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Skript, 6. Abschnitt

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§ 21 Die Vertragsfreiheit und ihre Grenzen<br />

<strong>6.</strong> <strong>Abschnitt</strong><br />

Eheliches Güterrecht I<br />

Roßmann-Gläser, Die neue Rechtsprechung des BGH zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen – Anlass zur Klage?,<br />

JuS 2005, 425–427; Bredthauer, Der Ehevertrag in dr Praxis, NJW 2004, 3072–3076; Bergschneider, Eheverträge<br />

und Scheidungsvereinbarungen – Wirksamkeit und richterliche Inhaltskontrolle – Überlegungen für die<br />

Praxis, FamRZ 2004, 1757–1765.<br />

a) Wirksamkeitskontrolle<br />

Fall 10 (BVerfGE 103, 89 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 m. Anm. Schwab): Ende<br />

der 70er Jahre erwartet Mathilde, die aus erster Ehe ein 5-jähriges Kind zu betreuen hat, von<br />

Klumpe ein Kind. Klumpe lehnt wegen der damals bevorstehenden Änderung des Scheidungsrechts<br />

eine Heirat ab. Daraufhin läßt Mathilde einen Ehevertrag entwerfen, in dem die<br />

Parteien gegenseitig auf Unterhalt verzichten und Mathilde den Klumpe von allen Unterhaltsansprüchen<br />

des künftigen Kindes freizuhalten hat, soweit diese 150 DM im Monat übersteigen.<br />

Im Juli unterschreiben beide den Vertrag und schließen miteinander die Ehe. Im November<br />

wird Karsten geboren. Er verklagt Klumpe erfolgreich auf Unterhalt. Klumpe klagt<br />

seinerseits nunmehr gegen Mathilde auf Freihaltung von dem über 150 DM hinaus gehenden<br />

Unterhaltsanspruch seines Sohnes. Mit Recht?<br />

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil v. 11. Februar 2004, BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601 m. Anm.<br />

Borth = NJW 2004, 930; dazu Rakete-Dombeck ebd. 1273 ff. und Roßmann-Gläser JuS 2005, 425–427) die<br />

verfassungsrechtlichen Grenzen in konkrete Leitlinien zur Überprüfung von Eheverträgen umgesetzt und dies in<br />

weiteren Entscheidungen bestätigt und verfeinert.<br />

Zum Kernbereich der Scheidungsfolgen rechnet der BGH<br />

- den Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB),<br />

- den Krankheitsunterhalt (§ 1572 BGB) und<br />

- den Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB).<br />

Auf derselben Stufe wie der Altersunterhalt rangiere der<br />

- Versorgungsausgleich. Dagegen sei der<br />

- Zugewinnausgleich ehevertraglicher Disposition weitgehend zugänglich.<br />

Vgl. hierzu neuerdings BGH FamRZ 2005, 1449 m. Anm. Bergschneider (Aufwertung des Altersvorsorgeunterhalts).<br />

Führt die Prüfung zur Sittenwidrigkeit des Vertrages, so ist der gesamte Vertrag nichtig, eine Teilnichtigkeit<br />

kommt nicht in Betracht, BGH 17.5.2006, FamRZ 2006, 1097 m. Anm. Bergschneider.<br />

Fall 11 (BGH FamRZ 1996, 1536 = JZ 1997, 411 m. Anm. Dethloff): Mathilde erwartet von<br />

Klumpe ein Kind. Klumpe macht die Eheschließung davon abhängig, daß in einem Ehevertrag<br />

Gütertrennung vereinbart sowie ein gegenseitiger Verzicht auf Versorgungsausgleich<br />

und nachehelichen Unterhalt vereinbart wird. Er verlangt ferner von Mathilde, während der<br />

Ehe auf eigene Erwerbstätigkeit zu verzichten und sich ganz dem erwarteten Kind zu widmen.<br />

Alles geschieht nach seinem Wunsch. 9 Jahre später stellt Klumpe Scheidungsantrag.<br />

Mathilde beantragt Durchführung des Versorgungsausgleichs; der Verzicht sei sittenwidrig.<br />

Wie ist zu entscheiden? (Vgl. dazu die Anm. von Grziwotz, FamRZ 1997, 585).<br />

Winkler v. Mohrenfels Familienrecht WS 2006/2007


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<strong>6.</strong> <strong>Abschnitt</strong>: Eheliches Güterrecht I<br />

b) Ausübungskontrolle<br />

OLK Karlsruhe NJW 2004, 3431 = FamRZ 2004, 1789 (In Ehevertrag mit Schwangerer wird vereinbart, daß<br />

