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<strong>Die</strong><br />
<strong>Bielefelder</strong><br />
<strong>Bibel</strong>
Weisheiten
Das Buch Ijob<br />
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Seite 00<br />
Seite 00<br />
Das Buch Der Sprichwörter<br />
Seite 00<br />
Das Buch kohelet<br />
Das Hohelied<br />
Seite 00<br />
Seite 00<br />
Das Buch Der Weisheit<br />
Das Buch Jesus Sirach<br />
Seite 00<br />
Seite 00
7 Status<br />
Das<br />
Buch<br />
Ijob
Inhalt<br />
I<br />
Prolog<br />
II<br />
<strong>Die</strong> Redewechsel mit den Freunden<br />
III<br />
Ijobs Herausforderungsreden<br />
IV<br />
<strong>Die</strong> Elihu-Reden<br />
V<br />
<strong>Die</strong> Reden Gottes<br />
VI<br />
Epilog<br />
Ijob<br />
8
DAS BUCH IJOB<br />
I<br />
1<br />
Es war ein Mann im Land Uz mit Namen Ijob. Er war untadelig und rechtschaffen,<br />
fürchtete Gott und mied das Böse. Ihm wurden sieben Söhne und<br />
drei Töchter geboren. Sein Besitz umfasste siebentausend Stück Kleinvieh,<br />
dreitausend Kamele, fünf hundert Joch Rinder, fünf hundert Eselinnen und<br />
ein zahlreiches Hausgesinde. So war der Mann mächtiger als alle Bewohner<br />
des Ostens. Seine Söhne pflegten im Haus eines jeden an dem ihm bestimmten<br />
Tag ein Gastmahl zu veranstalten. Dann sandten sie aus und<br />
luden auch ihre drei Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu trinken.<br />
Jedes Mal, wenn die Tage des Gastmahls beendet waren, schickte Ijob, um<br />
sie zu reinigen. Früh am Morgen erhob er sich und brachte entsprechend<br />
ihrer Zahl Brandopfer dar. Denn Ijob dachte: Vielleicht haben meine Kinder<br />
gesündigt und Gott in ihrem Herzen geflucht. So hielt es Ijob jedes Mal.<br />
9 Ijob 0,00–0,00
2<br />
Eines Tages geschah es, dass die Gottessöhne kamen, um vor den Herrn<br />
hinzutreten. In ihrer Mitte erschien auch der Satan. Da sprach der Herr<br />
zum Satan: ›Woher kommst du?‹ Der Satan antwortete dem Herrn: ›Ich<br />
streifte auf der Erde umher und erging mich auf ihr.‹ Da sprach der Herr<br />
zum Satan: ›Hast du auch auf meinen Knecht Ijob Acht gegeben? Denn<br />
es gibt niemand auf der Erde wie ihn. Er ist untadelig und rechtschaffen,<br />
fürchtet Gott und meidet das Böse.‹ Der Satan erwiderte dem Herrn: ›Ist<br />
denn Ijob umsonst so gottesfürchtig? Hast du nicht selbst einen Zaun errichtet<br />
um ihn, sein Haus und all sein Eigentum ringsum? Das Werk seiner<br />
Hände hast du gesegnet und sein Besitz dehnt sich im Land aus. Doch<br />
strecke einmal deine Hand aus und rühre an all seinen Besitz. Wahrhaftig,<br />
er wird dir ins Angesicht fluchen!‹ Da sprach der Herr zum Satan: ›Siehe,<br />
alles, was er besitzt, ist in deine Hand gegeben. Nur gegen ihn selbst darfst<br />
du deine Hand nicht ausstrecken.‹ Darauf ging der Satan vom Angesicht<br />
des Herrn fort.<br />
Eines Tages aßen seine Söhne und Töchter im Haus ihres ältesten Bruders<br />
und tranken Wein. Da kam ein Bote zu Ijob und meldete: ›<strong>Die</strong> Rinder<br />
waren beim Pflügen und die Eselinnen weideten nebenan. Da fielen die Sabäer<br />
ein und raubten sie. Sie erschlugen die Knechte mit scharfem Schwert.<br />
Nur ich allein konnte entkommen, um es dir zu melden.‹ <strong>Die</strong>ser hatte noch<br />
nicht ausgeredet, da kam schon ein anderer und sprach: ›Feuer Gottes fiel<br />
vom Himmel, flammte unter den Schafen und den Knechten auf und verbrannte<br />
sie. Nur ich allein konnte entkommen, um es dir zu melden.‹ <strong>Die</strong>ser<br />
hatte noch nicht ausgeredet, da kam schon ein anderer und sprach: ›<strong>Die</strong><br />
Chaldäer bildeten drei Heerhaufen, machten einen Überfall auf die Kamele<br />
und trieben sie fort. Sie erschlugen die Knechte mit scharfem Schwert.<br />
Nur ich allein konnte entkommen, um es dir zu melden.‹<br />
<strong>Die</strong>ser hatte noch nicht ausgeredet, da kam schon ein anderer und<br />
sprach: ›Deine Söhne und Töchter aßen und tranken Wein im Haus ihres<br />
ältesten Bruders. Da kam plötzlich ein gewaltiger Sturmwind von jenseits<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
10
DAS BUCH IJOB<br />
der Wüste her und erfasste die vier Ecken des Hauses, sodass es über den<br />
jungen Leuten zusammenbrach und diese starben. Nur ich allein konnte<br />
entkommen, um es dir zu melden.‹ Da erhob sich Ijob, zerriss sein Obergewand,<br />
schor sein Haupt, fiel auf die Erde und betete. Dann sprach er: ›Nackt<br />
kam ich aus dem Schoß meiner Mutter; nackt kehre ich dorthin zurück.<br />
Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; der Name des Herrn sei gepriesen.‹<br />
Bei alledem sündigte Ijob nicht und machte Gott keinen Vorwurf.<br />
Eines Tages geschah es, dass die Gottessöhne kamen, um vor den Herrn<br />
hinzutreten. In ihrer Mitte erschien auch der Satan. Da sprach der Herr<br />
zum Satan: ›Woher kommst du?‹ Der Satan erwiderte dem Herrn: ›Ich<br />
streifte auf der Erde umher und erging mich auf ihr.‹ Da sprach der Herr<br />
zum Satan: ›Hast du auch auf meinen Knecht Ijob Acht gegeben? Denn<br />
es gibt niemand auf der Erde wie ihn. Er ist untadelig und rechtschaffen,<br />
fürchtet Gott und meidet das Böse. Er verharrt noch immer in seiner Untadeligkeit.<br />
Du aber hast mich umsonst gereizt, ihn zu verderben.‹ Der Satan<br />
erwiderte dem Herrn und sprach: ›Haut um Haut! Alles, was der Mensch<br />
besitzt, gibt er für sein Leben. Doch streck einmal deine Hand aus und<br />
rühr an sein Gebein und Fleisch. Wahrhaftig, er wird dir ins Angesicht fluchen.‹<br />
Da sprach der Herr zum Satan: ›Wohlan, er sei in deiner Hand. Nur<br />
schone sein Leben.‹ Und der Satan ging vom Angesicht des Herrn fort.<br />
Er schlug Ijob mit bösartigem Geschwür von seiner Fußsohle bis zu<br />
seinem Scheitel. Er nahm sich eine Scherbe, um sich damit zu schaben,<br />
während er mitten in der Asche saß. Da sagte seine Frau zu ihm: ›Hältst du<br />
noch immer an deiner Makellosigkeit fest? Fluche Gott und stirb!‹ Er aber<br />
erwiderte ihr: ›Wie eine törichte Frau spricht, so redest auch du. Wenn wir<br />
das Gute von Gott annehmen, warum nicht auch das Böse?‹ Bei all dem<br />
sündigte Ijob nicht mit seinen Lippen.<br />
11 Ijob 0,00–0,00
DAS BUCH IJOB<br />
Drei Freunde Ijobs hörten von all dem Unglück, das über ihn gekommen<br />
war, und ein jeder kam von seiner Heimat, Elifas aus Teman, Bildad aus<br />
Schuach und Zofar aus Naama. Sie verabredeten untereinander, hinzugehen,<br />
um ihm ihre Teilnahme zu bezeigen und ihn zu trösten. Als sie von<br />
fern auf blickten, erkannten sie ihn nicht. Sie erhoben ihre Stimme und begannen<br />
zu weinen, zerrissen alle ihr Obergewand und streuten Asche auf<br />
ihr Haupt gegen den Himmel. Sieben Tage und sieben Nächte saßen sie neben<br />
ihm auf der Erde und keiner sprach ein Wort zu ihm. Denn sie sahen,<br />
dass sein Schmerz übergroß war.<br />
II<br />
3<br />
Danach öffnete Ijob seinen Mund und verfluchte<br />
den Tag seiner Geburt.<br />
Ijob ergriff das Wort und sprach:<br />
›Vergehen soll der Tag, an dem ich geboren wurde,<br />
die Nacht, die sprach: Ein Knabe ist empfangen.<br />
Ja, dieser Tag, er werde Finsternis!<br />
Nicht sorge sich um ihn Gott droben,<br />
nicht leuchte über ihn des Tages Licht.<br />
Einfordern sollen ihn Finsternis und Dunkelheit,<br />
Gewölk soll über ihn sich lagern,<br />
schrecklich mache ihn Finsternis am Tag.<br />
Jene Nacht raffe das Dunkel hinweg.<br />
Nicht reihe sie sich in die Tage des Jahres<br />
und füge sich nicht in die Zahl der Monde!<br />
Ja, diese Nacht sei unfruchtbar,<br />
nicht steige ein Jubellaut in ihr auf!<br />
Verwünschen sollen sie die Verflucher der Tage,<br />
die es verstehn, Leviatan zu reizen.<br />
Verfinstert seien ihrer Dämmerung Sterne;<br />
Sie harre auf Licht, doch es gebe keins;<br />
die Wimpern der Morgenröte schaue sie nicht,<br />
weil sie nicht die Pforten des Mutterleibs schloss<br />
und nicht verbarg das Leid vor meinen Augen.<br />
Warum starb ich nicht vom Mutterschoß weg,<br />
trat aus dem Mutterleib und starb dahin?<br />
Warum kamen Knie mir entgegen<br />
und warum Brüste, dass ich daran sog?<br />
Dann läge ich jetzt still und hätte Ruhe,<br />
entschlafen wäre ich und hätte Frieden<br />
so gut wie Könige und Ratsherren im Land,<br />
die Grabkammern für sich eingerichtet,<br />
oder wie Fürsten, reich an Gold,<br />
die ihre Wohnungen mit Silber füllten.<br />
Wie die verscharrte Fehlgeburt wär’ ich,<br />
die nicht gelebt,<br />
wie Kinder, die das Licht noch nie geschaut.<br />
Dort stehen die Frevler ab von ihrem Grimm,<br />
dort finden Ruhe auch die Krafterschöpften.<br />
<strong>Die</strong> Gefangenen sind sorglos miteinander<br />
und hören nicht mehr die Stimme des Treibers.<br />
Der Arme und der Reiche sind dort gleich,<br />
der Sklave ist dort frei von seinem Herrn.<br />
Ijob 2,11–3,19<br />
12
<strong>Die</strong> Redewechsel mit den Freunden<br />
Warum gab er den Leidbeladenen Licht,<br />
verlieh das Leben den Verbitterten?<br />
Sie harren auf den Tod, der doch nicht kommt,<br />
und suchen ihn mehr als verborgene Schätze.<br />
Sie wären froh über einen Grabhügel<br />
und würden jauchzen, fänden sie ein Grab.<br />
(Warum solch ein Geschenk) dem Mann,<br />
der keinen Weg mehr sieht,<br />
den Gott von allen Seiten eingezäunt?<br />
Bevor ich noch esse, muss ich seufzen,<br />
wie Wasser strömen meine Klagen aus.<br />
Wovor mir bangte, das kam über mich,<br />
was ich befürchtet, traf mich auch.<br />
Ich finde keinen Frieden, keine Rast.<br />
Noch war ich nicht zur Ruhe gekommen,<br />
schon kam (neues) Unheil.‹<br />
4<br />
Da antwortete Elifas von Teman und sprach:<br />
›Wirst du verdrießlich, wenn wir zu dir sprechen?<br />
Doch wer vermag das Wort zurückzuhalten?<br />
Sieh doch, schon viele hast du aufgemuntert,<br />
und schlaffen Händen hast du Kraft verliehen.<br />
Dein Zuspruch stützte den, der strauchelte,<br />
du stärktest Wankenden die Knie.<br />
Nun kommt es über dich – da bist du mutlos.<br />
Da es auch dich erfasst, bist du bestürzt.<br />
Ist deine Gottesfurcht nicht deine Hoffnung<br />
und deine Zuversicht dein frommer Wandel?<br />
Bedenke doch! Wer ging wohl<br />
ohne Schuld zugrunde?<br />
Wo gingen Redliche einmal verloren?<br />
Soviel ich wahrnahm: <strong>Die</strong> Unrecht pflügten,<br />
und Mühsal säten, die ernteten es auch.<br />
Durch Gottes Atem gehen sie zugrunde<br />
und schwinden hin durch seines Zornes Hauch.<br />
Des Löwen Brüllen, des Leuen Knurren<br />
und der jungen Löwen Zähne werden enttäuscht.<br />
Der Löwe stirbt dahin aus Beutemangel,<br />
und es zerstreuen sich der Löwin Junge.<br />
Es stahl zu mir sich ein geheimes Wort,<br />
mein Ohr erfasste davon ein Geflüster.<br />
Im Grübeln und bei Nachtgesichten,<br />
wenn tiefer Schlaf den Menschen überfällt,<br />
traf mich Entsetzen und Erzittern<br />
und ließ erschaudern alle meine Glieder.<br />
13<br />
Ijob 3,12– 4,14
Ein Hauch glitt über mein Gesicht dahin,<br />
es sträubten sich die Haare meines Leibes.<br />
Es stand da – ich erkannt’ sein Aussehn nicht.<br />
Ein Wesen stand vor meinen Augen da,<br />
das Flüstern einer Stimme hörte ich:<br />
Ist wohl ein Mensch vor Gott gerecht?<br />
Ist rein ein Mann vor seinem Schöpfer?<br />
Selbst seinen <strong>Die</strong>nern traut er nicht,<br />
wirft seinen Boten noch den Irrtum vor.<br />
Wie erst jene, die im Lehmhaus wohnen,<br />
die auf den Staub gegründet sind,<br />
die man schneller noch zerdrückt als eine Motte!<br />
Vom Morgen bis zum Abend werden<br />
sie zerschlagen.<br />
Für immer gehen sie zugrunde,<br />
niemand denkt an sie.<br />
Wird ihnen dann der Zeltpflock ausgerissen,<br />
so sterben sie dahin und ohne Einsicht.‹<br />
5<br />
›Erheb die Stimme! Wer erteilt dir Antwort?<br />
An welchen Heiligen willst du dich wenden?<br />
Fürwahr, der Ärger mordet einen Toren,<br />
und einen Narren bringt der Eifer um.<br />
Ich selbst sah einen Toren Wurzel fassen;<br />
doch plötzlich sank sein Wohnsitz morsch dahin.<br />
Und fern vom Heil waren seine Söhne.<br />
Im Tor wurden ohne Anwalt sie zertreten.<br />
Was sie geerntet hatten, aß der Hungernde,<br />
noch aus Dornen holt er sich ’s heraus;<br />
es schnappten Durstige nach ihrem Gut.<br />
Denn aus der Erde geht kein Unheil auf,<br />
und aus dem Ackerboden sprosst kein Leid,<br />
sondern der Mensch ist zum Unglück geboren,<br />
wie Feuerfunken sich im Flug erheben.<br />
Doch ich – ich würde Gott befragen,<br />
Gott meine Sache unterbreiten,<br />
der Großes schafft und Unerforschliches<br />
und Wunderbares ohne Zahl,<br />
der Regen spendet über die Erde hin<br />
und Wasser sendet auf die weiten Fluren,<br />
der Niedrige erhebt,<br />
und Trauernde das höchste Glück erfahren lässt,<br />
der zunichte macht die Pläne der Schlauen,<br />
dass ihren Händen kein Erfolg beschieden ist,<br />
der Weise fängt in ihrer eignen List,<br />
dass der Verschlagnen Plan sich überstürzt.<br />
Bei Tag stoßen sie auf Finsternis<br />
und tasten wie bei Nacht umher am Mittag.<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
14
DAS BUCH IJOB<br />
Er rettet vor dem Schwert ihres Mundes<br />
und aus der Hand des Mächtigen den Armen.<br />
So blüht dem Armen eine Hoffnung auf;<br />
die Bosheit aber muss den Mund verschließen.<br />
Ja, glücklich ist der Mann, den Gott zurechtweist.<br />
Verschmähe nicht die Zucht des Allmächtigen!<br />
Denn wenn er verwundet, dann verbindet er auch;<br />
wenn er zerschmettert, heilen seine Hände.<br />
In Ängsten wird er sechsmal dich erretten,<br />
und beim siebten Mal packt das Leid dich nicht.<br />
In Hungersnot erlöst er dich vom Tode,<br />
zur Zeit des Krieges aus der Hand des Schwertes.<br />
Du bist geborgen vor der Zunge Geißel;<br />
naht sich der Räuber, brauchst du<br />
nicht zu fürchten.<br />
Du spottest über Verwüstung und Hunger;<br />
die wilden Tiere können dich nicht schrecken.<br />
Mit den Steinen des Feldes stehst du im Bunde,<br />
und das Getier des Feldes lebt mit dir im Frieden.<br />
Du wirst erfahren: in Frieden bleibt dein Zelt,<br />
wirst mustern deine Flur und nichts vermissen.<br />
Du wirst erleben, wie sich deine<br />
Nachkommenschaft mehrt,<br />
und deine Sprösslinge wie das Gras der Erde.<br />
Im reifen Alter steigst du ins Grab,<br />
wie man zu ihrer Zeit die Garben sammelt.<br />
Sieh, dieses haben wir erforscht: so ist es.<br />
Wir haben es gehört. Du aber merk es dir!‹<br />
6<br />
Da antwortete Ijob und sprach:<br />
›Wenn doch mein Ärger gewogen werden könnte<br />
und zugleich mein Unglück auf der Waage läge!<br />
Dann wäre es schwerer als der Sand des Meeres.<br />
Darum verwirren sich meine Worte.<br />
<strong>Die</strong> Pfeile des Allmächtigen stecken in mir.<br />
Es hat mein Geist ihr Gift getrunken.<br />
<strong>Die</strong> Schrecken Gottes stehen gegen mich.<br />
Schreit denn der wilde Esel beim Gras?<br />
Und brüllt vor seinem Futter der Stier?<br />
Wird etwa Fades ohne Salz gegessen?<br />
Ist denn am Schleim des Dotters Wohlgeschmack?<br />
Ich sträube mich, daran zu rühren,<br />
mich ekelt vor so widerlicher Speise.<br />
15 Ijob 0,00–0,00
Dass doch mein Verlangen sich erfüllte,<br />
und Gott gewährte, was ich mir ersehne!<br />
Gefiele es doch Gott, mich zu zermalmen!<br />
Erhöb’ er seine Hand, mich abzuschneiden!<br />
Es würde das mein Trost noch bleiben.<br />
Auf hüpfen würd’ ich trotz des schonungslosen<br />
Schmerzes,<br />
dass ich des Heiligen Worte nicht verleugnet.<br />
Wo ist denn meine Kraft, um auszuharren?<br />
Wann kommt mein Ende, dass ich mich gedulde?<br />
Ist meine Kraft denn eine Felsenkraft?<br />
Ist denn mein Leib aus hartem Erz geformt?<br />
Gibt es denn keine Hilfe mehr für mich?<br />
Und ist denn jede Rettung mir entschwunden?<br />
Dem Nächsten Mitleid zu verweigern,<br />
das heißt die Furcht des Allmächtigen<br />
von sich zu werfen.<br />
Es täuschten meine Brüder wie ein Bach,<br />
so wie das Bett von Bächen, die vergehen.<br />
Vom Eis sind ihre Wasser trübe<br />
und von geschmolznem Schnee.<br />
Zur Zeit der Hitze müssen sie vergehen.<br />
Wird ’s heiß, versiegen sie in ihrem Bett.<br />
<strong>Die</strong> Karawanen biegen ab vom Weg,<br />
folgen ihnen in die Wüste, geh’n zugrunde.<br />
Nach ihnen spähen Temas Karawanen,<br />
auf sie vertrauen Sabas Handelszüge.<br />
In ihrer Hoffnung werden sie betrogen,<br />
bei ihnen angekommen, werden sie enttäuscht.<br />
So seid ihr jetzt für mich geworden;<br />
ihr schaut das Schreckliche und fürchtet euch.<br />
Hab’ ich denn je gebeten: Schenkt mir etwas,<br />
von euerem Reichtum spendet was für mich,<br />
befreit mich aus der Hand des Feindes,<br />
aus der Tyrannen Hand kauft mich doch los?<br />
Belehrt mich, so will ich schweigen!<br />
Was ich gefehlt, das macht mir kund!<br />
Wie werden offene Worte nur verhöhnt!<br />
Und was vermag denn euer Tadeln?<br />
Gedenkt ihr Worte nur zu tadeln?<br />
Sind Wind die Worte des Verzweifelten?<br />
Selbst über eine Waise würfet ihr das Los<br />
und würdet eueren Freund verschachern.<br />
Nun habt die Güte, wendet euch mir zu,<br />
ich lüge euch gewiss nicht ins Gesicht.<br />
Kehrt wieder um! Kein Unrecht soll geschehen.<br />
Kehrt wieder um! Mein Recht besteht noch immer.<br />
Ist Unrecht denn auf meiner Zunge,<br />
oder schmeckt mein Gaumen das Verderben nicht?‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
16
DAS BUCH IJOB<br />
7<br />
›Ist Frondienst nicht des Menschen Los auf Erden?<br />
Sind seine Tage nicht wie die des Tagelöhners?<br />
Wie einem Sklaven, der nach Schatten lechzt,<br />
wie einem Tagelöhner, der den Lohn erwartet,<br />
so wurden Monde voll Enttäuschung mir zum Erbe,<br />
und Nächte voller Qualen teilte man mir zu.<br />
Lege ich mich nieder, denke ich:<br />
Wann kann ich aufstehen?<br />
Und wird es Abend, bin ich erfüllt mit Unrast<br />
bis zur Dämmerung.<br />
Mein Leib hüllt sich in Maden und in Schorf,<br />
die Haut schrumpft mir zusammen und sie eitert.<br />
<strong>Die</strong> Tage sind mir schneller als das Weberschiffchen<br />
sie schwinden ohne Hoffnung hin.<br />
Bedenke, dass mein Leben nur ein Hauch ist.<br />
Nie wieder schaut mein Auge Glück.<br />
Mich sieht keines Menschen Auge wieder,<br />
suchen deine Augen mich, so bin ich nicht mehr da.<br />
<strong>Die</strong> Wolke schwindet, flieht dahin;<br />
so steigt nicht wieder auf, wer in die Unterwelt<br />
hinabfuhr.<br />
Nie kehrt er in sein Haus zurück;<br />
nie sieht ihn seine Heimat wieder.<br />
Auch ich will meinem Mund nicht wehren,<br />
will reden in den Ängsten meines Geistes,<br />
will klagen in den Qualen meiner Seele.<br />
Bin ich das Meer, der Meeresdrache,<br />
dass du gegen mich eine Wache stellst?<br />
Denke ich: Mein Lager soll mich trösten,<br />
mein Bett an meinem Jammer tragen helfen,<br />
dann schreckst du mich durch Träume,<br />
und durch Gesichte jagst du mich in Angst.<br />
Ich möchte die Erdrosselung mir wünschen:<br />
der Tod ist lieber mir als meine Schmerzen.<br />
Schon schwinde ich hin; nicht ewig kann ich leben.<br />
Lass ab von mir, denn nur ein Hauch<br />
sind meine Tage.<br />
Was ist der Mensch, dass du so hoch ihn achtest<br />
und dich um ihn bekümmerst,<br />
dass du ihn aufsuchst jeden Morgen<br />
und jeden Augenblick ihn prüfst?<br />
Wie lange schon schaust du nicht weg von mir?<br />
Du gibst mir keine Ruh’, dass ich<br />
den Speichel schlucke.<br />
17 Ijob 0,00–0,00
8<br />
Da antwortete Bildad von Schuach und sprach:<br />
›Wie lange noch willst du so reden?<br />
Ein wilder Sturm sind deines Mundes Worte.<br />
Beugt etwa Gott das Recht?<br />
Beugt der Allmächtige denn die Gerechtigkeit?<br />
Haben deine Söhne gegen ihn gesündigt,<br />
gab er sie ihrem eigenen Frevel preis.<br />
Wenn du selbst nach Gott suchst<br />
und zum Allmächtigen um Gnade flehst,<br />
wenn du lauter bist und redlich,<br />
dann hält er Wache über dich<br />
und stellt dein Heim gebührend wieder her.<br />
Wäre auch dein erstes Glück gering gewesen,<br />
dein Ende wäre groß und herrlich.<br />
Denn frage nur das frühere Geschlecht,<br />
und merke dir, was ihre Väter forschten.<br />
Wir sind von gestern nur und wissen nichts.<br />
Wie Schatten sind auf Erden unsre Tage.<br />
Hab’ ich gefehlt, was tat ich dir, du Menschenprüfer?<br />
Was machst du mich zum Ziele deines Angriffs,<br />
und warum wurd’ ich dir zur Last?<br />
Warum verzeihst du meine Sünde nicht,<br />
siehst über meine Schuld nicht weg?<br />
Denn legte ich mich nieder in den Staub<br />
und suchtest du nach mir, ich wäre<br />
nicht mehr da.‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
18
DAS BUCH IJOB<br />
Lehren sie dich etwa nicht und sprechen nicht zu dir,<br />
und bringen sie aus ihrem Wissen<br />
keinen Spruch hervor:<br />
Schießt denn das Schilfrohr ohne Sumpf empor?<br />
Wächst denn das Riedgras ohne Wasser auf?<br />
Noch ist ’s in Blüte, für den Schnitt nicht reif,<br />
und doch verdorrt es schon vor allen Gräsern.<br />
So geht es allen, die Gott vergessen.<br />
Zunichte wird des Gottlosen Erwartung.<br />
Nur Sommerfäden bilden seine Hoffnung,<br />
ein Spinngewebe seine Zuversicht.<br />
Er stützt sich auf sein Haus, es hält nicht stand;<br />
er greift danach, doch bleibt es nicht bestehen.<br />
Im Sonnenlichte steht er voller Saft,<br />
den Garten überwuchern seine Sprossen.<br />
Im Steingeröll verflechten seine Wurzeln sich;<br />
zwischen Steinen hält er sich fest.<br />
Entreißt man ihn von seiner Stätte,<br />
verleugnet sie ihn: Niemals sah ich dich.<br />
Fürwahr, so wird er auf dem Weg verkommen,<br />
und Fremde sprossen aus dem Boden auf.<br />
Sieh, Gott verwirft den Frommen nicht,<br />
noch hält er fest die Hand der Übeltäter.<br />
Mit Lachen wird er deinen Mund noch füllen<br />
und deine Lippen mit Jubelsang.<br />
Doch die dich hassen, kleiden sich in Schande;<br />
das Zelt der Übeltäter wird verschwinden.‹<br />
9<br />
Da antwortete Ijob und sprach:<br />
›Wahrhaftig, ich weiß, dass es so ist.<br />
Wie wäre ein Mensch vor Gott im Recht?<br />
Selbst wenn er mit ihm rechten wollte,<br />
auf keins von tausend könnte er ihm Rede stehen.<br />
Klug ist er an Verstand und stark an Kraft.<br />
Wer könnte ihm trotzen und blieb heil dabei?<br />
<strong>Die</strong> Berge rückt er fort, sie merken es nicht,<br />
dass er in seinem Zorn sie umstürzt.<br />
Er erschüttert die Erde an ihrer Stätte,<br />
und ihre Säulen wanken hin und her.<br />
Er spricht zur Sonne und sie geht nicht auf,<br />
verschließt die Sterne unter seinem Siegel.<br />
Er spannt allein den Himmel aus<br />
und schreitet dahin auf den Wogen des Meeres.<br />
Er schuf den Bären, den Orion,<br />
auch die Plejaden und des Südens Kammern.<br />
Er schuf so Großes, Unerforschliches,<br />
Wunderbares ohne Zahl.<br />
Geht er an mir vorbei, seh’ ich ihn nicht;<br />
fährt er daher, bemerke ich ihn nicht.<br />
Rafft er hinweg, wer kann ihm wehren?<br />
19 Ijob 0,00–0,00
Wer darf ihm sagen: Was beginnst du da?<br />
Nie widerruft Gott seine Zornesstrafe;<br />
selbst Rahabs Helfer müssten unter ihm sich beugen.<br />
Wie könnte ich ihm Antwort stehen,<br />
auswählen meine Worte gegen ihn?<br />
Wär’ ich im Recht, ich könnte nichts erwidern;<br />
zu meinem Richter müsste ich um Gnade flehen.<br />
Doch wenn ich riefe, würde er mir Antwort geben?<br />
Ich glaube nicht, dass er auf meine Stimme hört.<br />
Er tritt im Sturm mich nieder,<br />
mehrt grundlos meine Wunden.<br />
Er lässt mich nicht zu Atem kommen,<br />
er sättigt mich vielmehr mit Bitterkeiten.<br />
Geht es um Kraft, er ist der Starke,<br />
geht es um ’s Recht, wer lädt ihn vor?<br />
Wär’ ich im Recht, sein Mund<br />
kann mich verdammen,<br />
und wär’ ich schuldlos, spräche er mich schuldig.<br />
Unschuldig bin ich, doch kümmre ich<br />
mich nicht mehr um mein Leben,<br />
mein Dasein achte ich gering.<br />
Nur eins ist wahr, darum sprech’ ich es aus:<br />
Unschuldige und Frevler rafft er hin.<br />
Wenn er mit seiner Geißel plötzlich tötet,<br />
dann spottet er über der Schuldlosen Angst.<br />
<strong>Die</strong> Erde ist in Frevlerhände gegeben;<br />
das Gesicht ihrer Richter verhüllt er.<br />
Ist er es nicht, wer ist es dann?<br />
Schneller als ein Läufer eilen meine Tage;<br />
sie schwinden hin und schauen doch kein Glück.<br />
Sie gleiten schnell wie Binsennachen hin;<br />
gleichwie der Adler, der auf Beute stößt.<br />
Denke ich: Vergessen will ich meinen Jammer,<br />
meine Miene ändern, wieder heiter schauen,<br />
so graut es mir vor allen meinen Schmerzen.<br />
Ich weiß es doch, du sprichst mich niemals frei.<br />
Ich muss nun einmal schuldig sein.<br />
Weshalb soll ich vergeblich mich bemühen?<br />
Wenn ich auch mit Schnee mich waschen wollte<br />
und meine Hände reinigen mit Lauge,<br />
dann würdest du mich doch in Unrat tauchen,<br />
dass meine Kleider vor mir Ekel hätten.<br />
Er ist kein Mensch wie ich, dass ich<br />
ihm sagen könnte:<br />
Lasst uns zusammen zum Gerichte gehen!<br />
Es gibt doch keinen Schiedsmann zwischen uns,<br />
der auf uns beide legte seine Hand.<br />
Er würde seinen Stock von mir entfernen,<br />
dass seine Schrecken mich nicht weiter quälten.<br />
Dann wollt’ ich reden, ohne ihn zu fürchten.<br />
Doch das ist nicht der Fall bei mir.‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
20
DAS BUCH IJOB<br />
10<br />
›Es ekelt mich vor meinem eigenen Leben,<br />
ich lasse meiner Klage freien Lauf,<br />
will aus der Trübsal meiner Seele reden.<br />
Beschwören will ich Gott: Verdamm mich nicht!<br />
Lass wissen mich, warum du mich befehdest!<br />
Bringt ’s einen Nutzen dir, wenn du<br />
Gewalt gebrauchst,<br />
wenn du verschmähst das Kunstwerk deiner Hände,<br />
doch über dem Plan der Sünder strahlend<br />
sichtbar wirst?<br />
Sind deine Augen denn aus Fleisch gebildet,<br />
und siehst du so, wie Menschenaugen sehen?<br />
Sind Menschentagen deine Tage gleich<br />
und deine Jahre wie des Mannes Tage,<br />
dass du nach meiner Sünde suchst<br />
und nur um meine Schuld dich kümmerst,<br />
obschon du weißt, dass ich kein Sünder bin<br />
und niemand mich aus deiner Hand befreit?<br />
Mich formten und erschufen deine Hände;<br />
nun willst du – anderen Sinnes – mich vernichten.<br />
Gedenke doch, dass du aus Ton mich formtest.<br />
Nun willst du wieder mich in Staub verwandeln.<br />
Hast du mich nicht wie Milch einst ausgegossen<br />
und mich wie Käse fest gerinnen lassen?<br />
Bekleidet hast du mich mit Haut und Fleisch,<br />
mit Knochen und mit Sehnen mich durchflochten.<br />
Auch hast du Leben mir verlieh’n und Huld.<br />
Es schützte deine Obhut meinen Geist.<br />
Und doch verbargst du dies in deinem Herzen;<br />
ich weiß, du hattest dies im Sinn.<br />
Wenn ich gesündigt, lauerst du mir auf,<br />
willst mich von meiner Sünde nicht befreien.<br />
Wenn ich schuldig wäre, wehe mir!<br />
Wäre ich gerecht, ich dürfte nicht<br />
mein Haupt erheben,<br />
von Schmach gesättigt und getränkt mit Elend.<br />
21 Ijob 0,00–0,00
11<br />
Da entgegnete Zofar aus Naama und sprach:<br />
›Soll dieser Wortschwall keine Antwort finden?<br />
Soll denn ein solcher Maulheld Recht behalten?<br />
Dein Geschwätz lässt Männer schweigen;<br />
du höhnst und keiner wagt zu widersprechen.<br />
Du sagtest also: Rein ist meine Lehre,<br />
und lauter war ich stets in deinen Augen.<br />
Indessen, wollte Gott doch einmal reden<br />
und seine Lippen öffnen gegen dich!<br />
Er würde dich der Weisheit Tiefen lehren,<br />
die wie ein Wunder dem Verstande sind.<br />
Und wisse: Gott zieht deine Schuld<br />
zur Rechenschaft!<br />
Kannst du den Urgrund Gottes denn erforschen,<br />
bis zur Vollkommenheit des Allmächtigen gelangen?<br />
Höher als der Himmel ist sie – was willst<br />
du beginnen?<br />
Tiefer als die Unterwelt – was kannst du wissen?<br />
Nach ihrem Maße länger als die Erde<br />
und breiter ist sie als das Meer.<br />
Fährt er daher und nimmt gefangen<br />
und überliefert dem Gericht – wer wird ihm wehren?<br />
Er kennt die Menschen voller Falschheit<br />
und sieht die Sünde, nimmt sie wahr.<br />
Erhebe ich es doch, jagst du mich wie ein Löwe,<br />
betätigst deine Wundermacht an mir,<br />
stellst neue Zeugen gegen mich auf<br />
und mehrest deinen Ingrimm gegen mich,<br />
stets frische Truppen kämpfen<br />
unablässiggegen mich.<br />
Weshalb zogst du mich aus dem Mutterschoß?<br />
Wär’ ich gestorben, ehe mich ein Auge sah!<br />
Wie wenn ich nie gewesen, wär’ ich dann.<br />
Vom Mutterschoß wär’ ich zum Grab getragen.<br />
