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Interview Hannelore Elsner: Die Berührbare (Vorschau)

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februar 2013<br />

6 euro<br />

<strong>Hannelore</strong> <strong>Elsner</strong><br />

02<br />

4 192449 106002<br />

<strong>Die</strong> <strong>Berührbare</strong><br />

In den Nebenrollen:<br />

Matthias ScHwEigHöfEr, Stanley KuBricK, Tom cruiSE,<br />

Steven SpiElBErg und unsere HoT liST 2013 (girls only)<br />

Das FilmheFt


februar 2013<br />

6 euro<br />

In den Nebenrollen:<br />

<strong>Hannelore</strong> ElSnEr<br />

Steven SpiElbErg<br />

Stanley KubricK<br />

Tom cruiSE und<br />

unsere HoT liST 2013<br />

(girls only)<br />

02<br />

Er macht Schluss<br />

4 192449 106002<br />

Matthias Schweighöfer<br />

Das FilmheFt


YOKO ONO, WALKING ON THIN ICE, VIDEO STILL, 1981, © YOKO ONO<br />

YOKO ONO, WALKING ON THIN ICE, VIDEO STILL, 1981, © YOKO ONO<br />

YOKO ONO, WALKING ON THIN ICE, VIDEO STILL, 1981, © YOKO ONO<br />

YOKO ONO<br />

HALF-A-WIND SHOW<br />

EINE RETROSPEKTIVE<br />

15. FEB. – 12. MAI 2013<br />

SCHIRN SCHIRN SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT FRANKFURT RÖMERBERG RÖMERBERG 60311 60311 60311 FRANKFURT FRANKFURT AM MAIN AM MAIN AM MAIN WWW.SCHIRN.DE<br />

DIENSTAG, DIENSTAG, FREITAG–SONNTAG 10–19 10–19 UHR, 10–19 UHR, UHR, MITTWOCH MITTWOCH UND UND DONNERSTAG UND 10–22 UHR10–22 UHR<br />

TICKETS AUF AUF AUF WWW.SCHIRN.DE


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HUGO BOSS AG Phone +49 7123 940<br />

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Februar 2013<br />

inhalt<br />

start<br />

STORIES<br />

INHALT<br />

sMaLLtaLK<br />

Kleine Gespräche mit großen Leuten:<br />

OLGA RODIONOVA, GIANNA NANNINI, ARIANNE<br />

PHILLIPS, MARGARETHE TIESEL, BILLY GIBBONS,<br />

CHRISTOPH WALTZ & ULLI LOMMEL<br />

Seite 29<br />

NaoMi CaMpbeLL<br />

trifft das Model IMAN, die Frau, die vom Himmel fiel<br />

Seite 34<br />

superstars<br />

Auf dem Weg nach vorn: LESLIE CLIO,<br />

MATTHIAS SCHOENAERTS<br />

Seite 38<br />

DaNieL Day-Lewis & steveN spieLberg<br />

Hollywood liebt Legendenstoffe – und wir lieben die Verfilmung<br />

des Lebens von Abraham Lincoln, dem Helden von Gettysburg<br />

Seite 40<br />

MATTHIAS SCHWEIGHÖFER<br />

<strong>Die</strong>ser Mann will alles – und kann alles. Schauspielen, Regie<br />

führen, produzieren. Im Gespräch mit seinem besten<br />

Freund verrät Matthias Schweighöfer außerdem: „Ich will noch<br />

mehr Kinder und am Haus auf dem Land rumbauen“<br />

Von MILAN PESCHEL<br />

Seite 74<br />

FASHION<br />

Schlicht, schön, schwarz, weiß<br />

Fotografiert von PATRICK DEMARCHELIER<br />

Seite 82<br />

HANNELORE ELSNER<br />

Sie ist eine Künstlerin, die an Grenzen geht. Mit <strong>Die</strong> endlose Nacht<br />

und <strong>Die</strong> Unberührbare schrieb <strong>Hannelore</strong> <strong>Elsner</strong><br />

deutsche Filmgeschichte. Anlässlich der Berlinale ließ sich<br />

die Schauspielerin nun von uns in Szene setzen<br />

Von HEIKE BLÜMNER<br />

Seite 94<br />

Foto Patrick demarchelier<br />

Styling karl temPler<br />

top chloé<br />

kette JenniFer meyer<br />

Foto links SebaStian mader, Styling klauS StockhauSen,<br />

Jacke neil barrett, hemd hugo<br />

Foto rechts ralPh mecke, Styling klauS StockhauSen,<br />

kleid Prada, ohrringe (privat) cartier,<br />

haare & make-up Produkte Von bobbi brown<br />

Schlicht, Schön,<br />

Schwarz, weiSS<br />

16<br />

sHiriN NesHat<br />

<strong>Die</strong> iranische Künstlerin ist Mitglied der diesjährigen Berlinale-<br />

Jury. Wir sprachen mit ihr über Kopftücher, Wodka und Filme im<br />

<strong>Die</strong>nste des Aufständischen<br />

Seite 44<br />

wow!<br />

Schöne Dinge, toller Schmuck, Retromania, Hollywood privat<br />

und die All is pretty-Lounge von INTERVIEW während der<br />

Berlinale – die Gebrauchs anweisung für den Februar<br />

Seite 48<br />

Me, My JeaNs & i<br />

<strong>Die</strong> Renaissance der Kultjeans <strong>Die</strong>sel Saddle<br />

Seite 54<br />

spriNg<br />

Achtung, Accessoires! Der Frühling lässt grüßen<br />

Seite 56<br />

Now!<br />

Neue Musik, gute Filme, interessante Ausstellungen und die<br />

Leonardo-DiCaprio-Formel<br />

Seite 64<br />

riCHarD DawKiNs<br />

Wenn er eine Kirche betritt, kocht das Weihwasser.<br />

Ein Gespräch mit dem größten Atheisten unserer Zeit<br />

Seite 66<br />

HeLeNe HegeMaNN<br />

CLASSICS: <strong>Die</strong> Kolumne über das, was bleibt<br />

Seite 70<br />

beauty<br />

MAKROTREND:<br />

Textur – die Welt wird weich<br />

Seite 52<br />

4 LOOKS FüR 2K13:<br />

Signallippen! Puppen-Make-up!<br />

Beige, Beige! Lidstrich, hellblau!<br />

Seite 60<br />

KOLUMNE:<br />

<strong>Die</strong> Architektur des Flakons<br />

Seite 62<br />

Foto unten: Sunset Boulevard/Corbis<br />

BOTTEGA VENETA<br />

Vor zwölf Jahren war Bottega Veneta eine Ledermanufaktur,<br />

die ihre besten Zeiten lange hinter sich hatte. Dann kam der<br />

deutsche Designer Tomas Maier und verflocht Handwerkskunst<br />

und erwachsenen Glamour zu einer hochintelligenten Weltmarke<br />

Von ADRIANO SACK<br />

Seite 106<br />

HOT LIST 2013<br />

Vorhang auf für acht Frauen, die Ihnen auf der Leinwand, im<br />

Fernsehen und auf der Bühne in diesem Jahr begegnen werden<br />

Seite 112<br />

MAURIZIO CATTELAN<br />

Der große Trickser der zeitgenössischen Kunst meldet sich mit<br />

dem Sammelband Toiletpaper zurück. Ein Portfolio<br />

Seite 120<br />

DIRK VON LOWTZOW<br />

Er wollte Teil einer Jugendbewegung sein und gründete<br />

kurzerhand selbst eine. In diesem Jahr feiern Dirk von Lowtzow<br />

und Tocotronic das 20-jährige Jubiläum – und wir den einzigen<br />

Pop-Intellektuellen, den man ernst nehmen sollte<br />

Von KATHARINA SCHÜTTLER<br />

Seite 130<br />

VALERIA NAPOLEONE<br />

<strong>Die</strong> Dinnerpartys der Italienerin sind so legendär wie ihre<br />

Kunstsammlung. Jetzt macht Valeria Napoleone das Beste aus<br />

ihrer Doppelbegabung – ein Kunst-Kochbuch<br />

Von ADRIANO SACK<br />

Seite 136<br />

STANLEY KUBRICK<br />

Hooligans, die Milch trinken, und Raumschiffe, die Walzer<br />

tanzen: Anlässlich der großen Kubrick-Weltausstellung<br />

erinnern zwei Weggefährten an den wohl schrulligsten und<br />

detailversessensten Regisseur des 20. Jahrhunderts<br />

Von TOM CRUISE & TERRY SEMEL<br />

Seite 142<br />

TIM BURTON<br />

Jedes Bild erzählt eine Geschichte. Nur welche? Das Fotoalbum<br />

des Meisters des Gruselkinos, erklärt von ihm selbst<br />

Von JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />

Seite 148<br />

Foto SEBASTIAN MADER<br />

Styling NIKI PAULS<br />

Kleid PACO RABANNE<br />

Body AMERICAN APPAREL<br />

ULTRA-BRUTALER MILCHTRINKER: ALEX DeLARGE<br />

AUS KUBRICKS CLOCKWORK ORANGE<br />

KAROLINE SCHUCH, HOT LIST 2013<br />

PS<br />

PARTY<br />

Auf der INTERVIEW-Party in München,<br />

am Pool während der ART BASEL MIAMI,<br />

mit Schlange und SUPREME in Berlin<br />

Seite 154<br />

FLASHBACK<br />

NASTASSJA KINSKI<br />

Seite 164<br />

EDITORIAL S. 19<br />

IMPRESSUM S. 22<br />

MITARBEITER S. 26<br />

ABONNEMENT S. 63<br />

HERSTELLERNACHWEIS S. 162


editoriAl<br />

Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

ich muss kurz von einem der tollsten deutschen Filme schwärmen:<br />

DIE ENDLOSE NACHT von 1963. Der Regisseur und Autor Will<br />

Tremper verpfändete sein Haus für das Projekt, begann die Filmarbeiten<br />

ohne ein fertiges Drehbuch am Flughafen Tempelhof und inszenierte eine<br />

rasante Versuchsanordnung: Was passiert, wenn dichter Nebel über Tempelhof<br />

alle Flüge nach Westdeutschland ausfallen lässt und man die Nacht in der<br />

Frontstadt Westberlin verbringen muss?<br />

Eines der Schicksale im Film spielt HANNELORE ELSNER, ganz am Anfang ihrer<br />

Karriere. <strong>Die</strong> Anweisung vom Regisseur: “Du spielst ein Filmsternchen, das gerade von<br />

einem Edgar-Wallace-Dreh kommt, seine Lohnsteuerkarte vergessen und darum kein Geld<br />

bei sich hat … Zwei böse Jungs machen sich das zunutze.” <strong>Hannelore</strong>, the original it girl.<br />

(Und, by the way, <strong>Die</strong> endlose Nacht ist auch 2013 ein deutsches Allheilmittel gegen die<br />

Neo-Spießer, die uns jeden Dinnerabend mit Referenzen an New Yorks MAD MEN<br />

vermasseln müssen; verschwiemelt den Zeiten nachtrauernd, in denen man zu jeder Tageszeit<br />

seinen Bourbon trank – aber sie bestellen dann doch brav am nächsten Morgen ihren<br />

laktosefreien Chai Frappuccino to go.)<br />

Ein kleines Déjà-vu 50 Jahre später: <strong>Hannelore</strong> <strong>Elsner</strong> musste zehn Stunden am Flughafen<br />

Düsseldorf ausharren, ungewiss, ob noch ein Flug nach Berlin im Winterchaos stattfindet.<br />

Sie kam dann irgendwann weit nach Mitternacht in Berlin an, morgens war sie aber schon<br />

bereit für das INTERVIEW-Shooting mit Fotograf Ralph Mecke und begeisterte alle am Set<br />

mit ihrer HINGABE und INTENSITÄT.<br />

Das Gespräch mit der Bestsellerautorin Heike Blümner (Eine Frau – Ein Buch) lesen Sie<br />

auf S. 94; der Film <strong>Die</strong> endlose Nacht ist kürzlich auf DVD erschienen und wird während der<br />

Berlinale in der Abflughalle Tempelhofs gezeigt.<br />

INTERVIEW ist zwar der deutschen Mundart verpflichtet, leider vermögen wir es jedoch<br />

nicht, das Berlinern unseres zweiten Coverstars, MATTHIAS SCHWEIGHÖFER,<br />

fotografiert von Sebastian Mader, adäquat abzudrucken. <strong>Die</strong> ortstypische Chuzpe hingegen<br />

schimmert im Gespräch mit seinem besten Freund, dem Theaterschauspieler Milan Peschel,<br />

durch. Wenn man nun seine Porträts in dieser Ausgabe betrachtet, dann gilt die Parole:<br />

Hollywood, ick hör dir trapsen! S. 74<br />

<strong>Die</strong> Nebenrollen in dieser Filmausgabe sind mit STANLEY KUBRICK und TOM CRUISE,<br />

DANIEL DAY-LEWIS, STEVEN SPIELBERG und TIM BURTON sowie den acht<br />

hoffnungsvollsten deutschen Schauspielerinnen fulminant besetzt. Viel Spaß beim Lesen!<br />

Foto: Oliver Helbig<br />

Herzlichst<br />

Ihr Joerg Koch<br />

19


Editor in Chief Joerg Koch<br />

Executive Editors Jörg harlan RohledeR, Adriano SAcK<br />

Art Director Mike MeiRé<br />

Fashion Director Klaus StocKhAuSen<br />

Photography Director Frank Seidlitz<br />

Redaktion<br />

Editors laura eweRt, harald PeteRS, Beauty Editor Bettina BRenn<br />

Assistant Photography dorothea FiedleR, Assistant Fashion caroline leMBlé<br />

digital<br />

Editor nina Scholz, Praktikant Sascha ehleRt<br />

International Editor Aliona doletSKAyA<br />

International Editor at Large naomi cAMPBell<br />

Art<br />

tim GieSen<br />

hannes AechteR, Agnes GRüB<br />

Managing Editor und Chef vom <strong>Die</strong>nst Silke Menzel<br />

Textchefin elisabeth SchMidt<br />

Schlussredaktion ulrike MAtteRn, Ralph SchünGel, Kerstin SGoninA<br />

Mitarbeiter dieser Ausgabe<br />

heike BlüMneR, Katharina BÖhM, ludger BooMS, Maurizio cAttelAn, tom cRuiSe,<br />

Pierpaolo FeRRARi, Jodie FoSteR, Sönke hAllMAnn, Alexandra hecKel,<br />

helene heGeMAnn, Jenny hoch, Annette inSdoRF, Alexa KARolinSKi, Max MilleR,<br />

eva Munz, niki PAulS, Milan PeSchel, Katharina SchüttleR, terry SeMel,<br />

Anita tillMAnn, Karl teMPleR<br />

Fotografen dieser Ausgabe<br />

Michael Avedon, Maxime BAlleSteRoS, Sabine BRAueR, Francesco cARRozzini,<br />

Patrick deMARchelieR, Ronald dicK, hadley hudSon, Karl Anton KoeniGS,<br />

Robin KRAnz & volker hoBl, Bella lieBeRBeRG, Jonas lindStRÖM,<br />

Sebastian MAdeR, carlotta MAnAiGo, Ralph MecKe, Stefan Milev, nino MuÑoz,<br />

Robi RodRiGuez, Kevin tAchMAn<br />

Produktion<br />

Lithografie MAx-coloR, wrangelstraße 64, 10997 Berlin<br />

Druck Mohn MediA MohndRucK GMBh, carl-Bertelsmann-Straße 161 M, 33311 Gütersloh<br />

Manufacturing Director oleg noviKov<br />

verantwortlich für den redaktionellen inhalt<br />

Joerg Koch<br />

Board of directors interview Publishing house Germany<br />

vladislav doRonin, Bernd RunGe<br />

BMP Media holdings, llc<br />

Chairman Peter M. BRAnt<br />

www.iNterview.De<br />

22


Herausgeber und Geschäftsführer Bernd Runge<br />

Publishing Director Anja Schwing<br />

Anzeigen<br />

Sales Director (Nielsen I, II, IIIa, V, VI, VII) iris gRäBneR<br />

Tel.: 030/2000 89-120, iris.graebner@atelier-publications.de<br />

Sales Director (Nielsen II, IIIb, IV, Österreich) Tanja SchRADeR<br />

Tel.: 089/35 63 77 44, tanja.schrader@atelier-publications.de<br />

Frankreich Valérie DeSchAMPS-wRighT<br />

escalier D, 2 étage gauche, 25–27 rue Danielle casanova, 75001 Paris<br />

Tel.: 00 33/6/04 65 26 51, valerie.deschamps-wright@interviewint.com<br />

Italien Fabio MonToBBio<br />

Rock Media, Largo cairoli, 2, 20121 Mailand<br />

Tel.: 00 39/02/78 26 08, info@rockmedia.it<br />

Advertising Service Manager Jacqueline ZioB (Ltg.), Susann BuchRoTh<br />

Tel.: 030/2000 89-121, jacqueline.ziob@atelier-publications.de<br />

Director of Marketing & Communications Stephanie FReSLe<br />

Project Manager Marketing & Special Projects charlotte wieDeMAnn<br />

Project Manager Sales wilkin SchRÖDeR, Intern Kara woLF<br />

Assistenz Kathleen MASSieReR, Tel.: 030/2000 89-165<br />

IT Manager Patrick hARTwig<br />

Office Manager hilko RenTeL<br />

Verantwortlich für Anzeigen<br />

Atelier Publications Deutschland gmbh & co. Kg<br />

Mommsenstraße 57, 10629 Berlin<br />

Tel.: 030/2000 89-0, Fax: 030/2000 89-112<br />

Geschäftsführer Anja Schwing<br />

Vertrieb<br />

Pressup gmbh, Postfach 701311, 22013 hamburg<br />

vertrieb@pressup.de<br />

einzelheftbestellungen<br />

Preise, Verfügbarkeit und Bestellungen unter www.interview.de/einzelheft,<br />

bei weiteren Fragen Tel.: 030/2000 89-164<br />

Abonnentenbetreuung<br />

interview-Leserservice, Pressup gmbh, Postfach 701311, 22013 hamburg<br />

abo@interview.de, Tel.: 0 40/41 448-480<br />

interview erscheint zehnmal im Jahr in der interview Ph gmbh.<br />

Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste vom 1. Januar 2013.<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Für unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird<br />

keine haftung übernommen.<br />

Andy warhol’s interview (TM). All rights reserved.<br />

interview germany is published under a sublicense from LLc Publishing house interview;<br />

interview is a registered trademark of interview inc.<br />

Reproduction in any manner in any language in whole or in part<br />

without prior written permission is prohibited.<br />

interview Ph gmbh, Mommsenstraße 57, 10629 Berlin, Tel.: 030/2000 89-0<br />

24


MITARBEITER<br />

Tom CRUISE<br />

Hollywoodstar, Actionheld, Extremschauspieler.<br />

Kampf pilot, Rennfahrer und Fassadenkletterer. Verteidiger<br />

gegen Außerirdische, Supergangster und finstere<br />

Mächte aller Art. Super-Scientologe, Super-Dad,<br />

Superverführer und sowieso in jeder Hinsicht super.<br />

Cocktail-Jongleur, Rockstar, Kriegsveteran und Autistenbruder,<br />

Billardspieler, Rapper und Vampir. Gibt<br />

es eigentlich irgendjemanden, den er nicht gespielt<br />

hätte? Inzwischen ist er auch noch der riesenhaft große<br />

Ermittler Jack Reacher – eine Rolle, für die er eigentlich<br />

viel zu klein ist, aber, hey, er füllt sie aus. Er<br />

kann einfach alles, sogar einen nervenaufreibenden<br />

Dreh mit Stanley Kubrick hat er ausgehalten. Genau<br />

darüber hat er sich für uns mit Terry Semel, dem ehemaligen<br />

Studioboss von Warner Bros., unterhalten.<br />

Seite 142<br />

Milan PESCHEL<br />

Im Theater fühle er sich zu Hause, sagt Milan Peschel<br />

im Gespräch mit Matthias Schweighöfer, vor der Kamera<br />

müsse er sich dagegen immer erst akklimatisieren.<br />

Dabei hat er allein mit Schweighöfer mindestens<br />

sechsmal gemeinsam gedreht und ist auch sonst längst<br />

einer der profiliertesten Filmschauspieler des Landes.<br />

Für seine Rolle als strauchelnder Alarmanlagenverkäufer<br />

in Robert Thalheims Netto wurde er 2005<br />

für den Deutschen Filmpreis nominiert und bekam<br />

die Auszeichnung dann sieben Jahre später für die<br />

Hauptrolle in Andreas Dresens Film Halt auf freier<br />

Strecke, in dem er einen tumorkranken Vater spielt.<br />

Nebenbei ist Peschel dem Theater treu geblieben,<br />

mittlerweile auch als Regisseur. Aktuell ist am Berliner<br />

Maxim Gorki Theater seine Inszenierung von<br />

Sein oder Nichtsein zu sehen.<br />

Seite 74<br />

Maurizio CATTELAN<br />

Aufhören wolle er, hatte Maurizio Cattelan verkündet,<br />

wenige Wochen bevor das New Yorker Guggenheim<br />

Museum ihn mit einer Retrospektive ehrte.<br />

Während andere Künstler eine Einzelausstellung im<br />

Guggenheim als Krönung ihrer Weltkarriere feiern<br />

würden, verkaufte Cattelan sie als das Ende derselben.<br />

Er wolle sich erst einmal um Toiletpaper kümmern,<br />

sein, nun ja, Kunstmagazin, das er gemeinsam mit<br />

dem Fotografen Pierpaolo Ferrari verlegt und bespielt.<br />

<strong>Die</strong>ses Versprechen hat der 52-jährige Künstler<br />

jetzt wahr gemacht. Entstanden ist ein Sammelband<br />

der ersten Ausgaben von Toiletpaper, die wir als Portfolio<br />

präsentieren. Es sind Bilder, die wehtun, surrealistischer<br />

Ungehorsam, visuelle Ausrufezeichen. Cattelan<br />

eben, der große Trickser, wie man ihn kennt.<br />

Seite 120<br />

26<br />

Alexa KAROLINSKI<br />

Vor einem Jahr erst saß die 28-jährige Dokumentarfilmerin<br />

Alexa Karolinski bei der Premiere ihres Debüts<br />

Oma & Bella mit ihren bezaubernden Hauptdarstellerinnen<br />

im Berlinale-Kino. Den Film hatte sie im Rahmen<br />

ihres Studiums an der New Yorker School of<br />

Visual Arts gedreht. In der Zwischenzeit brachte Karolinski<br />

ein Kochbuch zu ihrem Film heraus, wurde<br />

vom Filmmaker Magazine zu den wichtigsten neuen<br />

Talenten gezählt und führte für uns ein Gespräch mit<br />

Steven Spielberg, dem wiederum wichtigsten Regisseur<br />

der letzten 40 Jahre, und Daniel Day-Lewis, dem<br />

wohl besten Schauspieler der Gegenwart, über deren<br />

neuen Film Lincoln.<br />

Seite 40<br />

Katharina SCHÜTTLER<br />

Oh Boy, What A Man, Schutzengel. Fernsehfilme in<br />

Großbritannien oder Schweden, Theater in Paris, Polizeiruf<br />

110-Dreh in Deutschland. Katharina Schüttler<br />

ist viel unterwegs und gilt als eine der interessantesten<br />

Schauspielerinnen des Landes. Deswegen<br />

hatten wir die 33-Jährige Anfang 2012 auch zu unseren<br />

Screentests geladen, bei denen dieses Bild von<br />

Gerard Malanga entstand. Für diese Ausgabe hat sie<br />

ihren alten Bekannten Dirk von Lowtzow interviewt.<br />

Und man muss sagen, niemand hat sich bisher so viele<br />

und dabei so charmante Fragen ausgedacht, wie die<br />

Mutter einer Tochter, die auf den wunderbaren Namen<br />

Minze hört.<br />

Seite 130<br />

Patrick DEMARCHELIER<br />

Für unsere große Modestrecke haben sich der Fotograf<br />

Patrick Demarchelier und Karl Templer, der<br />

Creative Director der US-<strong>Interview</strong>, zusammengefunden,<br />

um aufregende neue Gesichter der internationalen<br />

Laufstege in den reduziertesten Entwürfen der<br />

aktuellen Frühjahrskollektionen vorzustellen. Demarchelier,<br />

der sonst auch mal für den Pirelli-Kalender<br />

fotografiert, ergänzt die monochromen Outfits<br />

auf subtile Weise, indem er sie mit natürlich wirkendem<br />

Make-up und minimalistischen Hintergründen<br />

kombiniert. Übrigens zeigt das chinesische Nationalmuseum<br />

in Peking gerade in seiner Dior-Retrospektive<br />

ebenfalls Bilder des 1943 in Frankreich geborenen<br />

Fotografen.<br />

Seite 82<br />

Jodie FOSTER<br />

Sie wurde mit einem Schlag weltberühmt, als sie 1976<br />

im Alter von 13 Jahren als Prostituierte mit Hut und<br />

Plateausandalen in Martin Scorseses Taxi Driver auftrat.<br />

Kurz darauf bat Andy Warhol sie für <strong>Interview</strong><br />

zum Gespräch, was bei Foster wohl einen derart bleibenden<br />

Eindruck hinterließ, dass die Schauspielerin<br />

und Regisseurin bis heute immer wieder im Magazin<br />

auftaucht, und zwar vor allem als <strong>Interview</strong>erin. So<br />

führte sie zum Beispiel 1983 ein Gespräch mit Nastassja<br />

Kinski, das in Auszügen in unserem Flashback<br />

nachzulesen ist. Im Kino wird Foster wieder im August<br />

zu sehen sein, wenn sie an der Seite von Matt<br />

Damon in dem kapitalismuskritischen Science-Fiction-Blockbuster<br />

Elysium spielt.<br />

Seite 164<br />

Fotos: Photoshot; Gerard Malanga; D-foto/Bernd Lammel; Victor Demarchelier; Matt Sayles/Invision/AP<br />

vtwob.com<br />

Yvonne Catterfeld<br />

for<br />

semi-couture.it


shop at albertaferretti.com<br />

PeOPLe<br />

SmallTaLK<br />

Kleine Gespräche mit großen Leuten:<br />

Olga ROdiOnOva, Gianna nannini, arianne PhiLLiPs, Margarethe<br />

TieseL, Billy GiBBOns, christoph WaLTZ & Ulli LOMMeL<br />

„Was sagt ihr<br />

mann dazu?”<br />

die russische Milliardärsgattin<br />

OLGa<br />

ROdiOnOva lässt sich<br />

gern nackt fotografieren<br />

Foto: 2012 Ellen von Unwerth, Paris, aus The Story of Olga, TASCHEN 2012<br />

Foto ellen vOn unWerth<br />

29<br />

intervieW: Frau Rodionova, Sie sind ja angezogen.<br />

Olga rOdiOnOva: Was haben Sie denn erwartet?<br />

intervieW: Na ja, wenn man sich Ihre Bücher anschaut,<br />

scheinen Sie eher einen lockeren Umgang mit<br />

Kleidung zu pflegen. Sie haben Nacktheit zur Kunstform<br />

erhoben. Aber dann es ist heute ja auch sehr kalt.<br />

rOdiOnOva: Aber wissen Sie: Mir fällt es gar nicht<br />

so leicht, mich auszuziehen. Vor allem nicht vor<br />

Fremden. Selbst auf einem Set ist es nicht leicht, da<br />

stehen ja doch immer sehr viele Menschen rum.<br />

intervieW: Was sagt eigentlich Ihr Mann zu den<br />

doch eher, sagen wir, expliziten Aufnahmen?<br />

rOdiOnOva: Es war seine Idee!<br />

intervieW: Seine Idee?<br />

rOdiOnOva: Ja, er findet es schön. Sie können ihn<br />

fragen, er kommt gleich.<br />

intervieW: Mit Ellen von Unwerth haben Sie gerade<br />

das Buch The Story of Olga veröffentlicht, es ist schon<br />

der zweite Nacktbildband Ihrer Karriere. Was empfinden<br />

Sie, wenn Sie die nackte Frau ansehen, die den<br />

armen Holzfäller mit einer Reitpeitsche gängelt?<br />

rOdiOnOva: Das ist eine andere Frau. Nicht die,<br />

die hier sitzt. (Sergej Rodionov betritt die Suite)<br />

intervieW: <strong>Die</strong> meisten Menschen kämpfen ein Leben<br />

lang gegen die eigene Hülle an, zweifeln an der<br />

Schönheit des eigenen Körpers.<br />

rOdiOnOva: Ich nicht.<br />

intervieW: In gewisser Weise hebeln Sie mit den<br />

Aufnahmen die irdischen Gesetze der Vergänglichkeit<br />

aus.<br />

rOdiOnOva: Ja, der Körper altert, aber die Bilder<br />

nicht. Sie sind mein Vermächtnis und werden noch<br />

da sein, wenn ich tot bin. Das finde ich schön. Zumal<br />

es nicht nur um Nacktheit geht, sondern auch um das<br />

Verhältnis zwischen Mann und Frau, naturgegebene<br />

Anziehung, sexuelle Sehnsucht und die Rollenverteilung<br />

zwischen den beiden Geschlechtern. In Zeiten<br />

der Gleichberechtigung kommt das oft zu kurz.<br />

intervieW: Sie glauben, die Emanzipation habe der<br />

Sexualität geschadet?<br />

rOdiOnOva: Wenn die moderne Frau einfach nur<br />

ein besserer Mann sein will, dann schon. Heute<br />

wird manchmal zu sehr auf Gleichberechtigung geachtet,<br />

sodass die eigentlich schönen Unterschiede,<br />

die Mann und Frau ausmachen, die sie füreinander


PEOPLE/SmallTALK<br />

OLGA UNCHAINED<br />

attraktiv machen, dahinter verblassen. Sexualität ist<br />

der Antrieb, der uns am Leben erhält. Das darf man<br />

nicht vergessen.<br />

INTERVIEW: Erinnern Sie sich an Ihr erstes Nacktbild?<br />

RODIONOVA: Das war für den Playboy, oder?<br />

SERGEJ RODIONOV: Nein, es war für einen Kalender<br />

in Russland. Der Fotograf suchte nach Models,<br />

und ich schlug Olga vor. Allerdings fiel es Olga damals<br />

noch sehr schwer, sich vor der Kamera auszuziehen.<br />

Ich saß gerade in einem wichtigen Business<br />

Meeting, als sie mich anrief und sagte: „Schnell,<br />

schnell, ich bin fast nackt und weiß nicht, was ich tun<br />

soll. Bitte komm.“ Ich antwortete nur: „Aber darum<br />

geht es doch!“ Das Ergebnis war umwerfend! Es<br />

machte Olga berühmt. Ich sah sie auf dem Schreibtisch<br />

des damaligen Chefs von Gazprom liegen. Er<br />

war damals schon 65. Und fand die Bilder richtig gut.<br />

INTERVIEW: Waren Sie stolz oder eifersüchtig? Immerhin<br />

macht Olga im neuen Band mit einem gut<br />

gebauten Holzfäller rum.<br />

RODIONOVA: Der war so nett!<br />

RODIONOV: Okay, okay, das reicht (lacht).<br />

Nein, es fühlt sich gut an. Und auf eine Art<br />

belebt es auch die Beziehung. Weil man andere<br />

Facetten sieht. Allerdings war auch die Reaktion<br />

des reichsten Russen in London<br />

interessant: Er hatte die Bilder von<br />

Olga im Playboy gesehen und meinte<br />

nur zu mir: „Ist dir eigentlich klar,<br />

dass die ganze Welt sich jetzt auf<br />

die Bilder einen runterholt?“<br />

INTERVIEW: Und was haben Sie<br />

geantwortet?<br />

RODIONOV: Dass so nur ein<br />

Mann denkt, der mehrere Jahre<br />

in Russland im Gefängnis saß.<br />

INTERVIEW: Wie finden denn Ihre<br />

Eltern die Aufnahmen?<br />

RODIONOVA: Papa besser als<br />

Mutter.<br />

INTERVIEW: Und was sagt Ihre<br />

16-jährige Tochter dazu?<br />

RODIONOVA: Zuerst war es ihr peinlich.<br />

<strong>Die</strong> anderen Kinder hänselten sie in der<br />

Schule, ein Albtraum – sie hat sich nichts<br />

mehr gewünscht als eine Mutter, die aufräumt,<br />

putzt und kocht. Wie die anderen<br />

Mütter. Aber das bin ich nun mal nicht.<br />

INTERVIEW: Zu Sowjetzeiten wären Sie<br />

für die Aufnahmen verhaftet den.<br />

wor-<br />

RODIONOVA: Josef Stalin hat Abtreibung,<br />

Erotik und Homosexualität<br />

verboten. Und zwar gleich zu Beginn des<br />

großen Terrors in den 30er-Jahren. Nach dem<br />

Sturz der Sowjetunion gab es eine Zeit der Lockerung<br />

– heute wacht der Staat wieder über<br />

Ideologie, Moral und Kultur.<br />

INTERVIEW: Erscheint das Buch in Russland?<br />

RODIONOVA: Nein.<br />

INTERVIEW: <strong>Die</strong> Zensurbehörden scheinen<br />

sehr aktiv in Russland zu sein. Unser letztes<br />

Cover, auf dem Kate Moss und Naomi Campbell<br />

nackt zu sehen sind, durfte nicht an den<br />

Kiosk. Naomis Brüste waren zu viel für die<br />

Zensurbehörde.<br />

RODIONOV: Man sollte jede Brust zeigen<br />

dürfen. Menschen haben nun einmal Brüste. Gegen<br />

Olga wurde ein Prozess geführt, weil sie auf einem<br />

Reklamefoto mit nackten Schultern und nacktem<br />

Bauch zu sehen war. Das widerspreche Bibel und Koran.<br />

In Russland finden Sie immer jemanden, der sich<br />

an etwas stört. Wie im Falle von Pussy Riot. <strong>Die</strong><br />

Heuchelei nimmt wieder zu.<br />

<strong>Interview</strong> JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />

THE STORY OF OLGA<br />

IST BEI TASCHEN ERSCHIENEN<br />

„WIE SIND SIE<br />

IN KÖLN<br />

GELANDET?”<br />

GIANNA NANNINI<br />

spricht über ihre<br />

deutschen Wurzeln<br />

INTERVIEW: Ihr neues Album trägt den Titel<br />

Inno. „Inno“ heißt Hymne, oder?<br />

GIANNA NANNINI: Ja, „inno“ ist die Melodie,<br />

die in dir steckt, etwas, das jeder<br />

in sich hat und haben muss.<br />

Für die Wiedergeburt zum<br />

Beispiel.<br />

INTERVIEW: Ah, verstehe.<br />

NANNINI: Warten Sie mal kurz,<br />

ich muss kurz meiner Tochter Hallo<br />

sagen: „TOCHTER!! CIAO!“ Sie ist<br />

gerade zurück aus der Schule.<br />

INTERVIEW: Aus der Schule? Ihre Tochter<br />

ist doch erst zwei.<br />

NANNINI: Entschuldigung, ich war kurz abgelenkt.<br />

Was hatten Sie gerade gefragt?<br />

INTERVIEW: Ja, wenn ich das noch wüsste …<br />

Ich war bei Ihrer Platte, glaube ich. Wenn man<br />

alles mitzählt, ist es die 27., ungefähr.<br />

NANNINI: Aber das sind nur Zahlen. Ich zähle<br />

nicht. <strong>Die</strong> Vergangenheit ist vergangen, die Zukunft<br />

ist etwas anderes. Aber ich, ich lebe in der<br />

Gegenwart. Ich wurde übrigens in Deutschland geboren.<br />

Wussten Sie das?<br />

INTERVIEW: Das wusste ich jetzt nicht.<br />

NANNINI: Doch, das war sehr wichtig für mein Leben.<br />

Meine Musik trägt den europäischen Gedanken<br />

in sich. Wir müssen an unsere Kulturen glauben. <strong>Die</strong><br />

Wurzeln sind wichtig, Wurzeln gibt es überall:<br />

Wein, Musik und möglicherweise Mode.<br />

INTERVIEW: Und wie wirkt sich das auf Ihr Schaffen<br />

aus?<br />

NANNINI: Nach meiner Wiedergeburt in Deutschland,<br />

1983 in Köln, um genau zu sein, habe ich mich<br />

mit Stammeskulturen beschäftigt. Ich habe erfahren,<br />

was es bedeutet, schamanisiert zu werden, verstehen<br />

Sie? Jedenfalls habe ich mit deutschen Leuten<br />

auf Englisch gearbeitet, weil sie an meine Musik geglaubt<br />

haben. In Italien hat man nicht an sie geglaubt.<br />

Italiener mögen zwar Rock, sie mögen amerikanische<br />

Musik, aber amerikanische Musik von Italienern<br />

halten sie für eine Kopie. In Deutschland ist das<br />

ganz anders.<br />

INTERVIEW: Da wäre ich mir nicht so sicher.<br />

NANNINI: Doch, als ich in den Achtzigern mit Conny<br />

Plank gearbeitet habe, war es so. Er meinte: „Sei<br />

du selbst!“ Das habe ich dann auch gemacht. Ich<br />

konnte meiner Kultur treu bleiben, meiner Identität.<br />

Das war für mich ganz einfach. Vielleicht war es damals<br />

auch leichter, kann sein. Heute versucht man<br />

oft, Dinge nachzumachen, so zu klingen wie … Aber<br />

man muss sein, wie man ist. Mit Wein und Essen ist<br />

es genauso.<br />

INTERVIEW: Mit was?<br />

NANNINI: Mit Wein und Essen. Exakt das Gleiche.<br />

INTERVIEW: Okay, aber wie sind Sie denn in den<br />

Achtzigern in Köln bei Conny Plank gelandet?<br />

NANNINI: Das war die Idee meines Managers. Er<br />

meinte: „Du musst Conny treffen!“ Ich kannte Connys<br />

Arbeit durch DAF und Ultravox.<br />

INTERVIEW: Also haben Sie ihn getroffen.<br />

NANNINI: Ja, und er meinte: „Versuche nicht, das zu<br />

machen, was andere schon vor dir gemacht haben.<br />

Und versuche nicht, so zu klingen wie Janis Joplin.“<br />

Janis Joplin war nämlich ein großer Einfluss von mir.<br />

Er meinte: „Du hast eine Stimme wie Joplin, aber du<br />

singst besser.“ Ich hatte es also Conny Plank zu verdanken,<br />

dass ich mich fand. Deswegen wurde ich damals<br />

in Köln wiedergeboren.<br />

<strong>Interview</strong> HARALD PETERS<br />

GIANNA NANNINIS NEUES ALBUM<br />

HEISST INNO (SONY)<br />

„WIE WAREN SIE<br />

ALS KIND?”<br />

Kostümdesignerin<br />

ARIANNE PHILLIPS<br />

im Gespräch mit ANITA<br />

TILLMANN, Chefin der<br />

Modemesse Premium<br />

ANITA TILLMANN: Meine Kinder versuchen ständig,<br />

unseren Hund oder sich selbst chic zu verkleiden.<br />

Wie waren Sie als Kind?<br />

ARIANNE PHILLIPS: Ich lebte mit meiner Mutter in<br />

der Bay Area, in Berkeley. Meine Mutter und ihre<br />

Geschwister waren Künstler, Bohemiens. Sie gingen<br />

oft mit mir auf den Flohmarkt. Außerdem hatte meine<br />

Mutter einen alten Koffer, der war voll mit Kleidern<br />

und tibetanischen Schals – eine große Zauberkiste.<br />

Wir hatten häufig Freunde zu Besuch, und es<br />

Fotos: 2012 Ellen von Unwerth, Paris, aus The Story of Olga, TASCHEN 2012, dpa Picture-Alliance/Juri Reetz; ddp images/AP Photo/Matt Dunham, Jemal Countess/WireImage for Persol/Gettyimages, Ulrich Seidl Film<br />

