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Aspekte der sozialen Zeitpräferenzrate - Prof. Dr. Hans-Georg ...

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Inhaltsverzeichnis<br />

SOZIALE ZEITPRÄFERENZRATE<br />

Theoretische Grundlagen<br />

Seminararbeit am Lehrstuhl Finanzwissenschaft<br />

Universität Potsdam<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Hans</strong>- <strong>Georg</strong> Petersen<br />

I. Einleitung .........................................................................................1<br />

II. Grundlagen <strong>der</strong> Zeitpräferenzen .....................................................2<br />

1. Definition und Arten <strong>der</strong> Zeitpräferenzen .......................................2<br />

2. Böhm Bawerks Gesetz zur Min<strong>der</strong>schätzung zukünftiger<br />

Bedürfnisse ..........................................................................................3<br />

III. <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong> Zeitpräferenzrate .........................................6<br />

1. Psychologische <strong>Aspekte</strong> ..................................................................6<br />

1.1 psychologische Ausprägung <strong>der</strong> Zeitpräferenz........................6<br />

1.2 Myopie ....................................................................................8<br />

1.3 Einstellung zu Risiko ..............................................................9<br />

2. Politische <strong>Aspekte</strong> ...........................................................................9<br />

3. Ethische <strong>Aspekte</strong> ...........................................................................10<br />

IV. Ökonomische <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> Zeitpräferenz ....................................13<br />

1. Die Zeitpräferenz <strong>der</strong> Haushalte .................................................15<br />

2. Die soziale Zeitpräferenzrate ......................................................16<br />

V. Zusammenfassung ........................................................................17<br />

VI. Quellenverzeichnis ......................................................................18


1<br />

I. Einleitung<br />

Zeitpräferenz ist nicht an<strong>der</strong>es als <strong>der</strong> Ausdruck für die Gegenwartsbezogenheit<br />

<strong>der</strong> Menschen. Soll ich heute konsumieren o<strong>der</strong> spare ich, damit in <strong>der</strong> Zukunft<br />

mehr konsumieren zu können. ? Die Zeitpräferenzrate versucht,<br />

den Zusammenhang zwischen Konsum in <strong>der</strong> Gegenwart und Konsum in <strong>der</strong><br />

Zukunft zu erklären .In dieser Arbeit ist gleichermaßen , diesen Versuch<br />

nachzuvollziehen bzw den Zusammenhang zu erklären .<br />

Im ersten Teil also Kapitel II wird versucht, den Begriff von Zeitpräferenz bzw<br />

Zeitpräferenzrate zu definieren und <strong>der</strong>en Arten zu unterscheiden. Dazu ist auch<br />

das Konzept <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>schätzung künftiger Bedürfnisse und seine drei Gründe<br />

nach Böhm – Bawerk erklärt.<br />

Im Kapitel III werden verschiedene <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> Zeitpräferenzrate beschrieben<br />

und erläutert; Politische, psychologische und ethische <strong>Aspekte</strong><br />

Anschließend im Kapitel IV ist die Zeitpräferenzrate aus <strong>der</strong> ökonomischen Sicht<br />

zu betrachten .Es wird da auch versucht, Ansätze zur Bestimmung <strong>der</strong><br />

Zeitpräferenzrate zu finden.


2<br />

II. Grundlagen <strong>der</strong> Zeitpräferenzen<br />

1. Definition und Arten <strong>der</strong> Zeitpräferenzen<br />

Unter dem Begriff Zeitpräferenz versteht man die Min<strong>der</strong>schätzung zukünftiger<br />

Bedürfnisse, also die Bevorzugung <strong>der</strong> Gegenwart bzw. gegenwärtigen Güter<br />

gegenüber <strong>der</strong> Zukunft.<br />

Das heißt : Wenn ein Individuum ,dessen Verhalten durch Min<strong>der</strong>schätzung<br />

künftiger Bedürfnisse gekennzeichnet ist, vor den Alternativen steht : 1. entwe<strong>der</strong><br />

heute mehr vom Konsumgut , aber morgen dafür weniger o<strong>der</strong> 2.entwe<strong>der</strong> heute<br />

weniger vom Konsumgut , dafür aber morgen mehr ,dann wird es immer die<br />

Alternative wählen ,die heute einen höheren Konsum verspricht. Den Umstand,<br />

dass man sich einen Wunsch lieber heute als morgen erfüllt, bezeichnet man als<br />

Zeitpräferenz .Man findet zu Zeitpräferenz eine Reihe von Synonym wie<br />

Ungeduld, Gegenwartsvorliebe.<br />

Zeitpräferenz ist die Eigenschaft <strong>der</strong> individuellen Bedürfnisse<br />

Man unterscheidet: Bruttozeitpräferenz und Nettozeitpräferenz o<strong>der</strong> reine<br />

Zeitpräferenz 1<br />

Bruttozeitpräferenz: Der Ausfall einer Gütereinheit in <strong>der</strong> Gegenwart erfor<strong>der</strong>t zur<br />

vollen Entschädigung mehr als eine Gütereinheit in <strong>der</strong> Zukunft<br />

Nettozeitpräferenz: Liegt vor, wenn gegenwärtige Güter unabhängig von dem<br />

Stande <strong>der</strong> Bedarfsdeckung höher geschätzt werden.<br />

Zeitpräferenzrate: Die Zeitpräferenz lässt sich messen. Sie ist <strong>der</strong> Betrag, den<br />

man gerade aufzugeben bereit ist, um ein Gut in <strong>der</strong> Gegenwart anstatt in <strong>der</strong><br />

Zukunft zu erhalten. Setzt man diesen Betrag zum Wert des Gutes in Beziehung,<br />

dann erhält man die Zeitpräferenzrate. Die Zeitpräferenzrate soll anhand eines<br />

Beispiels verdeutlicht werden : A schuldet B 100 Euro , die in einem Jahr fällig<br />

wird .B bietet A an ,er soll heute 95 Euro zahlen , damit ist seine Schuld auch<br />

getilgt .B ist bereit 5 Euro aufzugeben um sein Geld heute statt in einem Jahr zu<br />

bekommen, Die Zeitpräferenzrate beträgt damit 5% . Das heißt auch: B<br />

diskontiert somit Zukunftsbeträge mit einer positiven Rate auf die Gegenwart ab ,<br />

die sogenannte Diskontierungsrate. Sie wird als ein Teil <strong>der</strong> Konsumbeziehungen<br />

zwischen Generationen betrachtet, die dazu dient, den gesellschaftlichen Nutzen<br />

zu optimieren. Die Diskontierungsrate basiert dabei auf <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong><br />

Zeitpräferenz. Hierzu möchte ich noch den Begriff <strong>der</strong> Diskontierung erklären:<br />

Das ist die Bestimmung des Bar- o<strong>der</strong> Gegenwartswerts zukünftiger Zahlungen.<br />

Alle Zahlungsströme, Nutzen ..die zu einem späteren Zeitpunkt anfallen, werden<br />

mit dem dazugehörigen Diskontierungsfaktor diskontiert : r= 1/ (1+π)ⁿ wobei : r<br />

= Diskontierungsfaktor , π= Diskontierungsrate und n= Laufzeit in Jahren .<br />

1 Vgl :Niehans ,Jürg :Faktorpreisbildung II :Zinstheorie ; in Albers Willi :Handbuch <strong>der</strong><br />

Wirtschaftswissenschaft Band II S.532-533 Stuttgart (1980)


3<br />

Die Zeitpräferenzrate drückt aus , um wie viel Prozent höher eine nach Ablauf<br />

einer Periode zahlbare Geldsumme als eine dem Wirtschafter gegenwärtig<br />

verfügbare Geldsumme sein muss ,um jener gleichwertig erachtet zu werden . 95<br />

Euro muss mit 5,26% verzinst werden, um in einem Jahr 100 Euro daraus zu<br />

werden .Zeitpräferenzrate gibt die Entscheidung des Konsumenten zwischen<br />

gegenwärtigem und zukünftigem Konsum wie<strong>der</strong>.<br />

Die Zeitpräferenzrate eines Wirtschaftssubjektes ist die private Zeitpräferenzrate,<br />

während die einer Gesellschaft die soziale Zeitpräferenzrate ist.<br />

2. Böhm-Bawerks Gesetz zur Min<strong>der</strong>schätzung zukünftiger<br />

Bedürfnisse<br />

Das Gesetz von Böhm-Bawerk besagt: ´´In aller Regel haben gegenwärtige Güter<br />

einen höheren Wert als künftiger Güter gleicher Art und Zahl. ´´2<br />

Böhm-Bawerk erklärte das mit einer Reihe von Ursachen, die einzeln von recht<br />

verschiedenen Natur sind, aber zufällig ihre Wirkung in <strong>der</strong>selben Richtung<br />

ausüben:<br />

Als erster Grund für die Min<strong>der</strong>schätzung von Zukunftsgütern im Vergleich zu<br />