Sind nicht gering die Tage meines Lebens?<br />
Blick weg von mir, dass ich mich etwas freue,<br />
bevor ich fortgeh’ ohne Wiederkehr<br />
ins Land des Dunkels und des Schattens,<br />
ins Land der Finsternis, wo keine Ordnung,<br />
wo, wenn es leuchtet, ist ’s wie tiefe Nacht!‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
22
DAS BUCH IJOB<br />
Da kommt sogar ein Hohlkopf zur Besinnung,<br />
ein unbändiger Wildesel wird zahm.<br />
Wenn du dein Inneres bereitest<br />
und deine Hände zu ihm breitest,<br />
Wenn du aus deiner Hand das Unrecht fortschaffst,<br />
der Frevel nicht in deinem Zelte wohnt,<br />
ja, dann kannst du dein Haupt auch rein erheben,<br />
stehst fest gesichert, brauchst dich nicht zu fürchten.<br />
Denn dann wirst du das Ungemach vergessen<br />
und denkst daran wie an verlaufne Wasser.<br />
Dann strahlt dein Leben heller als der Mittag,<br />
die Dunkelheit wird wie der Morgen sein.<br />
Du fühlst dich sicher, da die Hoffnung bleibt,<br />
bist wohlbeschirmt und legst dich ruhig schlafen.<br />
Willst du dich lagern, niemand schreckt dich auf.<br />
Doch viele sind ’s, die dein Gesicht umschmeicheln.<br />
Indes, der Frevler Augen schmachten hin;<br />
ihr Zufluchtsort geht ihnen dann verloren;<br />
ihr Hoffen ist, das Leben auszuhauchen.‹<br />
12<br />
Darauf erwiderte Ijob und sprach:<br />
›Wahrhaftig, ihr seid doch die rechten Leute.<br />
<strong>Die</strong> Weisheit wird mit euch noch untergehen.<br />
Ich habe auch Verstand wie ihr,<br />
nicht steh’ ich hinter euch zurück.<br />
Wer wüsste wohl dergleichen nicht?<br />
Ein Mann wird zum Gespött für seine Freunde,<br />
wenn er Gott anruft, dass er ihn erhört.<br />
Zum Spottlied wird der Fromme, der Gerechte!<br />
Dem Unglück Hohn! So denkt, wer ohne Sorge ist.<br />
Bereit ist er für solche, deren Füße wanken.<br />
Gesichert sind der Räuber Zelte<br />
und derer, die Gott reizen, voller Zuversicht,<br />
die Gott in ihre Hände bringen.<br />
Doch frage nur das Vieh, es wird dich lehren;<br />
des Himmels Vögel werden es dir künden.<br />
Das Wild wird dich belehren,<br />
erzählen werden ’s dir des Meeres Fische.<br />
Wer kann aus alledem es nicht erkennen,<br />
dass Gottes Hand all dies geschaffen hat?<br />
In seiner Hand ruht aller Lebensatem<br />
und eines jeden Menschenleibes Geist.<br />
Darf nicht das Ohr die Worte prüfen,<br />
gleichwie der Gaumen auch die Speisen kostet?<br />
<strong>Die</strong> Weisheit hält sich nicht bei Greisen auf,<br />
ein langes Leben gibt noch keine Einsicht.<br />
23 Ijob 0,00–0,00
Bei ihm (allein) ist Weisheit und auch Heldenkraft;<br />
bei ihm verweilen Rat und Einsicht.<br />
Was er zerstört, wird nicht mehr aufgebaut;<br />
und wen er einschließt, dem wird nicht geöffnet.<br />
Wenn er die Wasser hemmt, versiegen sie;<br />
lässt er sie frei, durchwühlen sie das Erdreich.<br />
Verstand und Einsicht sind ihm eigen,<br />
sein ist der Irrende und der Verführer.<br />
<strong>Die</strong> Ratsherrn lässt er töricht sein<br />
und macht zu Toren noch die Richter.<br />
Er löst die Fesseln los von Königen<br />
und bindet einen Strick um ihre Hüften.<br />
<strong>Die</strong> Priester lässt er barfuß gehen,<br />
und nieder wirft er Mächtige.<br />
<strong>Die</strong> Sprache nimmt er den Bewährten fort,<br />
und den Verstand entzieht er auch den Greisen.<br />
Er gießt Verachtung auf die Edlen aus,<br />
den Starken lockert er die Gürtel auf.<br />
Verborgenes enthüllt er aus dem Dunkel<br />
und zieht die Todesschatten an das Licht.<br />
Er hebt die Völker und vernichtet sie,<br />
er breitet Völker aus, dann wischt er sie hinweg.<br />
Des Landes Führern nimmt er den Verstand,<br />
lässt sie in wegeloser Wüste irren.<br />
Sie tappen ohne Licht im Dunkel vorwärts,<br />
und taumeln wie Betrunkene dahin.‹<br />
13<br />
›Seht! All das hat mein Auge wahrgenommen,<br />
mein Ohr gehört und es sich wohl gemerkt.<br />
Was ihr wisst, weiß ich auch;<br />
ich stehe euch nicht nach.<br />
Doch ich will zum Allmächtgen reden;<br />
mein Wunsch ist es, mich Gott gegenüber<br />
zu verteidigen.<br />
Ihr aber, ihr seid doch nur Lügentüncher,<br />
nur Ärzte, die nichts taugen, allesamt.<br />
Dass ihr doch endlich schweigen wolltet!<br />
Es würde euch als Weisheit gelten.<br />
Hört nur meinen Rechtsbeweis,<br />
merkt auf das Streiten meiner Lippen!<br />
Wollt ihr zu Gunsten Gottes Falsches reden<br />
und seinetwegen Lügen sprechen?<br />
Wollt ihr für ihn Partei ergreifen,<br />
vielleicht für Gott als Anwalt streiten?<br />
Erging es euch wohl gut, wenn er euch prüfte?<br />
Wollt ihr ihn täuschen, wie man Menschen täuscht?<br />
In harte Zucht wird er euch nehmen,<br />
wenn im Geheimen ihr parteiisch seid.<br />
Wird seine Hoheit euch nicht schrecken<br />
und nicht die Angst vor ihm euch überfallen?<br />
Es sind doch euere Sprüche Staub,<br />
Lehmschanzen nur sind euere Schanzen.<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
24
DAS BUCH IJOB<br />
Schweigt vor mir, auf dass ich reden kann!<br />
Dann komme über mich, was kommen mag.<br />
Mein Fleisch will ich in meinen Zähnen tragen;<br />
mein Leben nehme ich in meine Hand.<br />
Er töte mich! Ich warte schon auf ihn.<br />
Doch meinen Wandel leg’ ich vor ihm dar.<br />
Schon das muss mir zu meiner Rettung dienen;<br />
denn vor sein Antlitz kann kein Frevler treten.<br />
Wollt doch genau auf meine Worte hören,<br />
in euere Ohren dringe meine Kunde!<br />
Seht doch, ich bringe meinen Rechtsfall vor.<br />
Ich weiß, dass ich im Rechte bin.<br />
Wer ist es, der mit mir zum Rechtsstreit kommt?<br />
Denn dann verstummte ich und stürbe.<br />
Nur zweierlei tu mir nicht an,<br />
dann werde ich mich nicht vor dir verbergen:<br />
Zieh deine Hand von mir zurück,<br />
nicht soll die Angst vor dir mich schrecken.<br />
Dann lade vor und ich will Antwort stehen;<br />
will ich dann sprechen, so entgegne du.<br />
Wie groß sind meine Sünden und Vergehen?<br />
Tu meine Schuld und Missetat mir kund!<br />
Warum verhüllst du denn dein Angesicht<br />
und wertest mich als einen Feind für dich?<br />
Willst du verwehtes Laub aufscheuchen<br />
und dürre Stoppeln noch verfolgen?<br />
Denn du hast Bitterkeiten mir verschrieben,<br />
teilst mir die Sünden meiner Jugend zu.<br />
Meine Füße hast du in den Block gelegt,<br />
bewachst auch alle meine Pfade<br />
und zeichnest einen Strich um meiner Füße Sohlen.<br />
Wie ein vermodernd Holz zerfällt mein Leben<br />
und wie ein Kleid, an dem die Motten nagen.‹<br />
25 Ijob 0,00–0,00
14<br />
›Der Mensch, von der Frau geboren,<br />
an Tagen arm, mit Sorgen nur gesättigt,<br />
wie eine Blume blüht er und verwelkt,<br />
entflieht dem Schatten gleich, bleibt nicht bestehen.<br />
Auch hältst du über ihm dein Auge offen<br />
und bringst ihn gar vor deinen Richterstuhl.<br />
Kann denn ein Reiner von Unreinem kommen?<br />
Auch nicht ein einziger!<br />
Wenn fest bestimmt sind seine Tage<br />
und seiner Monde Zahl bei dir,<br />
wenn du ihm ein Ziel gesetzt, das er<br />
nicht überschreite,<br />
schau weg von ihm und lass ihn nur,<br />
damit er wie ein Lohnknecht seines Tags sich freue.<br />
Denn für den Baum besteht noch eine Hoffnung;<br />
er treibt empor, auch wenn er abgehauen;<br />
sein Schössling bleibt nicht aus.<br />
Wenn seine Wurzel in der Erde altert,<br />
und selbst sein Stumpf im Boden stirbt,<br />
schon vom Geruch des Wassers wird er sprossen<br />
und treibt Gezweig dem Setzling gleich hervor.<br />
Der Mann dagegen stirbt und sinkt dahin,<br />
der Mensch verscheidet. – Doch wo bleibt er dann?<br />
<strong>Die</strong> Wasser schwinden aus dem Meer,<br />
der Fluss vertrocknet und versiegt.<br />
So legt der Mensch sich hin und steht nicht auf;<br />
die Himmel werden untergehen, eh’ er erwacht,<br />
eh’ er aus seinem Schlaf geweckt wird.<br />
Dass du mich verstecktest in der Unterwelt,<br />
mich bergen wolltest, bis dein Zorn sich wendet,<br />
mir setztest eine Frist und mein gedächtest!<br />
Stirbt ein Mensch, lebt er dann wieder auf?<br />
All meine <strong>Die</strong>nstzeit wollt’ ich gerne warten,<br />
bis einer käme, um mich abzulösen.<br />
Du würdest rufen und ich gäbe Antwort.<br />
Sehnsucht hättest du nach deiner Hände Werk.<br />
Du würdest meine Schritte zählen,<br />
nicht mehr wachen über meinen Fehltritt.<br />
Versiegelt läg’ im Beutel mein Vergehen;<br />
du würdest meinen Frevel übertünchen.<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
26
DAS BUCH IJOB<br />
15<br />
Da entgegnete Elifas von Teman und sprach:<br />
›Antwortet denn ein Weiser nur mit<br />
windigem Wissen?<br />
Füllt er sein Inneres mit Ostwind an,<br />
zu rechten mit Gerede, das nicht taugt,<br />
mit Worten, welche keinen Nutzen schaffen?<br />
Du brichst sogar die Gottesfurcht,<br />
zerstörst vor Gott die Andachtsstille.<br />
Doch deine Schuld macht deinen Mund beredt;<br />
die Sprache der Listigen hast du gewählt.<br />
Nicht ich, dein eigner Mund verurteilt dich,<br />
und deine Lippen zeugen gegen dich.<br />
Bist du als erster Mensch geboren?<br />
Kamst du zur Welt schon vor den Hügeln?<br />
Hast du gelauscht in Gottes Ratsversammlung?<br />
Hast du die Weisheit ganz an dich gerissen?<br />
Was weißt denn du, das wir nicht selber wissen,<br />
verstehst du, was man nicht auch uns gegeben?<br />
Bei uns verweilen Alte und Ergraute,<br />
die älter sind an Tagen als dein Vater.<br />
Ist zu gering dir Gottes Tröstung,<br />
das Wort, das sanft mit dir verfährt?<br />
Was reißt dein Herz dich fort,<br />
und warum rollen deine Augen,<br />
dass gegen Gott du deinen Zorn gewandt<br />
und Lästerungen ausstößt gegen ihn?<br />
Jedoch ein Berg wird einmal fallen,<br />
ein Felsblock rückt von seiner Stelle,<br />
Wasser wäscht die Steine aus,<br />
Platzregen schwemmt das Erdreich fort,<br />
so rottest du des Menschen Hoffnung aus.<br />
Für immer schlägst du ihn zu Boden – er geht dahin,<br />
entstellst sein Angesicht und schickst ihn fort.<br />
Sind seine Kinder auch geehrt, er weiß es nicht;<br />
sind sie verachtet, er bemerkt es nicht.<br />
Sein Leib empfindet nur die eigenen Schmerzen,<br />
es trauert seine Seele einzig um sich selbst.‹<br />
27 Ijob 0,00–0,00
Was ist der Mensch, dass rein er wäre,<br />
der von der Frau Geborene, dass er im Recht<br />
sein könnte?<br />
Sieh doch, selbst seinen Heiligen traut er nicht,<br />
der Himmel ist nicht (einmal) rein in seinen Augen.<br />
Viel weniger ein ganz Verdorbener,<br />
ein Mensch, der Sünde trinkt wie Wasser!<br />
Ich will dir künden, höre du mir zu!<br />
Was ich geschaut, will ich erzählen,<br />
was weise Menschen zu verkünden wissen<br />
und ihre Väter ihnen nicht verhehlten.<br />
Das Land ward ihnen nur allein gegeben;<br />
kein Fremdling zog umher in ihrer Mitte.<br />
Der Frevler leidet Qualen alle Tage,<br />
die Zeit, die dem Tyrannen zugeteilt.<br />
In seinen Ohren hallen Schreckensrufe,<br />
in Friedenszeit kommt der Verwüster über ihn.<br />
Er kann nicht hoffen, aus dem Dunkel zu entfliehen;<br />
denn er ist ausersehen für das Schwert.<br />
Er ist bestimmt zum Fraß des Geiers;<br />
er weiß, dass ihn ein schwarzer Tag bedroht.<br />
Ihn schrecken Not und Drangsal auf;<br />
sie packen ihn gleichwie ein kampf bereiter König.<br />
Denn gegen Gott erhob er seine Hand,<br />
vor dem Allmächtigen war er so kühn zu trotzen.<br />
Er rannte gegen ihn mit steifem Nacken<br />
und mit den festen Buckeln seiner Schilde.<br />
Mit Fett bedeckt er sein Gesicht,<br />
setzt Fett an seinen Hüften an,<br />
wohnt in zerstörten Städten,<br />
in Häusern, die nicht mehr bewohnbar sind,<br />
bestimmt nur noch zu Trümmerstätten.<br />
Er bleibt nicht reich, sein Gut hat nicht Bestand;<br />
und auf die Erde wirft er keinen Schatten mehr.<br />
Der Finsternis entrinnt er nicht,<br />
die Flammenglut dörrt seinen Schössling aus,<br />
und durch den Wind fällt seine Blüte ab.<br />
Er baue nicht auf eitlen Trug,<br />
denn sein Erwerb wird nur Enttäuschung sein.<br />
Bevor sein Tag gekommen ist, wird<br />
seine Ranke welken,<br />
und seine Zweige werden nicht mehr grünen.<br />
Er stößt die sauren Trauben wie ein Weinstock ab,<br />
wirft wie der Ölbaum seine Blüten fort.<br />
Unfruchtbar ist der Frevler Sippe,<br />
des Unrechts Zelte zehrt das Feuer auf.<br />
Von Mühsal schwanger, bringen sie nur Unheil,<br />
ihr Schoß kann Lüge nur erzeugen.‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
28
DAS BUCH IJOB<br />
16<br />
Darauf entgegnete Ijob und sprach:<br />
›Dergleichen habe ich genug gehört.<br />
Elende Tröster seid ihr allesamt.<br />
Gibt es für eitle Reden denn kein Ende?<br />
Was reizte dich, mir zu entgegnen?<br />
Auch ich verstände es, wie ihr zu reden.<br />
Wärt ihr doch erst an meiner Stelle,<br />
ich könnte euch mit Worten überhäufen<br />
und über euch das Haupt schon schütteln.<br />
Ich wollte euch mit meinen Worten stärken,<br />
das Beileid meiner Lippen blieb nicht aus.<br />
Wenn ich auch reden würde,<br />
so wiche nicht mein Schmerz von mir.<br />
Und schwiege ich, so hörte er nicht auf?<br />
Jetzt aber hat es mich erschöpft,<br />
den Kreis der Freunde hast du mir verstört<br />
und mich gepackt.<br />
Zum Zeugen gegen mich tritt auf<br />
mein Verfall, um auszusagen gegen mich.<br />
Sein Zorn zerreißt mich und befehdet mich,<br />
mit seinen Zähnen knirscht er gegen mich,<br />
mein Gegner schärft sein Auge gegen mich.<br />
Sie sperren gegen mich ihr Maul auf,<br />
und schmählich schlagen sie auf meine Wange.<br />
Sie rotten sich zusammen gegen mich.<br />
Gott liefert mich den Ungerechten aus<br />
und lässt mich in die Hand der Frevler fallen.<br />
Ich lebte glücklich, da zerbrach er mich,<br />
er packte mich im Nacken und zerschlug mich,<br />
er stellte mich zum Zielpunkt auf für sich.<br />
Es schwirren seine Pfeile rings um mich,<br />
und schonungslos durchbohrt er meine Nieren;<br />
er schüttet meine Galle aus zur Erde.<br />
Er reißt in mir nun Bresche über Bresche,<br />
und wie ein Krieger stürmt er gegen mich.<br />
Um meine Haut hab ich ein Trauerkleid genäht<br />
und in den Staub hinab mein Haupt gesenkt.<br />
Gerötet ist mein Angesicht vom Weinen,<br />
und Todesschatten ruht auf meinen Wimpern,<br />
obwohl kein Unrecht klebt an meinen Händen<br />
und mein Gebet ganz ohne Makel ist.<br />
Bedecke, Erde, nicht mein Blut!<br />
Mein Rufen finde keine Ruhstatt!<br />
Nun aber seht: Im Himmel ist mein Zeuge,<br />
noch lebt mein Eideshelfer in der Höhe.<br />
29 Ijob 0,00–0,00
Wenn meine Freunde mich verspotten,<br />
tränt mein Auge hin zu Gott.<br />
Er schaffe bei Gott dem Menschen Recht,<br />
dem Manne gegenüber seinem Freunde.<br />
Denn nur noch wenig Jahre kommen,<br />
dann ziehe ich den Pfad, auf dem man nicht<br />
mehr wiederkehrt.‹<br />
17<br />
›Mein Lebensgeist ist mir zerbrochen,<br />
ausgelöscht sind meine Tage,<br />
geblieben ist mir nur das Grab.<br />
Fürwahr, der Spötter Ziel bin ich geworden.<br />
Auf ihrem Hader muss mein Auge weilen.<br />
Hinterlege doch für mich ein Pfand bei dir!<br />
Wer sollte mir denn sonst den Handschlag geben?<br />
Denn du hast ihr Herz verschlossen<br />
vor der Einsicht,<br />
darum lässt du sie nicht triumphieren.<br />
Zum Teilen lädt man Freunde ein;<br />
doch schmachten hin der eignen Kinder Augen.<br />
Zum Spottlied machte er mich für die Leute,<br />
ich wurde einer, dem man ins Antlitz speit.<br />
Es werden trüb vor Kummer meine Augen,<br />
all meine Glieder schwinden wie ein Schatten.<br />
Darüber sind die Frommen ganz entsetzt,<br />
des Sünders wegen sind empört die Reinen.<br />
Doch der Gerechte steht zu seinem Wandel;<br />
wer reine Hände hat, gewinnt an Kraft.<br />
Wohlan, so tretet alle wieder her!<br />
wenn ich auch keinen Weisen unter euch hier find.<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
30
DAS BUCH IJOB<br />
18<br />
Da antwortete Bildad von Schuach und sprach:<br />
›Wann endlich wollt ihr euere Reden enden?<br />
Nehmt Einsicht an, dann reden wir!<br />
Was achtest du uns gleich dem Vieh,<br />
und warum gelten wir vor euch als unrein?<br />
Wenn du in deinem Zorne dich zerfleischst,<br />
soll deinetwegen sich das Land entvölkern?<br />
Soll denn der Fels von seiner Stelle rücken?<br />
Ja, des Sünders Licht verlöscht,<br />
und seines Feuers Flamme strahlt nicht auf.<br />
Das Licht verfinstert sich in seinem Zelt,<br />
und seine Lampe über ihm erlischt.<br />
Gehemmt sind seine festen Schritte;<br />
sein eigner Plan bringt ihn zu Fall.<br />
Denn er gerät ins Netz mit seinen Füßen,<br />
und über Flechtwerk wandelt er dahin.<br />
Das Klappnetz fasst ihn an der Ferse,<br />
der Fallstrick klammert sich an ihn.<br />
Sein Fanggarn liegt verborgen schon am Wege;<br />
die Falle steht bereit für ihn am Boden.<br />
<strong>Die</strong> Schrecken überfallen ihn ringsum<br />
und drängen stets ihm auf dem Fuße nach.<br />
Es schwinden meine Tage hin,<br />
die Wünsche meines Herzens sind zerrissen.<br />
Sie machen mir die Nacht zum Tage,<br />
Licht sei näher mir als Dunkel.<br />
Ich habe keine Hoffnung,<br />
die Unterwelt, sie ist mein Haus,<br />
im Finstern breite ich mein Lager aus.<br />
Zur Grube spreche ich: Du bist mein Vater!,<br />
und zum Gewürm: Meine Mutter, meine Schwester!<br />
Wo bleibt denn eine Hoffnung noch für mich?<br />
Mein Glück – wer kann es noch erspähen?<br />
Geh’n sie vereint mit mir hinab zur Unterwelt,<br />
und sinken wir zusammen in den Staub?‹<br />
31 Ijob 0,00–0,00
Hungrig nach ihm ist sein Unheil,<br />
das Verderben steht bereit zu seinem Sturz.<br />
Es frisst die Krankheit seine Haut,<br />
des Todes Erstgeburt verschlingt die Glieder.<br />
Man treibt ihn aus dem Zelt, dem er vertraut,<br />
und treibt ihn zu dem Schreckenskönig hin.<br />
Ihm Fremdes lässt in seinem Zelt sich nieder,<br />
und über seine Wohnstatt streut man Schwefel.<br />
Verdorrt sind unten seine Wurzeln,<br />
und oben trocknen seine Zweige.<br />
Sein Angedenken schwindet von der Erde;<br />
kein Name bleibt ihm auf den Fluren mehr.<br />
Vom Lichte stößt man ihn ins Dunkel<br />
und jagt ihn fort vom Erdenrund.<br />
Kein Spross bleibt ihm noch Nachkomme<br />
in seinem Volk;<br />
an seinem Ort kein Überlebender.<br />
Über seines Unglückstages schaudern<br />
die im Westen,<br />
und die im Osten packt das Grauen.<br />
Ja, so geht es mit der Wohnung eines Frevlers,<br />
mit der Stätte dessen, der auf Gott nicht achtet.‹<br />
19<br />
Da entgegnete Ijob und sprach:<br />
›Wie lange wollt ihr mich noch peinigen,<br />
mit Worten mich zermalmen?<br />
Schon zehnmal habt ihr mich geschmäht.<br />
Ihr schämt euch nicht, mich zu misshandeln.<br />
Selbst wenn ich wirklich mich verfehlte,<br />
so bliebe doch mein Irregehn allein bei mir.<br />
Wollt ihr euch wirklich über mich erheben<br />
und meine Schande mir entgegenhalten?<br />
Seht doch ein, dass Gott mein Recht gebeugt<br />
und er mit seinem Netze mich umgarnte!<br />
Schrei’ ich: Gewalt!, so find’ ich keine Antwort;<br />
ruf’ ich um Hilfe, gibt es doch kein Recht.<br />
Unübersteigbar hat er meinen Weg vermauert,<br />
auf meine Pfade hat er Finsternis gelegt.<br />
Meiner Ehre hat er mich entkleidet,<br />
die Krone mir vom Haupt gerissen.<br />
Ringsum zerbrach er mich, dass ich nun scheide,<br />
riss meine Hoffnung aus wie einen Baum.<br />
Sein Zorn entbrannte gegen mich;<br />
er schätzt mich ein als seinen Feind.<br />
Vereint nun rücken seine Scharen an,<br />
sie schütten ihren Sturmwall gegen mich<br />
und lagern sich rings um mein Zelt.<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
32
DAS BUCH IJOB<br />
Fern halten meine Brüder sich von mir,<br />
und ganz entfremdet sind mir die Bekannten.<br />
Fern bleiben, die mir nahe waren und bekannt;<br />
die Gäste meines Hauses haben mich vergessen.<br />
Selbst meine Mägde sehn mich an als Fremden;<br />
ein Fremdling bin ich nun in ihren Augen.<br />
Ich rufe meinen Knecht, er gibt nicht Antwort;<br />
mit guten Worten muss ich ihn anflehen.<br />
Mein Atem ist zuwider meiner Frau,<br />
und übel rieche ich den eignen Brüdern.<br />
Kinder selbst verachten mich,<br />
erheb’ ich mich, dann höhnen sie mir nach.<br />
Mich fliehen nun, die Umgang mit mir pflegten;<br />
selbst die ich liebte, lehnen gegen mich sich auf.<br />
Mein Fleisch verwest mir unter meiner Haut,<br />
mein Gebein ist bloßgelegt wie Zähne.<br />
Erbarmt, erbarmt euch meiner, meine Freunde!<br />
Denn Gottes Hand hat mich getroffen.<br />
Warum verfolgt ihr mich wie Gott,<br />
und werdet doch an meinem Fleisch nicht satt?<br />
Dass doch meine Worte aufgeschrieben würden,<br />
in einer Inschrift eingegraben mit Eisengriffel<br />
und mit Blei,<br />
für ewig eingemeißelt in den Fels!<br />
Ich aber weiß: Mein Löser lebt,<br />
selbst wenn er sich als Letzter aus dem Staub erhebt.<br />
Ohne meine Haut, die so geschundene,<br />
und ohne mein Fleisches werde ich Gott schauen.<br />
Ich selber werde ihn dann schauen,<br />
ihn werden meine Augen sehen und kein Fremder.<br />
Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.<br />
Denkt ihr: Wie sollen wir ihn jagen,<br />
in ihm den Grund der Sache finden!,<br />
schreckt selber vor dem Schwert zurück;<br />
denn großer Zorn verdient das Schwert.<br />
Bedenkt: Es gibt noch einen Richter!‹<br />
33 Ijob 0,00–0,00
20<br />
Da erwiderte Zofar von Naama und sprach:<br />
›Hierauf entgegnet mir mein Denken,<br />
und deswegen ist mein Herz erregt.<br />
Schmachvolle Rüge muss ich hören,<br />
doch der Geist aus meiner Einsicht lehrt<br />
mich Antwort geben.<br />
Weißt du das nicht von Urzeit an,<br />
seitdem es Menschen gibt auf Erden:<br />
dass des Frevlers Jubel nur von kurzer Dauer ist<br />
und des Sünders Lust nur einen Augenblick besteht?<br />
Wenn auch sein Stolz zum Himmel steigt,<br />
sein Haupt bis an die Wolken reicht,<br />
wie sein Kot verschwindet er auf immer;<br />
und die ihn sahen, sprechen: Wo ist er?<br />
Gleich einem Traum verfliegt er unauffindbar,<br />
und wie ein Nachtgesicht verweht er.<br />
Das Auge schaute ihn – doch nun nicht mehr;<br />
und es erblickt ihn nicht mehr seine Stätte.<br />
Seine Söhne müssen bei den Armen betteln,<br />
sein Gut zurückerstatten müssen ihre Hände.<br />
Ist sein Gebein auch voller Jugendkraft,<br />
es muss doch mit ihm in den Staub sich legen.<br />
Schmeckt auch das Böse süß in seinem Mund,<br />
dass er es unter seiner Zunge birgt,<br />
und damit spart, es nicht mehr loslässt,<br />
an seinem Gaumen es zurückbehält,<br />
in seinen Eingeweiden wandelt sich die Speise,<br />
zu Natterngift wird sie in seinem Innern.<br />
Den Reichtum fraß er – speit ihn wieder aus;<br />
aus seinem Leibe treibt ihn Gott heraus.<br />
Das Gift der Otter sog er ein,<br />
der Nattern Zunge tötet ihn.<br />
Nicht darf er schauen die Bäche von Öl,<br />
die Ströme voller Milch und Honig.<br />
Was er gewann, gibt er zurück, genießt es nicht,<br />
erfreut sich am Ertrage seines Handels nicht.<br />
Denn des Geringen Arm zerschlug er<br />
und riss ein Haus an sich, das er nicht baute.<br />
Denn kein Genug kennt er in seinem Bauch,<br />
drum werden seine Schätze ihn nicht retten.<br />
Nichts kann entgehen seiner Fressgier;<br />
deswegen ist sein Glück auch nicht von Dauer.<br />
Er kommt in Not in seines Reichtums Fülle,<br />
des Unheils ganze Wucht kommt über ihn.<br />
Gott sendet auf ihn seines Zornes Glut,<br />
lässt Schläge auf ihn regnen.<br />
Entflieht er vor der Eisenrüstung,<br />
durchbohrt der Bogen ihn, aus Erz geformt.<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
34
DAS BUCH IJOB<br />
Ein Pfeil fährt ihm in seinen Rücken,<br />
aus seiner Galle dringt die Spitze, blitzend.<br />
Schrecken fahren über ihn dahin,<br />
und alle Finsternisse werden für ihn aufgespart.<br />
Ihn frisst ein Feuer, das nicht angefacht,<br />
wer übrig blieb in seinem Zelt, ist übel dran.<br />
Der Himmel wird enthüllen seine Schuld,<br />
die Erde wird sich gegen ihn erheben.<br />
Sein Haus wird von der Flut hinweggewälzt,<br />
am Tag des Zornes fortgeschwemmt.<br />
Das ist das Los des Frevlers, das ihm Gott bestimmt,<br />
sein Erbteil, das ihm Gott hat zugewiesen.‹<br />
21<br />
Darauf erwiderte Ijob und sprach:<br />
›Nun hört doch aufmerksam auf meine Worte!<br />
Darin bestehe euer Trösten.<br />
Ertragt mich, dass ich reden kann.<br />
Nach meiner Rede mögt ihr spotten.<br />
Geht meine Klage etwa gegen Menschen?<br />
Warum soll ich nicht ungeduldig werden?<br />
So wendet euch mir zu und dann entsetzt euch!<br />
<strong>Die</strong> Hand legt auf den Mund!<br />
Denk’ ich daran, bin ich bestürzt,<br />
und meinen Leib erfasst ein Schauder.<br />
Warum denn bleiben Frevler noch am Leben?<br />
Sie werden alt, sind rüstig und gesund.<br />
Vor ihnen stehen ihre Kinder fest gegründet,<br />
und ihre Sprösslinge gedeihn vor ihren Augen.<br />
Gesichert vor Gefahr sind ihre Häuser,<br />
und Gottes Rute kommt nicht über sie.<br />
Ihr Stier bespringt und nicht vergeblich;<br />
und ihre Kuh tut keinen Fehlwurf.<br />
<strong>Die</strong> Knaben lassen sie hinaus wie Lämmer,<br />
und ihre Kinder springen wie die Hirsche.<br />
Zur Pauke und zur Zither singen sie<br />
und jubeln bei dem Klang der Flöte.<br />
Sie bringen ihre Tage hin in Glück,<br />
in Frieden steigen sie hinab ins Totenreich<br />
und sprachen doch zu Gott: Bleib von uns fern!<br />
35 Ijob 0,00–0,00
Von deinen Wegen wollen wir nichts wissen.<br />
Was ist der Allmächtige, dass wir ihm dienen?<br />
Und welchen Nutzen bringt es,<br />
wenn wir zu ihm beten?<br />
Ist nicht in ihrer eignen Hand ihr Glück?<br />
und liegt der Frevler Planen Gott nicht fern?<br />
Wie oft erlischt der Frevler Leuchte,<br />
kommt ihr Verderben über sie,<br />
zerstört er zornig ihren Reichtum,<br />
dass sie wie Häcksel vor dem Winde werden,<br />
wie eine Spreu, vom Sturm hinweggefegt?<br />
Spart Gott sein Unheil seinen Söhnen auf?<br />
Er zahl ihm selber heim, damit er es erkenne!<br />
Sein Unglück sollen seine Augen schauen;<br />
vom Zorne des Allmächtgen soll er trinken!<br />
Was liegt ihm denn an seinem<br />
Haus, wenn er dahin,<br />
wenn seiner Monde Zahl vollendet ist?<br />
Will jemand Gott Erkenntnis lehren,<br />
da er doch die Erhabnen richtet?<br />
Der stirbt inmitten seines Glücks,<br />
ganz sorgenfrei und ruhig.<br />
Vom Fette strotzen seine Lenden,<br />
sein Knochenmark ist wohlgetränkt.<br />
Ein andrer stirbt mit bitterm Herzen;<br />
nie hat er Gutes je verkostet.<br />
Zusammen liegen sie im Staub,<br />
und beide decken Maden zu.<br />
Ja, ich weiß schon, was ihr denkt,<br />
die Pläne, die ihr gegen mich ersinnt.<br />
Ihr sagt: Wo ist des Fürsten Wohnung<br />
und wo das Zelt der Frevler?<br />
Habt ihr denn nicht die Wanderer gefragt,<br />
und habt ihr ihre Zeichen nicht verstanden?<br />
Der Böse wird verschont am Unglückstag,<br />
er wird bewahrt am Tag des Zornes!<br />
Wer sagt ihm seinen Wandel ins Gesicht?<br />
Und wer vergilt es ihm, was er getrieben?<br />
Zur Grabesstätte wird er hingeleitet,<br />
und für den Hügel trägt man Sorge.<br />
<strong>Die</strong> Schollen seines Grabschachts sind ihm süß<br />
und hinter ihm zieht alle Welt einher.<br />
Wie wollt ihr mich mit Eitlem trösten?<br />
Von dem, was ihr erwidert, bleibt nur Trug.‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
36
DAS BUCH IJOB<br />
22<br />
Da erwiderte Elifas aus Teman und sprach:<br />
›Kann denn ein Mensch Gott Nutzen bringen?<br />
Nein, der Einsichtsvolle nützt sich selbst.<br />
Nützt es dem Allmächtigen, wenn du gerecht bist?<br />
Gewinnt er, wenn dein Weg unsträflich ist?<br />
Straft er dich wegen deiner Gottesfurcht,<br />
und geht er deshalb ins Gericht mit dir?<br />
Ist deine Schlechtigkeit nicht groß<br />
und endlos deine Sündenschuld?<br />
Du pfändest grundlos deine Brüder<br />
und ziehst den Nackten ihre Kleider aus.<br />
Kein Wasser reichst du dem Erschöpften,<br />
verweigerst Brot den Hungernden.<br />
Dem Mann der Faust gehört das Land,<br />
der Angesehene darf darin wohnen.<br />
Mit leeren Händen schickst du Witwen fort,<br />
zerbrichst den Arm der Waisen.<br />
Deswegen liegen rings um dich nun Schlingen,<br />
und plötzlich hat die Angst dich überfallen.<br />
Das Licht ward dunkel, dass du nicht mehr siehst;<br />
es überdecken dich die Wasserfluten.<br />
Ist Gott nicht wie der Himmel hoch?<br />
Sieh die Sterne an, wie hoch sie sind.<br />
Und da sagst du: Was weiß denn Gott davon?<br />
Kann er denn durch das Wolkendunkel richten?<br />
Ihn hüllen Wolken ein, dass er nicht sieht;<br />
er wandelt über ’m Himmelskreis dahin.<br />
Willst du dem Pfad der Vorzeit folgen,<br />
