />

genervt, bis ich sagte: Nehmen wir an, dass ich auf die Bühne gehe<br />

– da habe ich ein Problem, ich habe keinen Manager. Da sagte sie,<br />

dass sie das machen würde. Sie hat mir ein Engagement auf der<br />

MS Europa verschafft, einem Kreuzfahrtschiff der Extraklasse, dann<br />

2009 mein erstes Konzert im Schlachthof in München, dem die CD<br />

TOO MUCH OF SOMETHING folgte – und die Reaktionen waren<br />

immer riesig. Das Tolle ist übrigens, dass viele meiner alten Fans mir<br />

die Treue gehalten haben, aber auch viele junge Leute zu meinen<br />

Konzerten kommen.<br />

Stolz bist du auch auf deine Söhne Gil und Tal, die selbst<br />

bereits veritable Karrieren als Musiker vorzuweisen haben.<br />

Tal macht gerade das, was Gil auch gemacht hat: Er ist bei „The Voice<br />

Of Germany" dabei. Gil war in der Show sehr erfolgreich. Das hat ihm<br />

und seiner Band Acht einen Riesen-Push nach vorne gebracht. Tal hat<br />

schon drei Hürden genommen. Ich bin stolz auf meine Kinder, denn<br />

die machen echte Rockmusik – also das, was ich selbst früher gerne<br />

gemacht hätte. Heute mache ich eine Kombination aus Rock, Pop,<br />

Folk und Singer/Songwriter, aber mit mehr Rhythmus im Rücken.<br />

In den Zeiten mit Esther hattet ihr Kontakt zum Beatles-<br />

ssefoto<br />

© Pr<br />

esse<br />

Manager Brian<br />

Epstein, der<br />

damals starb, kurz<br />

bevor er auch euer<br />

Management übernehmen<br />

konnte?<br />

Richtig! Der hatte uns<br />

in der Musikhalle in<br />

Hamburg gesehen und<br />

lud uns nach England<br />

1968 trafen Abi & Esther Queen Elizabeth II.<br />

ein. Wir waren bei ihm,<br />

haben einen Vorvertrag<br />

gemacht, und zwei Wochen später starb er. In Deutschland waren wir<br />

schon bekannt, aber wir wollten auch England erobern.<br />

Und dann kam Robert Stigwood, der spätere Manager von<br />

Abba und Eric Clapton?<br />

Ja. Robert managte die Bee Gees, die neu und in Deutschland noch<br />

unbekannt waren. Wir haben bei ihm unterschrieben, und er hat uns<br />

mit den Bee Gees zusammengebracht – wir sollten ihnen helfen, in<br />

Deutschland berühmt zu werden, und sie uns in England. Wir haben<br />

"Morning Of My Life" und ”Garden Of My Home" gesungen, die<br />

sie geschrieben hatten. Ich habe ihnen dann geholfen, die Songs<br />

noch so zu bearbeiten, dass sie für uns passten. Die<br />

Mit "Morning<br />

Of My Life"<br />

Journalisten hier in Deutschland waren nicht begeistert<br />

und fragten: Wie können die Ofarims Lieder einer<br />

war das Duo<br />

im TV zu<br />

Rockgruppe singen? Bis wir Nummer eins waren –<br />

sehen.<br />

da war dann alles okay. In England passierte aber<br />

nichts, bis ich sagte, wir wechseln vom Label Philips<br />

zu Polydor – dann haben wir "Cinderella Rockefella"<br />

gemacht, und danach brauchten wir Stigwood nicht<br />

mehr. Wir waren fünf Wochen lang Nummer eins, das<br />

Lied war der Favorit von Königin Elizabeth II., wir<br />

haben eine Royal Performance für sie gegeben, und<br />

dann gingen wir in Amerika auf Tournee, traten in der<br />

Carnegie Hall und in der Hollywood Bowl auf. Aber<br />

ich empfinde meine Konzerte heute viel intensiver<br />

als die damals – es ist wie ein<br />

Bumerang: Es kommt unglaublich<br />

viel von den Leuten zu<br />

mir auf die Bühne zurück,<br />

was ich ihnen dann wiederum<br />

zurückgeben kann. Und noch<br />

etwas ist anders: Damals war<br />

es ein Muss, eine Ofarim-LP zu<br />

haben, heute ist es kein Muss.<br />

Wenn jemand Abi Ofarim kauft,<br />

dann weiß er, was er kauft. Das<br />

freut mich, das hält mich fit.<br />

Nervt es nicht, immer wieder<br />

auf die Vergangenheit<br />

angesprochen zu werden?<br />

Nein, auch wenn ich heute<br />

nach vorne blicke, das gehört<br />

ja<br />

auch zu mir, ist Teil meiner<br />

Ab 1965 feierte das<br />

Geschichte. Und ich bin ja auch<br />

Paar einen Erfolg<br />

nach dem anderen<br />

stolz darauf. Ich war letztes<br />

Jahr in der „Charts Show", da<br />

ging es um „50 Jahre LP-Charts Number One in Deutschland", da war<br />

ich als einziger mit drei LPs ganz vorne vertreten.<br />

Abi, du bist Fußballfan?<br />

Ich bin Fußballfan, wie es nur geht – Kirsten leidet darunter, mittwochs<br />

und am Wochenende flippt sie fast aus. Ich bin schon unruhig<br />

eine Stunde, bevor es losgeht. Meine beiden Söhne hier und da (links<br />

und rechts neben ihm, Anm. d. A.), wenn die Bayern spielen – das ist<br />

ein Film für sich. Ich habe selbst Fußball gespielt, als ich sehr jung war,<br />