waren die Sechziger. Also rauchten sie<br />

Gras und lasen sich gegenseitig Gedichte<br />

vor. Ich war das einzige Kind<br />

in der Runde. Manchmal zog ich mir<br />

an diesen Abenden Sachen aus<br />

dem Koffer an und führte improvisierte<br />

Tänze auf, während<br />

mein Vater Jazzmusik<br />

spielte.<br />

TILLMANN: Sie arbeiten seit<br />

15 Jahren mit Madonna. Was<br />

halten Sie von Lady Gaga?<br />

PHILLIPS: Ich liebe sie! Sie<br />

wagt etwas. Ich erkenne viele<br />

ihrer Reverenzen, zum Beispiel<br />

Grace Jones. Und sie ist noch so<br />

jung! (Ein Kellner bringt eine belgische<br />

Waffel) Das liebe ich an<br />

Deutschland. All diese Kohlenhydrate!<br />

TILLMANN: Ich fühle mich immer<br />

schlecht, wenn ich erzähle,<br />

dass ich ohne Kohlenhydrate<br />

nicht leben kann.<br />

PHILLIPS: Wenn ich zu Hause in Kalifornien<br />

bin, dann esse ich morgens<br />

immer Reis vom Vortag. Dazu mache<br />

ich mir Rührei und Tortillas. Wo waren<br />

wir stehen geblieben?<br />

TILLMANN: Bei Lady Gaga. Was halten<br />

Sie eigentlich von Anna Dello Russo?<br />

PHILLIPS: Sie lässt auf Worte auch Taten folgen, das<br />

mag ich. Ich bewundere jeden, der sich durch Mode<br />

wirklich individuell ausdrückt. Heute kann man der<br />

Globalisierung sei Dank überall auf der Welt dasselbe<br />

T-Shirt kaufen. An den Schuhen allerdings kann<br />

ich in der Regel ablesen, wo ein Mensch herkommt.<br />

Insgesamt tragen Europäer aber schönere Schuhe als<br />

Amerikaner. Fast jeder heterosexuelle amerikanische<br />

Mann trägt große, klobige Treter.<br />

TILLMANN: Ich könnte stundenlang über Schuhe reden,<br />

aber ich möchte Sie noch etwas zu Ihrer Arbeit<br />

fragen: Sie haben unter anderem A Single Man, W. E.<br />

und Walk The Line ausgestattet. Wie beeinflussen<br />

Ihre Kostüme den Charakter einer Filmfigur?<br />

PHILLIPS: Ein Outfit kann verändern, wie sich eine<br />

Figur bewegt und welche Beziehung sie zu ihrem<br />

Körper hat. Außerdem gibt es Auskunft darüber, in<br />

welcher Epoche der Film spielt. Kostüme sind ein<br />

visueller Schlüssel für die Geschichte.<br />

TILLMANN: Wie vermeiden Sie, dass ein Kostüm die<br />

Figur überstrahlt?<br />

PHILLIPS: Manchmal muss es das sogar! Und es geht<br />

nicht um meinen persönlichen Geschmack. Kostümdesign<br />

ist etwas ganz anderes als Mode. Man benötigt<br />

sehr viel Feingefühl, damit kein Bruch entsteht<br />

zwischen der Figur und dem Outfit.<br />

TILLMANN: Mussten Sie schon mal mit Regisseuren<br />

arbeiten, die sich für Ihre Arbeit nicht interessieren?<br />

PHILLIPS: Regisseure interessieren sich häufig nicht<br />

allzu sehr für Mode, also ja. Ich arbeite übrigens besonders<br />

gerne mit britischen Schauspielern. Sie sind<br />

immer interessiert an der Gestaltung ihrer Outfits.<br />

TILLMANN: Woran liegt das wohl?<br />

PHILLIPS: In Amerika bringt man Schauspielern bei,<br />

ihre Rolle über die Emotionen und Erinnerungen<br />

ihrer Figur aufzubauen. In Großbritannien ist das<br />

ganz anders. Britische Schauspieler lernen, physischer<br />

zu denken. Sie müssen als Erstes den Körper<br />

ihrer Figur verstehen.<br />

„IST DAS JETZT<br />

IHR GROSSER<br />

DURCHBRUCH?”<br />

MARGARETHE<br />

TIESEL über ihre Rolle<br />

als Sextouristin in<br />

Paradies: Liebe und den<br />

Erziehungsauftrag<br />

europäischer Urlauber<br />

PARADIES: LIEBE IST GERADE ANGELAUFEN<br />

INTERVIEW: Frau Tiesel, was ist an Sextourismus deprimierender:<br />

die Sache an sich oder der Umstand,<br />

dass die Leute sich davon mehr versprechen als Sex?<br />

MARGARETHE TIESEL: Beides ist traurig. Dass sich<br />

die Frauen nach Afrika begeben müssen, um einen<br />

Lover zu finden, weil sie hier den Schönheitsvorstellungen<br />

nicht mehr entsprechen. Dass die wirtschaftliche<br />

Situation dort so ist, dass sich die Männer darauf<br />

einlassen. Und natürlich ist es auch traurig, dass<br />

die Sehnsucht nach Liebe sehr oft nicht erfüllt wird.<br />

INTERVIEW: Selbst die nicht sexuellen Aspekte des<br />

Films deprimieren. Es gibt diese Szene, in der Sie<br />

mit einer Freundin an der Theke sitzen und versuchen,<br />

dem Barmann österreichische Worte beizubringen.<br />

Das konnte ich mir kaum ansehen.<br />

TIESEL: Weil es nicht politisch korrekt ist?<br />

INTERVIEW: Nein, weil man weiß, dass sich Urlauber<br />

in Dritte-Welt-Ländern exakt so verhalten.<br />

TIESEL: Ja, weil sie sich durch das wirtschaftliche<br />

Gefälle überlegen fühlen.<br />

INTERVIEW: <strong>Die</strong> Dialoge sind komplett improvisiert.<br />

Wie lautete in solch einer Szene denn Ulrich<br />

Seidls Regieanweisung?<br />

TIESEL: Das weiß ich leider nicht mehr. Aber ich kann<br />

mich noch genau erinnern, was Ulrich Seidl mir vor<br />

der Szene, in der ich mit dem Beachboy aufs Zimmer<br />

gehe, gesagt hat, nämlich dass die Sugarmamas aus<br />

Österreich und Deutschland dazu neigen, die<br />

Jungs zu erziehen. Also habe ich mir gedacht, dass<br />

ich ihm zeige, wie man eine Frau berührt.<br />

INTERVIEW: War das eigentlich eine schwere Rolle?<br />

TIESEL: Also, leicht war es nicht. Ich sage immer, es<br />

war die härteste, aber auch die schönste Arbeit meines<br />

Lebens.<br />

INTERVIEW: Sie wussten wahrscheinlich, worauf Sie<br />

sich einlassen. Viele Schauspieler würden zurückschrecken,<br />

wenn Seidl anruft.<br />

TIESEL: Er hat zu mir gesagt: „Frau Tiesel, es passiert<br />

nichts, was Sie nicht wollen.“ Und dann hab ich mir<br />

gedacht: Wenn ich das jetzt nicht mache, dann ärgere<br />

ich mich mein Leben lang. Und er zwingt einen ja zu<br />

nichts, er lässt einem alle Freiheiten, und dadurch<br />

geht man viel weiter, als man zunächst dachte.<br />

INTERVIEW: Sie waren für Ihre Rolle für den Europäischen<br />

Filmpreis nominiert.<br />

TIESEL: Oh ja, das ist toll.<br />

INTERVIEW: Ist das jetzt Ihr großer Durchbruch?<br />

TIESEL: Weiß ich nicht, kann ich nicht sagen. Ich bin<br />

ja schon alt. Ich denke mir einfach: Toll, dass ich das<br />

erleben durfte.<br />

INTERVIEW: Vielen Dank, Frau Tiesel, ich denke, wir<br />

sind durch …<br />

TIESEL: Sie fragen mich nicht über die Nacktheit?<br />

INTERVIEW: Ach, das fragen doch alle.<br />

TIESEL: Ja, stimmt, das fragen immer alle!<br />

INTERVIEW: Oder wie es ist, Sexszenen vor der Kamera<br />

zu spielen. Ich meine, wie soll’s schon sein?<br />

TIESEL: Nicht wahr?!<br />

<strong>Interview</strong> HARALD PETERS<br />

„WARUM<br />

STEHEN SIE IM<br />

KÜHLSCHRANK?”<br />

ZZ-Top-Frontmann<br />

BILLY GIBBONS<br />

über Haarprobleme und<br />

die Zahl neun<br />

INTERVIEW: Hallo, wie geht es Ihnen?<br />

BILLY GIBBONS: Gut, aber ich fühle mich ein bisschen<br />

weird.<br />

INTERVIEW: Warum das?<br />

GIBBONS: Ach, weil ich das Wort gerade oft benutze.<br />

Für ein Stück schlug unser Tontechniker den<br />

Titel „Chartreuse“ vor. Ich wusste, dass es sich<br />

dabei entweder um eine Farbe oder um eine Alkoholsorte<br />

handelt, und dachte: „Irgendwie<br />

weird.“ Aber genau das trifft auch auf<br />

ZZ Top zu.<br />

INTERVIEW: Und Big Shiny Nine?<br />

Ist das etwa die Lieblingszahl des<br />

Tontechnikers?<br />

GIBBONS: Wir benutzen manchmal<br />

eine Geheimsprache<br />

des<br />

Blues.<br />

30<br />

31


Big Shiny Nine ist ein Song, in dem es vordergründig<br />

um eine Sache geht …<br />

INTERVIEW: Und wovon handelt er eigentlich?<br />

GIBBONS: Es könnte eine sexuelle Anspielung sein.<br />

Da geht es quasi um Längen, und eine Neun ist ja<br />

schon mal nicht schlecht. Er könnte aber auch von<br />

einer Neun-Millimeter-Pistole handeln. Das können<br />

Sie sich aussuchen.<br />

INTERVIEW: Ach, danke. Warum stehen Sie eigentlich<br />

im Clip zu I Gotsta Get Paid in einem Kühlschrank?<br />

GIBBONS: Der Song ist eine Kombination aus Rap<br />

und Blues. Ich bin glücklich, dass wir diese beiden ungleichen<br />

Partner zusammengebracht haben! Wir<br />

wollten damit der Tradition des Houston Ghetto<br />

Blues huldigen. Er basiert auf dem Rap-Song 25 Lighters.<br />

Entschuldigung, wie lautete Ihre Frage noch?<br />

INTERVIEW: Warum Sie in einem Kühlschrank stehen.<br />

GIBBONS: Ach ja. Ein Whiskeyhersteller hat uns engagiert,<br />

um sein Getränk bekannter zu machen. Der<br />

Regisseur des Clips war an Jackass beteiligt – der<br />

Kühlschrank war seine Idee. Wir sollten uns darin<br />

verstecken. Ein paar Typen haben ihn aufgemacht<br />

und sich ziemlich erschreckt. Denen habe ich dann<br />

erst mal einen Drink rausgereicht.<br />

INTERVIEW: War der Kühlschrank eingeschaltet?<br />

GIBBONS: Allerdings. Der Whiskey sollte ausgeschenkt<br />

werden, und es wurde gefragt, ob er kalt genug<br />

sei. Das konnte ich garantieren. Wir standen einen<br />

halben Tag lang da drinnen!<br />

INTERVIEW: Haben Sie eigentlich manchmal bad hair<br />

days?<br />

GIBBONS: Gestern Abend habe ich mir Sushi aufs<br />

Zimmer bringen lassen. Ich habe es im Bett gegessen<br />

und bin dabei eingeschlafen. Heute Morgen, als ich<br />

in den Spiegel sah, habe ich ein paar Reste in meinem<br />

Bart entdeckt. Hier, sehen Sie?<br />

INTERVIEW: Tatsächlich. Sieht aus wie Sojasoße.<br />

GIBBONS: Ich dachte nur: Ach, das hebe ich mir für<br />

später auf.<br />

<strong>Interview</strong> KATHARINA BÖHM<br />

ZZ TOPS NEUES ALBUM HEISST<br />

LA FUTURA (UNIVERSAL)<br />

„HABEN SIE SICH<br />

MAL BELOHNT?”<br />

CHRISTOPH<br />

WALTZ reitet<br />

für Quentin<br />

Tarantino<br />

INTERVIEW: Herr Waltz, man<br />

bat mich, nur Fragen zu Django<br />

Unchained zu stellen, allerdings<br />

durfte ich ihn noch nicht sehen,<br />

wir müssen da jetzt ein wenig improvisieren.<br />

CHRISTOPH WALTZ: (lacht) Ach,<br />

stellen Sie einfach Ihre Fragen,<br />

und wir entscheiden dann, ob sie<br />

zum Film passen.<br />

PEOPLE/SmallTALK<br />

INTERVIEW: Sie spielen diesmal keinen Bösewicht.<br />

WALTZ: Darf ich erwähnen, dass ich diese Bösewicht-<br />

Diskussion mittlerweile inflationär führe? Wenn wir<br />

der Einteilung in Gut und Böse mal auf den Grund<br />

gingen, würden wir mit Beschämung feststellen, dass<br />

wir nicht wirklich wissen, worüber wir da reden. Was<br />

ist denn das Gegenteil: der Gutewicht?<br />

INTERVIEW: Nennen wir es den Gegenpart zum Helden.<br />

Vielen Schauspielern haftet der Charakter ihrer<br />

Rolle irgendwann an – bei Ihnen ist das anders. Sie<br />

gelten als sympathisch. Ich würde sagen, es liegt daran,<br />

dass Sie immer etwas Spitzbübisches haben.<br />

WALTZ: (lacht) Spitzbub ist ein wunderschönes Wort.<br />

Man sagt ja, alles hat zwei Seiten. Und mir gefällt die<br />

andere meist besser.<br />

INTERVIEW: Um nicht auch noch in die Quentin-Tarantino-Falle<br />

zu tappen: Welche Frage über ihn können<br />

Sie nicht mehr hören?<br />

WALTZ: Ach, eigentlich fast alle. Das heißt aber nicht,<br />

dass ich sie nicht beantworten könnte. Fragen Sie!<br />

INTERVIEW: Ich habe gar keine vorbereitet.<br />

WALTZ: Super (lacht). Danke.<br />

INTERVIEW: Wie war denn die Premiere gestern?<br />

WALTZ: Das war nur ein Screening in New York, aber<br />

super. Ich hatte den Film bisher nur in Teilen im Synchronisationsstudio<br />

gesehen, ich muss ihn noch ein<br />

paar Mal angucken, bevor ich eine Meinung habe.<br />

INTERVIEW: Schauen Sie Ihre Filme immer so genau?<br />

WALTZ: Nur wenn mich der Dreh interessiert hat.<br />

Wenn nicht, ist mir das Ergebnis oft gleichgültig.<br />

INTERVIEW: Hat man bei der Synchronisation eigentlich<br />

noch mal die Chance, etwas zu verbessern?<br />

WALTZ: Natürlich, alles kann man besser machen.<br />

INTERVIEW: Entschuldigen Sie diese anbiedernde<br />

Frage, aber wie geht man mit Erfolg um?<br />

WALTZ: Jeder, wie er kann, nehme ich an. Er ist ja<br />

möglicherweise noch dynamischer als der Misserfolg.<br />

Man muss mit großer Aufmerksamkeit versuchen,<br />

nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Das geht<br />

aber, man ist da kein Opfer.<br />

INTERVIEW: Haben Sie sich mal selbst belohnt?<br />

WALTZ: Ich bin nicht der Typ, der sich einen Porsche<br />

kauft, weil er findet, er habe nun etwas geleistet. Ich<br />

belohne mich mit der Freude über das Gelingen.<br />

INTERVIEW: Ich möchte Sie nicht in diese Ecke drängen,<br />

aber man liest ja von Trends unter Hollywood-<br />

Schauspielern: eine bestimmte Hunderasse, dieser<br />

super Personal Trainer. Sind Sie da dabei?<br />

WALTZ: (lacht) Wissen Sie, ich bin irgendwie zu alt<br />

dafür. Auch zu stur. Ich interessiere<br />

mich nicht so für Trends,<br />

schändlicherweise vielleicht.<br />

INTERVIEW: Wenn Sie flüchten<br />

müssten, wohin wäre das?<br />

WALTZ: Ins Waldviertel. Eine<br />

Gegend in Österreich.<br />

INTERVIEW: Das klingt gut.<br />

WALTZ: Ich bin mir auch nicht<br />

sicher, ob es stimmt, aber ich<br />

fand auch, das klingt gut.<br />

INTERVIEW: Sie hätten es eh<br />

nicht verraten dürfen, sonst<br />

hätte man Sie ja gefunden.<br />

Ich wünsche Ihnen noch<br />

einen angenehmen Promotionstag.<br />

WALTZ: Ich danke Ihnen,<br />

mal sehen, ob wir hier<br />

heute noch promovieren.<br />

<strong>Interview</strong> LAURA EWERT<br />

„SIND SIE<br />

NOSTALGISCH?”<br />

Fassbinder, Warhol,<br />

ULLI LOMMEL: das<br />

Leben des Filmemachers<br />

als Theaterstück<br />

INTERVIEW: Herr<br />

Lommel, Sie sind<br />

zu rück in Ihrer<br />

alten Heimat!<br />

ULLI LOMMEL: Ich<br />

habe meine Teenagerjahre<br />

in Berlin<br />

verbracht, aber seitdem<br />

war ich immer<br />

nur ein paar Tage<br />

hier. Ich kann noch<br />

gar nichts zur Stadt<br />

sagen. Ich bin gespannt!<br />

Ich habe<br />

jetzt 35 Jahre Los<br />

Angeles in mir.<br />

Da schlafen bestimmte<br />

Dinge ein, weil sie nicht gebraucht werden.<br />

Und andere Dinge, Glamour oder Small Talk, werden<br />

ständig abgerufen.<br />

INTERVIEW: Haben Sie sich noch nicht umgeschaut?<br />

LOMMEL: Doch! Ich habe in einem Antiquariat in<br />

Schöneberg eine <strong>Interview</strong>-Ausgabe von 1979 mit einer<br />

Geschichte über mich gefunden. <strong>Die</strong> hieß The<br />

Americanization of Ulli. Das Foto ist toll.<br />

INTERVIEW: Damals lebten Sie in New York, haben<br />

mit Andy Warhol gefeiert und gearbeitet.<br />

LOMMEL: Ich kann seitdem nicht mehr ausgehen.<br />

<strong>Die</strong> drei Jahre waren unschlagbar. Seitdem ist jede<br />

Party drittklassig. Heute deprimieren mich solche<br />

Ansammlungen von Menschen. Mich bekommt in<br />

meinem Leben keiner mehr auf eine Party. Deswegen<br />

weiß ich nicht genau, ob das jetzt so toll war.<br />

INTERVIEW: Treffen Sie Ihre alten Freunde noch?<br />

LOMMEL: Nein! <strong>Die</strong> sehen heute so anders aus als<br />

damals. Das ist nicht so schön. Bianca Jagger schaue<br />

ich mir lieber auf alten Bildern an. <strong>Die</strong> sieht nicht<br />

mehr so gut aus.<br />

INTERVIEW: Sind Sie nostalgisch?<br />

LOMMEL: Ich mag Nostalgie.<br />

INTERVIEW: Haben Sie keine Angst davor, im Gestern<br />

stecken zu bleiben?<br />

LOMMEL: Ich lebe ja in Los Angeles, und mehr Gegenwart<br />

als Los Angeles geht gar nicht.<br />

INTERVIEW: Neben Andy Warhol war Fassbinder in<br />

Ihrem Leben eine prägende Persönlichkeit.<br />

LOMMEL: Mit dem bin ich durch. Das interessiert<br />

mich nicht mehr. <strong>Die</strong> Phase habe ich aufgearbeitet.<br />

INTERVIEW: Jetzt inszenieren Sie Ihre Autobiografie<br />

an der Volksbühne in Berlin.<br />

LOMMEL: Mein Buch ist nur der Ausgangspunkt,<br />

mal sehen, wo uns das hinführt. Aber es wird schon<br />

auch um die Zeit mit Warhol gehen.<br />

<strong>Interview</strong> NINA SCHOLZ<br />

LOMMEL 1979 IN INTERVIEW<br />

ULLI LOMMELS FUCKING LIBERTY! STARTET<br />

AM 17. JANUAR IN DER VOLKSBÜHNE BERLIN<br />

Fotos: Sony Pictures (3), Barry McKinley für INTERVIEW Mai 1979<br />

Carsten Nicolai, unidisplay, 2012, Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig / Berlin<br />

und The Pace Gallery, New York<br />

Form: Surface<br />

Carsten Nicolai<br />

unidisplay<br />

uni(psycho)acoustic<br />

26.1.—<br />

5.5.2013<br />

DJANGO UNCHAINED<br />

STARTET AM 17. JANUAR


people<br />

Naomi<br />

Campbell<br />

trifft<br />

imaN<br />

Sie ist die Frau, die<br />

alles bekommt, die Frau,<br />

der man alles gönnt:<br />

die Titelseiten dieser<br />

Welt, ein florierendes<br />

Kosmetikunternehmen,<br />

David bowie. Und<br />

eine Schönheit, die nicht<br />

von dieser Welt ist.<br />

Naomi Campbell sprach<br />

mit imaN mohameD<br />

abDUlmajiD<br />

über ihren Kampf für<br />

die Gleichberechtigung<br />

schwarzer Frauen, den<br />

verregneten hochzeitstag<br />

in der Toskana und<br />

Daddy bowie<br />

porTrÄT<br />

miChAel AveDoN<br />

Naomi & imaN, im Dezember 2012<br />

Ein Gespräch mit Iman ist nicht so leicht zu haben.<br />

Obwohl sie weltberühmt ist, schützt sie ihre Privatsphäre<br />

und hat sich so die Aura des Geheimnisvollen<br />

bewahrt.<br />

Bei all ihrer Bescheidenheit ist sie eine der einflussreichsten<br />

Personen der Modewelt, insbesondere<br />

natürlich für farbige Frauen. Sie hat den Weg für eine<br />

ganze Generation schwarzer Models geebnet. Unsichtbare<br />

Schranken hat sie niedergerissen, nicht zuletzt<br />

mit ihrem legendären Werbespot für den Cognac<br />

Tía María. <strong>Die</strong>se Werbung hat alles verändert.<br />

Auf dem Höhepunkt ihres Ruhms hat sie alle verblüfft,<br />

indem sie ihre eigene Kosmetiklinie auf den<br />

Markt brachte. Und als Unternehmerin war sie genauso<br />

geschickt wie als Fotomodell. Bald war sie im<br />

Wirtschaftsteil der Zeitungen ebenso heimisch wie im<br />

Stilressort. Als sie 1992 David Bowie heiratete, wurde<br />

sie endgültig zur Legende.<br />

Obwohl ich sie schon wahnsinnig lange kenne,<br />

war es eine Ehre für mich, mit Iman über ihr außergewöhnliches<br />

Leben sprechen zu dürfen. Das war ein<br />

Nachmittag, den ich nicht so schnell vergessen werde.<br />

34<br />

Naomi Campbell: Iman, du bist in Somalia aufgewachsen.<br />

Verbindet dich heute noch viel mit dem<br />

Land deiner Eltern?<br />

imaN mohameD abDulmajiD: Nicht wirklich.<br />

Meine ganze Familie lebt seit mehr als 20 Jahren in<br />

Amerika, und Somalia ist heute nicht mehr das Land<br />

meiner Kindheit. Das ist ziemlich traurig, da meine<br />

Eltern eigentlich dort begraben werden wollen. Egal<br />

wie viel Geld ich jemals verdiene, diesen Wunsch<br />

werde ich ihnen nicht erfüllen können.<br />

Naomi: Wie bist du aufgewachsen?<br />

imaN: Wir hatten wenig Geld, aber wir waren<br />

nicht arm. Das Leben änderte sich später, als mein Vater<br />

Diplomat wurde.<br />

Naomi: Bist du mit ihm gereist?<br />

imaN: Schon, allerdings boten damals Länder wie<br />

der Sudan und Saudi­Arabien keine ausreichenden<br />

Bildungsmöglichkeiten für Mädchen. Deswegen besuchte<br />

ich eine Schule in Ägypten. An langen Wochenenden<br />

flogen wir dann nach Beirut, ins Paris des<br />

Mittleren Ostens.<br />

Naomi: Welchen Einfluss hatte deine Mutter auf<br />

dich?<br />

imaN: Na ja, ich bin in einem muslimischen Land<br />

aufgewachsen. Dort gelten Jungs in der Regel mehr<br />

als Mädchen – das akzeptierte meine Mutter nicht. Sie<br />

gab mir immer das Gefühl, dass ich jedwede Dinge<br />

mindestens so gut, wenn nicht besser kann als die<br />

Jungs. Ihr war es wichtig, dass ich mich nicht unter<br />

Wert verkaufe, mich nicht mit weniger zufriedengebe.<br />

Sie sagte immer: „Iman, Nein ist ein vollständiger<br />

Satz. Lerne Nein zu sagen.“ Als ich 1975 nach<br />

Amerika kam und zum ersten Mal hörte, das schwarze<br />

Models weniger verdienen als weiße, schmerzte es<br />

sehr. Deshalb lautete meine erste Ansage: Ich mach<br />

den Job nicht, wenn ich auch nur einen Cent weniger<br />

bekomme.<br />

Naomi: Ja, das war dein Verdienst!<br />

imaN: Ich folge einem ganz einfachen Grundsatz:<br />

Geh, wenn eine Sache nicht gut für dich ist. Man darf<br />

keine Angst davor haben zu gehen.<br />

Naomi: Du bist seit 20 Jahren mit David Bowie<br />

verheiratet. Was ist das Geheimnis einer glücklichen<br />

Ehe?<br />

imaN: Man muss sich toll finden, den anderen begehren,<br />

sich respektieren. Das ist die Grundlage. Darüber<br />

hinaus haben wir entschieden, dass wir Presse,<br />

Journalisten, all das, nicht bei uns zu Hause haben<br />

wollen. Privates und Öffentliches trennen wir sehr genau.<br />

Es ist einfach schwer, jemals Ruhe zu finden,<br />

wenn man einmal die Tür zu weit öffnet. Abgesehen<br />

davon amüsieren wir uns sehr zu zweit. David ist ein<br />

echter Gentleman, sehr englisch auf eine Art.<br />

Naomi: Eure Hochzeit in der Toskana soll sehr<br />

romantisch gewesen sein …<br />

imaN: … es hat geregnet!<br />

Naomi: Das soll ja Glück bringen.<br />

imaN: Aber man will dennoch nicht, dass es am<br />

Hochzeitstag regnet – und man alles nach Innen verlegen<br />

muss. <strong>Die</strong> Italiener sagten: „Oh, beschwer dich<br />

nicht, du wirst 50 Jahre verheiratet sein, du wirst sehr<br />

glücklich sein!“ Und damit hatten sie recht.<br />

Naomi: Iman, du warst das erste schwarze Model<br />

auf dem Cover der Vogue …<br />

imaN: … nein, das war Beverly Johnson.<br />

Naomi: Ach, stimmt, okay, das zweite. Dafür hast<br />

du uns allen geholfen: mir, Tyra, Jourdan Dunn …<br />

imaN: Mir haben Naomi Sims und Beverly Johnson<br />

geholfen.<br />

Naomi: Und Donyale Luna.<br />

Foto (rechte Seite): Bruce Weber/South Africa/Iman’s private archive<br />

Iman: Ganz genau. Beverly hat die Tür zu den<br />

Editorials für uns geöffnet, ich wollte das, was ich gerne<br />

als Kriegsbeute bezeichne, ich wollte die Kampagnen,<br />

die Anzeigen, das große Geld.<br />

naomI: Das hast du auch bekommen!<br />

Iman: Ja, habe ich.<br />

naomI: So habe ich dich auch erstmals gesehen:<br />

nicht in irgendeinem Editorial, sondern in Anzeigenkampagnen.<br />

Du wurdest von Pete Beard entdeckt, einem<br />

amerikanischen Fotografen. Kannst du die Geschichte<br />

kurz erzählen, obwohl du sie wahrscheinlich<br />

schon sehr oft erzählt hast?<br />

Iman: Ja, ganz kurz.<br />

naomI: Schieß los!<br />

Iman: Ich war in Nairobi auf dem Weg zur Uni,<br />

als er mich auf der Straße angehalten hat und fragte,<br />

ob ich jemals fotografiert worden sei. Und ich dachte<br />

nur: Äh, wieso denken eigentlich immer alle Leute,<br />

dass es in Afrika keine Kameras gibt?<br />

naomI: Haha.<br />

Iman: Und ich sagte: „Natürlich bin ich schon<br />

fotografiert worden.“ Und er darauf: „Von wem?“<br />

Und ich: „Meinen Eltern.“ Und er dann: „Professionell?“<br />

Und ich dachte, dass er wie ein Typ vom Playboy<br />

daherredet – so wie ihn stellte ich mir die Leute vom<br />

Playboy nämlich vor. Also sagte ich: „Ich bin nicht diese<br />

Sorte Mädchen.“<br />

naomI: Haha.<br />

Iman: Später gehörte ich dann aber doch zu diesen<br />

Mädchen, weil Richard Avedon mir meine Sachen<br />

ausgezogen hat. Jedenfalls meinte Pete Beard, dass er<br />

mich gern fotografieren würde. Aber ich tat so, als<br />

würde ich ihn gar nicht hören, und ging einfach weiter.<br />

naomI: Er war ein hübscher Mann, nicht wahr?<br />

Iman: Oh, er ist es immer noch … Nachdem ich<br />

abgelehnt hatte und einfach weiterging, meinte er:<br />

„Ich zahle auch dafür!“ Und ich sagte: „Was? Wie<br />

viel?“ – Ich hatte damals nämlich überhaupt kein<br />

Geld, und die Studiengebühren waren fällig. Peter<br />

fragte: „Wie viel Geld willst du denn haben?“ „8 000“,<br />

antwortete ich, das war in etwa der Betrag, den man<br />

für ein einjähriges Stipendium bekam. Und er sagte:<br />

„8 000 Dollar? Okay!“<br />

naomI: Cleveres Mädchen!<br />

Iman: Natürlich dachte ich, dass die Sache damit<br />

erledigt sei und ich ihn nie wieder sehen würde. Aber<br />

dann kontaktierte er mich über einen Freund. Er ließ<br />

mir ausrichten, dass ich am nächsten Tag irgendwo zu<br />

erscheinen habe. Dann hatte ich jemanden von der<br />

Modelagentur am Telefon: „Oh, du musst nach New<br />

York kommen, um eine Karriere als Model zu machen,<br />

bla, bla, bla“ – dabei hatte ich damals noch nie<br />

ein Modemagazin gesehen. Also sagte ich: „Ja, aber<br />

nur, wenn ihr mir das Rückflugticket bezahlt.“<br />

naomI: Na klar!<br />

Iman: Außerdem brauchte ich für die Reise die<br />

Einwilligung meiner Mutter, ich war nämlich noch zu<br />

jung. Ich hab dann meine Papiere gefälscht.<br />

naomI: Hast du nicht!<br />

Iman: Doch, hab ich, laut meinen Papieren war<br />

ich 19.<br />

naomI: Und wie alt warst du wirklich?<br />

Iman: Nicht einmal 18.<br />

naomI: Also 17.<br />

Iman: 17 und ein bisschen.<br />

naomI: Du Fuchs!<br />

Iman: Natürlich flog die Sache binnen einer Woche<br />

direkt auf, weil meine Fotos plötzlich in Newsweek<br />

abgebildet waren. Mein Vater sah die Ausgabe der<br />

Zeitschrift zu Hause in Afrika und fragte: „Wo ist sie?!<br />

“<br />

dIe Frau, dIe vom HImmel FIel<br />

Ich wollte das,<br />

was ich gerne als<br />

Kriegsbeute bezeichne,<br />

ich wollte die Kampagnen,<br />

die Anzeigen,<br />

das große Geld<br />

35<br />

”– Iman<br />

In New York? Wer hat ihr das erlaubt?“ Seitdem lebe<br />

ich hier.<br />

naomI: Hast du Ärger bekommen?<br />

Iman: Ziemlich!<br />

naomI: Sehr gut! Den hast du verdient.<br />

Iman: So fing es jedenfalls an. Meinen ersten Job<br />

an meinem dritten Tag in New York hatte ich mit Arthur<br />

Elgort für die amerikanische Vogue.<br />

naomI: Du hast von Anfang an Geschichte geschrieben!<br />

Und trotzdem hast du vor mehr als 20 Jahren<br />

aufgehört zu modeln.<br />

Iman: Weißt du eigentlich, seit wann ich bei keiner<br />

Fashion Show mehr war? Seit 1989!<br />

naomI: Als Model oder als Gast?<br />

Iman: <strong>Die</strong> einzige, bei der ich war, ist die deiner<br />

Stiftung!<br />

naomI: Leute, habt ihr das gehört? <strong>Die</strong> einzige


Fashion Show, bei der Iman seit 1989 als Gast aufgetaucht<br />

ist, war Fashion for Relief 2005 zugunsten der<br />

Opfer von Hurrikan Katrina. Tausend Dank, dass du<br />

da warst.<br />

Naomi: Hast du eigentlich irgendwelche neuen<br />

Lieblingsdesigner?<br />

imaN: Klar. Eine ganze Menge. Alexander Wang,<br />

Prabal, Joseph Altuzarra – und Jason Wu. Tut mir leid<br />

für Oscar de la Renta, aber das ist der neue Oscar de<br />

la Renta. Er ist das neue Blut. <strong>Die</strong> neue Zeit.<br />

Naomi: Deine Firma Iman Cosmetics ist weltweit<br />

erfolgreich. Ich jedenfalls tue keinen Schritt<br />

ohne deinen Lippenstift. Wie hast du das geschafft?<br />

imaN: <strong>Die</strong> Idee kam mir am allerersten Tag als<br />

Model. Ich wurde von Arthur Elgort für die amerikanische<br />

Vogue fotografiert. Der Make­up­Artist, seinen<br />

Namen habe ich leider vergessen, sagte zu mir:<br />

„Hast du deine eigene Foundation dabei? Ich habe<br />

nämlich nichts für dich.“ <strong>Die</strong> Frage stellte er dem<br />

anderen Mädchen nicht. Und ich hatte in meinem<br />

Leben noch nie Make­up gesehen. Er mixte dann irgendwas<br />

zusammen, und meine Haut sah anschließend<br />

grau aus.<br />

Naomi: Das ist so eine Frechheit! Ist mir auch<br />

schon passiert.<br />

imaN: Als Model ist dein Bild deine Währung. Es<br />

ist das Einzige, was du hast. Niemanden interessiert<br />

es, wie du in Wirklichkeit aussiehst. Und hinterher<br />

würde niemand sagen, das der Make­up­Typ ein Idiot<br />

war. Sie würden sagen, dass du schrecklich aussahst,<br />

und dich nicht wieder buchen. Deswegen habe ich<br />

meine eigene Make­up­Linie gegründet. Ich bin in<br />

New York durch die Läden gezogen, habe alle Foundations<br />

gekauft, die ich finden konnte. <strong>Die</strong> habe ich<br />

zusammengemixt und Polaroids von mir selbst gemacht,<br />

bis ich die richtige Mischung hatte. Ich habe<br />

das also vor 20 Jahren erfunden. Und der Laden gehört<br />

immer noch mir.<br />

Naomi: Du hast für die BBC einen Dokumentarfilm<br />

über das Leid in Somalia gedreht. Der Film wurde<br />

im Weißen Haus gezeigt, damit die Amerikaner die<br />

Situation besser verstehen.<br />

imaN: Und daraufhin haben sie ihre Truppen losgeschickt.<br />

Naomi: Meinst du, das hat was gebracht?<br />

imaN: Auf jeden Fall. <strong>Die</strong> Armee hat Nahrung ins<br />

Land gebracht. War es befreiend? Nein. Aber es hat<br />

ein Kapitel abgeschlossen. Als ich dort war, fuhr ich<br />

zu meiner alten Schule und zu unserem alten Zuhause,<br />

das ich mitten in der Nacht verlassen hatte, als wir<br />

nach Kenia gezogen sind. Für den Film folgte ich den<br />

Lastwagen, die jeden Morgen die Toten einsammelten,<br />

weil die Leute sie vor die Häuser legten. Endlose<br />

Häuserreihen mit Leichen davor. Als ich zurück in die<br />

Schweiz kam, wo David und ich damals noch lebten,<br />

hatte ich meine Stimme verloren. Der Arzt meinte, es<br />

sei der Schock. Ich konnte auch zwei Wochen nicht<br />

liegen. Aber der Film war mir wichtig, und ich bin<br />

stolz drauf.<br />

Naomi: In den Neunzigern hast du Nelson Mandela<br />

getroffen, als du für die amerikanische Vogue in<br />

Kapstadt warst. Wie fühlte es sich an, diesen Mann<br />

kennenzulernen?<br />

imaN: Ich schwebte auf Wolken. Gott sei Dank<br />

war Bruce Weber schnell genug, uns zu fotografieren.<br />

Es war das erste und einzige Mal, dass David und ich<br />

gemeinsam in einer Fotoproduktion waren. Wir sind<br />

damals nach Südafrika gefahren, weil sich das Land<br />

gerade öffnete und um die „Rainbow Nation“ von<br />

Nelson Mandela zu ehren. Wir blieben einen ganzen<br />

“<br />

people/Naomi Campbell<br />

Bewaffnete<br />

Gruppen verdienen<br />

Hunderte Millionen<br />

Dollar jedes Jahr<br />

mit dem Handel der<br />

vier wichtigsten<br />

Mineralien. Mit dem<br />

Geld kaufen sie Waffen<br />

und terrorisieren die<br />

Zivilbevölkerung<br />

36<br />

”<br />

– Iman<br />

Monat da und trafen Miriam Makeba, den Künstler<br />

Beezy Bailey, den Musiker Hugh Masekela, Desmond<br />

Tutu. Ein wahnsinniger Trip.<br />

Naomi: Du bist Botschafterin von Raise Hope<br />

for Congo. Kannst du mir was darüber erzählen?<br />

imaN: Im Osten des Kongo gibt es große Rohstoffvorkommen,<br />

mit denen verschiedene Söldnertruppen<br />

finanziert werden. Viele von denen benutzen<br />

Massenvergewaltigungen als Strategie, um die Bevölkerung<br />

einzuschüchtern und die Kontrolle über die<br />

Minen und die Handelsstraßen zu behalten. Der Bürgerkrieg<br />

dort ist der schlimmste Konflikt seit dem<br />

Zweiten Weltkrieg. Bewaffnete Gruppen verdienen<br />

Hunderte Millionen Dollar jedes Jahr mit dem Handel<br />

der vier wichtigsten Mineralien: Zink, Tantalum,<br />

Wolfram und Gold. Mit dem Geld kauft die Miliz<br />

Unmengen von Waffen und terrorisiert die Zivilbevölkerung.<br />

<strong>Die</strong> schlimmsten Verbrechen geschehen<br />

rund um die Minen. Das Problem ist, dass diese Mineralien<br />

für die Produktion von elektronischen Geräten<br />

wie Mobiltelefonen und Computern gebraucht<br />

werden. <strong>Die</strong> Herkunft von Rohstoffen ist oft nicht<br />

bekannt. Westliche Konsumenten können nie ausschließen,<br />

dass sie bewaffnete Milizen in Afrika indirekt<br />

unterstützen.<br />

Naomi: Du bist sehr aktiv auf Twitter. Was sind<br />

deine Erfahrungen damit? Bringt es dir was?<br />

imaN: Wenn ich David erwähne, kriege ich sofort<br />

tausend Antworten. Wenn ich über mein Business<br />

tweete, nur ein paar. Je persönlicher man wird, desto<br />

besser.<br />

Naomi: Eure Tochter Lexi ist fast schon ein<br />

Teenager – wie muss man sich David als Vater vorstellen?<br />

imaN: Er ist der Sensible, der Lustige und übernimmt<br />

den entspannteren Part. Ich bin eher die<br />

Strenge!<br />

Naomi: Verrätst du uns, welcher dein liebster<br />

Song von David ist?<br />

imaN: Heroes – und das gesamte Album Heathen.<br />

Naomi: Du bist mit einem der großartigsten Musiker<br />

aller Zeiten verheiratet. Gibt es, abgesehen von<br />

Davids Werk, Musik, die du gerne hörst?<br />

imaN: Bon Iver, Jay­Z, Kanye West … und Adele.<br />

Naomi: Leihst du dir manchmal seine Klamotten?<br />

imaN: Nein! Honey, ich habe Hüften! <strong>Die</strong> würden<br />

niemals passen!<br />

Naomi: Was ist das schönste Geschenk, das dir<br />

deine Kinder jemals gemacht haben?<br />

imaN: Armbänder aus Nudeln, die sie selbst gebastelt<br />

haben.<br />

Naomi: David malt gerne zur Entspannung –<br />

welches Hobby hast du?<br />

imaN: Ich sticke!<br />

raisehopeforcoNgo.org<br />

imaNcosmetics.com<br />

imaNhome.com<br />

Foto (rechte Seite): Iman’s private archive


SUPERSTAR<br />

SUPERSTAR<br />

LESLIE<br />

CLIO<br />

MATTHIAS<br />

SCHOENAERTS<br />

VOM TRESEN<br />

AUF DIE<br />

GROSSE BÜHNE:<br />

SINGT HIER DIE<br />

DEUTSCHE ADELE?<br />

ENDLICH<br />

MAL WIEDER<br />

EIN JUNGER<br />

ROBERT DE NIRO<br />

Jacke MAZINE, T-Shirt LOOKY LOOKY<br />

BOXT BIS ZUM OSCAR: MATTHIAS SCHOENAERTS<br />

Sie steht auf dem Tresen einer überfüllten<br />

Berliner Weinbar, singend, vor einer Horde<br />

selbst ernannter Sommeliers. Der Laden ist<br />

voll, die Leute sind es eigentlich auch. Der<br />

jungen Frau, die da gerade mit einem Kabel hantiert,<br />

schenken sie kaum Beachtung. „Hallo, ich bin Leslie<br />

Clio“, sagt sie knapp ins Mikrofon. Dann fängt sie an<br />

zu singen, Tyrone von Erykah Badu. <strong>Die</strong> Menschen<br />

drehen sich zu ihr um, sind erstaunt über die Stimme,<br />

die plötzlich aus dieser zierlichen Person herauskommt<br />

und den Raum einnimmt. Bis gerade eben<br />

wirkte sie noch etwas schüchtern.<br />

Ein gutes Jahr später findet sich die 26-Jährige auf<br />

einer richtigen Bühne wieder. Das Publikum ist ein<br />

anderes, vor allem sind da jetzt viel mehr Leute. Leslie<br />

und ihre Band treten als Vorgruppe von Joss Stone<br />

auf. An diesem Abend singt sie ihre eigenen Songs. In<br />

denen geht es nicht um Tyrone, sondern zum Beispiel<br />

um Francesca. „You said forget about Francesca, you’ll<br />

always reign supreme“, lautet die erste Zeile ihrer<br />

Single Told You So, die seit dem Herbst in den Radios<br />

gespielt wird. Mittlerweile wurde der dazugehörige<br />

Clip bei YouTube über eine Million Mal angeklickt.<br />

Selbstverständlich ist die Hamburgerin über zeugt<br />

von ihrem Können. „Aber wenn das mit dem Singen<br />

nichts wird, werd ich eben Gärtnerin. Ich kann mich<br />

für viele Sachen begeistern.“ Kurz darauf unterschreibt<br />

sie ihren Plattenvertrag. Ihr Debüt album erscheint<br />

im Februar. In Anlehnung an Jeff Buckleys<br />

Album Grace soll es den Namen Gladys tragen. „Zwischenzeitlich<br />

wollte ich es noch ‚Greatest Hits‘ nennen“,<br />

sagt sie und lacht.<br />

38<br />

Und was tut Leslie am liebsten? „Schreiben, ständig.“<br />

Wenn es nicht Songs sind, dann denkt sie sich<br />

Namen für ihre Liste potenzieller Kinder (Polly Cracker)<br />

oder fiktiver Figuren (Imogen Tonic) aus. Oder<br />

sie fantasiert Kollaborationen zusammen, auf die man<br />

seit Jahren vergeblich wartet. „50 Cent feat. Arielle“<br />

zum Beispiel.<br />

Zurzeit scheint sie allerdings mit ganz anderen<br />

Dingen beschäftigt zu sein: „Erwache gerade aus meinem<br />

Jetlag. Es ist neun Uhr morgens in L. A., ich bin<br />

direkt in Hollywood. Springe jetzt in meine Hosen<br />

und ab auf Safari!“ – So lautet ihr bislang letztes Lebenszeichen.<br />

Von KATHARINA BÖHM<br />

Foto BELLA LIEBERBERG<br />

Styling ALEXANDRA HECKEL<br />

Haare & Make-up EWA CERVENA<br />

Foto: CapFSD/face to face<br />

39<br />

Matthias Schoenaerts muss ein talentierter<br />

Schauspieler sein. Denn der 35-Jährige,<br />

der da zum <strong>Interview</strong> erscheint,<br />

hat nichts mit diesen bulligen, massiven<br />

und körperlich einschüchternden Typen gemein, die<br />

er in seinen letzten beiden Filmen gespielt hat. In Der<br />

Geschmack von Rost und Knochen (im Kino) etwa spielt<br />

Schoenaerts an der Seite von Marion Cotillard den<br />

Faustkämpfer Ali, der durchs Leben driftet, bis er unerwartet<br />

das Sorgerecht für seinen fünfjährigen Sohn<br />

bekommt. Eine gute Rolle für Schoenaerts: Der Film<br />

lief im Wettbewerb von Cannes und wurde gleich als<br />

Oscarkandidat gehandelt.<br />

Der gebürtige Belgier, der immer noch in Antwerpen<br />

lebt, kommt aus einer Schauspielerfamilie und<br />

dreht, seit er 15 Jahre alt ist, eigentlich ununterbrochen.<br />

Doch erst seit einem Jahr erkennt man ihn auch<br />

im Ausland. Und das lag vor allem an Bullhead.<br />

Schoenaerts spielte in diesem Film den Sohn flämischer<br />

Bullenzüchter, Jacky, der seit frühester Kindheit<br />

mit Testosteron gedopt wird. Für den Film nahm er<br />

imposante 30 Kilogramm Körpermasse zu. Mit Erfolg,<br />

im Jahr 2012 war der Film bei den Oscars als<br />

bester ausländischer Beitrag nominiert und spielte in<br />

Belgien Rekordergebnisse ein. „Auf einmal kannte<br />

man meinen Namen, jeder wollte mit mir drehen.“<br />

Der französische Regisseur Jacques Audiard (Ein Prophet)<br />

hatte für seinen neuen Film einen Laienboxer<br />

gesucht, sah Schoenaerts in der Rolle des massigen<br />

Jacky und entschied sich sofort für ihn.<br />

Seinen Körper musste Schoenaerts wieder einmal<br />

verändern: „Jacques wollte, dass ich aussehe wie jemand,<br />

der mal fit war und sich schon lange nicht<br />

mehr um sich selber kümmert.“ Hatte er für Bullhead<br />

eineinhalb Jahre lang Gewichte gehoben, pendelte er<br />

nun zwischen Boxring und Fast-Food-Restaurants<br />

hin und her.<br />

Seit Schoenaerts mit Jacques Audiard und Marion<br />

Cotillard gedreht hat, wird er ständig gefragt, ob er<br />

nicht „großen Druck“ verspüre. „Solche Gefühle darf<br />

man gar nicht erst zulassen.“ Nun heißt es, er werde<br />

als Nächstes nach Amerika gehen. „Was kommt, das<br />

kommt“, sagt er dazu nur. <strong>Die</strong> Nerven dafür hat er<br />

jedenfalls. Das Talent sowieso.<br />

Von NINA SCHOLZ


PEOPLE<br />

SPIELBERG<br />

& DAY-LEWIS<br />

S<br />

Seit jeher bemüht sich Hollywood<br />

um Mythenbildung, am liebsten,<br />

wenn es um amerikanische<br />

Geschichte geht. Da wurde es<br />

auch langsam Zeit, dass sich<br />

jemand um Abraham Lincoln<br />

kümmert Gespielt wird der 16. Präsident<br />

der USA von Daniel DAY-LEWIS<br />

(spezialisiert auf imposante Männerfiguren)<br />

Regie führt Steven SPIELBERG<br />

(spezialisiert auf ganz große Gefühle). Mehr<br />

geht nicht? Doch! Mindestens ein Oscar<br />

von<br />

Alexa KAROLINSKI<br />

Daniel Day-lewis als<br />

abraham lincoln,<br />

Der nicht nur reiten,<br />

sonDern auch<br />

reDen konnte.<br />

immer wieDer gern<br />

zitiert: „wer wirD<br />

schon mitten<br />

im fluss Das PferD<br />

wechseln?”<br />

ALEXA KAROLINSKI: Ich habe mir gestern Ihren Film<br />

ansehen können …<br />

DANIEL DAY-LEWIS: Ein schönes Aufnahmegerät<br />

haben Sie da. Ziemlich beeindruckend.<br />

KAROLINSKI: Wie aus einem Science-Fiction-<br />

Film, nicht wahr?<br />

STEVEN SPIELBERG: Es sieht aus wie eine große<br />

Batterie.<br />

DAY-LEWIS: Was macht man damit? Industriespionage?<br />

KAROLINSKI: Ich würde eher sagen, Low-Budget-<br />

Filme. Jedenfalls habe ich mir gestern Ihren Film angesehen,<br />

aber nicht in einer Sondervorführung, sondern<br />

ganz regulär mit Publikum.<br />

SPIELBERG: Sehr gut. So muss man sich einen<br />

Film ansehen, mit Publikum.<br />

DAY-LEWIS: Und wie war es? Ich hoffe, gut.<br />

KAROLINSKI: Nun, da Lincoln keine Komödie ist,<br />

kann ich schlecht die Anzahl der Lacher als Maßstab<br />

nehmen, aber was man schon gleich zu Beginn des<br />

Films realisiert, ist, dass die Republikaner und Demokraten<br />

von damals so gar nicht dem Bild entsprechen,<br />

das man heute von ihnen hat – mir war das neu, weshalb<br />

ich mir auch ein bisschen dumm vorkam.<br />

SPIELBERG: Ja, die waren damals ganz anders,<br />

vollkommen anders.<br />

KAROLINSKI: Offenbar war ich nicht die Einzige,<br />

der das neu war, denn ich hörte plötzlich Leute im<br />

Publikum tuscheln: „Was? Ach, wirklich? Was hat das<br />

zu bedeuten?“<br />

SPIELBERG: Ah, das ist interessant …<br />

KAROLINSKI: Nun bin ich keine Amerikanerin,<br />

was keine Entschuldigung für meine Ahnungslosigkeit<br />

sein soll, aber es hat mich doch überrascht, dass<br />

das in dem langen Wahlkampf, den das Land hinter<br />

sich hat, nie Thema war. Dabei wurde in den Medien<br />

eigentlich jedes noch so kleine politische Detail immer<br />

wieder und wieder durchgekaut.<br />

SPIELBERG: Ja, die Republikaner waren die Partei<br />

der Abolitionisten, also für die Aufhebung der Sklaverei.<br />

Sie waren die progressive Partei. <strong>Die</strong> Demokraten<br />

hingegen waren die Konservativen. Wie Demokraten<br />

und Republikaner quasi die Rollen getauscht haben,<br />

ist eine ziemlich lange, langweilige und auch relativ<br />

komplizierte Geschichte. Das Wissen darüber ist heute<br />

nicht mehr so präsent. Andererseits kann ein Film<br />

nicht jedes historische Detail erklären. Wir dachten<br />

also, dass es eine Art Erweckung für das Publikum sei,<br />

wenn wir zeigen, dass die Parteien damals das Gegenteil<br />

von dem waren, was sie heute sind. Wir hofften,<br />

dass es auf die Geschichte neugierig machen würde.<br />

KAROLINSKI: In der ersten Szene des Films wirkt<br />

Lincoln wie ein Dokumentarfilm. Wenn der Soldat zu<br />

Lincoln spricht, sieht es zunächst so aus, als würde<br />

Fotos: Getty Images; 2012 Twentieth Century Fox<br />

40


jemand interviewt werden, für eine Dokumentation<br />

vielleicht oder eine Nachrichtensendung. Oder liege<br />

ich da falsch?<br />

Spielberg: Nein, nein, überhaupt nicht. Ich mag<br />

solche Interpretationen. <strong>Die</strong> sind wichtig, und ich will<br />

Ihnen diesen Eindruck auf keinen Fall nehmen. Wenn<br />

man darin etwas Dokumentarisches sieht, ist das für<br />

mich ein großes Kompliment. Es bedeutet ja, dass Sie<br />

die Inszenierung für derart authentisch halten, dass<br />

sie Sie zumindest bis zu einem gewissen Grad an etwas<br />

erinnert, was außerhalb des Kinos existiert.<br />

KarolinSKi: Wenn die Kamera dann langsam zurückfährt<br />

und Lincoln ins Bild rückt, merkt man, dass<br />

es Lincoln ist, mit dem der Soldat spricht. Das war<br />

der Moment, in dem der Film für mich richtig anfing,<br />

vorher war ich mir nicht so sicher, was … Ich kannte<br />

die Rede vorher auch nicht.<br />

Spielberg: Sie meinen die Gettysburg-Rede,<br />

nicht wahr?<br />

KarolinSKi: Ja, gleich die erste Szene.<br />

Spielberg: <strong>Die</strong> Rede ist ein wunderbares Stück<br />

Prosa. Denn Lincoln war nicht nur ein großer Politiker,<br />

sondern auch ein großer amerikanischer Autor.<br />

KarolinSKi: Wussten das die Soldaten, zu denen<br />

er sprach?<br />

porträts nino Muñoz<br />

“<br />

<strong>Die</strong> Republikaner<br />

waren für die Aufhebung<br />

der Sklaverei.<br />

Sie waren die<br />

pro gressive Partei.<br />

<strong>Die</strong> Demokraten<br />

hingegen waren die<br />

Konser vativen<br />

”<br />

– Steven Spielberg<br />

42<br />

Spielberg: Manche dürften es gewusst haben,<br />

denke ich. Oder was sagst du, Daniel?<br />

Day-lewiS: Zumindest gehörte es damals für jeden,<br />

der ein öffentliches Amt bekleidete, zum Alltag,<br />

vor Publikum Reden zu halten. Das war Teil des Jobs,<br />

entweder im Wahlkampf oder zu den üblichen Anlässen.<br />

Öffentliches Reden war eine Form der Unterhaltung.<br />

Jeder Politiker musste auch Rhetoriker sein.<br />

Manche von ihnen waren sogar extrem begabte Rhetoriker.<br />

Zum Beispiel der Mann, der vor Lincoln in Gettysburg<br />

sprach, ich glaube, er hieß Everett. Wenn ich<br />

mich nicht irre, war er der Direktor von Harvard. Er<br />

war der Hauptredner und einer der bekanntesten Rhetoriker<br />

des Landes. Angeblich soll seine Rede mehrere<br />

Stunden gedauert haben, und er hatte kein Manuskript<br />

(lacht). Sie haben tatsächlich ohne Notizen gesprochen.<br />

Spielberg: Und das zu Tausenden von Leuten.<br />

Day-lewiS: Dabei hat man Lincoln erst im letzten<br />

Moment eingeladen, ganz nach dem Motto: „Hm,<br />

vielleicht würde es nicht schaden, auch den Präsidenten<br />

dabeizuhaben.“ Also hat er sich in den Zug gesetzt<br />

und auf dem Weg nach Gettysburg ein paar Zeilen<br />

geschrieben. Dann stand er auf, fing an zu reden, und<br />

dann war es vorbei. Ich glaube, es dauerte …<br />

Spielberg: Es dauerte drei Minuten.<br />

Day-lewiS: Oder sogar noch kürzer. Viele Leute<br />

haben automatisch gedacht: Was war denn das? Sie<br />

hielten die Rede auch für nicht besonders wichtig,<br />

weil sie ja so kurz war. Andere Leute jedoch, und dazu<br />

zählte auch der Vorredner, erkannten die Tiefe und<br />

auch die Schönheit von Lincolns Worten. <strong>Die</strong> Zeitungen<br />

haben dann die Rede am nächsten Tag abgedruckt.<br />

Also hat jeder, der nicht dabei war, Lincolns<br />

Rede in der Zeitung oder auf Flugblättern gelesen.<br />

Zeitungen und Flugblätter waren damals die wichtigsten<br />

Medien, was Nachrichten anging. Und das<br />

betraf auch die Leute, die bei der Rede anwesend waren<br />

– die meisten haben nämlich kein Wort von dem<br />

verstanden, was Lincoln sagte. <strong>Die</strong> Menschenmenge<br />

war riesig, Lautsprecher gab es noch nicht, und die<br />

Möglichkeiten der Stimme sind bekanntlich begrenzt.<br />

Heute gilt die Rede als das größte literarische Werk,<br />

das dieses Land hervorgebracht hat.<br />

KarolinSKi: Ist das so?<br />

Day-lewiS: Ja. Seine Antrittsrede ist ebenso bekannt:<br />

„<strong>Die</strong> mystischen Klänge der Erinnerung werden<br />

ertönen, wenn die besseren Engel der Natur sie wieder<br />

berühren“ – es gibt darin etliche Zeilen wie diese. William<br />

Seward, der Außenminister unter Lincoln, hatte<br />

die Urversion von Lincolns Rede geschrieben, von ihm<br />

stammen auch die meisten Ideen. Lincoln hat die Rede<br />

dann genommen, sie ein bisschen verändert und sich zu<br />

eigen gemacht. Man kann die Urversion und Lincolns<br />

Version nebeneinanderlegen und vergleichen, und siehe<br />

da: <strong>Die</strong> eine ist Poesie, und die andere ist (lacht) …<br />

Spielberg: Politik.<br />

Day-lewiS: Politik und Ideen. Man merkt, dass<br />

Lincoln ähnlich wie Churchill im Zweiten Weltkrieg<br />

ein ungeheures Talent für die englische Sprache hatte.<br />

Er sprach ebenso die gebildeten Leute an wie auch<br />

die Leute, die am Radio saßen. Sein Verständnis für<br />

Rhythmus und Sprache lässt sich im Kern auf Shakespeare<br />

zurückführen. Und auch Lincoln verstand es,<br />

mit seinen Reden eine einzigartige Verbindung zum<br />

Volk aufzubauen. Aber das hat wahrscheinlich alles<br />

gar nichts mit Ihrer Frage zu tun …<br />

Spielberg: Haha.<br />

KarolinSKi: Kein Problem, ehrlich gesagt kann ich<br />

mich schon gar nicht mehr an meine Frage erinnern.<br />

War das der Grund, warum Sie Lincoln spielen wollten?<br />

Fotos: Nino Muñoz/2012 Twentieth Century Fox<br />

PeoPle/Spielberg & Day-Lewis<br />

“<br />

Man merkt, dass<br />

lincoln ähnlich wie<br />

Churchill im Zweiten<br />

Weltkrieg ein<br />

ungeheures Talent für<br />

die englische Sprache<br />

hatte<br />

”<br />

– Daniel Day-Lewis<br />

43<br />

Day-Lewis: Was?<br />

KaroLinsKi: Der Umstand, dass er ein großer<br />

Redner und großartiger Dichter war?<br />

Day-Lewis: Nein. Ich meine, das waren selbstverständlich<br />

Qualitäten, die ihn für mich interessant<br />

gemacht haben, aber es gab da noch viele andere<br />

Dinge. Mein Interesse an ihm lässt sich nicht auf eine<br />

einzelne Eigenschaft reduzieren. Es war eher diese<br />

erstaunliche Ansammlung von Eigenschaften, die sich<br />

in dieser einen Person vereinigt haben. Was mich angesprochen<br />

hat, war der Mann an sich.<br />

KaroLinsKi: Und der Mann war äußerst kompliziert.<br />

Mir scheint, dass es heute in der Politik für<br />

komplexe Persönlichkeiten wie Lincoln keinen Platz<br />

mehr gibt. <strong>Die</strong> Öffentlichkeit scheint für solche<br />

Persönlichkeiten keine Geduld zu haben, vielleicht<br />

sind es auch die Medien, denen die Geduld fehlt. Es<br />

scheint, als wollten wir alles verstehen und alles über<br />

die Leute, die uns repräsentieren, wissen, was ziemlich<br />

traurig ist. Und Widersprüche scheinen wir dabei<br />

nicht zu dulden.<br />

spieLberg: Ja, das ist es, wie wahr.<br />

Day-Lewis: Ja, es ist genau so, wie Sie gesagt haben.<br />

Es ist nicht so, dass die Menschen heute weniger<br />

komplex wären. Es ist eher so, dass die Medien die<br />

Neigung haben, alles zu vereinfachen und auf einen<br />

scheinbaren Kern zu reduzieren, weil die Geschichten<br />

sich angeblich besser verkaufen, wenn sie klar sind<br />

und widerspruchsfrei. Meist wird es mit der Vereinfachung<br />

und der Klarheit derart übertrieben, dass wir<br />

in die Irre geführt werden, weil man uns nicht die<br />

ganze Geschichte erzählt. Und so bekommen wir Bilder<br />

statt der Wahrheit vorgesetzt, inszenierte Bilder.<br />

spieLberg: Dabei sind auch die heutigen Politiker<br />

im Senat, im Repräsentantenhaus und auch im<br />

Präsidentenamt unendlich kompliziert. Nur werden<br />

sie uns nicht so präsentiert.<br />

Day-Lewis: Es ist ein verknappender Prozess.<br />

Oft preisen Medien zum Beispiel <strong>Interview</strong>s an, die<br />

so ausführlich und tief gehend sein sollen, dass sie<br />

der Persönlichkeit auf den Grund gehen, aber das ist<br />

Quatsch. Man kann eine Person nicht im Zuge eines<br />

einzigen <strong>Interview</strong>s erklären, auch nicht mit zehn oder<br />

zwanzig. Aber oft glauben wir, dass wir dadurch zu<br />

einem tieferen Verständnis für eine Person kommen<br />

oder durch Analysen auf CNN oder die erklärenden<br />

Worte eines Nachrichtensprechers. Aber so ausführlich<br />

die Berichterstattung zu sein scheint, bleibt sie<br />

verknappt. Weil es immer schnell gehen muss und zu<br />

ein paar Kernpunkten zusammenfassbar, mit denen<br />

man dann ein wenig herumspielt.<br />

KaroLinsKi: Wir haben jetzt nur noch für eine<br />

letzte Frage Zeit.<br />

spieLberg: Shocking!<br />

KaroLinsKi: In der Tat.<br />

Day-Lewis: Um beim Thema zu bleiben: Stellen Sie<br />

uns doch bitte eine besonders tief gehende Frage! (lacht)<br />

KaroLinsKi: Ich wollte Sie eigentlich fragen, was<br />

Sie gern mal gefragt werden würden.<br />

spieLberg: Das ist süß von Ihnen. Aber zu diesem<br />

Film sind uns tatsächlich jede Menge guter Fragen gestellt<br />

worden. Stattdessen würde ich gerne noch einen<br />

Gedanken zu dem Verhältnis von Kino und Geschichte<br />

loswerden. Denn Filme sind heute für die ganz jungen<br />

Leute oft der einzige Zugang zu unserer Geschichte.<br />

In dieser Hinsicht haben wir eine gewisse Verantwortung.<br />

<strong>Die</strong> Verantwortung ist es, historisch so genau<br />

wie möglich zu bleiben. Andererseits lässt sich eine<br />

Interpretation unsererseits nicht vermeiden. Es gab zu<br />

Lincolns Zeit keine Aufnahmegeräte, und selbst seine<br />

beiden Sekretäre haben nicht jedes einzelne Wort<br />

von ihm aufgezeichnet. Also hatten wir eine Menge<br />

Spielraum, einen Spielraum, den unser Drehbuchautor<br />

Tony Kushner und die Lincoln­Biografin Doris<br />

Kearns Goodwin gewiss nicht hatten. Tony Kushner<br />

musste sich dazu die Sprache des 19. Jahrhunderts aneignen<br />

und die Leerstellen mit Leben füllen, sodass sie<br />

die historischen Fakten tragen. Kunst und Geschichte<br />

sind zwei zögerliche Bettgesellen, aber ohne die Arbeit<br />

von Historikern und Autoren hätten wir Lincoln nicht<br />

zum Leben erwecken können.<br />

KaroLinsKi: Ich befürchte, man will, dass wir das<br />

Gespräch jetzt beenden. Vielen Dank für Ihre Zeit.<br />

spieLberg: Wir danken Ihnen. Und viel Erfolg<br />

mit Ihrem Magazin. Ich hörte, es ist erst ein Jahr alt.<br />

KaroLinsKi: Danke, aber ich arbeite eigentlich<br />

gar nicht für <strong>Interview</strong>. Ich bin Filmemacherin.<br />

spieLberg: Deswegen haben Sie in der Anfangsszene<br />

etwas Dokumentarisches gesehen.<br />

KaroLinsKi: Kann sein.<br />

spieLberg: Doch, bestimmt. Sie sehen Filme anders.<br />

LINCOLN sTarTeT aM 24. JanUar


pEoplE<br />

Porträt (linke Seite): Francesco Carrozzini/Trunk Archive; Foto (rechte Seite): Shirin Neshat, Rapture, 1999, Production Still, Copyright Shirin Neshat, Courtesy Gladstone Gallery, New York and Brussels<br />

