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Christian Modehn: Hüllenlos heilig - Jesus ist nackt

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hr2-kultur | Camino – Religionen auf dem Weg<br />

26.12.2013, 11:30 Uhr<br />

<strong>Hüllenlos</strong> <strong>heilig</strong><br />

<strong>Jesus</strong> <strong>ist</strong> <strong>nackt</strong><br />

Von <strong>Chr<strong>ist</strong>ian</strong> <strong>Modehn</strong><br />

1. SPR.: Berichterstatter (Text ca 140 Zeilen = 11 Minuten)<br />

2. SPR.: Zitator<br />

21 O TÖNE, zus. 13 00“<br />

5 MUSIK Zusp.<br />

1. Musikal. Zuspielung. Corelli. Bleibt ca. 0 10“ fre<strong>ist</strong>ehend, dann<br />

wegblenden.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Das göttliche Kind wird <strong>nackt</strong> dargestellt und zu Andacht und Verehrung auf<br />

den Altären gezeigt. Auf zahllosen Gemälden <strong>ist</strong> <strong>Jesus</strong> hüllenlos zu sehen, wie<br />

er auf dem Schoß seiner Mutter sitzt. Die großen italienischen Künstler des 16.<br />

Jahrhunderts, etwa Raffael oder Michelangelo, haben dieses Motiv über alles<br />

geliebt. Auch die „sixtinische Madonna“, populärer Schmuck in Schlafzimmern<br />

noch im 20. Jahrhundert, hält ein <strong>nackt</strong>es <strong>Jesus</strong>kind auf dem Arm. Die<br />

Gläubigen verlangten nach Bildern inniger Liebe: Der kleine, <strong>nackt</strong>e Mann<br />

<strong>Jesus</strong>, behütet von Maria, die ihre <strong>nackt</strong>e Brust zeigt, bereit zum Stillen. So wird<br />

der himmlische Sohn des göttlichen Vaters <strong>ist</strong> auf Erden greifbar: als ein <strong>nackt</strong>es<br />

Kind.<br />

1. O TON, Jürg Lauster, 0 09“<br />

Das Chr<strong>ist</strong>entum <strong>ist</strong> eine Inkarnationsreligion und in Chr<strong>ist</strong>us den<br />

Menschgewordnen Gott verehrt. Der bedarf dann keiner Kleider.


1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

berichtet der Theologe Jörg Lauster aus Marburg.<br />

2. O TON, Lauster 0 16“<br />

Man möchte damit abwehren, als wäre <strong>Jesus</strong> ein Scheinmensch gewesen. <strong>Jesus</strong><br />

war ein Kind wie du und ich; <strong>Jesus</strong> hatte eine Mutter wie du und ich. <strong>Jesus</strong> hat<br />

in einer Familie wie du und ich gelebt. Das <strong>ist</strong> eine wahnsinnige Aufwertung<br />

aller menschlichen Lebensverhältnisse.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Künstler der Renaissance und des Barock haben me<strong>ist</strong> im Auftrag von<br />

Bischöfen und Päpsten gearbeitet, wenn sie den <strong>nackt</strong>en <strong>Jesus</strong> darstellten. In der<br />

unmittelbaren Leiblichkeit Jesu sollte Einmaliges ans Licht treten, berichtet der<br />

Theologe Rainer Kampling aus Berlin:<br />

2. O TON, Rainer Kampling, 0 53“<br />

Ich denke, dass man etwas sieht: Eine Mutter nährt ihr Kind, ein völlig<br />

natürlicher Vorgang. Also es <strong>ist</strong> gleichsam ein Verweis darauf: dieser Sohn<br />

Gottes <strong>ist</strong> wie ihr. (Rausnehmen: Es gibt Bilder, die gehen so weit, dass man Geburtsgase sieht) . Auf<br />

manchen Bildern sehen Sie sogar bei dem Kind noch Blutflecken, die<br />

Geburtsflecken. Das finde ich ja gerade das Schöne er <strong>ist</strong> gewusst das göttliche<br />

Kind, gesehen wird das menschliche Kind. Aber, da wollen wir auch eins nicht<br />

vergessen, diese Körperfarbe, die oft ins Rosa geht, ermöglicht gleichzeitig, das<br />

<strong>nackt</strong>e Kind ins Zentrum zu stellen. Dadurch, dass das Kind <strong>nackt</strong> <strong>ist</strong>, hat es eine<br />

ganz andere Farbe als die anderen.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Schaut auf dieses Kind, heißt die Botschaft der Künstler. Denn Wunderbares<br />

wird sichtbar: Gott verlässt seine ferne himmlische Herrlichkeit, weil der<br />

Mensch unendlich aufgewertet werden soll: Gott selbst <strong>ist</strong> dieser konkrete<br />

kleine Mann in der Krippe. Der Stall zu Bethlehem soll auf die h<strong>ist</strong>orischen<br />

