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Der Willensvollstrecker<br />
in der Erbteilung<br />
Hans Rainer Künzle 1<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Einleitung<br />
A. Erbteilung ohne den Willensvollstrecker<br />
1. Sofortige Teilungsklage durch die Erben<br />
2. Umwandlung der Erbengemeinschaft<br />
3. Vollzug ohne den Willensvollstrecker<br />
4. Vorzeitiger Abschluss der Erbteilung<br />
beim Alleinerben<br />
B. Erbteilung mit dem Willensvollstrecker<br />
1. Teilungsvorschriften<br />
2. Teilung von unklaren Schulden<br />
3. Klagelegitimation<br />
a. Erbschaftsklage<br />
b. Vermächtnisklage<br />
c. Teilungsklage<br />
d. Klage zum Vollzug des Teilungsplans?<br />
C. Probleme in der Erbteilung<br />
1. Mangelhafter Teilungsvertrag<br />
2. Mangelhafter Vollzug<br />
3. Mängel an Erbschaftssachen<br />
D. Schiedsgerichte in der Erbteilung<br />
E. Ergebnisse<br />
Einleitung<br />
a) Mit den nachfolgenden Zeilen möchte ich Peter<br />
Breitschmid dafür danken, dass er mich während<br />
der vergangenen Jahre als nebenamtlichen Dozenten<br />
an der Universität Zürich sehr grosszügig betreut<br />
und gefördert hat. Wir führen unter anderem<br />
seit 9 Jahren ein gemeinsames Seminar zum Erbrecht<br />
durch, welches von seinem Lehrstuhl administrativ<br />
betreut wird. Als gemeinsame Arbeit haben<br />
wir 2002 den «Länderbericht Schweiz» zur DACH-<br />
Tagung über «Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des<br />
Erbrechts» in Luzern publiziert. Mit der Herausgeberschaft<br />
bei der Zeitschrift «successio» und mit dem<br />
«Verein Successio» haben wir die freundschaftliche<br />
Verbindung gewissermassen «institutionalisiert».<br />
b) Im Bereich der Erbteilung warten noch viele<br />
Fragen im Zusammenhang mit dem Willensvollstrecker<br />
auf eine höchstgerichtliche Beurteilung. Nachfolgend<br />
wird keine umfassende Darstellung angestrebt,<br />
sondern es sollen einige noch offene Fragen<br />
näher behandelt werden.<br />
A. Erbteilung ohne den Willensvollstrecker<br />
Wenn ein Willensvollstrecker ernannt wurde, gehört<br />
es zu seinen Aufgaben, die Erbteilung zu vollziehen.<br />
Art. 518 Abs. 2 ZGB formuliert: «… die Teilung nach<br />
den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder<br />
nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen». Von diesem<br />
Grundsatz gibt es allerdings Ausnahmen, auf<br />
welche nachfolgend näher eingegangen wird. 1<br />
1. Sofortige Teilungsklage durch die Erben<br />
a) Die Frage, in welchem Zeitpunkt die Erben –<br />
trotz Vorhandensein eines Willensvollstreckers – die<br />
Teilungsklage einreichen können, ist nicht auf einfache<br />
Weise zu bestimmen, weil sie von den konkreten<br />
Umständen des Einzelfalls abhängt. Es gelten folgende<br />
Regeln:<br />
(1) Die Erben dürfen jederzeit (nach dem Ableben<br />
des Erblassers) eine Teilungsklage starten, wenn der<br />
Willensvollstrecker (ausdrücklich) auf die Ausarbei<br />
1 Prof. Dr., Rechtsanwalt, Titularprofessor für Privatrecht<br />
und Privatrechtsvergleichung an der Universität Zürich<br />
(www.rwi.uzh.ch/lehreforschung/tp/tit- kuenzle.html),<br />
Partner von KENDRIS AG, Wengi strasse 1, 8026 Zürich 4<br />
(www.kendris.com).<br />
successio 4/13<br />
309
Der Willensvollstrecker in der Erbteilung<br />
tung eines Teilungsplans verzichtet, etwa weil er eine<br />
Einigung der Erben für aussichtslos hält. 2 Eine solche<br />
Einschätzung dürfte eher selten zu Beginn der<br />
Tätigkeit des Willensvollstreckers erfolgen. In vielen<br />
Fällen setzt der Erblasser gerade deshalb einen<br />
Willensvollstrecker ein, weil er nach seinem Ableben<br />
ein gewisses Konfliktpotential unter den Erben<br />
vermutet. Es ist nicht ungewöhnlich, dass unter den<br />
Erben oder zwischen ihnen und dem Willensvollstrecker<br />
unterschiedliche Ansichten und Meinungen<br />
herrschen; dies ist jedenfalls kein Grund, vorschnell<br />
aufzugeben. In solchen Fällen ist es gerade<br />
die Aufgabe des Willensvollstreckers, zwischen den<br />
Parteien zu vermitteln 3 und eine Einigung unter den<br />
Erben zustande zu bringen.<br />
(2) Wenn der Willensvollstrecker an einem Teilungsplan<br />
arbeitet oder dies zu tun gedenkt, gibt es<br />
keinen Raum für die Teilungsklage eines Erben,<br />
«denn sonst könnte man den Willensvollstrecker<br />
von Anfang an ausschalten». 4 Es fragt sich, wie viel<br />
Zeit man dem Willensvollstrecker einräumen muss,<br />
um an einem Teilungsplan arbeiten zu können. Ich<br />
schlage vor, mit Vermutungen zu arbeiten, welche<br />
im konkreten Fall den Beweis des Gegenteils zulassen:<br />
(a) Wenn ein Willensvollstrecker innert eines<br />
Jahres nach dem Tod keinen (partiellen oder vollständigen)<br />
Teilungsplan vorlegt, darf man vermuten,<br />
dass die Erben nun die Teilungsklage erheben<br />
können. 5 (b) Wenn ein Erbe vor Ablauf der Jahres-<br />
2 Diesen Fall hebt Peter Breitschmid, Die Stellung des<br />
Willensvollstreckers in der Erbteilung, in: Praktische<br />
Probleme der Erbteilung hrsg. v. Jean Nicolas Druey und<br />
Peter Breitschmid, St. Gallen 1997, S. 148 f., hervor.<br />
3 Vgl. Fritz Sturm, Verkommt der Testamentsvollstrecker<br />
in der Schweiz zu einem zahnlosen Mediator?, in: Festschr.<br />
Eugen Bucher, hrsg. v. Wolfgang Wiegand, Thomas<br />
Koller und Hans Peter Walter, Bern 2009, S. 745 f., betont,<br />
dass der Willensvollstrecker seine Vermittlerrolle<br />
nicht spielen könne, wenn die Gerichte zu schnell davon<br />
ausgehen, dass keine Aussicht auf eine gütliche Einigung<br />
unter den Erben bestehe.<br />
4 Hans Rainer Künzle, Berner Kommentar zu Art. 517–<br />
518 ZGB, Bern 2011, Art. 517–518 ZGB N 305 (zit.<br />
BK-Künzle) mit Verweis auf ZGGVP 1981– 82, 82 E. 2<br />
(Die Klage auf Feststellung und Teilung des Nachlasses<br />
ist «zur Zeit abzuweisen») und SJZ 92 (1996) 242 Nr. 3;<br />
ebenso neuerdings Fiorenzo Cotti, Kommentar zu<br />
Art. 517–518 ZGB, in: Commentaire du droit des successions,<br />
hrsg. v. Antoine Eigenmann und Nicolas Rouiller,<br />
Bern 2012 (zit. CS-Cotti), Art. 518 ZGB N 128: «Une action<br />
en partage n’est pas admissible (art. 604 CC) avant<br />
que l’exécuteur n’ait achevé l’élaboration d’un plan de<br />
partage et qu’il l’ait soumis aux héritiers pour approbation<br />
écrite».<br />
5 Anders Paul Piotet, Schweizerisches Privatrecht,<br />
Band IV: Erbrecht, 2. Halbband, Basel/Stuttgart 1981,<br />
frist eine Herabsetzungsklage (Art. 533 ZGB) oder<br />
Ungültigkeitsklage (Art. 521 ZGB) anheben muss,<br />
darf man vermuten, dass er gleichzeitig auch die Teilungsklage<br />
(Art. 598 ff. ZGB) einreichen kann. (c)<br />
Wenn der Willensvollstrecker Teilungspläne vorlegt,<br />
wird nach Ablauf der üblicherweise zu erwartenden<br />
Teilungszeit (je nach Grösse des Nachlasses in der<br />
Regel von 1–3 Jahren) vermutet, dass den Erben<br />
nun die Teilungsklage offen steht. 6 (d) Wenn sich die<br />
Erben nur in einer Teilfrage (etwa einer Bewertung<br />
oder Rechtsfrage) nicht einigen können, wird vermutet,<br />
dass das Gericht bereits während der Zeit<br />
angerufen werden kann, in welcher der Willensvollstrecker<br />
noch an einem Teilungsplan arbeitet. 7<br />
b) Weiter ist zu klären, welches die (verbleibende)<br />
Aufgabe des Willensvollstreckers ist, wenn die Teilungsklage<br />
der Erben zugelassen wird. Der Willensvollstrecker<br />
wird in einem solchen Fall von seiner<br />
Aufgabe befreit, die Erbteilung vorzubereiten, seine<br />
übrigen Aufgaben behält er jedoch: Je nachdem, in<br />
welchen Stadium die Klage eingereicht wird, hat er<br />
den Nachlass (auch noch) zu sammeln oder (bloss)<br />
zu verwalten. Die Verwaltung des Nachlasses erfolgt<br />
ohne Einschränkung, soweit der Teilungsrichter<br />
nicht mit vorsorglichen Massnahmen eingreift.<br />
c) Sobald die Erbteilung feststeht, sei es (mit oder<br />
ohne Vermittlung des Gerichts) eine Einigung der<br />
Erben (Art. 634 ZGB) oder ein rechtskräftiges Urteil,<br />
kommt als Aufgabe für den Willensvollstrecker<br />
hinzu, die Erbteilung zu vollziehen (Art. 518 Abs. 2<br />
ZGB). 8<br />
2. Umwandlung der Erbengemeinschaft<br />
a) Alle oder einzelne Erben können (formlos) vereinbaren,<br />
dass sie den ganzen Nachlass bzw. Teile<br />
davon zeitlich begrenzt oder unbegrenzt 9 nicht (unter<br />
sich) aufteilen wollen. 10 Dann handelt es sich<br />
grundsätzlich um eine fortgesetzte Erbengemein<br />
§ 107 I: Die Erben können allenfalls eine Aufsichtsbeschwerde<br />
wegen Verzögerung führen.<br />
6 Vgl. BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517–518 ZGB N 305.<br />
7 Vgl. RBOG 1998 Nr. 2 S. 76: Feststellung des Anrechnungswerts<br />
einer Liegenschaft, welche durch eine Teilungsregel<br />
einem Erben zugewiesen wurde.<br />
8 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517–518 ZGB N 342 ff.<br />
9 Vgl. Thomas Weibel, Kommentierung zu Art. 602 – 618<br />
ZGB, in: Praxiskommentar Erbrecht, hrsg. v. Daniel Abt<br />
und Thomas Weibel, 2. A., Basel 2011 (zit. PraxKomm-<br />
Weibel), Art. 602 ZGB N 49.<br />
10 Vgl. Peter C. Schaufelberger / Katrin Keller, Kommentar<br />
zu Art. 602 – 619 ZGB, in: Basler Kommentar Zivilgesetzbuch<br />
II, 4. A., Basel 2011 (zit. BSK-Schaufelberger/Keller),<br />
Art. 602 ZGB N 36; ebenso für das<br />
310<br />
successio 4/13
schaft bezüglich des ganzen Nachlasses bzw. eines<br />
bestimmten Nachlassguts (z.B. einer Liegenschaft) 11<br />
und diese untersteht grundsätzlich 12 den Regeln<br />
über die Erbengemeinschaft (Art. 602 ZGB) 13 und<br />
kann auch längerfristig bestehen bleiben. 14 Ob die<br />
Willensvollstreckung in diesem Falle fortbesteht<br />
oder erledigt ist, wird in der Lehre und Rechtsprechung<br />