Shirin<br />

NESHAT<br />

Es lag nicht nur am<br />

Wodka, den die<br />

iranische Künstlerin<br />

und Filmemacherin<br />

SHiriN NESHAT<br />

mit dem diesjährigen<br />

Jurypräsidenten der<br />

Berlinale, Wong Kar<br />

Wai, trank. Für<br />

Festivalleiter <strong>Die</strong>ter<br />

Kosslick war es leicht,<br />

sie zu überzeugen,<br />

Mitglied der Jury zu<br />

werden, denn diese<br />

Frau liebt den Film.<br />

Ein Gespräch über<br />

Kopftücher, revolutionen<br />

und die Kraft<br />

der Kunst<br />

von<br />

evA Munz<br />

porträt<br />

FrAnceSco<br />

cArrozzInI<br />

IntervIew: Sie sind ziemlich umtriebig, Sie machen<br />

Filme, Fotos, Ausstellungen und fliegen im Februar<br />

nach Berlin, um in der Jury der Berlinale zu sitzen. Womit<br />

vertreiben Sie sich gerade die Zeit?<br />

ShIrIn neShat: Gerade schneide ich ein Video,<br />

das ich mit Natalie Portman gedreht<br />

habe, anschließend wende ich mich<br />

wieder meinen Fotoarbeiten zu, die<br />

sich mit etwas ganz anderem beschäftigen,<br />

und dann bereite ich noch einen<br />

neuen Spielfilm vor. Ich weiß gar nicht<br />

mehr, wie das geht, nur eine Sache zu<br />

machen. Ich kenne aber auch kaum<br />

Leute, die nur – sagen wir mal – Autoren<br />

sind. Ich mag diese Abwechslung.<br />

IntervIew: Was ist das für ein Video<br />

mit Natalie Portman?<br />

neShat: Es ist eine Videoinstallation<br />

für Dior mit dem Titel Through<br />

The Abyss. Kein Werbefilm, sondern ein kurzer, circa<br />

zehnminütiger Fast-Stummfilm. Eine Arbeit zwischen<br />

Traum, Fantasie und Fiktion mit einer Frau, die<br />

einen Nervenzusammenbruch erleidet.<br />

IntervIew: Was hoffentlich nicht Ihren derzeitigen<br />

Gemütszustand beschreibt. Was reizt Sie an der<br />

Juryarbeit?<br />

45<br />

RaptuRe, ShIrIn neShat, 1999<br />

*DarIuS KhonDjI<br />

Als Kind hat sich der<br />

Franko-Iraner verkleidet,<br />

um Filme mit Altersbeschränkung<br />

im<br />

Kino sehen zu können.<br />

Heute gehört er zu den<br />

bekanntesten Kameramännern:<br />

Delicatessen,<br />

Sieben, Evita oder The<br />

Beach – eine beeindruckende<br />

Liste.<br />

neShat: Irgendwie bin ich gerade auf dem Jury-<br />

Trip. Zuletzt war ich auf dem Doha Film Festival in<br />

der Jury. 2010 war ich Vorsitzende beim Filmfestival<br />

in Venedig. Und in Locarno und Abu Dhabi war ich<br />

auch Jurorin. Mir gefällt das. Aber Berlin ist ehrlich<br />

gesagt eine besondere Ehre.<br />

IntervIew: Wegen der Stadt oder<br />

des Festivals?<br />

neShat: Ich liebe Berlin. Für meinen<br />

Film Women Without Men habe ich<br />

mit deutschen und französischen Produzenten<br />

zusammengearbeitet, und<br />

wir haben zum Beispiel die Postproduktion<br />

in Berlin gemacht. Ich habe<br />

also viel Zeit in der Stadt verbracht,<br />

habe es aber nie auf das Festival geschafft.<br />

Allerdings kenne ich den diesjährigen<br />

Juryvorsitzenden Wong Kar<br />

Wai ganz gut.<br />

IntervIew: Haben Sie ihn bei einem der Festivals<br />

kennengelernt?<br />

neShat: Nein, mein Freund, der Kameramann<br />

Darius Khondji*, hat uns hier in New York vorgestellt.<br />

Er hat mit Wong Kar Wai My Blueberry Nights<br />

gedreht, und die beiden waren oft bei uns zu Besuch.<br />

Er ist so ein verrückter Typ. Sie haben nonstop diesen


PeoPle/Shirin Neshat<br />

*asghar farhadI<br />

Der iranische Drehbuchautor<br />

und Regisseur<br />

gehört laut Time<br />

Magazine zu den einflussreichsten<br />

Menschen<br />

2012. Mit seinen<br />

politischen Filmen<br />

gewann er einen Oscar<br />

– der erste Oscar für<br />

einen Iraner – und den<br />

Goldenen Bären der<br />

Berlinale.<br />

chinesischen Wodka getrunken,<br />

als gäbe es kein<br />

Morgen. Wir mussten sie<br />

irgendwann rauswerfen,<br />

sonst hätte das kein Ende<br />

genommen. Richtige Party-Monster,<br />

die beiden lieben<br />

es einfach, zu feiern.<br />

IntervIew: Also hat<br />

Wong Kar Wai Sie gefragt,<br />

ob Sie mit in der<br />

Jury sitzen möchten?<br />

neshat: Nein, das<br />

war <strong>Die</strong>ter (Kosslick), der<br />

Direktor des Festivals. <strong>Die</strong> suchen vermutlich nach<br />

Leuten aus möglichst unterschiedlichen Kulturen und<br />

Bereichen, um möglichst nuancierte Stimmen im Festival<br />

zu haben. Ich hoffe, diesmal wird auch wieder<br />

eine Reihe starker Filme aus dem Iran oder dem Nahen<br />

Osten dabei sein. 2011 lief ja Asghar Farhadis* Nader<br />

und Simin. Man muss sagen, der Iran war in den letzten<br />

zwei Jahrzehnten recht stark im Kino vertreten.<br />

IntervIew: Ja, man denke etwa an die Regisseure<br />

des Makhmalbaf-Clans* oder Abbas Kiarostami.<br />

neshat: Heute ist übrigens Jafar Panahis Film<br />

This Is Not A Film in die Shortlist der Oscars für den<br />

besten Dokumentarfilm aufgenommen worden.<br />

IntervIew: Viele sehr gute internationale Filme<br />

entstehen in Ländern mit schwierigen politischen Situationen.<br />

Man könnte fast auf die Idee kommen, die<br />

Zensur würde zu besseren Filmen führen.<br />

neshat: Darüber habe ich kürzlich auch mit meinem<br />

Mann Shoja (Azari) diskutiert, der ist ja ebenfalls<br />

Filmemacher und Iraner. Man sollte da sehr vorsichtig<br />

sein und Unterdrückung und Diktatur bloß nicht<br />

für gute Kunst verantwortlich machen. Es ist aber oft<br />

so, dass Künstler mit schwierigen Lebensumständen<br />

mehr zu erzählen haben. <strong>Die</strong>se Künstler erleben etwas<br />

sehr Unmittelbares, Persönliches, Dringendes<br />

und Ehrliches. Persönliches Leiden ist immer ein guter<br />

Impuls, etwas zu erzählen. Nehmen wir Jafar Panahi<br />

beispielsweise. Er wurde 2010 zu einer Haftstrafe<br />

verurteilt und erhielt ein Berufsverbot für 20 Jahre.<br />

Und dann veröffentlicht er This Is Not A Film, über<br />

sich selbst, eingesperrt in seiner Wohnung, und darüber,<br />

wie er sich vorstellt, einen Film zu machen. Ich<br />

finde, das ist brillant. Niemand hätte das so erfinden<br />

können.<br />

IntervIew: Man muss sagen, das kulturelle Erbe<br />

hat die zeitgenössische Kunst im Iran sehr beeinflusst.<br />

neshat: Wir Iraner sind als Volk und Kultur zerrissen.<br />

Einerseits gibt es diese grausame Unterdrückung<br />

in der modernen Geschichte des Landes, eine<br />

entsetzliche Regierung nach der anderen, religiöse<br />

Fanatiker, den Schah, Korruption. Und gleichzeitig<br />

sind wir zutiefst unserer Poesie, dem Mystizismus, der<br />

Philosophie und Musik verbunden. Und deswegen<br />

antworten Iraner auf Schmerz mit Poesie.<br />

IntervIew: Der iranische Film ist<br />

ein Zeugnis für die Überlebenskraft<br />

der Kunst.<br />

neshat: Man kann die Imagination<br />

der Menschen nicht unterbinden.<br />

Gedanken sind frei. Du kannst jemanden<br />

festnehmen, aber du kannst ihm<br />

nicht vorschreiben, was er denken soll.<br />

So stellt Kultur immer auch eine große<br />

Bedrohung dar. Ich war gerade in<br />

Ägypten und habe an der American<br />

*MakhMalbaf-<br />

Clan<br />

Fünf Regisseure brachte<br />

diese iranische Familie<br />

hervor, vier davon<br />

weiblich. Vater Mohsens<br />

Filme wurden in<br />

über 40 Ländern gezeigt,<br />

Tochter Samira<br />

ist bisher jüngste Teilnehmerin<br />

von Cannes.<br />

Sie lebt im Exil in Paris.<br />

SpeechleSS, shIrIn neshat, 1996<br />

University in Kairo mit jungen Künstlern gesprochen,<br />

da kamen wir zu dem Schluss, dass uns am Ende<br />

nur die Kunst retten kann.<br />

IntervIew: Aber oft sind die Filme, die auf internationalen<br />

Festivals hochgelobt werden, im Ursprungsland<br />

nicht sonderlich populär. Ende der 90er-<br />

Jahre zum Beispiel fanden die meisten Leute in<br />

Hongkong Wong Kar Wais Filme eher langweilig.<br />

neshat: Er ist natürlich ein komplett unchinesischer<br />

Filmemacher. Stilistisch ist er international, seine<br />

Fans in Hongkong sind wahrscheinlich eher Intellektuelle.<br />

Dasselbe gilt für den Iran. Abbas Kiarostami<br />

etwa zeigt seine Filme nicht im Iran.<br />

IntervIew: Weil er seine Filme nicht im Iran zeigen<br />

darf.<br />

neshat: Erstens darf er nicht, und zweitens ist<br />

seine Arbeit ein bisschen zu konzeptuell. Asghar Farhadi<br />

dagegen macht Filme, die sowohl im Iran als<br />

auch außerhalb gezeigt werden. Sie sind beim Publikum<br />

und bei den Kritikern erfolgreich. Das ist sehr<br />

ungewöhnlich. Und seine Filme können trotzdem als<br />

eine Art Protest gesehen werden.<br />

IntervIew: Was hat er anders gemacht?<br />

neshat: Er hat nicht den Zeigefinger erhoben,<br />

und trotzdem sind seine Filme Alles über Elly und Nader<br />

und Simin sehr kritisch und subversiv. In Elly geht<br />

es zum Beispiel um die Heuchelei und wie wir gelernt<br />

haben, ständig zu lügen, weil die Umstände uns dazu<br />

zwingen.<br />

IntervIew: Wenn man im Iran ist,<br />

ist es oft unklar, ob man gerade etwas<br />

Illegales tut, egal ob man auf eine Party<br />

geht oder zu einer Galerieeröffnung.<br />

neshat: Aber die Leute haben<br />

sich an diese Uneindeutigkeit gewöhnt.<br />

Im Ausland kann man nur<br />

schwer verstehen, wie die Iraner ihren<br />

Alltag organisieren. Auf Partys macht<br />

man sich über diejenigen lustig, die<br />

noch nie im Gefängnis waren. Das ist<br />

schwer zu verstehen, wenn man nie da<br />

war.<br />

46<br />

IntervIew: Wann waren Sie das letzte Mal im<br />

Iran?<br />

neshat: 1996.<br />

IntervIew: Dürfen Sie nicht einreisen?<br />

neshat: Doch, die USA sind für mich eher ein<br />

selbst auferlegtes Exil. Ich arbeite gerade oft in Marokko<br />

und in Ägypten. Ich habe kein brennendes Verlangen,<br />

in den Iran zu reisen.<br />

IntervIew: 2009 haben Sie den Silbernen Löwen<br />

in Venedig für Women Without Men gewonnen. Ihre<br />

Adaption einer sehr populären Novelle ist ein seltsam<br />

prophetischer Film. Er spielt etwa 1953, während des<br />

CIA-Putsches gegen Mossadegh. Und als er fertig<br />

wurde, war die Grüne Revolution im Iran im Gange.<br />

neshat: Der Film ist, wie das Buch, hoch stilisiert,<br />

poetisch und gleichzeitig doch politisch. Ich<br />

wollte einen Film machen, der zu den Iranern spricht,<br />

der verständlich ist. Der Durchschnittsiraner hat<br />

Angst, Kunst nicht zu verstehen. Man muss leider sagen,<br />

dass der Film nur durch den Handel von Raubkopien<br />

im Iran so populär werden konnte. Doch so<br />

kennen zumindest mehr Leute meinen Spielfilm als<br />

meine Kunst. Er konnte kein Kassenhit werden, aber<br />

er hat seine Erfüllung gefunden, vielleicht auch mehr.<br />

IntervIew: Wenn ich mir ansehe, was in Ägypten<br />

und dem Nahen Osten in den letzten beiden Jahren<br />

passiert ist, frage ich mich, warum es den Iranern mit<br />

ihrer Grünen Revolution nicht gelungen ist, die Regierung<br />

zu stürzen.<br />

neshat: Ich war auch enttäuscht. <strong>Die</strong>se Energie<br />

war so inspirierend. Ein bisschen war es wie in Ägypten,<br />

wo wir nun warten, was als Nächstes passiert. Im<br />

Iran sitzen seit den Protesten 2009 Tausende in den<br />

Gefängnissen. Aber das System beginnt, sich allmählich<br />

selbst zu zerstören. Ahmadinedschad wird frecher,<br />

weil er weiß, dass er bald gehen muss. Und am<br />

Ende hat Ali Khamenei die totale Macht. Er ist nie<br />

gewählt worden, er ist das wirkliche Problem.<br />

IntervIew: Würden Sie in den Iran zurückgehen,<br />

wenn die Mullahs nicht mehr an der Macht wären?<br />

Wäre es nicht aufregend für Sie, Teil eines neuen Iran<br />

zu sein?<br />

neshat: Absolut. Das ist auch ein Teil meiner<br />

Motivation, jetzt Zeit in Ägypten zu verbringen. Es ist<br />

aufregend, eine Gesellschaft zu erleben, die Geschichte<br />

schreibt. <strong>Die</strong>se Unsicherheit darüber, wie es<br />

ausgehen wird, ist natürlich auch beängstigend. Ich<br />

hoffe inständig, dass die Muslimbruderschaft das<br />

Land nicht in ein zweites Iran verwandeln wird.<br />

IntervIew: Waren Sie auch am Tahrir-Platz?<br />

neshat: Mehrmals. Ich war kürzlich mit meiner<br />

Freundin Ghada Amer auf einer riesengroßen Demonstration,<br />

sie ist eine der bekanntesten ägyptischen<br />

Künstlerinnen hier in New York. Ich war ein wenig<br />

nervös, weil ich nicht verschleiert war, anders als die<br />

meisten Frauen dort, also habe ich mir einen Schal<br />

umgebunden. Ghada war total wütend auf mich. Sie<br />

fand, mit dem Tragen des Kopftuchs würde ich mich<br />

der Bruderschaft beugen. Wenn ich in ein muslimisches<br />

Land reise, trage ich aus Respekt ein Kopftuch.<br />

Aber Ghada wollte deutlich machen, dass Religiosität<br />

freiwillig ist und dass man in einer Demokratie nicht<br />

dazu gezwungen werden soll. Sie hatte natürlich völlig<br />

recht.<br />

IntervIew: Aber Sie sind Muslimin.<br />

neshat: Ja, ja, ich habe ehrlich gesagt kein Problem<br />

mit dem Kopftuch, mir gefällt es sogar, aber jede<br />

Frau sollte selbst entscheiden, ob sie eines trägt.<br />

IntervIew: Worum geht es eigentlich in Ihrem<br />

neuen Spielfilmprojekt?<br />

Fotos: Shirin Neshat, Speechless, 1996, RC print and ink, Copyright Shirin Neshat, Courtesy Gladstone Gallery, New York and Brussels; Shirin Neshat, Feature Film Still, Women Without Men, 2009, Copyright Shirin Neshat, Courtesy Gladstone Gallery, New York and Brussels<br />

Neshat: Meine neueste Obsession gilt Umm Kulthum.<br />

INtervIew: Der berühmten ägyptischen Sängerin.<br />

Neshat: Ja, sie verkörpert einfach alles, was mich<br />

interessiert. Sie ist eine Frau, sie ist Künstlerin, und<br />

ihre Karriere war eng mit den politischen Entwicklungen<br />

ihres Heimatlandes verbunden. Sie stammt<br />

aus einer einfachen Nahost-Familie, ihr Vater war<br />

Imam in einer Provinzmoschee, und sie musste sich,<br />

bis sie 18 war, als Junge verkleiden, wenn sie in der<br />

Öffentlichkeit auftrat, weil es für Frauen nicht erlaubt<br />

war, zu singen. Doch irgendwann erregte ihre außergewöhnliche<br />

Stimme Aufmerksamkeit.<br />

INtervIew: Sie hatte diese tiefe Altstimme.<br />

Neshat: Im Laufe ihres Lebens freundete sie sich<br />

mit König Faruk und der Monarchie an und wurde zu<br />

einer ausgesprochenen Nationalistin. Während des<br />

Krieges mit Israel ging sie auf Tournee, um Geld für<br />

die ägyptische Armee zu sammeln. Am absoluten Höhepunkt<br />

ihrer Karriere starb sie dann. Sie war eine<br />

muslimische Frau, die Erfolg hatte in einer Gesellschaft,<br />

in der es Frauen untersagt war, populär zu<br />

werden. Sie konnte Menschenmengen sogar in einen<br />

Zustand der Ekstase versetzen, sie konnte sie manipulieren.<br />

Mich interessiert weniger ihr persönliches<br />

Leben, sondern wie es ihr gelang, mit ihrem Gesang<br />

szeNe aus shIrIN Neshats FIlm Women Without men, 2009<br />

“<br />

Man kann<br />

die Imagination der<br />

Menschen nicht<br />

unterbinden.<br />

Gedanken sind frei.<br />

Du kannst jemanden<br />

festnehmen, aber<br />

du kannst ihm nicht<br />

vorschreiben,<br />

”<br />

was er denken soll<br />

– Shirin Neshat<br />

47<br />

so eine unglaubliche Macht auf ein Volk auszuüben.<br />

Man erzählt sich, dass eine einfache Veränderung ihrer<br />

Tonlage Menschen willenlos machen konnte.<br />

INtervIew: Hätten Sie als Künstlerin gerne eine<br />

ähnliche Macht?<br />

Neshat: Künstler heute verstecken sich doch<br />

meist hinter ihrer Kunst. Wir haben gar keine unmittelbare<br />

Verbindung zu dem Publikum mehr. Umm<br />

Kulthum gilt als die bedeutendste Künstlerin der<br />

muslimischen Welt des 20. Jahrhunderts. Und das als<br />

Frau, das ist doch phänomenal! Und dabei war sie<br />

kein Objekt der Begierde, was man als erfolgreiche<br />

Sängerin heute ja quasi schon automatisch wird.<br />

INtervIew: Ich bin sehr gespannt auf den Film.


WOW!<br />

MENAGERIE MIT<br />

KRISTALLEN, BRILLANTEN<br />

UND PERLMUTT<br />

1<br />

WOW!<br />

IN DIESER COLLAGE ENTHALTEN:<br />

TOPASE, BLAUE DIAMANTEN,<br />

BLAUE SAPHIRE UND<br />

SWAROVSKI-KRISTALLE<br />

PINK FLAMINGO<br />

Kommen ja sonst nur<br />

in Scharen vor, hier dagegen<br />

im Zweierpaar.<br />

Flamingo-Ohrringe mit<br />

Kristallen von Swarovski.<br />

Gibt es auch als Kette.<br />

AMAZONE MIT RAUTENBRUST UND PAPIERSCHWEIF: ISABELLE WEINGARTEN, 1973<br />

HAARE WIE LACKIERT, HAUT WIE TRANSPARENTES PAPIER –<br />

EIN VISIONÄR BLICKT ZURÜCK<br />

Bereits zu Beginn der 60er-Jahre arbeitete Serge Lutens für die französische Vogue, entwickelte Farb- und Bildvisionen für Christian Dior und drehte bald darauf<br />

seinen ersten Kurzfilm Les Stars. International bekannt wurde er durch seine Arbeit für den japanischen Kosmetikkonzern Shiseido. Über zwei Jahrzehnte hinweg<br />

prägte er den visuellen Stil des Hauses. Mit Fotografien von fantasievollen Geschöpfen – mit Haaren wie auf den Kopf lackiert, die Haut weiß wie transparentes Papier<br />

und das Make-up traditionell japanisch. Keiner prägte den Look einer Marke so wie er. In seinem Buch Berlin à Paris zeigt er 176 bislang unver öffentlichte Arbeiten<br />

von 1967 bis 2008 und gewährt so Einblick in seine komplexe Ideenwelt. Heute lebt der 70-Jährige hauptsächlich in Marokko und entwickelt unter seinem Namen so<br />

abstrakte wie spannende Duftkonzepte. Auch eine Art, seine Kreativität auszuleben.<br />

48<br />

Fotos: Serge Lutens; Swarovski; Shourouk/net-a-porter.com; Hermès; Patrik Muff; Sabrina Dehoff; Ippolita/net-a-porter.com (2), Tiffany&Co. (3), Cada (2), Sabrina Dehoff (6), Chanel Haute Joaillerie (2), Louis Vuitton (3), Pomellato (2), Swarovski (3); Courtesy of L’wren Scott; Crocodile Original ® Robert George<br />

CANDY COLOURED<br />

EAGLE<br />

Das Wappentier,<br />

mal farbenfroh.<br />

Adler-Manschette<br />

mit mehrfarbigen<br />

Swarovski-Kristallen<br />

von Shourouk (über net-a-porter.com).<br />

SILVER BEAUTY<br />

Als er Pferdeköpfe<br />

schuf, hatte Gott<br />

gute Laune:<br />

Perfektion, Eleganz,<br />

Proportionen.<br />

Pferde-Ring<br />

in Silber von Hermès. Gibt es auch als<br />

Armband.<br />

A BUG’S LIFE<br />

Wie ein Blick durchs<br />

Makroobjektiv in die<br />

schillernde Welt der<br />

Insekten. Käferring in<br />

Weißgold mit ver-<br />

schiedenfarbigen Brillanten<br />

von Patrik Muff.<br />

GOLDEN BEE<br />

Bienenring aus vergoldetem<br />

Kupfer mit Perlmutt<br />

und Swarovski-Kristallen<br />

von Sabrina<br />

Dehoff. Sweet – nur<br />

Honig produziert<br />

dieser Ring leider nicht.<br />

KROKODILEhaben<br />

ein ein ein langes<br />

Leben<br />

Selbst für<br />

MÄNNER<br />

wie MICK<br />

geeignet<br />

Sie hat sich diesen für sein Alter<br />

sehr dürren Engländer als<br />

Be gleiter ausgesucht, dennoch<br />

ver bindet die Mode der Designerin<br />

L’Wren Scott das Monumentale mit dem<br />

Madamigen (Jerry Hall meets Bianca<br />

Jagger). Nun hat sie eine Sonnenbrillen linie<br />

entworfen: ornamental, glamourös,<br />

backstagegeeignet. Zur Jubiläums-Tour<br />

sollte sich Mick Jagger auf seinen flamboyanten<br />

Stil in den Siebzigern besinnen und<br />

sich eine Butterfly-Brille gönnen.<br />

Das bissige Temperament des Tennisspielers René Lacoste ist bekanntlich<br />

Ursprung des Logos, das 1.) eines der Ersten seiner Art war und<br />

2.) ein per se eher unsympathisches Reptil mit vorbildlichen<br />

Eigenschaften auflud: raffinierte Farb palette, Wasch-<br />

maschinenfestigkeit, Zeitlosigkeit. Als andere noch<br />

nach Schweiß rochen, war diese Firma<br />

schon chic. Happy Birthday.<br />

80<br />

49<br />

SCHMUCK<br />

für Könnerinnen<br />

Blau ist, ebenso wie Schwarz, die<br />

Farbe der Fehlervermeidung. Für<br />

jeden Hautton geeignet und meist<br />

universal diskret. Bei Schmuck allerdings,<br />

und nur um den geht es hier, ist<br />

diese Farbe etwas für Könnerinnen: Es<br />

fehlt die Signalwirkung des Rubins, der minimalistische<br />

Glanz des Diamanten oder auch, seit<br />

dem Erstarken der östlichen Luxusmärkte, die<br />

Pracht des Rotgolds. Wie aber Ringe und Halsketten<br />

mit gletscherblauen Steinen ihre eigene<br />

Kraft entwickeln, zeigen diese Glanzstücke aus<br />

den aktuellen Kollektionen. <strong>Die</strong> Assoziation, na<br />

klar: Grace Kelly. Eine Prinzessin zwar, aber mit<br />

stürmischer Vergangenheit in Hollywood.<br />

VON OBEN NACH UNTEN: mehrgliedrige<br />

Goldohrringe mit Topasen von IPPOLITA<br />

(über net-a-porter.com), rechteckige Ringe<br />

mit Diamanten von TIFFANY & CO., mehrreihige<br />

Ohrringe mit blauen Saphiren von<br />

CADA, vergoldete Armbänder mit<br />

Perlmutt (innen) und Ringe (außen) von<br />

SABRINA DEHOFF, Ketten mit Quaste aus<br />

Diamanten und Saphiren von CHANEL HAUTE<br />

JOAILLERIE, Ring mit weißen und grauen<br />

Diamanten von LOUIS VUITTON, Roségold-Ringe<br />

mit pinken Saphiren und blauen Topasen von<br />

POMELLATO, Kette mit Kristallen von SWAROVSKI,<br />

mehrgliedrige Ohrringe mit Diamanten und<br />

rechteckigen Saphiren von LOUIS VUITTON,<br />

vergoldete Armbänder mit Perlmutt von<br />

SABRINA DEHOFF, Ring im Insekten-Design mit<br />

Kristallen von SWAROVSKI


2<br />

RETROMANIA.<br />

DINGE VON GESTERN<br />

FÜR HEUTE<br />

BUTTER<br />

Ganze Generationen von<br />

Menschen verderben sich stoisch mit Margarine<br />

das tägliche Frühstück und geben zu<br />

jedem erdenklichen Gericht einen überflüssigen<br />

Schuss Olivenöl hinzu. Dabei ist, wie wir<br />

jetzt wissen, Butter die Zutat, die wirklich<br />

Gutes tut. Wie ein bis dato völlig unbekannter<br />

Food- & Gesundheitsblogger namens<br />

Jake in einem einmonatigen Selbstversuch<br />

herausgefunden hat, kommt man zu den<br />

besten Resultaten (visuell, sexuell, spirituell),<br />

wenn man täglich ein halbes Pfund frischer<br />

Butter verzehrt. Vorzugsweise rührt man<br />

sie sich beim Kochen in die Pfanne, was übrig<br />

bleibt, wird zwischendurch weggezuzelt.<br />

4711<br />

Seit wir wissen, dass man sich in Marokko<br />

und Umgebung nach der Mahlzeit mit<br />

einer Flüssigkeit die Hände einreibt,<br />

die in der Kopfnote nach Orangenöl<br />

und Zitrone riecht, gilt „Echt Kölnisch<br />

Wasser“ von 4711 in den<br />

Redaktionsräumen als der Duft,<br />

der wie kein Zweiter für Fernweh,<br />

Exotik und Leidenschaft<br />

steht. Unsere Urgroßmütter<br />

waren viel cooler, als wir dachten.<br />

KAPAUN<br />

Möglicherweise sprechen ethische Erwägungen<br />

dagegen, junge Hähne zu kastrieren,<br />

aber sie werden dann im Alter groß und fett<br />

und zart. Schon seit einiger Zeit erlebt der<br />

Kapaun ein Comeback. Höchste Zeit, die<br />

überschätzten Puten aus ihrem Gehege zu<br />

befreien.<br />

HOOLIGAN<br />

Eben war er noch ein süßer kleiner Junge<br />

im Schatten seiner närrischen Halbschwester<br />

Lourdes, heute sieht Rocco, 12, der<br />

Sohn von Madonna und Guy Ritchie, sehr<br />

vielversprechend wie ein angehender Hooligan<br />

aus (Foto). Seltsam interessant.<br />

KONJUNKTIV 1<br />

Unverzichtbar für Tagesschau-Sprecher und<br />

Sprachpedanten. Ein wenig sperrig in der<br />

Verwendung, aber man fühlt sich jedes Mal,<br />

als habe man Abitur.<br />

„THE GERMANS”<br />

Ein Magazin mit englischem Titel über die<br />

Deutschen – darauf können eigentlich nur<br />

Deutsche kommen. Der Ansatz wirkt ebenso<br />

spannend wie nostalgisch. Und ein Land,<br />

in dem für so etwas Energie, Zeit und<br />

Herzblut da ist, kann noch nicht ganz vom<br />

Gift der Effizienz zerfressen sein.<br />

Anschmiegsam<br />

und gut gelaunt<br />

Durch eine Skibrille gesehen, könnte<br />

man Willy Bogner einen modernen<br />

Renaissancemenschen nennen: Modemarkenchef,<br />

Filmproduzent und<br />

Action-Held. Einer Reihe von James-<br />

Bond-Filmen verpasste er mit den<br />

von ihm gefilmten Verfolgungsjagden<br />

auf Skipisten oder einer Bobbahn den<br />

erforderlichen Extraschuss Adrenalin,<br />

sein Film Feuer und Eis war Wegbereiter<br />

des Genres Action-Sport. Und<br />

die Mode? Wie der zum 80. Firmenjubiläum<br />

erschienene Bildband<br />

Bogner Moments 1932–2012 (teNeues)<br />

zeigt, wedelte sie elegant durch den<br />

Zeitgeist: <strong>Die</strong> schlichten Mäntel der<br />

Sechziger atmeten den Geist von<br />

Dior und Saint Laurent, in den Acht-<br />

zigern schienen sich Graffiti-Artists<br />

über die Funktionskleidung hergemacht<br />

zu haben. Man muss nicht mit<br />

jeder Daunenjacke einverstanden sein,<br />

aber der Entdeckergeist reißt mit.<br />

Ein Genie<br />

der Selbstvermarktung<br />

(und ein gar nicht so<br />

schlechter DJ): Der Designer<br />

Alexander Wang, in<br />

New York der einzige ernst zu<br />

nehmende Rivale von Marc Jacobs,<br />

wird nun Creative Director<br />

WOW!<br />

KLASSENBESTER:<br />

Alexander WANG<br />

50<br />

DEN GEIST VON DIOR IN DIE<br />

ALPEN TRANSFERIERT: BOGNER-MODE<br />

IN DEN SIEBZIGERN<br />

bei Balenciaga,<br />

hat also einen der<br />

trophy jobs der Modebranche<br />

ergattert. Nebenbei<br />

verstärkt er seine E-Commerce-<br />

Aktivitäten und stellte eine hübsche<br />

Minikollektion von Accessoires in<br />

seiner Lieblingsfarbe Grafitgrau zusammen<br />

(alexanderwang.com).<br />

ABGRUND UM<br />

DIE ECKE<br />

Es handelt sich hier nicht um die neue<br />

Kollektion eines jungen Berliner Labels.<br />

Sondern um Karnevalskostüme, die der<br />

Fotograf Axel Hoedt im Südwesten<br />

Deutschlands fand und in seinem Buch<br />

Einmal im Jahr (Steidl) dokumentiert.<br />

<strong>Die</strong> Serie kombiniert die konzeptionelle<br />

Sturheit der Becher-Schule mit einem<br />

Humor, der so trocken ist, dass Karnevalsskeptiker<br />

ihn kaum mit dem feuchtfröhlichen<br />

Getröte verbinden würden,<br />

wie man es aus öffentlich-rechtlichen<br />

Sondersendungen kennt. Es zeigt sich:<br />

Das Unheimliche und Abgründige lauert<br />

auch in Wilfingen, Kißlegg, Triberg.<br />

Also um die Ecke.<br />

Fotos: Photo © Willy Bogner GmbH & Co. KGaA, Bogner Moments 1932 - 2012, erschienen bei teNeues, www.teneues.com, 79,90 Euro; 4711; Alexander Wang Objects; Kevin Mazur/WireImage;<br />

Axel Hoedt, 2012, „Einmal im Jahr“, Steidl; Wilfried Petzi, 2012, ECM – Eine kulturelle Archäologie, Installationsansicht; Cartier; Saint Laurent Paris by Hedi Slimane; Cédric Viollet/www.olympialetan.com; PR Armani Parfums<br />

Gefällig NOSTALGISCH<br />

Es gab erhitzte Diskussionen, ob wir der französischen Modedesignerin<br />

Olympia Le-Tan auf diesen Seiten erneut ein Forum bieten wollen.<br />

Dann aber war es schlicht unmöglich, zu diesem Bild „Ach, lieber<br />

nicht“ zu sagen. Drei Mädchen, die möglicherweise den gleichen<br />

Friseur frequentieren wie einst Amy Winehouse. Das Machtgefüge<br />

in diesem Trio scheint noch nicht ganz geklärt. Wer von ihnen wird<br />

die neue Diana Ross oder Beyoncé? Welche wird sich vorschnell in<br />

Ehe oder Alkoholnebel zurückziehen? Mit diesen kleinen Rätseln<br />

wirbt Le-Tan für ihre Kollektion, die Taschen wie alte Bücher<br />

aus sehen lässt. Und Kleider im Stil der unsterblichen Supremes vor-<br />

schlägt. Gefällig nostalgisch, aber ungeheuer präzise.<br />

WOW!<br />

TONBÄNDER DES<br />

MÜNCHNER JAZZLABELS ECM<br />

51<br />

PANTHER-<br />

STYLE<br />

Wie man einer<br />

besonders eleganten<br />

Raubkatze immer<br />

wieder neue Variationen<br />

abgewinnt, zeigt Cartier<br />

mit seiner „Panthère“-<br />

Linie. <strong>Die</strong>se Ohrringe<br />

haben den Charme einer<br />

tödlichen Waffe.<br />

AUDIO-phil<br />

Wie das Foto aus dem Band ECM – Eine kulturelle<br />

Archäologie (Prestel) nahelegt, handelt es sich bei der<br />

Münchner Plattenfirma um den Suhrkamp Verlag<br />

unter den Jazzlabels. Geschmackvoll fließen die<br />

Grautöne ineinander, hier und da von einem kleinen<br />

Farbtupfer unterbrochen. Gegründet wurde ECM<br />

1969 und hat seither über tausend Alben herausgebracht.<br />

Zu den größten Erfolgen zählen etwa The<br />

Köln Concert von Keith Jarrett oder die Tonspur von<br />

Jean-Luc Godards Nouvelle Vague. Machte einen<br />

Godards filmisches Spätwerk meist einiger maßen<br />

ratlos, entwickelt es im Hörspielformat zumindest<br />

einen gewissen Reiz. Und weil Jazzmusiker nicht nur<br />

ständig musizieren, sondern mitunter auch fotografiert<br />

werden, bietet das Buch neben allerhand Plattencovern<br />

auch Topfotos von Keith Jarrett beim Tischtennis,<br />

vom Art Ensemble Of Chicago mit lustigen<br />

Papierhüten auf dem Kopf und von Carla Bley,<br />

die sich in den frühen Achtzigern als eine Art Olivia<br />

Newton-John des Free Jazz<br />

inszenierte.<br />

EIN WENIG<br />

geschraubt<br />

Ziemlich karg gibt sich der neue<br />

Schmuck von Saint Laurent by<br />

Hedi Slimane. <strong>Die</strong>ser Armreif zeigt,<br />

worum es dem neuen Creative<br />

Director Hedi Slimane geht:<br />

intellektuelle Eleganz.<br />

KATZEN WÜRDEN CARTIER<br />

KAUFEN: OHRRINGE<br />

AUS GELBGOLD<br />

MIT TSAVORIT-AUGEN<br />

Wie fühlt man sich als Gesicht von Armani?<br />

Sie sind in der Kampagne für den neuen Duft „Eau de Nuit“ von Armani. Wie ist es, sich<br />

auf riesigen Plakaten zu sehen? – Ich habe mich nie besonders hübsch gefühlt. Daran<br />

ändern auch die Plakate nichts. Ist das Ihr erster Auftritt als Model? – Ja, und der letzte.<br />

Ich habe das nur wegen Giorgio Armani gemacht. Was haben Sie bei dem Job<br />

gelernt? – Ich war neugierig, wie sich das anfühlen würde. Und wie mich Inez van<br />

Lamsweerde dirigieren würde. Sie arbeitet sehr intensiv mit den Menschen vor der<br />

Kamera. Was ich in meiner Rolle als Kampagnenmodel gelernt habe: Mach<br />

dich locker! Wobei viele Fotos von Helmut Newton darauf beruhen, dass sich das<br />

Model unwohl gefühlt hat. Ach so, und: Wie haben Sie Keith Richards für Ihre Porträts<br />

zum Lächeln gebracht? – I told him to make love to his guitar.<br />

HEUT MAL EIN MODEL: DER FOTOGRAF FRANCESCO CARROZZINI


WOW!<br />

DER NEUE<br />

MAKROTREND<br />

HEISST TEXTUR<br />

wow!<br />

Loretta MIRAGLIA<br />

erklärt, warum die Welt<br />

weicher wird<br />

„Wir haben lange an der Entwicklung einer neuen Textur gearbeitet. Nicht<br />

so schwer wie ,Crème de la Mer‘, nicht so leicht wie das Gel. Das Ergebnis ist<br />

die ,Soft Cream‘. Welches Produkt das richtige ist, hängt ab von deiner Haut,<br />

dem Klima, das dich umgibt, der Phase, die du gerade durchlebst. Wir haben<br />

immer mal Kummer oder Stress. Aber die Belastungen für die Psyche und<br />

die Haut sind heute extremer, als uns das überhaupt bewusst ist. Durch unser<br />

beschleunigtes Leben, aber auch durch das Essen, das Wasser, die Medikamente,<br />

die wir nehmen.<br />

Es gibt einen neuen Makrotrend in der Gesellschaft: Textur. Architektur,<br />

Wissenschaft und Design bemühen sich um Objekte und Materialien, die neue<br />

oder bisher unvereinbar scheinende Eigenschaften bieten: eine Art Stoffbeton,<br />

den man in jede Form bringen und dann mithilfe von Wasser verfestigen kann;<br />

Wandfarbe, die sich weich anfühlt und die Luft reinigt; schalldichte Vorhänge<br />

für Krankenhäuser. Wir gestalten unsere Welt mit leichteren, weicheren,<br />

flexibleren Materialien. Wir berühren ein Produkt, und deswegen berührt das<br />

Produkt uns. Wir sehen mit unseren Fingerspitzen.“<br />

Loretta Miraglia ist Senior Vice President of Corporate Creative<br />

Product Development and Innovation für Estée Lauder Companies<br />

Frisch aus dem<br />

GIFTSCHRANK<br />

Es ist nicht ganz klar, welche Botschaft<br />

dieses Bild vermitteln will: Joan Crawford<br />

als Knallcharge? Silvester mit einer Diva?<br />

Volkskrankheit Blähungen? Aber es sind ja<br />

oft die schrägen Inszenierungen, mit denen<br />

man die Herzen der Menschen erreicht. Der<br />

Bildband Hollywood Unseen – Filmstars hinter<br />

den Kulissen (Prestel) feiert selten gesehene<br />

Fotos aus der Glanzzeit Hollywoods: Greta<br />

Garbo mit einem Kapuzineräffchen, Boris Karloff<br />

in Frankensteinmaske mit einer Tasse Filterkaffee<br />

– die Bilder zeigen keine Stars in intimen Momenten,<br />

sondern vielmehr dass die Vermischung von<br />

Wirklichkeit und Fiktion ein viel älteres Thema ist, als<br />

wir heute glauben. Viele der Motive sind erfrischend gay:<br />

Randolph Scott und Cary Grant etwa posieren<br />

mit einem Me dizin ball und entblößtem Oberkörper<br />

– kein Wunder, dass so etwas lange im<br />

Giftschrank lagerte.<br />

Kaum vorstellbar, wie der Winter in<br />

Berlin zu ertragen wäre, würde er nicht<br />

durch die Filmfestspiele im Februar<br />

unterbrochen. Auf den roten Teppichen<br />

paradieren Hollywoodstars und<br />

lokale Prominenz, Berlinale-Chef<br />

<strong>Die</strong>ter Kosslick scheint überall<br />

gleichzeitig zu sein, das Angebot an<br />

Premieren, Partys, Abendessen ist<br />

kaum zu bewältigen. Einen Ort, an<br />

ENDLICH MAL NICHT TOTAL<br />

PRAKTISCH UND NICHT ZWINGEND<br />

FÜR FERNREISEN GEEIGNET.<br />

FÜR DIE SERIE OBJETS NOMADES<br />

VON LOUIS VUITTON ENTWARFEN<br />

GASTDESIGNER REIZENDE<br />

SCHRULLIGE ARTEFAKTE WIE<br />

DIESEN STRICK-HÄNGESTUHL<br />

ODER ETWA EINEN<br />

KLEIDERSACK AUS<br />

LEDERFLICKEN.<br />

dem man Atem holen, den Look für den Abend perfektionieren<br />

und ein paar wirklich interessante Menschen<br />

treffen konnte, gab es noch nicht: Deswegen richtet<br />

<strong>Interview</strong> vom 7. bis 11. Februar die All is pretty-Lounge im<br />

Soho House ein. Hier können sich von <strong>Interview</strong> geladene<br />

Gäste Make-up und Haare von Experten premierentauglich<br />

stylen lassen, ein passendes Outfit und den gen Schmuck wählen, nebenbei ein Glas Champagner (oder<br />

richti-<br />

Polish Mule) trinken und sich dann in einer Limousine<br />

zum nächsten Event chauffieren lassen. Partner bei diesem<br />

52<br />

Fliederleicht<br />

Der Berliner Modedesigner Kostas Murkudis hat sich mit dem<br />

Herren schneider Regent aus Weissenburg (Bayern) zusammengetan<br />

und stellt nun eine Capsule Collection für Frauen vor: gekonnte<br />

Schnitte mit gekonnten Regelbrüchen. High concept, aber unbe-<br />

schwert. Und eine Farbpalette wie ein ausgewaschener Fliederhain.<br />

INTERVIEW<br />

PRÄSENTIERT: DIE<br />

ALL IS PRETTY-LOUNGE<br />

All-inclusive-Service sind Mercedes-Benz, Tiffany, Wella<br />

Professional, MAC Cosmetics, Belvedere Vodka, das<br />

Mode label Kaviar Gauche sowie Moët & Chandon, dessen<br />

Berlinale-Edition hier zu sehen ist.<br />

<strong>Die</strong> 63. Internationalen Filmfestspiele Berlin finden<br />

vom 7. bis 17. Februar 2013 statt. Als Jurypräsidenten<br />

konnte man in diesem Jahr den Regisseur Wong Kar Wai<br />

gewinnen, der seinen Film The Grandmasters mitbringt,<br />

außerdem läuft im Wettbewerb u. a. Promised Land, das<br />

neue Werk von Gus Van Sant.<br />

Fotos: Joan Crawford, 1927, John Kobal Foundation; La Mer; Louis Vuitton; Jonas Lindström/Regent x Kostas Murkudis; Moët & Chandon ; ©LUCKY LAND COMMUNICATIONS – SHUEISHA<br />

… und das PFERD erfährt ein Upgrade zum Einhorn!<br />

Das italienische Modehaus Gucci erweist sich erneut als Virtuose in der Disziplin Cross-Branding. Creative Directrice Frida Giannini bat den japanischen Manga-<br />

Künstler Hirohiko Araki, die aktuelle Cruise Collection visuell umzusetzen. Das Ergebnis ist ebenso märchenhaft wie Gucci: Florale Muster, so weit das Auge reicht,<br />

eine erotomane Heldin mit grünen Fußnägeln und Haarteil, ein Begleiter mit aufreizend perfekter Frisur und Horsebit-Loafern – und das für die Marke derzeit<br />

unvermeidliche Pferd wurde zum Einhorn upgegradet. <strong>Die</strong> knallbunten Bilder schmücken seit 7. Januar die Schaufenster von weltweit 70 Gucci-Stores.<br />

53


Me, My jeans<br />

&I<br />

Fotos jonas LindströM<br />

Text Katharina BöhM<br />

Mode<br />

Ein DEnim-klassikEr wirD nEu<br />

intErprEtiErt. Ein paar<br />

hochintErEssantE mEnschEn<br />

zEigEn, wiE DiE DiEsEl saDDlE<br />

hEutE gEtragEn wirD<br />

wEitErE Fotos, looks unD intErviEws auF intErviEw.DE<br />

Timothy Palma, Autor<br />

Bei seinem Forschungsprojekt über Amerikaner in Europa fand der<br />

New Yorker verschollene Verwandte in Italien. „<strong>Die</strong> Begegnungen<br />

verarbeite ich in einem Essay mit dem Titel Cold Stue.“<br />

Carlos Trujillo, Stylist<br />

Carlos Trujillo kommt aus Ecuador und studiert zurzeit Fotografie in<br />

Berlin. Seine größte modische Inspirationsquelle ist seine Mutter. „Aber<br />

Róisin Murphy finde ich auch toll, die würde ich gern mal einkleiden.“<br />

Kate Miller, DJ<br />

<strong>Die</strong> Musikszene in Kate<br />

Millers Heimatstadt<br />

Melbourne ist zwar<br />

überraschend lebendig,<br />

aber, wie so oft, von<br />

Männer und solchen, die<br />

es werden wollen,<br />

dominiert. Also zog die<br />

22-Jährige ins durchlässigere<br />

Berlin und legt<br />

nun in Clubs wie dem<br />

Golden Gate oder dem<br />

Tresor auf. Wenn einer<br />

der Gäste lächelnd mit<br />

geschlossenen Augen<br />

auf der Tanzfläche wippt,<br />

ist sie zufrieden. Tagsüber<br />

besucht Kate eine<br />

Sprachschule und lernt<br />

Sätze, die man als<br />

DJ so braucht: „Ich hätte<br />

gerne einen Kaffee.<br />

Oder einen Jägermeister.“<br />

54<br />

styling carolinE lEmblé<br />

haare & make-up catrin krEyss<br />

casting ahmaD larnEs<br />

Foto-assistenz svEa pöstgEs<br />

Dank an DElight stuDios bErlin<br />

David Metcalfe, Model<br />

Er ist unter anderem für Lanvin und Dior Homme gelaufen<br />

und sieht aus wie dem Film This Is England entsprungen. Auf seinen<br />

linken Arm ließ er sich ein Porträt von Nietzsche tätowieren.<br />

55<br />

Gérald Friedrich Spelsberg, Kostümdesigner<br />

GFS erzählt ungern zu viel von sich, aber so viel sei verraten: Er mag<br />

Tiere. „Meiner Katze habe ich einmal ein komplettes Michael-<br />

Jackson-Outfit genäht, mit Hut und Stiefeln. Es stand ihr ausgezeichnet.“


Schuhe<br />

DiOr<br />

Jeans<br />

FrEEMAn T.pOrTEr<br />

Tasche<br />

EMpOriO ArMAni<br />

Handschuhe<br />

rOECKL<br />

Trenchcoat<br />

BUrBErrY prOrSUM<br />

Ohrringe<br />

DOLCE &<br />

gABBAnA<br />

Taschen<br />

ÉLOUiZE FÜr CHAingAng<br />

Armreife<br />

HErMÈS<br />

Kette<br />

CHAingAng<br />

Kette<br />

LOUiS VUiTTOn<br />

METALLiC, ExOTiSCH-OpULEnT,<br />

BEigE-vAriATiOnEn, SCHwArZ-wEiSS.<br />

viEr iDEEn, wiE SiE SiCH in DEn<br />

näCHSTEn wOCHEn SCHMÜCKEn,<br />

AUSSTATTEn UnD, nA jA:<br />

gLÜCKLiCH MACHEn KönnEn<br />

Spring!<br />

Schuhe<br />

DOLCE & gABBAnA<br />

Schuhe<br />

JiMMY CHOO<br />

Armreif<br />

MArJAnA VOn<br />

BErLEpSCH<br />

Fotos jonas lindström<br />

Styling Caroline lemblé<br />

Schuhe<br />

EMpOriO ArMAni<br />

Schuhe & Socken<br />

prADA<br />

Tasche<br />

DOLCE &<br />

gABBAnA<br />

Tasche<br />

BArBArA BUi<br />

Kleid<br />

rALpH LAUrEn


Tasche<br />

GIVENCHY<br />

Schuhe<br />

NAVYBOOT<br />

Strumpfhose<br />

ITEM M6<br />

Tasche<br />

GIORGIO ARMANI<br />

Kette<br />

(als Armband<br />

getragen)<br />

CHANEL<br />

Hut<br />

SAINT LAURENT<br />

BY HEDI SLIMANE<br />

Top & Rock<br />

FENDI<br />

Haare & Make-up MANUELA KOPP<br />

MIT PRODUKTEN VON KEVIN MURPHY<br />

& GIORGIO ARMANI COSMETICS<br />

Model MAIKE KLEIBER/SMC MODEL<br />

MANAGEMENT<br />

Foto-Assistenz PHILLIP KOLL<br />

Taschen<br />

SALVATORE FERRAGAMO<br />

Tasche<br />

TOD’S<br />

Schuhe<br />

BOTTEGA VENETA<br />

Tasche<br />

ALEXANDER<br />

McQUEEN<br />

Handschuhe<br />

KARL LAGERFELD<br />

VINTAGE<br />

Schuhe<br />

CHANEL<br />

Kleid<br />

BALLY<br />

Tasche<br />

DIOR<br />

Handschuhe<br />

ROECKL<br />

Schuhe<br />

JIL SANDER<br />

Armreif<br />

MARJANA<br />

VON<br />

BERLEPSCH<br />

Tasche<br />

PRADA


4 Looks<br />

für<br />

2k13<br />

Beauty<br />

2<br />

moschino<br />

dolls<br />

Laut Modekritiker Tim Blanks war Sharon Stones Look als Filmfigur Ginger McKenna<br />

(Casino) in dieser Saison bei gleich drei Schauen Vorbild fürs Make-up. Besonders<br />

ein deutig bei Moschino: rote Lippen, viel schwarzer Lidschatten, weißer Kajal und falsche<br />

Wimpern sorgen für riesige Puppenaugen. Um den Effekt noch dramatischer zu machen,<br />

werden die Augenbrauen dunkel nachgezogen.<br />

moschino<br />

3<br />

rick owens<br />

Fotos<br />

kevin tAchmAn<br />

cArlottA mAnAigo<br />

Ein fast schon neonfarbenes Rot: Betont durch die feine weiße Linie am Amorbogen überstrahlt es das ganze Gesicht. Doch auch alles<br />

zwischen Erdbeer und Granatapfel wird diesen Sommer zur Trendfarbe. Den Rest des Make-ups gilt es dabei auf ein Minimum zu<br />

reduzieren. Ein transparenter Teint, etwas Highlighter in den Augenwinkeln und in Form gebrachte Augenbrauen reichen völlig aus.<br />

60<br />

1<br />

statement<br />

Lips<br />

Prada<br />

Fotos: Kevin Tachman (6); Carlotta Manaigo (1)<br />

sehr beige<br />

Gesehen bei Jil Sander und Rick Owens. Für Sanders<br />

erste eigene Kollektion nach acht Jahren entschied<br />

sich Make-up-Artist Pat McGrath für Lippen<br />

und Au gen lider in derselben Farbe, eine Reminiszenz<br />

an Sanders 90er-Jahre. Den modernen Twist bewirken<br />

die mit Highlighter modellierten Wangenknochen.<br />

fendi<br />

Jil sander<br />

4Hellblauer<br />

eyeliner<br />

61<br />

fendi<br />

Make-up-Artist Peter Philips wollte für diese Schau<br />

unbedingt die Originalfarben der aktuellen Kollektion verwenden.<br />

Man nimmt ein Stück Stoff (in diesem Fall von<br />

einem Bade anzug), schneidet ihn in feine Streifen und klebt<br />

diese den Models auf das untere Augenlid.