damals in Israel bei Maccabi Haifa. Ich habe auch geboxt, war mit 15<br />

Jugendmeister. Aber ich war auch am Theater, ich habe Modern Ballet<br />

getanzt und dann später Musik gemacht. Das ging nicht gleichzeitig<br />

mit Modern Ballet und Fußball. Aber ich verpasse heute kaum ein<br />

Fußballspiel.<br />

© Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 91


Michael L andon<br />

Little Joe<br />

wird zum<br />

großen<br />

Star<br />

Sein Name<br />

stam mte aus dem<br />

Telefonbuch. Aber<br />

Michael Landon<br />

war<br />

ein Original. Der<br />

unglückliche Junge,<br />

der<br />

eigentlich Eugene<br />

Orowitz hieß und<br />

gern träumte, erfand<br />

sich selbst. Und<br />

ließ eine ganze<br />

Fernsehgeneration<br />

mitträumen.<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber, "<br />

Bonanza"<br />

Sein Leben war 54 Jahre kurz, doch in dieser Zeitspanne war<br />

er 14 Jahre der ungestüme Little Joe von der Ponderosa,<br />

zehn Jahre der tüchtige Familienvater von der „kleinen Farm"<br />

und schließlich sechs Jahre der rührige Engel, unterwegs auf<br />

dem „Highway To Heaven" – ein Fernsehvermächtnis, das seinesgleichen<br />

sucht. Als unheilbarer Krebs diagnostiziert wurde, berief Michael<br />

Landon eine Pressekonferenz ein. Nicht, um sich zu verabschieden,<br />

sondern um eine Kampfansage zu machen: „Der Krebs wird kämpfen<br />

müssen um mich zu kriegen." Kampf war er gewohnt. Erkämpfen hatte<br />

dieser Mann sich alles müssen, von früher Kindheit an.<br />

Seine Kindheit war traumatisch. Zum sechsten Geburtstag erklärte<br />

seine Mutter – die er später oft als „off the rocker", also plemplem,<br />

beschrieb –, sie möge ihn nicht mehr, weil sie kleine Jungs nicht leiden<br />

könne. Die neurotische Mutter hasste seinen beruflich erfolglosen<br />

Vater mit einer kaum zu überbietenden Inbrunst. Selbstmordversuche<br />

waren Bestandteil dieses Milieus. „Ich war schon zehn Jahre alt",<br />

sagte Landon später, „als mir aufging, dass der Gasofen nicht dazu da<br />

ist, seinen Kopf hineinzuhalten." Hatte er ins Bett gemacht, hängte<br />

Mutter die Laken draußen für jedermann sichtbar auf. Dass er noch<br />

als Teenager Bettnässer war, machte er als Star öffentlich, um anderen<br />

Kindern mit demselben Problem zu helfen. Seine psychologischen<br />

Narben jedoch trug er sein Leben lang. Und dass er in New Jersey mit<br />

Antisemitismus aufgrund seiner jüdischen Herkunft konfrontiert wurde,<br />

machte seine Kindertage auch nicht einfacher.<br />

In der Highschool setzte er alles daran, seinen schmächtigen<br />

Körper in den eines Athleten zu verwandeln – und stellte einen<br />

Seite 92 ■ GoodTimes 1/2014


nationalen Highschool-Rekord im Speerwerfen auf. Das brachte ihm<br />

ein Sportstipendium an der University Of Southern California in Los<br />

Angeles ein. Der Bibel-Film „Samson und Delilah" hatte einen bleibenden<br />

Eindruck hinterlassen: Eugene glaubte fest daran, dass langes Haar<br />

auch ihm Kraft verleihen könnte. Je länger sein Schopf wuchs, desto<br />

weiter flog sein Speer. Die Hairdresser der Ponderosa sollten später alle<br />

Hände voll zu tun haben, um Landons langes Haar zu bändigen, während<br />

die buschigen Koteletten ungehindert unter seinem Cowboyhut<br />

hervorwucherten. An der Universität jedoch, in den ultra-konservativen<br />

50er Jahren, schoren ihn seine Mitschüler kahl. Worauf die Stärke ihn<br />

prompt verließ. Was ihn das Speerwerfer-Stipendium kostete – rückblickend<br />

betrachtet aber zum Film brachte.<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber, "<br />