nicht explizit behandelt. Wenn der Erblasser<br />
im Testament keine besondere Anordnung getroffen<br />
hat (mit anderen Worten: wenn er keine<br />
Dauer-Willensvollstreckung angeordnet hat), dürfen<br />
die Erben davon ausgehen, dass es sich um eine<br />
Abwicklungs-Willensvollstreckung 15 handelt, welche<br />
ihr Ende findet, sobald die Erben sich über die<br />
künftige Eigentümerschaft geeinigt haben, und sei<br />
es auch nur, dass die Erbengemeinschaft fortgesetzt<br />
wird. Es steht den Erben frei, den Willensvollstrecker<br />
zu beauftragen, ein Nachlassgut trotz dieser<br />
Vereinbarung auf Dauer weiter zu verwalten. Dann<br />
handelt es sich aber nicht mehr um eine Willensvollstreckung,<br />
sondern um einen einfachen Auftrag<br />
(Art. 394 ff. OR). Viel häufiger wird es allerdings<br />
vorkommen, dass eine Willensvollstreckung nicht<br />
mehr notwendig ist, weil die Erben die Ver waltung<br />
selbst übernehmen möchten. In diesem Fall hat der<br />
Willensvollstrecker seine Tätigkeit ohne Weiteres 16<br />
zu beenden. Die Willensvollstreckung hört auf, weil<br />
die Aufgabe erledigt ist, weil die Tätigkeit des Wil-<br />
lensvollstreckers gegenstandslos geworden ist. 17 Für<br />
die Beendigung braucht es keine Erklärung des Willensvollstreckers<br />
oder der Erben, sondern sie ergibt<br />
sich aus «der Natur der Sache», nämlich der Fortsetzungsvereinbarung.<br />
Zu beachten ist, dass sich<br />
das Ende der Willensvollstreckung auf einen einzelnen<br />
Nachlassgegenstand beziehen kann. Diese<br />
Rechtslage ist vergleichbar mit derjenigen bei Nutzniessungen<br />
und Lizenzen, welche der Willensvollstrecker<br />
ebenfalls nicht während 50 oder 70 Jahren<br />
verwalten darf, sondern den Erben zur eigenen Verwaltung<br />
aushändigen muss. 18 Das Argument, die Erben<br />
hätten es in der Hand, die Erbengemeinschaft<br />
zu beenden und das gemeinschaftliche Halten eines<br />
Nachlassgegenstands in anderer Form fortzusetzen<br />
(vgl. nachfolgend c) und damit der Tätigkeit<br />
des Willensvollstreckers ein klares Ende zu setzen,<br />
trifft insoweit nicht zu, als die Steuergesetzgebung<br />
die Erben an der Auflösung der Erbengemeinschaft<br />
mit Bezug auf Liegenschaften hindert, denn<br />
die Erbengemeinschaft wird (insbesondere in der<br />
Grundstückgewinnsteuer) 19 privilegiert behandelt.<br />
Das Ergebnis, dass die (Abwicklungs-) Willensvollstreckung<br />
endet, wenn die Erben die Fortsetzung<br />
BGB Beate Seemüller, Die fortgesetzte Erbengemeinschaft,<br />
Diss. Hamburg 1976, S. 5 ff. und 18 ff.<br />
11 Anders Stephan Wolf, Grundfragen der Auflösung der<br />
Erbengemeinschaft, Habil. Bern 2004, S. 212 Fn. 1231,<br />
welcher bestreitet, dass es die Figur der fortgesetzten Erbengemeinschaft<br />
gebe.<br />
12 Die Regeln der Erbengemeinschaft werden ergänzt<br />
durch gesellschaftsrechtliche Bestimmungen, zumal etwa<br />
der Zweck geändert hat von Liquidation zum dauernden<br />
gemeinschaftlichen Halten, vgl. etwa für das BGB Seemüller<br />
(Fn. 10), S. 51 f.<br />
13 Vgl. BGE 96 II 325, S. 336; Seemüller (Fn. 10), S. 20<br />
und (für das BGB) S. 36; anders Wolf (Fn. 11), S. 212<br />
Fn. 1231: «eine ihren eigenen Regeln gehorchende andere<br />
Rechtsgemeinschaft – subsidiär … eine formlos entstehende<br />
einfache Gesellschaft».<br />
14 Vgl. BGE 61 II 164 E. 1 S. 167 f.: «Vereinbarung der<br />
Miterben auf Fortsetzung der einfachen Erbengemeinschaft».<br />
15 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 4), Vorbem. zu Art. 517–518<br />
ZGB N 2.<br />
16 Ebenso OLG Nürnberg 12 U 2235/09 vom 21. April 2010,<br />
ZEV 18 (2011) 35 = WM 64 (2010) 1286: «ohne dass es<br />
weiterer Maßnahmen, insbesondere einer Aufhebung<br />
der Testamentsvollstreckung oder einer Entlassung des<br />
Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht bedarf».<br />
17 Vgl. Martin Karrer / Peter Nedim Vogt / Daniel Leu,<br />
Kommentar zu Art. 517 f., in: Kommentar zum Schweizerischen<br />
Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch II<br />
(Art. 457 – 977, Art. 1– 61SchlT), hrsg. v. Heinrich Honsell,<br />
Peter Nedim Vogt und Thomas Geiser, 4. A, Basel/Genf/<br />
München 2011 (zit. BSK-Karrer / Vogt / Leu), Art. 517<br />
ZGB N 24; BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517–518 ZGB N 381.<br />
18 Vgl. den illusteren Fall der Lizenzverträge von Herbert<br />
von Karajan in GR-KGE PZ 03 144 vom 19. Januar<br />
2004; BK-Künzle (Fn. 4), Art. 5178 – 518 ZGB N 381<br />
und N 294: «Ein Teilungsplan ist auch dann auszuarbeiten,<br />
wenn dem überlebenden Ehegatten die Nutzniessung<br />
am ganzen Nachlass zusteht …».<br />
19 Die Grundstückgewinnsteuer wird bei der Auflösung<br />
einer fortgesetzten Erbengemeinschaft aufgeschoben,<br />
bei der Auflösung einer von den Erben gebildeten anderen<br />
Gemeinschaft dagegen nicht, vgl. etwa VGer. ZH<br />
SB.2007.00123 vom 14.05.2008: «Gemäss § 216 Abs. 3<br />
lit. a StG wird die Grundstückgewinnsteuer u.a. aufgeschoben<br />
bei Eigentumswechsel infolge Erbgang. Hat<br />
sich die Erbengemeinschaft als eigentliche Liquidationsgemeinschaft<br />
ausdrücklich oder stillschweigend in eine<br />
neue (i.d.R. einfache) Gesellschaft umgewandelt, unterliegen<br />
weitere Handänderungen der Grundstückgewinnsteuer».<br />
successio 4/13 311
Der Willensvollstrecker in der Erbteilung<br />
der Erbgengemeinschaft vereinbaren, stimmt weitgehend<br />
20 auch mit dem deutschen Recht überein. 21<br />
b) In der Rechtsprechung gibt es folgende Fälle<br />
von fortgeführten Erbengemeinschaften: (1) Im Urteil<br />
des Obergerichts Zürich vom 06.10.1995 22 wurde<br />
die Fortführung der Erbengemeinschaft im Zusammenhang<br />
mit einer Statue auf dem Grab des Erblassers<br />
vermutet, weil im konkreten Fall kein anderes<br />
Gemeinschaftsverhältnis nachgewiesen werden<br />
konnte. Der Jubilar hat in einer Entscheidbesprechung<br />
zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei<br />
einem Grabstein (auch wenn er inzwischen einen<br />
Wert von einer halben Million Schweizerfranken<br />
hat) um einen besonderen Gegenstand handelt, bei<br />
dem die Unteilbarkeit (Art. 604 und Art. 613 Abs. 1<br />
ZGB) und eine Widmung zu beachten seien, welche<br />
eine jederzeitige Teilung des Erbes verhindern. 23<br />
Dieser Fall erweist sich von der zeitlichen Dauer<br />
her noch als geeignet, einen Dauer-Willensvollstrecker<br />
24 einzusetzen, von der verbleibenden Aufgabe<br />
her dagegen nicht. (2) 1960 kam das Bundesgericht<br />
in BGE 86 II 451 E. 4 und 5 trotz eines anders lautenden<br />
Satzes im Liquidationsbericht des Willensvollstreckers<br />
von 1945 («Damit ist die Erbteilung<br />
abgeschlossen») zum Schluss, dass die Erbengemeinschaft<br />
fortbestehe, weil die Erben im Grundbuch<br />
immer noch als Gesamteigentümer eingetragen<br />
waren. Dies hatte zur Folge, dass die Erben<br />
die Teilung jederzeit verlangen konnten. Die Auf-<br />
20 Vgl. Jürgen Damrau, Kommentar zu §§ 2197–2228<br />
BGB, in: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch,<br />
Band 22: Erbrecht 2: §§ 2064 – 2273 und §§ 1–35 BeurkG,<br />
hrsg. v. Hs. Th. Soergel, W. Siebert u.a., 13. A., Stutt gart<br />
2003 (zit. Soergel-Damrau), § 2204 BGB N 5: Der Testamentsvollstrecker<br />
muss sich bei Vorliegen eines wichtigen<br />
Grundes nicht an die Vereinbarung der Erben<br />
halten; ebenso Wolfgang Reimann, Kommentar zu<br />
§§ 2197–2228 BGB, in: J. von Staudingers Kommentar<br />
zum Bürgerlichen Gesetzbuch und Nebengesetzen, Band<br />
V: Erbrecht §§ 2197–2264 (Testament 2), 14. A., Berlin<br />
2003 (zit. Staudinger-Reimann), § 2204 BGB N 6.<br />
21 Vgl. OLG Nürnberg 12 U 2235/09 vom 21. April 2010,<br />
ZEV 18 (2011) 35 = WM 64 (2010) 1286: «Miterben können<br />
durch Vereinbarung untereinander die Auseinandersetzung<br />
des Nachlasses auf Dauer ausschließen … Ist<br />
Testamentsvollstreckung lediglich als Abwicklungsvollstreckung<br />
gemäß §§ 2203, 2204 BGB … angeordnet, so<br />
führt eine derartige Vereinbarung der Miterben ipso jure<br />
zur Beendigung der Testamentsvollstreckung …»; Seemüller<br />
(Fn. 10), S. 13: «Schliessen die Miterben daher<br />
übereinstimmend die Auseinandersetzung aus, so binden<br />
sie damit auch … Testamentsvollstrecker».<br />
22 Vgl. AJP 5 (1996) 1283 E. 5 und 6.<br />
23 Vgl. Peter Breitschmid, Bemerkungen zu OGer. ZH<br />
vom 06.10.1995, AJP 5 (1996) 1286 f.<br />
24 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517–518 ZGB N 51 ff.<br />
gabe des Willensvollstreckers dagegen war längst<br />
beendet.<br />
c) Je nach Vereinbarung bzw. Umständen kann<br />
aber auch eine vollständige Teilung vorliegen und<br />
die Erbengemeinschaft beendet sein; dann wird das<br />
Nachlassgut von den Erben auf andere Art gemeinschaftlich<br />
gehalten, etwa in Form einer einfachen<br />
Gesellschaft (Art. 530 ff. OR), als Miteigentum<br />
(Art. 646 ff. ZGB), über eine Kollektivgesellschaft<br />
(Art. 552 ff. OR) oder in weiteren Formen. 25 Wenn<br />
die Erben keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen<br />
haben, bestehen je nach Art und Grösse<br />
des gemeinschaftlich gehaltenen Gutes Vermutungen,<br />
ob die Erbengemeinschaft noch bestehe<br />
oder aufgelöst worden sei: «Im allgemeinen spricht<br />
die Vermutung gegen die totale Teilung, solange<br />
noch einigermassen nennenswerte Erbschaftsgegenstände<br />
ungeteilt geblieben sind. Sind jedoch nur<br />
noch ungeteilte Gegenstände ‹mit vorwiegend idealem<br />
Wert› vorhanden (Familienschriften etc.), so<br />
spricht dies für die Annahme von Miteigentum oder<br />
die Begründung einer einfachen Gesellschaft». 26<br />
Diese Rechtsgemeinschaften sind auf Dauer angelegt<br />