BEAUty<br />

Kirschblüte, Reisöl und<br />

Koishimaru-Seide<br />

Eine Kolumne von BEttina BrEnn<br />

SENSAI ULTIMATE THE EMULSION<br />

ist der zweite Step des luxuriösen Hautpflegerituals<br />

der neuen “Ultimate”­Serie. Sie folgt<br />

der Lotion (nicht im Bild) und durchfeuchtet<br />

die Haut auf eine unbeschreibliche Weise als<br />

Vorbereitung auf die Creme.<br />

Von KANEBO, um 385 Euro<br />

SENSAI ULTIMATE THE CREAM<br />

basiert auf 23 Jahren DNA­Forschung und<br />

nutzt einen Wirkstoffkomplex, gewonnen<br />

aus der Kirschblüte, um Hautschäden zu<br />

regenerieren. Von KANEBO, um 710 Euro<br />

FLORABOTANICA SHOWER GEL<br />

duftet nach Vetiver, Amber, einem Caladium-<br />

Blattakkord und einer dunklen, geheimnisvollen<br />

Rose. Von BALENCIAGA, um 30 Euro<br />

Parfüm MARNI<br />

Genauso ungewöhnlich wie die Mode des<br />

italie nischen Labels. Von MARNI, ab 60 Euro<br />

Vase VINtAGE, Blütenbouquet bestehend<br />

aus grünen Orchideen, Duftlilien und<br />

Ama ryllis, tisch “Eye table” (1945) von<br />

FINN JUHL, über wohnkultur66.de<br />

Cremes und Lotionen werden seit jeher in Tiegeln oder Flakons<br />

verkauft. Und wie in jedem hart umkämpften Markt<br />

ist die Verpackung überlebenswichtig. Es regiert der clean<br />

chic, aber zweckmäßig muss sie auch sein. Denn man möchte<br />

ja den pflegenden Inhalt verkaufen und diesen so gut wie möglich<br />

schützen. Das bedeutet: Cremes mit Vitamin C gehören unbedingt<br />

in lichtundurchlässige Gefäße, Lotionen in praktische Pumpflakons<br />

und Produkte für besonders sensible Haut (mit wenigen Konservierungsstoffen)<br />

luftdicht verpackt in einen modernen Spender, der<br />

genau eine Portion raus-, aber keine reizenden Keime reinlässt.<br />

In der Gestaltung gab es natürlich immer Ausnahmen. Eine ist der<br />

japanische Luxuskonzern Kanebo. Bereits bei „Sensai Prime Solution“<br />

erkennt man die Handschrift des Innen architekten und Industrie<br />

designers Gwenaël Nicolas. Der in Japan mit mehreren Preisen<br />

ausgezeichnete Franzose ist Chef des Design büros Curiosity. <strong>Die</strong>ses<br />

Büro entwirft nicht nur Konzepte für Shops von Louis Vuitton bis<br />

Uniqlo, sondern baut auch Hotels, ge staltet internationale Ausstellungen,<br />

entwirft Möbel und nebenbei noch großartige Flakons.<br />

Bei der neuen, besonders kostbaren Serie „Sensai Ultimate“ entschied<br />

sich Kanebo für einen luxuriösen matten Goldton und integrierte<br />

erneut die sanfte Wellenbewegung der einzelnen Schichten<br />

eines Kimonogürtels. <strong>Die</strong>se zart geschwungenen Linien auf dem<br />

Cremetiegel erinnern mich hier allerdings wegen der kokonartigen<br />

Form des Gefäßes eher an ein Gebäude des kürzlich verstorbenen<br />

brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer: wunderschön und in<br />

einer perfekten Harmonie, wie die Bauwerke des großen Meisters.<br />

Der Inhalt verspricht Ähn liches – eine allumfassende Pflege für diejenigen,<br />

die bereits alles kennen und doch noch immer auf der Suche<br />

sind. Mit traditionellen japanischen Inhaltsstoffen wie einem Sakura-Extrakt<br />

(Kirschblüte), Reisöl und der Basis eines jeden Kanebo-<br />

Produkts: der Koishimaru-Seide. Damit verspricht „Sensai Ultimate“,<br />

die Haut in ihrem Gleichgewicht zu halten, vor Umwelteinflüssen<br />

zu schützen und Fältchen und alle anderen Zeichen der Hautalterung<br />

zu minimieren.<br />

Visuell ebenfalls sehr beeindruckt hat mich der erste Parfümflakon<br />

von Marni. Consuela Castiglioni, die Chefin des italienischen<br />

Modelabels, wählte ihr immer wiederkehrendes Lieblingsmuster,<br />

die Dots, in Kombination mit einem scheinbar nachlässig gedruckten<br />

Label. Dazu einen kirschroten Verschluss und eine zarte, aber<br />

sehr grafische Linie, die dem Flakon den richtigen Halt gibt. Das ist<br />

Marni in Perfektion. Auch der Inhalt spiegelt die Intellektualität der<br />

Marke wider: Weder blumig noch lieblich noch süß, war die Vorgabe<br />

der Designerin. Heraus kam eine Kreation mit würzigen Aromen,<br />

einem dunklen Rosenakkord und tiefgründigem Weihrauch.<br />

Ebenfalls ein Meisterstück des Designs ist „Le Rouge“: der erste<br />

Lippenstift, der von Riccardo Tisci entworfen wurde. Der Chefdesigner<br />

von Givenchy wählte kühles Metall mit schwarzem Nappaleder<br />

als Hülle für die zwölf neuen Nuancen. Sehr sexy!<br />

Da passt die Philosophie Kanebos: „,Ichi-go – Ichi-e‘, jede<br />

Begegnung ist einzigartig und wird deshalb zu einem ganz besonderen<br />

Erlebnis.“<br />

Foto roBin Kranz & volKEr hoBl<br />

retusche tElsE Faust,<br />

tElsE-Faust.dE<br />

www.interview.de<br />

Screentests:<br />

AHMAD LARNES & KATE MILLER<br />

62


KULTUR<br />

kultur<br />

Anschauen!<br />

FILME<br />

„DJANGO UNCHAINED“<br />

Sensibles Drama von Quentin Tarantino über den<br />

Zahnarzt und Sklavereikritiker Dr. King Schultz, der<br />

mit seinem Sklaven Django Jagd auf einen Finsterling<br />

macht, um Djangos Gattin Broomhilda von<br />

Shaft aus dessen Fängen zu befreien (ab 17. Januar).<br />

„FLIGHT“<br />

Heldentum und Alkoholismus, das muss kein Widerspruch<br />

sein. Denzel Washington verhindert als tapferer<br />

Flugkapitän Whip Whitaker einen Flugzeugabsturz<br />

– ist aber nebenbei ein Säufer. Eine<br />

Charakterstudie zum Nachschenken (ab 24. Januar).<br />

„GANGSTER SQUAD“<br />

Amerika in den Vierzigern. Ein übler Mafioso hat<br />

Drogenhandel, Prostitution und Polizei fest im Griff,<br />

bis eine Spezialeinheit sich ihm entgegenstemmt.<br />

Mit Ryan Gosling – yeah! HipHop-Soundtrack und<br />

Gemetzel – auch yeah! (ab 24. Januar)<br />

GUCKT, WIE ER GUCKT: EMMA STONE UND<br />

GOSLING IN GANGSTER SQUAD<br />

„ZERO DARK THIRTY“<br />

Fang den Terroristen! Regisseurin Kathryn Bigelow<br />

schickt Jessica Chastain als CIA-Agentin Maya<br />

zwecks Al-Qaida-Fahndung nach Peschawar. Ihr<br />

Einsatz schlägt ein wie die Taube auf dem Dach. Bin<br />

Laden tot. Irre spannend! (ab 31. Januar)<br />

„DIE QUELLEN DES LEBENS“<br />

Der Film zum Roman über Oskar Roehlers Leben.<br />

Ersterer erzählt auch die Geschichte der Bundesrepublik,<br />

was wiederum unter Beweis stellt, dass Roehler<br />

alles aus seinen Filmen rausholt. Und dann erst<br />

die Besetzung: Alle spielen mit, sogar Wilson Gonzales<br />

und Bonnie Strange (ab 14. Februar).<br />

1Georg Baselitz<br />

Er feiert am 23. Januar seinen 75. Geburtstag. Zu diesem Anlass zeigt das Sammlerpaar Essl im gleichnamigen<br />

Museum in der Nähe von Wien 44 Werke aus vier Jahrzehnten. Vom Geniestreich, einfach<br />

alles auf den Kopf zu stellen, abgesehen: Der Mann hat ästhetische und intellektuelle Schranken<br />

einfach niedergemalt, ist neugierig geblieben und wirkt nicht wie sein eigenes Denkmal. Glückwunsch.<br />

INNOVATION<br />

FOOD RAP, der: neues Subgenre des New Yorker<br />

Sprechgesangs, in dem bevorzugt über Essenszubereitung,<br />

Weinsorten, Zutaten und Restaurants gerappt wird.<br />

Wichtigster Vertreter: Action Bronson, Sohn albanischer<br />

Einwanderer, bürgerlicher Name Ariyan Arslani, aufgewachsen<br />

in Flushing, Queens. Bronson, 29, arbeitete als Koch,<br />

bevor er Rapper wurde.<br />

Bestes Mixtape: Bon Appetit … Bitch!!!! Key Track: Shiraz<br />

GLÜCKSZAHL<br />

Das Durchschnittsalter der Rolling Stones<br />

68 Jahre & 247 Tage<br />

ist höher als das im amerikanischen Supreme Court<br />

67 Jahre & 49 Tage<br />

(Stand: 15. Januar)<br />

+ : - =<br />

64<br />

2Yoko Ono<br />

Sie ist eine der kontroversesten<br />

Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts<br />

und noch immer Vorbild<br />

und Nervensäge. Große Retrospektive<br />

in der Schirn/Frankfurt<br />

ab 15. Februar.<br />

DIE LEONARDO-DICAPRIO-FORMEL <strong>Die</strong> Komponenten, aus denen der Schauspieler („Django Unchained“) zusammengesetzt ist<br />

ROBERT DE NIRO<br />

(CA. 1973)<br />

JUSTIN BIEBER<br />

(CA. GESTERN)<br />

EISBÄR KNUT<br />

(CA. 2007)<br />

BAR RAFAELI<br />

(VORBEI)<br />

LEONARDO<br />

DICAPRIO<br />

Fotos: Mischa Nawrata, Wien, Wir besuchen den Rhein II, 1997, Öl auf Leinwand, 300 x 450 cm,© Georg Baselitz; Wilson Webb/© 2012 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC. ; Minoru Niizuma; © Courtesy LENONO PHOTO ARCHIVE, Yoko Ono, Cut Piece, 1965, Performed von Yoko Ono, Carnegie Recital Hall, New York, 1965; Mondadori Collection/<br />

Getty Images; Corbis; NG Collection/INTERFOTO; INFevents.com; © 2012 Suhrkamp Verlag GmbH; Azzlackz; Rosemarie Trockel, Aus Yvonne (Made out of Yvonne), 1997, Plastic, wood, paint, polystyrene, and fabric 72,5 x 30 x 30 cm, Private Collection, © Rosemarie Trockel, VG Bild-Kunst, Bonn 2012, Courtesy Sprüth Magers Berlin London<br />

Aufschlagen!<br />

BüchEr<br />

DAve eGGerS<br />

„eiN HoLoGrAMM Für DeN KöNiG“,<br />

Kiepenheuer & Witsch, Februar<br />

ein König, der nicht kommt, ein vater auf einer<br />

Poolparty in der schwedischen Botschaft, ein aufgeschnittenes<br />

Geschwulst. Der neue Dave eggers ist<br />

noch besser, als man es erwartet hatte.<br />

roBerto BoLAño<br />

„<strong>Die</strong> Nöte DeS wAHreN PoLiziSteN“,<br />

Hanser, Februar<br />

wie auch der posthum erschienene vorgänger 2666<br />

ist dieser roman über einen wissenschaftler, der mit<br />

50 sein Coming-out hat, ganz anders als alles, was<br />

man kennt.<br />

HiLArY MANteL<br />

„FALKeN“, Dumont, Februar<br />

Staatsräson und ehebruch. Hilary Mantel erzählt im<br />

zweiten teil ihrer großartigen tudor-trilogie, wie<br />

Henry viii. sich seine zweite Frau vom Hals schafft:<br />

Köpfen.<br />

JoeY GoeBeL<br />

„iCH GeGeN oSBorNe“, Diogenes, März<br />

Nieder mit Unvernunft und loser Moral! Der großartige<br />

Joey Goebel erzählt in seinem neuen roman<br />

von einem erwachsenen teenager, der seiner kindischen<br />

Umwelt den Kampf ansagt.<br />

wiLLiAM t. voLLMANN<br />

„eUroPe CeNtrAL“,<br />

Suhrkamp, April<br />

wenn in Fukushima Atomkraftwerke<br />

lecken oder in<br />

Afghanistan Krieg ist, fährt<br />

vollmann hin. Heraus kommen<br />

gnadenlos recherchierte<br />

Bücher von beängstigendem<br />

Umfang. Auch diesmal.<br />

ExpErtEntipp<br />

<strong>Die</strong> Verlorenen” von Daniel Mendelsohn ist<br />

ein wahrer Krimi, eine Autobiografie,<br />

ein Geschicht sbuch und gleichzeitig Grübelei<br />

über und Analyse von Erzähltechniken. Ein Werk<br />

voller herzzerreißender, tragischer Spannung.<br />

365<br />

mitgEhört<br />

klaus Biesenbach trifft A$AP rocky<br />

Der MoMA-PS1-Direktor und Gründer der Berliner Kunstwerke, Klaus Biesenbach,<br />

trifft den Rapper A$AP Rocky auf dem First-Class-Flug von JFK nach Miami. Ein<br />

zufällig Mitreisender in der Reihe dahinter hat aufgepasst.<br />

Klaus BiEsEnBach: warst du schon mal bei der Art Basel?<br />

a$ap rocKy: Nein. Aber ich liebe Kunst. Bist du Künstler?<br />

BiEsEnBach: Nicht direkt. ich beschäftige mich viel mit Kunst. ich habe mal eine verrückte Show im<br />

MoMA kuratiert: <strong>Die</strong> Künstlerin Marina Abramović saß an einem tisch, die Museumsbesucher konnten ihr<br />

gegenüber Platz nehmen. <strong>Die</strong> Schlangen waren gigantisch, Hunderte von Menschen wollten das erleben.<br />

a$ap: Als Charity-Aktion?<br />

BiEsEnBach: Nein, als Kunstwerk. wegen der Schönheit.<br />

<strong>Die</strong> Stewardess bringt Weißwein. Alle Passagiere in der First Class nehmen ein Glas, Biesenbach und A$AP auch, der<br />

Rapper nippt und lässt es zurückgehen. Ein Mitglied seiner Entourage kommt vorbei und zeigt ihm ein Magazin. Auf<br />

dem Titelbild: A$AP Rocky, der ein Messer an seine Goldzähne hält.<br />

BiEsEnBach: wo sind denn deine Goldzähne?<br />

a$ap: trage ich heute nicht.<br />

BiEsEnBach: Hast du vielleicht Lust, zu meinem event am Freitag zu kommen?<br />

Das Flugzeug startet. Beide Männer schlafen ein. Kurz vor der Landung wachen sie wieder auf.<br />

BiEsEnBach: Gib mir doch mal deine Nummer, dann ruf ich an. wie heißt du eigentlich mit vornamen?<br />

a$ap: A$AP rocky.<br />

BiEsEnBach: Und wie nennen dich deine Freunde?<br />

A$AP Rocky antwortet nicht.<br />

gEfundEn BEi mEgazinEmagazinE.com<br />

Lee CHiLD ist der Autor<br />

der Jack Reacher-Serie,<br />

die gerade mit toM CrUiSe<br />

verfilmt wurde.<br />

Der komplette<br />

Literaturfragebogen<br />

mit ihm<br />

auf interview.de<br />

Rosemarie<br />

Trockel<br />

Nach ihrer umwerfenden<br />

Show im New Museum in<br />

New York zeigt die<br />

Künstlerin in der<br />

Serpentine Gallery<br />

in London<br />

A Cosmos, in der<br />

sie eigene Arbeiten<br />

denen anderer<br />

Künstler gegenüberstellt<br />

(ab 13. Februar).<br />

Anmachen!<br />

PlAttEN<br />

HAFtBeFeHL<br />

„BLoCKPLAtiN“ (AzzLACKz)<br />

Hafti, wie wir ihn gerne nennen, hebt deutschen<br />

HipHop mit seiner Doppel-CD auf eine neue<br />

Stufe. Chabos wissen wer der Babo ist. wir auch.<br />

NiLS FrAHM<br />

„SCrewS“ (erASeD tAPeS)<br />

Gar nicht lustig: Der Pianist, Komponist und<br />

Produzent Nils Frahm stürzte in seinem Studio<br />

aus dem Hochbett, brach sich dabei den Daumen,<br />

steckte damit in einer Lebenskrise und zauberte mit<br />

einer Neun-Finger-technik dieses wunderbare<br />

Klavier album hervor.<br />

LUSiNe<br />

„tHe wAitiNG rooM“ (GHoStLY iNt.)<br />

eines dieser großartigen electro/House/Pop-Alben,<br />

das gerade deswegen so gut ist, weil es keinen Grund<br />

gibt, etwas darüber zu schreiben.<br />

JiM JAMeS<br />

„reGioNS oF LiGHt AND SoUND oF GoD“<br />

(CooPerAtive MUSiC)<br />

Soloalbum des My-Morning-Jacket-Sängers, das<br />

zum Glück kein Stück nach My Morning Jacket<br />

klingt. Stattdessen: spitzenmäßig epischer 70er- Jahre-<br />

Prog-Soul, der von Lynd wards Graphic Novel<br />

God’s Man von 1929 inspiriert ist.


KULTUR<br />

Richard<br />

DawKins<br />

wenn dieser Mann eine Kirche betritt,<br />

kocht das weihwasser: RichaRD DawKins<br />

ist der führende atheist der westlichen welt.<br />

seine anhänger verehren den Evolutionsbiologen<br />

aus Oxford als Gegenpapst. Benedikt XVi.<br />

selbst hat die Gefahr längst erkannt, die von<br />

Dawkins ausgeht. Und der Professor? Lässt<br />

sich in seinem Kreuzzug im <strong>Die</strong>nste der<br />

wissenschaft nicht beirren. sein neues Buch, ein<br />

Kinderbuch, soll die Jüngsten gegen das Gift<br />

des Glaubens wappnen<br />

von<br />

jörg hArlAn rohleder<br />

porträt<br />

ronAld dIck<br />

IntervIew: Professor Dawkins, wie haben Sie Weihnachten<br />

gefeiert?<br />

rIchard dawkIns: Ich weiß, worauf Sie hinauswollen:<br />

Wieso feiert ein erklärter Atheist Weihnachten?<br />

<strong>Die</strong> Antwort ist sehr simpel: wegen der Konventionen.<br />

Was nichts mit Glauben zu tun hat. Wir haben<br />

im Kreise der Familie gefeiert. Wie es sich gehört.<br />

IntervIew: Sie waren nicht in der Kirche?<br />

dawkIns: Nein.<br />

IntervIew: Aus Angst, das Weihwasser könne anfangen<br />

zu kochen?<br />

dawkIns: Das ist albern.<br />

IntervIew: Warum tragen Sie einen Pin mit dem<br />

Buchstaben A?<br />

dawkIns: Das A steht für Atheist.<br />

IntervIew: Muss man im dritten Jahrtausend den<br />

Nichtglauben so öffentlich zur Schau stellen?<br />

dawkIns: Ja, da man sonst als Atheist gerne übergangen<br />

wird. Das A ist zudem das Zeichen meiner<br />

Out-Kampagne: Es ist an der Zeit, für den Nichtglauben<br />

einzustehen, ihn öffentlich zu machen, Rechte für<br />

Nichtgläubige einzufordern, sich dazu zu bekennen.<br />

In gewisser Weise ist es vergleichbar mit dem Coming-out<br />

von Homosexuellen.<br />

IntervIew: Atheisten dürfen aber heiraten.<br />

dawkIns: Das stimmt.<br />

IntervIew: Und Präsident Obama vergaß auch<br />

nicht, die Nichtgläubigen in seiner Inauguration zu<br />

adressieren.<br />

dawkIns: Ich habe diese Anerkennung wohlwollend<br />

zur Kenntnis genommen. Dennoch werden wir<br />

in aktuellen politischen Diskussionen und was unsere<br />

Rechte angeht viel zu oft übersehen. Es gibt beispielsweise<br />

viel weniger Juden als Nichtgläubige. Das sage<br />

ich nicht, um den Juden etwas vorzuwerfen. Ich sage<br />

es, weil wir, die Agnostiker und Atheisten, uns viel zu<br />

selten als Gruppe zu Wort melden.<br />

IntervIew: Gibt es eigentlich nicht ein passenderes<br />

Wort für Nichtgläubige als Atheisten? Ihr großes<br />

Vorbild Charles Darwin nannte sich selbst Agnostiker.<br />

dawkIns: Ich habe mich auch schon des Öfteren<br />

als Zahnfee-Agnostiker bekannt. Einfach, weil ich die<br />

Nichtexistenz von Gott nicht beweisen kann, seine<br />

Existenz jedoch so wahrscheinlich finde wie die der<br />

Zahnfee oder des fliegenden Spaghettimonsters.<br />

IntervIew: Das heißt aber, dass Sie sich eine Hintertüre<br />

für eine mögliche Existenz eines höheren Wesens<br />

offen halten.<br />

dawkIns: Wenn Sie an die Zahnfee glauben,<br />

dann haben Sie recht, dann lasse ich eine Hintertüre<br />

offen (lacht). Darwin nannte sich einen Agnostiker,<br />

weil er in einer anderen Zeit lebte und vorsichtig sein<br />

musste. Er zweifelte fundamental an der Erkennbarkeit<br />

Gottes. Ich glaube aber, man tut ihm nicht Unrecht,<br />

wenn man ihn als Atheisten bezeichnet.<br />

IntervIew: Hat Darwin nicht Theologie studiert?<br />

dawkIns: Man muss nicht an Gott glauben, um<br />

Theologie zu studieren.<br />

66<br />

IntervIew: Glauben Sie, Ihr Bestseller Der Gotteswahn<br />

hätte ihm gefallen? Darin erklären Sie aus<br />

darwinistischer Sicht, warum der Glaube an ein höheres<br />

Wesen ein grober Irrtum ist.<br />

dawkIns: Wahrscheinlich nicht so sehr wie meine<br />

anderen Bücher über die Evolution. Darwin war<br />

ein Gentleman, ihn hätte an Der Gotteswahn mit Sicherheit<br />

gestört, dass das Buch an manchen Stellen<br />

die Gefühle anderer Leute verletzen kann.<br />

IntervIew: Verletzt es Sie eigentlich, wenn man<br />

Sie Darwins Rottweiler nennt?<br />

dawkIns: Nein. Rottweiler sind schöne Hunde.<br />

Aber zurück zu Ihrer Frage nach einer passenden Bezeichnung<br />

für Nichtgläubige: Ein befreundetes Paar<br />

aus Kalifornien schlug den Namen Brights vor.<br />

IntervIew: Brights hat einen sehr elitären, nicht<br />

gerade sympathischen Beigeschmack.<br />

dawkIns: Ich habe nichts gegen Elitäres, solange<br />

es sich nicht ausschließend verhält. Im Mensa-Magazin<br />

gab es eine Metastudie, die 43 Studien untersucht<br />

hat, die zum Thema Bildung/IQ und Religion durchgeführt<br />

worden waren. Das Ergebnis: Je schlauer ein<br />

Mensch, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er<br />

oder sie Atheist ist. Das besagen 39 der 43 Studien. So<br />

gesehen trifft es der Begriff Brights ziemlich gut (lacht).<br />

IntervIew: Sie sind der bekannteste Fürsprecher<br />

des Atheismus. Haben Sie keine Angst, dass Sie als<br />

eine Art Gegenpapst der Atheisten zum Anführer einer<br />

eigenen Bewegung werden könnten?<br />

dawkIns: Bloß nicht! Ich will auf keinen Fall der<br />

Anführer eines Kults werden. Ich schreibe Bücher<br />

und freue mich, wenn ich helfen kann, den Blick einiger<br />

Menschen zu schärfen.<br />

IntervIew: Und trotzdem verkünden Sie Ihren<br />

Atheismus mit einer Inbrunst wie einst Paulus das<br />

Evangelium.<br />

dawkIns: Aber mit einer anderen Botschaft: Ich<br />

fordere Menschen dazu auf, für sich selbst zu denken,<br />

den eigenen Kopf zu gebrauchen und nach Beweisen<br />

zu fragen. Paulus predigte den Leuten, was sie zu denken<br />

haben. Das ist ein gewaltiger Unterschied.<br />

IntervIew: Ist Atheismus Ihrer Prägung nicht<br />

auch eine Spielart der Religion?<br />

dawkIns: Ein Bekannter von mir behauptet auch,<br />

dass eine Glatze eine Frisur sei.<br />

IntervIew: Immerhin scheint der Papst die Atheisten<br />

als alternative Glaubensrichtung und damit Ihre<br />

Division ernst zu nehmen. Bei seinem Staatsbesuch in<br />

Großbritannien 2010 machte Papst Benedikt in seiner<br />

Ansprache die Atheisten für Hitler verantwortlich.<br />

dawkIns: Was eine absolute Frechheit war. Vor<br />

allem von jemandem, der Mitglied der Hitlerjugend<br />

war. An seiner Stelle würde ich mich in Sachen Hitler<br />

nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen!<br />

IntervIew: Gemeinsam mit Christopher Hitchens<br />

bezichtigten Sie den Papst, er habe Verbrechen<br />

an der Menschheit begangen, und wollten vor seinem<br />

Besuch in Großbritannien ein Verfahren anstreben,<br />

ähnlich dem gegen den chilenischen Diktator Augusto<br />

Pinochet. Das klingt, entschuldigen Sie meine Wortwahl,<br />

nach einer mediengeilen Propagandamaßnahme.<br />

dawkIns: Nein. Christopher unterbreitete mir<br />

die Idee der Anklage gegen den Papst wegen seiner<br />

offenkundigen Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />

in einem Brief, und natürlich hatte er recht mit der<br />

Grundthese. Dennoch ließen wir das schnell fallen,<br />

berieten uns mit einem Anwalt für Menschenrechte<br />

und überlegten, ob man ihn nicht anklagen könne, da<br />

er Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche<br />

bewusst unter den Teppich gekehrt hatte.<br />

Darwins rottweiler: Der evolutionsbiologe unD bestsellerautor<br />

richarD Dawkins in seinem wohnzimmer, oxforD, winter 2012<br />

67


“<br />

Der Gott des<br />

Alten Testaments ist<br />

ein Scheusal. Ein<br />

eifersüchtiger, bösartiger,<br />

übellauniger<br />

Kerl, der wahrscheinlich<br />

mieseste<br />

Charakter in der<br />

fiktiven Literatur<br />

IntervIew: Der Papst hat sich dafür entschuldigt.<br />

DawkIns: Wow, eine große Geste. <strong>Die</strong> Untersuchungsergebnisse<br />

des Vatikans zu den Missbrauchsfällen<br />

übergibt er dennoch nicht den ermittelnden<br />

Behörden.<br />

IntervIew: Professor Dawkins, Sie gelten als einer<br />

der profiliertesten Evolutionsbiologen unserer<br />

Zeit. Warum hegen Sie eigentlich diesen tief sitzenden<br />

Groll gegen Religion?<br />

DawkIns: Weil Religionen uns lehren, damit zufrieden<br />

zu sein, dass wir die Welt nicht verstehen, dass<br />

wir nicht die Verantwortung für unser Handeln tragen<br />

und alles Irdische dem Willen eines Schöpfers<br />

folgt. Religionen geben keine zufriedenstellenden<br />

Antworten, ihre Welterklärungsmodelle taugen wissenschaftlich<br />

gesehen nicht mal als Witz. Zumal es für<br />

die meisten vermeintlichen Fragen doch wunderschöne<br />

wissenschaftliche Antworten gibt. Seit Darwin verstehen<br />

wir die Prinzipien der Evolution, warum sollten<br />

wir dann noch an einen Schöpfungsmythos<br />

glauben, warum weiter diesem Irrsinn folgen? Warum<br />

den gesunden Menschenverstand einfach an der Garderobe<br />

abgeben? Ohne Not, ohne Zwang! Das ist<br />

doch total absurd. Noch dazu im 21. Jahrhundert! Außerdem<br />

finde ich den Gedanken absurd, dass Menschen<br />

nur an etwas glauben, weil sie Angst davor haben,<br />

nach dem Tod in die Hölle zu kommen. Und<br />

wenn Eltern das aus Furcht vor Gott ihren Kindern<br />

erzählen und es so immer weitergegeben wird, verbreitet<br />

sich Glaube wie ein Virus.<br />

IntervIew: Sie finden also, dass Eltern, die einem<br />

bestimmten Glauben angehören, diesen nicht an ihre<br />

Kinder weitergeben sollten?<br />

DawkIns: Nein, wieso denn auch? Kinder suchen<br />

nach Antworten. Und wenn sie fragen, warum dies<br />

oder jenes falsch ist, kann man antworten: Du willst<br />

doch auch nicht, dass ein anderer Mensch dir so was<br />

antut. Kants kategorischer Imperativ als goldene Verhaltensregel.<br />

Ich finde, verantwortungsbewusste Eltern<br />

sollten Kindern nur das an Wissen weitergeben,<br />

was wissenschaftlich bewiesen ist. Beispielsweise kann<br />

man den Kindern erklären: Das ist Evolution. <strong>Die</strong>ser<br />

Vogel ist ein Seeadler. Der Baum am Ende des Gartens<br />

ist eine Birke. Gerne auch, dass es Menschen<br />

gibt, die an Religion glauben, dass es unterschiedliche<br />

Religionen gibt. Aber ihnen zu erklären, dass es<br />

nur den einen schöpferischen, allmächtigen Gott<br />

gibt, der die Erde in sechs Tagen erschaffen hat, halte<br />

ich für Kindesmissbrauch.<br />

IntervIew: Haben Sie deswegen Der Zauber der<br />

Wirklichkeit geschrieben, ein Kinderbuch?<br />

DawkIns: Unter anderem. Ich wollte Kindern die<br />

Schönheit der Logik, das Wundervolle der Wissenschaft,<br />

die schlagende Kraft von Fakten und Beweisen<br />

näherbringen. Jedes Kapitel behandelt eine Frage:<br />

Elementare Grundsätzlichkeiten wie „Sind wir allein?“,<br />

„Wer war der erste Mensch?“, „Warum gibt es<br />

so viele Tierarten?“ und dergleichen. Zuerst beantworte<br />

ich die Frage, wie dies Mythen, Märchen und<br />

Religion tun …<br />

IntervIew: … um diese Annäherungen wenige<br />

Seiten später in sehr kurzweiligen, wissenschaftlich<br />

fundierten Erklärungen zu zertrümmern.<br />

DawkIns: Ich argumentiere mit Wissenschaft,<br />

Wahrheit und Verstand.<br />

IntervIew: Manchmal vielleicht ein wenig zu<br />

zielorientiert für Kinder.<br />

DawkIns: Ich hätte das Buch geliebt mit zwölf!<br />

Meine Tochter ebenso.<br />

IntervIew: Wie haben Sie denn Ihrer Tochter er-<br />

”<br />

– Richard Dawkins<br />

klärt, dass es keinen Weihnachtsmann gibt? Und keine<br />

Zahnfee?<br />

DawkIns: Nach den Gesetzen der Logik. Als sie<br />

alt genug war, sagte ich zu ihr: Komm, wir rechnen<br />

jetzt aus, wie viele Schornsteine es gibt auf der Welt.<br />

Und dann rechneten wir aus, wie schnell der Weihnachtsmann<br />

sein muss, um alle zu beliefern. Schneller<br />

als das Licht!<br />

IntervIew: Das ist auf eine Art auch ganz schön<br />

grausam. Hat Ihre Tochter nicht geweint?<br />

DawkIns: Das wäre sehr traurig gewesen. Aber:<br />

Kinder wollen nicht belogen werden! Kinder sind<br />

neugierig. Und sie schätzen nichts mehr als eine direkte,<br />

nachvollziehbare, ehrliche Antwort. Sie wollen<br />

Beweise! Und ich finde, dass sie Beweise verdienen.<br />

Auch deshalb habe ich das Kinderbuch geschrieben.<br />

IntervIew: In einem Ihrer Bücher schreiben Sie,<br />

dass Sie als Kind in die Kirche gegangen sind. Wann<br />

haben Sie das erste Mal von Darwins Evolutionstheorie<br />

gehört?<br />

DawkIns: Ich wurde in Nairobi geboren, mein<br />

Vater arbeitete dort als Botaniker. <strong>Die</strong> ersten Jahre<br />

unterrichtete meine Mutter mich, sie und mein Vater<br />

erzogen mich zur Neugierde und zu wissenschaftlichem<br />

Interesse, später hatte ich das Glück, einige der<br />

besten Schulen Großbritanniens zu besuchen. Und<br />

die waren in dieser Zeit noch anglikanisch. Das heißt:<br />

tägliche Gebete und Bibelstunden. Mit 13 wurde ich<br />

konfirmiert, mit 15 entdeckte ich Darwin.<br />

IntervIew: Und kamen mit Darwin die Zweifel?<br />

DawkIns: Eigentlich schon vorher. Wir zogen,<br />

als ich acht Jahre alt war, zurück nach England. Als<br />

Neunjähriger verstand ich, dass es unterschiedliche<br />

Religionen gibt. Dass aber nicht alle recht haben<br />

können, war das Erste, was mir aufstieß. Später dann,<br />

als ich Darwin für mich entdeckte, war mir schnell<br />

klar, dass es keinen Gott im Sinne eines Schöpfers<br />

geben kann.<br />

IntervIew: Haben Sie Darwins Theorie der Evolution<br />

sofort verstanden?<br />

DawkIns: Anfangs fand ich sie kompliziert, aber<br />

das legte sich schnell. Ich wollte einfach verstehen,<br />

wie Evolution vonstattengeht.<br />

IntervIew: Wir sind mit einem Seepferdchen, einer<br />

Palme und dem Königspudel also tatsächlich verwandt.<br />

DawkIns: Eine komische Vorstellung, dennoch<br />

zutreffend.<br />

IntervIew: Ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll,<br />

die darwinistische Lehre auf andere Bereiche, etwa<br />

die Weltwirtschaft und die seit 2008 anhaltende Bankenkrise,<br />

anzuwenden?<br />

DawkIns: Grundsätzlich bin ich kein Freund davon,<br />

Darwin zu sehr zu strapazieren: Wenn man die<br />

Dinge lange genug hin- und herdreht, kann man mit<br />

ihm alles erklären.<br />

IntervIew: So auch die pseudowissenschaftliche<br />

Rassenlehre der Nationalsozialisten.<br />

DawkIns: Sozialdarwinismus hat durchaus Potenzial,<br />

missbraucht zu werden. Ich glaube jedoch<br />

nicht, dass Hitler und seine Schergen von Darwin<br />

motiviert wurden. Sie haben Versatzstücke seiner<br />

Lehre für ihre eigene Ideologie entwendet, um diese<br />

aufzuwerten.<br />

IntervIew: <strong>Die</strong> anglikanische Kirche hat sich im<br />

Herbst 2008 offiziell dafür entschuldigt, das Werk<br />

Darwins nicht anerkannt zu haben. Wie erklären Sie<br />

sich diesen Schritt?<br />

DawkIns: Immerhin war die einen Deut schneller<br />

als die Konkurrenz: <strong>Die</strong> katholische Kirche hat<br />

sich erst vor wenigen Jahren für den Prozess gegen<br />

Galileo 1633 entschuldigt.<br />

IntervIew: Wäre die Erde denn ein angenehmerer<br />

Ort ohne Kirchen, ohne Religion?<br />

DawkIns: Stellen Sie sich so eine Welt doch mal<br />

vor: keine Selbstmordattentäter, kein 11. September,<br />

keine Kreuzzüge, keine Hexenverfolgung, kein Krieg<br />

zwischen Israelis und Palästinensern, kein Blutbad<br />

unter Serben, Kroaten, Muslimen, keine Verfolgung<br />

von Juden als Christusmörder, keine Ehrenmorde,<br />

keine Fernsehprediger im Glitzeranzug.<br />

IntervIew: Aber auch keine Sixtinische Kapelle,<br />

keine Kantaten von Bach, kein Requiem von Mozart.<br />

DawkIns: Einverstanden, vielleicht wären uns einige<br />

großartige Kunstwerke entgangen. Aber Kunst<br />

folgt immer dem Geld. Und wenn nicht Kirchenfürsten<br />

den Auftrag erteilt hätten, dann hätte es eben ein<br />

König getan. Michelangelo oder Mozart hätten auch<br />

anderswo Inspiration gefunden, vielleicht in der Natur.<br />

Oder, wie ich, in der Wissenschaft.<br />

IntervIew: Früher hieß es: <strong>Die</strong> Religion fragt<br />

nach dem Warum, die Wissenschaft nach dem Wie.<br />

DawkIns: Entschuldigung, aber das ist totaler<br />

Schwachsinn. Auch Darwin fragte nach dem Warum:<br />

Warum haben Vögel Flügel? Um ein Beispiel zu<br />

nennen.<br />

IntervIew: Gemeint waren die großen Fragen<br />

wie: Warum sind wir hier? Was ist der Sinn des Lebens?<br />

DawkIns: Das sind Fragen, die keine Antworten<br />

verdient haben. Zumal die Tatsache, dass wir hier<br />

sind, Antwort genug gibt.<br />

IntervIew: Aber das sind doch die Fragen, die<br />

sich jeder Mensch irgendwann stellt. Vielleicht sagt<br />

Ihr Kollege, der Evolutionsbiologe Stephen Jay<br />

Gould, deshalb, Evolutionstheorie und Religion sollten<br />

eine friedliche Koexistenz anstreben, da diese zwei<br />

völlig unterschiedliche Domänen besetzen. Er denkt,<br />

Ihre aggressive Rhetorik würde die Lage nur verschlimmern.<br />

DawkIns: Ja, das postuliert er. Und politisch mag<br />

das sinnvoll erscheinen, vor allem in Amerika, da man<br />

sich gewisse religiöse Gruppen damit nicht automatisch<br />

zum Feind macht, da auch diese Gruppen an die<br />

Evolution glauben, allerdings noch immer mit einem<br />

allmächtigen Schöpfer im Hintergrund. Nach Goulds<br />

Version können also Wissenschaft und Religion prima<br />

nebeneinander existieren – was in meinen Augen absoluter<br />

Nonsens ist.<br />

IntervIew: Immer noch besser als die Aussicht,<br />

amerikanischen Schülern Darwins Lehre in den<br />

Schulbüchern vollständig vorenthalten zu müssen.<br />

DawkIns: Das hieße, den Krieg zu verlieren, weil<br />

man eine Schlacht gewinnen will. Nicht mit mir.<br />

IntervIew: In einem früheren <strong>Interview</strong> sagten<br />

Sie, die Wissenschaften werden der Religion ohnehin<br />

unterliegen.<br />

DawkIns: Das habe ich gesagt? Ich hatte wohl einen<br />

freien Tag!<br />

IntervIew: Ihre Kritiker werfen Ihnen vor, sich<br />

nicht den führenden Köpfen der Kreationistenseite<br />

stellen zu wollen. Warum verweigern Sie Ihren<br />

schärfsten Kritikern eine faire Diskussion?<br />

DawkIns: Weil diese schmutzig argumentieren,<br />

also irrational und unwissenschaftlich.<br />

IntervIew: Dennoch könnten Sie sich auf lange<br />

Zeit viele Argumente sparen …<br />

DawkIns: … indem ich der Gegenseite Respekt<br />

verschaffe? Allein die Tatsache, diesen Irrsinn als argumentative<br />

Grundlage anzuerkennen, schönt den<br />

Lebenslauf meiner Kritiker unverhältnismäßig mehr<br />

als meinen.<br />

IntervIew: Wie lauten denn die Argumente der<br />

Gegenseite?<br />

DawkIns: Schwachsinn wie: Wenn wir von<br />

Schimpansen abstammen – wie erklären Sie, dass es<br />

heute noch Schimpansen gibt?<br />

KULTUR/Richard Dawkins<br />

IntervIew: Und?<br />

DawkIns: Das zu erklären liegt weit unter meinem<br />

Niveau. Dafür ist mir meine Zeit wirklich zu schade.<br />

IntervIew: Lassen Sie uns das Spielfeld wechseln:<br />

Viele Menschen finden Trost im Glauben. Wer<br />

soll Trost spenden, wenn nicht Gott?<br />

DawkIns: Jeder Einzelne kann Menschen trösten.<br />

<strong>Die</strong> Religionen besitzen keinen Alleinanspruch<br />

auf Nächstenliebe oder andere moralische Konzepte.<br />

Nächstenliebe war nicht die Erfindung irgendeiner<br />

Glaubensgemeinschaft, sondern ist Teil des Verhaltenskanons<br />

der Menschheit. Außerdem: Als tröstend<br />

habe ich Gott nie empfunden. Der Gott des Alten<br />

Testaments ist ein ziemliches Scheusal. Ein eifersüchtiger,<br />

bösartiger, übellauniger Kerl, der wahrscheinlich<br />

mieseste Charakter in der Geschichte der fiktiven<br />

Erzählungen. Und welcher Gott lässt seinen Sohn<br />

einfach am Kreuz hängen – für unsere Sünden … Daraus<br />

hat die katholische Kirche dann schön all die<br />

Schuldgefühle destilliert, die sie brauchte, um die<br />

Menschen seit mehr als 2 000 Jahren zu unterwerfen.<br />

All das ist doch einfach nur lächerlich. Und sehr ärgerlich.<br />

IntervIew: Aber was, wenn Sie irren? Der Jüngste<br />

Tag dürfte in Ihrem Fall besonders deftig ausfallen.<br />

DawkIns: Wahrscheinlich auch nicht schlimmer<br />

als bei jemandem, der den falschen Gott angebetet<br />

hat. Stellen Sie sich das mal vor: Sie dienen Ihr ganzes<br />

Leben einem Gott, gehen jeden Sonntag brav zum<br />

Gottesdienst, leben in ständiger Furcht, enthaltsam,<br />

in Sack und Asche, verschwenden also das einzige Leben,<br />

das Sie auf dieser wundervollen Erde haben – um<br />

dann festzustellen, dass dort oben nicht Gott, nicht<br />

einmal Jehova, sondern Baal thront, der es wirklich<br />

nicht zu schätzen weiß, dass Sie einem anderen Gott<br />

gehuldigt haben. Nein, für mich kommt das nicht infrage.<br />

Man stirbt, und das war’s.<br />

IntervIew: Wenn Sie die Möglichkeit hätten,<br />

Gott eine Frage zu stellen, wie würde Ihre Frage lauten?<br />

DawkIns: Zuerst würde ich fragen, welcher Gott<br />

er denn nun eigentlich ist. Aber viel interessanter wäre<br />

die Frage: Wo zum Henker warst du all die Jahre?<br />

IntervIew: Haben Sie eigentlich keine religiösen<br />

Freunde?<br />

DawkIns: Nein. Aber es ist nicht so, dass ich sie<br />

davonscheuche. Wahrscheinlich liegt es an den Kreisen,<br />

in denen ich verkehre. Intelligente Menschen<br />

neigen nicht zu tiefer Religiosität. Allerdings bin ich<br />

lose mit ein paar Bischöfen befreundet. Wir teilen unsere<br />

Liebe zur Kirchenmusik – und zu bemaltem Glas.<br />

IntervIew: Und was sagen diese Bischöfe, wenn<br />

Sie den inneren Rottweiler von der Leine lassen und<br />

sich über das sogenannte intelligent design Gottes lustig<br />

machen?<br />

DawkIns: Darüber, wie unvorteilhaft Lunge und<br />

Halsschlagader der Giraffe designt sind, oder darüber,<br />

dass dieser vermeintliche Schöpfer so schlau war, einen<br />

Geparden so schnell zu machen, dass er eine Gazelle<br />

erwischt, die Gazelle jedoch so schnell, dass sie<br />

einem Geparden davonrennen kann?<br />

IntervIew: Sehr amüsant.<br />

DawkIns: Jawohl.<br />

IntervIew: Albert Einstein und Stephen Hawking<br />

scheuten das Wort Gott nicht so sehr wie Sie.<br />

DawkIns: Aber diese Kollegen benutzen das<br />

Wort nie im Zusammenhang mit intelligentem Design,<br />

sondern immer in einem poetischen, metaphysischen<br />

Sinne. Einstein betonte des Öfteren, dass er<br />

nicht an einen persönlichen Gott glaube. Und Hawking<br />

schreibt in Eine kurze Geschichte der Zeit, dass wir, wenn<br />

wir denn das Universum in seiner Gänze verstehen, das<br />

Hirn Gottes verstünden. Das ist Poesie.<br />

IntervIew: Hätten Sie gerne den Gottesbrief<br />

Einsteins ersteigert, der vergangenes Jahr unter den<br />

Hammer kam?<br />

DawkIns: Selbstverständlich. Aber ich hatte gerade<br />

keine drei Millionen zur Hand (lacht).<br />

IntervIew: Immerhin besitzen Sie die Erstausgabe<br />

von Darwins Entstehung der Arten.<br />

DawkIns: Das ist richtig.<br />

IntervIew: Professor Dawkins, Sie sind mittlerweile<br />

jenseits der 70. Werden Sie altersmilde?<br />

DawkIns: Kann ich mir nicht vorstellen.<br />

IntervIew: Ich werde das Gefühl nicht los, die<br />

Diskussion um Glaube und Atheismus hat in den vergangenen<br />

zehn Jahren erheblich an Schärfe zugenommen.<br />

Woran liegt das?<br />

DawkIns: Wahrscheinlich am 11. September.<br />

IntervIew: Weil vorher Religion, zumindest in<br />

der westlichen Welt, Privatsache eines jeden Menschen<br />

gewesen ist?<br />

DawkIns: Zum Teil, ja. <strong>Die</strong>ser Tag gab dem religiösen<br />

Irrsinn definitiv Auftrieb. Und bis heute verstehe<br />

ich nicht, warum man ein Flugzeug entführt<br />

und dann, ohne etwas zu verlangen, bereit ist, in den<br />

Tod zu gehen. Was soll das? Wofür?<br />

IntervIew: 72 Jungfrauen, Weintrauben, das Paradies<br />

auf der anderen Seite.<br />

DawkIns: Ach ja, richtig. Da war noch was.<br />

IntervIew: Was erwarten Sie denn?<br />

DawkIns: Ich werde vergraben oder verbrannt.<br />

Ich glaube nicht an ein Leben nach dem irdischen.<br />

IntervIew: Glauben Sie denn, dass es Leben auf<br />

anderen Planeten gibt?<br />

DawkIns: Man muss sehr arrogant sein, das zu<br />

bestreiten. <strong>Die</strong> Wahrscheinlichkeit, dass wir alleine<br />

im Universum sind, ist ziemlich gering. Etwa eins zu<br />

einer Milliarde.<br />

IntervIew: Zum Abschluss noch etwas Privates:<br />

Haben Sie eigentlich vor dem Altar geheiratet?<br />

DawkIns: Nur beim ersten Mal.<br />

Der Zauber Der Wirklichkeit:<br />

<strong>Die</strong> fasZinierenDe Wahrheit hinter<br />

Den rätseln Der natur<br />

Ist Im ullsteIn verlag erschIenen


Kampf mit den eigenen<br />

sündhaften spielen<br />

Gestern richtete jemand einen Schraubenzieher auf mich und sagte währenddessen:<br />