Unterhalt nur aufgrund des anfänglichen Einkommens nach A3 geschuldet wird. Später verdient der Ehemann<br />

deutlich mehr. Die Frau hat während der Ehe nicht gearbeitet. Keine Sittenwidrigkeit (Wirksamkeitskontrolle<br />

negativ, § 138), aber Ausübungskontrolle (§ 242): Ausgleich der ehebedingten Nachteile.)<br />

OLG Koblenz, FamRZ 2006, 420, m. krit. Anm. Bergschneider (Im Ehevertrag wird Gütertrennung vereinbart<br />

und u.a. wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichtet. Vertragsanpassung gem. § 242 BGB wegen späterer<br />

Erwerbsunfähigkeit wegen psychischer Erkrankung der Frau? Wenn unzumutbare Lastenverteilung, insbesondere<br />

wenn die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrunde<br />

liegenden Lebensplanung abweiche. Parteien sind bei Abschluss des Vertrages von Erwerbstätigkeit bis zum<br />

Erreichen der normalen Altersgrenze ausgegangen. Dies führe über § 242 BGB zu einem [beschränkten] Unterhaltsanspruch<br />

in Höhe des Differenzbetrages zwischen Erwerbsunfähigkeitsrente und dem Mindestbedarf der<br />

Frau)<br />

§ 22 Übergangsrecht, Art. 234 § 4 EGBGB<br />

Otto, Das Ehegüterrecht nach dem Einigungsvertrag – Überleitung und Fortbestand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft,<br />

1994 (Diss. Bonn); Lipp, Die Eigentums- und Vermögensgemeinschaft des FGB und der Einigungsvertrag<br />

– eine vergebene Chance für eine Reform des Güterstandsrechts?, FamRZ 1996, 1117–1124; ders., Zur Überleitung<br />

der ehelichen Eigentums- und Vermögensgemeinschaft in das Recht der Zugewinngemeinschaft, FamRZ 1995,<br />

65–72; Maslaton, Gerechtigkeitslücke beim Zugewinnausgleich von DDR-Ehen, die nach dem Beitritt zur BRD geschieden<br />

wurden?, FamRZ 2000, 204–208.<br />

§ 23 Die Zugewinngemeinschaft<br />

I. Grundsätze<br />

II. Verfügungsbeschränkungen<br />

1. Allgemeines<br />

Grundsätzlich verwaltet jeder Ehegatten sein Vermögen selbständig, § 1364 Hs. 1 BGB.<br />

Ausnahmen: § 1365 ff.<br />

Die Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365, 1369 BGB sind nach hM absolute, also gegenüber<br />

jedermann geltende Verfügungsverbote, deren Rechtsfolgen in § 1366 BGB abweichend<br />

von ' 134 BGB geregelt sind.<br />

2. Verfügung über das Vermögen im Ganzen, § 1365 BGB<br />

Christian Wolf, Übertriebener Verkehrsschutz. Zur subjektiven und objektiven Theorie im Rahmen von § 1365 BGB,<br />

JZ 1997, 1087–1094; Finkenauer, „Vertrackte Vermögensgeschäfte eines Ehegatten“, JA 1994, Übungsblätter für<br />

Studenten S. 112–125; Olzen, Rechtsprobleme des § 1365 BGB, Jura 1988, 13–19.<br />

Nach der Gesamttheorie ist § 1365 BGB nur auf Verträge anwendbar, die das Vermögen en<br />

bloc zum Gegenstand haben. Nach der herrschenden Einzeltheorie sind auch Rechtsgeschäfte<br />

über Einzelstücke zustimmungsbedürftig, wenn sie das ganze oder nahezu das ganze Vermögen<br />

ausmachen. Letzteres ist nach Ansicht des BGH dann gegeben, wenn weniger als 15%<br />

des ursprünglichen Vermögens zurückbleiben (BGHZ 77, 293, 299); bei größeren Vermögen<br />

liegt die Grenze bei 10% (BGH NJW 1991, 1739).<br />

Winkler v. Mohrenfels Familienrecht WS 2006/2007


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<strong>6.</strong> <strong>Abschnitt</strong>: Eheliches Güterrecht I<br />

Die herrschende subjektive Theorie macht die Gleichsetzung von Einzelgegenständen mit<br />

dem Vermögen im ganzen (Einzeltheorie) davon abhängig, dass der Dritte positiv weiß oder<br />

zumindest die Verhältnisse kennt, aus denen sich ergibt, dass durch das Rechtsgeschäft über<br />

den einen Gegenstand im wesentlichen das ganze Vermögen erfasst wird (vgl. etwa BGH<br />