und verfolgen nicht wie die Erbengemeinschaft<br />
den Zweck der Liquidation, sondern andere Zwecke,<br />
wie etwa das dauernde Halten einer Liegenschaft.<br />
Sobald die Erbteilung umfassend durchgeführt<br />
wurde und Nachlassgut in einer anderen Form<br />
als in einer (fortgesetzten) Erbengemeinschaft gehalten<br />
wird, verliert der Willensvollstrecker sein Tätigkeitsfeld,<br />
sein Mandat wird gegenstandlos. 27<br />
d) Eine Umwandlung der Erbengemeinschaft in<br />
eine einfache Gesellschaft lag in den folgenden Fällen<br />
der Rechtsprechung vor: (1) 1970 hat das Bundesgericht<br />
in BGE 96 II 325 E. 6c und 6d festgehalten,<br />
dass eine einfache Gesellschaft vorliege, wenn<br />
zwei Erben ausbezahlt werden und zwei weitere Erben<br />
eine landwirtschaftliche Liegenschaft gemein-<br />
25 Weitere Gemeinschaftsformen sind die Gemeinderschaft<br />
(Art. 336 ff. ZGB), die Aktiengesellschaft (Art. 620 ff.<br />
OR) oder die GmbH (Art. 772 ff. OR), vgl. BSK-Schaufelberger/Keller<br />
(Fn. 10), Art. 602 ZGB N 36.<br />
26 Vgl. OGer. ZH vom 06.10.1995, AJP 5 (1996) 1283 E. 3;<br />
weiter vgl. Albert Comboeuf, Kommentar zu Art. 552–<br />
556 OR, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht,<br />
hrsg. v. Vito Roberto und Hans Rudolf Trüb, 2. A., Zürich<br />
2012, Art. 552 – 556 OR N 19: «Führen Erben den<br />
kfm Erblasserbetrieb nur im Hinblick auf die Teilung<br />
fort, liegt noch eine fortgeführte Erbengemeinschaft vor.<br />
Betreiben sie ihn aber gemeinsam, aktiv, dauerhaft und<br />
unter gemeinsamen Aussenauftritt weiter, liegt hingegen<br />
eine konkludente Aufgabe des Teilungswillens und somit<br />
eine KollG vor».<br />
27 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 381.<br />
312 successio 4/13
sam bewirtschaften, denn man dürfe davon ausgehen,<br />
dass die Erbteilung abgeschlossen wurde<br />
und die beiden Erben unter sich ein Gesellschaftsverhältnis<br />
begründet hätten. Ein Willensvollstrecker<br />
hätte in diesem Fall keine Aufgabe mehr. (2)<br />
In BJM 1973, 55, wurde der Antrag zur Bestellung<br />
eines Erbenvertreters abgelehnt mit der Begründung,<br />
es liege eine einfache Gesellschaft zwischen<br />
den Erben vor und diese unterstehe somit nicht den<br />
Regeln der Erbengemeinschaft. 28 In der einfachen<br />
Gesellschaft steht die Geschäftsführung den Gesellschaftern<br />
(Art. 535 OR) und nicht dem Willensvollstrecker<br />
zu. Die Gesellschafter fassen die notwendigen<br />
Beschlüsse einstimmig oder mit Mehrheit<br />
(Art. 534 OR). 29<br />
3. Vollzug ohne den Willensvollstrecker<br />
a) Der Vollzug ohne den Willensvollstrecker kann<br />
in der Form einer Realteilung erfolgen. Diese Form<br />
des Vollzugs ist bei der Verteilung von Andenkensstücken<br />
und beim Mobiliar durchaus üblich. 30<br />
b) Ob der Vollzug einer Erbteilung (gerichtliches<br />
Urteil oder schriftlicher Erbteilungsvertrag) durch<br />
die Erben allein – d.h. ohne Mitwirkung des Willensvollstreckers<br />
– gültig ist, wurde von der Rechtsprechung<br />
noch nicht entschieden. 31 Meist wird<br />
eine Mitwirkung notwendig, weil das Grundbuchamt<br />
bzw. die Bank darauf besteht, dass der Willensvollstrecker<br />
den Transfer des Eigentums (vom<br />
Gesamteigentum ins Alleineigentum) mit unterzeichnet.<br />
Wenn der Vollzug aber tatsächlich ohne<br />
Mitwirkung des Willensvollstreckers erfolgt ist,<br />
habe ich die Ansicht vertreten, dass dieser Vollzug<br />
dennoch uneingeschränkt gültig sei. 32 Begründen<br />
kann man dieses Ergebnis wie folgt: Mit der Übertragung<br />
des Besitzes und Eigentums auf einen einzelnen<br />
Erben verliert der Willensvollstrecker seinen<br />
Besitz 33 und seine (exklusive) Verfügungsbefugnis, 34<br />
deren Wiederherstellung sich in diesem Fall nicht<br />
rechtfertigt. Das Ergebnis ist insofern nicht selbst-<br />
28 Mit Verweis auf Dieter E. Moor, Die fortgesetzte Erbengemeinschaft,<br />
Diss. Basel 1971, S. 40, nach welchem<br />
jede fortgesetzte Erbengemeinschaft eine einfache Gesellschaft<br />
ist.<br />
29 Vgl. Lukas Handschin, Kommentar zu Art. 530 – 542<br />
OR, in: Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. A.,<br />
Basel 2012, Art. 534 OR N 4.<br />
30 Vgl. BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 374.<br />
31 Offen gelassen in ZR 90 (1991) Nr. 66 E. 7d S. 223.<br />
32 Vgl. BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 375.<br />
33 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 79 ff.<br />
34 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB<br />
N 198 ff.<br />
verständlich, als im deutschen Recht ein Vollzug der<br />
Erbteilung ohne den Testamentsvollstrecker grundsätzlich<br />
ausgeschlossen 35 bzw. nur dann möglich ist,<br />
wenn es sich um eine Sonderrechtsnachfolge handelt,<br />
welche ausserhalb der Testamentsvollstreckung<br />
abläuft. 36 Dort gibt es allerdings auch ein gesetzlich<br />
geregeltes Verwaltungsrecht (Art. 2205 BGB), welches<br />
der Testamentsvollstrecker nur im Rahmen<br />
von § 2217 BGB (Überlassung von Nachlassgegenständen)<br />
wieder aufgeben kann.<br />
4. Vorzeitiger Abschluss der Erbteilung<br />
beim Alleinerben<br />
Die Erben sind (ohne den Willensvollstrecker) berechtigt,<br />
den Erbgang mit Hilfe der Erbbescheinigung<br />
(Art. 559 ZGB) im Grundbuch einzutragen.<br />
37 Daneben kann auch der Willensvollstrecker<br />
(alleine) den Erbgang mit Hilfe der Erbbescheinigung<br />
ins Grundbuch eintragen lassen. 38 Zwar kann<br />
der Willensvollstrecker nach der neuen Grundbuchverordnung<br />
auch selbständig Vermächtnisse<br />
anmelden, 39 wenn es sich um einen Alleinerben handelt,<br />
ist aber mit der Eintragung des Alleinerben die<br />
Erbteilung bereits abgeschlossen und der Willensvollstrecker<br />
gar nicht mehr verfügungsberechtigt.<br />
Dies führt dazu, dass der Vermächtnisnehmer seinen<br />
Anspruch in diesem Fall gegenüber dem oder<br />
den belasteten Erben geltend machen muss. 40<br />
35 Vgl. etwa BGH V ZB 176/08 vom 14.05.2009 BGHZ 181,<br />
127 = ZErb 11 (2009) 221: Ausschluss der Versteigerung,<br />
weil der Testamentsvollstrecker dadurch ausgeschaltet<br />
wäre; Brandenburgisches OLG 3 U 131/10 vom 30. März<br />
2011, Juris: «die ohne Mitwirkung des Testamentsvollstreckers<br />
erklärte Auflassung ist insoweit gegenüber jedermann<br />
unwirksam»; OLG Frankfurt 4 U 173/91 vom<br />
18. Januar 1993, WM 47 (1993) 803 (die Erben können<br />
die Herausgabe von Wertschriften aus einem Depot<br />
ohne Mitwirkung des Testamentsvollstreckers nicht verlangen).<br />
36 Vgl. OLG Hamm I-15 W 636/10, 15 W 636/10 vom 7. Dezember<br />
2010, ZEV 18 (2011) 200: «Da sich der Übergang<br />
des Kommanditanteils auf die Erben im Wege der Sonderrechtsnachfolge<br />
ohne Mitwirkung des Testamentsvollstreckers<br />
vollzieht, ist für eine Verwaltung des Kommanditanteils<br />
durch den Testamentsvollstrecker kein<br />
Raum …»; ebenso OLG München 31 Wx 115/08 vom<br />
7. Juli 2009, ZEV 16 (2009) 475.<br />
37 Vgl. Art. 65 Abs. 1 GBV.<br />
38 Vgl. BSK-Karrer / Vogt / Leu (Fn. 17), Art. 518 ZGB<br />
N 25.<br />
39 Vgl. Art. 50 Abs. 1 lit. b GBV.<br />
40 Nach Abschluss der Erbteilung kann das Vermächtnis<br />
nur noch gegenüber den belasteten Erben geltend gemacht<br />
werden, vgl. dazu hinten, B. 3. b. b).<br />
successio 4/13 313
Der Willensvollstrecker in der Erbteilung<br />
B. Erbteilung mit dem Willensvollstrecker<br />
a) In der Praxis kommt es gelegentlich vor, dass<br />
die Erben, welche eine Fortsetzung der Erbengemeinschaft<br />
vereinbart haben, 41 Jahre später auf diesen<br />
Beschluss zurückkommen und die Teilung dennoch<br />
durchführen, ohne dass ein neuer Nachlass<br />
hinzugekommen wäre. Hier stellt sich die Frage, ob<br />
die Willensvollstreckung wieder auflebe oder nicht.<br />
Ähnlich wie man beim Auftauchen von neuem<br />
Nachlassgut (Aktiven oder Passiven) die Willensvollstreckung<br />
wieder aufleben lässt, 42 kann der Willensvollstrecker<br />
auch bei einer Beendigung der fortgesetzten<br />
Erbengemeinschaft seine Aufgabe wieder<br />
aufnehmen. Hierher gehört auch der Fall, in welchem<br />
der Willensvollstrecker seine Tätigkeit entweder<br />
nicht wirklich aufnimmt oder wieder einstellt<br />
(etwa weil die Erben keine Interesse an einer Teilung<br />
zeigen, also stillschweigend die Erbengemeinschaft<br />
fortsetzen) und erst Jahre später, etwa wenn<br />
die Erben die Teilung ohne ihn vollziehen wollen,<br />
wieder auf den Plan tritt und weitermachen möchte.<br />
Es gibt keine Verjährung oder Verwirkung, welche<br />
ein solches Aufleben seiner Tätigkeit verhindern<br />
würde.<br />
b) Anders liegt der Fall, wenn die Erben die Fortsetzung<br />
der Erbengemeinschaft beim Tod des ersten<br />
Elternteils vereinbaren und nach dem Ableben<br />
des zweiten Elternteils zur Erbteilung schreiten. In<br />
diesem Fall lebt die Willensvollstreckung des ersten<br />
Elternteils nicht mehr auf, weil dieser Nachlass<br />
gar nicht geteilt wird, sondern (nur) derjenige<br />
des zweiten Elternteils. Der Willensvollstrecker des<br />
zweitverstorbenen Elternteils ist allein berechtigt,<br />
sein Amt auszuüben. Daran ändert sich auch nichts,<br />
wenn die Erben des ersten und zweiten Elternteils<br />
nicht identisch sind.<br />
vues par le de cujus.» 43 Das ist zwar auch ähnlich im<br />
Basler Kommentar zu lesen, 44 allerdings mit dem<br />
deutlichen Hinweis, dass die alten Kommentatoren<br />
den Teilungsregeln beim Vorhandensein eines Willensvollstreckers<br />
noch mehr Gewicht gaben, während<br />
die neuere Lehre den Erben freie Hand bei<br />
der Erbteilung gibt und damit dem Erblasser verwehrt,<br />
gegen den (gemeinsamen) Willen der Erben<br />