Gegenwartsgütern gibt Böhm-Bawerk die Verschiedenheit des Verhältnisses von<br />

Bedarf und Deckung in <strong>der</strong> Gegenwart und Zukunft an. Die gegenwärtigen Güter<br />

empfangen ihren Wert vom Verhältnis von Bedarf und Deckung in <strong>der</strong><br />

gegenwärtigen Periode ,die künftigen Güter von demselben Verhältnis in jener<br />

künftigen Periode ,in <strong>der</strong> sie zur Verfügung erlangen werden .Wenn in <strong>der</strong><br />

Gegenwart einen Mangel an Gütern festgestellt wird ,aber in <strong>der</strong> Zukunft mit <strong>der</strong><br />

Hoffnung ,dass es besser wird ,dann wird eine Menge sofort verfügbarer Güter<br />

immer höher geschätzt als dieselbe Menge künftige Güter .Für eine relative<br />

Unterausstattung <strong>der</strong> Gegenwart werden zwei Gründe angeführt : Die Notlage<br />

zum ersten ( zum Beispiel: Ein Bauer <strong>der</strong> eine Missente erlitten hat ,wird das<br />

Geld, das ihm aus <strong>der</strong> schlimmsten Not hilft, ungleich höher schätzen als des<br />

künftige) und zum zweiten die erwartete Verbesserung <strong>der</strong><br />

Einkommensverhältnisses in <strong>der</strong> Zukunft (Beispiel: Die Investition in die<br />

Berufsausbildung ) aber es gibt Leute , die in <strong>der</strong> Gegenwart besser versorgt sind<br />

und in <strong>der</strong> Zukunft schlechter werden , werden diese Leute die gegenwärtigen<br />

Güter niedriger schätzen als die künftige?<br />

Böhm-Bawerk sagte: das ist nicht <strong>der</strong> Fall, denn die Mehrzahl <strong>der</strong> Güter, o<strong>der</strong> das<br />

Geld ist dauerbar und kann daher auch dem Dienste <strong>der</strong> Zukunft vorbehalten<br />

werden . Den künftigen Gütern stehen nur die künftigen Verwendungen offen,<br />

den gegenwärtigen stehen dieselben künftigen und dazu noch die gegenwärtigen<br />

und diejenigen künftigen Verwendungen offen.<br />

Also wenn alle <strong>der</strong> Gegenwart und <strong>der</strong> näheren Zukunft angehörigen<br />

Verwendungen min<strong>der</strong> wichtig sind als jene künftigen Verwendungen ,dann wird<br />

das gegenwärtige Gut auch <strong>der</strong> künftigen Zukunft vorbehalten werden und von<br />

ihnen den Wert ableiten ,es steht also im Wert einem künftigen Gute eben gleich.<br />

2 Vgl :Eugen von Böhm-Bawerk :Kapital und Kapitalzins 2.Abteilung :Positive Theorie des<br />

Kapitals 1.Band Buch I-IV 4.Aufl (1921) S. 318-362


4<br />

wenn eine <strong>der</strong> früheren Verwendungen wichtiger ist, dann wird <strong>der</strong> Wert des<br />

gegenwärtigen Gutes von <strong>der</strong> Verwendung abgeleitet und übertrifft dadurch das<br />

künftige Gut. Fazit zu dem ersten Grund: Leute, die gegenwärtig schlechter<br />

versorgt sind als in <strong>der</strong> Zukunft, schätzen gegenwärtige Güter wesentlich höher<br />

als künftige,<br />

Leute, die in <strong>der</strong> Gegenwart besser versorgt sind als in <strong>der</strong> Zukunft, aber die<br />

Möglichkeit haben, gegenwärtige Güter dem Dienste <strong>der</strong> Zukunft aufzubehalten,<br />

schätzen gegenwärtige Güter den künftigen eben gleich o<strong>der</strong> etwas höher .<br />

Böhm-Bawerk will ausdrücklich zeigen, wie <strong>der</strong> Unterschied in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong><br />

Verfügbarkeit einen Unterschied im Werte <strong>der</strong> Güter begründet. 3 In dieser<br />

Hinsicht bemüht Böhm-Bawerk die Unsicherheit, die Möglichkeit, mit einem<br />

bereits jetzt verfügbaren Mittelbetrag einer nicht erwarteten zwischenzeitlichen<br />

Notlage begegnen zu können.<br />

Der zweite Grund für die Höherschätzung gegenwärtiger Güter besteht darin,<br />

´´ dass wir systematisch unsere künftigen Bedürfnisse und die Mittel, die zu ihrer<br />

Befriedigung dienen, unterschätzen´´. Böhm-Bawerk formuliert diesen Grund als<br />

Erfahrungstatsachen : dass wir künftigen Lust –und Leidempfindungen ,bloß<br />

deshalb weil sie künftig sind und in dem Maße als sie einer entlegeneren Zukunft<br />

angehören ,eine geringere Würdigung entgegenbringen und daher auch Gütern,<br />

die jenen zu dienen bestimmt ist ,einen Wert beimessen, <strong>der</strong> hinter <strong>der</strong> wahren<br />

Intensität ihres künftigen Grenznutzen zurückbleibt .<br />

Diese Tatsache besteht ohne Zweifel , wer von uns hat sich noch nie dabei<br />

ertappt, dass er sich im <strong>Dr</strong>ang <strong>der</strong> augenblicklichen Lust eine vom Arzt verbotene<br />

Lieblingsspeise o<strong>der</strong> Zigarre nicht versagen möchte ,obwohl er genau wusste, sich<br />

dadurch eine Verschlimmerung seines Zustand zuzuziehen. O<strong>der</strong> wer von uns hat<br />

sich noch nie, um einer kleinen Verlegenheit o<strong>der</strong> Belästigung zu entgehen, in<br />

eine viel größere gestürzt?<br />

Böhm –Bawerk begründet diese Tatsache mit folgenden Gründen:<br />

a) Schätzungsfehler:<br />

Also die Lückenhaftigkeit <strong>der</strong> Vorstellungen, wir bedenken unsere künftigen<br />

Bedürfnisse mehr o<strong>der</strong> weniger unvollständig . b) Willensfehler : Böhm-Bawerk<br />

meint ,wenn jemand vor <strong>der</strong> Wahl zwischen einem gegenwärtigen und künftigen<br />

Genuss o<strong>der</strong> Leid steht, sich für die geringere gegenwärtige Freude entscheiden<br />

wird ,obwohl er genau weiß ,dass die Einbuße für die Zukunft die größere und<br />

daher seine Wahl für die Wohlfahrt im Ganzen unvorteilhaft ist. Wie oft lässt man<br />

sich aus Schwäche heute zu einem Schritt o<strong>der</strong> Entscheidung hinreißen, von <strong>der</strong><br />

man schon im Momente weiß, dass man sie später bereuen wird .Solche Verhalten<br />

liegt nach Böhm –Bawerk nicht in einem Wissensfehler, son<strong>der</strong>n in einem<br />

Willensfehler .<br />

c) Unsicherheiten im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit, den künftigen Nutzen<br />

noch zu erleben .(Rücksicht auf die Kürze und Unsicherheit unseres Lebens ) .Es<br />

gilt, dass niemand die Länge seiner verbleibenden Lebenszeit kennt .Ich glaube,<br />

je<strong>der</strong> von uns wäre bereit ,ein 100.000 Euro Geschenk zu seinem 100.Geburtstag<br />

mit einem von heute 50.000 Euro zu tauschen. Aus den drei Gründen kommt<br />

Böhm –Bawerk zum Entschluss: ´´Wir sehen den Grenznutzen künftiger Güter<br />

gleichsam in perspektivischer Verkleinerung.<br />

3 Vgl: Lehmann Matthias :Zur Theorie <strong>der</strong> Zeitpräferenz : Heft 28 S.82 (1975)


Der dritte Grund liegt darin, ´´dass in aller Regel gegenwärtige Güter aus<br />

technischen Gründen vorzüglichere Mittel für unsere Bedürfnisbefriedigung sind<br />

und uns daher auch einen höheren Grenznutzen verbürgen als künftige.´´<br />

(Mehrergiebigkeit <strong>der</strong> Produktionsumwege ). Nach Böhm -Bawerk ist es eine<br />

elementare Erfahrungstatsache, dass zeitraubende Produktionsumwege ergiebiger<br />

sind: Das heißt, dass mit <strong>der</strong> gleichen Menge von Produktivmitteln eine desto<br />

größere Menge von Produkten erzielt werden kann, je langwierigere<br />

Produktionsmethoden man dabei einschlägt .<br />

Nach Meinung von Böhm-Bawerk führt die produktive Überlegenheit <strong>der</strong><br />

gegenwärtigen Güter nicht nur zu Mehrprodukt, son<strong>der</strong>n auch zu einem Mehr an<br />