NJW 1993, 2441 = JuS 1993, 1062).<br />

Fall 12: M und F leben in Zugewinngemeinschaft. Eines Tages verkauft M das einzige in<br />

seinem Eigentum stehende Grundstück an D, der mit den Vermögensverhältnissen des M<br />

vertraut ist. Der Kaufpreis beträgt 50.000,-- EUR. Nach Auflassung und Bewilligung wird D<br />

im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Der Wert des sonstigen Vermögens des M beläuft<br />

sich auf 5000,-- EUR. Sein monatliches Einkommen beträgt 5000,-- EUR. Als F von der Veräußerung<br />

erfährt, verweigert sie die Genehmigung. M bittet Sie um Rechtsrat.<br />

Fall 13 (Abw. von Fall 12): F selbst verlangt von D, der das Grundstück inzwischen in Besitz<br />

genommen hat, dessen Herausgabe, da M sich weigert, diesen Anspruch geltend zu machen.<br />

Fall 14 (Abw. von Fall 13): D wendet ein, er mache von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch,<br />

da er den an M gezahlten Kaufpreis noch nicht zurückerhalten habe.<br />

Fall 15 (nach BGH FamRZ 2000, 744): Um ein Darlehen von der B-Bank in Höhe von<br />

200.000,-- EUR zu erhalten, verpfändet M seine gesamten Wertpapiere im Werte von<br />

100.000,-- EUR. Weitere nennenswerte Vermögenswerte besitzt er nicht. Als sich M’s Vermögenslage<br />

verschlechtert, kündigt B das Darlehen und schreibt die in den Wertpapieren<br />

verbrieften Forderungen des M dessen Darlehenskonto gut, wodurch sich der Darlehenssaldo<br />

auf 100.000,-- EUR verringert. F, die von der Verpfändung nichts gewusst hat, verlangt von<br />

B Zahlung von 100.000,-- EUR. Mit Recht?<br />

3. Verfügungen über Haushaltsgegenstände, § 1369 BGB<br />

Schreiber, Verfügungen von Ehegatten über Haushaltsgegenstände, Jura 1989, 553–555.<br />

Im Gegensatz zu § 1365 Abs. 1 BGB erfordert § 1369 Abs. 1 BGB die Zustimmung des Ehegatten<br />

zu dem Verpflichtungs- und zu dem Verfügungsgeschäft (doppelte Zustimmung). Es<br />

handelt sich hierbei wohl um ein Redaktionsversehen: Ist nämlich das Verpflichtungsgeschäft<br />

wirksam zustande gekommen, so muss auch ohne Zustimmung erfüllt werden können, weil<br />

sonst Schadensersatzansprüche entstehen würden (Schlüter, Familienrecht 12 Rn. 118; i.E.<br />

ebenso MünchKomm/Koch 4 § 1369 Rn. 5).<br />

Zu den erfassten Gegenständen des ehelichen Haushalts gehören alle Sachen, die der Hauswirtschaft<br />

und dem ehelichen Zusammenleben dienen. Bsp.: Segelyacht, LG Ravensburg<br />

FamRZ 1995, 1585.<br />

§ 1369 findet analoge Anwendung auf Gegenstände, die im Eigentum eines anderen (z.B. des Ehegatten oder<br />

des Abzahlungsverkäufers) stehen.<br />

Winkler v. Mohrenfels Familienrecht WS 2006/2007


III. Die Surrogation nach § 1370 BGB<br />

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<strong>6.</strong> <strong>Abschnitt</strong>: Eheliches Güterrecht I<br />

Klein, Rechtsverhältnisse an Ehewohnung und Hausrat, Teil 4, FuR 1997, 142–14<strong>6.</strong><br />

Fall 16: Die aus reichem Hause stammende Jurastudentin Sieglinde bewohnt zusammen mit<br />

ihrem Freund Martin in Warnemünde eine Eigentumswohnung, die ihre Eltern ihr zum Studienbeginn<br />

geschenkt haben. Nach erfolgreichem Bestehen des großen BGB-Scheines nimmt<br />

Sieglinde Martins Heiratsantrag an. Als Ehegatten wohnen sie weiter in Sieglindes Wohnung;<br />

den Lebensunterhalt des jungen Paares bestreitet Martin, der ein erfolgreicher Immobilienmakler<br />

ist. Nach einem Jahr findet Martin die Wohnungseinrichtung nicht mehr angemessen.<br />

Er schmeißt sämtliche Möbel und Hausratsgegenstände auf den Sperrmüll und ersetzt sie<br />

durch neue, sehr viel höherwertige Gegenstände. Sieglinde, die sehr an ihren alten Möbeln<br />

hing, ist empört und wirft Martin aus der Wohnung. Der verlangt die gekauften Gegenstände<br />

heraus. Mit Recht?<br />

Abw.: Wie wäre es, wenn die ausgetauschten Möbel Martin gehört hätten?<br />

Winkler v. Mohrenfels Familienrecht WS 2006/2007

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