den einst gottlose Menschen gingen,<br />
die vor der Zeit ergriffen wurden,<br />
und gegen deren Grund ein Strom sich wälzte?<br />
<strong>Die</strong> zu Gott sprachen: Geh von uns doch fort!<br />
Was kann uns der Allmächtige schon tun?<br />
Doch füllte er mit Gütern ihre Häuser;<br />
der Frevler Planen aber blieb ihm fern.<br />
<strong>Die</strong> Frommen sehen es und freuen sich;<br />
der Reine aber spottet über sie:<br />
Fürwahr, vernichtet wurde ihre Größe,<br />
und ihre Reste fraß das Feuer fort.<br />
37 Ijob 0,00–0,00
Sei wieder gut zu ihm und halte Frieden;<br />
dadurch kommt wieder Glück zu dir.<br />
Nimm doch Belehrung an aus seinem Mund,<br />
und senke seine Worte in dein Herz!<br />
Kehrst du dich voll Demut zum Allmächtgen,<br />
hältst Unrecht fern von deinem Zelt,<br />
wirfst in den Staub das Edelgold<br />
zum Flussgestein das Gold von Ofir,<br />
wird der Allmächtige für dich wie Golderz sein,<br />
wie feinstes Silber, das für dich hell leuchtet.<br />
Dann hast du deine Freude am Allmächtigen<br />
und kannst zu Gott dein Angesicht erheben.<br />
Flehst du zu ihm, so wird er dich erhören,<br />
und dein Gelübde kannst du ihm erfüllen.<br />
Was du beschlossen, lässt er dir gelingen;<br />
auf deinen Pfaden wird ein Licht erglänzen.<br />
Er duckt den Stolz der Hohen,<br />
doch hilft er dem, der seine Augen senkt.<br />
Er rettet den, der schuldlos ist,<br />
23<br />
Darauf erwiderte Ijob und sprach:<br />
›Auch heut’ ist meine Klage Widerspruch,<br />
gerettet wird er durch die Reinheit seiner Hände.‹ schwer lastet seine Hand auf meinem Seufzen.<br />
Wüsste ich, wie ich ihn finden,<br />
wie ich zu seinem Thron gelangen könnte!<br />
Den Streitfall würde ich vor ihm vertreten<br />
und mit Beweisen füllen meinen Mund.<br />
<strong>Die</strong> Antwort, die er gäbe, würd’ ich erfahren,<br />
vernähme auch, was er mir sagte.<br />
Stritte er wohl gegen mich mit aller Macht?<br />
Nein, er würde auf mich achten.<br />
Dort würde ein Gerechter mit ihm streiten,<br />
in meinem Rechtsstreit würd’ ich siegen.<br />
Wend’ ich mich ostwärts, so ist er nicht da,<br />
geh’ ich nach Westen, sehe ich ihn nicht.<br />
Such’ ich im Norden, erblick’ ich nicht sein Tun;<br />
bieg’ ich nach Süden, sehe ich ihn nicht.<br />
Doch er kennt alle meine Wege.<br />
Wenn er mich prüft, geh’ ich wie Gold hervor.<br />
Mein Fuß hielt fest an seinen Schritten,<br />
bewahrte seinen Weg und wich nicht ab.<br />
Nie ging ich ab von seiner Lippen Weisung,<br />
verwahrt’ im Herzen seines Mundes Wort.<br />
Was er beschlossen hat, wer kann es wenden?<br />
Was er sich wünscht, führt er auch aus.<br />
So wird er mein Geschick vollenden.<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
38
DAS BUCH IJOB<br />
Dergleichen hat er viel im Sinn.<br />
Deshalb erschrecke ich vor seinem Angesicht;<br />
denk’ ich daran, so graut es mir vor ihm.<br />
Gott ist es, der mein Herz verzagen lässt;<br />
mit Furcht erfüllt mich der Allmächtge.<br />
Doch weder Finsternis bringt mich zum Schweigen,<br />
noch das Dunkel, das mein Angesicht bedeckt.‹<br />
24<br />
›Warum sind vom Allmächtigen<br />
nicht Fristen vorgesehen<br />
und schauen die Vertrauten seine Tage nicht?<br />
Man verrückt die Grenzen,<br />
raubt Herden, treibt sie auf die Weide.<br />
Der Waise treibt man ihre Esel fort<br />
und nimmt zum Pfand das Rind der Witwe.<br />
Vom Wege drängen sie den Armen ab,<br />
die Dürftigen im Land verbergen sich.<br />
Wie wilde Esel in der Steppe<br />
zieh ’n sie hinaus zu ihrem Tun;<br />
die Steppe suchen sie nach Nahrung ab,<br />
nach Brot für ihre Kinder.<br />
Sie mähen ab das Feld des Nachts<br />
Nachlese halten sie in des Frevlers Weinberg.<br />
Nackt übernachten sie, gänzlich ohne Kleidung,<br />
und ohne Decke in der Kälte.<br />
Vom Regenguss der Berge triefen sie<br />
und drücken ohne Schutz sich an die Felsen.<br />
Sie reißen die Waise von der Mutterbrust weg<br />
und nehmen den Säugling des Armen zum Pfand.<br />
Nackt müssen sie gehen, ohne Kleid,<br />
und hungernd müssen sie Garben schleppen.<br />
Zwischen Mauern pressen sie Öl,<br />
die Kelter treten sie und leiden Durst.<br />
39 Ijob 0,00–0,00
Halbtote rufen aus der Stadt empor,<br />
die Seele der Misshandelten schreit auf;<br />
doch Gott bleibt stumm auf ihre Klage.<br />
Jene sind des Lichtes Feinde,<br />
erkennen seine Wege nicht,<br />
verweilen nicht auf seinen Pfaden.<br />
Ist kein Licht, so steht der Mörder auf<br />
und mordet Niedrige und Arme.<br />
Zur Nachtzeit streift der <strong>Die</strong>b umher.<br />
Des Ehebrechers Auge wartet auf die Dämmerung.<br />
Er denkt: Kein Auge wird mich nun erblicken.<br />
Den Schleier legt er über sein Gesicht.<br />
Im Finstern bricht er in die Häuser ein.<br />
Bei Tage aber schließen sie sich ein;<br />
vom Lichte wollen sie nichts wissen.<br />
Denn Finsternis, das ist der Morgen ihnen allen,<br />
denn mit des Dunkels Schrecken<br />
sind sie wohlvertraut.<br />
Schnell flieht er vor dem Tag,<br />
nicht wendet sich sein Weg den Höhen zu.<br />
Sein Erbteil ist verflucht im Land!<br />
Wie Trockenheit und Hitze den geschmolznen<br />
Schnee verzehren,<br />
so die Unterwelt den Sünder.<br />
Der Mutterschoß soll ihn vergessen,<br />
und seines Namens wird nicht mehr gedacht.<br />
Zerbrechen muss die Bosheit wie ein Baum.<br />
<strong>Die</strong> Unfruchtbare quält er, die kein Kind gebar,<br />
und spendet keiner Witwe eine Wohltat.<br />
Durch seine Kraft gibt er den Starken langes Leben;<br />
da er auf ’s Leben nicht mehr hoffte, steht er auf.<br />
Er gibt ihm Sicherheit, auf die er sich verlässt;<br />
und seine Augen ruh’n auf seinen Wegen.<br />
Hoch steigt er eine Zeit lang auf<br />
und schwindet dann;<br />
erniedrigt werden sie, wie alle weggerafft<br />
und abgeschnitten wie die Ährenspitzen.<br />
Ist es nicht so? Wer darf mich Lügen strafen?<br />
Und wer kann denn mein Wort zunichte machen?‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
40
DAS BUCH IJOB<br />
25<br />
Da erwiderte Bildad von Schuach und sprach:<br />
›Bei ihm sind Herrschermacht und Schrecken,<br />
der Frieden hält in seinen Himmelshöhen.<br />
Gibt ’s eine Zahl für seine Scharen?<br />
Und ein Entkommen seinem Anschlag?<br />
Wie kann ein Mensch vor Gott im Rechte sein,<br />
der von der Frau Geborene in Reinheit strahlen?<br />
Sieh, selbst der Mond erglänzt nicht hell,<br />
die Sterne sind nicht rein in seinen Augen,<br />
viel weniger der Mensch, die Made,<br />
der Menschensohn, der Wurm!‹<br />
26<br />
Da antwortete Ijob und sprach:<br />
›Wie gut hilfst du dem Schwachen auf<br />
und stützt den Arm, der ohne Kraft gewesen!<br />
Wie trefflich rätst du dem, der ohne Einsicht<br />
und offenbarst Verstand in Fülle!<br />
Mit wessen Hilfe trägst du deine Worte vor?<br />
Und wessen Geist ging von dir aus?<br />
<strong>Die</strong> Totengeister selbst erzittern,<br />
die Wasser und die darin wohnen.<br />
Nackt liegt die Unterwelt vor ihm,<br />
der Ort des Untergangs trägt keine Hülle.<br />
Den Norden spannt er über ’m Chaos aus,<br />
und über ’m Nichts hängt er die Erde auf.<br />
<strong>Die</strong> Wasser bindet er in seine Wolken,<br />
doch das Gewölk zerreißt nicht unter ihnen.<br />
Er hüllt das Angesicht des Vollmonds ein<br />
und breitet seine Wolken über ihn.<br />
Rings um die Wasserfläche zieht er einen Kreis<br />
bis dorthin, wo das Licht ans Dunkel grenzt.<br />
Des Himmels Säulen wanken,<br />
entsetzen sich vor seinem Drohen.<br />
41 Ijob 0,00–0,00
27<br />
Da fuhr Ijob in seiner Rede fort und sprach:<br />
›So wahr Gott lebt, der mir mein Recht entzog,<br />
der Allmächtige, der mir das Herz betrübte!<br />
Da noch in mir mein Atem ist<br />
und Gottes Hauch in meiner Nase,<br />
<strong>Die</strong> Meere peitscht er auf durch seine Kraft<br />
Kein Unrecht, wahrlich, sollen meine Lippen reden<br />
und schlägt durch seine Einsicht Rahab nieder. und meine Zunge keine Lüge sprechen.<br />
Durch seinen Hauch erglänzt der Himmel wieder, Fern sei es mir, euch recht zu geben!<br />
und seine Hand durchbohrt den flüchtigen Drachen. Ich gebe meine Unschuld bis zum Tode<br />
Doch das sind nur die Säume seines Weges.<br />
nimmer preis.<br />
Welch Flüsterwort nur hören wir von ihm!<br />
Ich halte fest an meinem Recht und lass’ es nicht.<br />
Den Donner seiner Taten, wer vernimmt ihn?‹ Mein Herz schämt sich nicht eines meiner Tage.‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
42
DAS BUCH IJOB<br />
›Es gehe meinem Feinde wie dem Frevler<br />
und meinem Gegner wie dem Sünder!<br />
Denn was ist des Sünders Hoffnung,<br />
wenn Gott das Leben von ihm nimmt?<br />
Wird Gott wohl auf sein Rufen hören,<br />
wenn Drangsal über ihn hereinbricht?<br />
Kann er sich freuen am Allmächtgen<br />
und Gott zu jeder Zeit um Hilfe bitten?<br />
Ich will euch über Gottes Tun belehren,<br />
will nicht verhehlen, was alles der Allmächtge plant.<br />
Seht doch, ihr habt es alle selbst geschaut.<br />
Warum wollt ihr noch eitle Hoffnung hegen?<br />
Bei Gott ist das des Übeltäters Anteil,<br />
das Erbe von Tyrannen, der Allmächtige<br />
hat ’s ihnen zugeteilt.<br />
Wenn zahlreich seine Söhne,<br />
sind sie für das Schwert,<br />
und ihre Kinder werden nicht vom Brote satt.<br />
<strong>Die</strong> ihm entronnen, wird der Tod begraben,<br />
und ihre Witwen halten keine Klage.<br />
Häuft er auch Silber an wie Staub,<br />
und schafft sich Kleider an wie Lehm,<br />
er häuft sie auf, doch der Gerechte zieht sie an;<br />
das Silber aber wird der Reine erben.<br />
Er hat sein Haus gebaut wie eine Spinne,<br />
wie eine Hütte, die der Wächter aufgestellt.<br />
Reich legt er sich hin und tut ’s nicht wieder;<br />
er macht die Augen auf – nichts ist mehr da.<br />
Wie Wasser brausen Schrecken über ihn;<br />
der Sturmwind rafft ihn in der Nacht hinweg.<br />
Der Ostwind hebt ihn fort, er muss von dannen,<br />
er fegt ihn fort von seiner Stätte.<br />
Er stürzt sich auf ihn, ohne Mitleid,<br />
vor seiner Macht will er entfliehen.<br />
Man klatscht noch in die Hände über ihn;<br />
man zischt ihn fort von seiner Stätte.‹<br />
43 Ijob 0,00–0,00
28<br />
›Für Silber gibt es einen Fundort,<br />
und einen Platz, wo man das Gold auswäscht.<br />
Man holt herauf das Eisen aus der Erde,<br />
und das Gestein schmilzt man zu Kupfer um.<br />
Der Finsternis bereitet man ein Ende,<br />
und man durchwühlt auch bis zum letzten<br />
das Felsgestein, im Dunkel tief verborgen.<br />
Ein fremdes Volk treibt Stollen vor,<br />
sie hängen ohne Halt<br />
und schweben weit entfernt von Menschen.<br />
<strong>Die</strong> Erde, auf der Brotkorn wächst,<br />
wird in den Tiefen wie mit Feuer umgewühlt.<br />
Im Felsgestein wird hier Saphir gefunden,<br />
auch Goldstaub findet man darin.<br />
Raubvögel kennen nicht den Pfad,<br />
kein Falkenauge hat ihn je erspäht.<br />
Hier wechselt nicht das stolze Wild,<br />
kein Löwe hat ihn noch beschritten.<br />
An Felsgestein legt man die Hand,<br />
durchwühlt die Berge vom Grunde auf.<br />
Stollen hat man in den Fels gebrochen;<br />
das Auge schaut nun alle Kostbarkeiten.<br />
Sickerstellen dämmt man ein<br />
und lässt Verborgenes zum Lichte kommen.<br />
<strong>Die</strong> Weisheit aber – wo wird sie gefunden?<br />
Und wo hat Einsicht ihre Stätte?<br />
Der Mensch kennt nicht den Weg zu ihr;<br />
noch trifft man sie im Land der Lebenden.<br />
<strong>Die</strong> Urflut sagt: In mir verweilt sie nicht.<br />
Das Meer gesteht: Sie ist auch nicht bei mir.<br />
Man kann nicht Feingold für sie zahlen<br />
und wägt nicht Silber auf als Preis für sie.<br />
Mit Ofirgold kann man sie nicht bezahlen,<br />
auch nicht mit selt’nem Karneol und mit Saphiren.<br />
Nicht kann ihr gleichen Gold und Glas,<br />
noch ist ein Goldgefäß ihr Tauschwert.<br />
Korallen und Kristall darf man nicht nennen,<br />
der Weisheit Kaufpreis überwiegt selbst Perlen.<br />
An Wert gleicht ihr nicht der Topas aus Kusch;<br />
mit reinem Gold wird sie nicht aufgewogen.<br />
<strong>Die</strong> Weisheit also, woher kommt sie?<br />
Der Einsicht Stätte, wo ist sie?<br />
Verhüllt ist sie vor allen Lebewesen,<br />
verborgen ist sie vor des Himmels Vögeln.<br />
Selbst Unterwelt und Tod bekennen:<br />
Von ihr vernahmen wir nur ein Gerücht.<br />
Es kennt nur Gott den Weg zu ihr,<br />
er weiß allein um ihren Ort.<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
44
DAS BUCH IJOB<br />
III<br />
Denn zu der Erde Grenzen geht sein Blick,<br />
er sieht, was unter ’m ganzen Himmel ist.<br />
Als er dem Winde das Gewicht bestimmte<br />
und mit dem Maß die Wasser abmaß,<br />
als er dem Regen ein Gesetz gegeben<br />
und einen Weg der donnernden Gewitterwolke,<br />
da hat er sie gesehen und gezählt,<br />
bereitet und ergründet.<br />
Zum Menschen aber sprach er:<br />
Sieh, Gottesfurcht, das ist die Weisheit;<br />
und Einsicht ist, die Sünde meiden.‹<br />
29<br />
Darauf fuhr Ijob in seiner Rede fort und sprach:<br />
›Ach, wäre ich wie in vergangnen Monden,<br />
wie in den Tagen, da mich Gott beschützte,<br />
als seine Leuchte über meinem Haupt erstrahlte,<br />
in seinem Licht ich durch das Dunkel schritt!<br />
So wie ich in den Tagen meiner Frühzeit war,<br />
als Gott noch mein Gezelt beschützte,<br />
als der Allmächtige noch mit mir war<br />
und meiner Kinder Schar mich rings umgab,<br />
als sich in Dickmilch meine Schritte wuschen<br />
und mir aus Felsen Bäche Öls entquollen.<br />
Wenn ich hinaufging durch das Tor der Stadt<br />
und auf dem Marktplatz meinen Sitz einnahm,<br />
sahn mich die Jungen und versteckten sich,<br />
die Alten standen auf und blieben stehen.<br />
<strong>Die</strong> Fürsten hielten in der Rede inne<br />
und legten auf den Mund die Hand.<br />
Es hielt der Edlen Stimme sich zurück,<br />
am Gaumen klebte ihre Zunge.<br />
Wenn mich ein Ohr vernahm, es pries<br />
mich glücklich,<br />
es lobte mich das Auge, das mich sah,<br />
weil ich den Armen rettete, der schrie,<br />
die Waise auch, die keinen Helfer fand.<br />
45 Ijob 0,00–0,00
Der Segen des Verlorenen kam über mich;<br />
der Witwe gab ich Freude in ihr Herz.<br />
Ich kleidete mich in Gerechtigkeit,<br />
mein Recht galt mir als Mantel und als Turban.<br />
Dem Blinden diente ich als Auge<br />
und war ein Fuß für den Gelähmten.<br />
Ein Vater war ich für die armen Leute;<br />
des Fremden Streitfall untersuchte ich.<br />
Ich zerschmetterte des Frevlers Kiefer,<br />
den Raub entriss ich seinen Zähnen.<br />
So dachte ich: Mit meinem Nest<br />
werd’ ich verscheiden<br />
und wie der Phönix lange leben.<br />
Dem Wasser stehe meine Wurzel offen,<br />
in meinen Zweigen nächtige der Tau.<br />
Stets möge sich mein Ruhm bei mir verjüngen,<br />
der Bogen möge sich in meiner Hand erneuern.<br />
Man schenkte mir Gehör und wartete auf mich,<br />
man lauschte schweigend, meinen Rat zu hören.<br />
Nach meiner Rede gab man keine Antwort;<br />
es träufelte mein Wort auf sie herab.<br />
Sie harrten meiner wie auf Regenschauer<br />
und öffneten den Mund nach Frühjahrsregen.<br />
Ich lachte ihnen zu, wenn sie verzagten;<br />
mein strahlend Antlitz konnten sie nicht trüben.<br />
Ich wählte ihren Weg und war ihr Führer;<br />
ich thronte wie ein König in der Schar<br />
und führte überall sie nach Belieben.‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
46
DAS BUCH IJOB<br />
30<br />
›Jetzt aber lachen Leute über mich, die jünger<br />
sind als ich an Jahren.<br />
Ich hielt nicht würdig ihre Väter,<br />
sie den Hunden meiner Herden zuzuweisen.<br />
Was nützte mir auch ihrer Hände Kraft?<br />
<strong>Die</strong> Vollkraft war in ihnen hingeschwunden,<br />
durch Not und großen Hunger;<br />
sie nagen ab der Steppe Wurzelwerk,<br />
Gestrüpp der Wüste und der Wüstenei,<br />
sie pflücken ab die Melde vom Gesträuch,<br />
die Ginsterwurzeln sind ihr Broterwerb.<br />
Aus der Gemeinschaft werden sie verstoßen,<br />
wie <strong>Die</strong>ben schreit man ihnen nach.<br />
Am Hang der Täler müssen sie nun wohnen,<br />
in Höhlen in der Erde und in Felsenlöchern.<br />
Man hört sie schreien zwischen Dornenbüschen,<br />
und unter Nesseln hocken sie beisammen.<br />
Gesindel, gottlos, namenlos,<br />
man hat es aus dem Land verstoßen.<br />
Ein Spottlied bin ich ihnen jetzt geworden,<br />
muss ihnen zum Gerede dienen.<br />
Sie ekeln sich vor mir und bleiben fern,<br />
sie zögern nicht, mir ins Gesicht zu speien.<br />
Weil er gelöst hat meinen Bogen und mich beugte<br />
und sie vor mir die Zügel locker ließen.<br />
Gegen mich erhebt sich diese Brut,<br />
sie werfen ihre Unheilsdämme auf,<br />
sie reißen meine Pfade auf, befördern<br />
mein Verderben<br />
und keiner wehrt es ihnen.<br />
Sie dringen ein durch eine breite Bresche<br />
und unter Trümmern wälzen sie sich her.<br />
Es wandten gegen mich sich Schrecken,<br />
mein Adel wurde wie vom Wind verjagt,<br />
gleich einer Wolke zog mein Heil vorüber.<br />
Und jetzt zerfließt in mir die Seele,<br />
und Tage voller Elend packen mich.<br />
Des Nachts durchbohrt es mein Gebein,<br />
der Schmerz nagt unauf hörlich.<br />
Mit Allgewalt packt er mich am Gewand<br />
und schnürt mich wie des Leibrocks Gürtel ein.<br />
Er hat mich in den Kot hineingestoßen,<br />
und so erschien ich Staub und Asche gleich.<br />
47 Ijob 0,00–0,00
Ich schrei’ zu dir, doch du gibst keine Antwort;<br />
ich stehe da, doch du bleibst unbeteiligt.<br />
Zum Wüterich hast du dich mir verwandelt,<br />
befehdest mich mit deiner starken Hand.<br />
Du hebst mich auf, lässt mich<br />
im Sturmwind fahren,<br />
erzittern lässt du mich im Donnerkrachen.<br />
Ich weiß es ja, du bringst mich in den Tod,<br />
ins Haus, wo alle Lebenden sich sammeln.<br />
Doch streckt nicht ein Ertrinkender die Hand aus,<br />
wenn er in seiner Not um Hilfe ruft?<br />
Beweinte ich nicht den, den harte Tage trafen,<br />
war meine Seele nicht in Trauer um den Armen?<br />
Ja, Gutes hoffte ich, doch nahte Unglück.<br />
Ich harrte auf das Licht, doch kam die Finsternis.<br />
Mein Eingeweide siedet ruhelos;<br />
es nahten sich mir Tage voller Elend.<br />
Ich wandle finster, ohne Trost,<br />
steh’ auf in der Gemeinde, schreie laut.<br />
Ein Bruder ward ich den Schakalen,<br />
und ein Genosse bin ich für die Strauße.<br />
<strong>Die</strong> Haut an mir wird schwarz,<br />
in Fieberglut ist mein Gebein entbrannt.<br />
So ward mein Zitherspiel zur Trauermelodie<br />
und meiner Flöte Klang zum Klagelied.‹<br />
31<br />
›Mit meinen Augen schloss ich einen Bund,<br />
nie eine Jungfrau lüstern anzusehen.<br />
Was wäre sonst mein Teil von Gott dort oben,<br />
mein Erbteil von dem Allerhöchsten droben?<br />
Ist nicht bestimmt das Unheil für die Frevler<br />
und das Verderben für die Übeltäter?<br />
Schaut er denn nicht auf meine Wege,<br />
zählt er nicht alle meine Schritte?<br />
Wenn ich mit Lüge umgegangen wäre<br />
und zum Betruge meine Füße eilten,<br />
dann wäge er mich auf gerechter Waage,<br />
und Gott wird meine Unschuld anerkennen.<br />
Wenn je vom Wege meine Schritte wichen<br />
und wenn mein Herz je meinen Augen folgte,<br />
an meinen Händen nur ein Makel klebte,<br />
dann soll ein andrer essen, was ich säe,<br />
und was mir aufwächst, soll entwurzelt werden.<br />
Wenn sich mein Herz von einer Frau betören ließe<br />
und wenn ich an der Tür des Nächsten lauerte,<br />
dann soll die Frau für einen anderen mahlen,<br />
und Fremde sollen über sie sich beugen.<br />
Denn das ist eine Schandtat ohnegleichen<br />
und ein Verbrechen, das des Richters wert ist.<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
48
DAS BUCH IJOB<br />
Ein Feuer ist ’s, das bis zum Abgrund frisst,<br />
verbrennen wird es meine ganze Habe.<br />
Wenn meines Knechtes Rechte ich missachtet<br />
und meiner Magd, wenn sie sich mit mir stritten,<br />
was wollt’ ich tun, wenn Gott sich dann erhöbe,<br />
und was entgegnen, wenn er ’s untersuchte?<br />
Hat nicht mein Schöpfer sie im Schoß gebildet,<br />
der Eine uns im Mutterleib bereitet?<br />
Wenn ich den Armen einen Wunsch versagte,<br />
wenn ich verschmachten ließ der Witwe Augen,<br />
für mich allein nur meinen Bissen nahm<br />
und keine Waise ihren Teil erhielt –<br />
sie wuchs mir auf von Jugend an wie einem Vater<br />
wie ein Bruder hab ich sie geführt –,<br />
erblickt’ ich den Verlornen ohne Kleidung,<br />
den armen Mann, dem eine Decke fehlte,<br />
und sagten seine Lenden mir nicht Dank,<br />
da er von meiner Lämmer Schur sich wärmte,<br />
erhob ich gegen jemand meine Hand,<br />
der ohne Schuld,<br />
da ich am Tore Helfer fand für mich,<br />
dann falle meine Schulter mir vom Nacken,<br />
aus dem Gelenke breche mir mein Arm!<br />
Denn Gottes Schrecken würd’ sich<br />
über mich ergießen,<br />
vor seiner Hoheit hielte ich nicht stand.<br />
Wenn ich auf Gold je meine Hoffnung setzte,<br />
zum Feingold sprach: Du meine Zuversicht!,<br />
wenn ich mich freute, dass mein Reichtum wuchs<br />
und dass so Großes meine Hand geleistet,<br />
wenn ich die Sonne schaute, wie sie strahlte,<br />
den Mond, der prächtig seine Bahnen zog,<br />
wenn heimlich sich mein Herz betören ließ,<br />
dem Munde meine Hand zum Kuss sich bot,<br />
auch das ist eine Sünde für den Richter;<br />
ich hätte Gott da droben ja verleugnet.<br />
Freut’ ich mich über meines Feindes Unglück,<br />
und war ich froh, dass ihn ein Unheil traf,<br />
erlaubt’ ich meinem Mund zu sündigen,<br />
sein Leben je durch einen Fluch zu fordern,<br />
und haben meine Zeltgenossen nicht gestanden:<br />
Wer wurde je von seinem Fleisch nicht satt?<br />
Kein Fremder musste draußen übernachten,<br />
mein Tor stand jedem Wandrer offen.<br />
Wenn ich verbarg den Menschen meine Sünde,<br />
in meinem Busen meine Schuld verhüllte,<br />
weil ich die große Menge scheute<br />
und mich der Stämme Spott erschreckte,<br />
dann wär’ ich still und ginge nicht zur Tür hinaus.<br />
49 Ijob 0,00–0,00
O wäre jemand da, dass Gott mich hörte!<br />
<strong>Die</strong>s ist mein letztes Wort: jetzt gebe Antwort<br />
mir der Allmächtige!<br />
Und hier das Schriftstück, das mein Gegner schrieb.<br />
Fürwahr, ich nähme es auf meine Schulter<br />
und wände es als Diadem mir um.<br />
Ich würde meiner Schritte Zahl ihm nennen<br />
und wie ein Fürst ihm dann entgegengehen.<br />
Wenn über mich mein Acker klagte<br />
und alle seine Furchen weinten,<br />
wenn seine Frucht ich unbezahlt verzehrte,<br />
die Ackerleute seufzen ließ,<br />
so bringe er statt Weizen Disteln nur,<br />
und statt der Gerste soll das Unkraut sprießen!‹<br />
Zu Ende sind die Worte Ijobs.<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
50
DAS BUCH IJOB<br />
IV<br />
32<br />
Jene drei Männer gaben es auf, Ijob zu antworten, weil er nach seiner<br />
[eigenen] Meinung gerecht war. Da entbrannte der Zorn Elihus, des Sohnes<br />
Barachels, des Busiters aus dem Geschlecht Ram. Gegen Ijob entbrannte<br />
sein Zorn, weil er sich vor Gott für gerecht hielt. Auch gegen<br />
seine drei Freunde war er erzürnt, weil sie keine Antwort gefunden und<br />
Gott ins Unrecht gesetzt hatten. Elihu hatte gezögert, solange jene sprachen.<br />
Denn sie waren älter als er. Als aber Elihu sah, dass jene drei Männer<br />
keine Antwort mehr wussten, entbrannte sein Zorn.<br />
51 Ijob 0,00–0,00
Da begann Elihu, der Sohn Barachels, und sprach:<br />
›Jung bin ich noch an Jahren,<br />
und ihr seid schon ergraut.<br />
Drum hielt ich mich zurück und scheute,<br />
mein Wissen euch zu zeigen.<br />
Ich dachte bei mir: Lass das Alter reden,<br />
der Jahre Fülle soll die Weisheit künden.<br />
Doch nur der Geist, der sich im Menschen auf hält,<br />
des Allerhöchsten Atem macht ihn klug.<br />
<strong>Die</strong> alt an Jahren, sind nicht immer weise,<br />
nicht immer wissen Greise auch das Rechte.<br />
Drum wage ich zu sagen: Hört mir zu!<br />
Auch ich will meine Ansicht euch verkünden.<br />
Seht, ich wartete auf euere Worte<br />
und horchte hin auf euere klugen Sprüche,<br />
bis dass die rechten Worte ihr gefunden.<br />
Aufmerksam bin ich euch gefolgt.<br />
Doch sieh, den Ijob widerlegte keiner,<br />
von euch gab niemand Antwort seinen Worten.<br />
Denkt nicht: <strong>Die</strong> Weisheit haben wir entdeckt.<br />
Gott wird ihn verstoßen, nicht ein Mensch.<br />
Nicht gegen mich hat er gesprochen,<br />
und nicht mit eueren Worten werd’<br />
ich ihm entgegnen.<br />
Sie sind verwirrt und geben keine Antwort,<br />
es sind die Worte ihnen ausgegangen.<br />
Soll ich noch warten, da sie nicht mehr reden,<br />
da still sie stehen und nichts mehr erwidern?<br />
So will auch ich nun meinen Teil entgegnen;<br />
mein Wissen will ich euch verkünden.<br />
Denn mit Gedanken bin ich ganz erfüllt,<br />
mich drängt der Geist in meiner Brust.<br />
Mein Inneres gleicht Wein, der keine Luft hat,<br />
wie neue Schläuche wird es noch zerspringen.<br />
So muss ich reden, dass mir leichter werde,<br />
ich öffne meine Lippen und entgegne.<br />
Für niemand werde ich Partei ergreifen,<br />
und Schmeichelworte will ich keinem geben.<br />
Denn ich verstehe mich aufs Schmeicheln nicht,<br />
sonst raffte mich mein Schöpfer bald hinweg.‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
52
DAS BUCH IJOB<br />
33<br />
›So höre nun, Ijob, auf alle meine Worte<br />
und merke wohl auf alle meine Reden!<br />
Sieh, ich habe meinen Mund geöffnet,<br />
schon spricht in meinem Gaumen meine Zunge.<br />
Mein Herz wird Weisheitsworte sagen,<br />
und meine Lippen reden reine Wahrheit.<br />
Mich hat erschaffen Gottes Geist,<br />
des Allerhöchsten Atem mich belebt.<br />
Wenn du es kannst, so gib mir Antwort!<br />
Leg es mir dar und tritt mir doch entgegen!<br />
Sieh, dir bin ich gleich, nicht Gott,<br />
vom Lehm genommen bin auch ich.<br />
Doch soll die Angst vor mir dich nicht erschrecken,<br />
und Druck von mir nicht auf dir lasten.<br />
Jedoch, du sprachst vor meinen Ohren,<br />
und ich vernahm den Laut von deinen Worten:<br />
Rein bin ich und ohne Sünde<br />
und lauter, ohne Schuld.<br />
Vorwände aber sucht er gegen mich,<br />
und er betrachtet mich als seinen Feind.<br />
Er spannte meine Füße in den Block<br />
und überwachte alle meine Pfade.<br />
Sieh, darin hast du Unrecht, sag’ ich dir;<br />
denn Gott ist größer als ein Mensch.<br />
Weswegen haderst du mit ihm?<br />
Weil er auf alle deine Worte nichts erwidert?<br />
Denn einmal redet Gott,<br />
ein zweites Mal – doch man bemerkt es nicht.<br />
Im Traum, im Nachtgesicht,<br />
wenn tiefer Schlaf sich auf die Menschen senkt,<br />
im Schlummer auf der Lagerstätte,<br />
da öffnet er das Ohr der Menschen<br />
und schreckt sie auf durch Warnungszeichen,<br />
von seinem Tun den Menschen abzubringen,<br />
den Hochmut aus den Menschen auszutreiben,<br />
zu retten seine Seele vor der Grube,<br />
sein Leben davor, in den Todesschacht<br />
hinabzusteigen.<br />
Er wird gewarnt durch Schmerz auf seinem Lager,<br />
und ständig tobt ein Kampf in seinen Gliedern.<br />
Am Brot verspürt sein Leben Ekel<br />
und seine Seele an der Lieblingsspeise.<br />
Es schwindet hin sein Fleisch, man sieht ’s<br />
nicht mehr,<br />
bis auf die Knochen mager, die man<br />
sonst nicht sieht.<br />
Schon nähert seine Seele sich dem Grabe,<br />
es naht sein Leben sich den Todesboten.<br />
Wenn dann ein Engel ihm zur Seite steht,<br />
ein Mittler, einer unter Tausenden,<br />
dem Menschen seine Pflicht zu künden,<br />
und der sich seiner dann erbarmt und spricht:<br />
Befreie ihn vom Abstieg in die Grube,<br />
ich habe Lösegeld für ihn gefunden!,<br />
dann blüht sein Fleisch in Jugendfrische,<br />
er kehrt zurück zu seinen Jugendtagen.<br />
53 Ijob 0,00–0,00
Er fleht zu Gott und der wird sich ihm<br />
gnädig zeigen,<br />
er darf sein Angesicht mit Jubel schauen,<br />
und seinen Freispruch tut er allen anderen kund.<br />
Er singt den Menschen zu und spricht:<br />
Ich hab’ gesündigt und das Recht verkehrt;<br />
doch hat er mir mit Gleichem nicht vergolten.<br />
Er rettete mich vor dem Abstieg in die Grube,<br />
mein Leben darf des Lichtes sich erfreuen.<br />
Sieh, alles dies pflegt Gott zu wirken,<br />
selbst zweimal, dreimal an den Menschen,<br />
zu retten seine Seele vor der Grube,<br />
sie zu erleuchten mit dem Licht des Lebens.<br />
Merk auf, Ijob, und schenke mir Gehör,<br />
schweig still, solang ich selber rede!<br />
Hast du noch Worte, gib mir Antwort!<br />
Sprich mir; denn gern geb’ ich dir recht.<br />
Wenn aber nicht, dann höre du mir zu<br />
und schweige still, dass ich dich Weisheit lehre.‹<br />
34<br />
Da fuhr Elihu fort und sprach:<br />