Bonanza"<br />

Ständige Adresse: Ponderosa-Ranch.<br />

Obwohl die Kulisse gleich an drei Orten aufgebaut war.<br />

eine gute Beziehung aufgebaut. Landon verarbeitete seinen Schmerz<br />

als Schauspieler. „Ich kann das benutzen. Ich brauche nur an ihn zu<br />

denken, schon weine ich." Diesen tiefen Brunnen in Landons Inneren<br />

lotete auch Dortort aus, was dem Jungschauspieler letztlich die Rolle<br />

des Little Joe eintrug. „Ich spürte eine Tiefe in Mike und ein Potenzial<br />

für schauspielerisches Wachstum." Der Produzent setzte gegenüber<br />

dem Sender den unbekannten Michael Landon durch.<br />

Der 24-Jährige spielte den Little Joe anfänglich als hitzköpfigen<br />

Teenager, noch nicht trocken hinter den Ohren. Joe Cartwright und<br />

Michael Landon wurden vor den Augen eines Millionen-Publikums<br />

erwachsen. Allerdings war der Cartwright-Family nicht gleich beim<br />

ersten Ausritt der Quotenerfolg beschieden. Erst der gewagte Entscheid,<br />

die Sendung 1961 auf den Sonntagabend zu verlegen, bescherte<br />

„Bonanza" die größte Aufmerksamkeit der Fernsehgeschichte. Die<br />

Show war fast Woche für Woche in den Top Ten der quotenstärksten<br />

Sendungen zu finden. Von 1964 bis 1967 war die Serie über den<br />

Großgrundbesitzer Ben und seine drei Söhne Adam, Hoss und Joe sogar<br />

die meistgesehene in ganz Amerika. Es heißt, der damalige Präsident<br />

Lyndon Johnson habe auf Fernsehansprachen am Sonntagabend verzichtet,<br />

um nicht gegen den Cartwright-Clan antreten zu müssen. Und<br />

Queen Elizabeth II. verriet Lorne Greene, der „Pa" Cartwright verkörperte,<br />

„Bonanza" sei im Buckingham Palast das wöchentliche Must-See.<br />

Dan Blocker und Lorne Greene<br />

firmierten unter ihren bürgerlichen<br />

Namen – nur Eugene legte sich einen<br />

Künstlernamen zu. "<br />

Michael Landon"<br />

entnahm er einfach dem Telefonbuch.<br />

Er hielt sich mit harten Gelegenheitsjobs über Wasser. Er entlud<br />

gerade einen Lastwagen, da forderte ein Mitarbeiter ihn auf, ihn<br />

zu einem Casting zu begleiten. Eugene machte mit – nur so zum<br />

Spaß. Sein hübsches Äußeres brachte ihm Kurzauftritte im Fernsehen<br />

ein. Und aus Eugene Orowitz wurde Michael Landon – nur das<br />

Telefonbuch stand Pate. Schon vor „Bonanza" hatte er sich die Sporen<br />

in TV-Western verdient. Im Jahr 1959 flimmerten in den USA sage und<br />

schreibe 32 Wildwest-Serien über den Bildschirm. Amerika brauchte<br />

noch einen Western so dringend wie eine Kugel zwischen die Augen.<br />

Was Michael Landon nicht wissen konnte: Er war dem Produzenten<br />

David Dortort aufgefallen, der für NBC eine neue Serie plante.<br />

Allerdings sollte nicht einfach eine weitere Pferde-Oper kostengünstig<br />

fürs Pantoffelkino heruntergekurbelt werden. Sondern die allererste<br />

Serie fürs Farbfernsehen. Der rein wirtschaftliche Hintergrund dieser<br />

ambitiösen Rechnung: Die NBC war die Tochterfirma von RCS, dem<br />

führenden Hersteller von Farbfernsehern, der die Amerikaner von der<br />

Anschaffung der Farbgeräte zu überzeugen suchte. Am 12. September<br />

1959 schlug einer Fernsehfamilie die Geburtsstunde, die als Cartwrights<br />

in einer Farbexplosion von Technicolor erstmals durch die brennende<br />

Landkarte ritten.<br />

Doch einmal mehr überschattete ein Schicksalsschlag Landons<br />

Freude: Zwei Tage, nachdem der künftige Weltstar den „Bonanza"-<br />

Vertrag unterschrieben hatte, starb völlig unerwartet sein Vater. Er<br />

hatte sich endlich von seiner Frau scheiden lassen und zum Sohn<br />

„Bonanza" war der erste der so genannten Property Western. Wie<br />

in den späteren Serien „High Chaparral" und „The Big Valley" ging es<br />

um ein amerikanisches Urthema: den Großgrundbesitz. Die Cartwrights<br />

wenden in früheren Episoden auch mal Gewalt an, um ihre Scholle zu<br />

verteidigen, und fordern ungebetene Gäste unter vorgehaltener Waffe<br />

auf, ihr Territorium zu verlassen. Damit entsprach „Bonanza" ganz der<br />

amerikanischen Politik jener Tage und nahm sogar die Reaktion der<br />

USA in der Kuba-Krise vorweg. Die Serie, die sich in einem scheinbar<br />

endlosen Sommer abspielte, hob sich von Konkurrenz-Western<br />

durch hohes Produktionsniveau ab und war dennoch klar ein Produkt<br />

für die kleine Glotze. So wurde zumindest in den Anfängen nie „on<br />

location" gedreht. Das Innere der Ponderosa sowie ihr Vorhof waren<br />

Bühnenbauten im Atelier der Paramount, und Virginia City war<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber, "<br />

Bonanza"<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 93


Stuhl von unserem Frühstückstisch und teilten das Geld unter drei statt<br />

unter vier auf."<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber, "<br />

Unsere kleine Farm"<br />

gleich auf<br />

dem<br />

Backlot des Studios zu finden. n Die<br />

Handlung spielte zwar am Lake Tahoe in Nevada, die<br />

Aufnahmen fanden hingegen meist in Hollywoods weiterer<br />

Umgebung statt. Was aussieht wie der Westen der<br />

Pioniere, ist der immer gleiche Canyon in unmittelbarer r<br />

Nähe des Hollywood-Schriftzugs, ein stark abgenutzter er<br />

Drehort. Um die Illusion der blauen Seen und grünen n<br />

Tannen von Nevada aufrechtzuerhalten, reiste die Crew<br />

einmal jährlich zum Lake Tahoe für Außenaufnahmen.<br />

n.<br />

Dabei wurden vor allem Motive der reitenden Cartwrights ts<br />

aufgenommen, die dann nach Belieben in die Handlung ng<br />

eingesetzt werden konnten. Da die Familienbande so gut<br />

wie nie die Klamotten wechselte, konnte im Schnittraum<br />

kein Anschlussfehler passieren. Und es fiel nur besonders<br />

ers<br />

aufmerksamen Pony-Liebhabern auf, dass die hübschen<br />

Flecken auf Joes Schecken nicht immer dieselben waren,<br />

weil er mehr als ein Pferd ritt. Ebenso in Stein gemeißelt elt<br />

war die Filmfibel, gemäß der die Ponderosa-Erben keine<br />

feste Beziehung eingehen durften. Wenn Little Joe sich<br />

verliebte und verlobte, dann wusste der Zuschauer: Das ist<br />

der Todeskuss für die reizende junge Dame, und die Autoren<br />

schrieben ihr bis zum Ende der Episode einen plötzlichen<br />

Tod oder die schnelle Abreise mit der Postkutsche zu. Die<br />

Junggesellen der Ponderosa blieben für alle Zeiten von<br />

Weiberröcken verschont.<br />

Als Pernell „Adam" Roberts die Show 1965 verließ, hatte Michael<br />

Landon keine Probleme damit. Während die Handlung vorschrieb,<br />

dass die Brüder sich immer wieder das Leben retten, empfanden sie<br />

im wirklichen Leben wenig brüderliche Liebe füreinander. Roberts hat<br />

später darüber nachgedacht: „Ich versuchte, ihm klarzumachen, dass er<br />

sein Potenzial nicht voll ausschöpfte. Ich wollte lediglich erklären, dass<br />

er sich nicht entwickle. Irgendwie hat er das als persönlichen Angriff<br />

missverstanden und nie vergessen. Es tut mir leid." Landon weinte<br />

Roberts keine Träne nach: „Nachdem er weg war, entfernten wir einen<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber, "<br />