Teilungsregeln mit Hilfe eines Willensvollstreckers<br />
durchzusetzen. Oder anders ausgedrückt: Das Vorhandensein<br />
eines Willensvollstreckers hindert die<br />
Erben nicht daran, Teilungsregeln einvernehmlich<br />
zu beseitigen.<br />
b) Wenn der Erblasser den Willensvollstrecker anweist,<br />
den Nachlass zu liquidieren für den Fall, dass<br />
sich die Erben mehrfach nicht einigen können, kann<br />
die Umsetzung dieser Weisung am (übereinstimmenden)<br />
Willen der Erben scheitern, nichts verkaufen<br />
zu wollen. 45<br />
2. Teilung von unklaren Schulden<br />
a) Der Willensvollstrecker erfasst die ihm bekannten<br />
Aktiven und Passiven in seinem Inventar und<br />
er muss diese aus seiner Sicht bewerten. 46 Dazu gehören<br />
auch laufende Prozesse 47 und hängige Steuern.<br />
48 Potentielle Passiven, etwa mögliche Haftungen<br />
des Erblassers oder unbekannte Steuerschulden<br />
des Erblassers im In- und Ausland, darf der Willensvollstrecker<br />
pro memoria im Inventar erfassen.<br />
Die definitive Bewertung der einzelnen Posten<br />
des Nachlassinventars (Aktiven und Passiven)<br />
ist Sache der Erben, sie können den Wert der Nachlassgüter<br />
in der Erbteilung völlig frei festlegen und<br />
sind dabei auch nicht an einen Marktwert (Art. 617<br />
ZGB) gebunden. 49 Hier ist ein wesentlicher Unterschied<br />
zwischen dem schweizerischen Willensvollstrecker<br />
und dem deutschen Testamentsvollstrecker<br />
hervorzuheben: Der Willensvollstrecker hat in<br />
1. Teilungsvorschriften<br />
a) Huber-Froidevaux schreibt: «Il est par ailleurs<br />
controversé au sein de la doctrine le point de savoir<br />
si la désignation d’un exécuteur testamentaire<br />
… modifie la situation juridique des héritiers<br />
qui ne pourraient alors plus déroger aux règles pré-<br />
41 Vgl. dazu vorne, A. 2. a).<br />
42 Vgl. BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 381, mit<br />
Verweis auf René Juchler, Anfang und Ende der Willensvollstreckung,<br />
(Diss. Zürich) Zürich 1998, S. 125.<br />
43 Annouchka Huber-Froidevaux, Kommentar zu Art. 607 –<br />
609 ZGB, in: Commentaire du droit des successions,<br />
hrsg. V. Antoine Eigenmann und Nicolas Rouiller, Bern<br />
2012, Art. 608 ZGB N 5.<br />
44 Vgl. BSK-Schaufelberger-Keller (Fn. 10), Art. 608<br />
ZGB N 11.<br />
45 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 310.<br />
46 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB<br />
N 107 ff.<br />
47 Etwa die Fortführung eines Verantwortlichkeitsprozesses,<br />
vgl. den Sachverhalt in BGE 95 II 320 Pt. C. S. 322.<br />
48 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB<br />
N 242 ff.<br />
49 Die Bewertung der Aktiven und Passiven ist ausschliesslich<br />
Sache der Erben, vgl. PraxKomm-Weibel (Fn. 9),<br />
Art. 617 ZGB N 21.<br />
314 successio 4/13
der Phase der Erbteilung nur eine beratende (moderierende)<br />
Funktion, 50 während der (deutsche)<br />
Testamentsvollstrecker den Teilungsplan festlegt,<br />
welcher für die Erben verbindlich ist. 51 Die schwache<br />
Stellung des Willensvollstreckers in der Erbteilung<br />
hat auch seine Auswirkungen auf seine Stellung<br />
bei der Aufnahme des Inventars.<br />
b) Die Frage, ob der Willensvollstrecker potentiellen<br />
Passiven (und Aktiven) nachgehen, sie «aufspüren»<br />
muss, wird in der Literatur soweit ersichtlich<br />
nicht behandelt. Für umfassende Nachforschungspflichten<br />
des Willensvollstreckers gibt es keine gesetzliche<br />
Grundlage, sie gehören nicht zu seiner Aufgabe.<br />
Hintergrund bildet die Tatsache, dass der Willensvollstrecker<br />
den Nachlass nicht zuerst in einen einwandfreien<br />
Zustand bringen muss, bevor er ihn<br />
verteilt, 52 sondern er hat die primäre Aufgabe, den<br />
tatsächlich vorhandenen Nachlass baldmöglichst in<br />
dem Zustand zu verteilen, in dem er vom Erblasser<br />
hinterlassen wurde (Verteilung in natura). 53 Abklärungen<br />
des Willensvollstreckers sind enge Grenzen<br />
gesetzt, weil er nur für notwendige Handlungen entschädigt<br />
wird. 54 Der Willensvollstrecker muss vorhandenen<br />
Hinweisen zwar nachgehen, umfassende<br />
Abklärungen über potentielle Verpflichtungen<br />
kann der Willensvollstrecker aber den Erben überlassen:<br />
Die Erben können durch Ausschlagung (Art.<br />
566 ff. ZGB) bzw. öffentliches Inventar (Art. 580 ff.<br />
ZGB) ihre Haftung begrenzen; wenn sie diese Gelegenheit<br />
verpasst haben, 55 haften sie solidarisch<br />
50 Vgl. Bernhard Christ/Mark Eichner, Kommentar zu<br />
Art. 517 – 518 ZGB, in: Praxiskommentar Erbrecht, hrsg.<br />
v. Daniel Abt und Thomas Weibel, 2. A., Basel 2011, (zit.<br />
PraxKomm-Christ / Eichner), Art. 518 ZGB N 72; BSK-<br />
Karrer / Vogt / Leu (Fn. 17), Art. 518 ZGB N 52; BK-<br />
Künzle (Fn. 4), Art. 517–518 ZGB N 294 ff.<br />
51 Vgl. Hans Rainer Künzle, (<strong>Deutsch</strong>e) Testamentsvollstreckung<br />
und (schweizerische) Willensvollstreckung,<br />
successio 4 (2010) 233 f.<br />
52 Vgl. PKG 2008 Nr. 3 E. 4 S. 24 ff. (ZF 08 21/25): Die<br />
Überprüfung der Gebäude-Versicherungsdeckung gehört<br />
nicht zu den Aufgaben des Abwicklungs-Willensvollstreckers;<br />
BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517–518 ZGB<br />
N 162 und N 166: Der Willensvollstrecker muss den<br />
Nachlass nicht in mündelsichere oder konservativere<br />
Anlagen umstrukturieren, er darf die «Anlagestrategie»<br />
des Erblassers fortsetzen; weiter vgl. vorne, B. 2. a).<br />
53 Vgl. BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 125.<br />
54 Vgl. dazu BSK-Karrer / Vogt / Leu (Fn. 17), Art. 517<br />
ZGB N 29: «effiziente Abwicklung»; BK-Künzle (Fn. 4),<br />
Art. 517 – 518 ZGB N 396.<br />
55 Die Erben werden dafür den Willensvollstrecker kaum<br />
verantwortlich machen können, weil dieser angesichts<br />
der kurzen Fristen (Art. 567 Abs. 1 und Art. 580 Abs. 2<br />
ZGB) in den meisten Fällen gar keine Gelegenheit hat, die<br />
Erben darüber zu informieren (zur Informationspflicht<br />
(Art. 603 ZGB) und müssen sich selbst um die Passiven<br />
kümmern. Die Erben können den Willensvollstrecker<br />
gemeinsam beauftragen (Art. 394 ff. OR),<br />
Nachforschungen für sie vorzunehmen. Eigene umfassende<br />
Abklärungen gehören dagegen nicht zur<br />
Aufgabe des Willensvollstreckers.<br />
c) Trotz seiner Aufgabe, «die Schulden des Erblassers<br />
zu bezahlen» (Art. 518 Abs. 2 ZGB), muss<br />
der Willensvollstrecker nicht dafür sorgen, dass alle<br />
Schulden beglichen werden, bevor der Nachlass verteilt<br />
werden kann. So muss der Willensvollstrecker<br />
die nicht fälligen und die bestrittenen Schulden nicht<br />
bezahlen: «Même lorsqu’intervient un exécuteur<br />
testamentaire, dont l’une des fonctions légales est de<br />
‹payer les dettes› successorales (art. 518 al. 2 CC),<br />
la clôture du partage ne suppose pas que toutes les<br />
dettes aient été réglées: l’exécuteur testamentaire<br />
n’a pas le devoir de payer, ni de répartir, les dettes<br />
non exigibles. Il en va de même des dettes contestées<br />
(même lorsque leur titulaire prétend qu’elles<br />
sont exigibles).» 56 Aus diesem Grund stört es auch<br />
nicht, wenn im Inventar potentielle Passiven aufgeführt<br />
sind.<br />
d) Der Willensvollstrecker kann einen Teilungsplan<br />
57 ausarbeiten, auch wenn der Bestand der Passiven<br />
noch bis zu einem gewissen Grad unklar ist: «il<br />
n’est nullement nécessaire que leur sort ait été tranché<br />
(ni par paiement, ni par reconnaissance, ni par<br />
rejet entré en force de chose jugée, ni par répartition)<br />
pour que le partage puisse se faire». 58<br />
e) Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die Erben<br />
mit Schulden in der Teilung umgehen; diese Regeln<br />
kommen auch bei (bloss) potentiellen Schulden<br />
zur Anwendung: (1) Die Erben können sich einigen,<br />
nur die Aktiven zu teilen, 59 während bezüglich der<br />
Passiven die Erbengemeinschaft fortgesetzt wird.<br />
vgl. BK-Künzle [Fn. 4], Art. 517–518 ZGB N 223 ff.) und<br />
weil er in der Regel innert dieser Fristen auch nicht über<br />
Informationen verfügt, welche ihm Anlass geben, die Erben<br />
auf diese Möglichkeiten hinzuweisen.<br />
56 Nicolas Rouiller, Kommentar zu Art. 634–640 ZGB, in:<br />
Commentaire du droit des successions, hrsg. v. An toine<br />
Eigenmann und Nicolas Rouiller, Bern 2012 (zit. CS-<br />
Rouiller), Art. 639 ZGB N 3.<br />
57 Vgl. dazu PraxKomm-Christ/Eichner, Art. 518 ZGB<br />
N 76; BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 296.<br />
58 CS-Rouiller (Fn. 56), Art. 639 ZGB N 3.<br />
59 Ähnlich CS-Rouiller (Fn. 56), Art. 639 ZGB N 3: «Un<br />
partage non consensuel peut parfaitement se limiter à attribuer<br />
les actifs, sans que l’on se soit préoccupé du sort<br />
des dettes successorales. En prononçant le partage, le<br />
juge n’a pas à ordonner le paiement des dettes successorales,<br />
ni à les répartir.»<br />
successio 4/13 315
Der Willensvollstrecker in der Erbteilung<br />
Für den Willensvollstrecker bedeutet diese Lösung<br />
das Ende seiner Tätigkeit, weil er in der fortgesetzten<br />
Erbengemeinschaft keine Aufgabe mehr hat. 60<br />
(2) Die Erben können die Schulden im Verhältnis<br />
der Erbquoten teilen, oder (3) einzelne Erben übernehmen<br />
einzelne Schulden. In diesen beiden Fällen,<br />
welche ohne Einbezug der Gläubiger erfolgen,<br />
bleibt die Solidarität unter den Erben noch während<br />
5 Jahren nach der Teilung erhalten (Art. 639 Abs. 2<br />
ZGB) und im internen Verhältnis tragen die Erben<br />
die Schulden im Umfang der Erbquoten (Art. 640<br />
Abs. 3 ZGB). Obwohl diese beiden Arten der Teilung<br />
nur interne Wirkung (unter den Erben) haben,<br />
ist die Teilung der Passiven mit dem Vollzug dennoch<br />