›Ihr Weisen, hört doch meine Worte,<br />
ihr Kundigen, leiht mir Gehör!<br />
Denn prüfen soll das Ohr die Worte,<br />
so wie der Gaumen seine Speise schmeckt.<br />
Was recht ist, wollen wir für uns erwählen,<br />
wir wollen forschen unter uns, was gut ist.<br />
Denn Ijob hat ausgesagt: Ich bin im Recht.<br />
Gott war ’s, der mir mein Recht entzogen hat.<br />
Obwohl im Recht, erscheine ich als Lügner,<br />
unheilbar ist die Wunde ohne Schuld.<br />
Wo wäre wohl ein Mann wie Ijob,<br />
der Lästerreden trinkt wie Wasser,<br />
der sich den Übeltätern zugesellt<br />
und auch mit Bösewichtern Umgang pflegt?<br />
Er sagte ja: Der Mensch hat keinen Nutzen,<br />
wenn er in Freundschaft lebt mit Gott.‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
54
DAS BUCH IJOB<br />
›Drum hört mir zu, ihr einsichtsvollen Männer!<br />
Fern ist ’s von Gott, Unrecht zu tun,<br />
und vom Allmächtigen, zu freveln.<br />
Denn nach des Menschen Werk vergilt er ihm,<br />
nach seinem Wandel lässt er ’s ihn auch treffen.<br />
Wahrhaftig, Gott kann niemals Unrecht tun,<br />
der Allerhöchste kann kein Recht verdrehen.<br />
Wer hat ihm denn die Erde anvertraut?<br />
Wer hat den ganzen Erdkreis aufgerichtet?<br />
Wenn er nur an sich selber dächte,<br />
und seinen Atem an sich zöge,<br />
dann würde alles Fleisch zugleich verscheiden,<br />
zum Staube kehrte auch der Mensch zurück.<br />
Hast du Verstand, so höre dies,<br />
und leih dein Ohr den Lauten meiner Worte!<br />
Kann wohl ein Feind des Rechtes regieren?<br />
Willst du den erhabensten Gerechten<br />
denn verdammen,<br />
der da zum König spricht: Nichtswürdiger!<br />
und zu den Edelleuten: Ihr Verbrecher!,<br />
der nicht parteiisch gegen Fürsten ist,<br />
den Reichen vor dem Armen nicht bevorzugt?<br />
Denn alle sind sie seiner Hände Werk.<br />
Sie sterben plötzlich, mitten in der Nacht;<br />
Vornehme sind erschüttert, schwinden hin;<br />
den Mächtigen beseitigt er ganz ohne<br />
Kraftanstrengung.<br />
Denn seine Augen sehen auf der Menschen Wege,<br />
und er beachtet alle ihre Schritte.<br />
Es gibt kein Dunkel, keine Finsternis,<br />
worin die Übeltäter sich verbergen könnten.<br />
Denn er bestimmte keine Frist den Menschen,<br />
vor Gottes Richterstuhle zu erscheinen.<br />
<strong>Die</strong> Mächtigen zerbricht er ohne Untersuchung,<br />
setzt andere in ihre Stelle ein.<br />
Da er von ihren Taten Kenntnis hat,<br />
stürzt er sie in der Nacht, dass sie zerschmettert sind.<br />
Er schlägt sie gleich Verbrechern<br />
an einem Ort, wo man es sieht,<br />
weil sie sich abgewendet haben<br />
und seine Wege nicht befolgten,<br />
sodass der Armen Schrei zu ihm empordrang<br />
und er das Rufen der Bedrückten hörte.<br />
Doch wenn er still sich hält,<br />
wer spricht ihn schuldig?<br />
Doch über Volk und Menschen wacht er,<br />
auf dass ein schlechter Mann nicht herrsche<br />
und dem Volk zum Fallstrick werde.<br />
Soll Gott ihm etwa sagen:<br />
Ich ward verführt, nicht will ich wieder freveln.<br />
Wenn ich gesündigt, lehre du mich jetzt!<br />
Tat Unrecht ich, ich will ’s nicht weiter tun.<br />
Soll er ihn dann nach deiner Meinung strafen,<br />
da du sein Urteil ja verwirfst?<br />
55 Ijob 0,00–0,00
Bei dir ist es, zu wählen, nicht bei mir.<br />
Drum sprich es aus, was du erkanntest!<br />
Mir werden Männer von Verstand es sagen<br />
und jeder weise Mann, der mir gelauscht:<br />
In Unverstand sprach Ijob,<br />
und ohne Einsicht waren seine Worte.<br />
Fürwahr, man soll auf immerdar ihn prüfen;<br />
denn nach Art der Frevler gab er Widerreden.<br />
Denn Frevel fügte er zu seiner Sünde;<br />
in unsrer Mitte treibt er Spott<br />
führt viele Reden gegen Gott.‹<br />
35<br />
Dann fuhr Elihu fort und sprach:<br />
›Erachtest du denn das für richtig?<br />
Du sprachst: Im Rechte bin ich mehr als Gott.<br />
Denn du erklärtest doch: Was nützt es mir,<br />
was habe ich davon, wenn ich die Sünde meide?<br />
Ich will dir nun die Antwort darauf geben<br />
und deinen Freunden auch zugleich mit dir.<br />
Zum Himmel blicke auf und schaue,<br />
sieh aufs Gewölk hoch über dir!<br />
Begehst du eine Sünde, was<br />
kannst du ihm schaden?<br />
Sind deine Sünden viel, was tust du ihm denn an?<br />
Bist du gerecht, was kannst du ihm dann geben?<br />
Was kann er denn aus deiner Hand empfangen?<br />
Nur deinesgleichen trifft dein Frevel,<br />
ein Menschenkind dein tugendhafter Wandel.<br />
Man jammert über der Bedrücker Menge,<br />
ruft Hilfe wegen der Gewalt der Großen.<br />
Doch fragt man nicht: Wo ist mein Schöpfergott,<br />
der Jubellieder schenkt selbst in der Nacht?<br />
Mehr als die Tiere hat er uns belehrt,<br />
und weiser machte er uns als des Himmels Vögel.<br />
Da schreien sie; doch er gibt keine Antwort<br />
der Anmaßung der Bösen wegen.<br />
Fürwahr, es ist umsonst, Gott hört es nicht,<br />
und der Allmächtige beachtet ’s nicht.<br />
Wenn du gar sagst, du sähst ihn nicht –<br />
der Rechtsstreit lag ihm vor und<br />
du musst auf ihn warten.<br />
Jetzt aber, weil sein Zorn noch ausbleibt<br />
und er sich um den Frevel nicht viel kümmert,<br />
reißt Ijob sinnlos seinen Mund auf,<br />
und ohne Einsicht macht er viele Worte.‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
56
DAS BUCH IJOB<br />
36<br />
Elihu fuhr fort und sprach:<br />
›Wart noch ein wenig, dass ich dich belehre!<br />
Denn noch kann ich zugunsten Gottes sprechen.<br />
Mein Wissen will ich aus der Ferne holen<br />
und werde meinem Schöpfer Recht verschaffen.<br />
Denn wahrlich, meine Worte sind kein Trug;<br />
ein Mann voll klarer Einsicht steht vor dir.<br />
Sieh, Gott ist gewaltig, doch verwirft er nicht,<br />
an Kraft des Herzens gewaltig.<br />
Den Übeltäter lässt er nicht am Leben,<br />
doch schafft er den Bedrängten Recht.<br />
Sein Auge wendet er nicht vom Gerechten.<br />
Mit Königen auf dem Thron heißt er sie sitzen<br />
immerdar und macht sie groß.<br />
Doch liegen sie in Ketten,<br />
gefangen in des Elends Banden,<br />
so hält er ihnen ihre Taten vor<br />
und ihre Sünden, weil sie sich erhoben.<br />
Zur Warnung öffnet er ihr Ohr<br />
und fordert auf, vom Bösen abzulassen.<br />
Wenn sie gehorchen und ihm dienen wollen,<br />
vollenden sie im Glück die Tage,<br />
in lauter Freuden ihre Jahre.<br />
Doch wenn sie nicht gehorchen wollen,<br />
dann fahren sie zum Todesschacht hinab<br />
und sterben ohne Einsicht hin.<br />
<strong>Die</strong> ruchlos sind von Herzen, hegen ihren Groll,<br />
wenn er sie fesselt, schreien sie nicht auf.<br />
Dahin stirbt ihre Seele in der Jugend,<br />
ihr Leben endet früh wie das von Hierodulen.<br />
Doch rettet er den Armen durch das Elend,<br />
er öffnet ihre Augen durch die Not.<br />
Auch dich entreißt er aus der Drangsal Rachen<br />
in unbedrängte Weite,<br />
von fetten Speisen voll ist deine Tafel.<br />
Doch wenn du wie ein Frevler richtest,<br />
werden Recht dich treffen und Gericht.<br />
Dass dich der Zorn nur nicht zum Spott verleitet,<br />
und reiches Lösegeld dich nicht verführt!<br />
Führt dein Geschrei dich aus der Not heraus<br />
und alles kräftige Bemüh’n?<br />
Nicht sehn’ dich nach der Nacht,<br />
die Völker treibt von ihrer Stätte.<br />
Sei auf der Hut, zum Bösen dich zu wenden!<br />
Denn darum wirst du ja geprüft.‹<br />
57 Ijob 0,00–0,00
›Sieh, Gott in seiner Macht ist hoch erhaben.<br />
Wer könnte denn wie er Belehrung geben?<br />
Wer hat ihm seinen Wandel vorgeschrieben?<br />
Wer wagt zu sagen: Du begingst ein Unrecht?<br />
Bedenke, dass du seine Werke preist,<br />
von denen doch die Menschen Lieder singen!<br />
Ein jeder Mensch betrachtet es mit Freude,<br />
obwohl er es auch nur von ferne sieht.<br />
Sieh, Gott ist groß und wir begreifen ’s nicht,<br />
und seiner Jahre Zahl ist unerforschlich.<br />
Heranzieht er die Wassertropfen,<br />
der Regen rieselt nieder aus der Flut,<br />
der aus den Wolken strömt<br />
und niederträufelt auf die vielen Menschen.<br />
Wer kann die Weiten seiner Wolke fassen,<br />
den lauten Donnerschlag aus seinem Zelt?<br />
Darüber breitet er den Wasserstrom,<br />
und deckt damit der Berge Gipfel zu.<br />
Denn er versorgt dadurch die Völker<br />
und spendet ihnen reichlich Nahrung.<br />
Er hebt den Blitz in seine beiden Hände<br />
und weist ihn an, wohin er fallen soll.<br />
Es kündet ihn sein Donnerrollen an,<br />
wenn er im Zorne eifert gegen Schlechtigkeit.‹<br />
37<br />
›Ja, darum packt mein Herz der Schrecken<br />
und pocht erregt an seiner Stelle.<br />
Lauscht aufmerksam dem Toben seiner Stimme,<br />
dem Grollen, das aus seinem Munde kommt!<br />
Er lässt es unter ’m ganzen Himmel fahren,<br />
bis zu der Erde Grenzen seinen Blitz.<br />
Laut brüllt der Donner hinter ihm;<br />
mit hoheitsvoller Stimme donnert er<br />
und hält die Blitze nicht zurück,<br />
wenn sich seine Stimme hören lässt.<br />
Gott lässt uns Wunderdinge schauen,<br />
Großtaten wirkt er, die wir nicht begreifen.<br />
Denn er befiehlt dem Schnee: Zur Erde falle!<br />
Den Regengüssen: Niederströmet!<br />
Auf aller Menschen Hand drückt er ein Siegel,<br />
dass alle Menschen seine Taten spüren.<br />
Das Wild zieht sich zurück in sein Versteck<br />
und legt auf seine Lagerstatt sich nieder.<br />
Aus seinen Kammern bricht der Sturm hervor,<br />
und mit dem Nordwind bricht die Kälte ein.<br />
Durch Gottes Atem bildet sich das Eis,<br />
die weite Wasserfläche ist erstarrt.<br />
Mit Nass belädt er das Gewölk,<br />
Gewitterwolken streuen aus sein Leuchten.<br />
Nach seinem Willen zieh ’n sie hin und her;<br />
sie führen alles aus, was er befiehlt,<br />
im weiten Kreise seiner Erde.<br />
Sei es zur Strafe für der Erde Völker,<br />
sei es als Hulderweis, so werden sie<br />
von ihm gesandt.<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
58
DAS BUCH IJOB<br />
Hör dies dir an, Ijob!<br />
Steh still, betrachte Gottes Wundertaten!<br />
Weißt du, wie ihnen Gott Befehle gibt,<br />
wie seiner Wolken Licht er leuchten lässt?<br />
Verstehst du es, wie seine Wolken schweben,<br />
die Wunderwerke des Allwissenden?<br />
Du, dessen Kleider schon vor Hitze glühen,<br />
wenn die Erde unter ’m Südwind brütet,<br />
hast du mit ihm die Wolkendecke ausgebreitet,<br />
fest wie ein Spiegel, aus Metall gegossen?<br />
Belehre uns, was wir ihm sagen sollen!<br />
Nichts vorzubringen wissen wir, so sprachlos,<br />
wie wir sind.<br />
Muss man ihm erst erzählen, wenn ich rede?<br />
Wenn einer spricht, wird es ihm mitgeteilt?<br />
Man kann das Sonnenlicht nicht sehen,<br />
wenn hinter dem Gewölk es aufglänzt.<br />
Ein Windstoß fährt daher und jagt es fort.<br />
Vom Norden her erstrahlt der Glanz;<br />
um Gott ist eine Pracht, die Schrecken bringt.<br />
Nie werden den Allmächtgen wir ergründen.<br />
An Macht und Recht ist er gewaltig groß.<br />
Reich an Gerechtigkeit wird er das Recht<br />
nicht beugen.<br />
Deswegen sollen ihn die Menschen fürchten.<br />
<strong>Die</strong> Weisheitskundigen – er schaut sie<br />
nicht einmal an.‹<br />
59 Ijob 0,00–0,00
V<br />
38<br />
Da gab der Herr Ijob Antwort aus dem Gewittersturm und sprach:<br />
›Wer ist es, der den Plan verdunkelt<br />
mit Worten, denen die Erkenntnis mangelt?<br />
Umgürte deine Lenden wie ein Mann!<br />
Ich will dich fragen, du belehre mich!<br />
Wo warst du denn, als ich die Erde gründete?<br />
Sag an, wenn du so große Einsicht hast!<br />
Wer setzte fest ihr Maß? Du weißt es ja.<br />
Wer spannte über ihr die Messschnur aus?<br />
Worauf sind ihre Pfeiler eingesenkt,<br />
und wer hat ihren Eckstein eingefügt,<br />
als all die Morgensterne jauchzten<br />
und alle Gottessöhne jubelten?<br />
Wer sperrte ab das Meer mit Toren,<br />
als sprudelnd es dem Mutterschoß entsprang,<br />
als ich zu seinem Kleid die Wolken machte,<br />
zu seinen Windeln des Gewölkes Dunkel,<br />
als ich ihm damals eine Grenze brach,<br />
die Riegel und die Tore setzte?<br />
Und sprach: Bis hierher kommst du und nicht weiter,<br />
hier soll zerschellen deiner Wogen Stolz?<br />
Gebotest du in deinem Leben je dem Morgen,<br />
hast du der Morgenröte ihren Platz gewiesen,<br />
auf dass der Erde Säume sie erfasse<br />
und sie die Frevler von ihr schüttle?<br />
Sie wandelt sich wie Siegelton,<br />
und wie ein Kleidungsstück, so färbt sie sich.<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
60
DAS BUCH IJOB<br />
Den Übeltätern wird ihr Licht verweigert;<br />
zerbrochen wird der Arm, der schon erhoben.<br />
Gelangtest du bis zu des Meeres Quellen?<br />
Bist du gewandelt auf der Urflut Grund?<br />
Hat man des Todes Tore dir gezeigt<br />
und sahst du denn der Finsternisse Pforten?<br />
Hast du denn Einsicht in den weiten Raum der Erde?<br />
Gestehe es, ob du sie ganz begreifst!<br />
Wo ist der Weg zum Aufenthalt des Lichtes,<br />
die Finsternis, wo hat sie ihren Platz,<br />
damit du sie in ihr Gebiet geleitest<br />
und sie den Weg zu ihrem Hause führst?<br />
Du weißt es; damals bist du ja geboren,<br />
und deiner Lebenstage Zahl ist groß.<br />
Kamst du bis zu den Speichern voller Schnee?<br />
Hast du des Hagels Scheuern je gesehen,<br />
den ich für Drangsalzeiten auf bewahrte,<br />
für den Tag des Kampfes und der Schlacht?<br />
Wo ist der Weg, da sich der Wind zerteilt,<br />
der Ostwind auf die Erde sich zerstreut?<br />
Wer brach dem Regengusse eine Rinne<br />
und der Gewitterwolke einen Weg,<br />
damit auf menschenleeres Land es regne<br />
und auf die Steppe, die kein Mensch bewohnt,<br />
zu sättigen die Wüste und die Wildnis,<br />
im Ödland Wachstum frischem Pflanzenwuchs zu geben?<br />
Gibt es denn für den Regen einen Vater,<br />
und wer erzeugt des Taues Tropfen?<br />
Aus wessen Schoß entspringt das Eis,<br />
wer hat den Reif des Himmels denn geboren?<br />
61 Ijob 0,00–0,00
Wie zu Gestein verdichten sich die Wasser;<br />
es zieht der Fluten Fläche sich zusammen.<br />
Verknüpfst du die Bande der Plejaden,<br />
hast du gelöst die Fesseln des Orion?<br />
Führst du zur rechten Zeit heraus die Tierkreissterne<br />
und leitest du den Löwen mit den Jungen?<br />
Weißt du denn um die Ordnungen des Himmels,<br />
bist du ’s, der seine Schrift auf Erden niederlegt?<br />
Erhebst du deine Stimme zu den Wolken,<br />
auf dass der Schwall des Wassers dich bedeckt?<br />
Entsendest du die Blitze, dass sie ziehen<br />
und zu dir sagen: Siehe, wir sind da!<br />
Wer legt die Weisheit in den Ibis,<br />
und wer verleiht Verstand dem Hahn?<br />
Wer kann in Weisheit wohl die Wolken zählen,<br />
wer kann des Himmels Schläuche denn entleeren,<br />
wenn sich die Erde fügt zur harten Masse<br />
und fest die Schollen aneinander kleben?<br />
Bist du es, der der Löwin jagt die Beute,<br />
kannst du die Gier der jungen Löwen stillen,<br />
wenn sie sich in den Lagern niederducken,<br />
im Dickicht auf der Lauer liegen?<br />
Wer gibt dem Raben seine Nahrung,<br />
wenn seine Jungen schrein zu Gott um Hilfe,<br />
und sie umherirren ohne Fraß?‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
62
DAS BUCH IJOB<br />
39 ›Weißt du die Zeiten, wann die Felsenziegen werfen?<br />
Beachtest du es, wann die Hirschkuh kreißt?<br />
Zählst du die Monde, die sie trächtig gehen,<br />
und weißt du um die Zeit, da sie gebären?<br />
Sie kauern nieder, werfen ihre Jungen<br />
und werden ihre Wehen los.<br />
<strong>Die</strong> Kleinen werden stark und größer;<br />
sie ziehen aus und kehren nicht mehr heim.<br />
Wer gab dem Zebra seine Freiheit?<br />
Wer löste los des wilden Esels Fessel?<br />
<strong>Die</strong> Steppe wies ich ihm zur Heimat an,<br />
erkor zu seinem Lagerplatz das Salzland.<br />
Er spottet des Gedränges in der Stadt:<br />
des Treibers lautes Schreien hört er nicht.<br />
<strong>Die</strong> Berge sucht er ab nach seiner Weide,<br />
und hinter jedem Grün spürt er noch her.<br />
Wird dir der Wildstier willig <strong>Die</strong>nste leisten,<br />
wird er an deiner Krippe übernachten?<br />
Hälst du am Strick ihn in der Ackerfurche?<br />
Pflügt er die Täler hinter dir?<br />
Traust du ihm wohl, weil er an Kräften reich ist?<br />
Kannst du ihm deine Arbeit überlassen?<br />
Darfst du ihm glauben, dass er wiederkehrt<br />
und deine Saat zur Tenne bringt?<br />
Der Straußenhenne Flügel schwingt sich froh,<br />
doch macht sie wohl Gebrauch davon wie Störche oder Falken?<br />
63 Ijob 0,00–0,00
Sie überlässt der Erde ihre Eier<br />
und brütet sie im Sande aus,<br />
vergisst, dass sie ein Fuß zertreten,<br />
ein wildes Tier zerdrücken kann,<br />
behandelt auch die Jungen hart, als wären ’s eben Fremde;<br />
dass ihre Müh’ umsonst gewesen, kümmert sie nicht weiter.<br />
Denn Gott ließ Weisheit sie vergessen,<br />
und keine Einsicht teilte er ihr zu.<br />
Im Augenblick jedoch, wenn schnellt sie in die Höhe,<br />
verlacht sie Ross und Reiter.<br />
Kannst du dem Rosse seine Stärke geben<br />
und seinen Nacken mit der Mähne zieren?<br />
Kannst du es springen lassen wie den Heuschreck?<br />
Sein Schnauben voller Kraft verbreitet Schrecken.<br />
Es scharrt im Talesgrund und ist voll Freude,<br />
mit Kraft stürmt es dem Waffengang entgegen.<br />
Es lacht des Schreckens und kennt keine Furcht,<br />
selbst vor dem Schwerte weicht es nicht zurück.<br />
Auf seinem Rücken klirrt der Köcher<br />
und blitzen Speer und Sichelschwert auf.<br />
Bei seinem ruhelosen Stampfen wirbelt die Erde auf,<br />
lässt sich nicht halten beim Posaunenschall.<br />
Sobald das Horn erschallt, beginnt es laut zu wiehern.<br />
Schon aus der Ferne wittert es den Kampf,<br />
Kommandorufe, Kriegsgeschrei.<br />
Schwingt sich der Falke auf nach deiner Einsicht<br />
und breitet seine Flügel nach dem Südwind aus?<br />
Hebt sich auf dein Geheiß der Adler aufwärts,<br />
bereitet auf den Höhen seinen Horst?<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
64
DAS BUCH IJOB<br />
Auf Felsen wohnt und nächtigt er,<br />
auf Felsenzacken und auf steilen Klippen.<br />
Von dort späht er nach Beute aus,<br />
und seine Augen schweifen in die Ferne.<br />
Nach Blut sind gierig schon die Jungen,<br />
und wo Erschlag’ne liegen, da ist er zur Stelle.‹<br />
40<br />
Da antwortete der Herr dem Ijob und sprach:<br />
›Will den Allmächtgen der Tadler zuechtweisen?<br />
Wer Gott will tadeln, der muss Antwort stehen.‹<br />
Da antwortete Ijob dem Herrn und sprach:<br />
›Sieh, zu gering bin ich. Was soll ich dir erwidern?<br />
Ich lege meine Hand auf meinen Mund.<br />
Einmal hab’ ich geredet, tu ’s nicht wieder;<br />
sogar ein zweites Mal, doch fahre ich nicht fort.‹<br />
65 Ijob 0,00–0,00
Da gab der Herr dem Ijob Antwort aus dem Gewittersturm und sprach:<br />
›Umgürte deine Lenden wie ein Mann!<br />
Ich will dich fragen, du belehre mich!<br />
Willst du wirklich mir mein Recht zunichte machen,<br />
mich schuldig sprechen, dass du recht behältst?<br />
Hast du denn einen Arm wie Gott?<br />
Kannst du wie er mit deiner Stimme donnern?<br />
Mit Hoheit und mit Größe schmück dich doch,<br />
und kleide dich in Glanz und Herrlichkeit!<br />
Lass überströmen deines Zornes Fluten,<br />
schau all das Stolze an und beug es nieder!<br />
Schau all das Stolze an, wirf es zu Boden,<br />
zertritt die Frevler auf der Stelle!<br />
Verbirg sie insgesamt im Staub,<br />
versenk sie ins Verborgene!<br />
Dann will auch ich dich anerkennen,<br />
weil deine Rechte dir den Sieg gewann.‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
66
DAS BUCH IJOB<br />
›Sieh doch das Nilpferd neben dir!<br />
Von Gräsern nährt es sich gleichwie ein Rind.<br />
Betrachte seine Kraft in seinen Lenden<br />
und seine Stärke in den Muskeln seines Bauchs!<br />
Er strafft wie eine Zeder seinen Schwanz;<br />
die Sehnen seiner Schenkel sind verflochten.<br />
<strong>Die</strong> Knochen sind wie erzgegoss’ne Röhren,<br />
und sein Gebein gleicht Eisenstangen.<br />
Der Erstling ist es unter Gottes Werken,<br />
zum Herrscher über alles Landgetier gemacht.<br />
<strong>Die</strong> Berge tragen ihm die Nahrung zu<br />
und allen wilden Tieren, die dort spielen.<br />
Es lagert ruhig unter Lotusbüschen;<br />
in Schilf und Sumpf versteckt.<br />
<strong>Die</strong> Lotusbüsche decken es mit Schatten zu,<br />
und rings umgeben es des Flusses Pappeln.<br />
Und schwillt der Strom gewaltig an, es flüchtet nicht,<br />
strömt ihm die Flut ins Maul, so bleibt ’s doch ruhig.<br />
Wer wagt es, in die Augen ihm zu greifen?<br />
Durchbohrt man in der Falle seine Nase?‹<br />
67 Ijob 0,00–0,00
›Fängst du das Krokodil am Angelhaken,<br />
drückst seine Zunge mit dem Fangseil nieder?<br />
Ziehst du ein Binsenseil durch seine Nase?<br />
Durchbohrst du seine Backe mit dem Haken?<br />
Wird es mit vielen Bitten dich angehen,<br />
und wird es Schmeichelworte an dich richten?<br />
Wird es wohl einen Pakt mit dir abschließen,<br />
dass du für immer es zum Knechte nimmst?<br />
Kannst du mit ihm spielen wie mit einem Vogel,<br />
kannst du für deine Mädchen es anbinden?<br />
Und feilschen darum denn die Zunftgenossen,<br />
verteilen es die Händler unter sich?<br />
Kannst du mit Haken seine Haut durchdringen<br />
und mit der Fischharpune seinen Kopf?<br />
Versuch nur, deine Hand daran zu legen!<br />
Denk an den Kampf! Du tust es niemals wieder.‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
68
DAS BUCH IJOB<br />
41 ›Schau, deine Hoffnung wird betrogen;<br />
durch seinen bloßen Anblick kommt man schon zu Fall.<br />
So kühn ist niemand, es zu reizen;<br />
wer ist es, der ihm widerstehen kann?<br />
Wer trat ihm je entgegen und blieb heil?<br />
Nicht einen gibt es unter ’m ganzen Himmel.<br />
Von seinen Gliedern will ich nichts verschweigen,<br />
von seiner Größe, Kraft und Wohlbeschaffenheit.<br />
Wer wagt sein Oberkleid wohl aufzudecken,<br />
wer dringt in seinen Doppelpanzer ein?<br />
Wer öffnet wohl die Tore seines Rachens?<br />
Es lagert Schrecken rings um seine Zähne.<br />
Sein Rücken trägt reihenweise Schilde,<br />
verschlossen und versiegelt wie mit Kieselsteinen.<br />
Es fügt sich einer an den anderen an,<br />
es dringt kein Lufthauch zwischen ihnen durch.<br />
Denn einer haftet an dem anderen fest;<br />
sie hängen aneinander, untrennbar verbunden.<br />
Sein Niesen lässt das Licht aufleuchten,<br />
des Frührots Wimpern gleichen seine Augen.<br />
Aus seinem Rachen steigen Fackeln auf,<br />
wie Feuerfunken fahren sie empor.<br />
Rauch geht von seinen Nüstern aus<br />
wie aus dem Topf, der kocht und siedet.<br />
Glühkohlen facht sein Atem an,<br />
und eine Flamme schlägt aus seinem Rachen.<br />
Auf seinem Nacken ruht die Stärke,<br />
und vor ihm her springt auf der Schrecken.<br />
<strong>Die</strong> Massen seines Fleisches haften fest,<br />
sie sind ihm angegossen, unbeweglich.<br />
69 Ijob 0,00–0,00
Sein Herz ist fest wie Stein,<br />
hart ist es wie der unt’re Mühlstein.<br />
Erhebt es sich, erschrecken selbst die Fluten;<br />
des Meeres Wellen ziehen sich zurück.<br />
Wenn man es trifft, so nützt kein Schwert<br />
und keine Lanze, Wurfgeschoss noch Pfeil.<br />
Es achtet Eisen nur wie Stroh,<br />
und Erz wie Holz, das voller Wurmfraß ist.<br />
Ein Pfeil vermag es nicht zur Flucht zu zwingen,<br />
und Schleudersteine sind für es wie Spreu.<br />
Wie einen Strohhalm achtet es die Keule,<br />
es lacht nur über Schwerterklingen.<br />
<strong>Die</strong> Unterseite starrt von Scherbenspitzen,<br />
im Schlamme zeichnet es ein Dreschbrett auf.<br />
<strong>Die</strong> Tiefe lässt es brodeln wie den Kessel<br />
und macht das Meer zu einem Salbentopf.<br />
Aufleuchten lässt es hinter sich den Pfad;<br />
man hält das Meer für Greisenhaar.<br />
Es gibt nicht seinesgleichen auf der Erde,<br />
dazu geschaffen, ohne Furcht zu sein.<br />
Verächtlich schaut es alles Hohe an,<br />
und König ist es über alle stolzen Tiere.‹<br />
42<br />
Da antwortete Ijob dem Herrn und sprach:<br />
›Ich weiß nun, dass du alles kannst<br />
und kein Gedanke dir unmöglich ist.<br />
Wer ist es, der den Rat verdunkelt ohne Einsicht?<br />
So sprach ich im Unverstand von dem,<br />
was mir zu wunderbar und unbegreiflich war.<br />
So höre doch, ich will nun reden!<br />
Ich will dich fragen, du belehre mich!<br />
Vom Hörensagen nur hab’ ich von dir gewusst;<br />
jetzt aber hat mein Auge dich geschaut.<br />
Drum leiste Widerruf ich und bereue<br />
in Staub und Asche!‹<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
70
DAS BUCH IJOB<br />
VI<br />
Als der Herr diese Worte zu Ijob geredet hatte, sprach der Herr zu Elifas<br />
aus Teman: ›Mein Zorn ist gegen dich und deine beiden Freunde entbrannt,<br />
weil ihr über mich nicht die Wahrheit gesprochen habt wie mein Knecht<br />
Ijob. So nehmt euch jetzt sieben Jungstiere und sieben Widder, geht zu meinem<br />
Knechte Ijob und bringt ein Brandopfer für euch dar. Mein Knecht<br />
Ijob soll für euch Fürbitte einlegen. Nur auf ihn will ich Rücksicht nehmen,<br />
dass ich euch keine Schmach antue. Denn ihr habt nicht die Wahrheit über<br />
mich geredet wie mein Knecht Ijob.‹ Da gingen Elifas von Teman, Bildad<br />
von Schuach und Zofar von Naama hin und taten, wie der Herr zu ihnen<br />
gesprochen hatte. Und der Herr nahm Rücksicht auf Ijob.<br />
71 Ijob 0,00–0,00
Der Herr wendete das Geschick Ijobs, als er für seine Freunde Fürbitte<br />
einlegte, und vermehrte alles, was Ijob besessen hatte, auf das Doppelte. Da<br />
kamen zu ihm alle seine Brüder und Schwestern und alle seine früheren<br />
Bekannten. Sie aßen mit ihm in seinem Haus, bezeigten ihm ihr Beileid<br />
und trösteten ihn wegen all des Unheils, das der Herr über ihn gebracht<br />
hatte. Jeder gab ihm eine Kesita und einen goldenen Ring. Der Herr aber<br />
segnete die folgende Lebenszeit Ijobs mehr als seine frühere: Er besaß vierzehntausend<br />
Schafe, sechstausend Kamele, tausend Joch Rinder und tausend<br />
Eselinnen. Er hatte auch sieben Söhne und drei Töchter. <strong>Die</strong> erste<br />
nannte er Jemima (Täubchen), die zweite Kezia (Zimtblüte), die dritte Keren-<br />
Happuch (Salbhörnchen). Man fand im ganzen Land keine schöneren Frauen<br />
als die Töchter Ijobs. Ihr Vater gab ihnen Erbteil unter ihren Brüdern.<br />
Danach lebte Ijob noch einhundertvierzig Jahre und sah seine Kinder und<br />
Kindeskinder, vier Generationen. Ijob starb alt und lebenssatt.<br />
Ijob 0,00–0,00<br />
72
75 Status<br />
<strong>Die</strong><br />
Psalmen
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Erstes Buch<br />
Psalm 1–41<br />
Zweites Buch<br />
Psalm 42–72<br />
Drittes Buch<br />
Psalm 73–89<br />
Viertes Buch<br />
Psalm 90–106<br />
Fünftes Buch<br />
Psalm 107–150<br />
Ps 0,00–0,00<br />
76
Erstes Buch<br />
Psalm 1<br />
Selig der Mann,<br />
der nicht folgt dem Rate der Bösen,<br />
der nicht auf dem Weg der Sünder geht,<br />
noch sitzt in der Runde der Spötter;<br />
der aber Freude hat am Gesetz des Herrn<br />
und sinnt darüber bei Tag und bei Nacht.<br />
Er gleicht einem Baum,<br />
gepflanzt am Rande der Wasser,<br />
der Früchte trägt zu der Zeit<br />
und dessen Blätter nicht welken:<br />
ja, alles, was er tut, es gelingt ihm.<br />
Nicht so die Gottlosen, nicht so!<br />
Sie sind wie Spreu, die im Winde verweht.<br />
So werden die Gottlosen nicht bestehen im Gericht<br />
noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten.<br />
Denn der Herr behütet den Weg der Gerechten,<br />
doch der Weg der Sünder führt in den Abgrund.<br />
77 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Psalm 2<br />
Warum toben die Heiden?<br />
Was schmieden die Völker nichtige Pläne?<br />
<strong>Die</strong> Könige der Erde erheben sich,<br />
es haben sich verschworen die Großen<br />
gegen den Herrn und seinen Gesalbten:<br />
Lasst uns ihre Fesseln zersprengen,<br />
werfen wir ab ihre Stricke!<br />
Der in den Himmeln wohnt, er lacht;<br />
ihrer spottet der Herr.<br />
Einmal aber spricht er zu ihnen im Zorn,<br />
schrecklich herrscht er in seinem Grimm<br />
sie an:<br />
Ich selber habe meinen König bestellt<br />
auf Zion, meinem heiligen Berg.<br />
Den Beschluss des Herrn will ich künden:<br />
Der Herr sprach zu mir:<br />
Mein Sohn bist du, ich habe dich heute<br />
gezeugt.<br />
Verlange von mir und ich will zum Erbe dir<br />
geben die Völker,<br />
zu deinem Eigentum die Enden der Erde.<br />
Du magst sie regieren mit eisernem Zepter,<br />
wie irdene Krüge zerschlagen.<br />
Wohlan, ihr Könige, kommt zur Einsicht!<br />
Lasst euch warnen, ihr Beherrscher der<br />
Erde!<br />
<strong>Die</strong>nt dem Herrn in Furcht und huldigt ihm!<br />
Unter Beben erweist ihm Gehorsam.<br />
Dass er nicht ergrimme und ihr auf dem Weg<br />
nicht verderbt,<br />
