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Thomas Simon<br />

Lückenfüllung vor allem mit Hilfe der Analogie wurde jetzt also gestattet,<br />

so dass nunmehr nur noch im Falle des Abweichens vom Gesetz bei<br />

Hofe anzufragen war. Inwieweit auch die Auslegung des Gesetzestextes<br />

freigegeben wurde, 35 ist unklar, kann hier aber offen bleiben, denn im<br />

ABGB sind dann jedenfalls die direkten Kontrollen der Rechtsprechung<br />

seitens der Politik zur Gänze verschwunden; der Richter musste nun in<br />

jedem Fall selbst entscheiden. Was allerdings blieb und im Gegenteil an<br />

Bedeutung zunahm, waren die methodischen Vorgaben für die nunmehr<br />

vollständig dem Richter überlassene Gesetzesinterpretation.<br />

Dabei unterscheidet auch das ABGB zwischen der Interpretation<br />

eines vorgegebenen Gesetzestextes (§ 6) und der Entscheidung im Falle<br />

gesetzlicher Regelungslücken (§ 7). Im erstgenannten Fall des § 6 ist<br />

das ABGB immer noch bestrebt, den erkennenden Richter auf den Wortlaut<br />

des Gesetzes festzulegen. In § 6 klingt noch das alte Misstrauen des<br />

Kodifikationsgesetz-gebers gegenüber einer Justiz an, die die Worte des<br />

Gesetzestextes bei der Interpretation verbiegen und sich – wie es im CTh<br />

heißt – eine »gekünstelte Auslegung« anmaßen könnte. Im Fall der Regelungslücke<br />

hingegen wird die wachsende Bedeutung allgemeiner Prinzipien<br />

sichtbar, die nun als neuartige Erkenntnisquelle des Rechts fruchtbar<br />

gemacht werden sollen. 36<br />

Der Richter soll die Lücken primär durch analoge Anwendung anderer<br />

gesetzlicher Be-stimmungen füllen; gelingt dies nicht, dann hat die<br />

Stunde jener berühmt gewordenen Bestimmung des § 7 ABGB geschlagen,<br />

der gemäß der »Rechts-fall«, wie es heißt, »nach den natürlichen Rechtsgrundsätzen«<br />

entschieden werden muß. Was im ABGB die »natürlichen<br />

Rechtsgrundsätze« sind, das sind in der Einleitung des ALR die im<br />

Gesetzbuches, welcher hiermit aufgehoben wird, wird verordnet: dass der Richter, wenn<br />

er einen vorkommenden Fall nicht in den Worten des Gesetzes entschieden fände, auf den<br />

zusammenstimmenden Begriff und Sinn desselben, auf gleichförmige darin ausgedrückte<br />

Fälle, auf die aus der Ver-bindung der Gesetze sich darstellenden Grundsätze und<br />

Absichten sehen und den Fall nach derselben Maßgebung beurteilen soll. Stünden der<br />

Beobachtung des Gesetzes besondere und sehr erhebliche Bedenken entgegen, so wäre<br />

die Belehrung bei Hof anzusuchen”. (Druck bei MIERSCH, 2000, S. 47)<br />

35<br />

So jedenfalls MIERSCH, Der sogenannte référé législatif (Anm. 51), S. 47.<br />

36<br />

Dazu SCHOTT, Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur (Anm. 9), S. 79.<br />

Seqüência (Florianópolis), n. 66, p. 47-82, jul. 2013 65

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