Wert. Der Vorzug, den die gegenwärtigen Güter vermöge <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Deckungsverhältnisse erlangen, beruht auf einem technischen Umstand: dass sie<br />

eine größere Auswahl von Verwendungen zulassen, sowohl für gegenwärtige als<br />

auch für künftige Bedürfnisse, während die künftigen Güter natürlich nur<br />

künftigen Bedürfnissen zu dienen geeignet sind.<br />

Böhm –Bawerk kommt zu En<strong>der</strong>gebnis : ´´Das Verhältnis von Bedarf und<br />

Deckung in <strong>der</strong> Gegenwart und Zukunft ,die Unterschätzung künftiger Freuden<br />

und Leiden ,und die technische Überlegenheit gegenwärtiger Güter bewirkt ,dass<br />

für die überwiegende Mehrzahl <strong>der</strong> Menschen <strong>der</strong> subjektive Gebrauchswert<br />

gegenwärtiger Güter höher ist als gleichartiger künftiger Güter .<br />

5


6<br />

III. <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong> Zeitpräferenzrate<br />

Im vorigen Abschnitt haben wir die Zeitpräferenz definiert und erläutert .Es stellt<br />

sich allerdings die Frage, welche <strong>Aspekte</strong> die soziale Zeitpräferenz besitzt ,also<br />

welche Faktoren die Zeitpräferenz beeinflussen bzw bestimmen. ?<br />

Öffentliche Projekte beeinflussen in <strong>der</strong> Regel die Verbrauchsmenge <strong>der</strong><br />

Haushalte über einen längeren Zeitraum hinweg .Investitionsentscheidungen bei<br />

den öffentlichen Projekten werden von Politiker getroffen, also politische<br />

Faktoren spielen auch eine Rolle. Die Politiker sind wie<strong>der</strong>um von den Menschen<br />

gewählt, und das menschliches Handeln ist beeinflussbar, also psychologisch<br />

geprägt, deshalb muss die Psychologie auch ein Teilaspekt <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong><br />

Zeitpräferenzrate sein. Außerdem spielt auch die Ethik eine Rolle. Die heutigen<br />

Generationen können stark durch ihr Verhalten Einfluss auf die zukünftigen<br />

Generationen nehmen, sie entscheiden also mit über das Wohl <strong>der</strong> zukünftigen<br />

Generation .Und schließlich sind die Zeitpräferenzen aus <strong>der</strong> ökonomischen Sicht<br />

noch zu betrachten.<br />

Im folgendem werden wir uns mit dem einzelnen <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong><br />

Zeitpräferenzrate beschäftigen.<br />

1. Psychologische <strong>Aspekte</strong><br />

1.1 Psychologische Ausprägungen <strong>der</strong> Zeitpräferenz<br />

Wir haben vorhin unterschieden zwischen <strong>der</strong> Brutto- und Nettozeitpräferenz, das<br />

sind aber nicht die einzigen Ausprägungen <strong>der</strong> Zeitpräferenz. Zimmermann 4 geht<br />

unter diesen <strong>Aspekte</strong>n sogar davon aus, dass es so viele Zeitpräferenzraten wie<br />

Menschen gibt. Es ist zu unterscheiden zwischen bewussten, analytischen und<br />

expliziten Zeitpräferenzen einerseits und unbewussten, intuitiven, und impliziten<br />

Zeitpräferenzen an<strong>der</strong>erseits. O<strong>der</strong> wenn es nach Birnbacher 5 geht, sind<br />

mindestens vier psychologische Tendenzen an Zeitpräferenz beteiligt.<br />

a) Reine Zeitpräferenz : die Min<strong>der</strong>schätzung zukünftigen Nutzens und<br />

Schadens um ihrer bloßen Zukünftigkeit willen. Sie ist von an<strong>der</strong>en Arten<br />

perspektiver Fehlwahrnehmung zu unterscheiden wie <strong>der</strong><br />

Fehleinschätzung des Nutzens –und Schadensgehalts zukünftiger<br />

Ereignisse o<strong>der</strong> Fehlschätzung ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit. Beispiel:<br />

Es liegt reine Zeitpräferenz vor, wenn ich mir das Bohren des Zahnarztes<br />

4 Vgl Zimmermann ,Klaus : Zeitpräferenzen – ein interdiszoplinärer Ansatz in <strong>der</strong> Theorie und<br />

Empirie; in Internationales Institut für Umwelt und Gesellschaft : (1984) Discussion Papers Heft<br />

11 S.13-16<br />

5 Vgl :Birnbacher Dieter: Intergenegationelle Verantwortung o<strong>der</strong> :Dürfen wir die Zukunft <strong>der</strong><br />

Menschheit diskontieren? ; in Kümmel ,Reiner ; Klawitter ,Jörg :Umweltschutz und<br />

Marktwirtschaft aus <strong>der</strong> Sicht unterschiedlicher Disziplinnen ;Würzburg (1989) S. 107-111


7<br />

genau so schlimm vorstelle, wie es für mich tatsächlich ist, aber es<br />

dennoch von Tag zu Tag vor mir herschiebe, da es in <strong>der</strong> Zukunft viel<br />

angenehmer zu ertragen ist als in <strong>der</strong> Gegenwart.<br />

b) Präferenz für Gegenwartpräferenz: die Min<strong>der</strong>schätzung zukünftigen<br />

Nutzens und<br />

Schadens mit <strong>der</strong> Befriedigung <strong>der</strong> Präferenzen, o<strong>der</strong> Nicht-Befriedigung<br />

<strong>der</strong> Präferenzen ,die wir gegenwärtig nicht teilen ,nicht verstehen ,o<strong>der</strong> aus<br />

moralischen o<strong>der</strong> aus an<strong>der</strong>en Gründen ablehnen.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass wir neben Präferenzen für Dinge o<strong>der</strong><br />

Zustände gewöhnlich auch Präferenzen dafür haben, bestimmte<br />

Präferenzen zu haben o<strong>der</strong> nicht zu haben. Beispiel: Der Präferenz eines<br />

Rauchers für Nikotin kann auch eine weniger starke Präferenz<br />

gegenüber, diese Präferenz nicht zu haben. Präferenzen für Präferenzen<br />

( Präferenz zweiter Stufe ) .Viele Menschen haben Präferenzen dafür, dass<br />

sich ihre eigene Präferenzen in eine bestimmte Richtung entwickeln, aber<br />

es ist nicht völlig auszuschließen, dass sich später die Präferenzen in eine<br />

an<strong>der</strong>e unliebsame o<strong>der</strong> sogar abgelehnte Richtung entwickeln werden,<br />

besteht eine Tendenz, den Nutzen aus <strong>der</strong> Befriedigung dieser Präferenzen<br />

in <strong>der</strong> Gegenwartsbewertung weniger zu berücksichtigen, als es <strong>der</strong><br />

späteren Bewertung entspricht. Hier muss die gegenwärtige<br />

Min<strong>der</strong>schätzung des zukünftigen Nutzens aufgrund von Präferenzen für<br />

Präferenzen von <strong>der</strong> Fehleinschätzung künftigen Nutzens aufgrund von<br />

Präferenzen zweiter Stufe unterschieden werden. Beispiel: Ein<br />

Nichtraucher unterschätzt nicht nur den Nutzen, den ein Raucher aus dem<br />

Rauchen zieht, son<strong>der</strong>n auch den Nutzen, den er selbst als späterer<br />

Raucher daraus ziehen würde.<br />

c) Ego –Präferenz: ist <strong>der</strong> Umstand, dass <strong>der</strong> Nutzen o<strong>der</strong> Schaden, <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e trifft, uns meist gleichgültiger ist als <strong>der</strong> Nutzen o<strong>der</strong> Schaden, <strong>der</strong><br />

uns selbst trifft. Der Nutzen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schaden <strong>der</strong> zukünftigen<br />

Generationen hat für die meisten eine geringere Bedeutung als<br />

gegenwärtiger Nutzen o<strong>der</strong> Schaden, nicht nur weil er erst in Zukunft<br />

Lebende betrifft, son<strong>der</strong>n weil er an<strong>der</strong>e betrifft. (Selbstinterresse). Ein<br />