Umstände der Geburt hinweisen. Und dieser <strong>Jesus</strong> <strong>ist</strong> nicht, den Engeln gleich,<br />

ein geschlechtsloses Wesen. Der amerikanische Kunsth<strong>ist</strong>oriker Leo Steinberg<br />

hat bislang unbekannte Gemälde aus dem 14. Jahrhundert entdeckt, die das<br />

männliche Glied Jesu nicht nur zaghaft und etwas verschämt, sondern in aller<br />

Deutlichkeit darstellen. Durchgesetzt haben sich freilich eher sanftere, man<br />

möchte sagen „harmlosere“ Bilder paradiesisch anmutender Unschuld. Aber<br />

auch diese Gemälde können heute die persönliche Spiritualität beleben, betont<br />

der Theologe Matthias Katsch.<br />

3. O TON Matthias Katsch:0 46“


Manchmal schwingt natürlich in der Darstellung von Nacktheit ein erotischer<br />

Faktor mit, aber in den Situationen des Kindes, was hilfsbedürftig <strong>ist</strong>, was<br />

gestillt oder geschützt werden muss von seiner Mutter, da möchte man einfach<br />

hingehen und den Menschen, den armen Menschen, bedecken oder schützen<br />

oder unterstützen. Das <strong>ist</strong> eben dieser einfache Mensch, der Mensch <strong>Jesus</strong>, ohne<br />

alle Kleider, Und dann reduziert sich sehr vieles, was eben an Schichten über die<br />

Jahrhunderte darüber sich gelegt hat. Wie wenn man ein Bild reinigt von sehr<br />

vielen Farbschichten und sehr vielen Schmutzschichten, die sich über die<br />

Jahrhunderte draufgelegt haben. Und dann kommt ein sehr reines, einfaches Bild<br />

zum Vorschein.<br />

2. Musikal. Zusp., Prière, von Satie. 0 08“ fre<strong>ist</strong>ehend<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Die vier Evangel<strong>ist</strong>en berichten, wie <strong>Jesus</strong> im Laufe seines Lebens <strong>nackt</strong> oder<br />

fast <strong>nackt</strong> in der Öffentlichkeit auftritt. Etwa bei der Taufe im Jordan. Dieses<br />

Ereignis, das völlige Untertauchen im Wasser, deuten die frühen Chr<strong>ist</strong>en als<br />

eine Neugeburt: Der verwandelte, der neue Mensch <strong>ist</strong> nur mit einem Kleid aus<br />

Licht angetan, so auch <strong>Jesus</strong>, meinten die Kirchenväter. Auch beim letzten<br />

Abendmahl legt <strong>Jesus</strong> fast alle seine Gewänder ab, um den Jüngern die Füße zu<br />

waschen. Am Kreuz stirbt er fast <strong>nackt</strong>. Schließlich <strong>ist</strong> der verwandelte Leib des<br />

Auferstandenen von transparenten Kleidern umhüllt, also <strong>nackt</strong>: Dieses neue<br />

Leben beginnt kontrastreich neben den gepanzerten und bewaffneten Wächtern<br />

am Grab. Diesen <strong>nackt</strong>en <strong>Jesus</strong> unverstellt und ungeschützt sehen zu lernen,<br />

erfordert insgesamt einen neuen Blick auf den Mann aus Nazareth, meint der<br />

österreichische Theologe Gottfried Bachl:<br />

4. O TON, Gottfried Bachl, 0 25“<br />

Es muss ja ein Individuum gewesen sein. Da war meine Absicht, da hin zu<br />

suchen, diesen Platz, wo dieser <strong>Jesus</strong> mit seinen beiden Fußsohlen steht, wo er<br />

seine beiden Augen hat und seine Ohren, und sein Gesicht und seine Nase,<br />

diese Unverwechselbarkeit einer h<strong>ist</strong>orischen Einzelheit, einer Individualität.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Unverwechselbar, so berichten die Evangelien, <strong>ist</strong> die Freiheit Jesu. Er verbirgt<br />

nicht seine eigene Meinung, taktiert nicht diplomatisch, bedient sich keiner<br />

vorgefertigten Floskeln: Er entblößt sich förmlich in seinem ganzen Leben, er<br />

<strong>ist</strong> sozusagen immer <strong>nackt</strong>: Diese Tatsache interessiert den Jesuiten Pater Klaus<br />

Mertes:<br />

5. O TON, Klaus Mertes, 0 45“


Das <strong>ist</strong> ein ganz wichtiger Punkt, also dass <strong>Jesus</strong> ganz offensichtlich jemand <strong>ist</strong>,<br />

der ich sagt. Also er predigt nicht über Dinge, sondern er spricht über sich.<br />