Unsere kleine Farm"<br />

Ans große Geld zu kommen, das spielte für den kleinen Joe eine<br />

große Rolle. 500 Dollar Wochengage strich er anfänglich ein, sie sollte<br />

auf mehr als 20.000 klettern. Und er holte sich den Stuntman-Bonus<br />

ab, indem er viele Schlägereien – und davon gab's reichlich – und waghalsige<br />

Aktionen, die eigentlich den Kaskadeuren vorbehalten waren,<br />

selbst machte. Allein 1964 legte er eine Viertelmillion Flugmeilen<br />

zurück, um gutbezahlte Personal Appearences wahrzunehmen,<br />

Einweihungen von Supermärkten, Eröffnungen von Rodeos. Selbst<br />

als Sänger machte er ein paar Dollar nebenbei, obwohl Filmbruder<br />

Dan Blocker sagte, Mike könne keinen Ton halten. Candlelight<br />

Records, die Popularität nutzend, nahm eine Platte mit schmalzigen<br />

Lovesongs auf. Workoholic Landon ging sogar mit Jerry Lee Lewis<br />

auf Tour. Erst ein „Vater-Sohn-Gespräch" mit „Pa" brachte ihn zur<br />

Vernunft. In Lorne Greene sah er den echten Vater-Ersatz. Gemeinsam<br />

mit seiner Filmfamilie investierte Landon in Geschäftsideen wie eine<br />

Sicherheitsgurt-Firma. Während Joe seinen Pa um Erlaubnis bitten<br />

musste, wenn er mal kurz in die Stadt reiten wollte, war Michael<br />

Landon Teilhaber eines 400.000-Dollar-Landdeals mit Lorne Greene<br />

und Dan Blocker. Gemeinsam erwarben sie eine halbe Meile Strand<br />

in Malibu – ein heute unglaubliches Immobiliengeschäft. Als Little<br />

Joe seine Sporen nach 14 Staffeln an die Wand hängte, war Eugene<br />

Orowitz Multimillionär.<br />

Als „Bonanza" 1973 von der Bildfläche verschwand, war Michaels<br />

Fangemeinde in 87 Ländern auf 400 Millionen Zuschauer angewachsen.<br />

Die Filmproduzenten standen Schlange, der Sprung auf die<br />

große Leinwand wäre ein leichter gewesen. Doch Landon hatte andere<br />

Pläne. Ihm schwebte eine<br />

Familienserie mit hehren<br />

Auf der kleinen Farm" lehrte Landon die<br />

TV-Nation "<br />

Bescheidenheit und Integrität. Werten vor, in der er selbst<br />

nun die Rolle des Patriarchen<br />

übernehmen würde: „Unsere<br />

kleine Farm". Die Reihe<br />

wurde unter seiner Regie<br />

von 1974 bis 1984 zur<br />

Top-Show von NBC. Lange<br />

vorbereitet hatte er sich<br />

auf die Verantwortung,<br />

nicht nur mitzuspielen,<br />

sondern zu inszenieren,<br />

die Drehbücher zu schreiben<br />

und die gesamte<br />

Produktion zu leiten. Er<br />

hatte zur „Bonanza"-<br />

Saga 30 Scripts beigetragen<br />

und in einem<br />

Dutzend Folgen Regie<br />

geführt. An diesen künstlerischen<br />

Fertigkeiten<br />

hatte er hart gearbeitet,<br />

endlose Stunden im<br />

Schnittraum verbracht<br />

und sich von „Bonanzas"<br />

Chef-Kameramann<br />

Ted Voightlander in<br />

die Geheimnisse der<br />

Beleuchtung einweihen<br />

lassen. In den letzten<br />

fünf f Jahren auf der Ponderosa war Michael zunehmend fordernder<br />

geworden. „Es gab endlose Besprechungen über fast jeden Dialog, jede<br />

Szene, jede Kameraeinstellung", klagte sein Entdecker David Dortort,<br />

„es wurde zunehmend schwerer gegen Ende." Selbst „Pa" konstatierte:<br />

„Mike ist ein wirklich netter Typ. Aber extrem störrisch." Landon spürte<br />

ein brennendes Verlangen nach künstlerischer Kontrolle. Als er sie<br />

hatte, gab er sie nie mehr aus der Hand. Und er zog seine Ersatzfamilie<br />

nach: Die Crew der „kleinen Farm" setzte er aus den Kollegen vom<br />

„Bonanza"-Set zusammen.<br />

Seite 94 ■ GoodTimes 1/2014


Als 1984 auch „Little House On The Prairie" Güte und Anstand so dringend wie ein<br />