Individuum würde demnach z .B die Verletzung o<strong>der</strong> Verlust des eigenen<br />

Fingers gleichbedeutend mit einer Erdbebenkatastrophe in Südostasien mit<br />

vielen Toten und Verletzten einschätzen. Dieser Ansicht wi<strong>der</strong>spricht<br />

allerdings Adam Smith, er unterstellt jedem einzelnen also einen inneren<br />

Gewissen, das keinen Ungehorsam duldet, ´´ die moralische Kraft, die<br />

persönliche Verantwortung für die langfristige Existenz des Allgemeinen,<br />

die <strong>der</strong> Verlockung kurzfristig rationaler Kalkulation des Beson<strong>der</strong>en<br />

trotzt. ´´ ( Hierzu : Zimmermann ,Klaus : a . a. O . , S.3 )<br />

d) Moralische Distanz: Der Umstand, den Nutzen o<strong>der</strong> Schaden, <strong>der</strong> uns<br />

nicht weiter Nahestehende trifft, uns gleichgültiger ist als <strong>der</strong> Nutzen<br />

o<strong>der</strong> Schaden, <strong>der</strong> uns Nahestehende trifft. Die Gleichgültigkeit<br />

gegenüber <strong>der</strong> Zukunft ist gemil<strong>der</strong>t durch die Anteilnahme an dem<br />

zukünftigen Schicksal <strong>der</strong>jenigen, die uns aufgrund direkter o<strong>der</strong>


8<br />

indirekter persönlicher Bindungen nahestehen. Die unterschiedliche<br />

moralische Distanz, die wir gegenüber Näher- und Fernstehenden und<br />

ihrem Nutzen o<strong>der</strong> Schaden einnehmen, wirkt sich unmittelbar auf die<br />

Gegenwartsbewertung zukünftigen Nutzens aus .Nicht alle Angehörigen<br />

<strong>der</strong> zukünftigen Generationen haben für uns dieselbe Bedeutung, son<strong>der</strong>n<br />

eine Vielzahl von Solidaritäts –und Loyalitätsbeziehungen sorgen dafür,<br />

dass uns lediglich das Wohl <strong>der</strong> Angehörigen einer begrenzter Gruppe<br />

interessiert, und dies dennoch geringer als das Interesse am eigenen<br />

künftigen Wohl.<br />

1.2 Die Myopie<br />

Unter dem Begriff Myopie verstehen wir <strong>der</strong> Ungeduldsfaktor o<strong>der</strong><br />

Kurzsichtigkeit, <strong>der</strong> die Menschen veranlasst, den gegenwärtigen Konsum höher<br />

als den zukünftigen zu bewerten. Das folgende Beispiel soll uns näher zu den<br />

Begriff erläutern.<br />

(Hierzu :Ulrich Hampicke: Neoklassik und Zeitpräferenz in: Beckenbach ,Frank<br />

:Ökologische Herausfor<strong>der</strong>ung für die ökonomische Theorie ,Marburg 1991 S.<br />

128-130 )<br />

Ich besitze eine Tafel Schokolade, soll ich sie heute auf einmal essen, kommenden<br />

Sonntag auf ein mal essen, jeden Tag ein gleiches Stück, ein Tag in exponentiell<br />

fallen<strong>der</strong> Größe o<strong>der</strong> wie sonst ? Die neoklassische Standardannahme lautet ,dass<br />

die Individuen einen in ihrer Seele eingebauten Ungeduldfaktor ( Myopie )<br />

besitzen, <strong>der</strong> sie veranlasst, ein Stück heute höher als ein Stück morgen zu<br />

bewerten, nur weil die Zeit dazwischen liegt, nicht etwa weil die Schokolade<br />

ver<strong>der</strong>ben o<strong>der</strong> mir gestohlen werden könnte. Heute können wir mit einfachem<br />

kontrolltheoretischen Ansatz zeigen, dass das Nutzenintegral <strong>der</strong><br />

Schokoladenstückchen am höchsten ist, wenn sie alle groß sind –so teilt sie sich<br />

ein ´´charakterfester´´ Mensch ein. Ein myopischer Mensch wird anfänglich<br />

größere Schokoladenportionen verzehren und muss dadurch in späteren Perioden<br />

den Konsum stärker einschränken. Zudem bereut <strong>der</strong> Myopiker regelmäßig in<br />

späteren Perioden seine ursprünglichen Entscheidung, kurzum, das Verhalten ist<br />

inkonsistent daher nicht rational also irrational.<br />

Myopie ist irrational, aber sie ist in gewissen Grenzen menschlich vielleicht<br />

sympathisch, denn wer lässt sich nicht manchmal von dem Gedanken leiten ,<br />

´´was ich hab, das hab ich<br />

Irrationales Handeln kann man abschwächen, indem man beispielsweise die<br />

Verhaltensweise unwi<strong>der</strong>ruflich festlegt und mit vorher bestimmten Strafen<br />

ahndet.<br />

Die soziale Abgrenzung spielt eine große Rolle bei <strong>der</strong> Myopie, sie entscheidet<br />

darüber, wie myopisch ein Mensch ist. So ist beispielsweise in <strong>der</strong> sozial<br />

niedrigeren Schicht ein gegenwärtiger Verzicht auf Konsum nicht immer möglich,<br />

ohne hohe Einbußen <strong>der</strong> Lebensqualität hinnehmen zu müssen. Ein Mensch, <strong>der</strong><br />

mit ihrem verfügbaren Einkommen an <strong>der</strong> Grenze des Existenzminimum lebt,<br />

kann keinen Teil seines gegenwärtigen Konsum für zukünftigen Konsum<br />

einsparen , weil <strong>der</strong> gegenwärtigen Konsum für ihn lebenswichtig ist .


9<br />

1.3 Einstellung zu Risiko<br />

Unsicherheitsfaktoren in <strong>der</strong> Entscheidung müssen beson<strong>der</strong>s berücksichtigt<br />

werden .Es gibt grundsätzlich drei Risikoeinstellungen zu unterscheiden 6 :<br />

Risikoaversion: Bei einem risikoaversen Menschen spielen neben dem<br />

Erwartungswert eines Ereignisses auch die absoluten Risikowerte eine Rolle in<br />

seinem Verhalten. Er versucht sich durch Versicherungen gegen mögliche<br />

Verluste abzusichern.<br />

Die Nutzenfunktion eines risikoaversen Menschen verläuft konkav.<br />

Risikofreude: liegt vor bei einer konvexer Nutzenfunktion. Ein risokofreudiger<br />

Mensch geht gern Risiko ein, Risikofreude verbindet ein hohes Wagnispotential.<br />

Risikoneutral: Eine Person ist risikoneutral, wenn für ihr Verhalten nur die<br />

multiplikative Verknüpfung aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Höhe <strong>der</strong><br />

Wertung eines Ereignisses ausschlaggebend ist. Die Nutzenfunktion ist hier<br />

linear.<br />

Es ist allerdings zu fragen, wie risikofreudig dürfen intergenerationelle Planung<br />

sein 7 ?<br />

Moralisch gesehen ist eine vorsichtige Strategie (Risikoaversion) angebracht,<br />

wenn jemand sich eine risikoneutrale o<strong>der</strong> risikofreudige Entscheidungsstrategie<br />

für Entscheidungen zueignen macht, von denen allein nur er selbst betroffen ist,<br />

und die an<strong>der</strong>en sollen nicht davon betroffen sein. Sind mehrere von den<br />

Auswirkungen des Risikoverhaltens betroffen, ist die vorsichtigere Strategie des<br />

risikoaversen Verhaltens gesellschaftlich gefor<strong>der</strong>t.<br />

2. Politische <strong>Aspekte</strong><br />

Wie gesagt, öffentliche Entscheidungen beeinflussen die Verbrauchsmenge <strong>der</strong><br />

Haushalte, also die Regierung trägt die Verantwortung nicht nur für die<br />

gegenwärtige Generation, son<strong>der</strong>n auch für die zukünftigen Generationen. Die<br />

Politik spielt immer eine wachsende Rolle, sie soll dazu beitragen, dass nicht nur<br />

das Wohl <strong>der</strong> gegenwärtigen Generation, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> zukünftigen<br />

Generationen im Verhalten <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Generation gewährleistet wird, es ist<br />

auch für die Zukunft miteinzuplanen.<br />

Das Risikopotential bei öffentlichen Projekten ist aus den zwei folgenden<br />

ökonomischen Gründen niedrigeren als bei den privaten:<br />

Risiko-Pooling: Die Risiken einzelner Projekte lassen sich auf alle Projekte<br />

verteilen, in einem ´´Pool ´´ erscheinen diese einzelnen Projekte als akzeptabel.<br />