Wenn er zum Beispiel sagt: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Dann sagt<br />

er nicht: Ich verkündige euch die Auferstehung und das Leben. Sondern er sagt:<br />

Ich bin die Auferstehung und das Leben. Was ich zu sagen habe, zeige ich durch<br />

das, was ich bin. Durch mein Sein. Also ich habe nicht etwas im Kopf, was ich<br />

euch sagen will, sondern ich zeige euch, was ich lebe, ich zeige euch, welche<br />

Menschen ich liebe, ich zeige euch, welche Dinge mich verletzen. Ich zeige<br />

euch, was meine Sehnsucht <strong>ist</strong>. Das <strong>ist</strong> meine Verkündigung. Es <strong>ist</strong> ein Sprechen<br />

durch Sein mehr als durch Worte. Und das <strong>ist</strong> die tiefere Nacktheit bei <strong>Jesus</strong>!<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Weil <strong>Jesus</strong> unverstellt lebt, sozusagen ganzheitlich <strong>nackt</strong> sein wahres Wesen<br />

offenbart, gerät er in den tödlichen Strudel von Neid, Hass und Gewalt:<br />

6. O TON, Klaus Mertes, 0 23“<br />

Sich in die Öffentlichkeit zu stellen, bedeutet auch immer, sich schutzlos zu<br />

machen, die Kontrolle über sich aus der Hand zu geben. Und sich aber zugleich<br />

von der Öffentlichkeit nicht diktieren zu lassen, sich zu verstecken. Da <strong>ist</strong> eine<br />

ganz starke konfrontative Dimension, einfach nur in diesem Sich Zeigen, wie<br />

ich bin, wie ich fühle und wie ich denke.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Fromme Leute konnten die Weisungen Jesu nicht hinnehmen, dass Gott nur<br />

Liebe <strong>ist</strong> und Barmherzigkeit. Dass die Versöhnung mit dem Bruder wichtiger<br />

<strong>ist</strong> als der religiöse Kult. Wegen dieser Lehre endet <strong>Jesus</strong> am Kreuz. Oft<br />

erinnern die Künstler schon bei den Darstellungen des <strong>nackt</strong>en <strong>Jesus</strong>kindes an<br />

diesen qualvollen Tod, etwa, wenn das Baby ein kleines Kreuz in der Hand hält.<br />

Weihnachten verwe<strong>ist</strong> auf Golgatha. Und dort <strong>ist</strong> Nacktheit kein bloßes<br />

Stilmittel, sondern die zentrale Aussage, betont der Theologe Hans Joachim<br />

Sander aus Salzburg:<br />

7. O Ton, Hans Joachim Sander, 0 26“<br />

Der <strong>nackt</strong>e <strong>Jesus</strong> am Kreuz <strong>ist</strong> eine Demonstration, und zwar die Demonstration<br />

einer Ohnmacht. Der Gekreuzigte selbst, der dann im Mittelpunkt rückt, das <strong>ist</strong><br />

die Darstellung eines zerstörten, zerbrochenen Männerkörpers, der einer<br />

politischen, religiösen Konstellation zum Opfer gefallen <strong>ist</strong>. Und damit das<br />

Zurschaustellen, das Ausstellen, das Aussetzen eines ohnmächtigen Menschen.<br />

1.SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Aber kann der Anblick dieses grauenvollen Todes bei den Menschen eher<br />

zuversichtliche Lebensenergie wecken? Einige Künstler der Renaissance


ezweifelten das. Sie wagten es, den entblößten <strong>Jesus</strong> auch einmal erhaben und<br />

vollendet - schön darzustellen. Der junge Michelangelo hat zum Beispiel für die<br />

Augustiner Kirche in Florenz ein berühmtes Holz-Kruzifix geschaffen. Ein<br />

vollständig <strong>nackt</strong>er <strong>Jesus</strong> erscheint da als ein sanfter, geradezu zärtlicher junger<br />

Mann in perfekter Harmonie. In dieser reinen Nacktheit wird <strong>Jesus</strong> als der<br />

vollkommene Mensch gepriesen. Und die Gebildeten wussten, dass schon<br />

früher, im 4. Jahrhundert, die Heiligen <strong>nackt</strong> dargestellt werden konnten. Die<br />

Lehre von der Erbsünde hatte sich damals noch nicht durchgesetzt, die, populär<br />

verstanden, öffentliche Nacktheit als Schamlosigkeit empfand. Um so mehr<br />

staunten die Anhänger der Renaissance, dass es doch möglich war, etwa 120<br />

<strong>nackt</strong>e Figuren in den Deckenmalereien der Sixtinischen Kapelle im Vatikan<br />

öffentlich zu zeigen. 1512 wurden diese Arbeiten feierlich enthüllt, aber bereits<br />