ausgelaufen war,<br />

Diabetiker<br />

sein<br />

schlug Landon dem<br />

Insulin<br />

braucht."<br />

NBC-Boss Brancon<br />

Dass ausgerechnet<br />

Tartikoff umgehend<br />

diese Vaterfigur des<br />

eine neue<br />

Bildschirms in ech-<br />

Serie vor, in der er<br />

ten<br />

Beziehungen<br />

einen Engel spielen<br />

mehrmals<br />

schei-<br />

würde. „Man<br />

terte, tat sei-<br />

wird dich Jesus von<br />

nem Ansehen als<br />

Malibu nennen",<br />

Über-Vater keinen<br />

warnte Tartikoff.<br />

Abbruch. Als<br />

Doch von Kritikern<br />

er eine Affäre mit<br />

ließ sich Landon<br />

der<br />

Make-Uplängst<br />

nicht mehr<br />

Artistin von „Little<br />

beeinflussen,<br />

House"<br />

eingestehen<br />

sie waren stets<br />

musste, da<br />

unfreundlich gewesen.<br />

sollte die hässliche<br />

Oft genug<br />

Scheidung über ein<br />

hatte er erklärt,<br />

Fernsehkritiker<br />

„schreiben sowieso<br />

lieber über meine<br />

Jahr dauern. Erst<br />

in der dritten Ehe<br />

fand Landon Ruhe<br />

und Zeit für seine<br />

Frisur als über<br />

große Familie. Als<br />

meine Arbeit".<br />

Glaubte auch privat an eine höhere Macht:<br />

„Highway" 1989 an<br />

Michael Landon.<br />

Auch mit „Highway<br />

sein Ende kam, entwickelte<br />

To Heaven" verfolgte er die Absicht, eine<br />

inspirierende iriere<br />

rend<br />

nde Serie e ins Leben zu rufen<br />

– was<br />

er ohne Pause ein neues Projekt, eine<br />

Serie e über einen en Vater, der die Familie wieder<br />

er<br />

Foto: © Alan Light<br />

seine Kritiker oft mit moralisierend i verwechselten.<br />

„Ich will, dass die Zuschauer uer lachen<br />

und weinen, nicht nur dasitzen und<br />

den<br />

Bildschirm anstarren. Vielleicht leic<br />

icht<br />

bin<br />

ich altmodisch, aber ich glaube,<br />

Zuschauer hungern nach<br />

Shows, in denen die Figuren<br />

etwas Bedeutungsvolles<br />

es<br />

sagen." Fünf Saisons s<br />

waren<br />

das Resultat – in der kurzlebigen<br />

TV-Welt erneut e<br />

eine<br />

e<br />

Sensation.<br />

Orson Welles<br />

sagte über ihn:<br />

„In einer Welt, in<br />

der das Fernsehen<br />

all diese fürchterlichen<br />

Dinge in<br />

unsere Wohnstuben<br />

bringt, brauchen wir<br />

Michaels wöchentliche<br />

Injektion von<br />

zusammenbringen will. Die ersten Szenen<br />

waren im Kasten, als starke Magenschmerzen<br />

auftraten und im April 1991 Magenkrebs<br />

diagnostiziert wurde. Michael machte die<br />

Krankheit öffentlich und versprach seinen<br />

Fans, sie nach Kräften zu bekämpfen. Doch<br />

nur drei Monate später war er tot. Eugene<br />

Orowitz, der als Michael Landon zum Vorbild<br />

von Millionen ione<br />

geworden war, starb auf seiner<br />

Ranch in Malibu, am 1. Juli 1991.<br />

Die<br />

Popularität von TV-Stars<br />

wird<br />

in den USA seit jeher<br />

daran gemessen, wie oft<br />

sie auf dem Cover von „TV<br />

Guide" erscheinen, der<br />

Bibel des amerikanischen<br />

Fernsehpublikums.<br />

Lucille<br />

Ball l schaffte es 29 Mal<br />

aufs Titelbild. An zweiter<br />

Stelle folgt mit<br />

22 Titelgeschichten<br />

Michael Landon.<br />

40 Jahre ist es her,<br />

dass er das letzte Mal<br />

durch die verbrennende<br />

Landkarte Nevadas<br />

preschte. Es scheint<br />

wie gestern zu sein.<br />

Roland Schäfli<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber


Zuckersüße Träume –<br />

Kindheitserinnerungen aus<br />

Schoko und Karamell<br />

Aus Raider wird Twix!" Für manch einen dürfte diese Nachricht 1991 im ersten Moment einer kulinarischen Katastrophe gleichgekommen<br />

sein. Auch der zweite Teil des Marken-Claims ... sonst ändert sich nix" half da zunächst wenig. Schließlich hatte<br />