Bei einzelner Betrachtung sind die Risiken zu groß. 8<br />

6 Vgl :Neumann ,Manfred :Nutzen :in Albers ,Willi :Handbuch <strong>der</strong> Wirtschaftswissenschaft<br />

Band 5 S.358 (1980)<br />

7 Vgl :Birnbacher ,Dieter ( 1989 ) a.a. O ; S.105-106


10<br />

Risiko-Spreading: Das Risiko eines öffentlichen Projektes lässt sich auf die<br />

gesamte Bevölkerung o<strong>der</strong> große Zahl <strong>der</strong> Individuen verteilen, denn an<br />

öffentlichen Projekten sind meist mehrere Personen o<strong>der</strong> Gruppen beteiligt,<br />

an<strong>der</strong>s als bei privaten sind die Risiken höher. 9<br />

Bei den öffentlichen Projekten geht es darum, nach Abwägung <strong>der</strong> Gesamtkosten<br />

und Gesamtnutzen <strong>der</strong> Projekte die Investitionsentscheidung zu treffen also wie<br />

man die soziale Zeitpräferenzrate ansetzt. In <strong>der</strong> Regel wird die soziale<br />

Zeitpräferenzrate niedriger als die private angesetzt, hierzu werden wir im<br />

laufendem in dem ökonomischen <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> Zeitpräferenz zu erklären<br />

versuchen.<br />

3. Ethische <strong>Aspekte</strong><br />

In diesem Teil möchte wir mit <strong>der</strong> Frage beschäftigen, wie die Normen, die<br />

Moral, die Sitten <strong>der</strong> Menschen und damit <strong>der</strong> Gesellschaft auf die soziale<br />

Zeitpräferenzen auswirken. Aber zunächst möchten wir uns aus soziologischer<br />

Sicht damit befassen, wie die Einstellungen und Verhalten <strong>der</strong> Individuen o<strong>der</strong><br />

Gruppen die Gesellschaft beeinflussen, und daraus zeihen wir die Rückkopplung<br />

auf die <strong>sozialen</strong> Zeitpräferenzen. Hierbei kann auf Ergebnisse <strong>der</strong><br />

Sozialpsychologie zurückgegriffen werden, die sich mit den <strong>sozialen</strong> Einwirkung<br />

auf die Entwicklung und das Verhalten eines Individuums und <strong>der</strong>en<br />

Rückopplung auf das Verhalten <strong>der</strong> Gesellschaft beschäftigt.<br />

Aus soziologischer Sicht ist es sinnvoll, die soziale Zeitpräferenz nicht mit <strong>der</strong><br />

privaten gleichzusetzen weil es die Gefahr des Zusammensetzungs-fehlschlusses<br />

bestehen könnte.<br />

´´ Wenn je<strong>der</strong> das für ihn Vorteilhafte tut, kann sich ein Zustand ergeben, <strong>der</strong> für<br />

die Gesamtheit unvorteilhaft ist ´´ (Zitat : Klaus Zimmermann :a .a.O ; S.9 )<br />

Die vorteilhafteste private Zeitpräferenzrate des Individuums muss nicht<br />

zwangsläufig ein Optimum für die Gesellschaft darstellen. Folgende Gründe<br />

sprechen für ein vom privaten Verhalten abweichendes individuelles Verhalten<br />

bei gesellschaftlichen Problemstellungen:<br />

Risiko –Grund: Der Risikofaktor des unerwarteten Todes bleibt für die<br />

Gesellschaft unberücksichtigt, weil wenn einzelner stirbt lebt die Nation trotzdem<br />

weiter. Die Gesellschaft steht an<strong>der</strong>s als das Individuum nicht unter <strong>der</strong><br />

10<br />

Todesdrohung, dieser Risikofaktor fällt also weg .Eine niedrigere<br />

Zeitpräferenzrate ist zu erwarten bei dem Ergebnis <strong>der</strong> politischen Entscheidung.<br />

Grund des dualen Rollenverhaltens: Die <strong>der</strong>zeitige Generation ist bei<br />

öffentlichen o<strong>der</strong> politischen Fragestellungen mehr am Wohl <strong>der</strong> zukünftigen<br />

Generationen interessiert als dies im täglichen Marktgeschehen zum Ausdruck<br />

kommt ,so wird unterstellt .<br />

8 Vgl:Howe, Charles : Natural Resource Economic – Issuel ,Analysis and Policy S.163. New<br />

York (1979)<br />

9 Vgl:Howe ,Charles :a a O S.163<br />

10 Vgl : Hesse ,Helmut : Nutzen –Kosten –Analyse I :Theorie ; in : Albers ,Willi :Handbuch <strong>der</strong><br />

wirtschaftswissenschaft Band 5 (1980) S.378


11<br />

Isolations –Grund: Selbst wenn die Individuen alle übereinstimmende<br />

Präferenzen hätten, sind sie noch bereit, einer kollektiven Übereinkunft höherer<br />

Ersparnisse zuzustimmen, obwohl sie dies in isolierter Umgebung nicht wären.<br />

Das soziale Verhalten wird durch die soziale Einstellung ( ein Teilgebiet <strong>der</strong><br />

sozialpsychologischen Forschung) geprägt . Der Sozialisierungsprozess, also <strong>der</strong><br />

Prozess <strong>der</strong> Aneignung von Verhaltensweisen benötigt Zeit, die Werte wie<br />

Konsumverzicht zugunsten <strong>der</strong> Gesellschaft müssen erst bei Kin<strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen vermittelt werden.<br />

Außerdem lassen sich kulturelle Unterschiede bei <strong>der</strong> Fragestellung ausmachen,<br />

inwieweit die Interessen zukünftiger Generationen im gesellschaftlichen<br />

Entscheidungsprozess berücksichtigt werden.<br />

Jetzt wollen wir betrachten, wie die Normen, die Moral auf die Zeitpräferenzen<br />

auswirken, also die ethische <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> Zeitpräferenz.<br />

Die Moral, Normen liegen dem menschlichen Handeln zugrunde, durch die<br />

moralischen Wertmaßstäbe <strong>der</strong> Gesellschaft wird eine Verteilungsgerechtigkeit in<br />

<strong>der</strong> Zeit festgelegt. Bei einer langfristigen intertemporalen Betrachtung ergibt<br />

sich das Problem, eine intergenerationelle Verteilungsgerechtigkeit herzustellen.<br />

wie könnte das Wohl zukünftiger Generationen gewährleistet werden, was müssen<br />

wir tun, damit die Lebenschancen kommen<strong>der</strong> Generationen gegenüber unseren<br />

Möglichkeiten nicht verschlechtern werden. Gibt es ein Konstrukt wie einen<br />

Generationsvertrag 11 , aus dessen gleichwertigen Tausch sich eine Verpflichtung<br />

<strong>der</strong> heutigen Generation zum Schutz von Umwelt und Ressourcen, aber auch <strong>der</strong><br />

zukünftigen Generationen ableiten ließe, o<strong>der</strong> handelt es sich hier nur um eine<br />

einseitigen Transfer ?<br />

Vom moralischen Standpunkt aus wird ein Konzept <strong>der</strong> Solidarität zwischen den<br />

Generationen unterstellt. Das heißt: die gegenwärtige Generation ist verpflichtet,<br />

das Wohl <strong>der</strong> zukünftigen Generation in das eigene Handeln miteinzubeziehen<br />

damit zu Konsumverzicht zugunsten <strong>der</strong> künftigen Generation. Das ist aber nicht<br />

ganz unproblematisch, denn woher weiß die heutige Generation, dass das<br />

Reichtum, auf dessen Realisierung und Nutzung die heutige Generation freiwillig<br />

zugunsten <strong>der</strong> zukünftigen verzichtet, unbedingt angenommen und geschätzt wird.<br />

woher weiß sie also, ob die Präferenzen und Technologien zukünftigen<br />

Generationen nicht eventuell völlig an<strong>der</strong>s sind. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite: Wie<br />

könnten zukünftige Generationen gegenüber <strong>der</strong> heutigen Generation<br />

vertragsbrüchig werden, wenn diese Generation gar nicht mehr existiert. Damit<br />

die lebende Generation <strong>der</strong> Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen<br />

gerecht werden kann, muss die soziale Zeitpräferenzrate niedriger als <strong>der</strong><br />

Marktzins und damit niedriger als die private, individuelle Zeitpräferenzrate sein,<br />

weil das Marktgeschehen in <strong>der</strong> Regel diesen Aspekt nicht berücksichtigt.<br />

( Annahme: dass das Böhm –Bawerks Gesetz <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>schätzung zukünftigen<br />