50 Jahre später mussten die angeblich anstößigen Körperteile auf päpstlichen<br />

Befehl hin übermalt werden. Das damalige Konzil von Trient setzte auf<br />

moralische Strenge und wollte jegliche Verführung zu erotischer Lust abwehren.<br />

Noch im 18. Jahrhundert wurden die „unkeuschen Körperteile“ mit<br />

Schamtüchern, Umhängen und Hosen nachträglich bedeckt. Parallel dazu setzte<br />

sich die Überzeugung durch: Der Schmerzensmann am Kreuz soll eine<br />

ungewöhnliche chr<strong>ist</strong>liche Ästhetik hervorbringen, betont der Theologe<br />

Gottfried Bachl:<br />

8. O TON, Gottfried Bachl, 0 43“<br />

Das, meine ich, müsste man auch sich vergegenwärtigen: Die Hässlichkeit Jesu<br />

in ihren verschiedenen Brechungen. Ich meine damit nicht den charakterlichen<br />

Mangel oder dass er unsympathisch gewesen sei oder abstoßend gewesen sei.<br />

Ich meine damit seine wirkliche Querlage zu dem, was wir gemütlich nennen,<br />

hübsch, zu all dem, was wir mit einer gewissen Lust über unser wirkliches<br />

Leben hinweg schmieren und zumachen und verniedlichen.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Seit dem 16. Jahrhundert darf nur noch diese verstörende, eher hässliche<br />

Ästhetik des fast <strong>nackt</strong>en Leichnams der leidenden Menschheit Trost spenden,<br />

meint Hans Joachim Sander:<br />

9. O TON, Sander, 0 17“<br />

Man identifiziert sich mit jemandem, der ohnmächtig <strong>ist</strong>, und das <strong>ist</strong> eine ganz<br />

schwierige Identifikation. Weil man sich damit mit seiner Ohnmacht auch<br />

auseinandersetzen muss. Von daher <strong>ist</strong> die Auseinandersetzung mit dem<br />

Gekreuzigten immer auch das Zu-sich-selber-Finden in die eigenen Abgründe<br />

hinein.<br />

3. musikal. Zusp., Prélude, Satie, ca. 0 10“ fre<strong>ist</strong>ehend.


1.SPR.: (Andrea Wolf)<br />

In die eigenen Abgründe im Leben schauen und dabei zu sich selber finden <strong>ist</strong><br />

ein anspruchsvolles Vorhaben. Gibt es doch auch Abgründe, die sich im<br />

Umgang mit dem eigenen <strong>nackt</strong>en Leib, etwa in der Sexualität, auftun.<br />

Maßgebliche kirchliche Kreise haben eher Schuldgefühle geweckt und einen<br />

befreienden, heilsamen Umgang mit Nacktheit und Sexualität verhindert. Das<br />

Beispiel des <strong>nackt</strong>en <strong>Jesus</strong> wurde also schnell vergessen und verdrängt, berichtet<br />

der Psychologe Pater Hermann Kügler aus dem Jesuitenorden:<br />

10. O TON Pater Kügler, 0 57“<br />

Mir sagte mal eine Nonne mit etwas Schmunzeln, dass in ihrem Orden es vor 50<br />

Jahren noch üblich war: Die Nonnen zogen keinen BH an, sondern eine<br />

Vorrichtung, die die Brüste flachdrückte, damit dann andere nicht die<br />

weiblichen Brüste unter dem Nonnengewand sahen. Also hier eine<br />

Abstrahierung des Körpers. Und wer sich so ein bisschen in katholischen<br />

Traditionen auskennt, der weiß, dass in der Moral-Theologie bis in die 50 Jahre<br />

hinein man unterschied am Körper die partes honestae und die partes inhonestae,<br />

also die ehrbaren und die unehrbaren Körperteile. Ehrbar waren Gesicht und<br />

Hände und vielleicht die Füße noch, alles andere war unehrbar, weil offenbar die<br />

Menschen spürten, der Leib <strong>ist</strong> Gegenstand also erotischen Begehrens.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Der Mensch, so die offizielle Ethik, darf sich selbst nicht vollständig <strong>nackt</strong><br />

anschauen und auch nicht andere in ihrer Blöße betrachten. Diese Überzeugung<br />

wurde bis vor kurzem noch als die einzig „anständige“ bezeichnet. Sünde reimte<br />

sich jahrhunderte lang mit Nacktheit und Sexualität, seelische Reifung und<br />

spirituelles Wachstum wurden so verhindert. Hätte man doch richtig die Bibel<br />

gelesen, meint Pater Cornelius Bohl, der Provinzial der Franziskaner in<br />

München:<br />

11. O TON, Cornelius Bohl, 0 39“.<br />

Die Nacktheit <strong>ist</strong> eigentlich der natürliche Zustand, der paradiesische Zustand<br />

des Menschen, der Mensch, der so <strong>ist</strong>, wie er von Gott geschaffen <strong>ist</strong>, der sich<br />

nichts vormacht, der anderen nichts vormacht, der sich nicht verstecken muss,<br />

auch durch Kleider nicht verstecken muss. Weil er sich annehmen kann, auch<br />

von Gott angenommen <strong>ist</strong>. Also Nacktheit <strong>ist</strong> gut und Nacktheit <strong>ist</strong> paradiesisch.<br />