"<br />

"<br />

das durchschnittliche bundesdeutsche Schleckermaul bereits<br />

seit 1976 den Geschmack von Raider – der Pausensnack" liebgewonnen.<br />

Und an solch lukullischer Liebe hält man nur allzu<br />

"<br />

gern fest. Schon gar, wenn es ums Naschen geht. Tatsächlich<br />

aber war die Aufregung, ausgelöst durch einen frühen Fall von<br />

Globalisierung (der deutsche Markenname sollte an den international<br />

gebräuchlicheren angepasst werden), spätestens nach<br />

einer ersten Geschmacksprobe überflüssig. Denn die Rezeptur<br />

des Keks-Schokoriegels mit Karamellfüllung" blieb auch nach<br />

"<br />

der Namensänderung unverändert.<br />

W<br />

eitaus tragischer für den gemeinen<br />

Leckerschmecker ist es, wenn die Süßware<br />

seines Vertrauens plötzlich überhaupt nicht<br />

mehr im Supermarktregal aufzufinden ist. Im Einzelfall kann<br />

das wohl gar zu einem Zuckermangelschock führen. Und<br />

gerade „Leckerschmecker" ist hier ein gutes Stichwort. Denn<br />

„Leckerschmecker" von Storck (heute unter anderem „Toffifee",<br />

„Merci" und „Nimm 2") war ein solcher Schokoriegel (oder besser<br />

ein geflochtener Schokozopf), der irgendwann einfach verschwunden<br />

war aus dem Sortiment der Märkte. Ein Schicksal,<br />

das „Leckerschmecker" chme<br />

er<br />

mit seinemem süß-zähklebrigen Karamell-<br />

Klon, dem vom US-Hersteller Mars<br />

Inc. (unter anderem<br />

„Twix", „Milky Way",<br />

„Bounty") vertriebenen<br />

Konkurrenz-Produkt kt „3<br />

Musketiers" teilte. Was<br />

den Verlust wenigstens<br />

Ähnlich wie Leckerschmecker" und heute noch<br />

einigermaßen erträglich<br />

"<br />

in Großbritannien erhältlich: Curly Wurly".<br />

"<br />

machte, war die Tatsache,<br />

Seite 96 ■ GoodTimes 1/2014<br />

dass mit der ohnehin nicht zur Haute cuisine<br />

der Schokoriegel zählenden Kaumasse auch<br />

die – nicht nur aus heutiger Sicht – ziemlich<br />

einfältigen Werbeslogans aus dem Bewusstsein<br />

verschwanden. Weder „,Leckerschmecker'<br />

hört nie auf – lecker, lecker, lecker" und<br />

„,Leckerschmecker' schmeckt so lecker, weil<br />

,Leckerschmecker' länger schmeckt" auf der<br />

einen, noch „Lang wie ein Degen, süß wie eine<br />

Prinzessin" auf der anderen Seite zählen wohl<br />

zu den Highlights der Marketingkunst. Und<br />

man darf vermuten, dass für die ausführenden<br />

Agenturen Preise ähnlich dem in Deutschland<br />

erst später eingeführten „EFFIE", der Preis der<br />

Werbe- und Kommunikationsbranche für effiziente<br />

Markenkommunikation, k wohl nur ein Wunschtraum geblieben<br />

sein dürften.<br />

Im Übrigen lag bei „Leckerschmecker" und „3 Musketiers" wie eigentlich<br />

bei allen karamellhaltigen Schokoprodukten die – nicht ganz


ernstgemeinte – Vermutung nahe, der<br />

jeweilige Hersteller könnte einen Exklusivvertrag<br />

mit der Bundes-Zahnärztekammer<br />

geschlossen haben. Denn gegen Karamell,<br />

diese durchaus gaumenschmeicheln-<br />

de,<br />

aber eben auch zähklebrige Masse,<br />

ist bis heute kein Kraut, pardon, keine<br />

Zahnfüllung gewachsen. Ein ähnli-<br />

cher<br />

Plombenkiller war auch das heute<br />

längst vergessene „Caravelle", ein Riegel,<br />

der<br />

„Weichkaramell in Knusperreis-<br />

Vollmilchschokolade" versprach, aber<br />

recht schnell wieder vom Markt verschwunden<br />

war.<br />

Weitaus zahnfüllungsverträglicher<br />

gab sich aufgrund seiner leichtlockeren<br />

Füllung das klassische „Milky<br />

Way" (wird auch heute noch angebo-<br />

ten,<br />

allerdings in mehrfach veränderter<br />

Rezeptur und zudem in Variationen wie<br />

„Milky Way Crispy Rolls" oder „Milky Way<br />

Berries And Cream"). Seit den späten 60er<br />

Jahren war „Milky Way" so etwas wie der<br />

Schokoriegel des guten Gewissens. Dabei<br />

war „Milky Way" nichts anderes als ein<br />

„Mars", allerdings ohne die zähe Karamellschicht l<br />

ht – und damit beson-<br />

ders<br />

leicht. So leicht, dass Hersteller Mars Inc. sich brüsten konnte:<br />

„Milky Way ist so leicht und locker und schwimmt sogar in Milch." Ein<br />

echter Volltreffer in Sachen Marketingstrategie, verstärkt noch durch<br />

den günstigen Preis von 20 Pfennigen. Den Machern war damit<br />

so etwas wie die Quadratur des Kreises es gelungen: g n: eine Süßigkeit<br />

respektive ein Schokoriegel, den Mutti ti<br />

den<br />

lieben<br />

Kleinen guten Gewissens und jederzeit<br />

erlauben konnte. „Mutti ... ich<br />

weiß 'ne Schokolade, die man auch<br />

vor dem Essen darf!", lautete dann<br />

auch das Credo von „Milky Way". Und<br />

weiter: „,Milky Way' stillt das natürliche<br />

Verlangen nach Süßem – aber<br />

verdirbt nicht den gesunden Hunger!<br />

Denn die feine Candycrèmefüllung ist<br />

leicht, leicht und locker geschlagen –<br />

mehr als 10.000 Mal – und mit feiner,<br />

leckerer Vollmilchschokolade überzogen.<br />

,Milky Way' ist Favorit – schadet<br />

nicht dem Appetit!" Mir jedenfalls ls<br />

konnte dieser ernährungs-phsycholo-ogische<br />

Taschenspielertrick, den heute<br />

„Nutella" ähnlich nutzt, nur recht sein. Schließlich h<br />

war das „gesunde"<br />

e"<br />

„Milky Way" doch der Süßigkeitenfavorit auch meiner Mutter.<br />

Favoritenstatus erreichte bei mir auch „Milka Lila Pause", ein Riegel<br />

mit „Milka"-Schokolade, der 1986 auf den Markt kam. Kein Wunder,<br />

ist mir „Milka" doch<br />

bis heute die liebste Schokolade. Einige süße<br />

Jahre lang galt der Claim<br />

„Die schönsten Pausen<br />

sind lila" dann auch als<br />

in<br />

Schokolade gegossenes<br />

Gesetz. Ob in der<br />

Geschmacksrichtung<br />

„Nougat", „Erdbeere"<br />

oder „Alpenmilch", um<br />

nur einige i zu nennen, die „Lila Pause" war ein echtes Highlight der<br />

Schoko<strong>kult</strong>ur. Mein persönlicher Favorit aber war das Modell „Korn-<br />