wenn bald entbrennt sein Zorn!<br />
Selig dann alle, die zu ihm flüchten!<br />
Psalm 3<br />
Ein Psalm von David, als er vor seinem Sohne<br />
Abschalom floh.<br />
O Herr, wie viele sind es, die mich<br />
bedrängen,<br />
viele stehen auf gegen mich.<br />
Viele sind es, die von mir sagen:<br />
Für den ist keine Rettung bei Gott.<br />
Du aber, Herr, bist mein Schild,<br />
du bist mein Ruhm, du erhebst mein Haupt.<br />
Mit lauter Stimme rief ich zum Herrn,<br />
und er hat mich erhört von seinem heiligen<br />
Berg.<br />
Ich legte mich zur Ruhe und schlief;<br />
ich erhob mich wieder, weil der Herr mich<br />
erhält.<br />
Nicht fürchte ich die Tausendscharen des<br />
Volkes,<br />
die rings mich feindlich umlagern.<br />
Erhebe dich, Herr!<br />
Schaffe mir Heil, du mein Gott!<br />
Du hast zerschmettert die Backen all<br />
meiner Feinde,<br />
die Zähne der Frevler zerbrochen.<br />
Hilfe ist allein beim Herrn,<br />
über deinem Volk sei dein Segen.<br />
Psalm 4<br />
Dem Chormeister, mit Saitenspiel;<br />
ein Psalm von David.<br />
Wenn ich rufe zu dir, erhörst du<br />
mich,<br />
mein Gott, der mir schafft Gerechtigkeit.<br />
Du hast mir geholfen in meiner Bedrängnis,<br />
erbarme dich meiner und erhöre mein<br />
Beten!<br />
Ihr Menschen, wie lange verhärtet ihr euere<br />
Herzen!<br />
Ps 0,00–0,00<br />
78
Erstes Buch<br />
Was liebt ihr eitlen Wahn, was sucht ihr<br />
Trug?<br />
Wisst: Wunder vollbringt der Herr an seinem<br />
Getreuen;<br />
der Herr wird mich hören, wenn ich ihn<br />
rufe.<br />
Erschreckt doch und lasst die Sünde, bedenkt<br />
es recht im Herzen!<br />
Auf euerem Lager sinnt nach und seid still;<br />
bringt würdige Opfer und harrt auf den<br />
Herrn!<br />
Viele sagen: Wer zeigt uns noch Gutes!<br />
O Herr, lass über uns leuchten dein<br />
Angesicht!<br />
Du erfüllst mein Herz mit Freude,<br />
mehr, als hätten wir Wein und Weizen im<br />
Überfluss.<br />
Ich lege mich nieder und schlafe in Frieden;<br />
denn du allein, o Herr, lässt mich wohnen<br />
in Sicherheit.<br />
Psalm 5<br />
Dem Chormeister, auf Flöten;<br />
ein Psalm von David.<br />
er ist ein Gräuel dem Herrn.<br />
Ich aber, dank deiner unermesslichen Güte,<br />
ich darf betreten dein Haus.<br />
Darf niedersinken vor deinem heiligen<br />
Tempel,<br />
o Herr, in Ehrfurcht vor dir.<br />
Der du gerecht, o führe mich zum Trotz<br />
meiner Feinde,<br />
mache eben vor mir deinen Pfad.<br />
Es ist in ihrem Mund nicht Wahrheit,<br />
auf böse Listen sinnt ihr Herz.<br />
Ihre Kehle ist ein offenes Grab,<br />
wenn auch von Schmeichelreden trieft ihre<br />
Zunge.<br />
Lass sie es büßen, o Gott,<br />
lass sie stürzen durch ihre eigenen Ränke.<br />
Wegen ihrer Frevel stoße sie aus,<br />
denn sie bieten dir Trotz.<br />
Doch jubeln sollen, die Zuflucht suchen bei dir,<br />
sie sollen frohlocken für immer.<br />
Beschütze sie und lasse sie deiner sich<br />
freuen,<br />
die deinen Namen verehren.<br />
Denn du segnest, o Herr, den Gerechten,<br />
gleich einem Schild ist über ihm deine<br />
Gnade.<br />
Vernimm meine Worte, o Herr,<br />
und habe Acht auf mein Seufzen!<br />
Merke auf mein lautes Gebet,<br />
du mein König und Gott.<br />
Zu dir flehe ich, Herr;<br />
schon in der Frühe hörst du mein Rufen,<br />
in der Frühe bringe ich zu dir meine Bitten<br />
und warte.<br />
Nicht bist du ein Gott, der Gefallen hätte an<br />
Frevel,<br />
der Böse darf nicht weilen vor dir,<br />
die Gottlosen können vor dir nicht bestehn.<br />
<strong>Die</strong> Unrecht üben, du hasst sie alle,<br />
du vernichtest alle die Lügner.<br />
Der blutbefleckte, der tückische Mann,<br />
Psalm 6<br />
Dem Chormeister, mit Saitenspiel im achten Ton;<br />
ein Psalm von David.<br />
Nicht züchtige mich, Herr, in<br />
deinem Zorn,<br />
in deinem Grimm strafe mich nicht.<br />
Erbarme dich meiner, o Herr, ich sieche<br />
dahin;<br />
heile mich, Herr, denn verstört ist all mein<br />
Gebein.<br />
Tief verstört ist meine Seele,<br />
du aber, Herr, wie lange säumst du noch!<br />
79 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Wende dich zu mir, o Herr, und rette mich,<br />
um deiner Barmherzigkeit willen<br />
schaffe mir Heil.<br />
Denn wer kann deiner bei den Toten<br />
gedenken?<br />
Wer in der Unterwelt vermag dich<br />
zu preisen?<br />
Ermattet bin ich vom Seufzen,<br />
jede Nacht benetze ich weinend mein Bett,<br />
ich wasche mein Lager in Tränen.<br />
Mein Auge ist vor Kummer getrübt,<br />
wegen meiner vielen Feinde bin ich gealtert.<br />
Weicht von mir, all ihr Gottlosen,<br />
denn mein lautes Weinen<br />
hat vernommen der Herr.<br />
Der Herr hat mein Flehen gehört,<br />
der Herr hat angenommen mein Beten.<br />
Verwirrung komme über all meine Feinde,<br />
sie sollen zuschanden werden und fliehn,<br />
gar schnell soll Schmach sie ereilen.<br />
Psalm 7<br />
Ein Klagelied von David, das er dem Herrn sang<br />
wegen des Benjaminiten Kusch.<br />
Herr, mein Gott,<br />
ich flüchte zu dir,<br />
befreie mich von allen, die mich verfolgen,<br />
und rette mich:<br />
Dass keiner mich fasse gleich einem Löwen<br />
und mich zerreiße, und niemand ist,<br />
der mich rette.<br />
Herr, mein Gott, wenn ich solches getan,<br />
wenn Unrecht haftet an meinen Händen,<br />
wenn ich Böses getan meinem Freund,<br />
ich, der sogar dem ungerechten Gegner<br />
geholfen,<br />
dann soll der Feind mich verfolgen<br />
und greifen,<br />
er trete zu Boden mein Leben,<br />
er trete in den Staub meine Ehre!<br />
Herr, in deinem Grimm erhebe dich,<br />
stelle dich entgegen der Wut meiner Feinde;<br />
im Gericht, das du verordnet,<br />
steh für mich ein.<br />
Dich umstehe die Versammlung der Völker,<br />
hoch über ihnen besteige den Richterstuhl.<br />
Der Herr ist Richter der Völker.<br />
Herr, nach deiner Gerechtigkeit<br />
schaffe mir Recht,<br />
nach der Unschuld,<br />
die mir wohnt im Herzen.<br />
Zu Ende sei die Bosheit der Frevler,<br />
mache stark den Gerechten,<br />
gerechter Gott, der du erforschst Herzen<br />
und Nieren.<br />
Gott ist mein Schild,<br />
er rettet, die redlichen Herzens sind.<br />
Ein gerechter Richter ist Gott,<br />
an jedem Tage kann entbrennen sein Zorn.<br />
Kehren sie nicht um,<br />
so schärft er sein Schwert,<br />
er spannt seinen Bogen und zielt.<br />
Er richtet auf sie des Todes Geschoss<br />
und macht seine Pfeile glühend.<br />
Siehe, da empfing einer Frevel und<br />
trägt sich mit Unheil,<br />
und was er zur Welt bringt, ist Tücke.<br />
Eine Grube hob er aus und machte sie tief,<br />
doch in die Tiefe, die er gegraben,<br />
stürzte er selbst hinein.<br />
Seine Bosheit fällt zurück<br />
auf sein eigenes Haupt,<br />
nieder fährt seine Untat<br />
auf den eigenen Scheitel.<br />
Ich aber preise den Herrn,<br />
der in Gerechtigkeit waltet,<br />
dem Namen des Höchsten<br />
will ich lobsingen.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
80
Erstes Buch<br />
Psalm 8<br />
Dem Chormeister, nach der Weise von Gat;<br />
ein Psalm von David.<br />
Herr, unser Gott!<br />
Wie wunderbar ist auf der<br />
ganzen Erde dein Name!<br />
Deine Herrlichkeit hast Du ausgebreitet<br />
über die Himmel.<br />
Aus dem Mund der Kinder und Kleinen hast<br />
du dir ein Bollwerk bereitet,<br />
zu beschämen die Feinde;<br />
Widersacher und Gegner<br />
müssen verstummen.<br />
Ich schaue den Himmel,<br />
das Werk deiner Finger,<br />
den Mond und die Sterne, die du geschaffen.<br />
Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst!<br />
Des Menschen Sohn,<br />
dass du Sorge trägst um ihn!<br />
Du hast ihn nur wenig unter die Engel gestellt,<br />
hast ihn gekrönt mit Ehre und Herrlichkeit.<br />
Du hast ihm Macht gegeben über das Werk<br />
deiner Hände,<br />
alles hast du ihm zu Füßen gelegt:<br />
All die Schafe und Rinder<br />
und die Tiere des Feldes,<br />
die Vögel des Himmels und<br />
die Fische im Meer<br />
und alles, was dahinzieht<br />
die Pfade der Meere.<br />
Herr, unser Gott!<br />
Wie wunderbar ist auf der ganzen Erde<br />
dein Name!<br />
Psalm 9<br />
Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />
Ich will dich preisen, o Herr,<br />
vom Grund meines Herzens,<br />
all deine Wundertaten will ich verkünden.<br />
Jubeln will ich und deiner mich freuen,<br />
deinem Namen, o Höchster,<br />
will ich lobsingen.<br />
Denn meine Feinde wichen zurück,<br />
sie stürzten nieder vor dir und<br />
gingen zugrunde.<br />
Du machtest dir mein Recht und<br />
meine Sache zu Eigen,<br />
als gerechter Richter<br />
bestiegst du den Thron.<br />
<strong>Die</strong> Völker hast du gescholten,<br />
vernichtet die Frevler,<br />
ausgelöscht ihre Namen auf immerdar.<br />
Dahin sind die Feinde,<br />
gestürzt in ewigen Untergang,<br />
ihre Städte hast du zerstört,<br />
sie sind vergessen auf immer.<br />
Der Herr aber thront auf ewig,<br />
seinen Richterstuhl hat er aufgestellt<br />
zum Gericht.<br />
In Gerechtigkeit wird er richten den Erdkreis,<br />
den Völkern spricht er das Urteil<br />
nach Recht.<br />
Der Herr wird sein den Bedrängten ein Hort,<br />
rettende Zuflucht in Tagen der Not.<br />
<strong>Die</strong> deinen Namen kennen,<br />
sie hoffen auf dich,<br />
nimmer wirst du verlassen, o Herr,<br />
die dich suchen.<br />
Lobsingt dem Herrn, der wohnt auf Zion,<br />
unter den Völkern macht kund seine Taten.<br />
Denn als Rächer des Blutes<br />
hat er ihrer gedacht,<br />
nicht vergessen hat er die Schreie der Armen.<br />
Erbarme dich meiner, o Herr,<br />
sieh an die Bedrängnis, die ich von meinen<br />
Feinden erleide;<br />
hebe mich empor von den Pforten des Todes:<br />
Auf dass ich künde dein Lob in den Toren der<br />
Tochter Zion<br />
und frohlocke, weil du mir geholfen hast.<br />
81 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
<strong>Die</strong> Völker sanken in die Grube,<br />
die sie selber gegraben;<br />
im Netz, das sie gelegt,<br />
verfing sich ihr eigener Fuß.<br />
Kundgetan hat sich der Herr im Gericht,<br />
der Frevler hat sich verstrickt im Werk<br />
der eigenen Hand.<br />
Zur Hölle fahren müssen die Frevler,<br />
die Völker alle, die Gott vergessen.<br />
Doch nicht auf immer ist vergessen der Arme,<br />
der Elenden Hoffen<br />
wird nicht auf ewig enttäuscht.<br />
Steh auf, o Herr,<br />
dass der Mensch sich nicht überhebe,<br />
zum Gericht lass vor dich treten die Völker.<br />
Lege auf sie deinen Schrecken, o Herr,<br />
wissen sollen die Völker:<br />
sie sind nur Menschen.<br />
Psalm 10<br />
Warum stehst du so fern, o Herr?<br />
Warum verbirgst du dich in Zeiten der Not?<br />
Der Gottlose prahlt,<br />
indes sich ängstigt der Arme,<br />
gefangen in der List, die jener ersonnen.<br />
Seiner Lüste rühmt sich der Sünder,<br />
der Räuber lästert, er verachtet den Herrn:<br />
Es redet stolzen Sinnes der Frevler:<br />
Nie wird der strafen, es gibt keinen Gott!<br />
<strong>Die</strong>s ist all sein Sinnen und Trachten.<br />
Allzeit haben Erfolg seine Wege,<br />
deine Strafgerichte sind ihm fern,<br />
er spottet all seiner Gegner.<br />
Er denkt bei sich: Ich werde nicht wanken,<br />
kein Unglück wird mich treffen<br />
von Geschlecht zu Geschlecht.<br />
Fluch erfüllt seinen Mund und<br />
Arglist und Trug,<br />
unter der Zunge lauern<br />
Verderben und Unheil.<br />
Nahe den Höfen legt er sich auf die Lauer,<br />
den Schuldlosen heimlich zu morden,<br />
seine Augen schauen aus nach dem Armen.<br />
Er lauert im Versteck<br />
wie im Dickicht der Löwe,<br />
er lauert, um zu ergreifen den Schwachen,<br />
fasst ihn und zieht den Armen ins Netz.<br />
Er duckt sich, wirft sich zu Boden,<br />
seiner Gewalt muss erliegen der Arme.<br />
Er spricht im Herzen: Vergessen hat Gott,<br />
abgewendet hat er sein Antlitz,<br />
er sieht es nicht.<br />
Herr und Gott, steh auf, erheb deine Hand,<br />
vergiss den Elenden nicht.<br />
Warum darf der Frevler lästern den Herrn?<br />
Warum darf er sprechen bei sich:<br />
Er ahndet es nicht!<br />
Du aber siehst, du weißt um Jammer und Not,<br />
du nimmst es alles in deine Hand.<br />
Dir vertraut der Arme sich an,<br />
du bist dem Waisen ein Helfer.<br />
Zerbrich den Arm des Sünders und Frevlers,<br />
vergilt seine Bosheit, nimmer soll er bestehn.<br />
Der Herr ist König auf immerdar,<br />
verschwunden sind aus seinem Land<br />
die Heiden.<br />
<strong>Die</strong> Sehnsucht der Armen<br />
hast du vernommen, o Herr,<br />
hast gestärkt ihre Herzen, hast zu ihnen<br />
gewendet dein Ohr.<br />
Den Waisen und den Bedrückten<br />
schaffst du Recht,<br />
nimmermehr soll Schrecken verbreiten<br />
der Mensch, der geschaffen aus Erde.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
82
Erstes Buch<br />
Psalm 11<br />
Dem Chormeister; von David.<br />
Ich nehme meine Zuflucht<br />
zum Herrn;<br />
was sagt ihr:<br />
Dem Vogel gleich entflieh in die Berge!<br />
Siehe, die Sünder spannen den Bogen,<br />
sie legen auf die Sehne den Pfeil,<br />
hinzustrecken im Dunkel den Frommen.<br />
Wenn die Grundfesten niederbrechen,<br />
was vermag der Gerechte zu tun?<br />
Noch thront in seinem Tempel der Herr;<br />
der Herr, er thront im Himmel.<br />
Seine Augen schauen herab,<br />
seine Wimpern prüfen die Söhne<br />
der Menschen.<br />
Den Frommen wie den Frevler prüft der Herr;<br />
wer Unrecht liebt, den hasst seine Seele.<br />
Schwefel lässt er regnen auf die Sünder und<br />
glühende Kohlen,<br />
ihr Anteil ist sengender Wind.<br />
Denn der Herr ist gerecht und<br />
liebt die Gerechtigkeit,<br />
Gerechte nur schauen sein Angesicht.<br />
Psalm 12<br />
Dem Chormeister, auf dem Achtsaiter;<br />
ein Psalm von David.<br />
Herr, komm zu Hilfe, denn die<br />
Frommen schwinden dahin,<br />
aufgehört hat unter den Menschen<br />
die Treue.<br />
Seinem Nächsten redet jeder voll Trug<br />
mit falschen Lippen, mit zwiefachem Sinn.<br />
Vernichten möge der Herr<br />
die Lippen der Lügner,<br />
die prahlerisch redende Zunge.<br />
Er vernichte sie, die da sprechen:<br />
Unsere Zunge ist unsere Macht,<br />
uns helfen unsere Lippen,<br />
wer ist Herr über uns?<br />
So kündet der Herr: Ich will mich erheben,<br />
denn geknechtet sind die Geringen und<br />
es seufzen die Armen;<br />
allen, die es ersehnen, bringe ich Heil.<br />
Lautere Worte sind die Worte des Herrn,<br />
bewährtes Silber, schlackenlos,<br />
geläutert zum siebenten Mal.<br />
Du, o Herr, du wirst uns bewahren,<br />
vor diesem Geschlecht<br />
uns behüten auf immer.<br />
Ringsum schreiten einher die Frevler,<br />
und frech erhebt die Gemeinheit ihr Haupt.<br />
Psalm 13<br />
Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />
Wie lange noch, Herr, willst du<br />
mich gar vergessen?<br />
Wie lange verhüllst du dein Antlitz vor mir?<br />
Wie lange soll in meiner Seele<br />
wühlen die Sorge,<br />
täglich in meinem Herzen der Gram?<br />
Wie lange darf über mich triumphieren<br />
der Feind?<br />
Schau doch, Herr, mein Gott,<br />
und erhöre mich!<br />
Gib Licht meinen Augen,<br />
dass ich im Tod nicht entschlafe;<br />
dass nicht prahle mein Feind:<br />
Ich habe ihn überwältigt;<br />
dass nicht jubeln meine Gegner,<br />
weil ich erlegen bin!<br />
Habe ich doch auf dein Erbarmen gebaut!<br />
Über deine Hilfe frohlocke mein Herz!<br />
Singen will ich dem Herrn,<br />
der mir Gutes getan hat.<br />
83 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Psalm 14<br />
Dem Chormeister; von David.<br />
In seinem Herzen redet der Tor:<br />
Es gibt keinen Gott.<br />
Verderbt sind sie, ihr Treiben ein Gräuel,<br />
keiner ist da, der noch Gutes tut.<br />
Vom Himmel blickt auf die Menschen<br />
der Herr,<br />
zu sehen, ob einer verständig,<br />
ob einer Gott suche.<br />
Doch alle sind abgewichen, alle verdorben,<br />
nicht einer, der Gutes täte, nicht einer.<br />
Werden zur Einsicht nicht kommen,<br />
die Böses tun,<br />
die verschlingen mein Volk,<br />
als äßen sie Brot,<br />
sie, die nicht rufen zum Herrn?<br />
Einmal aber werden sie beben vor Angst,<br />
denn Gott ist im Bund mit den Frommen.<br />
Zunichte machen wollt ihr<br />
die Pläne des Armen,<br />
der Herr aber bleibt seine Zuflucht.<br />
Käme doch von Zion für Israel Heil!<br />
Einst, wenn der Herr das Los<br />
seines Volkes gewendet,<br />
dann wird Jakob frohlocken und<br />
jubeln wird Israel.<br />
Psalm 15<br />
Ein Psalm von David.<br />
Herr, wer darf weilen<br />
in deinem Zelt,<br />
wer darf wohnen auf deinem heiligen Berg?<br />
Der wandelt ohne Makel und tut das Rechte,<br />
der Wahrheit sinnt im Herzen,<br />
dessen Zunge nicht redet Verleumdung;<br />
der seinem Freunde kein Leid antut,<br />
der nicht schmäht seinen Nächsten;<br />
der den Gottlosen verachtet,<br />
aber in Ehren hält, wer den Herrn fürchtet;<br />
der nicht ändert den Schwur,<br />
auch wenn es sein Schaden,<br />
der sein Geld nicht leiht auf Wucher<br />
noch sich bestechen lässt<br />
gegen die Unschuld.<br />
Wer so tut das Rechte,<br />
er wird nicht wanken in Ewigkeit.<br />
Psalm 16<br />
Ein Lied; von David.<br />
Behüte mich, Gott, ich nehme zu<br />
dir meine Zuflucht.<br />
Ich sage zum Herrn: Du bist mein Gebieter,<br />
ich habe kein Gut außer dir!<br />
An den Heiligen, die auf Erden sind,<br />
an den Herrlichen hab ich<br />
all mein Gefallen.<br />
<strong>Die</strong> aber huldigen fremden Göttern,<br />
ihrer Schmerzen sind viele.<br />
Ich gieße nicht aus vor ihnen<br />
das Blut ihrer Opfer,<br />
mit meinen Lippen will ich ihren Namen<br />
nicht nennen.<br />
Herr, mein Anteil an Erbe und Becher,<br />
du bist es, der in Händen hält meine Lose.<br />
Mir fiel das Los auf liebliches Land,<br />
gar wohl gefällt mir mein Erbe.<br />
Ich preise den Herren,<br />
weil er Einsicht mir gab,<br />
weil das Herz mich mahnt<br />
sogar in der Nacht.<br />
Allezeit habe ich vor Augen den Herrn,<br />
er steht mir zur Rechten,<br />
dass ich nicht wanke.<br />
Darum freut sich mein Herz,<br />
es frohlockt meine Seele,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
84
Erstes Buch<br />
und auch mein Leib wird ruhen in Frieden.<br />
Denn nicht dem Totenreiche gibst du meine<br />
Seele anheim,<br />
deinen Heiligen lässt du nicht schauen<br />
Verwesung.<br />
Den Weg des Lebens lässt du mich schauen,<br />
vor deinem Angesicht die Fülle der Freude,<br />
Wonne zu deiner Rechten auf ewig.<br />
Psalm 17<br />
Ein Gebet; von David.<br />
Höre, o Herr, die gerechte Sache,<br />
habe Acht auf mein Rufen,<br />
nimm auf mein Gebet,<br />
es kommt von lauteren Lippen.<br />
Von deinem Angesicht ergehe mein Urteil,<br />
deine Augen schauen das Recht.<br />
Wenn du erforschst mein Herz<br />
und suchst es heim in der Nacht,<br />
und wenn du mich prüfst im Feuer:<br />
du findest kein Unrecht an mir.<br />
Nicht haben sich, wie Menschen tun,<br />
meine Lippen versündigt;<br />
nach deinem Worte hab ich gewahrt<br />
den Weg des Gesetzes.<br />
An deinen Pfaden hielten fest meine Schritte,<br />
meine Füße strauchelten nicht.<br />
Ich rufe zu dir<br />
und du wirst mich erhören, o Gott,<br />
neige zu mir dein Ohr,<br />
vernimm meine Worte.<br />
Wirke Wunder deiner Barmherzigkeit,<br />
denn du rettest vor dem Feind,<br />
die zu deiner Rechten sich flüchten.<br />
Hüte mich wie den Stern deines Auges,<br />
im Schatten deiner Flügel beschütze mich<br />
vor den Frevlern, die hart mich bedrängen.<br />
Wütend umringen mich meine Gegner,<br />
sie verschließen ihr fühlloses Herz<br />
und Übermut redet ihr Mund.<br />
Schon umkreisen ihre Schritte mich,<br />
ihre Augen spähen aus,<br />
mich niederzustrecken:<br />
Dem Löwen gleich, der lechzt nach Beute,<br />
wie der junge Löwe,<br />
der im Verborgenen lauert.<br />
Erhebe dich, Herr, tritt entgegen dem Frevler<br />
und wirf ihn zu Boden,<br />
mit deinem Schwert<br />
entreiße ihm meine Seele.<br />
Deine Hand, o Herr,<br />
befreie mich von den Menschen:<br />
Von Menschen, deren Anteil allein<br />
dieses Leben ist,<br />
deren Leib du füllest mit Gütern.<br />
Mögen sich sättigen noch ihre Söhne,<br />
mögen, was übrig, ihre Kinder noch erben:<br />
Ich aber werde in Gerechtigkeit schauen<br />
dein Angesicht,<br />
an deinem Anblick satt mich schauen,<br />
wenn ich erwache.<br />
Psalm 18<br />
Dem Chormeister, von David, dem Knecht des Herrn;<br />
die Worte dieses Liedes sang er dem Herrn,<br />
nachdem ihn der Herr errettet hatte aus der Hand seiner<br />
Feinde und aus der Hand Sauls. 2 Er sprach:<br />
Ich will dich lieben,<br />
o Herr, meine Stärke,<br />
Herr, du mein Hort,<br />
meine Burg und mein Retter!<br />
Du mein Gott, mein Fels,<br />
auf den ich mich flüchte;<br />
du mein Schild, meines Heiles Panier,<br />
meine Zuflucht.<br />
Den Herrn, den Hochgelobten, rufe ich an,<br />
und sicher werde ich sein<br />
vor all meinen Feinden.<br />
85 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Mich umgaben des Todes Fluten,<br />
Wogen des Unheils erschreckten mich.<br />
<strong>Die</strong> Bande der Unterwelt schlossen mich ein,<br />
es fielen über mich die Schlingen des Todes.<br />
In meiner Bedrängnis rief ich zum Herrn,<br />
zu meinem Gott erhob ich mein Rufen.<br />
Und er hörte meine Stimme aus seinem<br />
heiligen Tempel,<br />
meine Klage erreichte sein Ohr.<br />
Da wankte die Erde und sie erbebte,<br />
erschüttert wurden die Berge<br />
bis auf den Grund,<br />
Zittern befiel sie<br />
vor seinem flammenden Zorn.<br />
Sein Odem war rauchende Wolke,<br />
aus seinem Mund brach verzehrendes Feuer,<br />
glühende Kohle brannte aus ihm.<br />
Und er neigte die Himmel und fuhr hernieder,<br />
auf Wolkendunkel ruhte sein Fuß.<br />
Vom Kerub getragen, flog er dahin,<br />
er fuhr auf den Flügeln der Winde.<br />
Sein Mantel: Finsternis ringsum ihn her;<br />
seine Hülle: schwarzes Wasser,<br />
dichtes Gewölk.<br />
Von seines Angesichtes blitzendem Strahl<br />
wurde entzündet das lodernde Feuer.<br />
Vom Himmel redete im Donner der Herr,<br />
der Höchste ließ seine Stimme erschallen.<br />
Er warf seine Pfeile und zerstreute die Feinde,<br />
Blitz auf Blitz warf er und streckte sie nieder.<br />
Da taten sich auf die Tiefen des Meeres,<br />
aufgedeckt wurden die Fundamente<br />
der Erde:<br />
Vor dem Drohen des Herrn,<br />
vor seines Odems zornigem Brausen.<br />
Er streckte seine Hand aus der Höhe und<br />
fasste nach mir<br />
und zog mich heraus aus den tiefen Wassern.<br />
Er entriss mich meinen grimmigsten Feinden,<br />
meinen Hassern, die stärker waren als ich.<br />
Sie fielen her über mich am Tag des Unheils,<br />
der Herr aber war mein Beschützer.<br />
Er führte mich hinaus in die Weite,<br />
er brachte mir Rettung, weil er mich liebt.<br />
So hat der Herr mir vergolten,<br />
weil ich gerecht bin,<br />
er hat mir gelohnt,<br />
weil rein sind meine Hände.<br />
Denn ich habe gewahrt die Wege des Herrn,<br />
nicht bin ich von meinem Gott gewichen<br />
durch Sünde.<br />
Ich hielt mir vor Augen all seine Gebote,<br />
seine Satzungen wies ich niemals von mir.<br />
Ich wandelte vor ihm ohne Fehl,<br />
ich hielt mich fern von Sünde.<br />
So hat der Herr mir vergolten,<br />
weil ich gerecht bin,<br />
weil er sah, dass rein sind meine Hände.<br />
Gütig erweist du dich dem Gütigen,<br />
an dem Redlichen handelst du redlich.<br />
Dem Lauteren erscheinst du lauter,<br />
noch klüger aber dem Allzuklugen.<br />
Dem geknechteten Volk schaffst du Heil,<br />
hoffärtige Augen senkst du nieder.<br />
Du bist es, Herr,<br />
der strahlen lässt meine Leuchte,<br />
mein Gott, du erhellst mein Dunkel.<br />
Mit dir durchbreche ich<br />
die Reihen des Feindes,<br />
mit meinem Gott erstürme ich Mauern.<br />
Gottes Weg ist gerade,<br />
das Wort des Herrn im Feuer bewährt,<br />
ein Schild ist er allen, die flüchten zu ihm.<br />
Wer ist Gott – es sei denn der Herr!<br />
Wer ein Fels, wenn nicht unser Gott!<br />
Gott ist es, der mich gegürtet hat mit Kraft,<br />
untadelig machte er meinen Weg.<br />
Meine Füße machte er schnell wie die Füße<br />
der Hirschkuh,<br />
auf sichere Höhe ließ er mich steigen.<br />
Er lehrte meine Hände den Kampf,<br />
meinen Arm hieß er spannen<br />
den bronzenen Bogen.<br />
Du gabst mir den Schild deines Heiles,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
86
Erstes Buch<br />
es hielt mich fest deine Rechte,<br />
deine Güte machte mich groß.<br />
Meinen Schritten gabst du weiten Raum,<br />
meine Füße strauchelten nicht.<br />
Ich verfolgte meine Feinde und holte sie ein<br />
und kehrte nicht um,<br />
bis sie völlig vernichtet.<br />
Ich schlug sie und sie konnten sich nicht<br />
mehr erheben,<br />
unter meinen Füßen sanken sie hin.<br />
Zum Kampf hast du mich gegürtet mit Kraft,<br />
meine Widersacher hast du gebeugt<br />
unter mich.<br />
Meine Feinde jagst du in die Flucht,<br />
und die mich hassen, du hast sie vernichtet.<br />
Sie schrien, doch es fand sich kein Retter,<br />
sie schrien zum Herrn,<br />
doch er hörte sie nicht.<br />
Und ich trieb sie einher<br />
wie Staub vor dem Wind,<br />
wie Straßenkot trat ich sie nieder.<br />
Du hast mich dem Hader der Menge entzogen,<br />
mich eingesetzt zum Haupt der Völker.<br />
Völker, die ich nicht kannte,<br />
wurden mir dienstbar,<br />
meinem ersten Worte gehorsam.<br />
<strong>Die</strong> Söhne der Fremden huldigten mir,<br />
die Söhne der Fremden erblassten<br />
vor Furcht,<br />
aus ihren Burgen kamen sie bebend herbei.<br />
Es lebe der Herr! Er sei gepriesen, mein Fels,<br />
hochgelobt mein Gott und mein Retter,<br />
Gott, der mir schaffte Vergeltung,<br />
der die Völker mir unterwarf:<br />
Der du von meinen Feinden mich hast befreit,<br />
über die Widersetzlichen mich erhoben,<br />
mich entrissen dem Mann der Gewalt.<br />
Darum will ich dich preisen, o Herr,<br />
vor den Völkern,<br />
deinem Namen will ich lobsingen.<br />
Denn große Siege hast du gewährt<br />
deinem König,<br />
Gnade erwiesen deinem Gesalbten,<br />
David und seinem Stamm auf ewig.<br />
Psalm 19<br />
Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />
<strong>Die</strong> Himmel rühmen<br />
die Herrlichkeit Gottes,<br />
die Himmelsfeste verkündet<br />
das Werk seiner Hände.<br />
Der Tag gibt weiter das Wort an den Tag,<br />
die Nacht vermeldet der Nacht ihre Kunde.<br />
Da ist keine Sprache, kein Wort,<br />
nicht hörst du den Laut ihrer Stimme.<br />
Und doch, in alle Welt ertönt ihr Ruf,<br />
ihre Botschaft bis an die Enden der Erde.<br />
Dort hat er ein Zelt geschaffen der Sonne;<br />
wie der Bräutigam aus dem Gemache<br />
geht sie hervor,<br />
froh wie der Held,<br />
der durchläuft seine Bahn:<br />
Sie geht hervor am Rande des Himmels,<br />
und wieder zum Rande des Himmels<br />
eilt sie dahin;<br />
nichts kann sich vor ihren Gluten verbergen.<br />
Vollkommen ist das Gesetz des Herrn,<br />
es labt die Seele;<br />
die Vorschrift des Herrn ist verlässlich,<br />
Unwissende macht sie zu Weisen.<br />
<strong>Die</strong> Befehle des Herrn sind gerade,<br />
sie erfreuen das Herz;<br />
lauter ist sein Gebot, es erleuchtet das Auge.<br />
<strong>Die</strong> Furcht des Herrn ist heilig,<br />
sie hat für immer Bestand;<br />
seine Urteile sind wahrhaft,<br />
sie sind alle gerecht.<br />
Köstlicher sind sie als Gold,<br />
als ein Schatz von lauterem Gold,<br />
süßer sind sie als Honig,<br />
als Honig aus der Wabe.<br />
87 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Dein Knecht will sie achten in Treue;<br />
sorglich ist er bemüht, sie zu halten.<br />
Wer aber wird seiner Fehler gewahr?<br />
Von allen, die mir verborgen,<br />
mache mich rein!<br />
Auch bewahre deinen <strong>Die</strong>ner vor Hochmut,<br />
dass ich nicht komme in seine Gewalt.<br />
Dann bleibe ich ohne Schuld<br />
und rein von schwerem Vergehen.<br />
Nimm an meines Herzens Sinn und das Wort<br />
meines Mundes,<br />
o Herr, du mein Hort, mein Erlöser!<br />
Psalm 20<br />
Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />
Es erhöre dich der Herr am Tag<br />
der Drangsal,<br />
Jakobs Gott, er möge dich schützen.<br />
Er sende dir Hilfe vom Heiligtum,<br />
von Zion aus steh er dir bei.<br />
Er gedenke all deiner Opfer,<br />
dein Ganzopfer finde Gnade vor ihm.<br />
Er gebe dir, was verlangt dein Herz,<br />
Erfüllung gewähre er all deinen Plänen.<br />
So werden wir deines Sieges uns freuen,<br />
die Banner erheben im Namen<br />
unseres Gottes;<br />
all deine Bitten erfülle Herr.<br />
Nun weiß ich: Sieg hat der Herr verliehen<br />
seinem Gesalbten,<br />
er hat ihn erhört von seinem<br />
heiligen Himmel<br />
in der Kraft seiner siegreichen Rechten.<br />