Und durch die Sünde, durch das Sich Verstellen, durch das Mehr sein wollen als<br />

man <strong>ist</strong>, also durch das, was Sünde <strong>ist</strong>, werden dann auch Kleider notwendig.<br />

Also die Kleidung <strong>ist</strong> Folge der Sünde. Und das Nacktsein <strong>ist</strong> eigentlich der<br />

gute, gottgewollte Zustand, der allerdings verloren <strong>ist</strong>.


1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Aber trotz der Vertreibung aus dem Paradies gilt die zentrale Einsicht der Bibel,<br />

dass Gott selbst sah, dass er eine gute Schöpfung gemacht hat. Die Sünde <strong>ist</strong><br />

also nicht total, wie es Moralapostel behaupten. Es gab einmal einen Mann, der<br />

die öffentliche Nacktheit nicht als Schande empfand und schon gar nicht als<br />

Sünde: Franziskus von Assisi. Er folgte nicht den kulturellen Zwängen<br />

angeblicher Schamhaftigkeit. Im Jahre 1181 geboren, stammte er aus einem<br />

wohlhabenden Elternhaus, sein Vater war Kaufmann. Als der Sohn das<br />

Vermögen für den Bau von Kirchen ausgibt, kommt es zum Konflikt , berichtet<br />

Pater Bohl:<br />

12. O TON, Cornelius Bohl, 0 55“.<br />

Franziskus trennt sich von seinem Vater, er gibt ihm alles zurück, selbst die<br />

Kleider, die er hat. Und sagt eben: Bisher habe ich dich meinen Vater genannt,<br />

aber jetzt habe ich nur noch den Vater im Himmel. Er steht <strong>nackt</strong> vor dem Vater<br />

und vor der ganzen Stadt, und das wird zum äußeren Zeichen auch seiner<br />

radikalen Trennung von seinem bisherigen Leben. Sein Vater war ja<br />

Tuchhändler, und Kleidung, Mode, das war das, wo der Vater auch Geld mit<br />

verdient hat, worauf der Besitz der Familie gründete. Also wenn er sich von den<br />

Kleidern trennt, die auch einen Stand ausgedrückt haben, die Reichtum bedeutet<br />

haben, die gesellschaftliche Stellung ausgedrückt haben, dann trennt er sich von<br />

diesem ganzen System, in das er hineingeboren <strong>ist</strong>; ein System, das auf Macht<br />

basiert, auf Geld, all das lässt er los, um etwas ganz Neues zu beginnen.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Unverstellt und ohne Angst <strong>Jesus</strong> folgen, dieses Ideal hat Franziskus mit seinem<br />

Orden manchmal auch im wörtlichen Sinne verstanden und entsprechend gelebt:<br />

13. O TON, Cornelius Bohl. 0 24“<br />

Es gibt einige Stellen in den franziskanischen Quellen, wo Franziskus Brüder<br />

auch ausschickt, <strong>nackt</strong> zu predigen, wobei in dem Fall <strong>nackt</strong> wahrscheinlich<br />

heißt: nicht ganz <strong>nackt</strong>, sondern nur mit Unterhosen bekleidet. Die Leute lachen<br />

dann über sie. Es gibt auch Stellen, wo Franziskus selber <strong>nackt</strong> vor dem Volk<br />

predigt, er wird ausgelacht. Das <strong>ist</strong> der <strong>heilig</strong>e Narr, also der Nackte, der<br />

verrückt <strong>ist</strong> für Chr<strong>ist</strong>us.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

„Nackt dem <strong>nackt</strong>en <strong>Jesus</strong> folgen“, an diesem Grundsatz hält Franziskus auch<br />

noch an seinem Lebensende im Jahr 1226 fest:<br />

14. O TON, Cornelius Bohl,0 19“


Als er merkt, dass er sterben wird, lässt er sich <strong>nackt</strong> auf die <strong>nackt</strong>e Erde legen.<br />