Crisp", das dank „knuspriger Crispies" wirklich Biss hatte. Trotzdem<br />

muss die Begeisterung irgendwann nicht nur bei mir peu à peu<br />

nachgelassen haben. Bis es 2007 vorerst vorbei war mit der lilafarbenen<br />

Schoko-Euphorie. 2011 aber tauchte die „Lila Pause" wieder<br />

auf, in den Geschmacks richtungen „à la Caramel", „Erdbeer-Joghurt"<br />

und „Nougat-Crème". Und was zunächst<br />

nur als „Für kurze Zeit zurück"-Edition<br />

gedacht war, setzte sich erneut durch und<br />

liegt in der „Erdbeer-Joghurt"-Variante<br />

im Schokoriegel-Beliebtheitsranking bei<br />

Versender Amazon aktuell auf einem<br />

ordentlichen 21. Platz.<br />

Noch weit besser platziert allerdings<br />

sind dort die Schokolinsen „M&M’s".<br />

Während die „Choco"-Variante bei den<br />

Schokonüssen auf Platz vier liegt, rangieren<br />

die „Peanut-M&M’s", die Schoko-<br />

Erdnüsse, gar auf Platz eins. Was dieser<br />

Jetzt-Zustand mit <strong>kult</strong>! und <strong>kult</strong>iger<br />

Vergangenheitsbewältigung zu tun hat?<br />

Eine ganze Menge, sind „M&M’s" doch<br />

nichts anderes als die Fortführung bunter<br />

Kindheitsfreuden unter anderem Namen.<br />

Von „Treets" und von „Bonitos" ist hier<br />

die Rede, wobei „Treets" „die einzigartigen<br />

Schokoklicker mit dem Erdnusskern!<br />

– Kerngesund!" und „Bonitos" die<br />

Schokovariante waren. Ganz ähnlich wie<br />

„Milky Way" als vermeintlich besonders<br />

gesunde Süßspeise, machte auch „Treets"<br />

alle Mütter froh, wenn auch nicht zwingend nd<br />

in Sachen<br />

Gesundheit,<br />

eit,<br />

sondern vielmehr unter<br />

dem Aspekt der Sauberkeit<br />

ihrer Sprößlinge. „Treets<br />

schmelzen im Mund, nicht<br />

in der<br />

Hand" lautete<br />

der<br />

Werbeclaim, mit dem sich Jahre später<br />

auch die „M&M’s"-Schokolinsen schmückten.<br />

Kein Wunder, schließlich war und<br />

ist der Hersteller aller drei Schokolinsen-<br />

Produkte ein und derselbe, die im Schoko-<br />

Wunderland unvermeidbare Mars Inc.<br />

Z um Schluss<br />

sei<br />

allen,<br />

die von Schokoriegeln<br />

nicht nur als handfester,<br />

sondern auch als virtueller<br />

Nervennahrung nicht<br />

genug bekommen können,<br />

als informativ-unterhaltsamer<br />

Verbrauchertipp<br />

noch schoko-riegel.com<br />

ans Herz gelegt. Die Seite<br />

„Für alle Fans der süßen<br />

Köstlichkeit" verspricht<br />

mit Rubriken wie „Kleine<br />

Geschichte des Schokoriegels"<br />

oder „Anleitung<br />

zum Selbermachen" zwar<br />

zunächst mehr, als diese halten können. „Von A–Z" aber ist bemerkenswert<br />

akribisch recherchiert, nennt Hersteller, Inhaltsstoffe und<br />

Nährwertangaben und glänzt mit Fotos von Werbe-Anzeigen vergangener<br />

Schokoträume.<br />

Andreas Kötter<br />

GoodTimes 1/2014 ■ Seite 97


Joachim Fuchsberger<br />

Mit dem Frosch<br />

hat alles angefangen<br />

Von Christian i Simon<br />

Er war das markanteste Gesicht des Gesetzes in den<br />

Edgar-Wallace-Filmen: Joachim "<br />

Blacky" Fuchsberger. 14 Mal<br />

tauchte der Schauspieler in die Abgründe des Verbrechens<br />

hinab und wurde dadurch zum Star des deutschen Kinos.<br />

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Edgar-Wallace-Film?<br />

Aber natürlich. Das war 1959 „Der Frosch mit der Maske". Der Film war,<br />

ehrlich gesagt, ein Experiment. Jeder von uns vor der Kamera war von<br />

dem Stoff begeistert. Wir hatten auch ein sehr gutes Drehbuch, aber<br />

die allgemeine Erwartung war nicht gerade hoch. Und dann wurde es<br />

ein riesiger Erfolg. Daraus resultierte natürlich, dass man sofort an eine<br />

Fortsetzung dachte, und wie immer haben alle gesagt, das geht nicht<br />

gut, da brechen sie sich den Hals. „Der rote Kreis" war der zweite Wallace,<br />

und er wurde ein noch größerer Erfolg. Leider ohne mich, aber beim dritten,<br />

es war „Die Bande des Schreckens", spielte ich den Chefinspektor<br />

Long. Und daraus wurden dann insgesamt 31 Edgar-Wallace-Filme, bei<br />

14 habe ich mitgespielt.<br />

Was machte den Erfolg dieser Filme aus?<br />

Da kamen ein paar Punkte zusammen. Eines der großen Geheimnisse,<br />

was die echten Wallace-Filme ausmachte, war schwarz-weiß. Damit<br />

erreichten wir das Unheimliche – denk mal an die düsteren Straßen, den<br />

Nebel, die Gestalten … Es war weniger Psychologie als das Gebilde eines<br />

Irrgartens – die Zuschauer wussten nie, wer jetzt wer ist.<br />

Es gab ja auch immer ziemlich skurrile Szenen …<br />

Oh ja, ich denke da an „Die toten Augen von London" (Anm. d. Autors:<br />

1961). Ich drehte zusammen mit meiner geliebten Karin Baal. In einer<br />

Szene sollte ich sie aus einer gigantischen, mit Wasser gefüllten Glocke<br />

retten. Dafür haben sie die Karin in eine Waschmaschine gesteckt, die<br />

dann langsam mit Wasser gefüllt wurde. Ihr stand das Wasser im wahrsten<br />

Sinne des Wortes bis zum Hals. Wir haben oben gespielt und uns<br />

geprügelt, und unten in der Glocke dachte Karin, sie müsse ertrinken. Wir<br />

sind immer an die Grenzen gegangen. Wir haben immer versucht, die britische<br />

