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Thomas Simon<br />

Angesichts dieses gesetzgebungstechnischen Dilemmas hat Zeiller<br />

denn auch nur eine ausgesprochen »bedenkenreiche« Lösung anzubieten:<br />

Einerseits lässt er eine klare Präferenz für den abstrakt-generellen<br />

Regelungsstil er-kennen: Das vom Vernunftrecht formulierte Ideal eines<br />

kurzen, allgemein fasslichen und dennoch zugleich vollständigen Gesetzbuches<br />

49 lässt sich nur dadurch realisieren, »dass es ein tief durchdachtes,<br />

aber einfaches System allgemeiner, auf alle Rechtsverhältnisse sich verbreitender<br />

Rechtsregeln aus-mache«. Mit diesem Standpunkt ist bei Zeiller<br />

die Einsicht in die unumgäng-lichen Auslegungsspielräume verbunden,<br />

die der Justiz notwendigerweise zukommen müssen: »Weil man aber von<br />

einem Zivil-Codex nicht verlangen kann, dass er, gleich einem Systeme<br />

des natürlichen Privatrechts, alle Rechts-grundsätze enthalten soll, so<br />

wird der Gesetzgeber, um der Verlegenheit und den Anfragen der Richter<br />

[…] vorzubeugen, ihnen das Befugnis […] ein-räumen, den zweifelhaften<br />

Rechtsfall aus den natürlichen Rechtsgrundsätzen (der Philosophie des<br />

Rechts) zu entscheiden.« In einer modernen Kodifikation wird der Justiz<br />

also ganz bewusst die »Befugnis« zur Lückenfüllung ein-geräumt, die<br />

unter Rückgriff auf allgemeine, im Extremfall sogar auf die »natürlichen<br />

Rechtsgrundsätze« zu erfolgen hat. Es ist diese Rückriffsmög-lichkeit,<br />

die das Gesetzbuch »umfassend«, d. h. für alle denkbaren Fälle anwendbar<br />

macht. Denn die Normquelle der »Rechtsgrundsätze« ist »unver-siegbar,<br />

weil jede Frage, die inner dem Gebiete der rechtlichen Vernunft liegt,<br />

auch von ihr (als dem Vermögen der Prinzipien) beurteilet und aufgelöset<br />

werden kann.« Dies ist bei Zeiller verbunden mit einer deutlichen Orientie-rung<br />

an einem »emanzipierten« Richtertyp, 50 der das Kunststück vollbringen<br />

kann, einerseits selbständig denkend in den »Geist des Gesetzes«<br />

einzudringen und aus dessen abstrakten Grundsätzen, allgemeinen Regeln<br />

und Prinzipien anwendungsfähige Fallnormen abzuleiten, der aber andererseits<br />

auch diszipli-niert genug ist, den im Gesetz niedergelegten Willen<br />

49<br />

Zeiller (1811a), Vorrede, S. XIII: “Die schweren und doch gegründeten Forderungen,<br />

welche die Philosophie an die Gesetzgebung macht, dass ein Gesetzbuch kurz, allgemein<br />

faßlich und zugleich vollständig sein soll, […].”<br />

50<br />

So die treffende Formulierung von Monhaupt (2010) , Kap. IV (S. 92 ff.).<br />

Seqüência (Florianópolis), n. 66, p. 47-82, jul. 2013 71

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