Er will also ganz bloß und arm, wie er geboren <strong>ist</strong>, auch in den Tod gehen. Er<br />

gibt alles von sich, selbst seinen Habit, er liegt <strong>nackt</strong> auf dem Boden, um<br />

geboren zu werden für das ewige Leben.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Franziskus von Assisi lebte zwar arm und bescheiden; aber er war alles andere<br />

als ein schlichtes Gemüt. Er wollte die Menschen durch seinen Lebensstil<br />

verunsichern, bewegen, aufrütteln, betont Pater Cornelius Bohl: :<br />

15. O TON, Cornelius Bohl, 0 25“.<br />

Franziskus war ja kein Denker und kein Theoretiker, sondern ein Mann der<br />

Bilder und des Tuns. Und er war ein Aktionskünstler, ein Performance Künstler<br />

würde ich sagen. Und ich glaube schon, dass er auch Dinge inszeniert.<br />

Also er inszeniert die Trennung vom Vater, er inszeniert seinen Tod.<br />

Diese Inszenierung, die lag ihm und ich glaube, die hat viel transportiert, was<br />

ihm wichtig war.<br />

4. musikal. Zusp., New Dawn, von Niggel Kennedy, 0 10“ fre<strong>ist</strong>ehend<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Bei diesem Interesse an der Performance <strong>ist</strong> Franziskus durchaus eine moderne<br />

Gestalt: Er könnte als Schutzpatron all derer gelten, die heute <strong>nackt</strong> für ihre<br />

politischen oder kulturellen Werte öffentlich eintreten. In Russland oder der<br />

Ukraine entblößen Frauen ihren Oberkörper, um ungeschützt für<br />

Menschenrechte einzutreten. Die halb<strong>nackt</strong>en Frauen etwa, die im Netzwerk<br />

FEMEN zusammengeschlossen sind, wollen keine erotische oder gar<br />

pornographische Show veranstalten. Sie praktizieren Widerstandsformen, die<br />

schon seit vielen Jahren beliebt sind. Die Soziologin Francine Barthe–Deloizy<br />

hat diese öffentlich gezeigte, politische Nacktheit untersucht:<br />

2. SPR.: (Helmut Winkelmann)<br />

Der <strong>nackt</strong>e Körper soll den Protest unterstützen. Diese Überzeugung entstand<br />

nicht etwa in der Nacktkultur, sondern bei den politisch Radikalen des 19.<br />

Jahrhunderts. Etwa die Anarch<strong>ist</strong>en sahen in der Nacktheit einen öffentlichen<br />

Akt der Revolte. Die Körper der Protestierenden sind schön oder auch hässlich,<br />

da spielt Ästhetik keine Rolle. Anders als in der Werbung heute, wo nur den<br />

jungen und schönen sonnengebräunten Körpern eine Chance gegeben wird.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Diese <strong>nackt</strong>en oder halb<strong>nackt</strong>en Models, die allerorten für die neuesten<br />

Konsumgüter werben, haben keine politische Botschaft. Sie werden als Puppen


wahrgenommen, austauschbar schon aufgrund der universell geltenden Maße für<br />

„den“ schönen Körper. Wer für eine authentische, ganzheitliche Nacktheit<br />

eintritt, durchaus von Jesu Nacktheit inspiriert, muss förmlich zum<br />

Kulturkritiker werden, meint Pater Klaus Mertes:<br />

21. (!!) O TON. Pater Mertes, 0 27“.<br />

Man kann eben die eigentliche Nacktheit, um die es geht, verdecken durch einen<br />

Nacktheitskult, der im Grunde genommen ein verdeckter Schönheitskult <strong>ist</strong> und<br />

dann eben seinen Körper tragen wie ein Kleid. Das Model <strong>ist</strong> im Grunde die<br />

<strong>nackt</strong>e Variante des mit Prunkt behangenen Bischofs. Insofern geht es bei dem<br />

Thema letztlich nicht um die Frage nach Prüderie oder Nichtprüderie. Sondern<br />

es geht im Kern um die Frage des Sich Zeigens, so wie ich bin.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Überraschend <strong>ist</strong>, dass sich heute bereits Models dieser Überzeugung<br />

anschließen. Vor allem die etwas älteren Akteure in Werbung und Business<br />

fordern eine neue erotische Kultur, die den <strong>nackt</strong>en Leib nicht rigorosen<br />

Bewertungen unterwirft, meint das Model Carsten Meyer.<br />

16. O TON, Carsten Meyer, 0 34“.<br />

Ich finde zum Beispiel persönlich Schönheit wahnsinnig relativ. Was ich schön<br />

finde, muss ein anderer noch lange nicht schön finden. Ich hab auch den<br />

Geschmack, der auf Persönlichkeit abzielt. Also eine schöne Persönlichkeit <strong>ist</strong><br />

für mich immer interessanter als ein schöner Körper. Also jemand, der<br />

Ausstrahlung hat und strahlt. Da kann Makellosigkeit manchmal sogar ein<br />

Hinderungsgrund sein. Gerade körperliche Makellosigkeit empfinde ich als<br />

unnatürlich. Weil der Charakter wird nicht so makellos sein wie der Körper. Das<br />

geht nicht. Der Partner, mit dem zusammenlebt oder den man gerne gut findet,<br />

sollte immer noch ein Mensch bleiben und nicht ein Wunschbild.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Ob sich der erweiterte, real<strong>ist</strong>ische Schönheitsbegriff durchsetzt, wie ihn<br />