abgeschlossen und der Willensvollstrecker verliert<br />
damit seine Aufgabe.<br />
3. Klagelegitimation<br />
a. Erbschaftsklage<br />
Der Willensvollstrecker ist aktiv legitimiert, die Erbschaftsklage<br />
(Art. 598 ff. ZGB) gegen Dritte zu erheben.<br />
61 Gegenüber den Erben kann er diese Klage<br />
nicht erheben, wohl aber von ihnen Nachlassgegenstände<br />
gestützt auf seinen Besitzanspruch (Art. 518<br />
Abs. 2 ZGB) heraus verlangen. 62 Im Rahmen einer<br />
Erbschaftsklage sind auch vorsorgliche Massnahmen<br />
denkbar wie eine Verfügungssperre über Bilder<br />
und Bankkonti. 63<br />
b. Vermächtnisklage<br />
a) Der Willensvollstrecker ist bei der Vermächtnisklage<br />
(Art. 601 ZGB) (neben den Erben) passiv<br />
legitimiert. 64 Das Kantonsgericht Waadt hat festgehalten,<br />
dass er insbesondere auch dann angegangen<br />
werden kann, wenn noch unklar ist, wie der Nachlass<br />
unter den Erben zu verteilen ist: «qu’il n’importe<br />
dès lors pas de savoir à qui sera reconnue la<br />
qualité d’héritier dans l’autre procès, les exécuteurs<br />
testamentaires ayant valablement la qualité pour<br />
60 Vgl. vorne, A. 2. c).<br />
61 Vgl. SJ 103 (1981) 63 E. 3.<br />
62 Vgl. BGE 77 II 122 E. 6 S. 125 f.<br />
63 Vgl. BGer. 5A_446/2009 vom 19.04.2013 (Sachverhalt).<br />
64 Vgl. BGE 105 II 243 E. 2e S. 261: «… neben den Erben<br />
passivlegitimiert»; BGE 91 II 94 E. 1 S. 97; PKG 1991<br />
Nr. 2 E. I/2 S. 15; Nicolas Rouiller / Evelyne Gygax,<br />
Kommentar zu Art. 598 – 601 ZGB, in: Commentaire du<br />
droit des successions, hrsg. v. Antoine Eigenmann und<br />
Nicolas Rouiller, Bern 2012 (zit. CS-Rouiller/Gygax),<br />
Art. 601 ZGB N 3: «Lorsqu’un exécuteur testamentaire<br />
a été nommé et qu’une partie du patrimoine successoral<br />
non partagé subsiste, l’exécuteur a la légitimation passive;<br />
l’ouverture d’une action contre les héritiers n’est<br />
cependant pas exclue».<br />
défendre en leur propre nom dans les deux procès<br />
…». 65<br />
b) Die Passiv-Legitimation des Willensvollstreckers<br />
endet mit der Verteilung des Nachlasses. 66<br />
Nach dem Vollzug der Erbteilung kann die Vermächtnisklage<br />
nur noch gegen den oder die belasteten<br />
Erben geltend gemacht werden, der Willensvollstrecker<br />
haftet in dieser Phase nur noch wegen<br />
einer Verletzung seiner Pflichten. 67 Wenn ein Alleinerbe<br />
vorhanden ist und sich hinter dem Rücken<br />
des Willensvollstreckers mit Hilfe der Erbbescheinigung<br />
als Erbe eintragen lässt, ist die Erbteilung vollzogen<br />
und der Willensvollstrecker kann ein allfälliges<br />
Vermächtnis (die Liegenschaft an einen Dritten<br />
zu übertragen) nicht mehr ausführen. 68 In diesem<br />
Fall haftet er dem Vermächtnisnehmer auch nicht,<br />
weil er diesen Ablauf nicht verhindern konnte. Der<br />
Vermächtnisnehmer muss sich an den Alleinerben<br />
halten.<br />
c) Der Willensvollstrecker ist nach herrschender<br />
Meinung nicht aktiv legitimiert, die Vermächtnisklage<br />
einzureichen. 69 Deshalb ist es ihm nicht möglich,<br />
sich mit einer Klage aus der Patt-Situation zu<br />
befreien, welche etwa entsteht, wenn die (beschwerten)<br />
Erben und der (fordernde) Vermächtnisnehmer<br />
das Vermächtnis unterschiedlich auslegen. 70 In<br />
dieser Situation kann der Willensvollstrecker den<br />
Vermächtnisnehmer nur auffordern, die Vermächtnisklage<br />
gegen die Erben einzureichen. Wenn der<br />
Vermächtnisnehmer keine Klage einreicht oder die<br />
Erledigung dieser Klage jahrelang dauert, können<br />
die auflaufenden Verzugszinsen (welche gegenwärtig<br />
wesentlich höher sind als die auf dem Finanz-<br />
Markt zu erzielenden Zinsen) für den Willensvollstrecker<br />
zum Problem werden.<br />
65 Vgl. TC VD CO09.018336 vom 29.11.2011.<br />
66 Vgl. CS-Rouiller/Gygax (Fn. 64), Art. 601 ZGB N 3:<br />
«En revanche, si tout le patrimoine a déjà été partagé,<br />
le légataire ne peut plus actionner l’exécuteur testamentaire<br />
en remise du legs».<br />
67 Vgl. CS-Rouiller / Gygax (Fn. 64), Art. 601 ZGB N 3: il<br />
peut tout au plus faire valoir une prétention en responsabilité<br />
pour violation de ses devoirs».<br />
68 Vgl. dazu vorne, A. 4.<br />
69 Vgl. BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 494 und<br />
die dort zitierten Autoren.<br />
70 Die Gründe für eine unterschiedliche Auslegung können<br />
sehr vielfältig sein, von einer unklaren Formulierung in<br />
der letztwilligen Verfügung, über den Umfang einer Herabsetzung<br />
wegen Verletzung von Pflichtteilen (Art. 527<br />
ZGB) bis zu ungenügenden Mitteln zur Deckung der<br />
Erbschaftsschulden (Art. 564 Abs. 1 ZGB).<br />
316 successio 4/13
d) Wie schon früher vorgeschlagen, 71 sollte man<br />
dem Willensvollstrecker mindestens de lege ferenda<br />
die Möglichkeit geben, vom Richter feststellen zu<br />
lassen, wie hoch das auszurichtende Vermächtnis ist,<br />
etwa als Art. 518 Abs. 2 bis ZGB: «Der Willensvollstrecker<br />
ist befugt, die Höhe eines von ihm auszurichtenden<br />
Vermächtnisses vom Richter feststellen<br />
zu lassen». Die Klage richtet sich gegen den oder<br />
die beschwerten Erben und dem Vermächtnisnehmer<br />
wird der Willensvollstrecker den Streit verkündigen.<br />
c. Teilungsklage<br />
Das Bundesgericht hat die Frage, ob der Willensvollstrecker<br />
berechtigt sei, die Teilungsklage (Art. 604<br />
ZGB) einzureichen, noch nicht beantwortet. Die<br />
kantonalen Gerichte haben diese Frage mehrheitlich<br />
verneint. 72 In der Lehre gibt es zwar gewichtige<br />
Stimmen, welche dem Willensvollstrecker de<br />
lege lata die Prozessführungsbefugnis zusprechen<br />
wollen, 73 die herrschende Lehre, zu der auch der<br />
Jubilar gehört, lehnt sie aber ab 74 bzw. befürwortet<br />
sie (nur) de lege ferenda. 75 Wenn man den Erben<br />
die Hoheit über die Erbteilung zuspricht (Prinzip<br />
der freien Erbteilung), 76 folgt daraus unter anderem<br />
auch, dass ihnen die Entscheidung vorbehalten<br />
bleibt, ob sie das Erbe teilen wollen oder nicht<br />
und niemand sie dazu zwingen soll. Auf der anderen<br />
Seite hat der Erblasser den Erben einen Willensvollstrecker<br />
zur Seite gestellt, um sie im Prozess<br />
der Erbteilung zu unterstützen. Wenn man sich vergegenwärtigt,<br />
dass die Vereinbarung der Erben, das<br />
Erbe nicht teilen zu wollen, auch stillschweigend zustande<br />
kommen kann, 77 dann wird klar, dass unklare<br />
71 Vgl. Hans Rainer Künzle, Aktuelle Praxis zur Willensvollstreckung<br />
(2010 – 2011), successio 5 (2011) 273.<br />
72 Vgl. SJZ 92 (1996) Nr. 3 S. 242 (TC VD); OB-AbR 2002–<br />
2003 Nr. 5; anders SJ 61 (1939) S. 461 (TC GE).<br />
73 Vgl. Thomas Sutter-Somm/Marco Chevalier, Die prozessualen<br />
Befugnisse des Willensvollstreckers, successio<br />
1 (2007) 30 ff.; BSK-Karrer / Vogt / Leu (Fn. 17),<br />
Art. 517 – 518 ZGB N 66 und 84.<br />
74 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 322<br />
und die dort zitierten Autoren, zu denen auch der Jubilar<br />
gehört, vgl. Breitschmid (Fn. 2), S. 150.<br />
75 Vgl. Paul Eitel, Prozessführung durch den Willensvollstrecker,<br />
in: Willensvollstreckung – Aktuelle Rechtsprobleme<br />
(2), hrsg. v. Hans Rainer Künzle, Zürich 2006,<br />
S. 160; BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 324.<br />
76 Vgl. BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 17), Art. 518 ZGB<br />
N 57; BK-Künzle (Fn. 4), Vorbem. zu Art. 517 – 518 ZGB<br />
N 9.<br />
77 Vgl. vorne, A. 2. a).<br />
Situationen entstehen können. 78 Wenn man dem Willensvollstrecker,<br />
der mit der Erbteilung «hängen»<br />
bleibt, die Möglichkeit zur Teilungsklage zugesteht,<br />
wird man andererseits den Erben die Möglichkeit<br />
geben müssen, die konkludent vereinbarte Fortsetzung<br />
schriftlich «nachzureichen». 79 Dies ist bei meinem<br />
schon früher formulierten Vorschlag, den man<br />
als Art. 518 Abs. 2 ter ZGB ins Gesetz aufnehmen<br />
könnte, bereits berücksichtigt: «Der Willensvollstrecker<br />
ist befugt, die Teilungsklage zu erheben, wenn<br />
die Erben sich über die Teilung nicht einigen und<br />
keine Teilungsklage erheben.» Zu ergänzen ist, dass<br />
die auf unbestimmte Zeit vereinbarte Fortsetzungsvereinbarung<br />
jederzeit beendet werden kann 80 und<br />
auch beim Vorliegen einer Fortsetzungsvereinbarung<br />
auf die Teilungsklage des Willensvollstreckers<br />
somit eingetreten werden muss, wenn sich wenigstens<br />
einer der Erben darauf einlässt.<br />
d. Klage zum Vollzug des Teilungsplans?<br />
Kann der Willensvollstrecker eine Klage zum Vollzug<br />
des Teilungsplans erheben? Ein solcher Vorschlag<br />
lehnt am Modell des deutschen BGB an, wo<br />
der Testamentsvollstrecker einen Teilungsplan vorschlägt<br />
und die Erben diesen anfechten müssen,<br />
wenn sie nicht daran gebunden sein wollen. 81 Im<br />
neuen Commentaire du droit des successions wird<br />
erstmals ein solcher Vorschlag für das schweizerische<br />
Recht gemacht. 82 Für eine solche Klage gibt<br />
es (im Gegensatz zu § 2204 BGB) 83 aber keine gesetzliche<br />
Grundlage und sie ist deshalb abzulehnen.<br />
78 Vgl. dazu die vorne, A. 2. b) und d), behandelten Gerichtsfälle.<br />
79 Sutter-Somm / Chevalier, successio 1 (2007) 33, betonen,<br />
dass keine (wenigstens keine ausdrückliche) Einigung<br />
der Erben vorliegt.<br />
80 Vgl. Art. 604 Abs. 1 ZGB; PraxKomm-Weibel (Fn. 9),<br />
Art. 604 ZGB N 53.<br />
81 Vgl. Staudinger-Reimann (Fn. 20), § 2204 BGB N 30<br />
und 32.<br />
82 Vgl. CS-Cotti (Fn. 4), Art. 518 ZGB N 174: «désignant<br />
un exécuteur testamentaire, le défunt a manifesté clairement<br />
et sans appel sa dernière volonté de partager<br />
la masse successorale. Cette volonté doit pouvoir être<br />