Bedürfnisse für den individuellen Bereich akzeptiert ist. )<br />

Es stellt sich allerdings die Frage, ob die beiden Zeitpräferenzraten auch soweit<br />

voneinan<strong>der</strong> differieren können, dass die soziale Zeitpräferenzrate sogar gleich<br />

Null sein kann?.<br />

Meist wird die soziale Zeitpräferenzrate als positiv angesehen, weil es einfach nur<br />

Rücksicht auf die Tatsache genommen wird, dass ein Gut zu zwei verschiedenen<br />

Zeitpunkten ungleich knapp sein kann, ebenso wie es an zwei verschiedenen<br />

11 Vgl : Zimmermann ,Klaus : a.a. O S.3-5 (1980)


12<br />

Orten ungleich knapp sein kann, und woraus eine unterschiedliche Bewertung<br />

folgt. Man erklärt das damit, dass es rationale Gründe für individuelle<br />

Ungleichbewertung in <strong>der</strong> Zeit gibt 12 : wir haben vorhin gesagt, dass die<br />

gleichmäßige Verteilung des Konsums in <strong>der</strong> Zeit, die einzig richtige ist, das ist<br />

aber nicht unter allen Umständen richtig, das ist nur <strong>der</strong> Fall, wenn das<br />

betreffende Gut zu allen Zeitpunkten gleich knapp ist . Beispiel: Vorrat<br />

ver<strong>der</strong>blicher Feigen wird ungleichmäßig konsumiert , erst viel dann später wenig<br />

: vom rationalen Subjekt wohlgemerkt, und das hat mit Myopie nicht zu tun . Es<br />

ist auch rational, ein großes Gesamtvermögen, dessen Erträge in zeitlich<br />

ungünstiger, stark ungleichmäßiger Verteilung auftreten, gegen ein an<strong>der</strong>es zu<br />

tauschen, das geringer ist ,aber eine bessere zeitliche Verteilung aufweist. Es hat<br />

nicht mit Kurzsichtigkeit zu tun o<strong>der</strong> dass die Zeit diskontiert wird, es ist nur die<br />

Tatsache, dass ein Gut ungleich knapp sein kann zu zwei verschiedenen<br />

Zeitpunkten. Die Gründe könnten vielfältig sein: Das Gut kann abhanden<br />

kommen, o<strong>der</strong> an Wert verlieren o<strong>der</strong> ich erlebe die Zukunft nicht mehr.<br />

12 Vgl : Hampicke Ulrich :Neokassik und Zeitpräferenz in : Beckenbach ,Frank :Ökologische<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung für die ökonomische Theorie S.130-131 (1991)


13<br />

IV. Ökonomische <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> Zeitpräferenz<br />

In den vorherigen Abschnitten haben wir die verschiedenen <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong><br />

Zeitpräferenz behandelt .Hier möchten wir erfahren, wie die Zeitpräferenz aus<br />

ökonomischer Sicht zu betrachten ist. In <strong>der</strong> neoklassischen Wirtschaftstheorie<br />

wird zu dem Problem <strong>der</strong> Zeitpräferenz formuliert:<br />

´´Nach dem Gesetz <strong>der</strong> Gegenwartspräferenz wird ein Güterbündel heute einem<br />

Güterbündel in <strong>der</strong> Zukunft vorgezogen .Folglich muss <strong>der</strong> Nutzen zukünftiger<br />

Generationen abdiskontiert werden.´´13<br />

Hier wird gesagt, dass in <strong>der</strong> neoklassischen Wirtschaftstheorie <strong>der</strong> Nutzen o<strong>der</strong><br />

Schaden o<strong>der</strong> allgemein das Schicksal <strong>der</strong> späteren Generationen diskontiert wird,<br />

wenn <strong>der</strong> Planungszeitraum über mehrere Generationen o<strong>der</strong> gar unbegrenzt lange<br />

reicht.<br />

Viele Ökonomen sowie Philosophen haben das Verfahren kritisiert: Wie könne<br />

man überhaupt die Zukunft abdiskontieren, wie könne es rational sein, zukünftige<br />

Ereignisse geringer zu schätzen, nur weil sie künftig sind. Und diese<br />

Nutzendiskontierung hat keinelei philosophische Basis.<br />

Die Neoklassiker rechtfertigten ihre Verfahren mit dem Argument: dass das<br />

Diskontieren Gerechtigkeit erzeuge .Dabei wird unterstellt, dass es eine immer<br />

wachsende Wirtschaft gibt. und wenn die Lebenden jetzt diskontieren, dann wird<br />

es gehin<strong>der</strong>t, dass die nächsten Generationen eine übermäßige Bevorzugung<br />

bekommen, da sie immerhin schon besser mit Gütern und Ressourcen ausgestattet<br />

sind ( aufgrund <strong>der</strong> immer wachsenden Wirtschaft ). Die gegenwärtige Generation<br />

diskontieren, so verbrauchen sie mehr für sich selbst, was ihnen zu gönnen sei.<br />

Allerdings ist dieses Argument unter <strong>der</strong> Annahme einer wachsen<strong>der</strong> Wirtschaft<br />

nicht unproblematisch, denn trotz technischer Innovationen sind nicht alle<br />

Probleme <strong>der</strong> Ressourcenknappheit beseitigt , Erdölknappheit , Verfall natürlicher<br />

Ressourcen... und damit die Bedingungen für eine wachsende Wirtschaft ist nicht<br />

unbedingt gegeben.<br />

Im vorigen Abschnitt haben wir gesagt, dass ein größerer künftiger Konsum<br />

erfor<strong>der</strong>lich ist, um für einen Konsumverzicht in <strong>der</strong> Gegenwart zu entschädigen.<br />

Dieser Konsumverzicht kann sich durch materielle Investition o<strong>der</strong> zeitliche<br />

Investition ausdrücken. Der erhöhte zukünftige Konsum erklärt sich durch Zinsen.<br />

Liegt die Zeitpräferenz in <strong>der</strong> Gegenwart, ergibt sich somit ein geringerer<br />

künftiger Konsum und umgekehrt. Bei einem gegenwärtigen Konsumverzicht<br />

muss <strong>der</strong> subjektive Vorteil mit den Opportunitätskosten gegenwärtigen Konsums<br />

zumindest übereinstimmen o<strong>der</strong> diese noch übersteigen. Der entgangene Nutzen<br />

durch den Konsumverzicht muss also kompensiert werden durch den Ertrag, <strong>der</strong><br />

zukünftig zu erwarten ist.<br />

Wie wir wissen, dass gegenwärtige Entscheidungen häufig auch das zukünftige<br />

Wohlergehen beeinflussen, in <strong>der</strong> Mikroökonomie wird das unter <strong>der</strong><br />

intertemporalen Substitution gefasst.<br />

Angenommen, dass Individuen alternative Kombinationen von Gegenwarts-und<br />

Zukunftskonsum vergleichen können und sie in eine wi<strong>der</strong>spruchsfreie<br />

Rangordnung bringen. Die Entscheidungen über Konsum o<strong>der</strong> Sparen können<br />

13 Vgl: Horst ,Siebert :Ökonomische Theorie <strong>der</strong> Umwelt S.150 Tübingen (1978 )


14<br />

durch die Nutzenfunktion :U(T) = U( c(0) , c(1) ,.....c(T) ) rationalisiert werden<br />

wobei : T :Zeithorizont ; c(0) : Konsum in <strong>der</strong> Gegenwart (Periode 0 ) :<br />

Weitere Annahme, dass <strong>der</strong> Nutzen sich erhöht ,wenn <strong>der</strong> Konsum mindestens<br />

einer Periode gesteigert werden kann ,ohne dass sich <strong>der</strong> Konsum einer an<strong>der</strong>en<br />

Periode verringert. Der intertemporale Tausch von Konsum heute gegen Konsum<br />

morgen ist nur möglich, wenn in Periode 1 ein höherer Betrag zurückgezahlt als in<br />

<strong>der</strong> Periode o aufgenommen wird (Positivität des Zinssatzes):<br />

C(t)<br />

C(o)<br />

Quelle: Neumann ,Manfred :Zukunftsperspektive im Wandel lange Wellen in<br />

Wirtschaft und Politik Tübingen (1990)<br />

In <strong>der</strong> Abbildung ist <strong>der</strong> Gegenwartskonsum C(o) in <strong>der</strong> horizontalen und <strong>der</strong><br />

Zukunftskonsum in <strong>der</strong> vertikalen Achse abgetragen .Die Indifferenzkurven geben<br />

jeweils Kombinationen von Gegenwarts- und Zukunftskonsum an ,die von Individuen<br />

als gleichwertig angesehen werden. Die Steigung <strong>der</strong> Kurve gibt die<br />

Grenzrate <strong>der</strong> Substitution zwischen zukünftigen und gegenwärtigen Konsum an.<br />

Die Konvexität <strong>der</strong> Indifferenzkurve bedeutet, dass eine Vermin<strong>der</strong>ung des<br />

Gegenwartskonsums nur durch zunehmend höhere Quoten zukünftigen Konsums<br />

ausgeglichen werden kann. Der Gegenwartskonsum wird dann im Verhältnis zum<br />

Zukunftskonsum sehr hoch geschätzt.