„Dracula, du hast dein Leben gelebt.“ In dieser Sekunde entsetzlichen Schreckens<br />

gingen mir drei Fragen durch den Kopf, 1., ob da grade irgendein Bedarf an Gefühlen<br />

besteht, 2., inwieweit wir uns aus dem Gefängnis in unserem Inneren lösen,<br />

sobald wir beginnen, etwas für an dere als uns selbst zu tun, und 3., wie einfach es ist,<br />

ein Opfer zu erschaffen, man sperrt jemanden in einen dunklen Raum, die Qualen<br />

werden methodisch und eiskalt verstärkt, man teilt der betreffenden Person mit,<br />

dass man der perfekte Spiegel ihrer wahren Gelüste ist, und fügt hinzu, dass sie<br />

damit rechnen kann, in dieser Welt seelisch und körperlich verletzt zu werden.<br />

Schwuppdiwupp sind wir beim Klassiker Verführung angelangt, diesem erschütternden<br />

Kampf mit den eigenen sündhaften Spielen. Sollte ich grade den<br />

Terminus „schwuppdiwupp“ verwendet haben, kann ich mir selbst nicht erklären,<br />

warum. Nach der Meinung bestimmter Film interes<br />

sierter gilt ein Monolog aus Ingmar Bergmans<br />

Film Persona als beste je gedrehte Sexszene. Bibi<br />

Andersson wird als frigide, verlobte Krankenschwester<br />

eingeführt und erzählt dann, in einem<br />

Ferienhaus am Meer, komplett unemotional und<br />

mit auf den Boden gerichtetem Blick von einer Art<br />

Orgie mit minderjährigen Jungs. Man sieht keine<br />

Haut, geschweige denn äußere Geschlechtsmerkmale.<br />

Sie erzählt nur. Es geht in der Einstellung mal<br />

wieder um irgendwas Undefiniertes zum Thema<br />

Projektionen, nur um was für welche genau, fragt<br />

man sich, und warum. Vielleicht, weil das ein neues<br />

„thinking man’s“­Level von Anforderungen an Pornos<br />

ist – nämlich, dass sich die Potenz eines Typen<br />

nicht mehr im Gesicht eines willenlosen kleinen<br />

Girls widerspiegeln muss, sondern sich in diesem<br />

Gesicht gar nichts mehr widerzuspiegeln hat außer<br />

Willenlosigkeit, Naivität und einer mit angeborener<br />

Nonchalance gekoppelten Angst um den Verlust<br />

der eigenen Bürgerlichkeit. Sehr unangemessen,<br />

meiner Meinung nach, aber Filme sind 60<br />

Jahre lang fast ausschließlich von Männern gemacht<br />

worden, deshalb gibt es so wenige von weiblicher<br />

Subjektivität bestimmte Abbildungen von Sex. Und<br />

kaum erfolgreiche unattraktive Schauspielerinnen,<br />

die für was anderes stehen als ihre äußerliche Unzulänglichkeit. Das ist nicht unbedingt<br />

schlimm, nur eine kurz zu benennende Tatsache. Interessant wurde es vor<br />

allem in den Siebzigern und wenn Männer etwas annehmen wollten, von dem sie<br />

dachten, sie würden damit eine bestimmte Emotionalität oder Verhaltenheit von<br />

Frauen ergründen, auf die sie eigentlich keinen Zugriff haben. Das Resultat ist<br />

dasselbe, wie wenn Matthias Schweighöfer in Rubbeldiekatz als Frau verkleidet den<br />

sogenannten „Blick einer Frau“ spielt, der als nicht nachzuahmendes, unergründbares<br />

Element weiblicher Existenz gilt, und sich sein Blick in keinster Weise von<br />

dem einer echten Frau unterscheidet.<br />

Ein wirklich toller Verführungsfilm ist von Chabrol, er heißt Zwei Freundinnen.<br />

Sehr unterhaltsam, es geht um ein Dreiecksverhältnis im High­Society­Milieu von<br />

Saint­Tropez, zwei durchtriebene Girls, ein gewissenloser Typ und am Ende einige<br />

Eifersuchtsmorde mit vergiftetem afrikanischem Jagdmesser.<br />

Letztlich hatte Chabrol vielleicht einfach nur Spaß an Krimistrukturen und<br />

wollte sie deshalb auf eine Lovestory übertragen. Vielleicht hat sich das aus der<br />

natürlichen Erhabenheit von Anna Karina entwickelt, oder Chabrol hatte einen<br />

kurzen Moment genialischer Vermeidung von Überflüssigem, aber jeder Blick,<br />

jeder Gang, jede Reaktion auf tiefschürfende Verletzungen ist so überlegen,<br />

zweideutig und unhysterisch, dass sich die Abgründe von Manipulation und Spaß<br />

an der Herstellung zwischenmenschlicher Beziehungen genauso eindrucksvoll<br />

Kultur<br />

<strong>Die</strong> Kolumne von Helene Hegemann<br />

Charlotte rampling in Max Mon aMour, 1986<br />

70<br />

breitmachen wie in Horrorfilmen Monster, deren Schatten man nur sieht. <strong>Die</strong>se<br />

Spannung hat nichts mit spezifisch weiblicher Kaltblütigkeit oder Undurchschaubarkeit<br />

zu tun, sondern mit dem Ansatz eines Regisseurs, etwas, das er nicht<br />

kennen zu können glaubt, verstehen zu wollen. Und zwar ohne es konkret abzubilden.<br />

Auch ganz toll ist der Film Max mon Amour des Regisseurs Nagisa Oshima, der<br />

sich dieses Mechanismus wahrscheinlich sehr bewusst war. Charlotte Rampling<br />

spielt eine gutbürgerliche, nicht im Geringsten verrückt wirkende Frau, die ein<br />

Verhältnis mit einem Schimpansen hat. Ihr Mann versucht rauszufinden, warum,<br />

engagiert beispielsweise eine Prostituierte für den Affen, um ergründen zu können,<br />

wie Sex mit dem funktioniert, all das bringt nichts, es wird die Verzweiflung an den<br />

nicht nachzuvollziehenden Tiefen unseres Begehrens gezeigt, und am Ende sitzt<br />

die ganze Familie in durchgeballerten Anziehsachen<br />

im Auto und fragt sich 1., was dieses Begehren<br />

mit ihr macht, und 2., wie ein derartiger Film überhaupt<br />

gefördert werden konnte. Das wäre heute<br />

undenkbar, weil alles immer auf Biegen und Brechen<br />

bis ins letzte Detail „verstanden“ werden soll.<br />

Jeder braucht bis zur Geburt durchgetaktete Rollenprofile.<br />

Es geht kaum noch um rasantes Timing<br />

und guten Geschmack oder kriminelle Energien,<br />

sondern darum, dass alle permanent alles verstehen,<br />

Charaktere und deren Vergangenheiten dementsprechend<br />

nachvollziehbar sind. Nachvollziehbare<br />

Charaktere, mein Gott. Da sitzen ja längst echte<br />

MENSCHEN, die sich spielerisch zu TEXTEN<br />

verhalten vor der Kamera, irgendwelche Charaktere<br />

kriegt man aus so einem Aufeinandertreffen<br />

schon rausgequetscht, das dazu.<br />

O.k. Verführungsfilm Nummer 3, hochaktuell<br />

oder wie auch immer man das nennen will, heißt<br />

Liebe und ist von Ulrich Seidl. Ulrich Seidls Filme<br />

gelten als schonungslose, nahezu dokumentarische<br />

Abbildungen von Realität, manchmal auch als voyeuristisch<br />

oder effekthascherisch, ich empfinde sie<br />

in erster Linie als die ästhetisch durchkomponiertesten<br />

Opern, die im deutschsprachigen Raum grade<br />

gemacht werden. Von dem Geld für einen Episodenfilm<br />

hat er aus Versehen drei Filme gedreht, eine Trilogie mit dem Namen<br />

„Paradies“, die Filme laufen im Abstand von einigen Wochen in den Kinos und<br />

hatten bzw. haben ihre Premieren nacheinander in Cannes, Venedig und bei der<br />

Berlinale. Liebe ist der erste, es geht um eine übergewichtige Behinderten pflegerin,<br />

untere Mittelklasse, die ihre Tochter ins Diätcamp schickt und selbst zum Sextourismus<br />

nach Afrika fährt. Was da abläuft in Kenia, ist die durchnuancierte Abarbeitung<br />

an allem, was Verführung sein kann, sehr hart, sehr schön, komischerweise<br />

wertfrei. Im zweiten Film, Glaube, geht es um die Schwester der Frau, die sich von<br />

Jesus, also letztlich sich selbst, verführen lässt, und im dritten wahrscheinlich um<br />

den Ursprung allen Übels, das 14­jährige, als „nicht den Standards entsprechend“<br />

eingeordnete Mädchen im Diätcamp, das sich selbst, weil zu dick, als sein größtes<br />

Hauptproblem einstuft, sich fragt, was Sex ist und wie viel es als das, was es ist, mit<br />

über den normalen Rest der Welt erzählten Geschichten zu tun haben darf. Irgendwann<br />

geht sie das Risiko ein, sich zu verlieben. In jemanden, der alt und frustriert<br />

genug ist, um sie manipulieren zu können, der keine Gewissensbisse ihr gegenüber<br />

zu haben braucht, sondern sie, nachdem er alle Verführungsmechanismen<br />

ausgespielt hat, nur aus Angst um sich selbst ablehnt, und zwar radikal. Wahnsinnsfilme,<br />

wirklich, und jetzt ist die Seite voll, und was könnte all das jetzt miteinander<br />

zu tun haben, fragt man sich an dieser Stelle, doch nicht mal ich<br />

habe die geringste Ahnung. Bis später!<br />

Foto: Cinetext; Illustration: Sandra Buergel<br />

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… und das erfolgreichste Allroundtalent des deutschen Kinos. Was Matthias Schweighöfer mit seinem besten Freund Milan Peschel<br />

zu besprechen hatte, lesen Sie auf den nächsten Seiten (ihr gemeinsamer neuer Film Schlussmacher läuft derzeit im Kino).<br />

Seine Kollegin <strong>Hannelore</strong> <strong>Elsner</strong> hat der Fotograf Ralph Mecke ziemlich spektakulär in Szene gesetzt, und die Autorin Heike Blümner<br />

hat sie zu Rotwein und <strong>Interview</strong> in ihre Küche eingeladen. Außerdem: Acht hoch talentierte junge Schauspielerinnen stellen sich vor,<br />

Tom Cruise erinnert sich an die Arbeit mit dem Regisseur Stanley Kubrick, und Tim Burton führt uns durch seinen makaberen Kosmos.<br />

Plus: die schönsten Seiten aus Toiletpaper, dem krassen Fanzine des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan.<br />

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Milan Peschel


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mugler<br />

Er wuchs im Theater<br />

auf, und im Kino<br />

wurde er zum Star.<br />

Inzwischen ist<br />

MaTThIaS<br />

SchwEIghöfEr<br />

die allzweckwaffe des<br />

deutschen films – für<br />

literarische Stoffe (<strong>Die</strong><br />

Freunde der Freunde,<br />

Soloalbum), figuren<br />

der Zeitgeschichte<br />

(Manfred von richthofen,<br />

rainer Langhans,<br />

Marcel reich-ranicki)<br />

und Tierfilme (Keinohrhasen,<br />

Zweiohrküken,<br />

Rubblediekatz). als er in<br />

der Russendisko tanzte,<br />

kreischten die girls:<br />

What A Man! Jetzt,<br />

zum Start seines neuen<br />

films Schlussmacher,<br />

ließ er sich von seinem<br />

Kollegen und guten<br />

freund Milan Peschel<br />

interviewen<br />

77<br />

Milan Peschel: Matthias, sag mal, angeblich hast<br />

du den Film, bei dem wir uns kennengelernt haben,<br />

nur unter der Bedingung gemacht, dass ich eine Rolle<br />

bekomme.<br />

Matthias schweighöfer: Was?<br />

Peschel: Hast du mir doch selbst erzählt.<br />

schweighöfer: Hab ich dir erzählt – aber hat ja<br />

auch geklappt im Endeffekt.<br />

Peschel: Aber warum war dir das so wichtig?<br />

Wieso bin ich dir so aufgefallen? Haben wir eine ähnliche<br />

Humorlage? Wahrscheinlich. Vielleicht ist es<br />

dieser Humor, den du magst. Du hättest ja auch sagen<br />

können: „Nee, ich möchte, dass der oder der die Rolle<br />

bekommt.“<br />

schweighöfer: Nee, ich habe dich besetzt, weil<br />

wir Freunde sind.<br />

Peschel: Aber da waren doch noch gar keine<br />

Freunde.<br />

schweighöfer: Na klar waren wir schon<br />

Freunde, als wir Schlussmacher gedreht haben.<br />

Peschel: Ich rede doch von Das wilde Leben.<br />

schweighöfer: Ach so, Das wilde Leben … Na,<br />

ich hatte dich in der Volksbühne in Schmutzige Hände<br />

gesehen und fand dich als Schauspieler einfach so lustig<br />

und toll. Dann kam der Film Netto, und ich habe<br />

dich angesprochen. Damals habe ich dich noch gesiezt,<br />

weißt du noch? Aber wie es von da mit unserer<br />

Freundschaft weiterging, weiß ich gar nicht mehr.<br />

Peschel: Na ja, wir haben uns einfach von Anfang<br />

an gut verstanden.<br />

schweighöfer: Weil wir beide auf unsere Art<br />

einfach cool sind.<br />

Peschel: Weiß ich nicht. Cool sind viele. Ich finde<br />

nicht, dass ich cool bin.<br />

schweighöfer: Ich finde, du bist saucool. Du<br />

kannst Hemden tragen, ohne dass du Schweißflecken<br />

bekommst. Findest du das doof, dass du mich hier<br />

inter viewen sollst?<br />

Peschel: Hm.<br />

schweighöfer: Ich sehe dir das doch an, ich<br />

kenn doch meinen Freund Milan.<br />

Peschel: Ich komme mir vor wie im Zoo.<br />

schweighöfer: Nee, ist doch alles gut. Was<br />

macht dir eigentlich mehr Spaß? Theater oder Film?<br />

Peschel: Na, im Theater bin ich zu Hause. Im<br />

Film bin ich immer Gast oder Neuling. Vor der Kamera<br />

muss ich mich erst akklimatisieren. Im Gegensatz<br />

zum Theater brauche ich immer ein paar Tage,<br />

bis ich eine Figur für mich gefunden habe.<br />

schweighöfer: Ja, stimmt. Beim Schlussmacher<br />

warst du nach dem vierten Tag oder so drin.<br />

Peschel: Im Theater bin ich auch immer mehr<br />

ich selbst.<br />

schweighöfer: Du bist eigentlich der beste<br />

Theaterschauspieler, den ich kenne. Wegen dir habe<br />

ich angefangen, Theater zu spielen. Wegen dir und<br />

der Volksbühne.<br />

Peschel: Aber wie kam das eigentlich, dass du<br />

dich so für das Theater interessierst? Wieso ist das so?<br />

schweighöfer: Mensch, Milan – ist dir das<br />

nicht aufgefallen, dass mein Vater und meine Mutter<br />

Theaterschauspieler sind?<br />

Peschel: Du meinst, du interessierst dich fürs<br />

Theater, weil das in deinem Leben immer präsent war?<br />

schweighöfer: Immer. Nach der Schule war<br />

ich immer in der Theaterkantine.<br />

Peschel: Damals durfte man da ja noch rauchen.<br />

schweighöfer: Deswegen habe ich vor acht<br />

Jahren mit dem Rauchen aufgehört.<br />

Peschel: Du hast mal geraucht?<br />

schweighöfer: Ja, vor neun Jahren. Da kannten<br />

wir uns noch nicht. Aber durch meine Mutter<br />

(Gitta Schweighöfer) war ich immer in der Provinz im<br />

Theater, und durch meinen Vater Micha kannte ich<br />

die Theater in Berlin. Und dadurch, dass das oft so<br />

Geh-und-Steh-Theater war …<br />

Peschel: Ist dir das damals schon so übel aufgestoßen,<br />

das Geh-und-Steh-Theater?<br />

schweighöfer: Ja, immer schon. Deswegen<br />

fand ich die Volksbühne auch so toll. Ich weiß noch,<br />

wie Henry (Hübchen) einmal auf der Bühne stand und<br />

das Publikum fragte: „Hat hier jemand ’n Spiegel dabei?<br />

Hat hier denn keener ’n Spiegel, oder wat?“ Auch<br />

das immer berlinert wurde, war toll. Oder du, wenn<br />

du immer so mit den Armen gerudert hast. Dadurch<br />

habe ich wieder den Weg zum Theater gefunden.<br />

Aber das Theater war etwas, womit ich groß geworden<br />

bin. Und Film war für mich immer ein großer<br />

Traum, der wahr werden könnte. Theater funktioniert<br />

für mich immer in der Situation, aber mit Theater<br />

hebst du nie unwirklich ab. Du kannst im Theater<br />

einfach nicht den Ring der Macht ins ewige Feuer<br />

werfen. Das geht nicht.<br />

Peschel: Theater ist Text, Film sind Bilder.<br />

schweighöfer: Man würde sich natürlich freuen,<br />

wenn man im Theater den Gollum spielen dürfte.<br />

Aber wenn man sich das anschaut, würde man denken:<br />

Da spielt jemand den Gollum. Im Film ist es so<br />

toll, dass man einfach Musik über das Bild knallt, und<br />

schon bist du in einer anderen Welt.<br />

Peschel: Man hat im Theater auch keine Großaufnahme.<br />

Aber du hast ja ein paar Mal Theater gespielt.<br />

schweighöfer: Ich habe unter anderem mit dir<br />

zusammen bei Frank Castorf an der Volksbühne gespielt,<br />

falls dir das nicht aufgefallen ist.<br />

Peschel: Ich weiß.<br />

schweighöfer: Das war schön. Ich fand immer<br />

so lustig, wie du mit deinem weißen Schlüpper in der<br />

Umkleide gesessen hast. Dann das Duschen danach,<br />

das war schön.<br />

Peschel: Aber warum spielst du nicht mal bei<br />

mir? Oder hast du das Gefühl, dass du so viele andere<br />

Dinge zu erledigen hast? Du könntest ja auch sagen:<br />

„So, das nächste Jahr oder das nächste halbe Jahr halte<br />

ich mir frei, und da spiele ich mal beim Milan mit!“<br />

schweighöfer: Es ist natürlich mein Wunsch,<br />

bei dir mitzuspielen. Es ist halt nur so, dass meine Produktionsfirma<br />

Verträge über Filme hat, die wir drehen<br />

müssen. Und außerdem ich bin gerade in einem guten<br />

Alter, um Filme zu machen, mich da auszutoben und<br />

zu testen …<br />

Peschel: Deswegen auch meine Frage, das hatte<br />

ich mir schon gedacht …<br />

schweighöfer: Aber mir fehlt das ja auch. Sobald<br />

ich im Theater bin, juckt es mich wieder.<br />

Peschel: Du bist ja total begabt fürs Theater.<br />

schweighöfer: Ich spiele ja auch gerne. Du<br />

weißt ja, wie gerne ich spiele.<br />

Peschel: Glaubst du, dass du das in den Genen<br />

hast? Du hast ja auch einen ganz ähnlichen Humor<br />

wie dein Vater.<br />

schweighöfer: Ja?<br />

Peschel: Ihr seid euch da total ähnlich. Ist es nicht<br />

komisch, dass manche Leute eine ähnliche Humor lage<br />

haben? Wir haben auch einen ähnlichen Humor und<br />

Henry (Hübchen) auch. Mein Vater, der kein Schauspieler<br />

ist, der über 40 Jahre Mathe- und Physiklehrer war,<br />

hat übrigens auch unsere Humorlage.<br />

schweighöfer: Ja?<br />

Peschel: Ja, klar.<br />

schweighöfer: Das ist interessant, das wusste<br />

ich gar nicht.


“<br />

<strong>Die</strong> New York Times hat über<br />

What A Man geschrieben,<br />

und da steht, der Film habe<br />

Dialoge wie die Filme von<br />

Woody Allen in den Siebzigern<br />

”<br />

– Matthias Schweighöfer<br />

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Peschel: Das kannst du ja auch nicht wissen,<br />

du hast ihn ja noch nicht kennengelernt. Aber das ist<br />

doch lustig, dass es so ist, oder? Vielleicht entstehen<br />

deshalb Freundschaften oder Wahlverwandtschaften.<br />

Für mich bist du manchmal wie mein kleiner Bruder,<br />

also im Theater. Im Kino bist du eher mein großer<br />

Bruder, jemand, der mich auch beschützt. Ist es<br />

anders herum für dich genauso?<br />

schweighöfer: Weiß ich nicht. Eigentlich bist<br />

du für mich nicht wie ein Bruder. Du bist ein bisschen<br />

mehr. Du bist eher wie mein Spiegelbild, ich spiegele<br />

mich manchmal in dir. Du bist so unglaublich herzlich<br />

und sozial und immer darauf bedacht, dass es anderen<br />

gut geht. Und du suchst auch immer noch, in der<br />

Hinsicht bist du noch wahnsinnig jung. Da bist du ja<br />

immer noch Sandkasten …<br />

Peschel: Neugierde ist ja auch was absolut Essenzielles,<br />

um am Leben zu bleiben.<br />

schweighöfer: Ja, aber kannst du mich vielleicht<br />

trotzdem mal ausreden lassen?<br />

Peschel: Wir reden hier so, als würden wir uns<br />

den Leuten, die das lesen, gegenseitig erklären.<br />

schweighöfer: Das wusstest du doch. Das finde<br />

ich jetzt scheiße von dir, dass du es versaust.<br />

Peschel: Na, ich versau es doch nicht.<br />

schweighöfer: Aber das lesen die Leute doch.<br />

<strong>Die</strong> denken sich: Was sind das denn für Vollpfeifen?<br />

Also wirklich, seitdem du nicht mehr kiffst, bist du<br />

echt … (lacht)<br />

Peschel: Oh je, wenn meine Kinder das lesen,<br />

denken die noch, ich kiffe.<br />

schweighöfer: Sag mal, hast du die New York<br />

Times gelesen?<br />

Peschel: Nee, neulich jetzt gerade nicht.<br />

schweighöfer: Aber du weißt, wovon ich rede?<br />

Peschel: Nein, keine Ahnung.<br />

schweighöfer: <strong>Die</strong> haben über What A Man<br />

geschrieben, und da steht, der Film habe Dialoge wie<br />

die Filme von Woody Allen in den Siebzigern.<br />

Peschel: Ach, echt? Ist ja doll. Du, ich habe dir ja<br />

schon mal gesagt, Woody Allen würde in Deutschland<br />

drehen, wenn er eine Firma findet, die das Geld dafür<br />

auftreibt. Sei doch die Firma, die für Woody Allen das<br />

Geld auftreibt. Das wäre doch großartig.<br />

schweighöfer: Das wäre super.<br />

Peschel: Magst du Woody Allen?<br />

schweighöfer: Ob ich ihn mag? Mit Midnight<br />

In Paris konnte ich nicht richtig was anfangen.<br />

Peschel: Ich schon. Mich stört auch überhaupt<br />

nicht, dass der Film so weichgespült ist. Ich finde,<br />

Woody Allen hat sich das verdient. Mit seinen 77 Jahren<br />

darf der ruhig auch mal sentimental sein. Als ich<br />

neulich mit meiner Familie in Paris war, sind wir auch<br />

zu der Treppe gegangen, an der Owen Wilson immer<br />

abgeholt wurde. Ich mag den übrigens, das ist ein toller<br />

Schauspieler. Auch in der Kombination mit Ben Stiller.<br />

Wer ist denn eigentlich dein Lieblingsregisseur?<br />

schweighöfer: Ich mag Zach Braff als Regisseur.<br />

Peschel: Wen?<br />

schweighöfer: Zach Braff.<br />

Peschel: Kenn ich nicht.<br />

schweighöfer: Wie du jetzt guckst?! So habe<br />

ich dich lange nicht gucken sehen. So erwartungsvoll.<br />

Du denkst, ich sage Brian De Palma oder Martin<br />

Scorsese. Dann: Zach Braff. Und du so: Wat? Wen?<br />

Das ist der, der Garden State gedreht hat.<br />

Peschel: Ach so.<br />

schweighöfer: Hast du den gesehen?<br />

Peschel: Ja, auf deine Empfehlung hin.<br />

schweighöfer: Ich mochte das Tapetenhemd.<br />

Und Wes Anderson find ich gut. <strong>Die</strong> frühen Sachen<br />

“<br />

Okay – ich hätte<br />

gerne noch zwei<br />

Kinder, das würde mir<br />

schon reichen. Und<br />

dass wir draußen noch<br />

ein bisschen am Haus<br />

rumbauen<br />

”<br />

– Matthias Schweighöfer<br />

80<br />

von Scorsese, aber ich kann jetzt nicht sagen, dass ich<br />

einen Lieblingsregisseur habe.<br />

Peschel: Welche aktuellen Filme würdest du<br />

gern sehen?<br />

schweighöfer: Skyfall muss ich noch sehen.<br />

Peschel: Ja, Skyfall ist klasse. Das ist nicht nur<br />

der beste James Bond, sondern einfach ein guter Film.<br />

schweighöfer: Ich habe mir gestern zum Beispiel<br />

The Dark Knight Rises angeguckt, und der Film<br />

ging mir echt auf den Sack. Erstens hörte der nicht auf,<br />

und dann konnte ich es irgendwann einfach nicht mehr<br />

ertragen, wie alle immer so langsam gesprochen haben.<br />

Der Einzige, der cool war, war Tom Hardy als Baine.<br />

Der war toll, auch mit seiner Stimme und so.<br />

Peschel: Und was erwartest du noch so von der<br />

Zukunft?<br />

schweighöfer: Du bist so bescheuert (lacht).<br />

Peschel: Nee, ganz im Ernst.<br />

schweighöfer: Okay – ich hätte gerne noch<br />

zwei Kinder, das würde mir schon reichen. Und dass wir<br />

draußen noch ein bisschen am Haus rumbauen. Dass<br />

wir beide noch viel zusammen spielen und ein bisschen<br />

Theater machen. Dass wir gesund bleiben. Und dass<br />

ich mit dir noch viel Filme drehen kann und so.<br />

Peschel: Das würde ich auch gern. Das habe ich<br />

auch festgestellt: Wenn man seine Arbeit zusammen<br />

mit einem Freund machen kann und die Arbeit dann<br />

auch eine Kontinuität bekommt, dann ist das toll.<br />

schweighöfer: Und dass wir noch viel zusammen<br />

kochen und ich öfter bei dir draußen im Haus bin.<br />

Peschel: Das würde ich mir auch wünschen.<br />

schweighöfer: Wenn man sich den Schlussmacher<br />

jetzt anschaut, zum Beispiel die Szene, wo wir auf<br />

der Burgmauer sitzen, dann merkt man, wie wir beide<br />

sonst so miteinander sind. Das ist schon bezaubernd.<br />

Peschel: Und die Kernaussage des Films, „Liebe<br />

ist nichts für Feiglinge“, ist eigentlich ein ziemlich<br />

guter Satz, oder? Der klingt zwar unheimlich banal,<br />

aber andererseits stimmt er ja auch. Oft stecken in den<br />

größten Banalitäten ja die ganz großen Wahrheiten.<br />

schweighöfer: Wenn man den Kommentaren<br />

auf YouTube glaubt, ist das wohl auch ein Satz, der oft<br />

gesagt wird.<br />

Peschel: Ich finde das oft gemein, was da geschrieben<br />

wird.<br />

schweighöfer: Ist doch egal.<br />

Peschel: Ja, aber das sind so oberflächliche Bemerkungen,<br />

mit denen Sachen generell runtergemacht<br />

werden. Ist doch schade. Auch immer dieses<br />

Kategorisieren: „Der deutsche Film ist doch eine einzige<br />

Scheiße.“ Es gibt ja viele, die so reden.<br />

schweighöfer: Ja, ist gut, aber …<br />

Peschel: Aber das stimmt einfach nicht. Klar, es<br />

stimmt teilweise, aber dann gibt es auch wieder Sachen,<br />

die nicht scheiße sind. Da wird einfach nicht<br />

genau hingeguckt.<br />

schweighöfer: Alles, was einigermaßen groß<br />

aussieht, kriegt gleich was auf die Mütze.<br />

Peschel: Das ist doch furchtbar. Auch dass man<br />

gleich in Schubladen gesteckt wird. „Das ist ein Arthouse-Schauspieler!“<br />

„Der macht nur Kommerz!“<br />

Hast du damit eigentlich Erfahrungen gemacht?<br />

Wirst du von bestimmten Leuten gemieden?<br />

schweighöfer: Ja, für bestimmte Arthouse-<br />

Filme gelte ich wahrscheinlich echt schon als zu kommerziell.<br />

Allein schon, wenn mein Name draufsteht.<br />

Peschel: Aber das ist doch schade.<br />

schweighöfer: Ich finde es nicht so schlimm,<br />

dann mache ich lieber die Arthouse-Filme selbst, mit<br />

Leuten, die ich mir ranhole. Genauso wie bei dir jetzt.<br />

Da hat doch keiner nach dem deutschen Filmpreis für<br />

Halt auf freier Strecke damit gerechnet, dass du jetzt<br />

im Schlussmacher mitspielen würdest. Aber ich finde es<br />

cool von dir, dass du das machst.<br />

Peschel: Was heißt denn cool? Das ist ganz normal.<br />

Ich will doch nicht in irgendeiner Schublade stecken,<br />

das ist doch albern. Man nimmt sich dadurch<br />

doch ganz viele Möglichkeiten. Man begrenzt sich so.<br />

Ehrlich gesagt würde ich Til Schweiger gerne mal in<br />

einem Arthouse-Film sehen.<br />

schweighöfer: Das wird auch kommen.<br />

Peschel: Ich glaube auch, dass der das kann. Und<br />

der ist jetzt nur das extremste Beispiel. In Amerika ist<br />

das gang und gäbe. Da macht dann eben Ben Stiller<br />

einen Film wie Greenberg zum Beispiel.<br />

schweighöfer: Aber in Hollywood haben die<br />

auch verschiedene Genres, das haben wir in Deutschland<br />

ja nicht so.<br />

Peschel: Ja, klar. Aber die Leute, die an den Genrefilmen<br />

beteiligt sind, mischen sich immer wieder.<br />

schweighöfer: Stimmt.<br />

Peschel: Klar gibt es Leute, die mehr in Arthouse-Filmen<br />

mitspielen. Aber Mark Ruffalo, der in<br />

The Kids Are All Right mitspielt, spielt kurz darauf in<br />

The Avengers den Hulk.<br />

schweighöfer: Stimmt.<br />

Peschel: Der spielt beides großartig. Und Edward<br />

Norton hat auch den Hulk gespielt. Eric Bana<br />

spielte den Hulk. Und bald werde ich auch den Hulk<br />

spielen, wenn das hier so weitergeht.<br />

schweighöfer: Du als Hulk – das würde ich<br />

gerne sehen wollen. Du so ganz grün in einer kurzen<br />

Jeans, das fände ich cool.<br />

Peschel: Bist du eigentlich glücklich mit dem,<br />

was du so machst?<br />

schweighöfer: Ja, ich bin glücklich, ja. Ich bin<br />

zwar auch sehr müde, aber ich bin sehr froh darüber,<br />

wie das alles so läuft. Privat ist es was anderes, aber<br />

beruflich bin ich sehr, sehr froh.<br />

Peschel: Ist schon irgendwie schön, oder?<br />

schweighöfer: Ja, ist schön. Ich bin stolz auf<br />

meine Firma und uns alle und bin froh, dass der Film<br />

jetzt draußen ist und die Leute ihn sehen können.<br />

Peschel: Find ich auch toll. Und die Leute werden<br />

ihn mögen.<br />

schweighöfer: Das hoffe ich auch.<br />

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Wenn ich Millionen verdienen würde,<br />

fände ich es auch chic, jemanden<br />

zu haben, der mir meine Kleider aussucht.<br />

Aber irgendwie ist mir das auch alles<br />

zu äußerlich<br />

”<br />

<strong>Hannelore</strong> <strong>Elsner</strong>


<strong>Hannelore</strong><br />

ElsnEr<br />

Manche finden sie ein bisschen<br />

melo dramatisch, dabei ist<br />

sie einfach eine Frau, die in jeder<br />

Situation eine Geschichte sieht.<br />

Manche finden, eine Frau mit<br />

70 Jahren müsse sich nicht mehr<br />

mit einem nackten Jüngling<br />

foto grafieren lassen. Doch<br />

<strong>Hannelore</strong> <strong>Elsner</strong> mag einfach<br />

Rollen, die an Grenzen stoßen.<br />

Als <strong>Die</strong> Unberührbare und<br />

<strong>Die</strong> Kommissarin hat die<br />

Schauspielerin deutsche Film- und<br />

Fernseh geschichte geschrieben,<br />

für INTERVIEW ließ sie sich<br />

kurz vor der Berlinale noch einmal<br />

in Szene setzen<br />

von<br />

Heike BLÜMNER<br />

Fotos<br />

RAlph Mecke<br />

styling<br />

klAus stockhAusen<br />

96<br />

kleid<br />

pRAdA


<strong>Die</strong> Idee war, ein Gespräch am Küchentisch zu führen.<br />

Doch kann man eine der bekanntesten Schauspielerinnen<br />

Deutschlands einfach zu sich nach Hause<br />

einladen? Wir waren uns nicht sicher. Deshalb ließen<br />

wir <strong>Hannelore</strong> <strong>Elsner</strong> die Wahl: ein Treffen in einem<br />

Restaurant, an der Bar in ihrem Hotel – oder eben<br />

am Küchentisch. Gefühlte hundert Beratschlagungen<br />

später riss der Schauspielerin der Geduldsfaden: Sie<br />

habe den Eindruck, man wolle das <strong>Interview</strong> gar nicht<br />

wirklich führen. Und es sei doch klar, wo so ein Gespräch<br />

stattfinden müsse. Dort, wo montagabends bei<br />

ein paar Flaschen Wein alle guten Gespräche stattfinden<br />

– zu Hause am Küchentisch. Recht hatte sie,<br />

und es wurde eine lange Nacht im allerbesten Sinne.<br />

Denn das Leben von <strong>Hannelore</strong> <strong>Elsner</strong> ist durchaus<br />

abendfüllend.<br />

<strong>Hannelore</strong> elsner: Wir planen gerade ein großes<br />

Ding zeitgleich zur Berlinale. Wissen Sie das?<br />

IntervIew: Nein, was denn?<br />

elsner: <strong>Die</strong>ser fantastische Film <strong>Die</strong> endlose Nacht<br />