Jene sind stark durch Wagen und Rosse;<br />
wir aber im Namen des Herrn, unseres Gottes.<br />
Jene stürzten und brachen zusammen,<br />
wir aber stehen und bleiben.<br />
Herr, verleihe dem König den Sieg,<br />
und erhöre uns am Tag, da wir rufen zu dir.<br />
Psalm 21<br />
Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />
Herr, deiner Macht erfreut sich<br />
der König,<br />
über deine Hilfe jubelt er laut.<br />
Du hast ihm erfüllt seines Herzens Begehr,<br />
ihm nicht verweigert,<br />
was seine Lippen erbaten.<br />
Du bist ihm zuvorgekommen<br />
mit Segen und Heil,<br />
hast ihm das Haupt gekrönt mit einer<br />
Krone von lauterem Gold.<br />
Leben erbat er von dir und du gabst es ihm,<br />
die Fülle der Tage für immer und ewig.<br />
Groß ist sein Ruhm<br />
durch die Kraft deiner Hilfe,<br />
du hast ihn geschmückt<br />
mit Hoheit und Pracht.<br />
Du hast ihn zum Segen gemacht für immer,<br />
ihn beglückt vor deinem Antlitz mit Freude.<br />
Denn der König vertraut auf den Herrn,<br />
nicht wird er wanken durch die Huld<br />
des Höchsten.<br />
Es komme deine Hand über all deine Feinde;<br />
die dich hassen, es treffe sie deine Rechte.<br />
Mache sie glühend wie im Feuer der Esse<br />
am Tag, da dein Antlitz erscheint.<br />
In seinem Zorn soll der Herr sie vernichten,<br />
fressen soll sie das Feuer.<br />
Vertilge ihr Geschlecht von der Erde,<br />
ihre Brut aus der Mitte der Menschen.<br />
Planen sie gegen dich auch Böses und<br />
sinnen sie Arglist,<br />
nimmermehr werden sie siegen.<br />
Denn du jagst sie alle in die Flucht,<br />
gegen ihr Angesicht spannst du den Bogen.<br />
In deiner Macht erhebe dich, Herr,<br />
und deine Stärke wollen wir besingen und<br />
preisen.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
88
Erstes Buch<br />
Psalm 22<br />
Dem Chormeister, nach der Melodie<br />
»Hirschkuh am Morgen«; ein Psalm von David.<br />
Mein Gott, mein Gott, warum<br />
hast du mich verlassen!<br />
Warum bist du fern meinem Flehen,<br />
dem Ruf meiner Klage!<br />
Ich rufe am Tag, o Gott, und du hörst nicht;<br />
ich rufe in der Nacht und du hast für mich<br />
keine Antwort.<br />
Und wohnst doch in dem Heiligtum,<br />
gepriesen von Israel.<br />
Auf dich haben unsere Väter gehofft,<br />
sie hofften und du hast sie befreit.<br />
Sie riefen zu dir und wurden gerettet,<br />
sie vertrauten auf dich<br />
und wurden nicht zuschanden.<br />
Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch,<br />
der Leute Spott und des Volkes Verachtung.<br />
Alle, die mich sehen, sie verspotten mich,<br />
sie verziehen die Lippen,<br />
schütteln das Haupt:<br />
Er vertraute auf Gott, der mag ihn retten;<br />
der mag ihm helfen, wenn er ihn liebt.<br />
Du bist es, der mich aus dem Mutterschoß<br />
geführt,<br />
du ließest sorglos mich ruhen an der Brust<br />
meiner Mutter.<br />
Dir bin ich zu Eigen von Anbeginn,<br />
vom Schoß meiner Mutter an<br />
bist du mein Gott.<br />
Steh mir nicht fern in meiner Not,<br />
sei mir nahe, denn nirgends ist Hilfe.<br />
Es umringen mich mächtige Stiere,<br />
Büffel von Baschan schließen mich ein.<br />
Ein Rachen tut sich auf gegen mich,<br />
wie eines Löwen, brüllend vor Raubgier.<br />
Hingegossen bin ich wie Wasser,<br />
auseinandergerissen ist all mein Gebein.<br />
Mein Herz ist geworden wie Wachs,<br />
zerflossen in meinem Innern.<br />
Vertrocknet wie eine Scherbe ist meine Kehle,<br />
die Zunge klebt mir am Gaumen,<br />
du hast mich hinabgeführt zum Staub<br />
des Todes.<br />
Denn mich umlauert die Meute der Hunde,<br />
die Rotte der Frevler hält mich umzingelt<br />
wie ein Löwe meine Hände und Füße.<br />
All mein Gebein kann ich zählen;<br />
sie starren zu mir empor;<br />
brechen in Jubel aus, da sie mich sehen,<br />
sie teilen unter sich meine Kleider<br />
und losen um mein Gewand.<br />
Du aber steh nicht fern, o Herr;<br />
du, meine Hilfe, eile herbei, mich zu retten.<br />
Entreiße meine Seele dem Schwert,<br />
aus der Hunde Gewalt errette mein Leben.<br />
Aus dem Rachen des Löwen befreie mich,<br />
aus den Hörnern der Büffel rette mich<br />
Armen. – Du hast mich erhört!<br />
Deinen Namen will ich künden den Brüdern,<br />
inmitten der Gemeinde<br />
will ich dich preisen.<br />
<strong>Die</strong> ihr fürchtet den Herrn, erhebt ihn,<br />
all ihr Söhne Jakobs, lobpreist ihn,<br />
fürchtet ihn, alle von Israels Stamm.<br />
Denn er hat nicht verschmäht<br />
noch verachtet das Elend des Armen,<br />
vor ihm nicht verborgen sein Angesicht,<br />
er hat ihn gehört, da er schrie zu ihm.<br />
Dir gilt mein Lob in großer Gemeinde;<br />
vor allen, die dich fürchten,<br />
löse ich ein mein Gelübde.<br />
<strong>Die</strong> Armen essen und sie werden gesättigt,<br />
lobpreisen sollen den Herrn, die ihn suchen:<br />
Eure Herzen werden leben in Ewigkeit.<br />
Daran sollen denken alle Enden der Erde<br />
und sich bekehren zum Herrn;<br />
Niederfallen werden vor ihm<br />
alle Stämme der Heiden.<br />
Denn das Königtum ist zu Eigen dem Herrn,<br />
er ist der Herrscher der Völker.<br />
89 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Nur ihm sollen huldigen<br />
alle Mächtigen der Erde;<br />
vor ihm sich beugen alle,<br />
die hinabführen zum Staub.<br />
Und wenn einer nicht mehr lebt,<br />
wird seine Nachkommenschaft<br />
Gott dienen.<br />
Den Kommenden werden sie erzählen<br />
vom Herrn<br />
seine Gerechtigkeit künden<br />
dem Volk der Zukunft:<br />
<strong>Die</strong>s hat der Herr getan.<br />
Psalm 23<br />
Ein Psalm von David.<br />
Der Herr ist mein Hirte,<br />
ich leide nicht Not;<br />
auf grünender Weide lässt er mich lagern.<br />
Er führt mich an Wasser der Ruhe,<br />
Erquickung spendet er meiner Seele.<br />
Er leitet mich auf dem rechten Pfad,<br />
getreu seinem Namen.<br />
Und muss ich auch wandern im finsteren Tal,<br />
ich fürchte kein Unheil,<br />
denn du bist bei mir.<br />
Dein Stock und dein Hirtenstab,<br />
die geben mir Zuversicht.<br />
Du hast einen Tisch mir bereitet<br />
vor den Augen der Feinde.<br />
Du salbtest mein Haupt mit Öl,<br />
mein Becher ist gefüllt bis zum Rand.<br />
Es geleiten mich deine Güte und Huld<br />
durch alle Tag des Lebens.<br />
Und wohnen darf ich im Hause des Herrn<br />
solange ich lebe.<br />
Psalm 24<br />
Ein Psalm von David.<br />
Des Herrn ist die Erde und<br />
was sie erfüllt,<br />
der Erdkreis und die ihn bewohnen.<br />
Er ist es, der sie auf Meere gegründet,<br />
sie festgefügt über Fluten.<br />
Wer darf hinaufgehn zum Berg des Herrn?<br />
Wer darf stehn an seiner heiligen Stätte?<br />
Der reine Hände hat und ein lauteres Herz,<br />
der seinen Sinn nicht lenkt auf Trug,<br />
nicht lügenhaft schwört seinem Nächsten.<br />
<strong>Die</strong>ser wird gesegnet vom Herrn,<br />
von Gott, seinem Helfer,<br />
empfängt er den Lohn.<br />
So geschieht es dem Volk, das ihn sucht,<br />
das da sucht das Antlitz des Herrn.<br />
Ihre Tore, hebt hoch euer Haupt!<br />
Erhebt euch, ihr uralten Pforten!<br />
Dass Einzug halte<br />
der König der Herrlichkeit.<br />
Wer ist der König der Herrlichkeit?<br />
Der Herr, gewaltig und stark,<br />
der Herr, gewaltig im Kampf.<br />
Ihr Tore, hebt euch nach oben!<br />
Erhebt euch, ihr uralten Pforten!<br />
Dass Einzug halte<br />
der König der Herrlichkeit.<br />
Wer ist der König der Herrlichkeit?<br />
Der Herr der himmlischen Heere,<br />
er ist der König der Herrlichkeit.<br />
Psalm 25<br />
Ein Psalm von David.<br />
Zu dir erhebe ich meine Seele,<br />
du mein Herr und mein Gott.<br />
Auf dich vertraue ich,<br />
lass mich nicht zuschanden werden;<br />
Ps 0,00–0,00<br />
90
Erstes Buch<br />
nicht sollen über mich triumphieren<br />
die Feinde.<br />
Denn alle, die deiner harren,<br />
sie werden nicht zuschanden;<br />
zuschanden werden,<br />
die leichthin brechen die Treue.<br />
Zeige mir deine Wege, o Herr,<br />
und lehre mich deine Pfade.<br />
Führe mich in deiner Wahrheit<br />
und lehre mich,<br />
denn du bist mein Gott und mein Helfer;<br />
allzeit hoffe ich auf dich.<br />
Denke an dein Erbarmen, Herr,<br />
und deine Gnade, die waltet von Anbeginn.<br />
Meiner Jugend Sünden und meiner<br />
Verirrungen gedenke nicht mehr,<br />
um deiner Güte willen, o Herr,<br />
gedenke meiner in Gnade.<br />
Gütig ist der Herr und getreu,<br />
darum weist er dem Sünder den Weg.<br />
<strong>Die</strong> Willigen führt er nach Recht,<br />
Demütige lehrt er seine Pfade.<br />
Alle Wege des Herrn sind Gnade und Treue<br />
für jene, die seinen Bund und<br />
seine Gebote bewahren.<br />
Um deines Namens willen, Herr,<br />
vergib meine Sünde, denn sie ist groß.<br />
Wer ist der Mann, der fürchtet den Herrn?<br />
Es zeigt der Herr ihm den Weg,<br />
den er wählen soll.<br />
Seine Seele darf leben in Glück,<br />
und seine Kinder werden besitzen<br />
das Land.<br />
Freund ist denen der Herr, die ihn fürchten;<br />
er macht seinen Bund ihnen offenbar.<br />
Immerdar schauen meine Augen zum Herrn;<br />
er ist es, der meinen Fuß befreit<br />
aus der Schlinge.<br />
Blicke auf mich und erbarme dich meiner,<br />
denn einsam bin ich und arm.<br />
Löse meines Herzens Bedrängnis,<br />
aus meinen Nöten errette mich.<br />
Schau mein Elend und meine Plage<br />
und vergib mir all meine Schuld.<br />
Sieh an meine Feinde, wie groß ihre Zahl;<br />
wie wütend der Hass,<br />
mit dem sie mich hassen.<br />
Bewahre meine Seele und rette mich;<br />
lass mich nicht zuschanden werden,<br />
ich flüchte zu dir.<br />
Behüten möge mich Unschuld und<br />
redlicher Sinn;<br />
o Herr, ich hoffe auf dich.<br />
Erlöse, o Gott, dein Israel<br />
aus all seinen Nöten.<br />
Psalm 26<br />
Ein Psalm von David.<br />
Schaffe mir Recht, o Herr, denn<br />
gewandelt bin ich in Unschuld,<br />
und ohne Wanken habe ich vertraut<br />
auf den Herrn.<br />
Prüfe mich, Herr, und durchforsche mich,<br />
erprobe mich auf Nieren und Herz.<br />
Denn vor Augen habe ich deine Güte,<br />
in deiner Wahrheit wandele ich.<br />
Ich sitze nicht bei Menschen,<br />
die Unrecht tun,<br />
mit den Trugvollen habe ich keine<br />
Gemeinschaft.<br />
Ich hasse die Versammlung der Frevler,<br />
bei den Gottlosen sitze ich nicht.<br />
Ich wasche meine Hände in Unschuld,<br />
und ich schreite, Herr, um deinen Altar.<br />
Laut will ich künden dein Lob,<br />
von all deinen Wundertaten will ich<br />
erzählen.<br />
Ich liebe, Herr, deines Hauses heilige<br />
Wohnstatt,<br />
das Zelt, wo deine Herrlichkeit wohnt.<br />
Raffe meine Seele nicht hinweg<br />
91 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
mit den Sündern,<br />
nicht mit den Männern des Blutes<br />
mein Leben.<br />
In ihren Händen ist Schandtat,<br />
mit Bestechung ist gefüllt ihre Rechte.<br />
Ich aber wandle in meiner Unschuld;<br />
erlöse mich, Herr,<br />
und erbarme dich meiner.<br />
Auf ebenem Wege schreitet mein Fuß,<br />
dich, Herr, will ich preisen in der<br />
Gemeinde.<br />
Psalm 27<br />
Ein Psalm von David.<br />
Der Herr ist mein Licht und mein<br />
Heil, wen sollte ich fürchten!<br />
Der Herr ist der Hort meines Lebens,<br />
vor wem sollte mir bangen!<br />
Fallen Böse über mich her,<br />
mich zu verschlingen,<br />
meine Gegner und Feinde,<br />
sie gleiten und stürzen zu Boden.<br />
Und steht gegen mich ein Kriegsheer,<br />
so wird mein Herz nicht verzagen;<br />
entbrennt ein Kampf gegen mich,<br />
so bin ich dennoch getrost.<br />
Eines erbitte ich mir vom Herrn,<br />
dies eine begehre ich:<br />
zu wohnen im Hause des Herrn<br />
alle Tage des Lebens:<br />
Auf dass ich koste die Wonne des Herrn,<br />
dass ich schaue seinen heiligen Tempel.<br />
In seiner Wohnung wird er mich bergen<br />
am Tag des Unheils,<br />
er bewahrt mich in der Hut seines Zeltes,<br />
er stellt mich empor auf sicheren Felsen.<br />
So darf ich nun erheben mein Haupt<br />
über die Feinde, die mich umringen.<br />
In seinem Zelt weihe ich Opfer des Jubels,<br />
Dem Herrn will ich singen und spielen.<br />
Höre, o Herr, den Ruf meiner Stimme;<br />
erbarme dich meiner, erhöre mich!<br />
Es redet zu dir mein Herz,<br />
dich sucht mein Antlitz:<br />
Dein Antlitz, o Herr, will ich suchen.<br />
Nicht verhülle vor mir dein Angesicht,<br />
verstoße nicht im Zorn deinen Knecht!<br />
Du bist meine Hilfe, weise mich nicht zurück!<br />
O Gott, du mein Retter, verlass mich nicht!<br />
Und wollten mich verlassen Vater und Mutter,<br />
aufnehmen wird mich der Herr.<br />
Weise mir, Herr, deine Pfade;<br />
um meiner Feinde willen führe mich<br />
auf ebener Bahn!<br />
Gib mich nicht preis der Gier meiner Gegner;<br />
denn lügenhafte Zeugen<br />
stehn wider mich auf,<br />
Männer, die sinnen Verderben.<br />
Ich bin gewiss, dass ich schaue die Güte<br />
des Herrn<br />
im Lande der Lebenden.<br />
So harre des Herrn und sei stark!<br />
Sei tapferen Mutes und harre des Herrn!<br />
Psalm 28<br />
Ein Psalm von David.<br />
Zu dir rufe ich, Herr,<br />
du mein Fels,<br />
dein Ohr verschließe mir nicht.<br />
Denn würdest du verstummen,<br />
so gliche ich jenen,<br />
die niedersteigen zur Grube.<br />
Höre die Stimme meines Flehens,<br />
da ich rufe zu dir,<br />
da ich meine Hände erhebe,<br />
Herr, zu deinem Allerheiligsten.<br />
Nicht raffe mich hinweg mit den Sündern,<br />
mit jenen, die Unrecht tun.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
92
Erstes Buch<br />
Mit ihren Nächsten reden sie freundlich,<br />
im Herzen aber tragen sie Bosheit.<br />
Tu an ihnen, wie ihr Treiben verdient,<br />
nach der Bosheit ihrer Verbrechen.<br />
Entgelten lass sie das Werk ihrer Hände,<br />
zahle ihnen heim ihre Taten.<br />
Sie achten nicht das Walten des Herrn und<br />
das Werk seiner Hände.<br />
Er reiße sie nieder und<br />
baue sie nicht mehr auf.<br />
Der Herr sei gepriesen,<br />
er hat die Stimme meines Flehens gehört;<br />
der Herr meine Stärke, mein Schild.<br />
Mein Herz vertraute auf ihn.<br />
Und es wurde mir geholfen,<br />
darum jubelt mein Herz und ich darf ihm<br />
danken im Lied.<br />
Der Herr ist die Kraft seines Volkes,<br />
Hort des Heiles für seinen Gesalbten.<br />
Hilf deinem Volk und segne dein Erbe,<br />
weide die Deinen und trage sie ewiglich.<br />
des Libanon:<br />
Gleich einem Kalb lässt er springen<br />
den Libanon,<br />
gleich einem jungen Büffel den Sirjon.<br />
<strong>Die</strong> Stimme des Herrn<br />
entzündet feurige Blitze,<br />
die Stimme des Herrn<br />
lässt erbeben die Wüste,<br />
der Herr lässt erbeben die Wüste<br />
von Kadesch.<br />
<strong>Die</strong> Stimme des Herrn entwurzelt die Eichen,<br />
lichtet die Wälder;<br />
in seinem Tempel rufen alle:<br />
Herrlich der Herr!<br />
Es thronte der Herr über den Fluten<br />
der Urzeit,<br />
der Herr wird thronen<br />
als König in Ewigkeit.<br />
Der Herr verleiht Kraft seinem Volk,<br />
der Herr wird segnen sein Volk mit<br />
Frieden.<br />
Psalm 29<br />
Ein Psalm von David.<br />
Dem Herrn bringt dar,<br />
ihr Göttersöhne,<br />
dem Herrn bringt dar Ehre und Macht!<br />
Dem Herrn bringt dar den Ruhm<br />
seines Namens,<br />
in heiligem Schmuck betet ihn an!<br />
Höre über den Wassern<br />
die Stimme des Herrn!<br />
Es redet im Donner der erhabene Gott,<br />
der Herr über den Fluten der Wasser!<br />
Höre die Stimme des Herrn voller Kraft,<br />
voller Hoheit die Stimme des Herrn.<br />
<strong>Die</strong> Stimme des Herrn<br />
zersplittert die Zedern,<br />
der Herr zerschmettert die Zedern<br />
Psalm 30<br />
Ein Psalm; ein Lied zur Einweihung des Tempels;<br />
von David.<br />
Ich preise dich, Herr,<br />
denn du hast mich befreit,<br />
du ließest nicht zu, dass meiner sich freuen<br />
die Feinde.<br />
O Herr, du mein Gott,<br />
ich rief zu dir und du hast mich geheilt.<br />
Herr, meine Seele hast du geholt aus dem<br />
Reiche des Todes,<br />
du hast mich bewahrt,<br />
hinabzusteigen zur Grube.<br />
Ihr, seine Heiligen, lobsingt dem Herrn,<br />
saget Dank seinem heiligen Namen.<br />
Denn nur einen Augenblick währt sein<br />
Zürnen,<br />
93 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
doch seine Güte ein Leben lang.<br />
Kehrt am Abend auch Weinen ein,<br />
am Morgen kommt wieder die Freude.<br />
Ich sagte im Vertrauen auf mich:<br />
Nimmermehr werde ich wanken.<br />
Herr, du gewährtest mir huldvoll<br />
Ehre und Macht;<br />
doch als du verbargst dein Antlitz,<br />
da ward ich erschüttert.<br />
O Herr, da rief ich zu dir,<br />
ich flehte zu meinem Gott um Erbarmen:<br />
Was wäre gewonnen mit meinem Blut,<br />
wenn ich niederstiege zur Grube!<br />
Kann dich preisen der Staub,<br />
kann er deine Treue verkünden?<br />
Höre mich, Gott, und erbarme dich meiner,<br />
sei du mein Helfer, o Herr!<br />
Du hast meine Klage gewandelt in Reigenlied,<br />
abgenommen mein Bußgewand und<br />
mich gegürtet mit Freude,<br />
auf dass meine Seele dir singe und<br />
nimmermehr schweige.<br />
Herr, mein Gott, ich will dich preisen<br />
auf ewig!<br />
Psalm 31<br />
Dem Chormeister, ein Psalm von David.<br />
O Herr, ich flüchte zu dir,<br />
lass mich nicht zuschanden werden<br />
in Ewigkeit;<br />
in deiner Gerechtigkeit mache mich frei!<br />
Neige dein Ohr mir zu,<br />
mich zu erretten, eile herbei!<br />
Sei mir ein Felsen der Zuflucht,<br />
eine feste Burg, mich zu retten.<br />
Wahrlich, du bist mein Fels, meine Burg;<br />
um deines Namens willen führe mich und<br />
leite mich.<br />
Du ziehst mich aus dem Netz, das sie<br />
heimlich mir stellten;<br />
du bist meine Rettung.<br />
In deine Hände befehle ich meinen Geist;<br />
Herr, du getreuer Gott,<br />
du wirst mich erlösen!<br />
Du hasst, die nichtige Götzen verehren,<br />
ich aber vertraue dem Herrn.<br />
Frohlocken darf ich und deiner Güte<br />
mich freuen;<br />
denn gnädig hast du auf mein Elend<br />
geschaut;<br />
meiner Seele hast du geholfen in<br />
der Bedrängnis.<br />
Nicht gabst du mich preis der Macht<br />
meiner Feinde,<br />
du hast auf weiten Raum<br />
meinen Fuß gestellt.<br />
Erbarme dich meiner, o Herr,<br />
ich bin voller Ängste,<br />
getrübt vor Kummer ist mir der Blick,<br />
verstört sind mir Seele und Leib.<br />
In Kummer geht mein Leben dahin,<br />
meine Jahre entschwinden in Seufzen.<br />
Meine Kraft ist gebrochen im Elend,<br />
erschüttert ist all mein Gebein.<br />
Zum Gespött bin ich worden<br />
all meinen Feinden,<br />
meinen Nachbarn zum Hohn,<br />
zum Schrecken meinen Vertrauten;<br />
die mich sehn auf der Straße,<br />
fliehen vor mir.<br />
Vergessen bin ich den Herzen,<br />
als wäre ich tot;<br />
ich bin geworden wie ein zerbrochen<br />
Gefäß.<br />
Ich hörte die Zischelreden der Menge,<br />
rings um mich war ein Grauen,<br />
sie scharten sich zusammen und<br />
wollten mich töten.<br />
Ich aber, o Herr, ich vertraue auf dich:<br />
ich sage: Du bist mein Gott.<br />
Meine Lose ruhen in deiner Hand,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
94
Erstes Buch<br />
entreiße mich der Gewalt meiner Feinde<br />
und meiner Verfolger!<br />
Lass leuchten über deinem Knecht dein Antlitz,<br />
rette mich in deinem Erbarmen!<br />
Herr, lass mich nicht zuschanden werden,<br />
da ich dich anrief;<br />
zuschanden sollen werden die Frevler<br />
verstummen und niederfahren<br />
zum Abgrund.<br />
Verstummen sollen die Lippen der Lüge,<br />
die sich auftun gegen den Frommen in<br />
frechem Stolz, in Verachtung.<br />
Wie groß ist deine Güte, o Herr,<br />
die du denen bewahrst, die dich fürchten!<br />
Du erweist sie vor den Augen der Menschen<br />
an denen, die ihre Zuflucht nehmen zu dir.<br />
Du deckst sie mit dem Schild deines Blickes<br />
vor der Verschwörung der Menschen.<br />
Du verwahrst sie in deinem Gezelt<br />
vor dem Streit der Zungen.<br />
Gepriesen der Herr,<br />
in fester Stadt erwies er mir wunderbar<br />
sein Erbarmen.<br />
Ich hatte gesprochen in meiner Bestürzung:<br />
Verstoßen bin ich von deinem Antlitz.<br />
Du aber hast meines Flehens Stimme<br />
vernommen,<br />
da ich gerufen zu dir.<br />
Liebet den Herrn, ihr, seine Heiligen;<br />
seine Getreuen behütet der Herr.<br />
Doch zahlt reichlich er heim<br />
denen, die handeln in Übermut.<br />
Seid stark und tapferen Mutes,<br />
alle, die ihr hofft auf den Herrn!<br />
Psalm 32<br />
Von David, ein Weisheitslied.<br />
Selig der Mensch, dem der Herr nicht<br />
anrechnet die Schuld,<br />
dem Trug nicht wohnt im Geist.<br />
Solange ich schwieg, zerfiel mein Gebein,<br />
endlos währte mein Stöhnen.<br />
Schwer lag auf mir deine Hand<br />
bei Tag und bei Nacht,<br />
meine Kraft verdorrte<br />
wie unter Gluten des Sommers.<br />
Da habe ich dir meine Sünde bekannt,<br />
nicht länger verbarg ich dir meine Schuld.<br />
Ich sprach: Bekennen will ich dem Herrn<br />
meine Bosheit!<br />
Und du hast mir die Schuld<br />
meiner Sünde vergeben.<br />
So möge denn beten zu dir jeder Fromme<br />
in den Zeiten der Trübsal.<br />
Und brechen herein die Fluten der Wasser,<br />
ihn werden sie nicht erreichen.<br />
Du bist meine Zuflucht,<br />
du wirst mich bewahren vor Ängsten,<br />
mich umgeben mit der Freude des Heiles.<br />
Ich verleihe dir Einsicht;<br />
den Weg, den du gehn sollst,<br />
will ich dir weisen;<br />
ich will dir raten und mein Auge<br />
wird ruhen auf dir.<br />
Seid nicht wie Ross und Maultier,<br />
die ohne Verstand sind;<br />
ihren Trotz musst du zwingen<br />
mit Zügel und Zaum,<br />
sie werden sonst nie dir gehorchen.<br />
Den Sünder treffen der Leiden gar viele;<br />
wer aber hofft auf den Herrn,<br />
den umfängt sein Erbarmen.<br />
Seid fröhlich im Herrn, ihr Gerechten,<br />
und freut euch!<br />
All ihr lauteren Herzen, frohlockt!<br />
Selig, wem vergeben die Missetat,<br />
wem zugedeckt wurde die Sünde.<br />
95 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Psalm 33<br />
Frohlockt, ihr Gerechten,<br />
über den Herrn,<br />
den Redlichen ziemt es, ihn zu lobpreisen.<br />
Preist den Herrn mit Saitenspiel,<br />
auf der Zehnsaitenharfe ertöne sein Lob.<br />
Singt dem Herrn ein neues Lied,<br />
singt ihm schön mit Jubelschall.<br />
Denn das Wort des Herrn ist wahrhaftig,<br />
all sein Wirken ist Treue.<br />
Gerechtigkeit liebt er und Recht,<br />
die Erde ist voll von der Güte des Herrn.<br />
Vom Wort des Herrn sind die Himmel<br />
geschaffen,<br />
vom Hauch seines Mundes ihr ganzes Heer.<br />
Wie im Krug sammelt er<br />
die Wasser des Meeres,<br />
in Kammern fasst er die Fluten.<br />
<strong>Die</strong> ganze Erde fürchte den Herrn,<br />
erschauern sollen vor ihm,<br />
die bewohnen den Erdkreis.<br />
Denn er sprach und es geschah;<br />
er gebot und da war es geschaffen.<br />
Der Herr zerstreut den Anschlag der Heiden,<br />
die Pläne der Völker macht er zunichte.<br />
Der Ratschluss des Herrn hat auf ewig Bestand,<br />
seines Herzens Sinnen währ von Geschlecht<br />
zu Geschlecht.<br />
Selig das Volk, dessen Gott der Herr ist,<br />
das Volk, das er auserkoren hat zum Erbe.<br />
Der Herr blickt hernieder vom Himmel,<br />
er sieht auf alle Kinder der Menschen.<br />
Von der Stätte seiner Wohnung<br />
schaut er hernieder<br />
auf alle, die bewohnen die Erde.<br />
Er, der allen gebildet das Herz,<br />
er weiß um all ihre Werke.<br />
Nicht wird siegen der König durch die Stärke<br />
des Heeres,<br />
nicht wird gerettet der Held durch<br />
gewaltige Kraft.<br />
Betrogen ist, wer vom Ross erwartet den Sieg;<br />
so stark es auch sei,<br />
es kann ihn nicht retten.<br />
Doch siehe, es ruht auf den Frommen<br />
das Auge des Herrn,<br />
auf denen, die seiner Güte vertrauen,<br />
ihre Seelen zu entreißen dem Tod<br />
und sie zu nähren in ihrem Hunger.<br />
Unsere Seele harrt auf den Herrn,<br />
er ist uns Hilfe und Schild.<br />
In ihm erfreut sich unser Herz,<br />
denn wir vertrauen auf seinen<br />
heiligen Namen.<br />
Es walte, o Herr, über uns deine Güte,<br />
so wie wir hoffen auf dich.<br />
Psalm 34<br />
Von David, als er sich vor Abimelech wahnsinnig<br />
stellte und, von diesem entlassen, davonging.<br />
Den Herrn will ich allzeit<br />
preisen,<br />
immerdar sei in meinem Munde sein Lob.<br />
Es rühme sich des Herrn meine Seele,<br />
hören sollen es die Armen und<br />
fröhlich sein.<br />
Vereint mit mir lobpreist den Herrn,<br />
lasst uns gemeinsam seinen Namen erheben.<br />
Ich suchte den Herrn und er hat mich erhört,<br />
er hat mich errettet aus all meinen Ängsten.<br />
Blickt auf ihn und ihr werdet strahlen<br />
in Freude,<br />
und euer Angesicht soll nicht erröten.<br />
Seht, ein Armer rief und der Herr hat gehört,<br />
er hat ihn erlöst aus aller Bedrängnis.<br />
Einen Wall richtet auf der Engel des Herrn<br />
die Frommen umgibt er, sie zu erretten.<br />
Kostet und seht, wie gütig der Herr!<br />
Selig der Mann, der flüchtet zu ihm.<br />
Fürchtet den Herrn, ihr, seine Frommen;<br />
Ps 0,00–0,00<br />
96
Erstes Buch<br />
die ihn fürchten, sie leiden nicht Mangel.<br />
Mächtige verarmen und hungern;<br />
die aber suchen den Herrn,<br />
sie entbehren kein Gut.<br />
Kommt, ihr Kinder, und hört mich!<br />
Ich will euch lehren die Furcht des Herrn.<br />
Wer ist es, der das Leben begehrt?<br />
Wer wünscht sich viele Tage zu genießen<br />
das Glück?<br />
Bewahre deine Zunge vor Bosheit,<br />
deine Lippen vor listiger Rede!<br />
Lass ab vom Bösen und wirke das Gute,<br />
suche den Frieden und jage ihm nach!<br />
Auf die Gerechten schaut das Auge des Herrn,<br />
ihrem Rufen leiht er sein Ohr.<br />
Doch sein Antlitz wendet sich ab<br />
von den Bösen,<br />
auszutilgen ihr Gedächtnis auf Erden.<br />
<strong>Die</strong> Gerechten riefen und der Herr hat<br />
sie erhört,<br />
er hat sie befreit aus all ihrer Drangsal.<br />
<strong>Die</strong> gebrochenen Herzens sind,<br />
ihnen ist nahe der Herr;<br />
ein zerschlagenes Gemüt wird er heilen.<br />
Viele Leiden erfährt der Gerechte,<br />
doch aus allen wird der Herr ihn erlösen.<br />
Er behütet all seine Glieder,<br />
nicht eines wird ihm zerbrochen.<br />
<strong>Die</strong> Bosheit führt den Sünder zum Tod;<br />
die hassen den Frommen,<br />
sie verfallen der Strafe.<br />
Der Herr befreit die Seelen seiner Getreuen;<br />
wer flüchtet zu ihm,<br />
der leidet nicht Schaden.<br />
Psalm 35<br />
Von David.<br />
Herr, streite mit ihnen,<br />
die gegen mich streiten,<br />
kämpfe nieder, die mich bekämpfen!<br />
Ergreife Waffen und Schild<br />
und erhebe dich, mir zu helfen!<br />
Schwinge den Speer und gebiete Halt<br />
den Verfolgern!<br />
Sag meiner Seele: Ich bin dein Heil.<br />
Schmachvoll sollen verderben, die trachten<br />
nach meinem Leben;<br />
es sollen weichen in Schande,<br />
die Unheil gegen mich planen.<br />
Sie sollen sein wie Spreu vor dem Wind,<br />
es treibe sie fort der Engel des Herrn.<br />
Ihr Weg sei schlüpfrig und finster,<br />
es jage sie der Engel des Herrn.<br />
Denn sie legten mir ohne Anlass ein Netz,<br />
schaufelten ohne Anlass meinem Leben<br />
die Grube.<br />
Es komme über sie ein jähes Verderben,<br />
das Netz, das sie legten, fange sie selbst;<br />
in die Grube, die sie geschaufelt,<br />
sollen sie fallen.<br />
Meine Seele aber wird frohlocken im Herrn,<br />
wird seiner Hilfe sich freuen.<br />
Verkünden mögen es all meine Kräfte:<br />
Wer ist wie du, o Herr?<br />
Der du den Schwachen entreißest der<br />
Übermacht,<br />
den Armen den Händen des Räubers.<br />
Es erhoben sich ruchlose Zeugen;<br />
ich wurde befragt über Dinge,<br />
die ich nicht kannte.<br />
Gutes vergalten sie mir mit Bösem,<br />
verlassen war meine Seele.<br />
Ich aber, als sie krank dalagen, ich hüllte<br />
mich in ein Bußkleid,<br />
ich unterwarf meine Seele dem Fasten,<br />
dass doch das Gebet zurückkehrte<br />
in meine Brust!<br />
Traurig ging ich einher, als wär es mein<br />
Freund, mein Bruder,<br />
wie einer, der klagt um die Mutter,<br />
so war ich von Gram gebeugt.<br />
97 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Doch als ich wankte, da waren sie froh und<br />
kamen zusammen;<br />
sie kamen zusammen gegen mich,<br />
den Ahnungslosen zu schlagen.<br />
Blutig schlugen sie mich<br />
und ließen nicht ab,<br />
sie reizen mich mit ihrem Gespött,<br />
fletschen gegen mich ihre Zähne.<br />
Herr, wie lange wirst du es ansehn?<br />
Rette mein Leben vor den<br />
brüllenden Tieren,<br />
meine Seele entreiße den Löwen!<br />
Und danken will ich dir in großer Gemeinde,<br />
vor dem ganzen Volk will ich dich loben.<br />
<strong>Die</strong> mich zu Unrecht befehden,<br />
sie sollen sich meiner nicht freuen;<br />
nicht mit den Augen zwinkern,<br />
die grundlos mich hassen.<br />