15<br />

Die individuelle Zeitpräferenzrate steht im engen Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />

Grenzrate <strong>der</strong> Substitution ,sie ist definiert als die bei gleich hohem Gegenwartsund<br />

Zukunftskonsum auftretende Grenzrate <strong>der</strong> Substitution minus Eins 14 ,mit <strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Nutzen zukünftigen Konsums diskontiert wird. Zeitpräferenzrate = dCt/dCo -1<br />

je höher die Zeitpräferenzrate, um so geringer ist das Sparen bei einem gegebenen<br />

Einkommen.<br />

Eine hohe Zeitpräferenzrate führt dazu, Nehmen wir mal erschöpfbare Ressourcen<br />

als Beispiel, dass sie heute stark ausgebeutet werden, später dann dafür die<br />

Konsummöglichkeiten entfallen. Nach dem Konzept <strong>der</strong> Solidarität müssen wir<br />

also zukünftige Knappheiten in unser heutiges Kalkül einbeziehen, wir müssen<br />

also Entscheidung über die Wahl <strong>der</strong> angemessenen <strong>sozialen</strong> Zeitpräferenzrate<br />

treffen. Wie wir gesagt haben, öffentliche Projekte beeinflussen in aller Regel die<br />

Verbrauchsmenge <strong>der</strong> Haushalte über eine längeren Zeitraum hinweg 15 , die von<br />

ihnen bewirkten Nutzen und Kosten fallen viele Jahre an. Das Problem stellt sich<br />

hier, wie kann man dabei die Zeitpräferenzrate bzw Diskontierungsrate finden. ?<br />

Das Problem ergibt sich aus den beiden folgenden miteinan<strong>der</strong> verbundenen<br />

Fragen 16 :<br />

- Hängt die Vorteilhaftigkeit eines Projektes vom Zeitprofil seiner positiven<br />

und negativen Wirkungen auf Nutzenniveaus <strong>der</strong> Haushalte ab?<br />

- Mit welchem Gewicht müssen die für di einzelnen Jahre ermittelten<br />

Opportunitätskosten und Nutzen in die Berechnung <strong>der</strong> gesamten, d h. die<br />

volle Lebensdauer umfassenden Vorteilhaftigkeit des Projektes eingehen?<br />

Für die erste Frage ist das offensichtlich, dass je höher die Nutzen des Projektes<br />

und je später die Kosten anfallen, desto günstiger wird das Projekt in <strong>der</strong><br />

Gegenwart beurteilt .Das heißt, dass die in den späteren Jahren enstehenden<br />

Netto-Benefits geringer gewertet werden als die in den früheren Jahren<br />

auftretenden.<br />

Die zweite Frage wird äußerst kontrovers beantworten. Dabei lassen sich zwei<br />

Grundpositionen unterscheiden.<br />

1. Die Zeitpräferenz <strong>der</strong> Haushalte: Im ersten Abschnitt haben wir das<br />

Beispiel gesehen, wobei <strong>der</strong> Zukunftsbetrag mit einer positiven Rate auf die<br />

Gegenwart abdiskontiert wird. Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese positive<br />

Diskontierungsrate auch realistisch ist? und wir haben auch erklärt, dass die<br />

Gründe dafür in <strong>der</strong> Kurzsichtigkeit <strong>der</strong> Haushalte liegen. Diese Argumente<br />

liefern jedoch keinen Hinweis auf die Stärke <strong>der</strong> Zeitpräferenz, d h. auf die<br />

marginale Zeitpräferenzrate des Konsums, die als Diskontierungsrate verwendet<br />

werden soll. Wir müssen diese Rate vielmehr aus <strong>der</strong> Konsumverschiebung <strong>der</strong><br />

Haushalte von einer in die an<strong>der</strong>e Periode ableiten.<br />

Die Haushalte verschieben solange Konsum in die Zukunft (d h. sie sparen und<br />

Geld verleihen ), wie ihre Zeitpräferenzrate kleiner als <strong>der</strong> von ihnen realisierbare<br />

Zins ist . Sie würden Konsumkredit vermehrt aufnehmen ,wie ihre<br />

14 Neuman ,Manfred :Zukunftspersektiv im Wandel :lange Wellen in Wirtschaft und Politik<br />

Tübingen (1990) S.38<br />

15 Öffentliche Investitionsentscheidungen werden meist unter <strong>der</strong> Kosten –Nutzen-Analyse<br />

bewertet ,wobei die soziale Kosten mit den <strong>sozialen</strong> Nutzen verglichen werden und daraus unter<br />

den verschiedenen Bedingungen den bestmöglichen gesamtwirtschaftlichen Nettoertrag<br />

anzustreben.<br />

16 Vgl : Hesse ,Helmut a .a .O S. 376-379


16<br />

Zeitpräferenzrate größer als <strong>der</strong> von ihnen zu entrichtende Zinssatz ist .Wenn sich<br />

außerdem <strong>der</strong> Zinssatz lediglich aufgrund dieser Aktivitäten <strong>der</strong> Haushalte bilden<br />

würden ,dann wären die marginalen Zeitpräferenzrate aller Haushalte einan<strong>der</strong><br />

und dem sich einstellenden Zinssatz gleich .Dieser könnte als Diskontierungsrate<br />

verwendet werden . Die Möglichkeit, auf diesem Weg die Zeitpräferenzrate zu<br />

finden, ist allerdings nicht unbestritten, es heißt: Der Kreditmarkt ist<br />

unvollkommen, und Konsumpläne <strong>der</strong> Haushalte über längere Zeitspanne hin<br />

würden nur selten aufgestellt.<br />

2. Die soziale Zeitpräferenzrate: Die Haushalte entscheiden hier über<br />

Ersparnisse und Kreditaufnahme ausschließlich nach individuellen<br />

Gesichtspunkten, und berücksichtigen dabei nur unzureichend die wichtigen<br />

gesellschaftlichen <strong>Aspekte</strong> ihrer Aktivitäten. Der Marktzins wi<strong>der</strong>spiegelt nicht<br />

die gesamtgesellschaftliche o<strong>der</strong> kollektive Zeitpräferenzrate, son<strong>der</strong>n nur unter<br />

Umständen die individuelle marginale Zeitpräferenzrate. Die Begründung dafür<br />

liegt vor allem in den externen Effekten von Ersparnissen bzw Nettoinvestitionen<br />

auf das Nutzenniveau künftiger Generationen. Werden öffentliche Projekte<br />

durchgeführt z B: Staudämme gebaut, Gebäude gerichtet, dann haben auch<br />

Menschen Nutzen davon, die noch nicht leben. Die Leute, die die Spar –und<br />

Investitionsentscheidung getroffen haben, berücksichtigen dabei aber nicht die<br />

Wirkungen auf die gesamte zukünftige Gesellschaft .Die Nutzen späteren Jahren<br />

werden also stark abdiskontiert , die individuelle Zeitpräferenzrate ist zu hoch , es<br />

führt zu geringen Ersparnissen und Investitionen in <strong>der</strong> Gegenwart. Die soziale<br />

Zeitpräferenzrate ist niedriger anzusetzen. Dabei stellen sich zwei Fragen:<br />

-Wer sollte die Zeitpräferenzrate ansetzen?<br />

- Wonach soll er sich dabei ausrichten?<br />

Zu <strong>der</strong> ersten Frage wird gefor<strong>der</strong>t, dass die Regierung Sachwalter auch <strong>der</strong><br />

Interessen <strong>der</strong> künftigen Generationen sein solle und die Diskontierungsrate so<br />

festlegen, dass die Ersparnisse und Investitionen hinreichend groß würden.<br />

Zu zweiten Fragen wird verlangt, dass die Konsumbewertungen für die<br />

zukünftigen Generationen antizipiert werden .wenn diese den Grenznutzen ihres<br />

Konsums niedrig ansetzen, solle die Diskontierungsrate hoch sein und umgekehrt.<br />