von Will Tremper aus dem Jahr 1963, in dem ich auch<br />

mitspiele, wird dieses Jahr am 9. Februar wieder aufgeführt.<br />

Am Flughafen Tempelhof, dort wo er gedreht<br />

wurde und wo er damals auch in der Abflughalle mit<br />

der großen Uhr seine Premiere feierte. Ich bin von<br />

diesem Film nach wie vor begeistert. Harald Leipnitz,<br />

einer der Hauptdarsteller, spielt darin so unvorstellbar<br />

großartig wie der junge Marcello Mastroianni.<br />

IntervIew: Wann waren Sie denn das erste Mal<br />

auf der Berlinale?<br />

elsner: Es ging erst relativ spät für mich los, obwohl,<br />

ich war ja noch ganz jung, so Anfang 30. 1973<br />

hatte ich den Film <strong>Die</strong> Reise nach Wien mit Edgar<br />

Reitz gemacht und war zum ersten Mal dabei. Mein<br />

damaliger Partner, der Filmemacher Alf Brustellin,<br />

war auch dabei. Es war ganz toll damals. Das Festival<br />

war im Sommer, und oft war auch die Stimmung total<br />

aufgeheizt. Ich erinnere mich zum Beispiel daran,<br />

dass Herbert Achternbusch den damaligen Innenminister<br />

Zimmermann vor den Kopf stieß, weil er von<br />

ihm keinen Preis für Das Gespenst entgegennehmen<br />

wollte, und alle protestierten. Aber vor allem saß ich<br />

Tag und Nacht im Kino, es war ein echtes Filmfest.<br />

IntervIew: Heute sind die Events ja mehr ins<br />

Zentrum gerückt.<br />

elsner: Ja, aber es gab auch schon eine frühe<br />

Berlinale­Zeit, als Schauspielerinnen wie Ruth Leuwerik<br />

berühmt waren. Da standen die Events auch<br />

mehr im Mittelpunkt, doch mich hat das damals gar<br />

nicht interessiert. Heute hat das aber alles einen ganz<br />

anderen Stellenwert. Vor allem seit der Gründung der<br />

Deutschen Filmakademie gibt es ein anderes Bewusstsein<br />

in der Öffentlichkeit. Deshalb finde ich es<br />

wichtig, dort Präsenz zu zeigen. <strong>Die</strong> Berlinale und die<br />

Veranstalter sind heute einfach großartig.<br />

IntervIew: Feiern Sie gerne?<br />

elsner: Ja, das macht Spaß. Feiern ist was Herrliches<br />

– aber nur, wenn ich nicht in einer Produktion<br />

bin. Na gut, vielleicht mal ein kleiner Unfall hier und<br />

da. Aber schau mal, es ist doch so, wenn ich in Berlin<br />

bin: <strong>Die</strong> Leute rufen an und sagen, komm doch hierhin<br />

und dahin, aber das geht einfach nicht. Ich muss ja<br />

abends arbeiten und Texte lernen. Ich kann dann<br />

nicht rausgehen und feiern. Leider.<br />

IntervIew: Was gab es noch für Highlights auf<br />

der Berlinale?<br />

elsner: Am tollsten ist es natürlich, wenn man<br />

selbst mit einem Film da ist. Dann ist man irgendwie<br />

so geschützt und getragen von dieser Euphorie. Als<br />

<strong>Die</strong> Unberührbare im Panorama lief – das war auch so<br />

“<br />

Ich habe mich<br />

immer über das<br />

Älterwerden gefreut,<br />

weil es bedeutet,<br />

dass man länger am<br />

Leben ist. Aber ich<br />

komme jetzt schon in<br />

eine andere Zeit<br />

für mich, wo ich denke,<br />

dass ich noch nicht<br />

alles in Ordnung<br />

gebracht habe<br />

”<br />

– <strong>Hannelore</strong> <strong>Elsner</strong><br />

eine Sache. Das war ja die letzte schlimme Tat von<br />

Moritz de Hadeln, dass er <strong>Die</strong> Unberührbare ins Panorama<br />

steckte und nicht in den Wettbewerb. Das hat<br />

niemand verstanden. Dem hat der Film einfach nicht<br />

gefallen. Das ist doch unvorstellbar. Da sind auch die<br />

Filmjournalisten auf ihn losgegangen. Und dann wurden<br />

wir auch noch für den Oscar nominiert, das war<br />

für ihn schon ein bisschen peinlich. Unter Kosslick<br />

hätte das sicher anders ausgesehen.<br />

IntervIew: Entsprachen Ihre frühen Filme, als<br />

Sie ganz jung waren, Ihrem damaligen Lebensgefühl?<br />

elsner: Ach, diese Filme wie Lausbubengeschichten.<br />

Mein Gott, das sind gut gemachte Filme, und<br />

Theo Lingen und solche Schauspieler, das waren ja<br />

ganz tolle Leute. Mein in Anführungsstrichen berühmtester<br />

Auftritt war der, wo ich die französische<br />

Austauschschülerin Geneviève spiele. Da war ich auch<br />

gerade in Paris gewesen und konnte diesen wunderbaren<br />

französischen accent so gut. Lustige Filme, sonst<br />

nichts. Das habe ich gemacht, um Geld zu verdienen.<br />

Ich nenne das Papas Kino, aber das war nicht das<br />

Wichtige für mich, das hat auch mich nicht geprägt.<br />

IntervIew: Wen interessierte dieses Kino damals?<br />

elsner: Mich interessierte es nicht. Ich war ganz<br />

anders, und es gab ganz viele, die auch anders waren.<br />

Meine Anfänge liegen auch nicht in diesem Genre.<br />

Angefangen habe ich mit einem jungen türkischen<br />

Regisseur, Halit Refig, der mich auf der Straße entdeckt<br />

hat und mich zu Dreharbeiten in die Türkei<br />

holte. Er wurde später ein anerkannter türkischer Filmemacher.<br />

Damals, mit 16 Jahren, habe ich nicht begriffen,<br />

warum der Film schlussendlich nicht zustande<br />

kam. Erst später habe ich verstanden, dass er einen<br />

ernsthaften Film machen wollte und nicht so eine läppische<br />

Liebesgeschichte, wie es der Produzent gern<br />

gehabt hätte. Auch vor <strong>Die</strong> endlose Nacht habe ich Filme<br />

gemacht, die waren ganz düster, so Schwarz­<br />

Weiß­Filme, wo junge Mädchen auf die schiefe Bahn<br />

geraten sind. Und dann gab es noch die berühmten<br />

Stahlnetz­Filme im Fernsehen, wo ich eine junge<br />

Mörderin spielen durfte. Und ich habe viele Jahre<br />

lang Theater gespielt.<br />

IntervIew: Heute spielen Sie kein Theater mehr?<br />

elsner: Ich wollte mehr Film machen, und ich<br />

wollte nicht Teil eines festen Ensembles werden. Aber<br />

ich finde Theater nach wie vor spannend, und wie<br />

zum Beispiel Nina Hoss Theater und Film miteinander<br />

verbindet, finde ich super. Theater ist lebenstechnisch<br />

gesehen sehr anstrengend. Du bist den ganzen<br />

Tag mit diesem anderen Leben beschäftigt und abends<br />

immer auf der Bühne. <strong>Die</strong>se ewige Konzentration Tag<br />

und Nacht, und dann die Tourneen. Gerade mit einem<br />

kleinen Kind war das irgend wann auch zu krass.<br />

IntervIew: Das Fernsehen hat ja in Ihrer Karriere<br />

auch eine große Rolle gespielt.<br />

elsner: Ja, da war natürlich <strong>Die</strong> Kommissarin ganz<br />

wichtig für mich.<br />

IntervIew: Das war eine sehr beliebte Serie.<br />

elsner: Absolut, und es gab viele gute Fernsehspiele<br />

und Serien.<br />

IntervIew: Ich würde aber auch sehr gerne über<br />

das heutige deutsche Fernsehen mit Ihnen lästern.<br />

Sind Sie dabei?<br />

elsner: Ich kann nicht über das deutsche Fernsehen<br />

schimpfen, denn ich schaue nur die besten Sachen.<br />

Arte, 3sat, ZDFinfo und ZDF neo, da freue ich<br />

mich immer so sehr, zum Beispiel auf die Sendung<br />

Kulturzeit. Wenn ich dann noch wunderbare Dokumentationen<br />

über Oscar Niemeyer oder die deutsche<br />

Jazzsängerin Inge Brandenburg sehe, die es ganz<br />

schwer hatte und in den 50er­ und 60er­Jahren auch<br />

dazu verdonnert wurde, blöde Schlager zu singen, obwohl<br />

sie doch Jazzmusikerin war, dann finde ich das<br />

toll. Im Übrigen hatte ich erst seit Anfang der 80er-<br />

Jahre überhaupt einen Fernseher.<br />

IntervIew: Das heißt, Sie konnten sich selbst im<br />

Fernsehen gar nicht sehen.<br />

elsner: Genau. Ich saß lieber im Kino, habe<br />

praktisch in Filmen gewohnt. Französisches und polnisches<br />

Kino, das war meine Welt.<br />

IntervIew: Und heute sitzt wahrscheinlich die<br />

junge Garde Schauspieler fassungslos vor dem Tatort<br />

und träumt davon, in einer amerikanischen TV-Serie<br />

mitspielen zu dürfen.<br />

elsner: Vielleicht, wer weiß das schon? Was mir<br />

nicht gefällt, schaue ich mir auch nicht an. Das war<br />

schon früher so. Deshalb bin ich erfüllt von guten Sachen,<br />

und ich sehe heute auch viel Gutes.<br />

IntervIew: Bei vielen Frauen, mit denen Sie damals<br />

Ihre Karriere begonnen haben, lief es auf der<br />

Langstrecke ganz anders als bei Ihnen. Elke Sommer,<br />

Barbara Valentin zum Beispiel.<br />

elsner: <strong>Die</strong> Valentin war eine wilde Frau. Ganz<br />

anders als ich, das war nicht mein Ding. Ich habe immer<br />

auf mich aufgepasst. Fassbinder habe ich natürlich<br />

immer bewundert, aber da ist der Kelch an mir<br />

vorübergegangen. Er wollte, dass ich an seinem Theater<br />

spiele, aber ich war gerade an den Kammerspielen<br />

beschäftigt und musste ihm absagen. Hätte ich<br />

Zeit gehabt, wäre ich das Wagnis sicherlich eingegangen.<br />

Aber im Nachhinein glaube ich, dass mir das<br />

nicht gutgetan hätte. Ich war nicht so ein höriges<br />

Mädchen. Obwohl ich trotzdem eine Sehnsucht hatte<br />

nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Es bildeten sich<br />

ja überall Gruppen, und die waren sehr geschlossen.<br />

IntervIew: Einerseits träumten Sie vom französischen<br />

Kino, andererseits haben Sie pragmatisch und<br />

willensstark an Ihrer Karriere gearbeitet. Wie geht<br />

das zusammen?<br />

elsner: Na ja, ich wollte zum Beispiel nicht mit<br />

alten Männern ins Bett steigen wegen irgendeiner<br />

Rolle. Da war ich wirklich moralisch und habe auf<br />

mich selbst aufgepasst. Da gab es ja auch zum Beispiel<br />

diesen französischen Produzenten. Der machte mir<br />

ein eindeutiges Angebot, und da wäre bestimmt was<br />

rausgesprungen, aber dazu hatte ich keine Lust. Später<br />

habe ich dann manchmal gedacht: Ach, warum eigentlich<br />

nicht? Aber nein, so bin ich einfach nicht.<br />

IntervIew: Was ist heute für junge Schauspieler<br />

anders?<br />

elsner: Ich glaube, dass es besser geworden ist.<br />

Es gibt auch andere Stoffe. <strong>Die</strong> Bandbreite ist für junge<br />

Schauspieler größer als für uns damals.<br />

IntervIew: Und was noch?<br />

elsner: Schau mal, ich weiß doch manchmal gar<br />

nicht, wie das alles heute läuft. <strong>Die</strong> jungen Schauspieler<br />

haben alle eine Agentur, Stylisten, PR-Leute, die<br />

alle das Bild für sie nach außen tragen.<br />

IntervIew: Und Sie?<br />

elsner: Ich hatte immer mal wieder eine Agentur,<br />

aber ich habe doch keinen Stylisten und keinen<br />

Assistenten. Hach, das wär noch was. Es ist nicht so,<br />

dass ich das alles total ablehne. Das wär vielleicht<br />

schon schön, aber wer weiß. Bei einer Preisverleihung<br />

saß mal Sophia Loren vor mir und hatte so ein Spitzenkleid<br />

an. Und neben ihr saß immer so eine Frau,<br />

die ständig an ihr rumfummelte und zupfte. Das war<br />

ihre Assistentin, und ich dachte mir: Wow, das ist ja<br />

toll. Und dann dachte ich: Ach nein, das würde mir<br />

auf die Dauer auf den Wecker gehen.<br />

IntervIew: Gerüchteweise lässt sich Sophia Loren<br />

unter ihren Kleidern in Zellophanfolie einwickeln<br />

“<br />

Ich lebe mehr<br />

denn je aus<br />

Koffern und frage<br />

mich manchmal, ob<br />

ich nicht irgendwo<br />

ein Sofa haben müsste,<br />

auf das ich mich<br />

setzen und sagen<br />

kann: Jetzt bin ich<br />

hier zu Hause<br />

”<br />

– <strong>Hannelore</strong> <strong>Elsner</strong><br />

und wird dann beim Fotoshooting ins Bild geschoben,<br />

weil sie so nicht mehr laufen kann.<br />

elsner: Okay, falsches Beispiel vielleicht, aber<br />

wir sind ja auch hier nicht in Hollywood. Wenn ich<br />

Millionen verdienen würde, fände ich es vielleicht<br />

auch chic, jemanden zu haben, der mir meine Kleider<br />

aussucht. Aber irgendwie ist mir das auch alles zu äußerlich.<br />

Ich finde meine Sachen selbst, und ich habe<br />

so ein paar Kleider, die ziehe ich dann auch immer<br />

wieder an. Als ich zum fünften Mal mein schönes<br />

schwarzes Kleid anhatte, wurde ich auch schon mal<br />

von einem Journalisten gefragt, wie oft ich es mir in<br />

meiner Position erlauben könne, dasselbe Kleid zu<br />

tragen. Und ich sagte, sooft es mir gefällt, natürlich.<br />

IntervIew: Es scheint, als müssten alle sich ständig<br />

umziehen.<br />

elsner: Ja, es ist doch wirklich schlimm. Selbst<br />

bei Angela Merkel heißt es dann: <strong>Die</strong> Jacke hatte sie<br />

aber schon mal da und da an. Ja, was soll sie denn machen?<br />

Sie wegschmeißen?<br />

IntervIew: Und ständig muss man drüber sprechen.<br />

elsner: Ja genau. Und wenn mir dann irgend so<br />

eine Moderatorin ihr Mikro unter die Nase hält, und<br />

ich schaue in ihre kalten Augen und sehe, wie es in<br />

ihrem Gehirn rattert, und sie schreit: „Frau <strong>Elsner</strong>,<br />

Frau <strong>Elsner</strong>, Sie sehen ja heute sehr gut aus, wie lange<br />

haben Sie dazu gebraucht, um das hinzukriegen?“ Da<br />

denke ich nur: Wie jetzt? Zum Glück sind das aber<br />

nicht DIE Medien, denn auf der Berlinale oder auf<br />

Premieren treffe ich wieder ganz tolle Menschen, das<br />

sind dann richtige Filmjournalisten, die stellen gute<br />

Fragen. <strong>Die</strong> kennen sich mit Schauspielern aus, denn<br />

sie wissen, wir müssen geliebt werden – dann ist es<br />

immer gut, dann ist es immer schön. Da können die<br />

Fragen auch kniffelig sein. Aber auf dem roten Teppich<br />

bekomme ich manchmal eine regelrechte Amnesie,<br />

mit dem Zeug, was die da wissen wollen.<br />

IntervIew: Als junge Schauspielerin hatte Sie<br />

Maria Nicklisch, der Star der Münchener Kammerspiele,<br />

die damals ungefähr in Ihrem jetzigen Alter<br />

war, so ein bisschen adoptiert.<br />

elsner: Ja, das war so.<br />

IntervIew: Sie sagen, dass zwischen Ihnen beiden<br />

eine Art „wehmütiger Vertrautheit“ bestand. Kennen<br />

Sie das Gefühl heute auch jüngeren Kolleginnen gegenüber?<br />

elsner: Absolut. Solchen Diven wie die Nicklisch<br />

eine war, denen wird ja gerne nachgesagt, dass<br />

sie junge Schauspielerinnen nicht leiden können. Dabei<br />

ging es eher darum, dass sie schlechte Schauspielerinnen<br />

nicht leiden konnte. Und so spießig sind die<br />

Leute auch heute noch, dass sie denken, eine ältere<br />

Schauspielerin kann die jüngeren nicht ausstehen. Als<br />

Kommissarin zum Beispiel hatte ich sehr viel mit jungen<br />

Schauspielerinnen zu tun und habe oft versucht,<br />

denen die Angst zu nehmen. Ich gebe doch gerne was<br />

weiter und gebe was her von mir.<br />

IntervIew: Und worin liegt die wehmütige Vertrautheit?<br />

elsner: Ich meine das sehr zärtlich. Bei Maria<br />

Nicklisch habe ich gemerkt, dass sie sich in mir gesehen<br />

hat, wie sie war, als sie jung war. Und diese Wehmut,<br />

dass sie es nun nicht mehr war und trotzdem so<br />

eine stolze, schöne Frau, das meine ich damit. Das ist<br />

eher ein kleines Gefühl, so ganz süß. „Ach, jetzt fährst<br />

du wieder nach Paris!“, sagte sie zu mir. Ich habe sie<br />

vergöttert, hatte Ehrfurcht vor ihr. Heute achte ich<br />

darauf, dass es keine Abgrenzungen gibt zwischen den<br />

Generationen. Das tut ja nicht gut. Allerdings wird<br />

man dann immer verdächtigt, dass man sich jung ma-<br />

98<br />

99


kleid<br />

miu miu


“<br />

Heute achte ich darauf,<br />

dass es es keine Abgrenzungen gibt<br />

zwischen den Generationen.<br />

Allerdings wird man dann immer verdächtigt,<br />

dass man sich jung machen will<br />

”<br />

<strong>Hannelore</strong> <strong>Elsner</strong><br />

kleid<br />

issey miyAke


chen will, deshalb bin ich vorsichtig. Aber wenn ich<br />

mich zum Beispiel mit den Freunden meines Sohnes<br />

unterhalte, bin ich doch immer wieder überrascht,<br />

wie viel wir voneinander verstehen.<br />

IntervIew: Beim Fotoshooting zu diesem <strong>Interview</strong><br />

waren Sie ja auch von jungen Männern umgeben.<br />

Wie war das?<br />

elsner: Das ist ein ganz spezielles Thema. Wir<br />

hatten mit dem Team regelrecht philosophische Gespräche<br />

während des Shootings, denn es ging ja um<br />

mich, wie ich als Frau mit diesen jungen, nackten<br />

Männern umgehe und sie als Helden irgendwie tragen<br />

muss. Als Assoziation fiel mir ein Dokumentarfilm<br />

ein über junge dänische Männer, die mit Überzeugung,<br />

Kraft und dem Willen zu helfen in den<br />

Afghanistankrieg gezogen sind. Nach einem halben<br />

Jahr waren sie alle kaputt und verzweifelt. Das Bild,<br />

das ich von mir in diesem Zusammenspiel mit dem<br />

jungen Mann hatte, war das einer mitleidenden Beschützerin.<br />

<strong>Die</strong>ser Mann, er war so ätherisch, fast wie<br />

ein Geist, und das war auch eine Metapher auf das junge<br />

Leben, das geopfert, aber auch geschützt werden<br />

muss. Es hatte für mich nichts Erotisches. Es war etwas<br />

anderes, selbst mütterlich würde zu kurz greifen.<br />

IntervIew: Entdecken Sie manchmal Verhaltensweisen<br />

an sich, die Sie an Ihre eigene Mutter erinnern?<br />

elsner: Eher nicht, sie war ein sehr konventioneller<br />

Typ. Das war ja die Zeit, wo einem nicht aus<br />

einer Überzeugung heraus etwas verboten oder erlaubt<br />

wurde, sondern weil man das einfach so tat. Wie sie<br />

reagiert hat, als ich meinen ersten Freund nach Hause<br />

gebracht habe! Ich würde einen Teufel tun und mich<br />

einmischen, wenn mein Sohn Dominik seine Freundinnen<br />

nach Hause bringt. Das ist seine Sache.<br />

IntervIew: Ihre Mutter war jung auf sich gestellt<br />

und hat ganz allein die Familie durchgebracht. Ist das<br />

vielleicht eine Parallele zu Ihrem Leben?<br />

elsner: Absolut. Meine Mutter war sehr stark.<br />

Aber trotzdem ist es schwierig, selbst diese Parallele<br />

zu sehen. Mütter und Töchter, das ist eine schwierige<br />

Sache. Außerdem bin ich zum Beispiel auch ein viel<br />

mütterlicherer Typ. Ich habe mich auch immer frei<br />

und lebendig gefühlt – trotz Einschränkungen …<br />

IntervIew: … und trotz früher Todesfälle in der<br />

Familie und des Todes Ihres Lebenspartners Alf<br />

Brustellin. Dann kam Ihr Sohn zu früh auf die Welt,<br />

und viele Jahre waren Sie alleinerziehend. Ganz schön<br />

viel zu verkraften.<br />

elsner: Ich bin schon auch traurig. Aber weinen<br />

tue ich dann woanders, also zu Hause. Grundsätzlich<br />

bin ich aber sehr dankbar und könnte die ganze Welt<br />

umarmen, dass alles so toll gelaufen ist. Wenn einem<br />

was Schlechtes passiert, könnte es immer noch<br />

schlechter sein. Es dauert ziemlich lange, bis es einem<br />

wirklich nicht mehr schlechter gehen kann, beziehungsweise<br />

es gibt immer etwas, worüber man sich<br />

freuen kann. Selbst wenn ich krank werde, kann ich<br />

mich freuen, dass ich bis dahin gesund war. Ich bin ein<br />

melancholischer Mensch, aber ich versuche immer, es<br />

mir schön zu machen.<br />

IntervIew: Ein weiterer enger Freund, den Sie<br />

verloren haben, ist Bernd Eichinger. In Ihren Memoiren<br />

schildern Sie Ihre Beziehung als sehr sexy, intensiv<br />

und schnell.<br />

elsner: In allen meinen Beziehungen ist so viel<br />

Glück und Liebe und Sexiness, und ich wollte immer<br />

jeden einzelnen der Männer lieben. <strong>Die</strong> Liebesbeziehung<br />

zwischen Bernd und mir war schon sehr speziell<br />

und auch schwierig, denn ich hatte ja ein kleines Baby,<br />

und es war nicht einfach, mit ihm die Nächte durchzumachen.<br />

Ich brauchte immer eine Babysitterin, die<br />

“<br />

Im Übrigen hatte<br />

ich erst seit Anfang der<br />

80er-Jahre überhaupt<br />

einen Fernseher. Ich<br />

saß lieber im Kino<br />

und habe praktisch in<br />

Filmen gewohnt.<br />

Franzö sisches und polnisches<br />

Kino, das war<br />

meine Welt<br />

”<br />

– <strong>Hannelore</strong> <strong>Elsner</strong><br />

104<br />

ihm übrigens sehr dankbar war, weil er so großzügig<br />

war. Aber dass es dann aufgehört hat – es sind halt<br />

Männer –, da musste ich oft konsequent sein. Ich<br />

wollte ihm das Kapitel über ihn so gerne noch zeigen.<br />

Es ist auch deswegen so kurz, weil ich ihm und seiner<br />

Frau nicht zu nahe treten wollte.<br />

IntervIew: Waren Sie von seinem Tod überrascht?<br />

elsner: Ich habe immer Angst um sein Leben gehabt,<br />

weil er so schnell gelebt hat. Aber von seiner<br />

Frau Katja wurde er auch getragen, er hat aufgehört,<br />

zu rauchen und zu viel zu trinken. Ich hatte den Eindruck,<br />

dass er ruhiger wurde. In der Zeit nach seinem<br />

Tod bin ich nirgendwo hingegangen, weil ich nicht<br />

öffentlich über ihn reden wollte. Ich bin sehr froh,<br />

dass andere es gemacht und seine Arbeit gewürdigt<br />

haben. Ich hätte es nicht gekonnt, weil er mir als<br />

Mensch so nahestand.<br />

IntervIew: Sie haben einmal gesagt, dass man<br />

Routine braucht für „das unordentliche und durcheinanderne<br />

Leben“. Sind Sie für ein geregeltes Leben<br />

auf immer verloren?<br />

elsner: Mit einem leisen Aufschrecken denke ich<br />

manchmal, dass ich ein bisschen ordent licher werden<br />

müsste. Ich habe mich immer über das Älterwerden<br />

gefreut, weil es bedeutet, dass man länger am Leben<br />

ist. Aber ich komme jetzt schon in eine andere Zeit für<br />

mich, wo ich denke, dass ich noch nicht alles in Ordnung<br />

gebracht habe. Ich lebe mehr denn je aus Koffern,<br />

meine Wohnung ist wie eine Durchgangsstation,<br />

da stehen noch Kisten von vor 20 Jahren. Ich mag das<br />

auch, einerseits. Andererseits frage ich mich manchmal,<br />

ob ich nicht irgendwo ein Sofa haben müsste, auf<br />

das ich mich setzen und sagen kann: Jetzt bin ich hier<br />

zu Hause. Ach, ich weiß es nicht. Eigentlich befürchte<br />

ich, es geht immer so weiter mit dem durcheinandernen<br />

Leben. Ich bin noch zu jung für so viel Ordnung.<br />

IntervIew: Und Müßiggang?<br />

elsner: Dauernd, immer und überall.<br />

IntervIew: Aber sind Sie nicht auch ein bisschen<br />

Workaholic?<br />

elsner: Ja, aber diesen Raum habe ich mir immer<br />

genommen. Also spazieren gehen zum Beispiel, immer,<br />

immer, immer spazieren gehen. Müßiggang<br />

heißt für mich …<br />

IntervIew: Abschalten?<br />

elsner: Nein.<br />

IntervIew: Ach.<br />

elsner: Schon ganz da sein, aber ich tue dann<br />

halt gerade nichts. Ich sag ganz oft, ich hab was zu<br />

tun, und dann gehe ich spazieren. Müßiggang heißt<br />

auch für mich, dass ich einkaufen gehe und nicht<br />

schnell wieder nach Hause rasen muss, sondern mit<br />

meinen Tüten noch ein bisschen rumstehe und hier<br />

und da reinschaue. Und dann habe ich ganz tolle Erlebnisse,<br />

dann schaut eine Frau aus irgendeinem Lokal<br />

raus und fragt mich, ob ich nicht reinkommen will.<br />

Glücklicherweise habe ich dann zwei Stunden Zeit,<br />

und dann trink ich mit ihr einen Wein. Müßiggang<br />

heißt für mich, kein Ziel zu haben. Dann nehme ich<br />

mir gar nichts vor. Das zelebriere ich richtig.<br />

IntervIew: Und Urlaub?<br />

elsner: Urlaub mache ich eigentlich nicht mehr<br />

so oft. Früher habe ich Ferien mit meinem Kind gemacht.<br />

So nenne ich das. Urlaub … ich weiß ehrlich<br />

gesagt gar nicht genau, was das ist.<br />

Haare & Make-up AndréAs BernHArdt/BAsIcs<br />

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105<br />

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stellA mccArtney<br />

gesehen bei mytheresa.com


Vor zwölf Jahren war<br />

Bottega Veneta eine<br />

Ledermanufaktur, die ihre<br />

besten Zeiten schon sehr<br />

lange hinter sich hatte.<br />

Heute ist sie eine<br />

hochintelligent geführte<br />

Weltmarke, die unwiderstehliche<br />

Accessoires,<br />

erwachsenen Glamour und<br />

schwindelerregende<br />

Umsatzzuwächse produziert.<br />

Creative Director<br />

Tomas Maier erzählt, wie<br />

er das hingekriegt hat<br />

BOTTEGA<br />

VENETA<br />

VON<br />

ADRIANO SACK<br />

FOTOS<br />

ROBI RODRIGUEZ<br />

STYLING<br />

KLAUS STOCKHAUSEN<br />

ALLE LOOKS & ACCESSOIRES<br />

BOTTEGA VENETA<br />

FRÜHJAHR/SOMMER 2013


Porträt: Erwin Olaf<br />

oOhne Frage: <strong>Die</strong> Stimmung ist ungewöhnlich feierlich<br />

in der Münchner Maximilianstraße. Statt Fingerfood<br />

werden zierliche, fast asketisch wirkende<br />

Schoko laden würfel zum Champagner gereicht. Und<br />

der Ehrengast selbst hat sich in den ersten Stock<br />

zurück gezogen. Wer Tomas Maier treffen will oder<br />

sich eine Signatur des gerade erschienenen Bildbandes<br />

Bottega Veneta wünscht, muss sich bei einer Art<br />

Treppensteher anmelden. „Ich habe sogar deutsch mit<br />

ihm gesprochen“, raunt eine Moderedakteurin, die<br />

nach ihrer Audienz die Treppe wieder hinabgesegelt<br />

kommt. Tomas Maier ist in Pforzheim geboren, aber<br />

seit Jahrzehnten im internationalen Modezirkus unterwegs.<br />

Seine Weigerung, in <strong>Interview</strong>s deutsch zu<br />

sprechen, ist fast so legendär wie sein Erfolg als<br />

Creative Director von Bottega Veneta. 2001 hatte das<br />

italie nische Label seine großen Tage (Andy Warhol<br />

schwor einst auf die Lederbilderrahmen) lange hinter<br />

sich. Maier verhalf der Marke zu einem sensationellen<br />

Wiederaufstieg, den man vielleicht nur mit Tom Fords<br />

Zeit bei Gucci vergleichen kann. Obwohl er diametral<br />

entgegengesetzt vorging. Der Designer machte aus<br />

der Bottega­Tasche das Statussymbol für die denkende<br />

Frau. Seine vier Dogmen, die er gern mit den<br />

Pfosten eines Boxringes vergleicht: hochwertige Materialien,<br />

handwerkliche Verarbeitung, zeitgemäße<br />

Funktionalität, zeitloses Design. Weitere Bestandteile<br />

seiner Erfolgsstrategie: Verzicht auf Logos und ein<br />

Designer, der lieber arbeitet als darüber spricht.<br />

interview: Sie reisen gerade durch Europa, um Ihr<br />

Buch über Ihre Arbeit bei Bottega Veneta vorzustellen<br />

und zu signieren. Wie fühlt sich das an, plötzlich um<br />

Autogramme und Widmungen gebeten zu werden?<br />

toMas Maier: (lächelt) Ein bisschen komisch.<br />

interview: So ein Projekt ist ja auch immer ein<br />

Anlass, zurückzuschauen. Was macht Sie besonders<br />

stolz?<br />

Maier: Das Buch ist eine Liebeserklärung an die<br />

Zusammenarbeit zwischen Handwerk und Design. Es<br />

fasst die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre von<br />

Bottega Veneta zusammen. Ich glaube, jeder von uns<br />

hat eine Menge, worauf er stolz sein kann.<br />

interview: Sie schreiben, dass Bottega eine runtergekommene<br />

Marke kurz vor dem Konkurs war, als<br />

Sie dort angefangen haben. Woher wussten Sie, dass<br />

Sie sie retten können?<br />

Maier: Ich wusste das, als ich das erste Mal nach<br />

Vicenza kam und die Leute traf, die dort arbeiteten:<br />

Man sah sofort, dass das sehr kompetente und geschickte<br />

Handwerker mit Riesenpotenzial waren.<br />

interview: Im Nachhinein, wie so oft, scheint Ihr<br />

Vorgehen logisch und naheliegend. Hatten Sie tatsächlich<br />

einen Masterplan, als Sie die Arbeit dort aufnahmen?<br />

Maier: Na ja, ich wusste ziemlich schnell, was ich<br />

wollte: die Firma entschlacken und zu ihren ursprünglichen<br />

Wurzeln zurückführen. <strong>Die</strong> Logos abschaffen.<br />

Den alten Slogan wieder ernst nehmen: „When your<br />

own initials are enough“. Im Jahr 2001, als ich dort<br />

anfing, hatte ich das Gefühl, die Zeit sei reif dafür.<br />

interview: Sind die Diskussionen über „no logos“<br />

ermüdend?<br />

Maier: Nicht für mich. Ich habe auch gar nichts<br />

gegen Logos oder die Tatsache, dass Menschen sie<br />

gern tragen und zeigen. Es hat nur nichts mit der<br />

DNA von Bottega Veneta zu tun. Bei uns geht es um<br />

diskreten und subtilen Luxus.<br />

interview: Haben sich unsere Welt und unsere<br />

Vorstellung von einer Luxusmarke tatsächlich geändert<br />

in den vergangenen Jahren?<br />

Maier: Ich glaube, es hat sich ein stärkeres<br />

Qualitäts bewusstsein herausgebildet. Zumindest bei<br />

unseren Kunden. Und ich behaupte ja gar nicht zu<br />

wissen, was die ganze Menschheit glücklich macht.<br />

interview: Bottega ist berühmt für Taschen,<br />

Schuhe, Gürtel aus geflochtenem Leder. <strong>Die</strong> Verarbeitungsweise<br />

nennt sich intrecciato. Ist das nicht im<br />

Grunde auch eine Art Logo? Man erkennt die Taschen,<br />

also funktionieren sie als Statussymbol.<br />

Maier: Sehe ich nicht so. Intrecciato ist eine Technik,<br />

bei der das Leder sich weich anfühlt, aber stabil<br />

und fest ist. Und es gibt sehr viele Produkte von Bottega<br />

ohne intrecciato.<br />

interview: Wenn Sie das Flechtmuster aber auf<br />

Porzellan von KPM malen lassen, wird es reines Ornament.<br />

Maier: Vielleicht.<br />

interview: Davon abgesehen gleicht das Prinzip<br />

intrecciato einer architektonischen Vorgehensweise:<br />

Indem man ein Material besonders verarbeitet, verändert<br />

man seine Eigenschaften. Ihr Vater war Architekt,<br />

Sie sind ein Bewunderer von Palladio. Was interessiert<br />

Sie an ihm?<br />

Maier: <strong>Die</strong> Proportionen und die Konzentration.<br />

Ich schätze besonders die Reinheit der Grundrisse.<br />

Und, natürlich, die Schönheit seiner Bauten.<br />

interview: <strong>Die</strong> Palladio­Villen stehen im Veneto,<br />

wo auch Bottega zu Hause ist. Haben Sie sich schon<br />

alle angeschaut?<br />

Maier: Ich bin noch dabei. Viele habe ich besichtigt,<br />

in manche kommt man schwer rein, aber ich gebe<br />

nicht auf.<br />

interview: Ist Palladio besser als heutige Architekten?<br />

Glauben Sie auch, wie Prince Charles und<br />

Tom Wolfe, dass moderne Baumeister Verbrecher<br />

sind?<br />

Maier: Palladio ist einzigartig. Seine Häuser und<br />

seine Architekturtheorie wirken bis heute. Aber<br />

selbstverständlich gibt es gute lebende Architekten.<br />

Etwa Peter Zumthor, um nur einen zu nennen.<br />

interview: In Ihrem Buch beschreiben Sie Bottega<br />

als eine Art Boxring, der durch Ihre vier Grundprinzipien<br />

begrenzt wird. Wann sind Sie das letzte<br />

Mal in den Seilen gelandet? Oder am Boden?<br />

Maier: Ach, das passiert schon mal, aber das<br />

macht nichts. Man muss aus guten und schlechten Erfahrungen<br />

lernen.<br />

interview: Verstehen Sie wirklich, wirklich die<br />

Liebesgeschichte zwischen Frauen und Taschen?<br />

Maier: Irgendwie ja. Eine Frau kann ihre Tasche<br />

bequem und praktisch finden. Sie kann spüren, dass<br />

diese ihren persönlichen Stil unterstreicht. Und ja: Sie<br />

kann ihre Tasche auch lieben.<br />

interview: Haben Sie geglaubt, dass Sie elf Jahre<br />

bei Bottega bleiben würden?<br />

109<br />

“<br />

Ich finde es<br />

inspirierend und<br />

überraschend,<br />

die eigene Arbeit<br />

durch die Augen<br />

eines Künstlers<br />

noch einmal neu<br />

zu entdecken<br />

”<br />

– Tomas Maier<br />

toMas Maier, Creative DireCtor<br />

von Bottega veneta


Maier: Ich habe gar nichts erwartet. Aber es hat<br />

sicher geholfen, dass ich schon eine Weile als Modedesigner<br />

gearbeitet und einige Erfahrungen hatte.<br />

interview: Gab es in den vergangenen Jahren<br />

Angebote, die Sie gereizt hätten? Oder wollen Sie für<br />

immer bei Bottega bleiben?<br />

Maier: Ich bin hier sehr glücklich. Und wir haben<br />

immer wieder neue Projekte, es wird also nicht langweilig.<br />

An Bottega-Möbel zum Beispiel hätten wir<br />

überhaupt nicht gedacht. Aber die Kunden wollten<br />

sie …<br />

interview: Wie suchen Sie die Künstler aus, mit<br />

denen Sie für die Kampagnen zusammenarbeiten?<br />

Maier: Da folge ich meinem persönlichen Geschmack.<br />

Ich finde es inspirierend und überraschend,<br />

die eigene Arbeit durch die Augen eines Künstlers<br />

noch einmal neu zu entdecken. Aber diese Kooperationen<br />

sehen hinterher einfacher aus, als sie sind. Wir<br />

überlegen uns sehr genau, welche Kollektion zu welchem<br />

Künstler passen könnte. Dann gibt es grundsätzlich<br />

Terminprobleme. Wir müssen ziemlich hartnäckig<br />

sein.<br />

interview: War die Arbeit mit Nan Goldin einfach?<br />

“<br />

Ich habe nichts<br />

gegen Logos oder<br />

die Tatsache, dass<br />

Menschen sie tragen.<br />

Sie haben nur<br />

nichts mit der DNA<br />

von Bottega Veneta<br />

zu tun<br />

”<br />

– Tomas Maier<br />

Maier: Ja. Wieso fragen Sie?<br />

interview: Ihre nächste Kampagne wurde von<br />

der Künstlerin Collier Schorr fotografiert. Viele ihrer<br />

Arbeiten sind im Schwarzwald entstanden, wo auch<br />

Sie aufgewachsen sind. War das ein Motiv, mit Collier<br />

zusammenzuarbeiten?<br />

Maier: Überhaupt nicht. Ich mochte ihre Kunst<br />

schon länger und habe erst während der Arbeit mit<br />

Ihr rausgefunden, dass sie eine besondere Verbindung<br />

zu Südwestdeutschland hat.<br />

interview: Sie schätzen auch die deutschen Fotografen<br />

Thomas Ruff, Andreas Gursky, Thomas Struth.<br />

Wieso?<br />

Maier: Ich mag die konzeptionelle Strenge und<br />

die Schönheit ihrer Arbeiten. Und ich mochte schon<br />

ihre Lehrer, Bernd und Hilla Becher.<br />

interview: Gibt es ein Kunstwerk, das Sie lieber<br />

besitzen würden als jedes andere?<br />

Maier: Ich kaufe, was mich gerade inspiriert. Das<br />

können höchst unterschiedliche Sachen sein. Vor allem<br />

möchte ich zeitgenössische Kunst entdecken.<br />

<strong>Die</strong> alten Meister gehören der Menschheit, also ins<br />

Museum.<br />

interview: In dem Buch The Beautiful Fall über<br />

Karl Lagerfeld und Yves Saint Laurent in den Siebzigern<br />

geht es um eine grundsätzliche Frage: Ist ein<br />

Modedesigner in der heutigen Zeit ein Künstler oder<br />

ein Kurator?<br />

Maier: Ich glaube, weder noch …<br />

interview: Sie haben ein Haus in Florida. Das<br />

scheint das genaue Gegenteil von Bottega zu sein:<br />

laut, schmucksüchtig, manche sagen vulgär. Sind Sie<br />

wirklich nur wegen des Wetters dort?<br />

Maier: Ehrlich gesagt, ja. Wenn ich in Mailand<br />

oder New York bin, bin ich den ganzen Tag von Menschen<br />

umgeben und in geschlossenen Räumen. In<br />

meinem Haus am Strand, eine Stunde entfernt von<br />

Miami, finde ich den Ausgleich für mein hektisches<br />

Leben.<br />

interview: Wie deutsch ist Ihre Mode?<br />

Maier: Ich glaube, ich bin ganz gut organisiert.<br />

Aber ich habe Deutschland nach der Schule verlassen,<br />

um an der Syndicale de la Haute Couture in Paris zu<br />

studieren. Seitdem habe ich nicht mehr hier gelebt.<br />

Wir führen noch nicht einmal dieses <strong>Interview</strong> auf<br />

Deutsch, weil mir immer wieder Wörter nicht einfallen.<br />

interview: Lesen Sie noch Bücher auf Deutsch?<br />

Maier: Natürlich. Kein Problem.<br />

interview: Ihr Lieblingsbuch ist Thomas Manns<br />

Buddenbrooks. Wen finden Sie interessanter: Thomas,<br />

den glatten, funktionierenden Sohn? Oder den verrückten<br />

Christian?<br />

Maier: Ich finde jeden auf seine Art spannend.<br />

interview: Wenn Sie, wie heute, nach Deutschland<br />

kommen: Fällt Ihnen dann etwas auf, was Sie<br />

vermissen?<br />

Maier: Wenn Sie an einem Flughafen landen und<br />

von oben schon sehen, dass die Flugzeuge so fein säuberlich<br />

in Reihen geparkt sind, wie sonst nirgends auf<br />

der Welt – dann wissen Sie, dass Sie in Deutschland<br />

sind. Ich muss jedes Mal lächeln darüber.<br />

110<br />

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Make-up aYaMi niSHiMUra/JULian watSOn<br />

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Haar-assistenz DeCLan SHeiLS<br />

Make-up-assistenz MiYUKi iSHiZUKa<br />

Produktion Mini titLe<br />

retusche Bea@winterLanD


8<br />

8Frauen<br />

PORTFOLIO<br />

<strong>Die</strong>se<br />

Schauspielerinnen<br />

werden Ihnen<br />

2013 im Kino,<br />

im Fernsehen<br />

und auf der Bühne<br />

begegnen.<br />

Vorhang auf!<br />

FOTOS<br />

SEBASTIAN MADER<br />

STYLING<br />

NIKI PAULS<br />

Pullover ALLUDE<br />

Rock PRADA<br />

Armreifen INA BEISSNER<br />

Ohrringe BULGARI<br />

Ring WEMPE<br />

112<br />

Alina Levshin<br />

Schon als Kind habe ich gerne getanzt. Bis zu meinem 15. Lebensjahr<br />

war ich Mitglied im Kinderensemble am Friedrichstadt-Palast. <strong>Die</strong><br />

Bühne gefällt mir, aber nur Ballett zu tanzen war mir auf Dauer zu<br />

wenig. Ich habe dann eine Schauspielausbildung begonnen, und als<br />

Dominik Graf nach russischsprachigen Schauspielerinnen für seine<br />

Serie gesucht hat, war ich auf meinem ersten richtigen Casting. Das<br />

war so etwas wie eine zweite Schule, die Realität eben. Als Nächstes<br />

geht es mit dem Tatort<br />

weiter. Meine Eltern wussten erst mal gar<br />

nicht, was ich da nun mache, denn die Serie zu gucken war keine<br />

Tradition bei uns.<br />

ALINA LEVSHIN DEBÜTIERTE IN DER FERNSEHPRODUKTION<br />

IM ANGESICHT DES VERBRECHENS. AB HERBST 2013 IST SIE IM<br />

TEAM DES ERFURTER TATORTS<br />

ZU SEHEN<br />

Karoline Schuch<br />

Meine erste Station war Verbotene Liebe, da war ich 18. Dort habe ich immer versucht, das Beste rauszuholen, und irgendwie ging es danach immer<br />

weiter. Mittlerweile habe ich mit so vielen tollen Leuten gedreht, zum Beispiel Til Schweiger. Es nervt mich, dass viele auf das deutsche Kino<br />

schimpfen. Trotzdem würde ich dafür sterben, mal in einem französischen Film mitzuspielen. Ich liebe das französische Kino, zum Beispiel Godards<br />

Une femme est une femme. Was man sonst über mich wissen sollte? Ich werde wahnsinnig ungern Karolin genannt, und ich liebe Eier im Glas.<br />

KAROLINE SCHUCH SPIELT DIE HAUPTROLLE IN DER DEUTSCH-ISRAELISCHEN KOPRODUKTION<br />

LOVE ISREAL, DIE IM HERBST 2013 IN DIE KINOS KOMMT<br />

113<br />

Kleid PACO RABANNE<br />

Body AMERICAN APPAREL


portfolio<br />

Lederjacke aCne<br />

Jeans g-Star raW<br />

ohrringe VerSaCe<br />

Stephanie Stremler<br />

Ich habe 27-mal an der Schauspielschule vorgesprochen, bis ich genommen wurde. Am Ende war ich wahnsinnig verzweifelt, aber ich konnte einfach<br />

nicht aufgeben. Ich habe nie wieder so viel gelernt wie bei diesen Vorsprechen. In meinem neuen Film habe ich mit Susanne Lothar gespielt.<br />

Sie war immer ein großes Vorbild für mich, weil sie es über all die Jahre geschafft hat, ihre Verwundbarkeit zu bewahren, und im Spiel immer ihr Inneres<br />

nach außen gekehrt hat. Es ist furchtbar tragisch, dass sie nicht mehr da ist. Dass ich mit ihr arbeiten konnte und wir das alles noch zusammen<br />

erleben durften, empfinde ich als riesiges Glück.<br />

Am 17. JAnuAr stArtet Staub auf unSeren Herzen<br />

mit stephAnie stremler, susAnne lothAr und michAel Kind<br />

114<br />

Kleid huGo<br />

Jacke mAnish ArorA<br />

ohrringe sÉViGnÉ<br />

Lilith<br />

Stangenberg<br />

Als Schauspielerin fühle<br />

ich mich manchmal wie in<br />

dem Märchen Von einem<br />

der auszog, das Fürchten zu<br />

lernen. Ich brenne fürs<br />

Theaterspielen. Seit dieser<br />

Saison bin ich an der<br />

Berliner Volksbühne engagiert.<br />

Hier kommt mir<br />

die Bühne manchmal eher<br />

wie eine Kampfmanege vor.<br />

Als Berlinerin gefällt<br />

mir die rohe Arbeitsweise,<br />

bei der die Leute<br />

sich nicht zu schade sind,<br />

alles zu geben.<br />

LiLith Stangenberg<br />

SpieLt 2013 in der<br />

MoLière-triLogie und<br />

bei Fucking Liberty!<br />

an der VoLkSbühne<br />

in berLin


portfoLio<br />

Carla Juri<br />

Aufgewachsen bin ich im Tessin, in<br />

der italienischen Schweiz. Berge säumen<br />

unser Dorf Ambri. Es liegt in<br />

1 000 Metern Höhe. Hockey ist ganz<br />

groß in Ambri, im Gegensatz zur Schauspielerei.<br />

Wenn es überhaupt Künstler in<br />

Ambri gab, dann Maler, Literaten und<br />

Dichter. Ich spreche fünf Sprachen<br />

fließend. Es ist fantastisch, heute<br />

in Italienisch, morgen in Englisch<br />

und nächste Woche in<br />

Deutsch zu drehen. <strong>Die</strong> wertvollsten<br />

Momente: Wenn man<br />

gemeinsam mit dem Schauspielkollegen<br />

in einer Szene<br />

fliegt. Mein letztes Projekt<br />

Feuchtgebiete war in dieser<br />

Hinsicht ein Genuss.<br />

Carla Juri spielt die<br />

Hauptrolle in der<br />

verfilmung von<br />

CHarlotte roCHes<br />

Feuchtgebieten<br />

Luisa Sappelt<br />

Bomberjacke privat<br />

rock BurBerrY prorsum<br />

armreif cÉLine<br />

ohrringe ina Beissner<br />

Nächstes Jahr mache ich Abitur. Danach gehe ich, glaube ich, erst mal auf Reisen anstatt auf<br />

die Schauspielschule. Bisher hat es ja auch ohne ganz gut geklappt. Vielleicht wirkt ja alles genau deshalb so<br />

echt, weil ich es intuitiv spiele.<br />

Luisa sappeLt war kürzLich im mehrfach ausgezeichneten<br />

kinofiLm Transpapa an der seite von devid striesow zu sehen<br />

116<br />

top g-star raW<br />

gürtel Windsor<br />

Jeans H&m<br />

uhr Bulgari


portFolio<br />

bluse cÉline<br />

bH cAlVin klein unDerweAr<br />

Hose fenDi<br />

ohrringe tiffAny & co.<br />

strümpfe item m6<br />

schuhe fenDi<br />

styling niki pAuls/sHotView<br />

Haare tAn Vuong/bAllsAAl<br />

make-up cAtrin kreyss<br />

foto-Assistenz kristinA weinHolD<br />

Digital operator micHAel breyer<br />

styling-Assistenz kAmillA ricHter<br />

produktion frAnk seiDlitz, DorotHeA fieDler<br />

Dank an mirADor liVing<br />

AnD eXterior berlin, stuDio berlin<br />

portfolio<br />

Vicky<br />

Krieps<br />

Ich erzähle zwar oft, dass ich<br />

nie Schauspielerin werden<br />

wollte, aber eigentlich bin ich<br />

schon immer viel ins Kino<br />

gegangen. Nach der Schauspielschule<br />

war ich erst mal<br />

ziemlich genervt. Ich konnte<br />

mir nicht vorstellen, am<br />

Theater zu arbeiten, weil es<br />

da oft so hierarchisch zugeht.<br />

Ich brauche das Gefühl, frei<br />

zu sein. Richtig Blut geleckt<br />

habe ich erst, als ich in einem<br />

Schwarz-Weiß-Stummfilm<br />

von einem Freund mitgespielt<br />

habe, er heißt Schläfer. Das<br />

war eine meiner schönsten<br />

Rollen – bisher. Letztens beim<br />

Einschlafen hat mein Freund<br />

mich gefragt: „Würdest du<br />

eigentlich nach Hollywood<br />

gehen?“ Ich habe gerade mit<br />

Detlev Buck <strong>Die</strong> Vermessung<br />

der Welt gedreht und unter der<br />

Regie von Anton Corbijn<br />

A Most Wanted Man.<br />

Hollywood ist hier!<br />

Vicky krieps ist im Herbst<br />

2013 in Anton corbijns<br />

A most wAnted mAn<br />

zu seHen<br />

pullover aCne<br />

rock allude<br />

Gürtel VersaCe<br />

Natalie Krane<br />

Als Kind war ich beim Zirkus und bin dann mit zwölf am Theater gelandet. Ich mag Rollen, die mich überraschen und<br />

herausfordern, vielleicht auch erst mal vor den Kopf stoßen, das spornt mich an. Und ich mag es, wenn die Figur ihr Geheimnis<br />

behält, ein As im Ärmel, das mich wie den Zuschauer immer wieder auf die Suche nach ihr schickt.<br />

Das schlafenDe MäDchen, in dem natalie Krane mit JaKob diehl<br />

und Christoph baCh zu sehen ist, startet am 17. Januar<br />

armreife tiFFanY & Co.<br />

Gliederkette & ringe bulGari<br />

Kette mit anhänger sÉViGnÉ<br />

118<br />

119


Aufhören wolle er, hatte MAurizio CAttelAn<br />

verkündet, wenige Wochen, bevor das new Yorker<br />

Museum Guggenheim ihn mit einer großen<br />

retrospektive ehrte, sich endgültig vom Kunstbetrieb<br />

verabschieden, den Stecker ziehen und dem Wahnsinn<br />

entfliehen. <strong>Die</strong> Gemeinde lächelte milde, schließlich<br />

war es nicht das erste Mal, dass sich der Mann aus<br />

Padua, der nie eine Kunsthochschule besucht hat, den<br />

Regeln entzog. Während andere Künstler eine<br />

einzelausstellung im Guggenheim als Krönung der<br />

Weltkarriere feiern würden, verkaufte Cattelan sie als<br />

das Ende derselben. Er sei gerade nur sporadisch<br />

erreichbar, schrieb er uns vor einem Jahr, er weile auf<br />

einer Südseeinsel. Später dann, wieder per Mail,<br />

verkündete er, dass er sich nun erst einmal um<br />

Toiletpaper kümmern wolle, sein, nun ja, Kunstmagazin,<br />

das er gemeinsam mit dem Fotografen PierPAolo<br />

FerrAri verlegt und bespielt. <strong>Die</strong>ses Versprechen<br />

hat der 52-jährige Künstler nun wahr gemacht:<br />

entstanden ist ein Sammelband der ersten Ausgaben<br />

von Toiletpaper, die wir hier als Portfolio präsentieren.<br />

es sind Bilder, die wehtun, surrealistischer ungehorsam,<br />

visuelle Ausrufezeichen. Cattelan eben, der große<br />

Trickser, wie man ihn kennt.<br />

Alle Fotos: Concept and images by Maurizio Cattelan and Pierpaolo Ferrari, Published by Freedman|Damiani, www.damianieditore.com, 232 pages<br />