protégée, à l’instar d’autres dispositions testamentaires<br />
comme par exemple les legs, dont l’exécuteur peut imposer<br />
l’exécution en tout moment. Il s’agit à vrai dire non<br />
pas d’accorder à l’exécuteur la faculté d’ouvrir une action<br />
en partage, mais de lui conférer une action en constatation<br />
de droit, soit en constatation du plan de partage.»<br />
83 Der Teilungsplan ist im BGB ein einseitiges, nicht formbedürftiges<br />
Rechtsgeschäft, welches nur verpflichtende,<br />
aber keine dingliche Wirkungen hat; deshalb müssen die<br />
Erben beim Vollzug mitwirken und der Testamentsvollstrecker<br />
kann die Erben verklagen, wenn sie dazu nicht<br />
bereit sind, vgl. Soergel-Damrau, § 2204 BGB N 26.<br />
successio 4/13 317
Der Willensvollstrecker in der Erbteilung<br />
Dieser Vorschlag erinnert etwas an die frühere Zürcher<br />
Praxis, welche sich auf den inzwischen aufgehobenen<br />
§ 215 Ziff. 29 ZH-ZPO stützte 84 und die<br />
Erben zwingen wollte, zum Teilungsplan des Willensvollstreckers<br />
Stellung zu nehmen. Diese ist aber<br />
überholt. 85 Ebenfalls nicht überzeugen kann der<br />
Vorschlag von Sturm, mit Hilfe einer privatorischen<br />
Klausel (die Erben auf den Pflichtteil zu setzen,<br />
wenn sie den Teilungsplan des Willensvollstreckers<br />
nicht befolgen), weil der Erblasser die Teilungsbefugnis<br />
nicht an den Willensvollstrecker delegieren<br />
kann. 86 Somit bleibt es dabei, dass der Teilungsplan<br />
des Willensvollstreckers nur vermittelnden Charakter<br />
hat.<br />
C. Probleme in der Erbteilung<br />
1. Mangelhafter Teilungsvertrag<br />
a) Es gehört zu den Aufgaben des Willensvollstreckers,<br />
die Erbteilung vorzubereiten. Unter anderem<br />
erarbeitet der Willensvollstrecker Entwürfe für den<br />
Erbteilungsvertrag. In diesem Zusammenhang ist es<br />
denkbar, dass der Willensvollstrecker für mangelnde<br />
Sorgfalt in der Vorbereitung und Erstellung des Erbteilungsvertrags<br />
haftbar gemacht wird. Das kann<br />
von einem mangelnden oder mangelhaften Hinweis<br />
(etwa auf Steuerfragen) 87 über ungenügende Aufklärung<br />
(etwa über die Mechanik der Ausgleichung<br />
und Herabsetzung) 88 bis hin zu einem unsorgfältig<br />
redigierten Erbteilungsvertrag gehen. Es handelt<br />
sich um eine vertragsähnliche Haftung, deren Regeln<br />
sich aus Art. 97 ff. und Art. 394 ff. OR 89 sowie<br />
insbesondere Art. 398 f. OR ergeben.<br />
b) Der Willensvollstrecker sollte keine unnötigen<br />
Risiken eingehen und seine Tätigkeit auf das beschränken,<br />
was zu seiner Aufgabe gehört: So kann<br />
er die Erben allgemein auf mögliche Steuerfolgen<br />
der geplanten Erbteilung hinweisen und ihnen auftragen,<br />
dass sie die für sie eintretenden konkreten<br />
Steuerfolgen von einem eigenen Steuerberater<br />
überprüfen lassen. Der Willensvollstrecker befindet<br />
sich in einer vergleichbaren Lage wie der Notar,<br />
bei welchem ein allgemeiner Hinweis auf mögliche<br />
Steuerfolgen ebenfalls als genügend angesehen<br />
wird. 90 Um Diskussionen zu vermeiden sollte eine<br />
entsprechende Klausel in den Erbvertag aufgenommen<br />
werden. 91<br />
c) Wenn der Willensvollstrecker (insbesondere<br />
aufgrund seines eigenen Berufs) mit der Beratung<br />
der Erben über seine Aufgaben hinausgeht, handelt<br />
es sich in diesem Umfang um einen gewöhnlichen<br />
Auftrag nach Art. 394 ff. OR. 92<br />
d) Die Deliktshaftung (Art. 41 OR) dürfte eher<br />
selten zum Zug kommen (etwa unaufgeforderte Erteilung<br />
eines falschen Rates), weil diese eine absichtliche<br />
Schädigung voraussetzt. 93<br />
84 Vgl. Robert Hauser / Erhard Schweri / Viktor Lieber,<br />
GOG – Kommentar zum zürcherischen Gesetz über die<br />
Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess,<br />
Zürich 2012, § 137 GOG N 1.<br />
85 Vgl. BK-Künzle (Fn. 4), Vorbem. zu Art. 517 – 518 ZGB<br />
N 319; a.M. PraxKomm-Christ/Eichner, Art. 518 ZGB<br />
N 76: «Die Zürcher Praxis … ist bedauerlicherweise nicht<br />
unbestritten».<br />
86 Ebenso Fabienne Elmiger, Das Unternehmen in der<br />
Erbteilung – Die Teilungsart (Art. 607 – 619), Zürich<br />
2012, S. 144.<br />
87 Vgl. dazu BGer. 5A_64/2012 vom 6. Dezember 2012,<br />
StR 2013, 305: «Von einem Steuerberater wird verlangt,<br />
dass er einen Sachverhalt richtig erfasst und steuerrechtlich<br />
korrekt beurteilt, dass er die massgebenden Gesetze,<br />
die Standardwerke und die höchstrichterliche Rechtsprechung<br />
kennt und beachtet. Stehen mehrere Möglichkeiten<br />
zur Verfügung, hat er den sichersten Weg zu<br />
wählen oder mindestens auf bestehende Risiken hinzuweisen».<br />
88 In der Lehre wird nicht einheitlich beantwortet, welches<br />
die genauen Pflichten des Willensvollstreckers in diesem<br />
Zusammenhang sind, vgl. dazu etwa BSK-Karrer /<br />
Vogt / Leu (Fn. 17), Art. 518 ZGB N 17; wohl etwas zu<br />
eng PraxKomm-Christ/Eichner (Fn. 50), Art. 518 ZGB<br />
N 34.<br />
89 Marc Antonio Iten, Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit<br />
des Willensvollstreckers, Zürich/Basel/Genf 2012,<br />
N 33 f. und 216 ff.<br />
90 Vgl. Yael Strub, Haftung des Notars für die Aufklärung<br />
betreffend Steuern? – «Es chunnt druf aa», SJZ<br />
109 (2013) 163, 168: Dem überwiegenden Teil der Lehre<br />
folgend, gehört die Belehrung über die wichtigsten Steuerfolgen<br />
(insbesondere Handänderungssteuern, Grundstücksgewinnsteuern,<br />
Erbschaftssteuern, Schenkungssteuern)<br />
zum ‹bundesrechtlichen Minimalstandard›, der<br />
ungeachtet der Ausgestaltung der einzelnen kantonalen<br />
Notariatsbestimmungen gilt. Ob ein genereller Hinweis<br />
genügt oder der Notar auf jede einzelne anfallenden<br />
Steuerarten gesondert eingehen muss, hängt im Wesentlichen<br />
mit der Geschäftserfahrenheit und den persönlichen<br />
Verhältnissen der Parteien zusammen».<br />
91 Vgl. Strub (Fn. 90), SJZ 109 (2013) 163, 168: «Das Risiko<br />
kann immerhin damit ein wenig entschärft werden, indem<br />
der Hinweis auf die Steuerfolgen aus Beweisgründen<br />
stets schriftlich erfolgt».<br />
92 Ebenso für die Haftung des Notars für Steuerberatung,<br />
vgl. Strub (Fn. 90), SJZ 109 (2013) 163, 167.<br />
93 Vgl. Christian Heierli/Anton K. Schnyder, in: Basler<br />
Kommentar Obligationenrecht I, 5. A., 2011, Art. 41 OR<br />
N 44 (nachfolgend: BSK-Heierli/Schnyder), Art. 41 OR<br />
N 42; BGE 108 II 305 E. 2c S. 312.<br />
318 successio 4/13
2. Mangelhafter Vollzug<br />
a) Beim einem unvollständigen Vollzug besteht<br />
die Erbengemeinschaft bezüglich des noch nicht<br />
verteilten Nachlasses fort, 94 seien das nun Aktiven<br />
oder Passiven. Die Erbengemeinschaft kann beliebig<br />
lange dauern 95 und wird erst aufgehoben, wenn<br />
das letzte Nachlassgut ins Alleineigentum der Erben<br />
überführt ist. 96 Keine vollständige Teilung liegt<br />
auch dann vor, wenn nachträglich Nachlassgüter<br />
auf tauchen. Der Willensvollstrecker übt seine Aufgabe<br />
bezüglich des nicht verteilten Nachlassgutes<br />
aus bzw. er nimmt sie bei nachträglich auftauchenden<br />
Nachlassgütern wieder auf. 97<br />
b) Wenn der Willensvollstrecker einzelnen Erben<br />
im Rahmen des Vollzugs der Erbteilung zu viele<br />
Nachlassgüter verteilt hat, wurden diese ohne gültige<br />
causa (inhaltliche Deckung durch den Erbteilungsvertrag)<br />
an die Erben übertragen. Dabei sind zwei<br />
Fälle zu unterscheiden:<br />
(1) Bezüglich der zu viel verteilten Nachlassgüter<br />
besteht die Erbengemeinschaft grundsätzlich fort<br />
und der Willensvollstrecker behält diesbezüglich<br />
seinen Besitzanspruch, 98 welchen er gegenüber den<br />
empfangenden Erben mit einer Erbschaftsklage<br />
(Art. 598 ff.) 99 oder gestützt auf sein Verwaltungsrecht<br />
(Art. 518 Abs. 2 ZGB) 100 geltend machen kann.<br />
Da die Erben regelmässig bösgläubig sind, 101 kann<br />
der Willensvollstrecker diese Ansprüche «jederzeit»<br />
(Art. 936 Abs. 1 ZGB) geltend machen 102 und hat<br />
94 Vgl. PraxKomm-Weibel (Fn. 9), Art. 602 ZGB N 5.<br />
95 Vgl. BSK-Schaufelberger / Keller (Fn. 10), Art. 602<br />
ZGB N 37.<br />
96 Vgl. Peter Tuor / Vito Picenoni, Kommentar zum<br />
Schweizerischen Privatrecht, Band III: Das Erbrecht,<br />
2. Abteilung: Der Erbgang (Art. 537 – 640 ZGB), Bern<br />
1973, Art. 602 ZGB N 6.<br />
97 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 381.<br />
98 Vgl. Art. 926 ZGB; PraxKomm-Christ/Eichner, Art. 518<br />
ZGB N 23; BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 366.<br />
99 Beim Fehlen eines Erbanspruchs (wie vorliegend bezüglich<br />
des zu viel ausbezahlten Nachlassgutes) kann die<br />
Erbschaftsklage ausnahmsweise auch gegenüber Erben<br />
geltend gemacht werden kann, vgl. PraxKomm-Christ /<br />
Eichner (Fn. 50), Art. 518 ZGB N 23; BK-Künzle<br />
(Fn. 4), Art. 517–518 ZGB N 83.<br />
100 Vgl. BGE 86 II 355 E. 3 S. 359; BK-Künzle (Fn. 4),<br />
Art. 517 – 518 ZGB N 83.<br />
101 Aufgrund des ihnen bekannten Erbteilungsvertrags müssten<br />
sie regelmässig bemerken, dass sie zu viel erhalten.<br />
102 Vgl. Emil W. Stark / Wolfgang Ernst, Kommentar zu<br />
Art. 919 – 941 ZGB, in: Kommentar zum Schweizerischen<br />
Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch II (Art. 457 –<br />
977, Art. 1– 61SchlT), hrsg. v. Heinrich Honsell, Peter Nedim<br />
Vogt und Thomas Geiser, 4. A, Basel / Genf / München<br />
2011 (zit. BSK-Stark/Ernst), Art. 936 ZGB N 10.<br />
keine Verjährungs- oder Verwirkungsfrist zu beachten.<br />
(2) Wenn der Willensvollstrecker allerdings zu viel<br />
Geld, Inhaberpapiere oder blanko indossierte Namen-<br />
oder Ordrepapiere an die Erben übertragen<br />
hat, ist das Nachlassgut (gemeinschaftliches Eigentum)<br />