Theologen angesichts der <strong>Jesus</strong>gestalt entwickeln, <strong>ist</strong> fraglich. Chr<strong>ist</strong>liche<br />

Kreise können kaum als Avantgarde auftreten, wenn es darum geht,<br />

unbefangener mit der <strong>nackt</strong>en und nicht immer offiziell schönen Leiblichkeit<br />

umzugehen. Es fehlen nämlich inspirierende Vorbildern, meint der H<strong>ist</strong>oriker<br />

Claude Bologne. Er hat sich mit Demonstrationen <strong>nackt</strong>er Chr<strong>ist</strong>en befasst und<br />

in seinem Buch "Die Geschichte der Scham" einige Beispiele dokumentiert:<br />

2.SPR.: (Helmut Winkelmann)<br />

Die Gläubigen meinten zur Zeit der Religionskriege im 16. Jahrhundert, sie<br />

könnten sich mit ihrem <strong>nackt</strong>en Körper Gott am besten hingeben und Buße tun.


So gab es innerhalb und außerhalb der Kirchengebäude Umzüge von <strong>nackt</strong>en<br />

oder ganz spärlich bekleideten Männern, etwa in Paris, Saint Denis, Sens und<br />

anderen Städten: Völlig <strong>nackt</strong> hatten die Männer große Kreuze auf ihre<br />

Schultern gelegt; sie wollten Sühne le<strong>ist</strong>en für den Irrglauben der Ketzer. Noch<br />

im 18. Jahrhundert, so berichtet der Journal<strong>ist</strong> Louis Sebastien Mercier, seien<br />

Knaben am Fronleichnamstag fast <strong>nackt</strong> durch die Strassen von Paris gezogen.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Solche Experimente werden sich nicht wiederbeleben lassen. Trotzdem stellen<br />

einige Theologen ernsthaft die Frage: In welchen Formen könnte heute in den<br />

Kirchen Erotik, Leiblichkeit und Nacktheit gefeiert werden? Der Psychologe<br />

und Theologe Pater Hermann Kügler hält diese Fragen ganz und gar nicht für<br />

abwegig:<br />

17. O TON, Pater Kügler, 1 14“<br />

Wie gelingt es, uns auch den Leib wieder einbeziehen in kraftvolle Rituale, so<br />

dass wir ernst nehmen, was das Chr<strong>ist</strong>entum behauptet: Wir seien mit Leib und<br />

Seele erlöste Menschen. Man könnte doch sich was überlegen, wie man doch<br />

den Leib, den Körper, als Ort der Gottesoffenbarung feiern und gestalten kann.<br />

Weil ja in der bürgerlichen Gesellschaft <strong>ist</strong> ja die Sexualität heute bei uns<br />

bedroht durch ihre Kommerzialisierung und ihre Gefährdung durch Gewalt. Da<br />

hätten wir vom chr<strong>ist</strong>lichen Menschenbild einiges dagegen zu sagen. Und es<br />

gibt so ganz zaghafte Versuche, wie kann man Pubertätsrituale so feiern, dass<br />

kleine Mädchen, wenn sie ihre erste Menstruation haben oder Jungen bei der<br />

ersten Ejakulation, dass man so was als Fest feiert und nicht als etwas, was<br />

schmutzig, krankhaft, todbringend und unmoralisch <strong>ist</strong>. Oder wie könnten<br />

Hochzeiten so gefeiert werden, dass die Lust und Freude an der Sexualität nicht<br />

abends in Herrenwitzen an der Bar ausgedrückt wird, sondern wirklich gefeiert<br />

und gestaltet wird. Aber wie, das weiß auf kirchlicher Seite noch niemand.<br />

4. musikal. Zusp. Niggel Kennedy, noch einmal 0 06“ fre<strong>ist</strong>ehend.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Einem leibhaftigen Glauben an den Menschgewordenen Gott Gestalt geben: Ein<br />

anspruchsvolles Projekt, das nur mit einer entsprechenden Spiritualität gelingen<br />

wird, meint Pater Klaus Mertes:<br />

18. O TON, Klaus Mertes , 0 47“.<br />

Ich kann dem <strong>nackt</strong>en Gott nicht begegnen, wenn ich selbst bekleidet bleibe.<br />

Eigentlich habe ich immer das Chr<strong>ist</strong>entum so verstanden, dass es ein<br />

Bekenntnis zur eigenen Nacktheit <strong>ist</strong>. Und zur Nacktheit Gottes in mir. Und nur


in dieser Nacktheit begegne ich Gott. Prunk und Pomp und tolle Gewänder und<br />

so sind eben nicht einfach nur eine nette Schwäche, sondern sind ein Symptom.<br />