120<br />

ToileTpaper von Maurizio Cattelan<br />

und PierPaolo Ferrari ist bei FreedMan/daMiani<br />

ersChienen. der verlag wird in zukunFt<br />

auCh das gleiChnaMige Magazin herausbringen


Vor 17 Jahren sang er,<br />

dass er Teil einer<br />

Jugendbewegung sein möchte,<br />

jetzt veröffentlicht er das<br />

bereits zehnte Album mit<br />

seiner Band TocoTronic.<br />

Er hat Genera tionen die<br />

schönsten Zitate ihrer Jugend<br />

geschenkt, hat Emo-Musik<br />

und alter Sportkleidung<br />

einen Sinn gegeben und ist<br />

bis heute Feminist und<br />

Vegetarier geblieben.<br />

Dirk<br />

Mittlerweile schreibt er Texte<br />

zur Kunst, parliert über<br />

raf Simons genauso charmant<br />

wie über Satanismus,<br />

identität oder rockmusik<br />

und bleibt so eine Ausnahme<br />

unter Deutschlands<br />

Pop-intellektuellen<br />

von<br />

LoWtzoW<br />

von<br />

Katharina<br />

SCHÜTTLER<br />

Fotos<br />

steFAn milev<br />

styling<br />

niki PAuls<br />

130<br />

mantel<br />

Comme Des gArçons<br />

Pullover (Privat)<br />

Dries vAn noten<br />

131


hoSe<br />

LAnvin<br />

ManteL<br />

rAf SiMonS<br />

Schuhe (Privat)<br />

dr. MArtenS<br />

dirk von Lowtzow: Das letzte Mal haben wir uns<br />

am Flughafen gesehen. Woher kamst du da noch mal?<br />

katharina SchüttLer: London oder Stuttgart,<br />

glaube ich. Gerade komme ich aus Zürich, nächste<br />

Woche muss ich schon wieder nach Paris.<br />

Lowtzow: <strong>Die</strong>ses ganze Reisen würde mich<br />

wahnsinnig machen! Ich muss nur etwa alle drei Jahre<br />

auf Tour, das geht noch. Und weil wir unsere Texte<br />

auf Deutsch singen, spielen wir nur in Deutschland,<br />

Öster reich und einem Drittel der Schweiz, schon im<br />

Tessin ist Schluss (lacht).<br />

SchüttLer: Ihr könnt vermutlich eher schlecht<br />

mit Untertiteln spielen.<br />

Lowtzow: Da könnte man zumindest drüber<br />

nachdenken. Du spielst öfter in internationalen Produktionen<br />

mit, oder?<br />

SchüttLer: Ja, ich hatte schon immer eine Sehnsucht,<br />

dieses Land zu verlassen.<br />

Lowtzow: Verständlich.<br />

SchüttLer: Englisch ist eine schöne Sprache<br />

zum Schauspielern. Deutsch muss immer erst in den<br />

Kopf, und dann kommt es raus. Im Englischen kannst<br />

du es einfach raushauen, Gefühle können direkter in<br />

Sprache gebracht werden.<br />

Lowtzow: Als ich mit 17 oder 18 anfing, Texte<br />

zu schreiben, wäre ich nie auf die Idee gekommen, das<br />

auf Deutsch zu machen. Ich war durch angloamerikanische<br />

Popmusik sozialisiert. Nur meine Bandkollegen<br />

hatten aus irgendeinem Grund eine Affinität zu<br />

deutschsprachiger Musik, zu Deutschpunk und den<br />

Liedermachern. Also musste ich die Lieder, die ich<br />

schon auf Englisch geschrieben hatte, übersetzen.<br />

SchüttLer: Welche waren das?<br />

Lowtzow: <strong>Die</strong> Idee ist gut, doch die Welt noch nicht<br />

bereit zum Beispiel.<br />

SchüttLer: The idea is good, but the world isn’t<br />

ready yet (lacht). Ich finde es super, dass man mit jeder<br />

Sprache eine neue Identität bekommt.<br />

Lowtzow: Eine gute Vorstellung, dass man in<br />

einer anderen Stadt neu anfangen kann. In Deutschland<br />

kommt ja nach Berlin irgendwie nichts mehr.<br />

SchüttLer: Kennst du dieses tolle Lied von Fraktus?<br />

„In Heidelberg, in Überlingen, dadada“ – sie zählen<br />

so deutsche Städte auf – „überall da leben Menschen“,<br />

und dann der Refrain: „Warum tun die das?“<br />

Lowtzow: (lacht)<br />

SchüttLer: Ich frage mich oft, warum man der<br />

ist, der man ist, und wie variabel das Sein ist.<br />

Lowtzow: Das Konzept der Identität ist schon<br />

sehr beengt. Es gibt ja viele Menschen, die mit großer<br />

Bestimmtheit von sich behaupten: „Ich bin eben so“,<br />

– habe ich nie verstanden, kann ich von mir nicht sagen.<br />

Warum sollte es nur eine Identität geben?<br />

SchüttLer: Ist es nicht so, dass sich auch alle sieben<br />

Jahre die Zellen einmal komplett erneuert haben?<br />

Lowtzow: Möglicherweise. Habe ich jetzt noch<br />

nie gehört, aber kann doch sein. Man ist permanent in<br />

Bewegung, man ist porös oder gar löchrig, da kommt<br />

immer was rein und raus. So wenig wie das Konzept<br />

einer Identität verstehe ich solche Begriffe wie Innerlichkeit,<br />

Äußerlichkeit, Oberfläche oder Innenleben.<br />

Vielleicht ist die Seele ja auch dort draußen?<br />

SchüttLer: Ich bin immer davon ausgegangen,<br />

dass ich einen Körper habe, bis ich gelesen habe, dass<br />

es vielleicht richtiger sei zu sagen: Ich bin der Körper.<br />

Lowtzow: Genau, der Körper ist einem oft so<br />

fremd, und doch ist man an ihn gekettet. In dieser Erkenntnis<br />

liegt aber auch eine mögliche Befreiung.<br />

Wie etwa in der Schauspielerei, wo man Rollen tatsächlich<br />

verkörpern muss. In der Musik wird dagegen<br />

immer Authentizität eingefordert, totaler Schmarrn.<br />

SchüttLer: Großer Quatsch, ja.<br />

Lowtzow: Es geht viel mehr darum, ob etwas<br />

gut erzählt ist oder den Rezipienten berührt.<br />

SchüttLer: Ich glaube, die Qualität wird immer<br />

größer, je mehr man von sich selbst absieht. Man muss<br />

sich schlicht zur Verfügung stellen.<br />

Lowtzow: Wie ein Gefäß.<br />

SchüttLer: Ich lasse etwas reinfließen und versuche,<br />

es rauszulassen, aber jeder darf auch etwas in<br />

dieses Gefäß geben.<br />

Lowtzow: Finde ich sehr schön, den Gedanken.<br />

SchüttLer: Du, ich habe hier auch Zettel mit<br />

Fragen vorbereitet, soll ich einfach mal?<br />

Lowtzow: Ja, gern.<br />

SchüttLer: Herr von Lowtzow, haben Sie bei<br />

Tocotronic Teufelsbotschaften versteckt, wenn man<br />

die Lieder rückwärts abspielt?<br />

Lowtzow: Das ist aber eine gute Frage! Nächste<br />

Woche müssen wir zwei Tage lang <strong>Interview</strong>s geben.<br />

Hinterher fühlt man sich meist, als hätte man zwölf<br />

Stunden in den Spiegel geguckt. Neurotisierend! Als<br />

ich mich als Jugendlicher in das Rockstarleben hinein<br />

geträumt habe, habe ich immer <strong>Interview</strong>s mit<br />

mir selbst geführt. Ich habe mir das alles besser vorgestellt<br />

(lacht).<br />

SchüttLer: Mir hat mal jemand von einer Schauspielerin<br />

erzählt, die am Ende der Spielzeit in der<br />

Kantine saß und gesagt hat: „Gut, dass das jetzt bald<br />

vorbei ist, langsam bin ich auch echt leer geglotzt.“<br />

Lowtzow: Kannst du das Publikum denn sehen?<br />

SchüttLer: Kommt auf das Stück an, eher selten.<br />

Man will ja auch angeguckt werden, trotzdem ist es<br />

irgendwie auch eine unnatürliche Situation.<br />

Lowtzow: Aber satanische Botschaften, nein, die<br />

haben wir nicht versteckt, obwohl ich ein Faible für<br />

Satanismus habe, für seine romantische Konnotation.<br />

SchüttLer: Hast du mal eine Séance gemacht?<br />

Lowtzow: Nein, dieser ganze Kram interessiert<br />

mich nicht. Aber es gibt diese literarische Beschäftigung<br />

damit. In dem Standardwerk zum Einfluss von<br />

Satanismus in Kunst und Literatur von Mario Praz<br />

etwa werden verschiedene Satansdarstellungen in der<br />

manieristischen Kunst oder der Dekadenzliteratur<br />

beschrieben. Der Teufel wird da als melancholisch<br />

und traurig, gleichzeitig aber als Rebell dargestellt.<br />

Das wurde dann später mit dem Archetyp des Rock<br />

assoziiert.<br />

SchüttLer: Träumst du manchmal deine Texte?<br />

Lowtzow: Das passiert auch. Aber das Texten ist<br />

eher handwerklich und fummelig. So wie andere Leute<br />

Sudoku lösen, schreibe ich Liedtexte, wie ein Puzzle<br />

oder eine Denksportaufgabe, es muss am Ende<br />

aufgehen. Und außerdem ist es viel Schummelei.<br />

SchüttLer: Dein Job ist aber schon ein Traum,<br />

oder? Da, wo ihr steht, die Freiheit, die ihr habt?<br />

Lowtzow: Freiheit in dem Sinne, dass wir machen<br />

können, was wir wollen?<br />

SchüttLer: Ich habe das Gefühl, dass viele bereit<br />

sind, verschiedene Pfade mit euch zu gehen.<br />

Lowtzow: Wir haben die einfach nur schon so<br />

lange gequält. 20 Jahre. Wenn man so beharrlich ist,<br />

sind die irgendwann mürbe. Ich weiß es nicht genau,<br />

ist es ein Traum? Es ist definitiv sehr schön. Das ganze<br />

Team, das dich jahrelang begleitet, bildet eine Blase,<br />

und in der fühlt man sich sehr sicher.<br />

SchüttLer: Das ist am Theater auch so.<br />

Lowtzow: Ich bin nicht so mutig, ehrlich gesagt.<br />

Ich bin eher ängstlich und zaudere. Das ist nicht immer<br />

so. Ich habe zum Beispiel keine Angst, nachts allein<br />

im Park zu sein, aber Angst vor Entscheidungen.<br />

Bist du ängstlich?<br />

SchüttLer: Ich empfinde mich als eine komische<br />

Ansammlung von Widersprüchlichkeiten, deswegen<br />

kann ich das gar nicht so sagen.<br />

Lowtzow: Erfordert es denn Mut, in Rollen zu<br />

schlüpfen?<br />

SchüttLer: Ich empfinde Rollen als Schutz, da<br />

habe ich keine Angst. Aber wenn ich auf der Hochzeit<br />

einer Freundin allein ein Lied singen muss, bin ich<br />

krass aufgeregt. Oder ich als „ich“, das ist auch aufregend.<br />

Stehst du als „du“ auf der Bühne?<br />

Lowtzow: Als eine Mischung. Als Jugendlicher<br />

wollte ich auch mal Schauspieler werden, ich habe sogar<br />

mal vorgesprochen. Aber ich bin schon nach der<br />

ersten Runde rausgeflogen. Vielleicht ist die Musik<br />

gut für mich, weil es eine Mischform ist. Ich habe keine<br />

so gute Körperbeherrschung. <strong>Die</strong> Schauspielerei<br />

kommt dann doch eher dem Sport nahe.<br />

SchüttLer: Manchmal schon.<br />

Lowtzow: Wenn du jetzt zum Beispiel eine<br />

Überlebende der Schoah spielen würdest, müsstest du<br />

dann mutiger sein als in einer Komödie?<br />

SchüttLer: Eine Komödie ist vielleicht das<br />

Schwierigste überhaupt, da braucht man den Mut,<br />

nicht lustig sein zu wollen.<br />

Lowtzow: Stimmt, deutsche Komödien sind<br />

auch nicht lustig, weil Schauspieler lustig sein wollen.<br />

SchüttLer: Aber auch wenn man Angst hat vor<br />

einer Rolle, heißt es noch nicht, dass sie Mut erfordert.<br />

Den meisten Mut brauche ich dafür, gar<br />

nichts zu machen oder nicht zu viel zu machen.<br />

Lowtzow: Nicht herumfuchteln, da ist man wieder<br />

beim Körper. Mir gelingt das oft nicht, weil ich zu<br />

nervös bin. Da spielt mir der Körper einen Streich.<br />

SchüttLer: Das kenne ich auch. Aber das Problem<br />

ist nicht der Körper, sondern der Kopf, der die<br />

Situation bewertet. Vor Auftritten bin ich oft damit<br />

beschäftigt, meinen Kopf loszulassen.<br />

Lowtzow: Gibt es da Techniken?<br />

SchüttLer: Ja, aber die klappen nicht immer.<br />

Lowtzow: (lacht) So Atemübungen?<br />

SchüttLer: Mir hilft es, mich auf den Bauch zu<br />

legen. Es gibt die Theorie, dass es Einatmer sowie<br />

Ausatmer gibt. Und ihnen unterschiedliche Sachen<br />

guttun. Das hat was – Achtung, Esoterik! – mit dem<br />

Mondeinfluss bei der Geburt zu tun.<br />

Lowtzow: Ah, okay.<br />

SchüttLer: Den Ausatmern tut es gut, sich auf<br />

den Bauch zu legen und loszulassen.<br />

Anzug<br />

DrieS vAn noten<br />

“<br />

hemD<br />

FenDi<br />

gürteL (privAt)<br />

comme DeS gArçonS<br />

ArmbAnD (privAt)<br />

hermèS<br />

Kunst sollte –<br />

ganz im Gegensatz<br />

zur Küche –<br />

nicht bodenständig<br />

sein<br />

”<br />

– Dirk von Lowtzow<br />

Lowtzow: Das ist der Vorteil an Musik, die ja<br />

nicht ohne Grund eingesetzt wird, um Trance zustände<br />

zu erreichen. Man tritt aus sich heraus in einen<br />

anderen Zustand. Das ist sehr beglückend.<br />

SchüttLer: Wäre ich Journalistin, würde ich<br />

jetzt sagen: „Vielen Dank für das Gespräch.“ Ich habe<br />

aber noch so ein paar Moritz­von­Uslar­Fragen, was<br />

bedeutet, auf kurze und banale Fragen schnell zu antworten.<br />

Lowtzow: Da bin ich schlecht drin.<br />

SchüttLer: Lieblingsbuch?<br />

Lowtzow: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.<br />

SchüttLer: Inspiration für die neue Platte?<br />

Lowtzow: Ach, da gibt es immer viele.<br />

SchüttLer: Ist dir übrigens mal der Zusammenhang<br />

aufgefallen zwischen inspirare, also Inspiration,<br />

und spirare, was Einatmen bedeutet?<br />

Lowtzow: Man atmet alles ein. Gut, das ist mir<br />

nie aufgefallen.<br />

SchüttLer: Und was ich auch total super finde:<br />

der Eindruck. Etwas drückt sich ein, und das kann<br />

man dann wieder ausdrücken.<br />

Lowtzow: Ha, stimmt.<br />

SchüttLer: Lieblingsintellektueller?<br />

132<br />

133


Lowtzow: (lacht) Mit dem Begriff „intellektuell“<br />

kann ich nichts anfangen.<br />

SchüttLer: Gut, reicht mir als Antwort. Ist das<br />

Leben Musik, Musik, Musik?<br />

Lowtzow: Nein, Gott sei Dank nicht.<br />

SchüttLer: Ist das Leben Arbeit, Arbeit, Arbeit?<br />

Lowtzow: Nein, auch nicht.<br />

SchüttLer: Ist das Leben ein Geschenk?<br />

Lowtzow: Ähm …<br />

SchüttLer: Eine Bürde?<br />

Lowtzow: Ich weiß es doch nicht.<br />

SchüttLer: Okay, weiter. Wovor hast du Angst?<br />

Lowtzow: Am ehesten vor dem Alleinsein.<br />

SchüttLer: Ah ja. Was würdest du tun, wenn dir<br />

die Haare ausfielen? Abschneiden, Toupet oder<br />

drüber kämmen?<br />

Lowtzow: (lacht) Ich bin ja nur grau geworden.<br />

SchüttLer: Das trägst du aber gut!<br />

Lowtzow: (lacht) Toupet vielleicht? Das ist doch<br />

schrecklich. Aber ich habe abstehende Ohren, ohne<br />

Haare sähe ich beknackt aus.<br />

SchüttLer: Das ist schon wahnsinnig, was da an<br />

Identität verloren geht. Stell dir vor, du wärst plötzlich<br />

ein Glatzkopfmann!<br />

Lowtzow: Du hast das ja schon erlebt, du musstest<br />

für eine Rolle die Haare abschneiden.<br />

SchüttLer: Ich bereue bis heute, dass ich mir als<br />

Zwischenstufe nicht einen Vokuhila hab schneiden<br />

lassen. Einmal schauen, wie das aussehen würde. Wovon<br />

würdest du dich gern befreien?<br />

Lowtzow: Von innerer Unruhe. Das wäre schön.<br />

SchüttLer: Glaubst du an den Zufall?<br />

Lowtzow: Jedenfalls mehr als an das Schicksal.<br />

Ich glaube, dass man den Zufall fixieren kann.<br />

SchüttLer: Wunschduettpartner?<br />

Lowtzow: Ich mag Terry Hall, den Sänger von<br />

den Specials, sehr gern. Ich mag viele Leute. Duette<br />

sind was Gutes.<br />

SchüttLer: Es ist ja mein heimlicher Traum zu<br />

singen, aber singende Schauspieler sind immer etwas<br />

schwierig.<br />

Lowtzow: Ich habe schauspielernde Sänger in<br />

schlechterer Erinnerung.<br />

SchüttLer: Ich bringe mir zumindest schon Gitarre<br />

bei. Mit YouTube. Aber ich habe als Kind acht<br />

Jahre lang Klavier- und Cellounterricht gehabt, und<br />

deswegen ist das Musizieren für mich immer mit<br />

Falsch und Richtig verbunden.<br />

Lowtzow: Interessant, bei mir ist es umgekehrt.<br />

Ich kann nicht mal Noten lesen. Und ich entdecke<br />

erst jetzt die Klassik. Ich gehe sehr gerne in die Philharmonie,<br />

Rockkonzerte besuche ich ehrlich gesagt<br />

kaum noch. <strong>Die</strong> Philharmonie ist der beste Ort überhaupt.<br />

Viele haben ja Schwellenangst, denken, es sei<br />

so formell, aber die Reglementierung bei einem<br />

Rockkonzert ist doch viel ausgeprägter.<br />

SchüttLer: Weiter: Was ist eine Haubitze?<br />

Lowtzow: <strong>Die</strong> ist aus dem Ersten Weltkrieg, so<br />

eine Art Bombe. Ich komme nicht auf das Wort.<br />

SchüttLer: Menschenfeind oder -freund?<br />

Lowtzow: Ich bin Menschenfreund. Eher, ja.<br />

SchüttLer: Hund oder Katze?<br />

Lowtzow: Hund, ich finde Hunde niedlich.<br />

SchüttLer: Kind oder Karriere?<br />

Lowtzow: Da ich keine Kinder habe, muss ich<br />

Karriere sagen, aber auch mit dem Wort Karriere<br />

habe ich so …<br />

SchüttLer: London oder New York?<br />

Lowtzow: Oh. Wenn schon, dann eher New<br />

York. Das finde ich übersichtlicher. London finde ich<br />

immer etwas anstrengend.<br />

“<br />

Im Kino weine<br />

ich recht häufig, aber<br />

man ist deswegen nicht<br />

automatisch ein guter<br />

Mensch. Ich glaube,<br />

auch Goebbels hat im<br />

Kino geweint<br />

”<br />

– Dirk von Lowtzow<br />

SchüttLer: Beatles oder Stones?<br />

Lowtzow: Ach, das kann ich irgendwie auch immer<br />

nicht so richtig sagen. Weder noch (lacht).<br />

SchüttLer: Ist „Esoteriker“ ein Schimpfwort?<br />

Ich frage, weil das während meiner Sozialisation in<br />

einem Alt-68er-Haushalt ein wenig so war. Jetzt aber<br />

fasziniert mich vieles aus dem Bereich, und ich empfinde<br />

deswegen fast so was wie Scham.<br />

Lowtzow: Ich kann mit vielem, was unter dem<br />

Begriff Esoterik firmiert, nichts anfangen. Aber ich finde<br />

– und das ist wohl das, was man unter Dialektik versteht<br />

– die Leute, die meinen, sie hätten die Blödheit<br />

von Esoterikern durchschaut, noch blöder. <strong>Die</strong>ser unbedingte<br />

Glaube an die Realität ist ein größeres Problem<br />

als der Eskapismus. Im politisierten Milieu ist ja<br />

auch Eskapismus ein Schimpfwort. Ich denke allerdings,<br />

dass das heute nicht mehr so greift, da die neue Ökonomie<br />

ja nicht gekennzeichnet ist von dieser Flucht ins Irrationale,<br />

sondern von der Flucht in die totale Realität.<br />

SchüttLer: <strong>Die</strong>ses ständige Bedürfnis, alles bis<br />

auf das Skelett erklären zu müssen. Das empfinde ich<br />

als große Armut und als den Feind der Kunst.<br />

Lowtzow: Genau. Oft wird man ganz direkt gefragt:<br />

Was bedeutet es, was ihr da singt? Als Autor<br />

sollte man nie auch die Erklärung mitliefern, und ich<br />

finde bei Kunst eben interessant, dass es ein Geheimnis<br />

gibt. Doch alles soll immer nur erklärbar sein.<br />

SchüttLer: Vielleicht ist das etwas Deutsches.<br />

Lowtzow: Ich bin mir nicht sicher, nicht umsonst<br />

gibt es ja so Aufsätze wie Against Interpretation<br />

von Susan Sontag.<br />

134<br />

SchüttLer: In der Musik habt ihr eine größere<br />

Freiheit. Beim Film musst du schon vor dem Dreh<br />

alles erklären können.<br />

Lowtzow: Das liegt daran, dass viele Menschen<br />

an einem Film beteiligt sind und die Projekte vorher<br />

von der Filmförderung geprüft werden. Leute denken<br />

eben von anderen, dass sie blöd sind und nichts verstehen.<br />

Schrecklich. So wird man auch immer gefragt:<br />

„Glaubt ihr, dass eure Hörer das verstehen?“<br />

SchüttLer: Man stellt sich über seine Umwelt.<br />

Gleichzeitig hat man Angst, seine Meinung zu äußern.<br />

Lowtzow: Das macht es so öde. <strong>Die</strong>se Nachvollziehbarkeit.<br />

Und es gibt Angst davor, elitär zu erscheinen<br />

und nicht bodenständig. Dabei soll Kunst – ganz<br />

im Gegensatz zur Küche – nicht bodenständig sein.<br />

SchüttLer: Schon mal meditiert?<br />

Lowtzow: Nee, aber ich mache Pilates.<br />

SchüttLer: Wann hast du das letzte Mal vor Lachen<br />

geweint? Eigentlich wollte ich fragen, wann du<br />

das letzte Mal geweint hast.<br />

Lowtzow: Ach, das passiert mir ziemlich häufig,<br />

im Kino zum Beispiel. Aber man ist deswegen nicht<br />

automatisch ein guter Mensch. Ich glaube, auch Goebbels<br />

hat im Kino geweint (lacht). Geweint vor Lachen<br />

… Ich bin nicht so leicht zum Lachen zu bringen.<br />

SchüttLer: Hast du Angst vorm Tod?<br />

Lowtzow: Puh, ich finde, er sollte abgeschafft<br />

werden. Das ist die Voraussetzung für Utopie. Ich<br />

mag den Glauben an die Unabwendbarkeit des Todes<br />

nicht. Das ist die Keimzelle des reaktionären Denkens.<br />

<strong>Die</strong>se „Das ist eben so“-Einstellung.<br />

SchüttLer: Sind das deine Plüschtiere hier? Bist<br />

du plüschophil?<br />

Lowtzow: Ich liebe Plüschtiere, finde ich super.<br />

SchüttLer: Haben die auch einen Namen?<br />

Lowtzow: Teilweise ja. Der Hund hier zum Beispiel<br />

heißt Spencer.<br />

SchüttLer: Bist du paranoid?<br />

Lowtzow: Nein. Ich hasse Paranoia. Verschwörungstheorien<br />

kann ich auch nicht ausstehen, weil<br />

man die Uhr danach stellen kann, wann die jüdische<br />

Weltverschwörung herbeigeredet wird. <strong>Die</strong> antisemitische<br />

Hetzschrift <strong>Die</strong> Protokolle der Weisen von Zion ist<br />

die Urform der Verschwörungstheorie.<br />

SchüttLer: Hast du manchmal das Gefühl, dass<br />

du politisch korrekter leben musst als andere, weil du<br />

der Sänger von Tocotronic bist?<br />

Lowtzow: Kommt darauf an, was man unter politisch<br />

korrekt versteht. Ich habe Political Correctness<br />

nie als Bürde empfunden, es hat mit Anstand zu tun.<br />

Gerade in Deutschland wird sie so gehandelt, als sei es<br />

eine Unfreiheit, wenn man nun „people of color“ anstatt<br />

„Neger“ sagt.<br />

SchüttLer: Und wenn dir – sagen wir mal – Audi<br />

ein Auto schenken wollen würde?<br />

Lowtzow: Kommt drauf an, was ich dafür tun<br />

müsste. Schenken kann man mir erst mal gerne etwas.<br />

SchüttLer: Magst du Erdbeeren?<br />

Lowtzow: Ja. Du fragst wegen unserer Textzeile,<br />

oder? Es gibt doch diesen sehr guten Film Toy Story 3,<br />

und da gibt es einen Bösewicht mit einem sehr<br />

schlechten Charakter. Das ist ein Erdbeerbär, der so<br />

nach Erdbeeraroma riecht. Er heißt Lotso, also ähnlich<br />

wie ich. Meine Bandkollegen sagen manchmal,<br />

wenn wir auf Tour sind und ich vielleicht gerade etwas<br />

zickig bin: „Hier riecht es aber schon wieder verdächtig<br />

nach Erdbeere!“ (lacht)<br />

SchüttLer: Heute hat es nicht nach Erdbeere gerochen,<br />

Herr Lowtzow. Ich danke dir für das Gespräch.<br />

Grooming ute Hildenbeutel<br />

styling niki PAuls/sHotview<br />

Foto-Assistenz dunjA Antić,<br />

Lowtzow: Ich danke dir!<br />

mArkus erPel<br />

styling-Assistenz biAncA FleiscH,<br />

kAmillA ricHter<br />

daS aLbum wie wir leben wollen<br />

Produktion FrAnk seidlitZ, dorotHeA Fiedler<br />

erScheint am 25. januar dank an tHe APArtment berlin<br />

135<br />

Hemd & Hose<br />

PrAdA<br />

ArmbAnd (PrivAt)<br />

Hermès


Valeria Napoleone<br />

136<br />

<strong>Die</strong>se seite:<br />

<strong>Die</strong> Kunstsammlerin Valeria<br />

napoleone zu Hause. Hinter iHr<br />

<strong>Die</strong> arbeit EndlEss Column<br />

(AltErnAting CurrEnt for twElvE<br />

ElECtriC fAns) Von nina Canell<br />

unD <strong>Die</strong> liCHtsKulptur up<br />

And down BEtwEEn twins Von<br />

Haegue Yang<br />

reCHte seite:<br />

lA tEntAtion dE st AntoinE<br />

(tEA timE) Von ViDYa gastalDon<br />

Foto (rechte Seite): Vidya Gastaldon, La Tentation de St Antoine (Tea Time), 2009, Courtesy of Mark L Brock, Concord, Massachusetts<br />

Weil sie gleichermaßen berühmt ist für ihre Dinnerpartys<br />

(nur lombardische Spezialitäten) und ihre Kunstsammlung (nur Frauen),<br />

machte Valeria NapoleoNe das Beste aus ihrer Doppelbegabung:<br />

ein Koch-Kunstbuch. <strong>Die</strong> rezepte ihrer Mutter und Großmutter neben<br />

Werken zeitgenössischer Künstlerinnen, die sich mit essen beschäftigen.<br />

Ihr sehnlichster Wunsch:<br />

Fett- und Soßenflecken auf den hübsch gestalteten Seiten<br />

Porträts<br />

robi rodriquez<br />

von<br />

Adriano sAck<br />

137


Dualität zwischen kunst unD kochen: collage Der künstlerin<br />

Vielleicht die luxuriöseste Straße Londons. Direkt am<br />

Hyde Park, eine Botschaft neben der anderen, das<br />

Ehepaar Prinz William und Kate wird hier wohnen,<br />

der Roman <strong>Die</strong> Schönheitslinie von Alan Holling hurst<br />

über den moralischen Zerfall der britischen Upperclass<br />

während der Thatcher­Jahre spielt hier. Im Eingangsbereich<br />

wird man von einer Skulptur der Künstlerin<br />

Martha Friedman begrüßt: zwei riesige Zungen,<br />

verbunden durch eine grüne Olive. Das kann man<br />

durchaus programmatisch verstehen. Essen und Kunst<br />

sind die Themen von Valeria Napoleone. Sie lebt hier<br />

mit ihren drei Kindern, ihrem Ehemann und hat, auf<br />

etwas anderem Niveau, die gleichen Probleme wie viele:<br />

<strong>Die</strong> Küche ist zu klein, die Familie zu groß, das<br />

Schlangenterrarium ihres früh pubertären Sohnes ist<br />

ihr nicht ganz geheuer. Ihre Kunstsammlung, zumindest<br />

der Teil, der nicht im Lager ist, mischt sich mit<br />

exquisit ausgesuchten Möbeln. Zwingender Eindruck<br />

beim Erstbesuch: Man will hier nicht mehr weg.<br />

IntervIew: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem ersten<br />

Kochbuch. Warum sieht man keine Bilder von<br />

den Gerichten?<br />

valerIa napoleone: Das wollte ich nicht.<br />

Mein Beitrag sind die Rezepte. Es sind traditionelle<br />

Gerichte der lombardischen Küche, die ich von meiner<br />

Mutter und Großmutter gelernt habe. Ansonsten<br />

wollte ich nur die Arbeiten der Künstlerinnen<br />

zeigen. Mich interessierte die Dualität zwischen<br />

Kunst und Kochen. Abgesehen davon sind die Rezepte<br />

simpel: traditionelle italienische Gerichte. Jeder<br />

weiß, wie ein Kalbsbraten oder ein Risotto Milanese<br />

aussieht. Und wenn nicht, kann man es googeln.<br />

Viele Kochbücher bemühen sich um besonders ausgefallene<br />

Kreationen. Aber wenn man kochen lernen<br />

will, muss man als Allererstes eine Fleischsoße,<br />

eine Tomatensoße, eine Pestosoße herstellen können.<br />

Oder eine handgemachte Mayonnaise. Dann<br />

erst sollte man den ersten Schritt wagen. Was das<br />

Kuratieren des Buches kompliziert gemacht hat: Ich<br />

wollte gerade keinen direkten Zusammenhang zwischen<br />

den Bildern und den Rezepten. Auch wenn<br />

sich einige der Künstlerinnen von einigen Rezepten<br />

inspirieren ließen.<br />

IntervIew: Gab es Künstlerinnen, die das Konzept<br />

zu frivol fanden?<br />

napoleone: Eine meiner Lieblingskünstlerinnen<br />

hat höflich abgesagt. Aber wirklich nur eine. <strong>Die</strong><br />

allermeisten fanden die Idee großartig.<br />

IntervIew: Wissen Sie noch, was Sie an dem<br />

Abend serviert haben, als Ihnen die Idee kam?<br />

napoleone: Ah. Hm. Also nein. Aber wissen<br />

Sie: Bei diesen großen Dinnerpartys, wenn 80 oder<br />

120 Gäste kommen, habe ich ein paar Standardrezepte.<br />

Mit Sicherheit gab es Kalbsbraten mit Weißwein<br />

und Milch. Oder mit Rotwein. Das ist bei mir<br />

stimmungsabhängig.<br />

IntervIew: Sie kochen vermutlich nicht alleine<br />

für 120 Gäste?<br />

napoleone: Ich mache das mit unserer Haushälterin.<br />

Sie ist seit 17 Jahren bei uns und beherrscht<br />

unsere Familienrezepte. Sie ist Portugiesin, das ist<br />

nicht so weit weg von Italien. Unsere Küche ist<br />

schrecklich klein, aber wir haben ein System, bei<br />

dem wir schon zwei Wochen vorher anfangen und<br />

die Gänge einfrieren, bei denen das problemlos geht.<br />

Nur den Nachtisch mache ich selbst.<br />

IntervIew: Was ist Ihr Lieblingsnachtisch?<br />

napoleone: Natürlich Tiramisu.<br />

IntervIew: Welchen Likör oder Schnaps verwenden<br />

Sie?<br />

“<br />

In meinem Buch<br />

wollte ich die Gerichte<br />

nicht zeigen. Jeder<br />

weiß, wie ein Risotto<br />

Milanese oder ein<br />

Kalbsbraten aussieht.<br />

Und wenn nicht, kann<br />

man es googeln<br />

”<br />

– Valeria Napoleone<br />

napoleone: Gar keinen. Ich benutze entkoffeinierten<br />

Kaffee, und anstatt der relativ fetten und<br />

schweren Savoiardi­Kekse verwende ich Pavesini –<br />

dünne Biskuitkekse. Ich finde das raffinierter.<br />

IntervIew: Sind Sie eher eine Köchin oder eine<br />

Bäckerin?<br />

napoleone: Backen ist eine ganz eigene Kunst.<br />

Es erfordert Präzision und Rezepttreue. Und bei Kuchen<br />

und Nachtisch kann man sich austoben, was die<br />

Dekoration betrifft. Ich liebe beides …<br />

IntervIew: Welche Gästezahl kann man allein,<br />

also ohne Haushälterin, mühelos bewältigen?<br />

napoleone: Ein komplettes Essen für zehn,<br />

würde ich sagen. Aber wissen Sie was? Wenn man für<br />

zehn Leute kocht, kann man auch für fünfzehn kochen.<br />

Man macht einfach eine Schüssel Pasta mehr.<br />

IntervIew: Das Schwierigste am Kochen ist<br />

meiner Erfahrung nach das Timing. Was man wann<br />

schneiden, anbraten, warmhalten muss. Haben Sie<br />

das im Kopf, oder machen Sie einen Plan?<br />

napoleone: Das ist Instinktsache. Ich bin<br />

ziemlich gut organisiert. Und mache das schon sehr<br />

lange. Erfahrung ist viel wichtiger als eine Riesenküche<br />

mit tausend Geräten.<br />

IntervIew: Sie kommen aus einer wohlhabenden<br />

Familie. Hat tatsächlich Ihre Mutter gekocht?<br />

linDer sterling, <strong>Die</strong> sich meist nur „linDer” nennt 138<br />

139<br />

Foto (linke Seite): Linder, Untitled, 1977, Photomontage on paper (framed), 41.5 x 33.5cm, Photography by Todd White & Son, Courtesy Stuart Shave/Modern Art<br />

napoleone: Meine Mutter und meine Großmutter.<br />

Und zwar jeden Tag. <strong>Die</strong> Küche war ein<br />

wichtiger Teil meiner Kindheit. Ich habe die beiden<br />

beobachtet, und dabei habe ich gelernt.<br />

IntervIew: Sind Sie direkt in Mailand aufgewachsen?<br />

napoleone: Ich komme aus Varese, das ist<br />

nördlich von Mailand in der Lombardei. Daher<br />

stammen auch die Rezepte. Nur die Fischgerichte<br />

habe ich von meiner Schwiegermutter, die aus Sardinien<br />

kommt. Meine Mutter hat nie Fisch gekocht.<br />

IntervIew: Vor Fisch hat man immer ein bisschen<br />

mehr Respekt, oder?<br />

napoleone: Absolut. <strong>Die</strong> Garzeit ist viel wichtiger<br />

als bei Fleisch. Und die Zubereitung. Ein Seebarsch<br />

geht nur gegrillt mit Olivenöl und Kräutern.<br />

Mit Tomaten funktioniert der gar nicht.<br />

IntervIew: Ist italienisches Essen das beste der<br />

Welt?<br />

napoleone: Auf jeden Fall das beliebteste. Italienisches<br />

Essen ist einfach und basiert auf einem<br />

sehr respektvollen Umgang mit den Zutaten. Man<br />

überschüttet Fleisch nicht mit irgendwelchen komplizierten<br />

Soßen, sondern arbeitet den Eigengeschmack<br />

heraus. Es ist eine sehr demokratische Küche:<br />

schnell, ehrlich, jeder kann sie jeden Tag essen.<br />

IntervIew: Sammeln Sie Kochbücher?<br />

napoleone: Das einzige, das man braucht, ist<br />

Der Silberlöffel, ein Klassiker der italienischen Küche.<br />

Da steht alles drin.<br />

IntervIew: Wann haben Sie angefangen, selbst<br />

zu kochen?<br />

napoleone: In New York, nachdem ich geheiratet<br />

hatte. Davor hat es mich nicht interessiert. Aber<br />

sobald ich einmal damit angefangen habe, flog es mir<br />

zu.<br />

IntervIew: Warum nicht vorher? Wollten Sie<br />

anders leben als Ihre Mutter?<br />

napoleone: Gar nicht. Ich habe studiert, ich<br />

war die ganze Nacht unterwegs und habe irgendwo<br />

irgendwas gegessen.<br />

IntervIew: Meine Mutter, die eine sehr gute Köchin<br />

ist, hat mir mal gesagt, dass es sehr anstrengend<br />

sei, jeden Tag für die Familie zu kochen.<br />

napoleone: Bei uns ist es komischerweise immer<br />

mein Mann, der gerade auf Diät ist, und deswegen<br />

keine Pasta will. Was die Kinder betrifft: Der<br />

Trick sind möglichst simple Gerichte. <strong>Die</strong> mögen sie<br />

einfach am liebsten.<br />

IntervIew: Kinder sind schwierig zu bekochen,<br />

habe ich das Gefühl.<br />

napoleone: Oh Gott. <strong>Die</strong> wollen eigentlich<br />

nur Junkfood. Immerhin mögen sie mein Tiramisu.<br />

IntervIew: Zucker funktioniert immer?<br />

napoleone: Ja, klar. Meine Zwillinge sind jetzt<br />

neuneinhalb Jahre alt. <strong>Die</strong> sind inzwischen richtig<br />

gute Esser. Mein Sohn ist zwölf. Er will eigentlich<br />

nur Hotdogs, Pommes frites, Hamburger und Würste<br />

essen. Ging mir genauso, als ich Studentin war.<br />

Aber wenn man mit Gemüse und Salat aufgewachsen<br />

ist, wird man es wiederentdecken. Der Körper hat<br />

ein Gedächtnis.<br />

IntervIew: Hat Ihre Mutter das Buch schon gelesen?<br />

Hat Sie irgendwelche Fehler gefunden?<br />

napoleone: Bisher nicht. Noch liebt sie das<br />

Buch. Aber man sagt ja, man kann keinen Kuchen<br />

backen, ohne Eier zu zerschlagen. Irgendwelche Ungenauigkeiten<br />

werden schon drin sein. Es war wirklich<br />

schwierig, die Rezepte zu übersetzen. Vor allem<br />

beim Fleisch, weil in Italien eine Kuh ganz anders<br />

zerteilt wird als in England. Total verwirrend.


zum nachkochen<br />

Großmutter Albas Spezialsoße<br />

250 Gramm ungesalzene Butter<br />

250 Gramm Margarine<br />

4–5 Esslöffel Olivenöl Extra Vergine<br />

1 halbe große Zwiebel, gehackt<br />

3 Dosen (400 Gramm) geschälte Tomaten<br />

4 Rumpsteaks (à 200 Gramm)<br />

Tomatenmark (dreifach konzentriert)<br />

1–2 Würfel Rinderbrühe<br />

Butter, Margarine und Öl schmelzen und die Zwiebel<br />

braten, bis sie golden und weich ist. Tomaten,<br />

Steaks, Tomatenmark, Brühwürfel und Salz dazugeben.<br />

Auf mittlerer Hitze zwei Stunden lang<br />

schmoren lassen und gelegentlich rühren, damit die<br />

Soße nicht ansetzt. Kurz vor Ende der Kochzeit<br />

die Steaks herausnehmen, in kleine Stücke hacken<br />

und zurück in die Soße geben. Zu Ende kochen.<br />

<strong>Die</strong>se Soße ist perfekt mit jeder Art von Pasta.<br />

Kalbsbraten mit Milch<br />

1 kg Kalbsschulter oder -keule<br />

4 Gläser Weißwein<br />

2 Gläser Milch<br />

80 Gramm ungesalzene Butter, in Würfel<br />

geschnitten<br />

Salbei<br />

Rosmarin<br />

2 Würfel Rinderbrühe<br />

Ofen auf 250 Grad vorheizen. Das Fleisch in einem<br />

Bräter von beiden Seiten anbraten. <strong>Die</strong> Form rausnehmen,<br />

und die Temperatur auf 180 Grad reduzieren.<br />

Den Weißwein und die Milch über das Fleisch<br />

gießen, Butterwürfel, Salbei, Rosmarin und die<br />

zerbröckelten Brühwürfel hinzugeben und salzen.<br />

Ein Stück Alufolie mit einer Gabel durchlöchern<br />

und den Braten damit bedecken, sodass der Dampf<br />

während des Garens entweichen kann. Drei Stunden<br />

lang im Ofen braten. Wenn man mit einem<br />

Spieß ins Fleisch sticht und der Saft klar ist, ist es<br />

gar. Aus dem Ofen nehmen, ruhen lassen und in ½<br />

Zentimeter dicke Scheiben schneiden. Rosmarin<br />

und Salbei aus dem Bratensaft nehmen. Wenn er zu<br />

dünn ist, in einer Pfanne reduzieren. Das Fleisch<br />

mit frischem Salbei und Rosmarin servieren.<br />

Gefüllte Tomaten<br />

6 große Tomaten<br />

frische Petersilie<br />

2 Anchovis<br />

½ Knoblauchzehe, fein gehackt<br />

4 Esslöffel Semmelbrösel<br />

4 Esslöffel Parmesan, gerieben<br />

1 Ei<br />

Olivenöl Extra Vergine<br />

Ofen auf 180 Grad vorheizen. Oberstes Stück der<br />

Tomaten abschneiden (kann als „Deckel“ benutzt<br />

werden), die Kerne rausschaben. Petersilie, Anchovis<br />

und Knoblauch mischen. Semmelbrösel, Parmesan<br />

und Ei dazugeben, mit Pfeffer und Salz mischen.<br />

<strong>Die</strong> Tomaten mit dieser Paste füllen und,<br />

falls gewünscht, den „Deckel“ draufsetzen. In eine<br />

Backform geben, großzügig Olivenöl darüber gießen<br />

und eine Stunde lang backen. Heiß servieren.<br />

140<br />

IntervIew: Wird die Qualität der Zutaten und<br />

Nahrungsmittel ständig schlechter?<br />

napoleone: Das auch, vor allem ist uns das<br />

Gefühl für die Jahreszeiten abhandengekommen. Als<br />

ich aufwuchs, wusste man genau, welches Gemüse<br />

gerade Saison hatte. In New York oder London kann<br />

man immer alles kaufen. Und dann wundert man<br />

sich, dass die wunderschönen, riesigen Tomaten weniger<br />

Aroma haben. Ich weiß nicht mehr genau,<br />

wann Spargelsaison ist …<br />

IntervIew: Okay, dass Sie ein Kochbuch geschrieben<br />

haben, leuchtet ein. Sind Sie auch mit<br />

Kunst aufgewachsen?<br />

napoleone: Ja. Aber meine Eltern haben sich<br />

nicht für zeitgenössische Kunst interessiert. Sie kauften<br />

italienische Arbeiten aus dem 15. oder 16. Jahrhundert.<br />

Objekte, Teppiche, Möbel, auch ein paar<br />

Gemälde. Das trainiert das Auge, weil es an Schönheit<br />

gewöhnt wird. Aber wenn man Antiquitäten und<br />

alte Kunst sammelt, geht es nur um das Objekt selbst.<br />

Als ich anfing zu sammeln, entdeckte ich eine ganz<br />

neue Dimension. Ich konnte die Künstler treffen,<br />

mit ihnen diskutieren, ihre Konzepte verstehen, die<br />

Vielschichtigkeit sehen. Ich kenne 99,9 Prozent der<br />

Künstlerinnen, die ich sammle, persönlich. Darauf<br />

könnte ich nicht verzichten.<br />

IntervIew: Als Kind habe ich ein paar Bilder in<br />

unserer Wohnung immer und immer wieder angestarrt,<br />

weil sie mich interessierten. Gab es Dinge bei<br />

Ihnen zu Hause, die eine besondere Bedeutung für<br />

Sie hatten?<br />

napoleone: Ich mochte die Wandteppiche mit<br />

den Kriegsszenen. Und es gab eine reich verzierte<br />

Truhe aus geschnitztem Holz, die den Medici gehört<br />

hatte. Sie bewahrten dort die Aussteuer auf. Es waren<br />

kleine Engel drauf, und meine Eltern lagerten unsere<br />

Fotoalben darin. Sie waren aber im Grunde keine<br />

Sammler. Als unser Haus voll war, hörten sie auf zu<br />

kaufen. Bei mir dagegen ist ein Großteil der Sammlung<br />

im Lager.<br />

IntervIew: Wie wurden Sie Kunstsammlerin?<br />

napoleone: Ich hatte in Italien Journalismus<br />

studiert. Als ich mit meinem Mann nach New York<br />

zog, schrieb ich mich am FIT für den Studiengang<br />

Art Gallery Administration ein. Bis dahin war ich<br />

nur so weit an Kunst interessiert, wie es in New York<br />

unvermeidlich ist. An der Schule traf ich Galeristen,<br />

Kuratoren, Künstler und fing Feuer. Aber erst nach<br />

dem zweijährigen Studium begann ich zu kaufen.<br />

Das war 1997, und die Kunstwelt war eine ganz andere<br />

als heute. <strong>Die</strong> Galerien waren noch in SoHo. Und<br />

meistens total leer. <strong>Die</strong> erste Arbeit, die ich gekauft<br />

habe, war die Fotografie Narcissus von Carol Shadford<br />

in der Pierogi Gallery in Williamsburg. Ich habe<br />

sie total aus den Augen verloren, aber die Arbeit ist<br />

mir immer noch wichtig: ein kleines Schwarz-Weiß-<br />

Foto mit Seifenblasen drauf. Erst von Nahem erkennt<br />

man Frauen in vielen der Blasen. Ich sah meine eigene<br />

Situation und die von vielen Frauen in dieser Arbeit:<br />

abgeschnitten von der Außenwelt, gefangen in<br />

der Blase von Haushalt und Ehe. Ich brauchte den<br />

Kontakt zu anderen Menschen, zu unserer Kultur,<br />

zur Welt. Und den bekam ich durch die Kunst. Damals<br />

merkte ich: Ich interessiere mich auch für Design<br />

und Mode, aber das sind Themen, die ich im<br />

Griff habe. <strong>Die</strong> Kunst aber hat mich im Griff.<br />

IntervIew: Dafür gehen Sie als Sammlerin relativ<br />

kontrolliert vor. Sie geben nie mehr als 30 000<br />

Euro für eine Arbeit aus.<br />

napoleone: Es gibt Ausnahmen, aber dieses<br />

Limit hat sich als extrem sinnvoll erwiesen. Es diszipliniert<br />

mich. Wenn alles möglich ist, kommt nichts<br />

dabei raus. Grenzen fördern die Kreativität. Natürlich<br />

bin ich oft an meinem selbst gesetzten Budget<br />

verzweifelt. Aber im Nachhinein hat es mir geholfen,<br />

mich zu konzentrieren und nur das zu kaufen, was<br />

mir wirklich wichtig war. Künstler, von denen ich<br />

nicht ganz überzeugt war, Arbeiten, die nur zweitrangig<br />

waren, habe ich damit umgangen. In meiner<br />

Sammlung geht es nicht um Namen, sondern um<br />

meine persönliche Reise mit diesen Künstlerinnen.<br />

Würde ich 70 oder 80 000 Euro für eine Arbeit ausgeben,<br />

würde sie zum Investment.<br />

IntervIew: Sie wissen auch nicht, ob Ihre Sammlung<br />

im Wert steigt?<br />

napoleone: Natürlich kenne ich die Preisentwicklung<br />

jeder einzelnen Künstlerin, die ich sammle.<br />

Und natürlich verfolge ich die Auktionen. Auch<br />

wenn ich da bisher noch nicht gekauft habe. Das gehört<br />

genauso dazu wie das persönliche Gespräch mit<br />

einem Künstler und die Recherche über ihn.<br />

IntervIew: Wieso sind Sie gerade nicht bei der<br />

Art Basel in Miami?<br />

napoleone: Für eine Mutter von drei Kindern<br />

ist kurz vor Weihnachten ein ungünstiger Zeitpunkt<br />

für eine Kunstmesse. Und die Art Basel besuche ich<br />

lieber in Basel. Und ich gehe nur auf die wichtigsten<br />

Messen. Sie verwirren mich. Ich kaufe sowieso<br />

nichts, was ich zum ersten Mal auf einer Messe sehe.<br />

Ich brauche mehr Zeit und kaufe nicht, nur damit<br />

mir niemand die Arbeit wegschnappt. Sondern ausschließlich,<br />

wenn ich Qualität darin erkenne.<br />

IntervIew: Wie definieren Sie Qualität?<br />

napoleone: Hm. Okay. Ja. Ein guter Künstler<br />

verfolgt seine eigene Richtung, entwickelt seine eigene<br />

Sprache. Eine gute Arbeit funktioniert auf mehreren<br />

Ebenen. Ich hasse Kunst, die einfach nur gut<br />

aussieht. Und genauso hasse ich Kunst, für die man<br />

erst mal zehn Bücher lesen muss, um sie zu mögen.<br />

Und ich mag keine Kunst, die aufgeblasen und überproduziert<br />

ist. Wenn eine Galerie einem sehr jungen<br />

Künstler 100 000 Pfund gibt, die er einfach so verbläst,<br />

ohne dass er schon genug Substanz hätte …<br />

IntervIew: Das Aaron-Young-Syndrom? (Aaron<br />

Young ist ein amerikanischer Künstler. Sein Durchbruch<br />

war eine Performance, bei der er in einer riesigen Halle<br />

Motorräder über lackierte Holzplatten fahren ließ. <strong>Die</strong> Besucher<br />

trugen Gasmasken wegen der Abgase. <strong>Die</strong> Platten<br />

mit den Abriebspuren wurden zuerst in einer Luxusboutique<br />

ausgestellt. Heute wird Young von der Gagosian<br />

Gallery repräsentiert.)<br />

napoleone: Ganz genau. Und es gibt noch<br />

tausend andere Beispiele für den Riesenaufwand um<br />

hohle Kunst. Das liegt natürlich auch an einem vor<br />

Gesundheit strotzenden Kunstmarkt. Der Ruhm<br />

kommt früh, die Preise steigen schnell. Es ist nicht<br />

leicht für Künstler, erwachsen zu werden. Sie brauchen<br />

Zeit, sie müssen kämpfen.<br />

IntervIew: Das kann ein Galerist einem jungen<br />

Künstler schlecht vermitteln, wenn er selbst in einem<br />

Multimillionen-Dollar-Space residiert.<br />

napoleone: Deswegen sind bestimmte Galerien<br />

auch tödlich für junge Künstler. Das sind Maschinen<br />

oder Supermärkte, wo es einfach nur um möglichst<br />

viel Abverkauf geht. Viel wichtiger ist die<br />

Arbeit mit Kuratoren, sind Gruppenausstellungen<br />

und Museumsshows. Und eine langsame Preisentwicklung.<br />

Ein Künstler wird immer fragen, warum<br />

sein Kollege teurer ist als er selbst. Aber rasante<br />

Preisentwicklungen sind hochriskant. Wenn die<br />

nächste Rezession kommt, kann man die Preise nicht<br />

wieder runterschrauben.<br />

napoleone vor dem gemälde<br />

BrooklyN BiergarteN ii von<br />

nIcole eIsenman<br />

IntervIew: Haben Sie Fehler gemacht beim<br />

Sammeln?<br />

napoleone: Kommt drauf an, was Sie Fehler<br />

nennen. Manche Künstlerinnen haben mich enttäuscht.<br />

Eine abstrakte Malerin, die ich sehr schätze,<br />

hat vor zehn Jahren praktisch aufgehört zu malen<br />

und ist mit ihrer Familie nach Colorado gezogen. Ich<br />

habe sie neulich in New York getroffen und gesagt:<br />

„<strong>Die</strong> Pause war lang genug. Jetzt musst du wieder full<br />

speed an die Arbeit.“ Manchmal bin ich eben ein bisschen<br />

pushy.<br />

IntervIew: <strong>Die</strong> Midlife-Crisis trifft auch …<br />

napoleone: Na klar. Man hat schon 20 Jahre<br />

gearbeitet, ist nicht mehr jung und heiß, aber auch<br />

noch nicht total etabliert und abgesichert. <strong>Die</strong><br />

Sammler warten, ob da noch was kommt. Und die<br />

Künstler wissen es manchmal selbst nicht genau. Das<br />

ist hart.<br />

IntervIew: Tun Ihnen Künstler leid wegen der<br />

Berufskrankheit Zweifel?<br />

napoleone: Überhaupt nicht. Sie sind die<br />

glücklichsten Menschen auf der Welt. Alles, was sie<br />

brauchen, steckt in ihnen selbst. Was brauchen sie?<br />

Einen Bleistift, eine Mülltüte, sonst nichts. Meine<br />

Bewunderung für Künstler kennt keine Grenzen.<br />

“<br />

Ich mag keine<br />

Kunst, die einfach<br />

nur gut aussieht. Oder<br />

wenn eine Galerie<br />

einem jungen Künstler<br />

100 000 Pfund gibt,<br />

die er einfach<br />

verbläst, ohne dass er<br />

schon genug Substanz<br />

hätte …<br />

”<br />

– Valeria Napoleone<br />

141<br />

Und ich bin dankbar für die Beziehung, die ich zu<br />

ihnen haben darf.<br />

IntervIew: Ist die Beziehung zwischen Künstler<br />

und Sammler nicht immer ein bisschen vergiftet?<br />

napoleone: Für mich ist da kein Gift. Das ist<br />

purer, süßer Honig. Manche Künstler sind sozial ein<br />

bisschen gewandter, mit einigen bin ich besser befreundet<br />

als mit anderen. Aber ich will als Sammlerin<br />

wachsen; das kann ich nur durch den Dialog mit den<br />

Künstlern. Und umgekehrt.<br />

IntervIew: Muss ein Sammler gierig sein?<br />

napoleone: Es gibt eine gesunde Gier, bei der<br />

man seinen Verstand nicht ausschaltet und auf sein<br />

Herz hört. <strong>Die</strong> andere Gier hört auf das, was andere<br />

sagen, was der Markt diktiert. Gier ist gut. Aber nur,<br />

wenn sie mit wirklicher Leidenschaft verbunden ist.<br />

IntervIew: Sie sammeln ausschließlich die Arbeiten<br />

von Frauen. Inwieweit überlegen Sie, welche<br />

Künstlerinnen vertreten sein müssen? Fehlen Ihnen<br />

noch Isa Genzken oder Cindy Sherman?<br />

napoleone: Darüber denke ich permanent<br />

nach: Wie weit muss ich in die Kunstgeschichte zurückgehen?<br />

Warum ich das bisher noch nicht getan<br />

habe: Es geht mir um junge Künstlerinnen und meine<br />

persönliche Beziehung zur Kunst. <strong>Die</strong> Sammlung<br />

folgt meinem Leben und meinen Möglichkeiten. Zu<br />

manchen großartigen Künstlerinnen habe ich einfach<br />

keinen Bezug, andere kann ich mir nicht mehr<br />

leisten. Aber ich habe auch nicht den Ehrgeiz, einen<br />

repräsentativen Überblick zu bieten. Trotzdem bewundere<br />

ich Meisterinnen der Müttergeneration,<br />

wenn Sie so wollen. Isa Genzken ist alive and kicking.<br />

Oder die wunderbare Rosemarie Trockel, die im Januar<br />

in der Serpentine Gallery ausstellt. Eigentlich<br />

hätte ich sie heute treffen sollen, aber dann kam dieses<br />

<strong>Interview</strong> dazwischen.<br />

IntervIew: Oh, das ist mir wirklich unangenehm.<br />

napoleone: Kein Problem. Das holen wir<br />

nach.<br />

IntervIew: Welche Künstlerin ist der beste<br />

Dinnergast?<br />

napoleone: Als gute Sammlerin kann ich da<br />

keine Namen nennen. Das abstrakte Ideal ist eine<br />

Person, die über verschiedene Themen sprechen<br />

kann, die sich für ihr Gegenüber interessiert …<br />

IntervIew: Klingt nicht nach Künstlerin.<br />

napoleone: Oh, Sie wären überrascht. Künstlerinnen<br />

sind vielleicht ruhig oder schwierig, aber sie<br />

sind neugierig.<br />

IntervIew: Ihr Mann arbeitet im Private-Equity-Banking.<br />

Versteht er Ihre Sammlung?<br />

napoleone: Total. Ich habe gerade unseren<br />

Weihnachtsbaum mit Arbeiten von Julie Verhoeven<br />

dekoriert. Er liebt das. Was die Kunst betrifft, sitze<br />

ich am Lenkrad und entscheide, wo wir uns engagieren,<br />

welche Kunstvereine und Projekte wir unterstützen,<br />

was gekauft und was gehängt wird. Aber er<br />

ist ein hervorragender Kopilot.<br />

Valeria NapoleoNe’s<br />

Catalogue of exquisite reCipes<br />

Ist beI walther KönIg erschIenen.<br />

er beInhaltet KlassIsche rezepte aus<br />

der lombardeI und arbeIten (oft spezIell<br />

für das buch angefertIgt)<br />

von KünstlerInnen wIe aleKsandra mIr,<br />

monIca bonvIcInI, JulIe verhoeven<br />

und lIsa YusKavage


STANLEY<br />

KUBRICK<br />

HOOLIGANS, die Milch trinken (Clockwork Orange),<br />

RAUMSCHIFFE, die Walzer tanzen (2001: Odyssee<br />

im Weltraum), JACK NICHOLSON, der durchdreht<br />

(Shining): <strong>Die</strong> Welten, in die uns der REGISSEUR<br />

STANLEY KUBRICK in seinen Filmen entführte,<br />

oszillieren zwischen Traum und Albtraum, Realem<br />

und Surrealem. Anlässlich der Kubrick-Weltausstellung<br />

in Los Angeles erinnern TOM CRUISE<br />

(Kubricks Lieblingsschauspieler) und TERRY SEMEL<br />

(Kubricks Studioboss) an den wohl bildgewaltigsten,<br />

detailversessensten und schrulligsten Regisseur des<br />

20. Jahrhunderts<br />

Fotos: WARNER BROTHERS (©) Copyright 1980 by WARNER BROTHERS; WARNER BROS / Kobal Collection; Corbis<br />

VON<br />

TOM CRUISE UND<br />

TERRY SEMEL<br />

MODERIERT VON<br />

ANNETTE INSDORF<br />

142<br />

BIS ZUM 30. JUNI 2013 IM LOS ANGELES<br />

COUNTY MUSEUM OF ART (LACMA)


Fotos: Keith Hamshere/Getty Images; Warner Bros. Entertainment Inc./LACMA (2); MGM /<br />

Kobal Collection; Warner Bros. Entertainment Inc./LACMA; Sony/Columbia Pictures Industries<br />

Inc./LACMA; WARNER BROS / Kobal Collection; Corbis; dpa Picture-Alliance; WARNER<br />

BROTHERS(©) Copyright 1980 by WARNER BROTHERS; Corbis; Warner Bros. Entertainment<br />

Inc./LACMA; MGM / Kobal Collection; WARNER BROS / Kobal Collection; WARNER BROS /<br />

Kobal Collection; Corbis<br />

Obere Hälfte:<br />

Szenen vOn den dreHarbeiten<br />

zu 2001: Odyssee im Weltraum<br />

(1968). äStHetiScH wegweiSend,<br />

dramaturgiScH zur<br />

damaligen zeit eine HerauSfOrderung.<br />

untere Hälfte (im uHrzeiger-<br />

Sinn): Szenen auS dr. seltsam,<br />

Oder Wie ich lernte die BOmBe<br />

zu lieBen (1964), auS Full metal<br />

Jacket (1987), Barry lyndOn<br />

(1975), KubricK bei dreHarbeiten<br />

(1974)<br />

144<br />

IM UHRZEIGERSINN: DIE BADEZIMMERSZENE UND DIE<br />

FIESEN ZWILLINGE AUS SHINING (1980), KUBRICK BEI<br />

DEN DREHARBEITEN ZU CLOCKWORK ORANGE (1971),<br />

MALCOLM McDOWELL ALS ALEX IN CLOCKWORK<br />

ORANGE, CRUISE UND KIDMAN IN EYES WIDE SHUT<br />

(1999), DAS PAAR MIT STANLEY KUBRICK UND JAN<br />

HARLAN (1998), LOLITA (1962)