wegen der Vermischung (Art. 727 ZGB) trotz<br />
fehlender causa rechtswirksam ins Alleineigentum<br />
der Erben gelangt und die (sachenrechtliche) Erbengemeinschaft<br />
ist somit aufgelöst worden. Der<br />
Rückforderungsanspruch des Willensvollstreckers<br />
erfolgt in diesen Fällen gestützt auf den Erbteilungsvertrag,<br />
ist also vertraglicher Natur. 103 Neben dem<br />
Willensvollstrecker können auch die (betroffenen)<br />
Erben selbst die Rückforderung einklagen und dem<br />
Willensvollstrecker den Streit verkünden. 104 Das zu<br />
viel erhaltene Erbgut (inklusive des zwischenzeitlichen<br />
Ertrags) ist an den Willensvollstrecker herauszugeben,<br />
damit dieser es anschliessend richtig verteilen<br />
kann. Der Rückforderungsanspruch verjährt<br />
innerhalb von 10 Jahren. 105<br />
c) Wenn der Willensvollstrecker die Nachlassgüter<br />
falsch verteilt hat, sind seine Verfügungen vom<br />
Erbteilungsvertrag nicht gedeckt und das Eigentum<br />
an Grundstücken und Mobilien geht mangels<br />
causa nicht auf den empfangenden Erben über 106<br />
wohl aber Geld, Inhaberpapiere oder blanko indossierte<br />
Namen- oder Ordrepapiere wegen der Vermischung.<br />
In diesem Fall gelten die gleichen Regeln<br />
für den Besitz- und Rückforderungsanspruch<br />
des Willensvollstreckers wie bei zu viel verteiltem<br />
Nachlassgut. 107<br />
d) Wenn der Willensvollstrecker mehreren Erben<br />
zu viele oder falsche Nachlassgüter ausgehändigt<br />
103 Das Bundesgericht hat in BGE 126 III 119 E. 3b und 3c<br />
S. 121 f. Rückforderungsansprüche aus rückgängig gemachten<br />
oder wegen Irrtums angefochtenen Verträgen<br />
als vertraglich bezeichnet.<br />
104 Die Erben werden in diesem Fall dem Willensvollstrecker<br />
den Streit verkünden, vgl. Philippe Schweizer, Dénonciation<br />
de litige (Neuchâtel et projet de P-CPC):<br />
pour un tartare plus corsé, SJZ 104 (2008) 454.<br />
105 Das Bundesgericht hat diese Frist auf den Rückforderungsanspruch<br />
der Erben gegenüber dem Willensvollstrecker<br />
für zu viel bezogenes Honorar angewendet, vgl.<br />
BGer. 5C.69/2006 vom 23. Mai 2006; BK-Künzle (Fn. 4),<br />
Art. 517 – 518 ZGB N 372.<br />
106 Vgl. Robert Haab /August Simonius / Werner Scherrer<br />
/ Dieter Zobl, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch,<br />
Band 4: Sachenrecht, 1. Abteilung: Das<br />
Eigentum (Art. 641– 729 ZGB), Zürich 1977 (zit. ZK-<br />
Haab / Simonius / Scherrer / Zobl), Art. 714 ZGB N 21.<br />
107 Vgl. vorne, C. 2. b) (1) und (2).<br />
successio 4/13 319
Der Willensvollstrecker in der Erbteilung<br />
hat, kann er den Besitzanspruch 108 nur gegenüber<br />
dem jeweils betroffenen Erben geltend machen,<br />
den Rückforderungsanspruch 109 kann er aber –<br />
in analoger Anwendung von Art. 603 Abs. 1 ZGB<br />
(Solidarhaftung) 110 – gegenüber einem einzelnen<br />
Erben geltend machen, welcher seinerseits Rückgriff<br />
auf die übrigen betroffenen Erben nehmen<br />
kann (Art. 148 Abs. 2 OR). 111<br />
e) Wenn der Willensvollstrecker mit seinem Besitzanspruch<br />
112 oder einer Rückforderungsklage 113<br />
Mängel im Vollzug der Erbteilung vom Richter<br />
korrigieren lässt, kann er die Erben nicht gleichzeitig<br />
auch noch haftbar machen. 114 Diese beiden Ansprüche<br />
schliessen sich gegenseitig aus.<br />
f) Wenn ein Vermächtnisnehmer zu viel oder falsches<br />
Nachlassgut erhält, stehen dem Willensvollstrecker<br />
ebenfalls ein Besitzanspruch bzw. ein<br />
Rückforderungsanspruch zu. Während sich der Besitzanspruch<br />
(Mobilien und Immobilien) auf die<br />
gleichen Grundlagen stützt wie gegenüber den Erben<br />
(Erbschaftsklage oder Verwaltungsrecht), 115<br />
kommt beim Rückforderungsanspruch (anstelle des<br />
Erbvertrags) das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung<br />
zur Anwendung. 116<br />
3. Mängel an Erbschaftssachen<br />
a) Nach Gesetz leisten sich die Erben grundsätzlich<br />
gegenseitig Gewähr für den Bestand der Erbschaftssachen<br />
(Art. 637 Abs. 1 ZGB). Diese Bestimmung<br />
ist dispositiver Natur und deshalb wird im<br />
108 Vgl. dazu vorne, C. 2. b) (1).<br />
109 Vgl. dazu vorne, C. 2. b) (2).<br />
110 Diese Norm wird auch analog angewendet, wenn Erben<br />
gegenüber dem überlebenden Ehegatten einstehen müssen<br />
(BGE 101 II 218: «Für güterrechtliche Forderungen<br />
des überlebenden Ehegatten haften die Erben des vorverstorbenen<br />
solidarisch»), wenn Erben gegenüber Vermächtnisnehmern<br />
einstehen müssen (ZWR 1997, 249:<br />
«Die Solidarhaftung der Erben gilt grundsätzlich auch<br />
für die Ausrichtung von Vermächtnissen») oder wenn<br />
ein Erbe nach erfolgter Erbteilung Rückforderungsansprüche<br />
gegen die übrigen Erben geltend macht (ZWR<br />
1978, 63: Forderungen für Beerdigungskosten und den<br />
Unterhalt des Erblassers).<br />
111 Vgl. BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 370.<br />
112 Vgl. vorne, C. 2. b) (1).<br />
113 Vgl. vorne, C. 2. b) (2).<br />
114 Das ist vergleichbar mit dem Ausschluss der Haftung des<br />
Willensvollstreckers, von welchem man zu viel bezogenes<br />
Honorar zurückfordert, vgl. BGer. 5A_750/2012 vom<br />
14. Januar 2013 E. 4: Wenn Rückerstattung des Honorars<br />
geltend gemacht wird, liegt kein Schaden vor.<br />
115 Vgl. vorne, C. 2. b) (1).<br />
116 Vgl. BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 373.<br />
Erbteilungsvertrag häufig ein Ausschluss der Gewährleitung<br />
vorgesehen. 117<br />
b) Der Willensvollstrecker haftet nicht für die<br />
Werthaltigkeit der zugeteilten Nachlassgüter. Das<br />
gilt auch dann, wenn die von den Erben vorgenommene<br />
Bewertung auf eine erste Schätzung des Willensvollstreckers<br />
zurückgeht und sogar dann, wenn<br />
die Bewertung der Erben von der ersten Schätzung<br />
des Willensvollstreckers massgeblich beeinflusst<br />
wurde. Wenn die Erben eine verlässliche Schätzung<br />
der Nachlassgüter erhalten wollen, müssen sie<br />
einen Fachmann damit beauftragen. 118 Sie können<br />
sich dieses Geld nicht sparen und den Willensvollstrecker<br />
haftbar machen. Ausgenommen bleibt<br />
etwa die Deliktshaftung des Willensvollstreckers<br />
wegen absichtlicher Schädigung. 119<br />
D. Schiedsgerichte in der Erbteilung<br />
a) In Erbsachen sind in der Schweiz höchst selten<br />
Schiedsgerichte anzutreffen. Um dies zu ändern,<br />
wurde 2012 der Schweizerische Verein Schiedsgerichtsbarkeit<br />
in Erbsachen (www.schiedsgerichteerbsachen.ch)<br />
gegründet.<br />
b) Schiedsvereinbarungen können gestützt auf<br />
Art. 357 ff. ZPO 120 zwischen ganz unterschiedlichen<br />
Parteien geschlossen werden, so zwischen dem Erblasser<br />
und den Erben, zwischen den Erben, zwischen<br />
den Erben und Vermächtnisnehmern oder zwischen<br />
den Erben und anderen Dritten. 121 Alle in die Erteilung<br />
involvierten Parteien können mit Schiedsvereinbarungen<br />
abgedeckt werden. In der Literatur<br />
nicht zu finden ist eine Schiedsvereinbarung zwischen<br />
den Erben und dem Willensvollstrecker, wohl<br />
weil Zweifel an der objektiven Schiedsfähigkeit in<br />
117 Vgl. Ramonn Mabillard, Kommentar zu Art. 634 – 640<br />
ZGB, in: Praxiskommentar Erbrecht, hrsg. v. Daniel Abt<br />
und Thomas Weibel, 2. A., Basel 2011 (zit. PraxKomm-<br />
Mabillard), Art. 634 ZGB N 46.<br />
118 Vgl. BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 294; nach<br />
BSK-Karrer / Vogt / Leu (Fn. 17), Art. 518 ZGB N 16 ist<br />
eine Schätzung durch den Willensvollstrecker gar nicht<br />
erforderlich.<br />
119 Vgl. dazu vorne, C. 1. d).<br />
120 Vgl. Markus Müller-Chen / Rahel Egger, Kommentierung<br />
der Art. 357 – 359 ZPO, in: Kommentar zur schweizerischen<br />
Zivilprozessordnung (ZPO), hrsg. v. Thomas<br />
Sutter-Somm, Franz Hasenböhler und Christoph Leuenberger,<br />
2. A., Zürich 2013, Art. 357 ZPO N 1 ff.<br />
121 Vgl. Werner Wenger, Kommentar zu Art. 353 – 356<br />
ZPO, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung,<br />
hrsg. v. Thomas Sutter-Somm, Franz Hasenböhler<br />
und Christoph Leuenberger, Art. 354 ZPO N 12.<br />
320 successio 4/13
gewissen Bereichen (wie der Aufsicht über den Willensvollstrecker)<br />
bestehen. 122 Eine solche Schiedsvereinbarung<br />
ist m.E. aber durchaus zulässig und<br />
wird im deutschen Recht auch anerkannt. 123<br />
c) In der Schweiz ist die Frage umstritten, ob der<br />
Erblasser die Erben mit einer (einseitigen) Schiedsklausel<br />
binden könne, 124 jedenfalls aber kann er den<br />
Willensvollstrecker auf diese Weise binden: „Die<br />
Bindungswirkung von einseitig (testamentarisch)<br />
angeordneten Schiedsklauseln gegenüber … dem<br />
Willensvollstrecker ist … zu bejahen …». 125<br />
d) Auszugehen ist davon, dass erbrechtliche Streitigkeiten<br />
grundsätzlich (objektiv) schiedsfähig<br />
sind. 126 Dies deckt die wesentlichen Klagen im Zusammenhang<br />
mit der Erbteilung ab: 127 Klage auf<br />
Feststellung oder Aberkennung der Erbenqualität<br />
bestimmter Personen, 128 Klage auf Vollzug einer<br />
122 Vgl. dazu hinten, D. e).<br />
123 Vgl. Karlheinz Muscheler, Entlassung des Testamentsvollstreckers<br />
und letztwillige Schiedsklausel, ZEV 16<br />
(2009) 319: «Ein solcher Schiedsvertrag erfasst nicht zur<br />
die Streitigkeiten, die im Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit<br />
auszutragen sind; er erfasst vielmehr auch<br />
die Frage einer Entlassung des Testamentsvollstreckers<br />
als eine echte Streitsache im Verfahren der freiwilligen<br />
Gerichtsbarkeit».<br />
124 Ablehnend Thomas Sutter-Somm / Nicolas Gut, Die<br />
Sicht des Zivilprozessrechts, in: Schiedsgerichte in Erbsachen,<br />
hrsg. v. Hans Rainer Künzle, Zürich 2012, S. 152:<br />
«Die einseitige testamentarische Schiedsklausel widerspricht<br />