Sie reden nicht Worte des Friedens,<br />
gegen die Stillen im Lande<br />
ersinnen sie Tücke.<br />
Weit öffnen sie gegen mich ihren Mund;<br />
sie rufen: Ei, nun sehen wir es selbst!<br />
Herr, du hast es gesehen,<br />
so schweige doch nicht;<br />
Herr, bleib nicht fern von mir.<br />
Wach auf, zu meinem Schutz erhebe dich!<br />
Mein Gott und mein Herr,<br />
führe du meine Sache!<br />
Schaffe mir Recht, o Herr,<br />
nach deiner Gerechtigkeit;<br />
mein Gott,<br />
sie sollen sich meiner nicht freuen.<br />
Sie sollen nicht denken im Herzen:<br />
So haben wir es gewollt!<br />
Sie sollen nicht sagen:<br />
Nun haben wir ihn verschlungen!<br />
Verderben sollen sie alle in Schande,<br />
die sich weiden an meinem Unglück;<br />
mit Schmach und Schande seien sie angetan,<br />
die gegen mich reden in Übermut.<br />
Doch jubeln und frohlocken sollen alle, die<br />
meiner Sache gewogen,<br />
immerfort sollen sie sprechen:<br />
Gelobt sei der Herr,<br />
er will das Heil seines Knechtes.<br />
Und meine Zunge soll künden<br />
deine Gerechtigkeit,<br />
immerdar soll sie verkünden dein Lob.<br />
Psalm 36<br />
Dem Chormeister; vom Knecht des Herrn, von David.<br />
<strong>Die</strong> Bosheit redet zum Herzen<br />
des Sünders,<br />
keine Gottesfurcht hat er vor Augen.<br />
Trügerisch wähnt er in seinem Innern:<br />
keiner werde entdecken seine Schuld und<br />
verdammen.<br />
Seines Mundes Worte sind Bosheit und Trug:<br />
aufgehört hat er, weise zu denken und<br />
Gutes zu tun.<br />
Auf seinem Lager sinnt er Frevel,<br />
bleibt stehen auf schlechtem Weg<br />
ohne Scheu vor dem Bösen.<br />
Herr, bis an den Himmel reicht dein<br />
Erbarmen,<br />
deine Treue bis an die Wolken.<br />
Wie die Gottesberge ist deine Gerechtigkeit,<br />
deine Gerichte sind wie die Tiefen<br />
des Meeres,<br />
Menschen und Tieren bist du ein Helfer,<br />
o Herr.<br />
Wie kostbar ist, o Gott, deine Huld!<br />
Zuflucht finden die Menschen in deiner<br />
Fittiche Schatten.<br />
Vom Reichtum deines Hauses werden sie satt,<br />
du tränkst sie aus dem Strom deiner<br />
Wonnen.<br />
Denn bei dir ist die Quelle des Lebens,<br />
in deinem Licht schaun sie das Licht.<br />
Deine Güte bewahre denen,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
98
Erstes Buch<br />
die dich verehren;<br />
die lauteren Herzens sind,<br />
erhalte in deiner Treue.<br />
Der Fuß des Stolzen komme nicht über mich;<br />
des Sünders Hand,<br />
sie weise mich nicht hinaus.<br />
Siehe, die Frevler brechen zusammen,<br />
zu Boden sind sie geworfen und können<br />
sich nicht mehr erheben.<br />
Psalm 37<br />
Von David.<br />
Erzürne dich nicht über jene,<br />
die Böses tun,<br />
die Übeltäter beneide nicht!<br />
Denn bald verdorren sie wie das Gras,<br />
wie grüne Kräuter welken sie hin.<br />
Hoffe auf den Herrn und wirke das Gute,<br />
so wirst du im Lande bleiben<br />
und wohnen in Sicherheit!<br />
Freu dich am Herrn,<br />
und deines Herzens Wünsche<br />
wird er erfüllen.<br />
Befiehl dem Herrn deinen Weg;<br />
hoffe auf ihn, er wird es fügen.<br />
Und deine Redlichkeit lässt er strahlen<br />
dem Licht gleich,<br />
wie hellen Mittag dein Recht.<br />
Sei still im Herrn und hoffe auf ihn.<br />
Erzürne dich nicht über jenen,<br />
dem alles glückt auf dem Weg,<br />
über den Mann, der Böses vollführt.<br />
Steh ab vom Zorn und lass deinen Grimm;<br />
ereifere dich nicht,<br />
auf dass du nicht sündigst.<br />
Siehe, die Bösen werden vernichtet;<br />
die aber hoffen auf den Herrn,<br />
sie besitzen das Land.<br />
Nur eine Weile und der Frevler wird nicht<br />
mehr bestehen;<br />
du suchst seine Stätte und er ist nicht mehr<br />
zu finden.<br />
<strong>Die</strong> Armen aber werden besitzen das Land,<br />
und sie genießen die Fülle des Friedens.<br />
Gegen den Frommen plant der Gottlose<br />
Böses,<br />
er knirscht gegen ihn mit den Zähnen.<br />
Es lacht aber seiner der Herr,<br />
denn kommen sieht er schon seinen Tag.<br />
<strong>Die</strong> Sünder ziehen das Schwert und spannen<br />
den Bogen,<br />
zu treffen den Schwachen und Armen,<br />
zu morden, die auf geradem Wege<br />
einhergehn.<br />
Ihr Schwert aber dringt in das eigene Herz,<br />
der Bogen wird ihnen zerbrechen.<br />
Besser das Wenige,<br />
das zu Eigen hat der Gerechte,<br />
als großer Reichtum des Sünders.<br />
Denn die Arme der Sünder werden gebrochen,<br />
die Gerechten aber stützt der Herr.<br />
Der Herr ist besorgt um das Leben<br />
der Frommen,<br />
ihr Erbe wird dauern in Ewigkeit.<br />
Nicht werden sie zuschanden in Tagen<br />
des Unheils,<br />
in Zeiten des Hungers werden sie satt.<br />
<strong>Die</strong> Gottlosen aber müssen verderben,<br />
wie die Pracht der Wiese<br />
welken die Feinde des Herrn,<br />
sie müssen vergehn wie der Rauch.<br />
Der Gottlose leiht und gibt nicht zurück,<br />
der Gute schenkt voll Erbarmen.<br />
<strong>Die</strong> der Herr segnet, sie besitzen das Land,<br />
und die er verflucht, sie werden zunichte.<br />
Festigkeit verleiht der Herr dem Schritt<br />
des Menschen,<br />
an dessen Wandel er hat Gefallen.<br />
Selbst wenn er strauchelt, wird er nicht stürzen;<br />
denn der Herr ergreift seine Hand.<br />
Jung bin ich gewesen, nun bin ich alt,<br />
99 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
und niemals sah ich,<br />
dass verlassen ist der Gerechte,<br />
niemals, dass seine Kinder betteln um Brot.<br />
Allezeit ist er barmherzig und<br />
zu borgen bereit,<br />
und seine Kinder werden gesegnet sein.<br />
Lass ab vom Bösen und wirke das Gute,<br />
und bleiben wirst du auf immerdar.<br />
Denn der Herr liebt Gerechtigkeit,<br />
er verlässt seine Heiligen nicht.<br />
<strong>Die</strong> Frevler werden vernichtet,<br />
ausgerottet wird die Sippe der Bösen.<br />
<strong>Die</strong> Gerechten aber besitzen das Land,<br />
sie werden es auf immer bewohnen.<br />
Der Mund des Gerechten spricht Weisheit,<br />
seine Zunge redet, was recht ist.<br />
Das Gesetz seines Gottes trägt er im Herzen,<br />
es wanken nicht seine Schritte.<br />
Der Frevler späht aus nach dem Frommen,<br />
begierig, dass er ihn töte.<br />
Doch der Herr überlässt ihn nicht<br />
seinen Händen;<br />
noch spricht er ihn schuldig,<br />
wenn er steht vor Gericht.<br />
Vertraue auf den Herrn<br />
und halte ein seinen Weg.<br />
Und er hebt dich empor,<br />
dass du besitzt das Land,<br />
und froh wirst du schauen<br />
das Ende der Frevler.<br />
Ich sah den Sünder, wie er stolz sich erhob<br />
und breit sich machte<br />
gleich der üppigen Zeder.<br />
Und wieder kam ich und siehe,<br />
er war nicht mehr;<br />
ich suchte ihn und er wurde nicht mehr<br />
gefunden.<br />
Sieh hin auf den Redlichen,<br />
habe Acht auf den Frommen,<br />
dem Mann des Friedens erwächst ein<br />
neues Geschlecht.<br />
<strong>Die</strong> Sünder aber werden vernichtet,<br />
ausgerottet wird die Sippe der Bösen.<br />
Das Heil kommt den Gerechten vom Herrn,<br />
er ist ihr Schutz in Zeiten der Not.<br />
Ja, der Herr ist ihr Helfer und ihr Befreier,<br />
er rettet sie vor den Bösen und<br />
er bewahrt sie;<br />
denn sie suchen bei ihm ihre Zuflucht.<br />
Psalm 38<br />
Ein Psalm von David, zum Gedächtnisopfer.<br />
Nicht rüge mich, Herr,<br />
in deinem Zorn,<br />
in deinem Grimm strafe mich nicht.<br />
Denn es drangen ein in mich deine Pfeile,<br />
es lastet auf mir deine Hand.<br />
Mir ist nichts Heiles am Fleisch,<br />
da du mir zürnst,<br />
nichts unversehrt an meinem Gebein,<br />
da ich gesündigt habe.<br />
Auf meinem Haupt ist übergroß geworden<br />
die Schuld,<br />
gleich einer schweren Bürde drückt sie<br />
mich nieder.<br />
Es verwesen meine Wunden und faulen<br />
ob all meiner Torheit.<br />
Gedrückt bin ich und gar tief gebeugt,<br />
traurig geh ich den ganzen Tag.<br />
Denn meine Lenden sind voller Brand,<br />
an meinem Leib ist nichts Gesundes.<br />
Ermattet bin ich und ganz zerschlagen,<br />
in der Qual meines Herzens schreie ich auf.<br />
Herr, offenbar ist dir mein Verlangen,<br />
mein Seufzen ist nicht verborgen vor dir.<br />
Mein Herz erbebt, es verlässt mich die Kraft,<br />
das Licht der Augen will mir erlöschen.<br />
Freunde und Vertraute wenden von meiner<br />
Plage sich ab,<br />
und meine Nächsten stehen in der Ferne.<br />
<strong>Die</strong> nach dem Leben mir trachten,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
100
Erstes Buch<br />
legen mir Schlingen,<br />
die mir übel wollen, sie drohen<br />
mit Verderben,<br />
Falschheit sinnen sie immerfort.<br />
Ich aber höre nicht;<br />
ich bin wie einer, der taub ist,<br />
bin wie ein Stummer,<br />
der nicht den Mund öffnet.<br />
Ich bin geworden wie einer,<br />
der nicht mehr hört,<br />
aus dessen Mund keine Antwort kommt.<br />
Denn ich vertraue, o Herr, auf dich;<br />
du wirst mich erhören,<br />
mein Herr und mein Gott.<br />
Ich sage: Nicht sollen sie meiner sich freuen,<br />
nicht prahlen gegen mich,<br />
wenn strauchelt mein Fuß.<br />
Wahrlich, ich bin dem Untergang nahe,<br />
und nicht mehr verlässt mich der Schmerz.<br />
So will ich meine Schuld bekennen,<br />
bange ist mir wegen meiner Sünde.<br />
Mächtig sind,<br />
die ohne Grund mich bekämpfen;<br />
und viele sind es,<br />
die mich zu Unrecht hassen.<br />
Sie vergelten mir Gutes mit Bösem<br />
und feinden mich an;<br />
denn ich suche das Rechte.<br />
Verlass mich nicht, o Herr,<br />
mein Gott, bleib nicht fern von mir.<br />
Eile, mir zu helfen,<br />
o Herr, du mein Heil.<br />
Psalm 39<br />
Dem Chormeister; von Jedutun;<br />
ein Psalm von David.<br />
Ich sprach:<br />
Meine Wege will ich bewahren,<br />
dass ich nicht schuldig werde durch<br />
meine Zunge.<br />
Ich lege an meinen Mund einen Zaum,<br />
solange der Gottlose weilt vor mir.<br />
Ich verharrte in Schweigen,<br />
einer, der verlassen vom Glück,<br />
doch immer heftiger brannte der Schmerz,<br />
das Herz in meinem Innern<br />
erglühte mir heiß,<br />
über meinem Sinnen entflammte ein Feuer;<br />
da löste sich meine Zunge:<br />
Herr, lass mich wissen mein Ende,<br />
tu mir kund das Maß meiner Tage,<br />
und wissen werde ich,<br />
wie vergänglich ich bin.<br />
Siehe, nur wenige Spannen breit hast du<br />
gemacht meine Tage,<br />
mein Leben ist vor dir wie ein Nichts;<br />
jeder Mensch ist nur wie ein Hauch.<br />
Der Mensch,<br />
er geht vorüber gleich einem Schatten,<br />
nutzlos all seine Sorge,<br />
er speichert auf und weiß nicht,<br />
wer es erhält.<br />
Und nun – was habe ich zu erwarten, o Herr?<br />
Mein Hoffen ruht einzig in dir.<br />
Von allen, die mir Unrecht tun, errette mich,<br />
gib mich nicht preis dem Spott des Toren!<br />
Ich schweige nun,<br />
tu nicht mehr meinen Mund auf;<br />
denn du hast es so gefügt.<br />
Nimm hinweg von mir deine Plage,<br />
ich erliege der Gewalt deiner Hand.<br />
Du züchtigst den Menschen,<br />
du strafst die Schuld;<br />
was ihm kostbar, du lässt es zerfallen<br />
wie vom Fraß der Motten;<br />
jedweder Mensch, er ist nur ein Hauch.<br />
Höre, o Herr, mein Gebet,<br />
habe Acht auf mein Rufen,<br />
meinem Weinen verschließe dich nicht.<br />
Ich bin vor dir nur ein Fremdling,<br />
ein Fremdling wie all meine Väter.<br />
101 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Blicke weg von mir, dass ich noch einmal<br />
froh werde,<br />
bevor ich gehe und nicht mehr bin.<br />
Psalm 40<br />
Dem Chormeister; von David; ein Psalm.<br />
Ich habe gehofft,<br />
ja gehofft auf den Herrn,<br />
und er neigte sich mir zu und<br />
hörte mein Rufen.<br />
Er zog mich heraus aus der Todesgrube,<br />
aus Schlamm und Morast<br />
er stellte meine Füße auf Felsengrund,<br />
sicher machte er meine Schritte.<br />
Er legte mir ein neues Lied in den Mund,<br />
ein Lied des Jubels für unseren Gott.<br />
Viele werden es sehen und werden erschauern,<br />
und sie werden vertrauen dem Herrn.<br />
Selig der Mann,<br />
der setzt auf den Herrn seine Hoffnung,<br />
der nicht folgt den <strong>Die</strong>nern der Götzen<br />
noch denen,<br />
die falschem Trug sich ergeben.<br />
Viele Wunder hast du getan,<br />
o Herr, du mein Gott,<br />
in den Gedanken, die du hegest für uns<br />
kommt keiner dir gleich.<br />
Wollte ich melden sie alle und künden,<br />
ihrer sind mehr, als man zählen kann.<br />
Schlachtopfer und Speiseopfer<br />
forderst du nicht,<br />
aufgetan aber hast du mein Ohr.<br />
Brandopfer willst du nicht<br />
noch Opfer der Sühne;<br />
da sprach ich: Siehe, ich komme!<br />
In der Buchrolle ist geschrieben von mir.<br />
Deinen Willen zu tun, o Gott,<br />
das ist meine Freude,<br />
dein Gesetz ist mir geborgen im Herzen.<br />
Deine Gerechtigkeit hab ich verkündet<br />
in großer Gemeinde;<br />
siehe, ich habe nicht gewehrt meinen<br />
Lippen; du weißt es, o Herr.<br />
Dein gerechtes Walten habe ich nicht<br />
verschlossen im Herzen,<br />
ich habe deine Treue gepriesen und<br />
deine Hilfe.<br />
Ich habe nicht geschwiegen von deiner Huld,<br />
vor der großen Gemeinde<br />
nicht deine Treue verhehlt.<br />
Du aber, Herr,<br />
versage mir nicht dein Erbarmen,<br />
bewahren möge mich immerdar deine<br />
Huld und Treue.<br />
Denn Leiden umschlossen mich ohne Zahl;<br />
meine Sünden erfassten mich,<br />
ich kann nicht mehr sehen.<br />
Zahlreicher sind sie<br />
als Haare auf meinem Haupt,<br />
und mir entschwindet der Mut.<br />
Lass dir gefallen, Herr, mich zu retten,<br />
eile, Herr, mir zu helfen.<br />
Zuschanden sollen werden und erröten<br />
in Schmach,<br />
alle, die nach dem Leben mir trachten.<br />
Von Scham befallen, sollen sie weichen,<br />
die sich freuen an meinem Unglück.<br />
Sie sollen erstarren, beladen mit Schande,<br />
die mich höhnen: So ist es recht!<br />
Doch jubeln sollen und deiner sich freuen<br />
alle, die treulich dich suchen.<br />
Und immer sollen sie sagen:<br />
Der Herr sei gepriesen!,<br />
alle, die ersehnen dein Heil.<br />
Ich aber, elend bin ich und arm;<br />
der Herr aber nimmt meiner sich an.<br />
Du bist mein Helfer und mein Befreier,<br />
säume nicht länger, mein Gott!<br />
Ps 0,00–0,00<br />
102
Erstes Buch<br />
Psalm 41<br />
Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />
Selig, wer des Dürftigen gedenkt und des Armen;<br />
der Herr wird ihn retten am Tag des Unheils.<br />
Behüten wird ihn der Herr und ihn am Leben erhalten,<br />
er lässt auf Erden ihn glücklich sein<br />
und gibt ihn nicht preis der Gewalt seiner Feinde.<br />
Auf seinem Schmerzenslager bringt ihm Hilfe der Herr,<br />
in seiner Krankheit nimmt er alle Schwäche hinweg.<br />
Ich rufe: O, Herr, erbarme dich meiner;<br />
heile mich, denn ich habe gesündigt vor dir.<br />
Schlimmes reden von mir meine Feinde:<br />
Wann wird er sterben? Wann wird sein Name vergehen?<br />
Kommt einer, nach mir zu sehen, so redet er Falschheit;<br />
er sammelt Arges im Herzen und geht und redet es weiter.<br />
Alle, die mich hassen, flüstern vereint gegen mich;<br />
sie denken gegen mich Gedanken des Unheils:<br />
Befallen hat ihn ein böses Siechtum;<br />
der da liegt, er steht nicht mehr auf.<br />
Sogar mein Freund, auf den ich vertraute,<br />
der mein Brot mit mir aß, er hat gegen mich die Ferse erhoben.<br />
Du aber, Herr, erbarme dich meiner und richte mich auf,<br />
und ich will es ihnen vergelten.<br />
Daran will ich sehen, dass du mir gnädig bist,<br />
wenn über mich nicht jubelt der Feind.<br />
Mich aber bewahrst du unversehrt,<br />
und lässt mich vor dir bestehen auf ewig.<br />
Gepriesen der Herr, der Gott Israels,<br />
von Ewigkeit bis in Ewigkeit!<br />
Amen, so sei es!<br />
103 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Zweites Buch<br />
Psalm 42<br />
Dem Chormeister; ein Weisheitslied<br />
von den Söhnen Korachs.<br />
Wie die Hirschkuh verlangt nach<br />
dem Wasser der Quelle,<br />
so verlangt, o Gott, meine Seele<br />
nach dir.<br />
Es dürstet nach Gott meine Seele,<br />
nach dem lebendigen Gott;<br />
wann darf ich kommen und<br />
schauen das Angesicht Gottes?<br />
Meine Tränen sind mir zum Brot geworden<br />
bei Tag und bei Nacht,<br />
wenn sie täglich mir sagen:<br />
Wo bleibt nun dein Gott?<br />
Das Herz geht mir über, wenn ich gedenke,<br />
wie ich zog mit den Scharen des Volkes,<br />
wie ich zog vor ihnen zum Hause des Herrn<br />
unter Jubel und Lobgesang<br />
in festlich froher Gemeinde.<br />
Was bist du bedrückt, meine Seele,<br />
und warum stürmst du in mir?<br />
Hoffe auf Gott, ich werde ihn wieder preisen<br />
ihn, meinen Gott und mein Heil.<br />
Wie ist gebeugt meine Seele, da ich deiner<br />
Ps 0,00–0,00<br />
104
Zweites Buch<br />
gedenke im Jordanland,<br />
vom Hermon aus und vom Berge Mizar.<br />
Fluten rufen die Fluten im tosenden Fall<br />
deiner Wasser,<br />
all deine Fluten und Wogen gingen hin<br />
über mich.<br />
Am Tage verleihe der Herr seine Huld;<br />
und ich will ihm singen bei Nacht,<br />
loben will ich den Gott meines Lebens.<br />
Ich sage zu Gott: du mein Fels,<br />
warum hast du meiner vergessen?<br />
Was muss ich traurig umhergehn,<br />
bedrängt vom Feind?<br />
Es trifft mich ins Mark,<br />
wenn mich höhnen die Gegner,<br />
wenn sie täglich mir sagen:<br />
Wo bleibt nun dein Gott?<br />
Was bist du bedrückt, meine Seele,<br />
und warum stürmst du in mir?<br />
Hoffe auf Gott, ich werde ihn wieder preisen<br />
ihn, meinen Gott und mein Heil.<br />
Psalm 43<br />
Schaffe mir Recht, o Gott,<br />
führe meine Sache gegen ein unheiliges Volk,<br />
befreie mich von dem Mann der Bosheit<br />
und Lüge.<br />
Du, Gott, du bist meine Stärke;<br />
warum hast du mich verstoßen<br />
Was muss ich traurig einhergehn,<br />
bedrängt von dem Feind?<br />
Sende aus dein Licht und deine Treue,<br />
dass sie mich führen,<br />
zu deinem heiligen Berg mich leiten, zu<br />
deinem Gezelt.<br />
Und ich trete hin zu Gottes Altar, zu Gott,<br />
der meine Freude und Wonne.<br />
Ich will dich preisen mit Harfenklang,<br />
o Gott, du mein Gott.<br />
Was bist du bedrückt, meine Seele,<br />
und warum stürmst du in mir?<br />
Hoffe auf Gott, ich werde ihn wieder preisen<br />
ihn, meinen Gott und mein Heil.<br />
Psalm 44<br />
Dem Chormeister; von den Söhnen Korachs,<br />
ein Weisheitslied.<br />
O Gott, wir haben vernommen<br />
mit eigenem Ohr,<br />
unsere Väter haben uns Kunde getan<br />
von dem Werke, das du vollbrachtest<br />
in ihren Tagen,<br />
in den Tagen der Vorzeit mit eigener Hand.<br />
Du warst es, dessen Hand die Heiden vertrieb,<br />
jene aber pflanztest du ein;<br />
Völker zerschlugst du,<br />
sie aber ließest du wachsen.<br />
Denn nicht mit eigenem Schwert haben sie<br />
erobert das Land,<br />
Sieg gewann ihnen nicht der eigene Arm.<br />
Deine Rechte war es, ja, dein mächtiger Arm<br />
und dein leuchtendes Angesicht;<br />
denn du hast sie geliebt.<br />
Du bist mein Gott und mein König,<br />
du verliehst Jakob den Sieg.<br />
Durch dich vertrieben wir unsere Gegner,<br />
in deinem Namen traten wir nieder,<br />
die uns bekämpften.<br />
Nicht habe ich vertraut meinem Bogen,<br />
nicht konnte mich retten mein Schwert:<br />
Du bist es, der uns Sieg verliehen<br />
über die Feinde,<br />
und die uns hassten, du machtest sie alle<br />
zuschanden.<br />
Allezeit rühmten wir uns in Gott,<br />
und immerfort priesen wir deinen Namen.<br />
Nun aber hast du uns verworfen und<br />
hast uns verschmäht,<br />
nicht mehr ziehst du, o Gott,<br />
mit unseren Heeren.<br />
Du ließest uns weichen vor unseren Feinden,<br />
und die uns hassen, sie nahmen sich Beute.<br />
Du gabst uns preis wie Schafe,<br />
die man hinführt zum Schlachten,<br />
du zerstreutest uns unter die Heiden.<br />
105 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Verkauft hast dein Volk<br />
um nichtigen Kaufpreis,<br />
und wenig hast du gewonnen<br />
aus solchem Erlös.<br />
Du machtest uns zum Spott unserer Nachbarn,<br />
zum Hohngelächter für alle ringsum.<br />
Zum Sprichwort machtest du uns<br />
für die Heiden,<br />
Völker schütteln den Kopf über uns.<br />
Immerfort ist vor mir meine Schmach,<br />
Schamröte deckt mein Angesicht.<br />
Muss ich doch hören,<br />
wie sie schmähen und lästern,<br />
meine Widersacher und meine Feinde.<br />
<strong>Die</strong>s alles kam über uns,<br />
und wir haben dich doch nicht vergessen,<br />
nicht gebrochen haben wir deinen Bund.<br />
Unser Herz ist von dir nicht gewichen,<br />
nicht abgebogen von deinem Pfad<br />
sind unsere Schritte.<br />
Als du uns schlugst am Ort der Trübsal,<br />
als du uns hülltest in Finsternis.<br />
Hätten wir je vergessen den Namen<br />
unseres Gottes,<br />
unsere Hände zu fremden Göttern erhoben:<br />
Wie hätte solches der Herr nicht durchschaut,<br />
er, der schaut in die Tiefen der Herzen?<br />
Nein, deinetwegen werden wir ständig<br />
gemordet,<br />
behandelt wie Schafe,<br />
zum Schlachten bestimmt.<br />
Wach auf! Warum schläfst du, o Herr?<br />
Erhebe dich und verstoße uns nicht<br />
auf immer!<br />
Warum verbirgst du dein Angesicht,<br />
vergisst unser Elend und unsere Drangsal?<br />
Denn niedergetreten ist unsere Seele<br />
zum Staub,<br />
es haftet unser Leib an der Erde.<br />
Erhebe dich, komm uns zu Hilfe,<br />
in deinem Erbarmen erlöse uns!<br />
Psalm 45<br />
Dem Chormeister, nach der Weise »Lilien«; von<br />
den Söhnen Korachs, ein Weisheitslied, ein Liebeslied.<br />
Meinem Herzen entströmt<br />
festlicher Sang:<br />
ich weihe mein Lied dem König.<br />
Meine Zunge eilt dahin,<br />
schnell wie der Griffel des Schreibers.<br />
Schön bist du wie keiner<br />
unter den Menschen,<br />
ausgegossen auf deinen Lippen ist Anmut:<br />
so hat dich Gott gesegnet auf ewig.<br />
Gürte, du Starker, um deine Hüfte<br />
das Schwert,<br />
lege an deine strahlende Hoheit!<br />
Sieghaft ziehe dahin für Treue und Recht,<br />
herrliche Taten möge dich lehren dein Arm.<br />
Wie scharf deine Pfeile!<br />
Dir werden Völker erliegen;<br />
des Königs Feinden schwindet der Mut.<br />
Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig;<br />
das Zepter deiner Herrschaft<br />
ist ein Zepter des Rechts.<br />
Du liebst die Gerechtigkeit,<br />
du hasst das Unrecht;<br />
darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt mit<br />
dem Öl der Freude wie keinen deiner<br />
Gefährten.<br />
Duftende Aloe ist dein Gewand und<br />
Myrrhe und Kassia,<br />
im Saal von Elfenbein ertönen dir Saiten<br />
zur Freude.<br />
Fürstentöchter ziehn dir entgegen,<br />
es steht dir zur Rechten die Braut,<br />
geschmückt mit dem Gold von Ofir.<br />
Höre, Tochter, siehe und neige dein Ohr;<br />
vergiss dein Volk und das Haus<br />
deines Vaters!<br />
Nach deiner Schönheit verlangt der König;<br />
er ist dein Herr, du neige dich ihm!<br />
Das Volk von Tyrus kommt mit Geschenken,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
106
Zweites Buch<br />
deine Gunst begehren die Großen<br />
des Volkes.<br />
<strong>Die</strong> Königstochter in strahlendem Schmucke<br />
hält ihren Einzug,<br />
von Gold gewoben ist ihr Gewand.<br />
In der Kleider farbiger Pracht wird sie zum<br />
König geführt,<br />
Jungfrauen folgen ihr nach,<br />
ihre Freundinnen führt man zu dir.<br />
Sie ziehen dahin mit Jubel und Gesängen<br />
der Freude,<br />
in den Palast des Königs ziehen sie ein.<br />
An Stelle der Väter werden dir Söhne<br />
erstehen,<br />
du setzt sie ein als Fürsten über die Lande.<br />
Deinen Namen will ich künden<br />
von Geschlecht zu Geschlecht;<br />
darum werden die Völker dich preisen<br />
immer und ewig.<br />
Psalm 46<br />
Dem Chormeister; von den Söhnen Korachs,<br />
nach der Weise »Jungfrauen«, ein Lied.<br />
Der Herr ist uns Zuflucht<br />
und Kraft,<br />
herrlich erwiesen als Helfer in<br />
der Bedrängnis.<br />
So bangen wir nicht, ob auch die Erde erbebt,<br />
ob die Berge fallen mitten ins Meer,<br />
wenn seine Wasser brausen und schäumen,<br />
vor seinem Ungestüm erzittern die Berge:<br />
Mit uns ist der Herr der himmlischen Heere,<br />
Jakobs Gott ist unsere Burg.<br />
Des Stromes Arme erfreuen die Gottesstadt,<br />
des Höchsten heilige Wohnung.<br />
Sie wankt nicht,<br />
in ihrer Mitte ist Gott;<br />
schon in der Morgenfrühe wird Gott<br />
sie beschützen.<br />
<strong>Die</strong> Völker tobten, es wurden erschüttert<br />
die Reiche,<br />
donnernd ertönte sein Ruf,<br />
dass die Erde verging in Schrecken.<br />
Mit uns ist der Herr der himmlischen Heere,<br />
Jakobs Gott ist unsere Burg.<br />
Kommt und schaut die Werke des Herrn!<br />
Wunderbar, was er auf Erden vollbrachte.<br />
Dem Krieg gebietet er Einhalt bis an die<br />
Enden der Erde,<br />
zerbricht die Bogen, zerschmettert die<br />
Speere, verbrennt die Schilde im Feuer.<br />
Lasst ab und erkennt: Ich bin der Herr,<br />
erhaben über die Völker,<br />
erhaben auf Erden!<br />
Mit uns ist der Herr der himmlischen Heere,<br />
Jakobs Gott ist unsere Burg.<br />
Psalm 47<br />
Dem Chormeister; von den Söhnen Korachs, ein Psalm.<br />
Ihr Völker, klatscht all<br />
in die Hände!<br />
Jauchzt dem Herrn mit fröhlichem Schall!<br />
Denn der Herr, der Höchste, ist furchtbar,<br />
ein großer König über die ganze Erde.<br />
Er unterwarf uns die Völker,<br />
er legte uns zu Füßen die Heiden.<br />
Er hat uns ein Erbe erwählt,<br />
des geliebten Jakob herrliches Land.<br />
Empor fuhr Gott unter Jubelklang,<br />
der Herr beim Schall der Posaunen.<br />
Singt dem Herrn, ja, weiht ihm Lobgesang!<br />
Spielt unserem König,<br />
preist ihn mit Psalmen!<br />
Denn König der ganzen Erde ist Gott!<br />
Stimmt an ein festliches Lied!<br />
Gott ist König über die Völker,<br />
er hat sich auf seinem heiligen Thron<br />
gesetzt.<br />
107 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
<strong>Die</strong> Fürsten der Völker treten zusammen<br />
mit Abrahams Volk, das Gott sich erkor.<br />
Denn die Großen der Erde sind zu Eigen<br />
dem Herrn,<br />
hocherhaben ist er.<br />
Psalm 48<br />
Ein Lied, ein Psalm von den Söhnen Korachs.<br />
GroSS ist der Herr und gar<br />
würdig des Ruhmes<br />
in der Stadt unseres Gottes.<br />
Sein heiliger Berg, die herrliche Höhe,<br />
er ist die Wonne der ganzen Welt;<br />
der Zionsberg im äußersten Norden,<br />
wahrlich die Stadt des mächtigen Königs.<br />
In ihren Burgen ist Gott,<br />
er hat sich erwiesen als sichere Schutzwehr.<br />
Siehe, versammelt hatten sich Könige,<br />
gemeinsam stürmten sie an.<br />
Sie schauten auf – da wurden sie starr<br />
und stoben in Verwirrung von dannen.<br />
Schrecken erfasste sie dort<br />
gleich einer Frau in den Wehen;<br />
Gleichwie der Sturm aus dem Osten,<br />
der zerschmettert Schiffe aus Tarschisch.<br />
Wie wir gehört, so haben wir nun gesehen<br />
an der Stadt des Herrn der<br />
himmlischen Heere,<br />
ja, an der Stadt unseres Gottes;<br />
er selber hat sie gegründet auf ewig.<br />
Wir gedenken, o Gott, deiner Huld<br />
im Heiligtum deines Tempels.<br />
So wie dein Name, o Gott,<br />
so reicht dein Ruhm<br />
bis an die Enden der Erde;<br />
voll der Gerechtigkeit ist deine Rechte.<br />
Darum möge sich freuen der Zion,<br />
jauchzen sollen die Städte von Juda<br />
ob deiner Gerichte.<br />
Durchwandert den Zion, umschreitet ihn<br />
und zählt seine Türme.<br />
Achtet auf seine Wälle, mustert seine Häuser,<br />
auf dass ihr dem Geschlecht der Zukunft<br />
sagen könnt:<br />
So groß ist Gott,<br />
unser Gott für immer und ewig.<br />
Er, ja er wird uns führen.<br />
Psalm 49<br />
Dem Chormeister; von den Söhnen Korachs, ein Psalm.<br />
Horcht auf, all ihr Völker,<br />
vernehmt es, all ihr Bewohner der Erde!<br />
Ihr Kinder des Volkes, ihr Söhne der Herren,<br />
allesamt, Reiche wie Arme.<br />
Mein Mund kündet Weisheit,<br />
kluge Rede ersinnt mein Herz.<br />
Einem Weisheitsspruch will ich neigen<br />
mein Ohr,<br />
beim Klang der Harfe will ich deuten<br />
mein Rätsel.<br />
Was soll an Unheilstagen ich bangen,<br />
wenn mich umgibt die Bosheit der Gegner?<br />
Sie, die vertrauen auf ihre Schätze<br />
die sich rühmen der Fülle des Reichtums.<br />
Kann doch niemand sich selber erretten,<br />
niemand ein Lösegeld entrichten dem Herrn<br />
– allzu hoch wäre der Preis für sein Leben,<br />
keiner vermag ihn jemals zu zahlen –<br />
dass er immerdar lebe und nicht schaue<br />
den Tod.<br />
Sieht er doch sterben die Weisen,<br />
Narr und Tor zusammen vergehn.<br />
Ihre Schätze hinterlassen sie Fremden,<br />
ihr Haus ist für immer das Grab,<br />
von Geschlecht zu Geschlecht ihre Wohnung,<br />
ob sie auch Länder nannten ihr Eigen.<br />
Ein Mensch in all seinem Reichtum,<br />