Und <strong>Jesus</strong> kritisiert ja die Kleidung und die Funktion von Kleidung. Hinter<br />

dieser Fassade wird nämlich das Eigentliche versteckt, worauf es ankommt,<br />

nämlich das Leben, das Lebendige. Letztlich begegne ich dem Lebendigen<br />

immer nur in der Nacktheit.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Gleichzeitig werden auch die Kirchen als Institutionen diesen Weg der<br />

Nacktheit gehen müssen, indem sie – bildlich gesprochen - auf verstaubte,<br />

schwer lastende Gewänder verzichten und so mit einer neuen Leichtigkeit auf<br />

die Menschen zugehen. Von dieser Idee <strong>ist</strong> der Berliner Kulturwissenschaftler<br />

Thomas Macho ganz bege<strong>ist</strong>ert:<br />

19. O TON Thomas Macho, 0 47“.<br />

Der Begriff der <strong>nackt</strong>en Religion – den finde ich ganz wunderbar, ohne<br />

h<strong>ist</strong>orische, ohne theoretische, ohne wortgewaltige Gewänder, sondern ein<br />

Stückweit pur. Und dann sind wir bei etwas angekommen, dass wir alle<br />

Sterbliche sind. Und weil wir Sterbliche sind können wir auch miteinander<br />

Teilen, Hoffnung, Angst, Bedürfnis nach Trost und Sicherheit und Geborgenheit<br />

und Barmherzigkeit. Und diese Gemeinschaft, die anzustreben, das wäre doch<br />

ein mögliches Ziel. Ein human<strong>ist</strong>isches Chr<strong>ist</strong>entum das <strong>ist</strong> ein wunderschöner<br />

Begriff und das heißt: Im Grunde eine solidarische Gemeinschaft der Menschen.<br />

Der Menschen, die guten Willens sind, die bilden so was wie eine communitas.<br />

Die Communitas heißt, wenn man es wörtlich übersetzt, das geteilte Leid. Die<br />

geteilte Last, die Last, die wir gemeinsam teilen.<br />

1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Auch für den Franziskanerpater Cornelius Bohl <strong>ist</strong> die katholische Kirche heute<br />

dabei, sich als einfache, schlichte, durchaus <strong>nackt</strong>e Institution zu zeigen:<br />

20. O TON, Cornelius Bohl, 0 46“.<br />

Kirche <strong>ist</strong> einem Prozess, wo sie kleiner wird, wo sie Privilegien verliert oder<br />

verlieren wird, wo sie ihre äußere Gestalt verändert und verändern wird. Die<br />

ganze Diskussion des jetzigen Papstes und seines Vorgängers, die Frage nach<br />

der Entweltlichung der Kirche oder nach der armen Kirche, das geht für mich in<br />

diese Richtung: Eine Kirche, die das von sich abtut, was sie entfremdet, was sie<br />

verdeckt, womit sie sich verdeckt und versteckt, was sie unkenntlich macht:<br />

Eine <strong>nackt</strong>e und arme Kirche, die wieder näher <strong>ist</strong> beim Evangelium, beim<br />

<strong>nackt</strong>en Chr<strong>ist</strong>us in der Krippe und am Kreuz, also ich würde die ganze<br />

Diskussion um Entweltlichung und die arme Kirche auch in diese Richtung<br />

durchaus deuten.


1. SPR.: (Andrea Wolf)<br />

Der <strong>nackt</strong>e <strong>Jesus</strong> <strong>ist</strong> mehr als eine Idylle oder ein verstörendes Motiv innerhalb<br />

der Kunstgeschichte. Der <strong>nackt</strong>e <strong>Jesus</strong> befreit die Menschen, das eigene Wesen<br />

unverstellt, authentisch und zu zeigen. Und der <strong>nackt</strong>e <strong>Jesus</strong> wird zur<br />

Herausforderung für die Kirche, ihre Menschlichkeit „einfach“ zu leben.<br />

5.musikal. Zusp., Corelli, nach Belieben auch für den Abspann.<br />

...........<br />

Literatur:<br />

Gottfried Bachl, „Der schwierige <strong>Jesus</strong>“. Tyrolia Verlga Innssbruck, 1996,<br />

Francine Barthe-Deloizy,<br />

„Géographie de la nudité: être nu quelque part“<br />

Editions Bréal, 2003.<br />

Francois Jullien, „Vom Wesen des Nackten“,<br />

Sequenzia Verlag, München 2003<br />

Leo Steinberg, „The Sexuality of Chr<strong>ist</strong> in Renaissance Art“ .<br />

The University of Chicago Press, 1996,<br />

André Guindon, L Habillé et le Nu. Pour une éthique de vetir et du dénuder.<br />

Editions du Cerf, Paris 1998.

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