Annette Insdorf: Stanley Kubrick eilt nach wie<br />

vor der Ruf voraus, ein Meister seines Fachs gewesen<br />

zu sein. Worin liegt das begründet? Waren es die<br />

künstlerischen oder technischen Fähigkeiten, die er<br />

zweifelsohne besaß – oder beruht sein Ruf vor allem<br />

auf seiner visionären Gabe?<br />

terry semel: Letzteres, denke ich. Tom und ich<br />

können beide bezeugen, dass jeder, der Stanley treffen<br />

und mit ihm arbeiten durfte, ihn verehrte. Er war ein<br />

Juwel, sehr smart, sehr wortgewandt …<br />

tom CruIse: … und sehr lustig!<br />

semel: Ja, ein großartiger Sinn für Humor.<br />

Gleichzeitig gab es keine Möglichkeit, ihn zu kontrollieren.<br />

Ich merkte sofort, dass wir als Studio nicht den<br />

geringsten Einfluss auf ihn hatten. Das sagte ich auch<br />

meinen Kollegen bei Warner Bros. Er entschied, was<br />

wann wo und wie passierte und gefilmt wurde. Er<br />

machte die Ansagen. Zumal er nichts aus der Hand<br />

gegeben hat. Er kümmerte sich selbst um die Dinge,<br />

um alle Dinge. Deshalb gab es auch so gut wie keine<br />

Crew am Set. Nur Stanley und die wichtigsten Schauspieler.<br />

Für uns als Studio war das ziemlich riskant.<br />

CruIse: Ihr hattet ein festes Ritual, wenn es darum<br />

ging, ein neues Projekt anzugehen. Ich liebe das<br />

Ritual. Willst du es mit den Lesern teilen?<br />

semel: Das Ritual war immer dasselbe: Da ich<br />

Chef des Studios war, konnte ich durchsetzen, dass niemand<br />

Stanley an die Leine nehmen würde. <strong>Die</strong> Routine<br />

lief wie folgt: Stanley arbeitete immer an mehreren<br />

Drehbüchern gleichzeitig, und wenn er dachte, eins sei<br />

gut genug, um als nächster Film infrage zu kommen,<br />

rief er an und sagte: „Wie schnell kannst du nach London<br />

kommen?“ Er hätte nie ein Drehbuch nach Kalifornien<br />

geschickt, niemals. Und da er nach Clockwork<br />

Orange so viele Todesdrohungen erhalten hatte, verließ<br />

er selbst auch den Großraum London nicht. Also flog<br />

ich nach London. Dort empfing mich sein Schwager,<br />

der mich jedes Mal im selben Zimmer des gleichen<br />

Hotels unterbrachte. Dort rief mich Stanley dann an<br />

und sagte: „Bitte geh heute früh zu Bett, Terry. Ruh<br />

dich aus, schlaf gut, geh bitte nicht aus, bleib einfach in<br />

deinem Zimmer – und wenn du morgen früh aufwachst,<br />

wirst du das Drehbuch finden, das mein Schwager<br />

in einem Umschlag für dich unter der Tür durchschiebt.“<br />

(Cruise lacht) Ich sagte dann immer: „Stanley,<br />

ich würde das Drehbuch wirklich gerne mit ein paar<br />

A HAppy endIng: tom CruIse, nICole KIdmAn und stAnley KubrICK<br />

bereIten dIe letzte szene von EyEs WidE shut vor<br />

Kollegen bei Warner Bros. besprechen.“ Woraufhin er<br />

nur aufheulte: „Nein, nein, lass niemanden das Drehbuch<br />

lesen! Deshalb bist du doch extra hergeflogen. Du<br />

liest es.“ Was ich dann auch tat. Wenn ich fertig war,<br />

rief ich in seinem Haus auf dem Land an, woraufhin er<br />

mir einen Fahrer schickte. So spielte es sich jedes Mal<br />

ab. Ohne die kleinste Abweichung. Wenn Stanley<br />

dachte, dass das Drehbuch fertig sei und alle Charaktere<br />

weit genug entwickelt, war es meine Rolle, rüberzufliegen,<br />

zu lesen, um dann zu allen wichtigen Details<br />

des Projekts sagen zu können: „Nein, das ist viel zu<br />

teuer.“ Oder: „Ja, das geht gerade noch.“<br />

Insdorf: Gehörte zu den Detailfragen auch das<br />

Casting des Films?<br />

semel: Na ja, als wir Shining drehten, war Jack<br />

Nicholson eine seiner Hauptsorgen. Das Problem<br />

war, dass Jack zwar ein herausragender Schauspieler<br />

und großer Hollywoodstar ist, doch er ging einfach<br />

nie rechtzeitig zu Bett. Er war ständig unterwegs,<br />

hatte Spaß. Stanley fand das furchtbar. Er fand, ein<br />

Schauspieler gehöre früh ins Bett, brauche ausreichend<br />

Schlaf und müsse morgens ausgeschlafen am<br />

Set erscheinen. Als wir mit Shining fertig waren, verkündete<br />

Stanley. „Ich werde nie wieder mit Stars in<br />

meinen Filmen arbeiten. Jack Nicholson war großartig,<br />

aber er war ständig am Feiern.“ Er sagte dies<br />

übrigens auch über dich, Tom, als ich dich für Eyes<br />

Wide Shut vorschlug. Ich sagte zu ihm: „Aber Stanley,<br />

ich möchte einen Star in Eyes Wide Shut, und Shining<br />

ist doch schon sehr lange her.“ Er antwortete: „Nein.<br />

Sie haben einfach zu viele Möglichkeiten.“<br />

CruIse: Zu viele Möglichkeiten (lacht). Das<br />

mochte er nicht.<br />

semel: Zumindest so lange nicht, bis er einer<br />

Person vertraute und dachte, dass die Person etwas<br />

Positives zum Film beisteuere. Ich sagte daraufhin:<br />

„Ich will Tom Cruise“, und Stanley suchte Ausflüchte<br />

und meinte nur: „Der würde doch gar nicht herfliegen,<br />

weil es viel zu weit weg ist.“ Daraufhin ließ ich<br />

mir das Telefon geben, rief dich an und sagte: „Tom,<br />

ich sitze hier mit Stanley Kubrick. Der Film passt perfekt<br />

zu dir, er wird großartig. Kannst du nach London<br />

kommen, um Stanley zu treffen und über Eyes Wide<br />

Shut zu sprechen?“ Am nächsten Morgen warst du da,<br />

und du und Stanley wurdet zu Brüdern – oder vielmehr<br />

Vater und Sohn.<br />

146<br />

CruIse: Ich kann mich noch sehr gut an unser<br />

erstes Treffen erinnern: Ich landete mit dem Helikopter<br />

im Garten seines Landsitzes, und er war überaus<br />

charmant. Ich las das Drehbuch, das 95 Seiten lang<br />

war, und danach saßen wir in seiner Küche und redeten<br />

stundenlang über den Film, wo man drehen würde,<br />

über die Geschichte, meine Rolle. Stanley meinte,<br />

er wolle noch im Sommer anfangen zu drehen, da er<br />

an Weihnachten fertig sein wolle – was absurd klang,<br />

da ich mir seine anderen Filme genau angeschaut hatte<br />

und mit vielen Leuten über seine Arbeitsweise gesprochen<br />

hatte. Ich wusste, dass wir mindestens ein<br />

Jahr am Werk sein würden. Dennoch sagte ich: „Okay,<br />

lass uns anfangen.“ Daraufhin sprachen wir über die<br />

weibliche Hauptrolle, ich fragte ihn, ob er mit der<br />

Arbeit von Nicole Kidman vertraut sei, und auch<br />

darüber, dass ich sie für eine großartige Schauspielerin<br />

halte. Und wir sprachen über Baseball. Er liebte<br />

Baseball.<br />

semel: Das stimmt.<br />

CruIse: Er hat ja als Fotograf bei dem Magazin<br />

Look angefangen und war großer Yankees­Fan, was ich<br />

auch bin. Später dann, als wir uns mehr und mehr anfreundeten,<br />

fing er an, mir seine ganzen Filme zu erklären,<br />

angefangen bei 2001. Er erklärte, warum er<br />

diese oder jene Szene gedreht hatte, wie er versuchte,<br />

mit einfachen Mitteln immer unter die Haut der Zuschauer<br />

zu kriechen. Ich habe so unglaublich viel von<br />

ihm lernen können. Ihn interessierte immer die Frage:<br />

Wie kann ich das mit nur einer Kamera erzählen?<br />

Er und Sydney Pollack hatten eine Art Pingpongspiel,<br />

sie schickten sich ständig irgendwelche Werbeschnipsel<br />

zu. Es ging darum, wer am meisten Dialoge aus<br />

Werbungen rausschneiden konnte, ohne dass die<br />

Werbung ihre Botschaft verliert. Wenn man sich Eyes<br />

Wide Shut ansieht, fragt man sich ständig: Ist das ein<br />

Traum oder ein Albtraum? Und wie man die Geschichte<br />

erzählen und darstellen kann – ohne auf altbackene<br />

Klischees auszuweichen, die dem Publikum<br />

suggerieren, dass es ein Albtraum ist.<br />

Insdorf: Kubrick spielte mit der Auflösung formeller<br />

Strukturen.<br />

CruIse: Er ging hart an die Grenzen. Bei Barry<br />

Lyndon beispielsweise filmte er mit Apollo­Linsen, die<br />

eigentlich für die NASA entwickelt worden waren.<br />

<strong>Die</strong> Geschwindigkeit dieser Linsen ist erschreckend.<br />

Dank ihnen konnte er bei Kerzenschein filmen, was<br />

dem Film diese unglaubliche Tiefe verleiht, für die<br />

Kubrick bekannt ist. Er mochte Weitwinkellinsen und<br />

modifizierte oftmals die Möbel oder Bilder an den<br />

Wänden des Sets, um sie einsetzen zu können. Denn<br />

Weitwinkellinsen verzerren das Bild ja eigentlich.<br />

Aber Kubrick verstand sie durch und durch, er war ein<br />

absoluter Meister seines Handwerks. Das war seine<br />

eigentliche Brillanz: Stanley wusste, wie er mit dem<br />

Medium Film umgehen musste, wie mit Kamera, Ton<br />

und Linsen. Er hatte die totale Kontrolle. Immer. In<br />

jeder Szene. In jeder Einstellung.<br />

semel: Tom, hat es dich auch so fasziniert, wie<br />

wenig Leute an einem Set von Kubrick waren?<br />

CruIse: So wenig wie nur irgend möglich. Das<br />

Set sollte abgeriegelt sein, sehr intim, sehr persönlich.<br />

Ich kann mich an kein Set erinnern, an dem so wenige<br />

Menschen zugange waren wie bei Eyes Wide Shut.<br />

Stanley wollte es so einfach wie möglich halten. Er<br />

dachte immer auch ökonomisch. Wobei er vor allem<br />

Zeit benötigte – für das Filmen an sich genauso wie<br />

für das Nachdenken über den Film. Das Drehbuch<br />

war immer nur eine Blaupause. Für Eyes Wide Shut<br />

hatten wir 65 Millionen Dollar Budget – und jeder<br />

denkt, wir hätten zwei Jahre lang gedreht. In Wirk­<br />

Fotos: Warner Bros. Entertainment Inc. Photo: Manuel Harlan/LACMA; John Springer Collection/CORBIS<br />

“<br />

Er hätte nie ein<br />

Drehbuch nach<br />

Kalifornien geschickt.<br />

Und da er nach<br />

Clockwork Orange so<br />

viele Todesdrohungen<br />

erhalten hatte,<br />

verließ er London<br />

nicht”– Terry Semel<br />

147<br />

lichkeit waren es eher eineinhalb Jahre, und auch in<br />

dieser Zeit gab uns Stanley ständig frei, da er über den<br />

Film nachdenken, das Material sichten und Details<br />

am Set korrigieren wollte. Er wusste sehr genau, mit<br />

wem er arbeiten wollte. Sein Umgang mit Geld war<br />

sehr smart. Er holte alles aus jedem einzelnen Dollar<br />

raus – und musste nie das Studio anbetteln, um einen<br />

Cent mehr zu bekommen.<br />

Semel: Man kann zudem nicht genug betonen,<br />

wie sehr sich Stanley um jedes Detail seiner Filme<br />

selbst gekümmert hat. Und auch danach wollte er volle<br />

Kontrolle. Ich erinnere mich daran, wie er nach einem<br />

abgeschlossenen Film zu mir kam und verlangte:<br />

„Ich, Stanley, werde die Werbekampagne zu meinem<br />

Film selbst gestalten. Ich will alle PR-Aktivitäten<br />

selbst kontrollieren. Ich will mit jedem Detail, das mit<br />

meinem Film zusammenhängt, vertraut sein.“ So geschah<br />

es dann auch. Er arbeitete an jedem Zentimeter<br />

mit, wie der Film beworben wurde. Er schnitt alle<br />

Trailer selbst. Er bestimmte, wann der Film anlief, in<br />

welcher Stadt die Premiere stattfand. Und all das vor<br />

dem Hintergrund: „Nein, ich kann und werde den<br />

Großraum London nicht verlassen.“<br />

CruiSe: <strong>Die</strong> Trailer für Shining und Eyes Wide<br />

Shut sind atemberaubend!<br />

inSdorf: François Truffaut erzählte mir vor<br />

mehr als 30 Jahren, Kubrick habe eine Apparatur in<br />

seinem Haus bei London, die Alarm schlage, wenn<br />

eine Lampe in einem Projektor in einem Kino in New<br />

York ausfällt, in dem gerade einer seiner Filme läuft.<br />

Es ist wohl nicht übertrieben, wenn man sagt, Stanley<br />

Kubrick sei der größte Perfektionist, mit dem ihr jemals<br />

gearbeitet habt.<br />

Semel: Zweifelsohne! Wenn er die Liste der Kinos<br />

bekam, in denen sein Film gezeigt wurde, schickte<br />

er seinen Schwager Jan Harlan los, der jedes Kino fotografierte.<br />

Stanley wollte wissen, wie viele Menschen<br />

zur Vorführung kamen. Der Schwager musste sie<br />

beim Betreten und beim Verlassen des Kinos fotografieren.<br />

Stanley wusste viel mehr über das Tagesgeschäft<br />

als ich. Er rief an und sagte: „Das eine Kino<br />

hier bietet nicht ausreichend Parkmöglichkeiten. Außerdem<br />

ist die Leinwand bei einem der Kinos in Denver<br />

zu klein.“ Ich konnte es nicht fassen. Woher wusste<br />

Stanley solche Sachen? Er verließ ja London nicht<br />

– und beschwerte sich über die Parkmöglichkeiten in<br />

Denver. Für ihn ging es immer um mehr als nur darum,<br />

einen Film zu drehen. Deswegen ist es auch so<br />

traurig, dass er die Premiere von Eyes Wide Shut nicht<br />

mehr erleben durfte. Er starb ein oder zwei Wochen<br />

vorher – und in der Nacht, bevor er starb, arbeitete er<br />

en détail noch an den Trailern und der Werbekampagne.<br />

Er war so gut darin, die Werbemaßnahmen zu<br />

seinen Filmen festzulegen. Wobei er sich immer darüber<br />

aufregte, wenn er andere Regisseure in irgendwelchen<br />

Talkshows sitzen und über ihre Filme reden<br />

sah. Dann fragte er immer: „Warum gehen die da hin?<br />

Merken sie nicht, dass sie keine Celebritys sind, sondern<br />

Regisseure? Macht Filme!“<br />

CruiSe: Stanley wollte nicht berühmt sein.<br />

Semel: Er konnte es nicht einmal ertragen, fotografiert<br />

zu werden. Meine Frau Jane durfte ihn zwar<br />

fotografieren, was vielleicht daran liegen könnte, dass<br />

Jane Britin ist …<br />

CruiSe: … und er Jane liebte.<br />

Semel: Trotzdem hatte er immer dieselben alten<br />

Klamotten an und sah total zerzaust aus.<br />

CruiSe: Er trug auch jeden Tag am Set dasselbe.<br />

Semel: Das Schöne war jedoch, dass es, wenn er<br />

denn jemanden in sein Haus, in sein Heiligtum, ließ,<br />

kein Halten gab. Dann bekam man Stanley. Und verbrachte<br />

ein, zwei, drei Tage in der riesigen Küche und<br />

musste immerfort essen.<br />

inSdorf: Tom, du hast Kubricks Fähigkeit erwähnt,<br />

dem Publikum unter die Haut zu gehen. Im<br />

Gegensatz zu vielen zeitgenössischen Filmemachern<br />

war seine Vision weder optimistisch noch tröstend.<br />

Sie war mit all den Weitwinkeln oft geradezu entmenschlichend.<br />

Das Herrenhaus in Eyes Wide Shut<br />

beispielsweise ist ein Ort, an dem kalte Kopulation die<br />

Norm und Anonymität die Bedingung ist. War Trostlosigkeit<br />

ein integraler Bestandteil seiner Vision?<br />

Semel: Er hatte einen großartigen Sinn für Humor,<br />

und ich glaube nicht, dass er irgendetwas davon<br />

als trostlos angesehen hat.<br />

CruiSe: Und die Orgienszene sollte sich so anfühlen,<br />

das war Stanleys Absicht. Es geht um einen<br />

Kerl, der auf die dunkle Seite seines Lebens überwechselt.<br />

Eines der zentralen Themen, die der Film<br />

behandelt, ist Eifersucht. Wobei die Frau ihre Fantasien,<br />

die sie hat, nie auslebt – und der Mann sich auf<br />

eine Reise begibt und denkt, dass etwas geschieht, was<br />

jedoch nicht der Fall ist. Er schläft nicht mit der Frau,<br />

deren Vater gerade gestorben ist. Am Ende nimmt er<br />

an der Orgie nicht teil. Sie ist dunkel – aber nicht befriedigend.<br />

Ich habe viel mit Stanley über meine Rolle<br />

gesprochen, darüber, dass meine Figur ihren Titel als<br />

Doktor benutzt, um Türen zu öffnen, und als Waffe.<br />

Stanleys Vater war Doktor. Vielleicht war Stanley deshalb<br />

so zynisch gegenüber Menschen, die Macht und<br />

Titel gebrauchen, um an bestimmte Orte zu gelangen<br />

und Menschen und Situationen auszunutzen. Ja, Eyes<br />

Wide Shut ist ein verstörender Film. Aber als wir das<br />

Ende drehten, meinte Stanley nur: „Das ist ein happy<br />

ending.“ <strong>Die</strong> Szene spielt in einem Spielzeugladen.<br />

Sein Humor war wirklich großartig.<br />

inSdorf: Terry, habt ihr jemals darüber nachgedacht,<br />

Eyes Wide Shut in voller Nacktheit zu zeigen<br />

– und dafür auf eine Jugendfreigabe zu verzichten?<br />

Semel: Zwischen Stanleys Tod und der Premiere<br />

war so wenig Zeit. Und ich wollte unbedingt vermeiden,<br />

dass das Studio in irgendeiner Weise Stanleys<br />

Vision ändert oder etwas hinzufügt, was er nicht gewollt<br />

hätte. Es war sein Film. Niemand sonst sollte<br />

daran rumwerkeln. Stanley war es wichtig, dass der<br />

Film in so vielen Kinos wie nur irgend möglich zu sehen<br />

war – für so viele Zuschauer wie möglich.<br />

CruiSe: Er wollte, dass der Film ein großer Erfolg<br />

wird. Deshalb war es ihm auch so wichtig, dass es ein<br />

jugendfreier Film bleibt.<br />

Semel: Deshalb rief er auch ständig an (lacht). Ich<br />

musste auf sein Geheiß wieder und wieder bei der<br />

Filmkommission vorsprechen, um das sicherzustellen.<br />

Tom, möchtest du über die letzten Nächte sprechen,<br />

bevor Stanley starb?<br />

CruiSe: Stanley schickte die finale Fassung nach<br />

New York, wo Terry, Jane, Nicole und ich den Film<br />

ansahen. Wir sahen ihn zweimal hintereinander und<br />

sind dann essen gegangen. Danach musste ich nach<br />

Australien, um Mission: Impossible 2 anzufangen. Du<br />

warst den ganzen Abend am Telefon mit Stanley, der<br />

mit dir über jedes Detail, jede Einstellung, jeden<br />

Schnitt sprechen wollte.<br />

Semel: Stimmt. Zudem bestand Stanley darauf,<br />

dass nur wir vier den Film zu sehen bekommen. Er<br />

schickte seinen Neffen extra nach New York, um den<br />

Film für uns einzulegen. Nachdem ich den Film gesehen<br />

hatte, rief Stanley an und wollte über alles sprechen.<br />

Irgendwann musste ich ihn unterbrechen und<br />

sagen, dass ich jetzt nach Los Angeles fliegen musste,<br />

da ich dort wohne. Stanley rief am nächsten Tag an,<br />

wir sprachen über Stunden, verglichen Eindrücke,<br />

machten Notizen, diskutierten darüber, wie wo und<br />

wann der Film veröffentlicht werden würde. Irgendwann<br />

war es vier Uhr in der Früh, und ich sagte:<br />

„Stanley, ich bin wirklich müde, ich muss ins Bett.<br />

Lass uns morgen weiterreden.“ Daraufhin legte ich<br />

mich schlafen – und als ich aufwachte, war unser<br />

Anruf beantworter voller Nachrichten. <strong>Die</strong> meisten<br />

davon waren von Stanleys Frau. Stanley war in der<br />

Nacht gestorben. Als ich sie zurückrief, fragte sie<br />

mich: „Worüber habt ihr geredet? Habt ihr gestritten?“<br />

Woraufhin ich sagte: „Nein, wir haben eigentlich<br />

die meiste Zeit gelacht.“ Selbstverständlich waren<br />

wir alle total geschockt. Aber gleichzeitig freut es<br />

mich, dass er mit dem Bewusstsein, einen großartigen<br />

Film gedreht zu haben, gehen durfte. Unser letztes<br />

Telefonat war geradezu feierlich, wir waren fast hysterisch<br />

und redeten über den Film bis in den Sonnenaufgang<br />

hinein. Später, als der Film in Los Angeles<br />

gezeigt wurde, sagte ich: „Das ist mein letzter Film<br />

bei Warner Bros.“ Meine Kollegen waren schockiert.<br />

Aber ich wusste, dass keine zukünftige Erfahrung das<br />

überbieten kann, was ich mit Stanley erleben durfte.<br />

Danach sind wir alle zur Beerdigung nach England<br />

geflogen. Er wurde in seinem Garten beigesetzt.


Fotoalbum<br />

fotoalbum<br />

Tim<br />

burton<br />

Batman, 1989<br />

von<br />

Jörg HArlAn roHleder<br />

Seine Filme Sind auFregend Surreal und<br />

oFtmalS So düSter wie der Himmel über<br />

gotHam City. der regiSSeur tim burton gilt<br />

alS meiSter deS FantaStiSCHen gruSelkinoS.<br />

naCH drei JaHrzeHnten erweCkt burton<br />

nun Seinen alten kurzFilm Frankenweenie<br />

erneut zum leben. wir traFen den<br />

amerikaner in pariS und SpraCHen mit iHm<br />

über einige Seiner wiCHtigSten werke<br />

burton und daS batmobil, 1989: „SCHauen Sie nur, waS Für ein bieSt daS iSt: SCHnell, SCHwarz,<br />

eS SpuCkt Feuer, ein groSSartigeS auto. leider war daS batmobil zu groSS Für meine garage,<br />

SonSt würde iCH Heute noCH damit rumFaHren. auCH wenn meine Frau eS HaSSen würde.”<br />

148<br />

Fotos: Terry O'Neill/Getty Images; Picture-Alliance<br />

batman war immer mein liebster Comic-Held, ich konnte also gar nicht ablehnen, diesen Film zu drehen.<br />

Gleichzeitig war Batman meine erste große Hollywoodproduktion, was nicht gerade wenige Probleme mit<br />

sich brachte. <strong>Die</strong> Produzenten hatten mich ausgesucht, weil ich bewiesen hatte, dass ich eigene Welten erschaffen<br />

kann, düster und fantastisch. Dennoch wollten die die ganze Zeit reinreden. Bei allem! Vor allem<br />

beim Cast: Jack Nicholson als Joker kam gut an, aber Michael Keaton als Batman passte ihnen gar nicht. Sie behaupteten,<br />

Keaton sei zu schmächtig und nicht maskulin genug<br />

Dabei zieht der reiche Rächer doch erst seinen Anzug an und das Cape, um Batman zu werden.<br />

Er braucht, anders als Superman, ein Kostüm für sein Heldendasein, während Superman sich kostümieren muss,<br />

um als Normalo durchzugehen.<br />

Ganz genau. Das verstanden diese Studiohonks jedoch nicht.<br />

Als ich Jack Nicholson zum ersten Mal als Joker gesehen habe, fürchtete ich mich vor ihm.<br />

Allerdings habe ich auch Angst vor Clowns.<br />

Sie auch? Clowns sind das Einzige, vor dem ich wirklich Panik habe. Clowns sind bösartige Gesellen, sie sind ein totales<br />

Spaßsymbol des Heile-Welt-Nuklear-Family-Value-Amerikas. Wahrscheinlich finde ich sie deshalb auch so schrecklich.<br />

Warum haben Sie eigentlich nach den Abenteuern mit Batman keine Superheldenfilme mehr gedreht?<br />

Wegen der in Hollywood grassierenden Muskelmanie?<br />

Dafür gab es ein paar Gründe, aber einer davon ist mit Sicherheit dieser Muckizauber, der heute abverlangt wird und der in<br />

meinen Augen überhaupt keinen Sinn ergibt. Superhelden sind keine Wrestler, sie sind nicht Arnold Schwarzenegger, sondern<br />

Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Nur weil Spielzeugfiguren heute so aufgepumpt aussehen müssen, heißt<br />

das nicht, dass sämtliche Comic-Helden das auch tun sollten. Außerdem hasse ich diese ganzen schwachsinnigen Titel. Namen<br />

wie Batman Forever klingen doch, als habe sich das jemand ausgedacht, der total auf Drogen ist. So ein Titel klingt wie<br />

ein schlechtes Tattoo.<br />

149


fotoalbum<br />

fotoalbum<br />

Frankenweenie, 2012<br />

1996<br />

Hier sieht man Frankenweenie 2012 und Frankenweenie 1984, zwischen den beiden Filmen liegen fast 30 Jahre,<br />

verrückt, oder? Es geht um den Jungen Victor, der seinen geliebten Hund wie Frankensteins Monster zurück<br />

ins Leben holt. Es blitzt und donnert, und schwupps ist der Hund wieder da. Tod, Wiedergeburt, Untote, all<br />

das fasziniert mich. Ich wollte Frankenweenie noch einmal aufgreifen, da der alte Film lediglich ein Kurzfilm<br />

war. Der neue ist Stop-Motion, zudem in 3-D.<br />

Stop-Motion ist eigentlich die ursprünglichste Form des Filmhandwerks.<br />

Ich liebe Stop-Motion-Filme. Man geht so taktisch vor. Das Set wird ständig umgebaut, man schießt Bild um Bild, wie früher in<br />

den Anfangstagen des Kinos. Bei Dreharbeiten wie diesen merke ich wieder, warum ich es so sehr liebe, Filme zu drehen.<br />

Hätten Sie den Film auch gemacht, wenn Disney darauf bestanden hätte, dass Sie in Farbe drehen?<br />

Niemals. Als ich über das Projekt nachdachte, saß ich mit meinen alten Zeichnungen da, dachte an den Hund, den wir hatten, als<br />

ich ein Kind war, und schon kamen all die alten Erinnerungen wieder hoch: an die Kids aus der Nachbarschaft, die Schule, irgendwelche<br />

Lehrer. Victor leidet unter denselben Dingen und Umständen, unter denen ich als Kind gelitten habe.<br />

Sie sind in Burbank/Kalifornien aufgewachsen, wenige Straßen von den Disney Studios entfernt.<br />

Waren Sie schon mal in Burbank? Man könnte es als die klassische amerikanische Vorstadt bezeichnen, in Wirklichkeit ist es jedoch<br />

wie eine Vorhölle aus Dantes Inferno. Deswegen fühlte ich mich dort auch so fremd. Das einzige Museum, das ich als Kind<br />

zu sehen bekam, war das Wachsfigurenkabinett in Hollywood. Immerhin gab es Frankenstein dort.<br />

Wie muss man sich Tim Burton als Kind vorstellen?<br />

Als Einzelgänger, schüchtern, ruhig, verträumt, leicht depressiv, eher traurig. Ich habe meine Tage damit verbracht, zu zeichnen,<br />

Horrorfilme anzusehen und auf dem Friedhof rumzuhängen.<br />

Der Friedhof spielt ja auch in „Frankenweenie“ eine wichtige Rolle. Was fasziniert Sie denn so an Friedhöfen?<br />

Ich finde sie inspirierend. Friedhöfe besitzen diese besondere Stimmung, die nicht<br />

morbide, sondern sehr friedlich ist. Und der Friedhof meiner Kindheit lag am Ende<br />

meiner Straße, also spielte ich dort. Es war eigentlich ein Park mit ein paar Grabplatten.<br />

Im Film plagt die Eltern die Sorge, ihr Sohn Victor könne ein Nerd werden.<br />

Erinnern Sie sich daran, wann Sie das erste Mal als Nerd bezeichnet wurden?<br />

Das ist sehr lange her – und hat nie aufgehört. Ich war vielleicht vier oder fünf.<br />

Davor nannten sie mich allerdings schon Spasti (lacht).<br />

Was würde der 14-jährige Tim Burton über den Mann sagen, der heute hier sitzt?<br />

Er wäre geschockt, wie alt er geworden ist.<br />

Frankenweenie, 1984<br />

150<br />

151<br />

Fotos: Disney Enterprises. All Rights Reserved, Warner Bros. Pictures/Sunset Boulevard/Corbis<br />

Ein Alien aus Mars Attacks! <strong>Die</strong> Dreharbeiten waren der Wahnsinn, totale Anarchie am Set. Wenn ich mir<br />

dieses Bild ansehe, spüre ich sofort meinen alten Groll gegen Amerika, der mich antrieb, diesen Film zu drehen.<br />

Ich wollte mich über all die Inkompetenz in Amerika lustig machen, über all die dummen Politiker, die<br />

dummen Medienvertreter, all die dummen Schwätzer und Heilsversprecher. Schauen Sie sich diese Augen an!<br />

Total durchgeballert. Ich stehe dazu: Meine Aliens sind nach wie vor die coolsten Aliens der Filmgeschichte.<br />

Jack Nicholson, Glenn Close, Annette Bening, Danny DeVito, Pierce Brosnan, Michael J. Fox,<br />

Natalie Portman, Sarah Jessica Parker – der Cast war ebenfalls ziemlich beeindruckend.<br />

Ja, und es hat mir großen Spaß bereitet, einen Superstar nach dem anderen von den Aliens abmurksen zu lassen.<br />

Fürchten sich eigentlich Ihre Kinder vor den Filmen des Vaters?<br />

Meine Filme sind eigentlich gar nicht gruselig. Außerdem besitzen meine Kids meine Gene. Und ich habe früher Horrorfilm-<br />

Marathons abgehalten – das ganze Wochenende nur Monsterfilme. Immer dann, wenn meine Eltern nicht da waren. Der<br />

Fernseher war mein bester Freund.<br />

Haben Sie denn nie Albträume davon bekommen?<br />

Nein, nie. Mein Vater behauptet gerne, er könne sich daran erinnern, wie ich als ganz kleiner Junge vor irgendeinem Monster,<br />

das ich im Fernsehen sah, Angst gehabt hätte. Aber das stimmt nicht. Daran könnte ich mich erinnern. Wenn ich als Kind<br />

Albträume hatte, dann wegen Dingen aus dem echten Leben, wegen meiner Eltern, die verlangten, dass ich mein Frühstück<br />

aufesse, und mich zwangen, in die Kinderkirche zu gehen.<br />

Es muss doch einen Film geben, der Tim Burton gruselt.<br />

Okay, okay. Der Exorzist fand ich beim ersten Mal ziemlich gruselig. Ansonsten bringt mich wenig aus der Ruhe. Und wenn,<br />

sind dies meistens Grausamkeiten, die der Mensch sich selber zufügt.<br />

Glauben Sie eigentlich an Geister?<br />

Egal wie das jetzt klingen mag: Ja, ich, Tim Burton, glaube an Geister. Ich habe schon Dinge mit meinen eigenen Augen gesehen,<br />

die ich anders nicht erklären kann. Es waren entweder Erscheinungen oder Geister. Ich habe zudem meinen dreijährigen<br />

Sohn durch Zufall eines Nachmittags dabei beobachtet, wie er einen Geist gesehen hat. Erst hat er sich erschreckt, später,<br />

als wir darüber redeten, fand er es aber überhaupt nicht schlimm. Das nenne ich mal ein Vater-Sohn-Erlebnis!


fotoalbum<br />

FOTOALBUM<br />

Sleepy Hollow, 1999<br />

Ach, Johnny in Sleepy Hollow, ohne ihn wäre der Film nie so gut geworden. Er ist einfach der perfekte Schauspieler<br />

für meine Art von Filmen. Wussten Sie eigentlich, dass Sleepy Hollow in Amerika Teil des Schulkanons<br />

ist? Amerika ist so arm an Mythen und Märchen! Wobei ich mich nicht beschweren will, denn dieser Armut<br />

verdanke ich meine Fantasie – und auch diese Geschichte.<br />

Zeichnen Sie eigentlich alle Storyboards selbst?<br />

Nein, nur bestimmte Schlüsselszenen. Eigentlich bin ich auch kein guter Zeichner, weswegen ich froh bin, dass ich Mitarbeiter<br />

habe, die meinen kruden Stil lesen können.<br />

Wie sahen denn die Stillleben aus, die Sie als Student an der CalArts abgaben?<br />

Hatten die Trauben auf den Stillleben Spinnenweben und die Damen in den Aktzeichnungen Spinnenbeine?<br />

Leider nicht (lacht). Deshalb war ich als Student und später bei Disney auch so frustriert. Ich konnte einfach nicht so zeichnen,<br />

wie man es von mir verlangte. Irgendwann dachte ich mir: Fuck that, ich mach das jetzt, wie es mir passt. Ein befreiender<br />

Gedanke!<br />

Dabei gibt es Menschen, die behaupten, Tim Burton wäre der Walt Disney unserer Zeit.<br />

Das klingt nett. Aber ich kann nicht so süßlich zeichnen. Vor allem nicht die ganzen Enten und Füchse, das hat mich wahnsinnig<br />

gemacht. Zumal ich nicht dafür geschaffen bin, in einer Zeichenfabrik als Arbeitszombie zu sitzen. Das passt nicht zu<br />

mir.<br />

In „Sleepy Hollow“ spielte Johnny Depp mal wieder die Hauptrolle. Davor war er schon Edward mit den Scherenhänden,<br />

später dann Willy Wonka aus „Charlie und die Schokoladenfabrik“.<br />

Ich arbeite einfach gerne mit den Menschen zusammen, denen ich vertraue, Menschen, mit denen ich eine Vision teile. Und<br />

Johnny versteht mich voll und ganz. Außerdem fällt es mir nicht gerade leicht, mich auf neue Leute einzustellen. Deshalb<br />

arbeite ich lieber mit denen, die ich kenne, die sich bewährt haben.<br />

In früheren <strong>Interview</strong>s sagten Sie, in „Edward mit den Scherenhänden“ stecke sehr viel Tim Burton.<br />

Dafür sehen Ihre Hände heute ziemlich gut aus.<br />

Ein Glück! (lacht) Nein, das war natürlich symbolisch gemeint. In unserer Familie gab es kaum Körperkontakt, allzu viel<br />

körperliche Nähe war lange ein Problem für mich. Und Edward verletzt die Leute, wenn er ihnen zu nahe kommt.<br />

Stimmen die Gerüchte, dass Herr Depp das Pferd aus „Sleepy Hollow“ nach den Dreharbeiten adoptiert hat?<br />

Ja, ich glaube, Sie haben recht. Allerdings weiß ich gar nicht, warum. Anfangs mochte er das Pferd nämlich gar nicht. Wahrscheinlich<br />

wiehert es jetzt gerade seinem Lebensabend auf Johnnys Anwesen in Südfrankreich entgegen.<br />

152<br />

Fotos: Michel Tsuni/face to face / United Archives/IFTN; WALT DISNEY PICTURES / Kobal Collection<br />

ALICE IM WUNDERLAND, 2010<br />

Alice zu drehen war sehr schwierig, eigentlich unmöglich. Mit diesem Film stieß ich wirklich an meine Grenzen.<br />

Ich konnte keine Szene am Stück drehen, alles musste in Mini-Häppchen entstehen, die erst ganz am<br />

Schluss irgendwie zusammengepuzzelt wurden. Ein Albtraum! Meine Laune war sehr, sehr schlecht. Dabei<br />

ist Lewis Carrolls Geschichte einfach wunderbar, so simpel wie fantasiereich. Eigentlich eine Coming-of-<br />

Age-Geschichte eines Mädchens, das sich auf eine Reise begibt, um sich selbst zu finden. Träume und Fantasie als Gegenmittel,<br />

um mit der Realität fertigzuwerden.<br />

Ist Fantasie mächtiger als Realität?<br />

Eigentlich sind sie dasselbe. Denken Sie an die Nachrichten: Viele Meldungen sind surrealer als manche Märchengeschichten<br />

– und Märchen und Mythen enthalten eigentlich immer emotionale Wahrheiten. Oftmals ist die Realität viel klaustrophobischer<br />

als irgendwelche Fantasiegebilde. Zumindest in meiner Wahrnehmung der Welt.<br />

Welcher Ort ist den der fantastischste in der realen Welt?<br />

Los Angeles! Eine Stadt ohne Jahreszeiten, ohne Wetter. Es gibt kaum echtes Leben dort. Eigentlich ist die Stadt unerträglich.<br />

Deswegen lebe ich ja auch in England, so weit weg von Hollywood und Burbank wie möglich.<br />

Wie erklären Sie sich, dass Hollywood Ihnen all die Freiheiten lässt, die Sie für sich beanspruchen?<br />

Weil es Hollywood eigentlich gar nicht gibt. Es gibt einen Ortsteil, der so heißt, und ein paar Studios, die sich darauf berufen.<br />

Aber zurück zu Ihrer Frage: Der Grund, warum ich machen darf, was ich mache, ist ziemlich banal – ich kann nicht anders.<br />

Das ist wie bei meinem Zeichenstil: entweder so oder gar nicht.<br />

Ihre Frau Helena Bonham Carter verriet in einem Gespräch, das Daniel Radcliffe für „<strong>Interview</strong>“ mit ihr führte,<br />

dass Sie in getrennten Häusern leben. Wie muss man sich das vorstellen?<br />

Mann, das klingt schrecklich, wenn man es so sagt. Helena hätte das nicht erzählen dürfen. Es ist so: Wir wohnen in zwei<br />

Häusern, die nebeneinander stehen und miteinander verbunden sind. Wir haben einfach sehr unterschiedliche Geschmäcker<br />

…<br />

… Sie wohnen in der Batcave, der düsteren Höhle von Batman …<br />

… mit all meinen Spielzeugen, Puppen und Büchern. Und Helena wohnt drüben in ihrer beschaulichen Laura-Ashley-Blümchenwelt<br />

(lacht). Das funktioniert wirklich hervorragend. Ich weiß gar nicht, warum das andere Paare nicht auch so machen.<br />

153


Auch<br />

IT-GIRLS<br />

werden<br />

ÄLTER<br />

FOTOS<br />

MAXIME BALLESTEROS<br />

Sie kommt dem, was man ein<br />

It-Girl nennt, in Berlin<br />

ziemlich nahe. Nur folgerichtig,<br />

dass Shermine Shahrivar<br />

ihren Geburtstag mit lebendiger<br />

Würgeschlange feierte<br />

Terry Richardson<br />

PARTY<br />

Pharrell Williams und<br />

Helen Lasichanh<br />

Neonbotschaft<br />

von Tracey Emin<br />

Partycity<br />

ART BASEL<br />

MIAMI BEACH<br />

FOTOS<br />

HADLEY HUDSON<br />

Ist es nun die beste Party<br />

an der East Coast südlich<br />

von New York – oder die<br />

meistüberschätzte Kunstmesse<br />

der Welt? Hat Tom Wolfe<br />

recht, wenn er die Art Basel<br />

Miami Beach als eine Art<br />

Springbreak-Event für<br />

Superreiche beschreibt?<br />

Ganz klar: ja. Und nein.<br />

Hannah Bhuiya<br />

Paz de la Huerta<br />

Yung Hee Kim


PARTY<br />

PARTY<br />

Barkeeper im Heart-Club<br />

FOTOS<br />

KARL ANTON KOENIGS<br />

SABINE BRAUER<br />

INTERVIEW-<br />

PARTY,<br />

MÜNCHEN<br />

Konstantin Grcic, Joerg Koch,<br />

Clemens Weisshaar<br />

Alexa Agnelli DJ Nino Schmidbauer Minzi zu Hohenlohe Nancy <strong>Die</strong>trich<br />

Oliver Berben, Katrin Kraus<br />

Jörg Bernicken und Begleitung<br />

Natascha Grün, Bernd Runge, Marie Bäumer<br />

In den Heart-Club lud <strong>Interview</strong> zur<br />

Party, um die Dezemberausgabe mit<br />

Kate Moss und Naomi Campbell auf<br />

dem Cover zu feiern. <strong>Die</strong> Stimmung<br />

war erfreulich münchnerisch: heiter<br />

bis hysterisch und irgendwann wurde<br />

einfach getanzt. Unterstützt wurde<br />

die Party von Moët & Chandon,<br />

Belvedere Vodka und Range Rover<br />

Blanca Bernheimer<br />

DJ Nikias Hofmann<br />

156<br />

Albe Hamiti<br />

Eingang mit dem Dezember-Cover in XXL<br />

Girls Estée Lauder Companies


PARTY<br />

NUR<br />

Philipp Wolff, Andrea Schöller<br />

PROBE-<br />

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20€*<br />

33% gespart!<br />

*5 AUSGABEN<br />

Michi Braade, Holger Schmidt<br />

Rüdiger Glatz, Marie Bäumer<br />

Range Rover vor dem Heart-Club<br />

Andrej Henkler und Begleitung<br />

Inga Ganjon,<br />

Katja Bärenwald<br />

Papis Loveday, Natascha Grün<br />

IHR GESCHENK!<br />

KOPFHÖRER URBANEARS TANTO<br />

Als Tribut an die mobile Musikrevolution der 80er- Jahre sorgt bei Tanto<br />

neueste Technik für größte Mobilität ohne Kompromisse bei der Klang-<br />

wiedergabe. Der für den täglichen Gebrauch entworfene Kopfhörer<br />

entführt den Benutzer zurück in die Geburtszeit des Kopfhörers und<br />

zeigt gleichzeitig, was technisch mittlerweile machbar ist.<br />

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E-MAIL: abo@interview.de<br />

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Anja Schwing, Bernd Runge<br />

Jens Schwing


PARTY<br />

Jannico Meyer<br />

Christophe Charon und<br />

Niki Pauls<br />

FOTOS<br />

MAXIME BALLESTEROS<br />

SUPREME<br />

BEI 032C,<br />

BERLIN<br />

Merle Winter<br />

Marie-Lois Abiol, Angelo Baque,<br />

Guillome „Gee“ Schmidt<br />

Bianca Richter und Klaudia Cloud<br />

RONAN & ERWAN BOUROULLEC . DIE VIERHÄNDIGE GESTALTUNG<br />

<strong>Die</strong> bretonischen Brüder Ronan (*1971) und Erwan (*1976) Bouroullec sind die „A&W-Designer des Jahres 2013“. Sie haben<br />

bereits in jungen Jahren ein bemerkenswertes Gesamtwerk geschaffen und viele ihrer Produkte sind schon heute Design-Ikonen.<br />

<strong>Die</strong> Brüder Bouroullec gelten als vierhändige Gestalter, da sie stets ihre Objekte gemeinsam in ihrem Pariser Atelier erarbeiten.<br />

<strong>Die</strong> Reportage über sie ist nachzulesen in der A&W-Ausgabe 1/2013 - jetzt im Zeitschriftenhandel!<br />

Franca Gelfort<br />

In der Vitrine waren Skateboards u.a. von<br />

Jeff Koons, Larry Clark und Damien Hirst<br />

ausgestellt. <strong>Die</strong> Künstler waren nicht<br />

anwesend, dafür Verleger, Musiker, Designer<br />

und Fans des New Yorker Labels Supreme.<br />

Auffallend: die hohe Dichte an<br />

Baseballkappen und Vollbärten<br />

Mode 2, Lukas Gansterer<br />

erlerskibbetoensmann.com<br />

Malakoff Kowalski, Helge Malchow<br />

Bilgen Coskun, Sampo Hänninen<br />

DJ Kaos


heRstelleRnachweiS<br />

Foto Robi RodRiguez<br />

Styling KlauS StocKhauSen<br />

Komplettlook bottega veneta<br />

FRühjahR/SommeR 2013<br />

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Allude www.allude-cashmere.com<br />

AMericAn AppArel www.americanapparel.net<br />

BAlenciAgA By nicolAs ghesQuière<br />

www.balenciaga.com<br />

BAlly www.bally.com<br />

BArBArA Bui www.barbarabui.com<br />

BernhArd WillhelM www.bernhard-willhelm.com<br />

BottegA VenetA www.bottegaveneta.com<br />

BulgAri www.bulgari.com<br />

BurBerry prorsuM www.burberry.com<br />

cAdA www.cada-schmuck.de<br />

cAlVin Klein collection www.calvinklein.com<br />

cAlVin Klein underWeAr www.cku.com<br />

cArtier www.cartier.de<br />

céline www.celine.com<br />

chAingAng www.chaingang.de<br />

chAnel www.chanel.com<br />

chloé www.chloe.com<br />

coMMe des gArçons www.comme-des-garcons.com<br />

dezso www.dezsosara.com<br />

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dior www.dior.com<br />

dolce & gABBAnA www.dolcegabbana.de<br />

dries VAn noten www.driesvannoten.be<br />

dr. MArtens www.drmartens.com<br />

eMporio ArMAni www.armani.com<br />

FAlKe www.falke.com<br />

Fendi www.fendi.com<br />

FreeMAn t.porter www.freemantporter.com<br />

giorgio ArMAni www.armani.com<br />

giVenchy www.givenchy.com<br />

g-stAr rAW www.g-star.com<br />

gucci www.gucci.com<br />

herMès www.hermes.com<br />

h&M www.hm.com<br />

hugo www.hugoboss.com<br />

inA Beissner www.inabeissner.com<br />

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JenniFer Meyer www.jennifermeyer.com<br />

Jil sAnder www.jilsander.com<br />

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KArl lAgerFeld www.karl.com<br />

KostAs MurKudis www.kostasmurkudis.net<br />

lAcoste www.lacoste.com<br />

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looKy looKy www.lookylookyposse.de<br />

louis Vuitton www.louisvuitton.com<br />

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162


Nastassja<br />

KINSKI<br />

Keine Frage: Sie ist die Tochter ihrer Eltern, eine<br />

echte Kinski. Mit all dem Wahn gerüstet, der dem<br />

Vater im Gesicht geschrieben stand. Ein Auszug<br />

aus dem Gespräch mit JODIE FOSTER, das vor<br />

30 Jahren in INTERVIEW erschien<br />

DIE NÄCHSTE AUSGABE<br />

VON INTERVIEW<br />

ERSCHEINT AM<br />

20. FEBRUAR 2013<br />

FLASHBACK, FEBRUAR 1983<br />

JODIE FOSTER: Dein Vater ist ein besonderer Mann.<br />

NASTASSJA KINSKI: Ich habe nie einen Mann wie<br />

meinen Vater getroffen. Er ist verrückt, furchtbar<br />

und gleichzeitig voller Leidenschaft. Ihm verdanke<br />

ich, dass ich nie etwas anderes als Leidenschaft<br />

kennen gelernt habe. Gefühle sind normal für mich.<br />

Ich beginne jetzt erst zu begreifen, dass das nicht der<br />

Regelfall auf dieser Welt ist.<br />

(…)<br />

FOSTER: Was magst du denn an dir selbst nicht?<br />

KINSKI: Hm, also … Ich finde es furchtbar, dass<br />

ich mich nie für einen Menschen entscheiden kann.<br />

Ich renne immer weg, fliehe.<br />

FOSTER: Du sprichst von Partnerschaften,<br />

Freundschaften, der Beziehung zu den Eltern?<br />

KINSKI: Von allen Beziehungen. Immer dann,<br />

wenn Gefühle im Spiel sind. Manchmal sage ich<br />

Dinge zu Leuten, die ich auch so meine, und vergesse<br />

später, dass ich überhaupt mit der Person geredet<br />

habe. Was wie gesagt nicht heißen soll, dass ich die<br />

Dinge nicht so gemeint habe!<br />

FOSTER:<br />

Wie meinst du das?<br />

KINSKI:<br />

Man sagt Nettes, um sich nett zu fühlen.<br />

FOSTER:<br />

Rührt das aus einer Sehnsucht her nach<br />

dem Gefühl, geliebt zu werden? Zu lieben?<br />

KINSKI:<br />

Ich denke schon, dass ich immer lieben<br />

will. Dabei kann ich in Wirklichkeit nur meine Mutter<br />

lieben. Alle anderen stehen nur im Weg. Ich habe<br />

zwar meinen Vater sehr geliebt, als ich ein Kind war,<br />

heute habe ich kaum Kontakt zu ihm. Ich fürchte<br />

mich wirklich davor, allzu viele Charakter ei genschaften<br />

von ihm geerbt zu haben. Ich wünschte, es<br />

wäre nicht so! Als sich meine Eltern scheiden ließen,<br />

schrieb er zwei Jahre lang Briefe an uns. Darin stand:<br />

„Nur weil wir geschieden sind, heißt das nicht, dass<br />

ich dich nicht liebe.“ Solche Sachen halt. Dabei hatte<br />

meine Mutter ein gutes Verhältnis zu ihm und der<br />

neuen Frau. Und dann? Funkstille! Keine Briefe.<br />

Keine Anrufe. Nichts. Auf einen Schlag. Als hätte<br />

er nie eine Tochter gehabt.<br />

(…)<br />

FOSTER: Du magst Romy Schneider, oder?<br />

KINSKI: Ja, für mich ist sie die ultimative Frau.<br />

Sie ist Schmerz, Stärke, Schönheit, Magie, Einsamkeit,<br />

Leidenschaft, einfach alles.<br />

FOSTER: Meinst du, dass auch in dir diese Art<br />

von Einsamkeit und Schmerz steckt?<br />

KINSKI: Manchmal wünschte ich, ich hätte bes-<br />

sere Anlässe für Schmerz. Stattdessen leide ich,<br />

weil ich nicht wirklich leide, verstehst du?<br />

FOSTER: Was ist mit deinen Beziehungen zu<br />

Männern? Leidest du an ihnen?<br />

KINSKI: Manchmal gibt es die eine oder andere<br />

Person, wegen der ich weine. Du weißt, diese kleineren<br />

Zusammenbrüche, die wir alle haben.<br />

FOSTER: Dass du dich mehr zu älteren Män-<br />

nern hingezogen fühlst, hat mich immer überrascht.<br />

Wenn man jemanden sucht, der einfühlsam<br />

ist, romantisch, voller Energie und intensiv,<br />

dann ist man doch mit jemandem, der all das noch<br />

nicht kennt, viel besser bedient.<br />

KINSKI: Es gibt einen großen Unterschied<br />

zwischen jüngeren und älteren Männern. Ältere<br />

haben die meisten Dinge schon einmal durchgemacht.<br />

Für sie ist man wie ein Auto, von dem<br />

sie Benzin stehlen. Deswegen ist es so toll, mit<br />

jemandem Dinge zu erleben, die für beide Beteiligten<br />

neu sind. Ältere Männer denken: Das<br />

habe ich schon 20-mal gemacht. Ich könnte es<br />

allerdings noch mal machen.<br />

Fotos: Jean Pagliuso für <strong>Interview</strong> Magazine, Februar 1983<br />

YOKO ONO, WALKING ON THIN ICE, VIDEO STILL, 1981, © YOKO ONO<br />

YOKO ONO, WALKING ON THIN ICE, VIDEO STILL, 1981, © YOKO ONO<br />

YOKO ONO, WALKING ON THIN ICE, VIDEO STILL, 1981, © YOKO ONO<br />

YOKO ONO<br />

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EINE RETROSPEKTIVE<br />

15. FEB. – 12. MAI 2013<br />

<strong>Interview</strong>- Cover, Februar 1983<br />

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Erhältlich ausschliesslich in Louis Vuitton Geschäften und unter louisvuitton.com. Tel. (0211) 864 70 0

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