der ZPO, verletzt das Recht auf unentgeltliche<br />
Rechtspflege sowie bei Prozessarmut den Anspruch auf<br />
effektiven Rechtsschutz und ist unzulässig»; Sibylle Pestalozzi-Früh,<br />
Testamentarische Schiedsklauseln – ein<br />
risikoreiches Unterfangen, successio 5 (2011) 170 ff.; Denis<br />
Piotet, la clause arbitrale fondée sur l’acte à cause de<br />
mort et la nouvelle procédure civile, successio 5 (2011)<br />
164 ff.; befürwortend Michael Schlumpf, Testamentarische<br />
Schiedsklauseln, Diss Zürich / St. Gallen 2011,<br />
S. 226.<br />
125 Wenger (Fn. 121), Art. 354 ZPO N 12.<br />
126 Vgl. Urteil des Einzelschiedsrichters (Douglas Hornung,<br />
Genf) vom 19.07.2005, ASA Bull. 26 (2008) 476 f. E. A.:<br />
«En l’espèce, ni l’ordre public suisse ni un ordre public<br />
étranger … imposerait que le présent litige soit soumis à<br />
une autorité étatique, étant rappelé que les litiges sucessoraux<br />
sont considérés comme des litiges patrimoniaux<br />
et que – à ce titre, ils peuvent faire l’object d’une élection<br />
de for et / ou d’un arbitrage»; Wenger (Fn. 121), Art. 354<br />
ZPO N 12.<br />
127 Vgl. Dieter Gränicher, Swiss Rules, in: Schiedsgerichte<br />
in Erbsachen, hrsg. v. Hans Rainer Künzle, Zürich 2012,<br />
S. 118 f.<br />
128 Vgl. dazu Marc André Mauerhofer, Schiedsgerichtliche<br />
Zuständigkeit in Erbstreitigkeiten aufgrund Parteivereinbarung<br />
und erblasserischer Anordnung, ZBJV 142<br />
(2006) 375, 382 f.<br />
Auflage (Art. 482 ZGB), Ungültigkeitsklage (Art. 519<br />
ZGB), Herabsetzungsklage (Art. 522 ZGB), Erbschaftsklage<br />
(Art. 598 ZGB), Vermächtnisklage<br />
(Art. 601 ZGB), Teilungsklage (Art. 604 ZGB),<br />
Auskunftsklage (Art. 607 und 610 ZGB), 129 Ausgleichungsklage<br />
(Art. 626 ZGB), Klage auf Vollzug des<br />
Erbteilungsvertrages (Art. 634 ZGB) und Anfechtung<br />
des Teilungsvertrages (Art. 638 ZGB).<br />
e) Die Aufsicht über den Willensvollstrecker wird<br />
von den meisten Autoren als nicht schiedsfähig angesehen.<br />
130 Mauerhofer begründet dies mit dem Ordre-Public-Charakter<br />
der Aufsicht, er formuliert<br />
aber gleichzeitig eine Ausnahme, wenn die Absetzung<br />
wegen Interessenkollision erfolgt. 131 Pestalozzi-<br />
Früh weist auf die verwaltungsrechtliche Natur des<br />
Absetzungsverfahrens hin. 132 Im deutschen Recht<br />
besteht ein vergleichbarer Meinungsstand, indem<br />
die Gerichte und herrschende Meinung die Aufsicht<br />
über den Testamentsvollstrecker für nicht schiedsfähig<br />
halten. 133 Dem wurde von Muscheler aber erst<br />
kürzlich entgegengehalten, dass es sich bei der Entlassung<br />
des Testamentsvollstreckers um eine echte<br />
Streitsache handle, 134 welche allgemein als schieds-<br />
129 Die Auskunftsklage ist schiedsfähig, weil eine zivilrechtliche<br />
Frage vorliegt, wenn der Umfang der Auskunftsund<br />
Informationspflicht des Willensvollstrecker in komplexen<br />
Verhältnissen umstritten ist, welche vom Zivilrichter<br />
im ordentlichen Verfahren zu entscheiden ist, vgl.<br />
dazu BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 221 und<br />
N 452.<br />
130 Vgl. Wenger (Fn. 121), Art. 354 ZPO N 12; Gränicher<br />
(Fn. 127), S. 119; Mauerhofer (Fn. 128), ZBJV 142 (2006)<br />
384 f.; BSK-Karrer/Vogt/Leu (Fn. 17), Art. 518 ZGB<br />
N 108; Hans Michael Riemer, Schiedsfähigkeit von Klagen<br />
des ZGB, in: Festschr. Hans Ulrich Walder, hrsg. v.<br />
Isaak Meier, Hans Michael Riemer und Peter Weimar,<br />
Zürich 1994, S. 380 f.<br />
131 Vgl. Mauerhofer (Fn. 128), ZBJV 142 (2006) 384 f.<br />
132 Vgl. Sibylle Pestalozzi-Früh, Erbvertragliche Schiedsklauseln/Schiedsverträge<br />
im Bereich des Erbrechts / Kollisionsrechtliche<br />
Aspekte bei solchen Schiedsgerichtsverfahren,<br />
in: Schiedsgerichte in Erbsachen, hrsg. v.<br />
Hans Rainer Künzle, Zürich 2012, S. 200.<br />
133 Vgl. statt vieler RGZ 133, 128, 132 f.; Staudinger-Reimann<br />
(Fn. 20), § 2227 BGB N 29 (die Schiedsfähigkeit<br />
ist nicht gegeben, weil das Verfahren nach § 2227 BGB<br />
einen schwer abzugrenzenden Kreis von Beteiligten hat<br />
und somit kein echtes Streitverfahren darstellt).<br />
134 «Echte Streitsachen seien solche, bei denen das Gericht<br />
als an sich einzig berufene Instanz über subjektive<br />
Rechte mit endgültiger Wirkung entscheide» (Muscheler<br />
[Fn. 123], ZEV 16 [2009] 318).<br />
successio 4/13 321
Der Willensvollstrecker in der Erbteilung<br />
fähig anerkannt sei. 135 Er hebt hervor, dass nicht einzusehen<br />
sei, weshalb ein Schiedsgericht feststellen<br />
könne, dass eine auflösende Bedingung das Amt des<br />
Testamentsvollstreckers beendet habe, aber seine<br />
Entlassung nicht anordnen könne. Nach meiner Ansicht<br />
sind im schweizerischen Recht die vom Richter<br />
im ordentlichen Verfahren behandelten Zivilsachen<br />
(wie Absetzung wegen Interessenkollision, 136<br />
Auskunftsklage gegen den Willensvollstrecker 137<br />
oder Rückforderung von Honorar des Willensvollstreckers<br />
138 ) schiedsfähig. Daneben sind aber auch<br />
die im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit<br />
behandelten Aufsichtsverfahren über den Willensvollstrecker<br />
schiedsfähig, weil es sich dabei um eine<br />
echte Streitsache handelt. Die für die internationale<br />
objektive Schiedsfähigkeit verlangte vermögensrechtliche<br />
Natur (Art. 177 Abs. 1 IPRG) 139 hat das<br />
Bundesgericht erst kürzlich festgestellt. 140 Die für<br />
die nationale objektive Schiedsfähigkeit verlangte<br />
freie Verfügbarkeit (Art. 354 ZPO) ist ebenfalls gegeben,<br />
denn der Willensvollstrecker kann jederzeit<br />
von seinem Amt zurücktreten. 141 Zu bedenken ist,<br />
dass trotz der Aufsicht durch eine Behörde das Verhältnis<br />
zwischen Erben und Willensvollstrecker –<br />
wie das Bundesgericht schon vor Längerem festgehalten<br />
hat 142 – rein privatrechtlicher Natur ist.<br />
E. Ergebnisse<br />
Zusammenfassend kann festgehalten werden, (1)<br />
dass das Nebeneinander von Teilungsklage und Tätigkeit<br />
des Willensvollstreckers noch der Verfeinerung<br />
bedarf. M.E. sollte man mit Vermutungen arbeiten,<br />
damit auf den Einzelfall zugeschnittene<br />
Lösungen möglich bleiben. (2) Der Willensvollstrecker<br />
muss seine Tätigkeit beenden, wenn die Erben<br />
(ausdrücklich oder stillschweigend) beschliessen,<br />
dass sie die Erbengemeinschaft (in welcher Form<br />
135 Vgl. Muscheler (Fn. 123), ZEV 16 (2009) 318: «Auf<br />
Habscheid geht … die Unterscheidung zwischen den sog.<br />
echten Streitsachen und den sonstigen Angelegenheiten<br />
der freiwilligen Gerichtsbarkeit zurück und die Zulassung<br />
des Schiedsverfahrens für die ersteren in analoger<br />
Anwendung des 10. Buches der ZPO.»<br />
136 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 454.<br />
137 Vgl. vorne, Fn. 129.<br />
138 Vgl. BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 411.<br />
139 Dieses Kriterium genügt gemäss Art. 177 Abs. 1 IPRG<br />
für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, vgl. Wenger<br />
(Fn. 121), Art. 354 ZPO N 3.<br />
140 Vgl. BGer. 5A_794/2011 vom 16. Februar 2012 E. 1.<br />
141 Vgl. dazu BK-Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 382.<br />
142 Vgl. BGE 90 II 376 E. 2 S. 380 und die weiteren bei BK-<br />
Künzle (Fn. 4), Art. 517 – 518 ZGB N 380 zitierten Entscheide.<br />
auch immer) fortsetzen wollen. (3) Das Vorhandensein<br />
eines Willensvollstreckers hat keinen Einfluss<br />
auf die Rechtsnatur der Teilungsvorschriften.<br />
(4) Unklarheiten bei Passiven (und Aktiven) hindern<br />
den Willensvollstrecker nicht daran, den Erben<br />
Teilungsvorschläge zu unterbreiten und die Erben<br />
nicht, die Teilung zu vereinbaren. Es gehört nicht<br />
zu den Aufgaben des Willensvollstreckers, umfassende<br />
Abklärungen über potentielle Inventarposten<br />
durchzuführen. (5) Der Willensvollstrecker kann<br />
die Erbschaftsklage nicht gegenüber den Erben erheben,<br />
in diesem Verhältnis kann er Nachlassgegenstände<br />
aber gestützt auf seinen Besitzanspruch heraus<br />
verlangen. (6) De lege ferenda sollte man dem<br />
Willensvollstrecker die Möglichkeit geben, vom<br />
Richter feststellen zu lassen, wie hoch das auszurichtende<br />
Vermächtnis ist. (7) Zur Teilungsklage ist<br />
der Willensvollstrecker nach geltendem Recht nicht<br />
legitimiert und de lege ferenda sollte man sie nur<br />
zulassen, wenn die Erben keine Fortsetzungsvereinbarung<br />
vorweisen bzw. sich wenigstens ein Erbe darauf<br />
einlässt. (8) Eine Klage zum Vollzug des Teilungsplans<br />
gibt es im schweizerischen Recht nicht.<br />
(9) Für mangelnde Sorgfalt in der Vorbereitung und<br />
Erstellung des Erbteilungsvertrags haftet der Willensvollstrecker<br />
nach Art. 97 ff. und Art. 394 ff. OR.<br />
Um sein Risiko zu beschränken, sollte er keine über<br />
die eigentliche Aufgabe hinausgehende Beratung<br />
durchführen. (10) Fehler im Vollzug kann der Willensvollstrecker<br />
korrigieren, indem er seinen Besitzanspruch<br />
(mittels Erbschaftsklage oder gestützt auf<br />
sein Verwaltungsrecht), einen (auf den Erbteilungsvertrag<br />
basierenden) Rückforderungsanspruch oder<br />
unberechtigte Bereicherung geltend macht. (11)<br />
Der Willensvollstrecker haftet nicht für die Werthaltigkeit<br />
der zugeteilten Nachlassgüter und zwar auch<br />
dann nicht, wenn die Erben auf seine Schätzungen<br />
abstellen. (12) Der Erblasser kann den Willensvollstrecker<br />
mit einer einseitigen Schiedsklausel binden<br />
und zwar sowohl mit Bezug auf die im ordentlichen<br />
Verfahren durchzuführenden Zivilstreitigkeiten als<br />
auch mit Bezug auf das Aufsichtsverfahren über den<br />
Willensvollstrecker.<br />
322 successio 4/13