Es wird davon ausgegangen, dass :- die Nutzenfunktion künftiger Generation sich<br />

nicht von <strong>der</strong> <strong>der</strong> lebenden Generation unterscheidet ,es gilt :Ut =U(Ct) und<br />

-<strong>der</strong> Grenznutzen des Konsums nimmt ab mit konstanter Rate (Die Elastizität des<br />

Grenznutzens in Bezug auf Konsum ist konstant).<br />

Akzeptiert man beide Annahmen, dann lässt sich das Werturteil über die Höhe <strong>der</strong><br />

Diskontierungsrate r (= <strong>der</strong> <strong>sozialen</strong> Zeitpräferenzrate) formulieren :<br />

r = U’(Ct)/U(Ct+1) – 1 (a)<br />

Die Rate ist umso höher, je schneller <strong>der</strong> Grenznutzen mit steigendem Konsum<br />

fällt und je stärker <strong>der</strong> Konsum steigt. Für den Fall Ut =Ct ª (b) wobei a=<br />

Grenznutzen des Konsums. Lässt sich die Nutzenfunktion wie stellen: Man<br />

differenziert (b) und einsetzen in (a)<br />

r =(a C t ª¯¹ ⁄ a C t+1 ª¯¹) – 1 = [C(t+1) / C(t) ] 1-a – 1 (c)<br />

Die Zuwachsrate des Konsums Wc = ( C(t+1) – Ct ) / Ct<br />

Durch Umformen erhält man (d) : 1+ Wc = C(t+1) / Ct<br />

Einsetzen in (c) : r = (1+Wc)¹¯ª - 1


17<br />

V. Zusammenfassung<br />

Zeitpräferenz ist ein komplexes Phänomen, mit dem viele wissenschaftliche<br />

<strong>Aspekte</strong> verbunden sind. Im Kapitel II haben wir die drei Gründe für die<br />

Min<strong>der</strong>schätzung künftiger Bedürfnisse nach Böhm –Bawerk genannt und erklärt.<br />

Dennoch enthalten die drei angeführten Gründe kein Argument dafür, ob und wie<br />

zeitverschiedene Nutzen allein aus diesem Grund einer beson<strong>der</strong>en Bewertung<br />

unterworfen werden 17 . Und am Ende des zweiten Grund kommt noch die These,<br />

dass wir den Grenznutzen künftiger Güter gleichsam in perspektivischer<br />

Verkleinerung sehen. Als Begründung wird angegeben, dass wir nicht in <strong>der</strong> Lage<br />

seien, uns eine zutreffende Meinung von <strong>der</strong> voraussichtlichen Intensität künftiger<br />

Bedürfnisbefriedigung, mithin künftiger Nutzen zu bilden. Böhm –Bawerk<br />

versucht, einen Faktor zu begründen, <strong>der</strong> zu einer Verkleinerung künftiger<br />

Grenznutzen führt. Offen bleibt, ob dieser Faktor rein psychisch bedingt ist o<strong>der</strong><br />

Abhängigkeit vom Grenznutzen in Gegenwartsperiode o<strong>der</strong> <strong>der</strong> zeitlichen<br />

Entfernung besteht. Im zweiten Abschnitt haben wir mit den verschiedenen<br />

<strong>Aspekte</strong>n <strong>der</strong> Zeitpräferenz auseinan<strong>der</strong>gesetzt. Die beschriebenen <strong>Aspekte</strong>, die<br />

sich wechselseitig auch beeinflussen, wirken auf die individuelle Zeitpräferenzrate<br />

aus .Es ist erfor<strong>der</strong>lich, dass die individuelle Zeitpräferenz von <strong>der</strong> ethischen<br />

Grundwerte <strong>der</strong> Gesellschaft mitbestimmt wird .Ein Trittbrettfahrer, <strong>der</strong> keine<br />

Kin<strong>der</strong> hat, dürfte sich wenig um die Zukunftsknappheit an Ressourcen und<br />

Umwelt kümmern. Und schließlich ist die ökonomische Betrachtung <strong>der</strong><br />

Zeitpräferenz, es geht hier vielmehr um die optimale öffentliche<br />

Investitionsentscheidungen .Die soziale Zeitpräferenzrate ist schwer festzulegen,<br />

denn es ist auch schwer ein richtiger Diskontierungsfaktor bei <strong>der</strong> Kosten –Nutzen<br />

–Analyse zu finden. Ulrich Hampicke for<strong>der</strong>t sogar, dass die soziale<br />

Zeitpräferenzrate aus dem Bereich wissenschaftlicher Analysen zu tilgen ist 18 .<br />

Zusammengefasst haben wir in dieser Arbeit die Zeitpräferenzrate aus<br />

verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, sie ist also ein interdisziplinäres<br />

Phänomen.<br />

17 Lehmann ,Mathias a .a O S.86-87<br />

18 Ulrich ,Hampicke a.a.O S.141


18<br />

VI. QUELLENVERZEICHNIS<br />

Birnbacher, Dieter (1989) : Intergenerationelle Verantwortung o<strong>der</strong> : Dürfen wir<br />

die Zukunft <strong>der</strong> Menschheit diskontieren ? in ; Kümmel ,Reiner ; Klawitter ,Jörg<br />

(1989) : Umweltschutz und Marktwirtschaft aus <strong>der</strong> Sicht unterschiedlicher<br />

Disziplinen ; Würzburg.<br />

Bayer , Stefan (2000) : Intergenerationelle Diskontierung am Beispiel des<br />

Klimaschutzes ; Marburg.<br />

Dyckhoff ,Harald : Zeitpräferenz (1987) : Diskussionsbeitrag 123 ; Universität<br />

Hagen.<br />

Endres , Alfred (1994) : Umweltökonomie : eine Einführung ; Darmstadt.<br />

Eugen von Böhm Bawerk (1921) : Kapital und Kapitalzins 2.Abteilung :<br />

Positive Theorie des Kapitals 1.Band ,Buch I-IV 4.Aufl.<br />

Füßler ,Andreas (1993) : Die gesellschaftliche Zeitpräferenzrate –Theoretische<br />

Grundlagen, Kritik und Evidenz ,Diskussionsbeitrag Nr.02-93 , Universität<br />

Kaiserslautern , Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge.<br />

Gunter ,Stefan (1987) : Min<strong>der</strong>schätzung künftiger Bedürfnisse Nr.121<br />

Diskussionsschriften Universität Heidelberg, wirtschaftswissenschaftliche<br />

Fakultät.<br />

Hampicke , Ulrich (1991) : Neoklassik und Zeitpräferenz in : Beckenbach ,<br />

Frank : Ökologische Herausfor<strong>der</strong>ung für die ökonomische Theorie.<br />

Helmut , Hesse (1980) : Nutzen –Kosten- Analyse I : Theorie ; in : Albers ,Willi :<br />

Handbuch <strong>der</strong> Wirtschaftswissenschaft Band 5.<br />

Howe, Charles (1979) : Natural Resource Economic –Isuel ,Analysis and Policy<br />

New York.<br />

Kessel , <strong>Hans</strong> ; Zimmermann ,Klaus (1985) : Budgetpräferenz und Zeitpräferenz<br />

für öffentliche Ausgaben ; in : Internationales Institut für Umwelt und<br />

Gesellschaft : Discussion Paper ; Heft 04 ; Berlin.<br />

Lehmann ,Mathias (1975 ) : Zur Theorie <strong>der</strong> Zeitpräferenz : Ein Beitrag zur<br />

mikroökonomischen Kapitaltheorie ; Heft 28.<br />

Niehans ,Jürg (1980) : Faktorpreisbildung II : Zinstheorie ; in Handbuch <strong>der</strong><br />

Wirtschaftswissenschaft Band II Stuttgart.


19<br />

Neumann , Manfred (1990) : Zukunftsperspektiv im Wandel : Lange Wellen in<br />

Wirtschaft und Politik. Tübingen.<br />

Petersen, H –G ; Müller ,K. (1999) : Volkswirtschaftslehre im Überblick Band<br />

III; Volkswirtschaftspolitik. München.<br />

Siebert ,Horst (1978) : Ökonomische Theorie <strong>der</strong> Umwelt. Tübingen.<br />

Zimmermann ,Klaus (1984) : Zeitpräferenzen – ein interdisziplinärer Ansatz in<br />

<strong>der</strong> Theorie und Empirie ; in : Internationales Institut für Umwelt und Gesellschaft<br />

Berlin. Discussion Paper ; Heft 11.<br />

Internetquellen : - www.mikrooekonomie.de/hh/ks/hhksef_zb3.htm<br />

- www.astafu.de/inhalte/publikationen/hopo/umbruch/habitus<br />

- www.netzwelt.de/lexikon/Nutzenmaximierung.html

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