Skurrilität in die Filme einzubringen. Das machte sie glaubwürdiger.<br />

Apropos glaubwürdig. In England wurde doch nur sehr wenig<br />

gedreht, vielmehr entstanden die Aufnahmen auch in Dänemark<br />

und besonders in den Berliner CCC-Studios.<br />

Ja, das stimmt. Unser Produzent Horst Wendlandt hat die CCC von<br />

Arthur Brauner damals gemietet. Übrigens, der Brauner r hatte einen<br />

Spitznamen: „zahlt ziemlich zögernd" (lacht). Brauner hat<br />

dann später angefangen, selber Wallace-Filme zu produzieren,<br />

nur keine Edgar-Wallace-Filme, sondern Stoffe<br />

von Bryan Edgar Wallace – das war der Sohn von Edgar<br />

Wallace. Er kopierte die Wendlandt-Filme bis ins kleinste<br />

Detail, trotzdem waren es aber nie die echten.<br />

Sie haben den Produzenten Horst Wendlandt<br />

erwähnt. War er der Macher?<br />

Einer davon, der andere war der Regisseur Alfred Vohrer. Er<br />

prägte die Filme, er schuf die echten Wallace-Klassiker. Er<br />

war einarmig und wollte allen beweisen, dass dies bei der<br />

Arbeit keine Rolle spielte – im Gegenteil, er wollte mehr<br />

tun als alle anderen. Klaus Kinski war ein Liebling von<br />

ihm. Die beiden konnten so grotesk sein und wahnwitzige<br />

Dinge in die Filme einbringen. Unglaublich.<br />

Aber Horst Wendlandt engagierte die Schauspieler,<br />

die Stars …<br />

Er hatte es mitunter leicht. Die alten Ufa-Stars kamen<br />

alle händeringend zu Horst Wendlandt und baten ihn, sie<br />

in den Wallace-Filmen mitspielen zu lassen. Alle wollten<br />

mitmachen – Lil Dagover, Rudolf Forster, Elisabeth Flickenschildt, Fritz<br />

Rasp … Rasp war für mich einer der ganz Großen. Vor dem hatte man<br />

sogar ein bisschen Angst, wenn er ins Studio kam – der hatte so etwas<br />

Geheimnisvolles. Aber neben den Altstars waren die Filme auch ein<br />

Sprungbett für junge Kollegen, die durch Wallace teilweise erst bekannt<br />

wurden. Denke an Klausjürgen Wussow, Siegfried Rauch, Hansjörg Felmy,<br />

Barbara Rütting, Eddi Arent und natürlich auch Klaus Kinski.<br />

Man hat ja so ein Bild von Klaus Kinski … Wie war er?<br />

Er war das Enfant Terrible, und er wusste das auch. Er hat gesagt: „Wenn<br />

die das so wollen, dann kriegen sie es auch." Klaus war hochintelligent<br />

und beim Dreh ein äußerst präziser Arbeiter. So viele Eskapaden er sich<br />

außerhalb geleistet haben mag, im Studio war er immer 100-prozentig.<br />

Er konnte seine Texte in- und auswendig und hatte mitunter blendende<br />

Ideen die Filme betreffend.<br />

Und trotz des großen Erfolges der Filme sind Sie dann mal<br />

ausgestiegen.<br />

Das war später, die Filme waren schon in Farbe, und es wurden so<br />

genannte zeitgemäße Elemente von Sex & Crime eingearbeitet. Ich<br />

merkte, dass es in eine Richtung geht, für die ich mich nicht mehr<br />

verantwortlich machen wollte. Letztendlich sind es ja dann doch immer<br />

wir, die ihre Köpfe in die Kamera halten und hören müssen: „Der letze<br />

Film war aber nix".<br />

Aber 1971 haben Sie dann doch noch einen Wallace gedreht …<br />

Ja, mit Karin Baal zusammen habe ich noch „Das Geheimnis der grünen<br />

Stecknadel" gemacht. Aber da ist nicht mehr viel in meinem Hirn<br />

hängengeblieben. Irgendwas klingelt da noch … Nach Wallace kam eine<br />

lange, lange Pause. Im deutschen Filmgeschäft lief so gut wie nichts<br />

mehr, bis Leute wie Rainer Werner Fassbinder kamen, die dann ihre Filme<br />

mit neuen, jungen Leuten gemacht haben. Auch gut, aber eben anders.<br />

Fraglich, ob die in 50 Jahren auch noch so laufen wie<br />

heute die Edgar-Wallace-Filme.<br />

Damit liefern Sie mir ein Stichwort - die Wallace-<br />

Filme werden immer noch im Fernsehen wiederholt …<br />

Keiner von uns, die damals an diesen Filmen beteiligt<br />

waren, kriegt auch nur einen Cent für die andauernden<br />

Wiederholungen. Das Zweite ist, dass die Filme damals für<br />

ein ganz bestimmtes Medium gemacht wurden, nämlich<br />

fürs Kino. Und wenn man fürs Kino arbeitet, arbeitet man<br />

anders als fürs Fernsehen. Deswegen bin ich überrascht,<br />

dass im<br />

Fernsehen die Attraktivität der Wallace-Filme<br />

nicht nachgelassen hat. Riesenleinwand, kleiner<br />

Bildschirm … Das ist ein Phänomen, das ich<br />

nicht erklären kann. Das einzige, was man davon<br />

ableiten kann, ist die Tatsache, dass die Filme<br />

anscheinend doch so gut gemacht wurden, dass<br />

sie in der Zwischenzeit zu Klassikern geworden<br />

sind und man sie sich nach 50 Jahren aufgrund<br />

ihrer Machart auch heute noch immer wieder<br />

anschauen kann. Edgar Wallace – das ist Kult!<br />

Foto: © Interfoto / Moore<br />

Seite 98 ■ GoodTimes 1/2014


INCL. ALL FORMEL EINS THEMES, OST OF „DER FORMEL EINS FILM“<br />

PLUS NON-STOP DJ MIX BY BLANK & JONES!<br />

OUT NOW!<br />

Blank & Jones on TV<br />

Formel Eins - 30 Jahre<br />

RTL NITRO<br />

www.soeighties.de


Band<br />

ab 24. Ok tober<br />

im Handel

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!