der Einsicht bar,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
108
Zweites Buch<br />
er gleicht dem Tier, das zugrunde geht.<br />
<strong>Die</strong>s ist der Weg all derer,<br />
die töricht vertrauen,<br />
das Ende jener, die schwelgen im Glück.<br />
Wie Schafe stürzen sie nieder zum Abgrund,<br />
weiden wird sie der Tod,<br />
und es herrschen über sie die Gerechten.<br />
Wie rasch wird dahingehn ihre Gestalt,<br />
das Totenreich wird ihre Wohnung sein.<br />
Gott aber entreißt meine Seele der Unterwelt,<br />
wenn er mich aufnimmt.<br />
Gräme dich nicht,<br />
wenn einer auch reich wird,<br />
wenn seines Hauses Güter sich mehren.<br />
Kommt er zum Sterben,<br />
er nimmt kein einziges mit,<br />
nicht steigen mit ihm hinab seine Güter.<br />
Mochte er im Leben sich glücklich preisen<br />
und sagen:<br />
Rühmen werden sie dich,<br />
weil du dir wohl getan.<br />
Dennoch muss er hinab<br />
zur Schar seiner Väter,<br />
die nicht mehr in Ewigkeit<br />
schauen das Licht.<br />
Der Mensch in all seinem Reichtum,<br />
der Einsicht bar,<br />
er gleicht dem Tier, das zugrunde geht.<br />
Psalm 50<br />
Ein Psalm von Asaf.<br />
Gott, der Herr, hat gesprochen<br />
und aufgerufen die Erde<br />
vom Aufgang der Sonne<br />
bis an den Niedergang.<br />
Von Zion, der Schönheit Krone,<br />
erstrahlet der Herr.<br />
Unser Gott ist gekommen,<br />
er hüllt sich nimmer in Schweigen.<br />
Verzehrendes Feuer geht vor ihm her,<br />
rings um ihn erbrausen die Stürme.<br />
Den Himmel und die Erde ruft er auf,<br />
Gericht zu halten über sein Volk:<br />
Versammelt um mich meine Frommen,<br />
die beim Opfer mit mir geschlossen<br />
den Bund.<br />
Seine Gerechtigkeit künden die Himmel,<br />
Gott selber sitzt zu Gericht.<br />
Höre, mein Volk, ich will reden;<br />
Israel, gegen dich will ich zeugen,<br />
ich, der Herr, bin dein Gott!<br />
Nicht deiner Opfer wegen ergeht an dich<br />
meine Rüge,<br />
deine Brandopfer sind mir ständig<br />
vor Augen.<br />
Keine Stiere will ich nehmen<br />
von deinem Haus,<br />
keine Böcke aus deinen Herden.<br />
Denn alles Getier im Wald ist mein,<br />
zu Tausenden mein das Wild meiner Berge.<br />
Ich kenne alle Vögel des Himmels;<br />
was sich regt auf den Fluren,<br />
es ist mir bekannt.<br />
Hätte ich Hunger,<br />
ich müsste es dir nicht sagen;<br />
mein ist der Erdkreis mit all seiner Fülle.<br />
Sollte ich essen vom Fleisch der Stiere,<br />
von den Böcken trinken das Blut?<br />
Weihe dem Herrn das Opfer des Lobes,<br />
dem Höchsten entrichte deine Gelübde.<br />
Dann rufe zu mir am Tag der Bedrängnis,<br />
ich werde dich retten und<br />
du wirst Ehre mir zollen.<br />
Zum Sünder aber redet der Herr:<br />
»Was zählst du daher meine Satzung<br />
und hast meinen Bund auf den Lippen?<br />
Du, der in Wahrheit hasst die Zucht,<br />
der mein Wort hat verworfen.<br />
Sahst du einen <strong>Die</strong>b, so liefst du ihm nach;<br />
und mit Ehebrechern warst du im Bunde.<br />
Deinen Mund ließest du zügellos reden<br />
das Böse,<br />
109 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Lügengewebe ersann deine Zunge.<br />
Du saßest da und sprachst schändlich von<br />
deinem Bruder,<br />
deiner Mutter Sohn hast du beworfen<br />
mit Schmach.<br />
<strong>Die</strong>s hast du getan und ich sollte schweigen?<br />
Wähntest du, ich wäre dir gleich?<br />
Rügen muss ich dich und führe es dir<br />
vor Augen.<br />
<strong>Die</strong> ihr Gottes vergessen habt, seht es ein!<br />
Sonst raffe ich euch hinweg und niemand<br />
ist da, der euch rettet.<br />
Der ehrt mich, der mir weiht<br />
das Opfer des Lobes;<br />
der wandelt auf rechtem Pfad,<br />
ich lasse ihn schauen mein Heil.«<br />
Psalm 51<br />
Dem Chormeister, ein Psalm von David,<br />
als der Prophet Natan zu ihm kam, weil er zu Batseba<br />
gegangen war.<br />
Sei mir gnädig, o Gott,<br />
nach deiner Güte,<br />
nach deiner reichen Barmherzigkeit<br />
lösche aus meine Schuld.<br />
Bis auf den Grund wasche ab meine Missetat,<br />
von meiner Sünde mache mich rein!<br />
Denn meine Bosheit erkenne ich wohl,<br />
immer steht vor Augen mir die Sünde.<br />
Ich habe gesündigt an dir allein;<br />
was böse vor dir, ich hab es getan.<br />
Nun erweisest du dich in deinem Urteil<br />
gerecht,<br />
und Recht behalten hast du in deinem<br />
Gericht.<br />
Siehe, ich bin geboren in Schuld;<br />
ich war schon in Sünde,<br />
als mich die Mutter empfangen.<br />
Doch siehe, du hast Gefallen an der Wahrheit<br />
des Herzens;<br />
in meinem Innern lehre mich Einsicht.<br />
Besprenge mich mit Ysop, so werde ich rein;<br />
wasche mich und ich werde weißer<br />
als Schnee.<br />
Lass mich vernehmen Freude und Wonne,<br />
und mein zerschlagen Gebein<br />
wird frohlocken.<br />
Wende ab von meinen Sünden dein Angesicht<br />
und tilge all meine Frevel.<br />
Ein reines Herz erschaffe mir, Gott,<br />
und einen festen Geist erwecke mir neu.<br />
Von deinem Antlitz verstoße mich nicht,<br />
nimm von mir nicht hinweg<br />
deinen heiligen Geist.<br />
Deines Heiles Wonne schenke mir wieder,<br />
in willigem Geist mache mich stark.<br />
Dann will ich deine Wege<br />
den Irrenden weisen,<br />
und Sünder werden sich bekehren zu dir.<br />
Befreie mich von der Blutschuld,<br />
mein Gott und mein Retter;<br />
und meine Zunge wird deine Gerechtigkeit<br />
rühmen.<br />
Herr, tu auf meine Lippen,<br />
und mein Mund wird verkünden dein Lob.<br />
All die Opfer erfreuen dich nicht,<br />
wollte ich Brandopfer bringen,<br />
du nimmst sie nicht an.<br />
Mein Opfer, o Gott, ist ein reuiger Sinn;<br />
ein Herz voll Demut und Reue wirst du,<br />
o Gott, nicht verschmähen.<br />
In deiner Güte, o Herr,<br />
erweise dich gnädig an Zion,<br />
lass neu erstehen Jerusalems Mauern!<br />
Dann wirst du Opfer der Gerechtigkeit<br />
annehmen,<br />
dann wird man Stiere legen<br />
auf deinem Altar.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
110
Zweites Buch<br />
Psalm 52<br />
Dem Chormeister, ein Weisheitslied; von David, als der<br />
Edomiter Doëg gekommen war und Saul gemeldet hatte:<br />
David ist in das Haus Ahimelechs gegangen.<br />
Was rühmst du dich deiner<br />
Bosheit, verruchter Mann der<br />
Gewalt?<br />
<strong>Die</strong> Güte Gottes währt den ganzen Tag!<br />
Dein Sinnen geht allzeit auf Unheil,<br />
einem scharfen Messer gleicht deine Zunge,<br />
du, der Trug nur vollbringt!<br />
Das Böse liebst du mehr als das Gute,<br />
Lügenrede mehr als die Sprache der<br />
Wahrheit.<br />
Du liebst nur Worte, die Verderben stiften,<br />
du tückische Zunge!<br />
Darum wird Gott dich vernichten,<br />
er wird dich verstoßen auf ewig.<br />
Er reißt dich aus deinem Zelt,<br />
aus dem Land der Lebenden<br />
reißt er dich aus.<br />
Schaudernd werden es sehen die Gerechten<br />
und werden seiner noch spotten:<br />
Seht ihn, der seine Zuflucht nicht setzte<br />
auf Gott,<br />
der sich verließ auf die Fülle des Reichtums,<br />
der mächtig wurde durch seine Frevel.<br />
Ich aber bin wie ein Ölbaum,<br />
grünend im Haus meines Gottes,<br />
immerdar hoffe ich auf Gottes Erbarmen.<br />
Preisen will ich dich ewiglich,<br />
weil du solches getan;<br />
und deinen Namen voll Güte –<br />
ich will ihn verkünden im Angesicht deiner<br />
Heiligen.<br />
Psalm 53<br />
Dem Chormeister; nach der Weise »Machalat«,<br />
ein Weisheitslied von David.<br />
In seinem Herzen redet der Tor:<br />
Es gibt keinen Gott.<br />
Verderbt sind sie, ihr Treiben ein Gräuel;<br />
keiner ist da, der Gutes tut.<br />
Vom Himmel her blickt Gott auf<br />
die Menschen,<br />
zu sehen, ob einer verständig,<br />
ob einer Gott sucht.<br />
Doch alle sind abgewichen, alle verdorben;<br />
nicht einer, der Gutes täte, nicht einer.<br />
Werden zur Einsicht nicht kommen,<br />
die Böses tun?<br />
Sie verschlingen mein Volk,<br />
als äßen sie Brot,<br />
nicht rufen sie an den Herrn.<br />
Nun aber mussten sie erbeben in Furcht,<br />
wo sonst ein Fürchten nicht war.<br />
<strong>Die</strong> dich belagert haben – Gott hat zerschlagen<br />
ihr Gebein;<br />
zuschanden wurden sie,<br />
weil Gott sie verworfen hat.<br />
Käme doch von Zion für Israel Heil!<br />
Einst, wenn der Herr das Los seines Volkes<br />
wendet,<br />
dann wird Jakob frohlocken und jubeln<br />
wird Israel.<br />
Psalm 54<br />
Dem Chormeister, mit Saitenspiel; ein Weisheitslied<br />
von David, nachdem die Sifiter zu Saul gekommen waren<br />
und meldeten: David hält sich bei uns verborgen.<br />
Hilf mir, Gott, in der Kraft<br />
deines Namens,<br />
sei meiner Sache ein mächtiger Anwalt!<br />
Höre, o Gott, mein Gebet,<br />
111 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
lausche dem Wort meines Mundes!<br />
Denn gegen mich erhoben sich Stolze,<br />
Männer der Gewalt,<br />
sie trachten mir nach dem Leben,<br />
nicht haben sie Gott vor Augen.<br />
Doch siehe, Gott ist mein Helfer,<br />
meines Lebens erhaltende Kraft ist der Herr.<br />
Wende zurück das Unheil auf meine Gegner,<br />
um deiner Treue willen mache sie zunichte.<br />
Dann will ich dir Opfer bringen in Freude,<br />
preisen will ich, o Herr, deinen Namen,<br />
denn er ist gut.<br />
Er hat mich entrissen all meiner Trübsal,<br />
und mein Auge sieht auf meine Feinde herab.<br />
Psalm 55<br />
Dem Chormeister, mit Saitenspiel;<br />
ein Weisheitslied von David.<br />
Höre, o Gott, auf mein Beten,<br />
meinem Flehen verschließe dich nicht!<br />
Neige dich mir zu und erhöre mich!<br />
Ich bin getrieben von meiner Angst,<br />
verwirrt vom Lärmen des Feindes<br />
und von des Sünders Geschrei.<br />
Denn sie bringen über mich Unheil,<br />
sie feinden wütend mich an.<br />
Das Herz in meinem Innern ist mir verstört,<br />
Todesschrecken fällt über mich.<br />
Es überkommt mich Fürchten und Zagen,<br />
und Schauer erfasst mich.<br />
Ich sage: Oh, hätte ich die Flügel der Taube,<br />
ich flöge auf und käme zur Ruhe.<br />
Ja, entfliehen wollte ich, weit von hier,<br />
in der Einöde wollte ich wohnen.<br />
Eilig suchte ich mir eine Zuflucht,<br />
gefeit vor Wetter und Wind.<br />
Zerstreue sie, Herr, ihre Sprache entzweie,<br />
schau ich doch Zwietracht nur und<br />
Gewalt in der Stadt.<br />
Tag und Nacht umkreisen sie die Stadt auf<br />
den Mauern,<br />
und drinnen hausen Bedrückung und<br />
Frevel.<br />
In ihrer Mitte wohnt Falschheit,<br />
nicht weicht von ihren Straßen Bestechung<br />
und Trug.<br />
Hätte mich geschmäht nur mein Feind,<br />
ich hätte es wohl ertragen;<br />
hätte sich gegen mich erhoben mein Hasser,<br />
ich hätte mich verborgen vor ihm.<br />
Du aber warst es, mein Gefährte,<br />
du, mein Freund, mein Vertrauter.<br />
Einer, mit dem ich pflegte holde Gemeinschaft,<br />
in festlichem Zuge pilgerten wir zum<br />
Hause des Herrn.<br />
Jäh soll sie treffen der Tod,<br />
lebendig sollen sie fahren zum Abgrund;<br />
denn wo sie weilen,<br />
in ihrer Mitte ist Bosheit.<br />
Ich aber rufe zu Gott,<br />
und der Herr wird mich retten.<br />
Ich will vor ihm klagen und seufzen<br />
am Abend, am Morgen, am Mittag,<br />
und hören wird er auf meine Stimme.<br />
In den Frieden erlöst er meine Seele vor denen,<br />
die mich befehden<br />
denn viele sind gegen mich.<br />
Gott wird mich hören und<br />
er zwingt sie nieder,<br />
er, der herrscht von Ewigkeit.<br />
Denn sie wandeln sich nicht und kennen<br />
keine Gottesfurcht.<br />
Erhebt doch ein jeder gegen seine Vertrauten<br />
die Hand,<br />
treulos dem gegebenen Wort.<br />
Glatt wie Butter ist seine Miene,<br />
im Herzen aber sinnt er Krieg.<br />
Seine Reden sind linder als Öl,<br />
doch in Wahrheit sind es erhobene<br />
Schwerter.<br />
Wirf auf den Herrn deine Sorge,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
112
Zweites Buch<br />
er wird dich erhalten;<br />
den Gerechten lässt er nicht wanken<br />
in Ewigkeit.<br />
Du aber, Gott, stürze sie alle hinab in die<br />
Grube des Todes.<br />
Männer, die Bluttat verüben und Trug,<br />
nicht die Hälfte ihrer Tage werden sie sehen;<br />
ich aber, o Herr, ich vertraue auf dich.<br />
Psalm 56<br />
Dem Chormeister, nach der Weise »Stumme Taube<br />
der Ferne«; ein Lied Davids,<br />
als die Philister ihn in Gat ergriffen.<br />
Sei mir gnädig, Gott, denn die<br />
Menschen treten mich nieder,<br />
in ständigem Streit bedrängen sie mich.<br />
Unablässig treten mich die Feinde mit Füßen;<br />
die mich befehden, ihrer sind viele.<br />
Am dem Tag, da Furcht mich befällt,<br />
Allerhöchster, vertraue ich auf dich.<br />
Auf Gott, dessen Verheißung ich preise,<br />
auf Gott will ich hoffen,<br />
ich fürchte mich nicht.<br />
Was könnte mir antun ein Mensch!<br />
Den ganzen Tag schmähen sie mich,<br />
all ihr Sinn ist gerichtet,<br />
mich zu verderben.<br />
Sie rotten sich zusammen und lauern mir auf,<br />
sie achten auf meine Schritte,<br />
meinem Leben stellen sie nach.<br />
Nach ihrer Bosheit zahl ihnen heim;<br />
o Gott, wirf sie nieder, die Völker!<br />
Aufgezeichnet hast du meine Wege im Elend,<br />
in deinem Krug hast du meine Tränen<br />
verwahrt;<br />
ist nicht alles in deinem Buch versiegelt?<br />
Meine Feinde weichen zurück,<br />
sobald ich dich rufe;<br />
weiß ich doch in Wahrheit:<br />
Gott ist für mich.<br />
Auf Gott dessen Wort ich lobpreise,<br />
auf den Herrn, dessen Verheißung ich preise,<br />
auf Gott will ich hoffen,<br />
ich fürchte mich nicht.<br />
Was könnte mir antun ein Mensch!<br />
Ich schulde dir, was ich gelobt, o Gott,<br />
Dankesopfer will ich dir weihen.<br />
Denn mein Leben hast du entrissen dem Tod,<br />
meine Füße bewahrt vor dem Fall,<br />
dass ich wandle vor Gott im Licht<br />
der Lebenden.<br />
Psalm 57<br />
Dem Chormeister, nach der Weise »Vertilge nicht«;<br />
ein Lied Davids, als er vor Saul in die Höhle floh.<br />
Erbarme dich meiner, o Gott,<br />
erbarme dich meiner;<br />
es flüchtet zu dir meine Seele.<br />
Im Schatten deiner Flügel suche ich Zuflucht,<br />
bis vorüber das Unheil.<br />
Ich rufe zu dem Höchsten, dem Herrn,<br />
zu Gott, der mir Gutes getan.<br />
Er sende Hilfe vom Himmel und rette mich,<br />
er schlage mit Schande, die mich verfolgen.<br />
Gott sende seine Huld und Treue.<br />
Weilen muss ich inmitten von Löwen,<br />
sie verschlingen Menschen voll Gier.<br />
Ihre Zähne sind Lanzen und Pfeile,<br />
ein geschliffenes Schwert ihre Zunge.<br />
Zeige dich in deiner Hoheit am Himmel,<br />
o Herr,<br />
über der ganzen Erde gehe auf deine<br />
Herrlichkeit!<br />
Sie legten mir ein Netz vor die Füße,<br />
meine Seele beugten sie nieder.<br />
Sie hoben vor mir eine Grube aus,<br />
o dass sie doch selber fielen hinein.<br />
Mein Herz ist getrost, o Gott,<br />
113 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
mein Herz ist getrost,<br />
ich will dir singen und spielen.<br />
Wach auf, meine Seele;<br />
Psalter und Harfe, wacht auf!<br />
Ich will das Morgenrot wecken.<br />
Unter den Völkern will ich dich preisen, Herr,<br />
unter den Heiden will ich dir singen.<br />
Denn bis an den Himmel reicht dein<br />
Erbarmen,<br />
bis an die Wolken reicht deine Treue.<br />
Zeige dich in deiner Hoheit am Himmel,<br />
o Gott,<br />
über der ganzen Erde gehe auf deine<br />
Herrlichkeit!<br />
Psalm 58<br />
Dem Chormeister, nach der Weise »Vertilge nicht«;<br />
ein Lied von David.<br />
Ihr Mächtigen, sprecht ihr in<br />
Wahrheit Recht?<br />
Ihr Menschensöhne,<br />
richtet ihr nach Gerechtigkeit?<br />
Nein, im Herzen hegt ihr Bosheit,<br />
Unrecht bringen euere Hände dem Land.<br />
Abgewichen sind die Gottlosen<br />
vom Mutterleib an;<br />
vom Schoß der Mutter an gehen irrige Wege<br />
die Lügner.<br />
Gift ist in ihnen wie Schlangengift,<br />
wie Gift einer tauben Natter,<br />
die verschließt ihre Ohren.<br />
Nicht will sie vernehmen<br />
des Zauberers Stimme,<br />
des Schlangenbeschwörers, der kundig<br />
starker Beschwörung.<br />
Brich ihnen aus, o Gott, die Zähne im Mund,<br />
Herr, das Gebiss zerschlage den Löwen.<br />
Sie sollen vergehen wie Wasser,<br />
die sich verlaufen,<br />
verwelken wie Gras, das zertreten wird.<br />
Sie sollen vergehen, wie die Schnecke vergeht,<br />
wie einer Frau Fehlgeburt,<br />
die niemals Sonne erblickt.<br />
Eh noch am Dornenfeuer ihre Töpfe<br />
warm werden,<br />
ja, solange grün noch der Dorn,<br />
fege ihn der Glutwind hinweg.<br />
Es freut sich der Gerechte,<br />
wenn Vergeltung er schaut,<br />
seine Füße wird er baden im Blut<br />
des Frevlers.<br />
Und die Menschen werden dann sagen:<br />
Wahrlich, dem Gerechten wird doch<br />
sein Lohn;<br />
wahrlich, es ist ein Gott,<br />
der richtet auf Erden.<br />
Psalm 59<br />
Dem Chormeister, nach der Weise »Vertilge nicht«;<br />
ein Lied von David, als Saul aussandte und sein Haus<br />
bewachen ließ, um ihn zu töten.<br />
Rette mich vor meinen Feinden,<br />
mein Gott,<br />
beschütze mich vor denen,<br />
die gegen mich aufstehn.<br />
Rette mich aus den Händen der Frevler;<br />
von den Männern, die Bluttat verüben,<br />
befreie mich.<br />
Siehe, sie trachten mir nach dem Leben,<br />
es verschwören sich Mächtige gegen mich.<br />
Kein Vergehen ist in mir,<br />
o Herr, keine Sünde.<br />
Schuldlos bin ich, sie aber stürmen vor und<br />
greifen mich an.<br />
Wach auf, geh mir entgegen und sieh;<br />
denn du, Herr der himmlischen Heere,<br />
du bist Israels Gott.<br />
Wach auf und züchtige all die Heiden;<br />
Ps 0,00–0,00<br />
114
Zweites Buch<br />
die Treulosen, verschone sie nicht.<br />
Abend für Abend kehren sie wieder<br />
und heulen wie Hunde und durchstreifen<br />
die Stadt.<br />
Siehe, wie geifert ihr Mund,<br />
auf ihren Lefzen ist Schmähung;<br />
Wer soll uns hören?<br />
Du aber, Herr, du lachst über sie,<br />
all die Völker sind dir zum Spott.<br />
Du, meine Stärke, auf dich will ich schauen,<br />
denn du, o Gott, du bist meine Zuflucht,<br />
du, mein Gott, mein Erbarmer!<br />
Es komme mir Gott zu Hilfe,<br />
er lasse mich frohlocken<br />
über all meine Feinde.<br />
Töte sie nicht,<br />
damit es mein Volk nicht vergisst.<br />
In deiner Macht verwirre sie und<br />
trete sie nieder,<br />
o Herr, unser Schild!<br />
Jedes Wort ihrer Lippen<br />
ist Sünde in ihrem Mund;<br />
ihr Hochmut komme über sie, ihre Flüche,<br />
ihr Lügengerede.<br />
Verderbe sie im Grimm,<br />
verderbe sie bis zur Vernichtung!<br />
Wissen soll man: Gott regiert in Jakob<br />
bis an die Enden der Erde.<br />
Abend für Abend kehren sie wieder<br />
und heulen wie Hunde und durchstreifen<br />
die Stadt.<br />
Sie schweifen umher und suchen zu fressen;<br />
und wurden sie nicht satt,<br />
so erheben sie ihr Geheul.<br />
Ich aber will singen von deiner Macht,<br />
am Morgen schon jubeln über deine<br />
Barmherzigkeit.<br />
Denn du bist mir Zuflucht geworden,<br />
eine feste Burg am Tage meiner Bedrängnis.<br />
Du, meine Stärke, auf dich will ich schauen,<br />
denn du, o Gott, du bist meine Zuflucht,<br />
du, mein Gott, mein Erbarmer.<br />
Psalm 60<br />
Dem Chormeister, nach der Weise »Lilie«; ein Zeugnis;<br />
ein Lied von David; zur Unterweisung; als er gegen die<br />
Aramäer Mesopotamiens und gegen die Aramäer von<br />
Zoba auszog und als Joab zurückkehrte, die Edomiter im<br />
Salztal schlug, zwölftausend Mann.<br />
Du hast uns verstoSSen, o Gott,<br />
unsere Reihen zerbrochen;<br />
du hast uns gezürnt,<br />
nun stelle uns wieder her!<br />
Erschüttert hast du das Land und<br />
hast es zerrissen;<br />
es wankt, o mache heil seine Risse.<br />
Hartes hast du auferlegt deinem Volk,<br />
zu trinken gabst du uns betäubenden Wein.<br />
Stelle denen, die dich fürchten,<br />
ein Zeichen auf,<br />
damit sie fliehen können vor dem Bogen.<br />
Ja, dass gerettet werden deine Geliebten,<br />
sende Hilfe mit deiner Rechten, erhöre uns!<br />
In seinem Heiligtum hat Gott einst<br />
gesprochen:<br />
Frohlockend will ich Sichem verteilen,<br />
vermessen will ich das Tal von Sukkot.<br />
Mein ist Gilead und mein ist Manasse,<br />
und Efraim ist der Schutzschild<br />
für mein Haupt,<br />
mein Zepter ist Juda.<br />
Doch Moab sei mir Schüssel zum Waschen,<br />
auf Edom setze ich meinen Schuh<br />
und triumphieren will ich über das Land<br />
der Philister!<br />
Wer bringt mich hin zu der festen Stadt?<br />
Wer wird mich geleiten nach Edom?<br />
Hast du uns nicht verstoßen, o Gott,<br />
und ziehest nicht mehr, o Gott, aus mit<br />
unseren Heeren?<br />
Schaff uns Hilfe gegen den Feind,<br />
denn der Menschen Hilfe ist nutzlos.<br />
Mit Gott werden tapfer wir streiten,<br />
und er wird niedertreten unsere Feinde.<br />
115 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Psalm 61<br />
Dem Chormeister, mit Saitenspiel; von David.<br />
Höre mein Rufen, o Gott,<br />
merke auf mein Gebet.<br />
Ich rufe zu dir vom Ende der Erde,<br />
da mir verschmachtet das Herz.<br />
Hebe mich empor auf den Felsen und<br />
schaffe mir Ruhe,<br />
meine Zuflucht bist du,<br />
ein starker Turm vor dem Feind.<br />
Dass ich doch immer wohnen dürfte<br />
in deinem Zelt,<br />
im Schatten deiner Flügel geborgen!<br />
Denn du, Gott, du hast mein Gelübde<br />
vernommen,<br />
du hast mir gegeben das Erbe,<br />
zugedacht jenen,<br />
die deinen Namen verehren.<br />
Tage um Tage verleihe dem König,<br />
und seine Jahre seien die Jahre vieler<br />
Geschlechter.<br />
Herrschen möge er ewig vor Gott;<br />
sende aus deine Huld und Treue,<br />
ihn zu behüten.<br />
So will ich deinem Namen allzeit lobsingen<br />
und alle Tage will ich erfüllen<br />
meine Gelübde.<br />
Psalm 62<br />
Dem Chormeister, nach Jedutun; ein Psalm von David.<br />
Meine Seele ruht in Gott,<br />
von ihm allein kommt mir Hilfe.<br />
Er allein ist mein Fels und mein Heil;<br />
er ist meine Burg, ich werde nicht wanken.<br />
Wie lange noch bedroht ihr alle den einen,<br />
ihn zu stürzen wie eine Wand,<br />
die sich neigt,<br />
wie eine sinkende Mauer?<br />
Wahrlich, sie wollen mich stoßen<br />
von meiner Höhe,<br />
sie, deren Freude die Lüge ist.<br />
In ihrem Munde ist Segen,<br />
im Herzen aber tragen sie Fluch.<br />
Meine Seele ruht in Gott,<br />
von ihm allein kommt mir Hilfe.<br />
Er allein ist mein Fels und mein Heil;<br />
er ist meine Burg,<br />
ich werde nicht mehr wanken.<br />
Mein Heil und meine Ehre, sie sind bei Gott;<br />
er ist der Fels meiner Kraft,<br />
ja, Gott ist mir Zuflucht.<br />
Mein Volk, zu allen Zeiten hoffe auf ihn,<br />
gießt aus vor ihm euere Herzen,<br />
denn unsere Zuflucht ist Gott.<br />
<strong>Die</strong> Menschen alle sind nur ein Hauch,<br />
trügerisch sind die Kinder der Menschen.<br />
Sie schnellen empor auf der Waage,<br />
allesamt sind sie leichter als ein Hauch.<br />
Verlasst euch nicht auf Gewalt<br />
und rühmt euch nicht des Raubes;<br />
und wachsen euere Güter,<br />
hängt euer Herz nicht daran!<br />
Eines hat Gott gesprochen,<br />
zwei Dinge sind es, die ich vernahm:<br />
Gott hat die Macht,<br />
und dein, o Herr, ist die Gnade.<br />
Du wirst einem jeden nach seinem Werk<br />
vergelten.<br />
Psalm 63<br />
Ein Psalm von David, als er in der Wüste Juda weilt.<br />
Gott, du mein Gott, gar sehnlich<br />
suche ich dich;<br />
es dürstet nach dir meine Seele.<br />
Nach dir verlangt mein Leib<br />
gleich einem dürren, lechzenden Land<br />
ohne Wasser.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
116
Zweites Buch<br />
So schaue ich aus nach dir im heiligen Zelt,<br />
deine Kraft und deine Herrlichkeit<br />
möchte ich schauen.<br />
Denn besser ist deine Güte als das Leben;<br />
meine Lippen singen dir Lob.<br />
Ich will dich rühmen mein Leben lang,<br />
in deinem Namen erhebe ich meine Hände.<br />
Wie von Fett und Mark wird satt meine Seele,<br />
und mit Lippen des Jubels<br />
lobsingt mein Mund.<br />
Auf meinem Lager denke ich an dich,<br />
in den Nachtwachen geht mein Sinnen<br />
zu dir.<br />
Fürwahr, du bist mir ein Helfer geworden,<br />
jubeln darf ich in deiner Fittiche Hut.<br />
Meine Seele hängt an dir,<br />
es hält mich fest deine Rechte.<br />
<strong>Die</strong> aber verderben wollen mein Leben,<br />
sie fahren hinab zu den Tiefen der Erde,<br />
preisgegeben des Schwertes Gewalt,<br />
den Schakalen zur Beute.<br />
Der König aber wird sich freuen in Gott,<br />
rühmen wird sich jeder,<br />
der geschworen hat auf ihn,<br />
Des Lügners Mund wird verstummen.<br />
ohne Scheu ihn jählings zu fällen.<br />
Entschlossen sind sie zum Bösen,<br />
ihm heimlich Schlingen zu legen,<br />
fassen sie ihren Plan.<br />
Sie sagen: Wer wird uns sehen?<br />
Frevel denken sie aus,<br />
verbergen schlau ihre Ränke;<br />
eines jeden Herz und Sinn ist ein Abgrund!<br />
Gott aber trifft sie mit seinen Pfeilen,<br />
jählings sind sie geschlagen mit Wunden.<br />
Untergang bereitet ihnen die eigene Zunge.<br />
Alle, die sie sehen,<br />
schütteln das Haupt über sie.<br />
Und alle sind ergriffen von Furcht<br />
und preisen das Walten des Herrn,<br />
und sie erwägen, was er getan hat.<br />
Es freut sich der Gerechte im Herrn,<br />
er findet bei ihm seine Zuflucht;<br />
alle, die redlichen Herzens sind,<br />
dürfen sich rühmen.<br />
Psalm 65<br />
Dem Chormeister; ein Psalm von David, ein Lied.<br />
Psalm 64<br />
Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />
Höre, o Gott, meine Stimme,<br />
ich klage vor dir;<br />
vor dem Schrecken des Feindes<br />
bewahre mein Leben!<br />
Schütze mich vor der Rotte der Bösen,<br />
vor dem Toben der Frevler.<br />
Sie wetzen ihre Zunge gleich einem Schwert,<br />
gleich giftigen Pfeilen schnellen sie ab<br />
ihre Rede,<br />
um den Schuldlosen zu treffen<br />
aus ihrem Versteck,<br />
Dir, o Gott, gebührt Lobpreis in Zion;<br />
dir erfüllt man die Gelübde.<br />
Der du erhörst die Bitten,<br />
schuldbeladen kommt zu dir alles Fleisch.<br />
Unsere Missetaten drücken uns nieder,<br />
du aber nimmst sie hinweg.<br />
Selig, wen du erwählst und aufnimmst,<br />
dass er wohne in deinen Hallen.<br />
An deines Hauses Gütern werden wir satt,<br />
an der Heiligkeit deines Tempels.<br />
In deiner Gerechtigkeit erhörst du uns,<br />
o Gott, unser Helfer,<br />
durch furchtbar erhabene Zeichen.<br />
Du Hoffnung aller Enden der Erde,<br />
du Hoffnung der fernsten Gestade.<br />
Der du sicher gründest die Berge<br />
117 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
in deiner Kraft,<br />
der du dich gürtest mit Macht;<br />
der du stillst das Rauschen des Meeres,<br />
das Rauschen seiner Fluten<br />
und das Toben der Völker.<br />
Vor Zeichen erschauern,<br />
die wohnen an den Enden der Erde,<br />
die Lande im Aufgang und Niedergang<br />
erfüllst du mit Jubel.<br />
Aufgesucht hast du die Erde<br />
und hast sie getränkt,<br />
du hast ihr verliehen die Fülle des Segens.<br />
Des Wassers voll ist der Gottesbach,<br />
wohl geraten ließest du ihnen das Korn;<br />
so hast du bereitet die Erde.<br />
Ihre Furchen hast du getränkt,<br />
ihre Schollen geebnet;<br />
Du hast sie aufgetan durch den Regen<br />
und hast gesegnet die sprossende Saat.<br />
Du krönst das Jahr mit dem Kranz<br />
deiner Güte,<br />
fruchtbare Fülle quillt,<br />
wo wandelt dein Fuß.<br />
Es prangen die Auen der Steppe,<br />
es gürten sich die Hügel mit Jauchzen.<br />
<strong>Die</strong> Anger bekleiden sich mit Herden,<br />
die Täler wogen von Korn,<br />
und alle jauchzen dir zu und singen.<br />
Psalm 66<br />
Dem Chormeister; ein Lied, ein Psalm.<br />
Frohlockt dem Herrn,<br />
alle Lande,<br />
singt den Ruhm seines Namens,<br />
hehren Lobgesang bringt ihm dar!<br />
Sprecht zu Gott:<br />
Wie wunderbar sind deine Werke!<br />
Deiner gewaltigen Kraft müssen die Feinde<br />
sich beugen.<br />
Alle Erde bete dich an und singe dein Lob,<br />
deinen Namen soll sie besingen.<br />
Kommt und schaut die Taten des Herrn;<br />
wunderbar, was er vollbrachte<br />
unter den Menschen.<br />
Er hat gewandelt das Meer in trockenes Land,<br />
ihre Füße durchschritten die Flut,<br />
darum wollen wir seiner uns freuen.<br />
In seiner Allmacht regiert er auf ewig,<br />
seine Augen achten der Völker,<br />
dass die Empörer sich nicht überheben.<br />
Preist unsern Gott, ihr Völker der Heiden,<br />
laut verkündet sein Lob!<br />
Der unserer Seele Leben verlieh,<br />
nicht wanken ließ unsere Füße.<br />
Wohl hast du, Gott, uns geprüft,<br />
uns geläutert im Feuer,<br />
wie man läutert das Silber.<br />
Du hast uns geführt in das Fangnetz,<br />
drückende Last gelegt an unsere Hüften.<br />
Menschen ließest du schreiten<br />
über unsere Häupter,<br />
wir mussten gehen<br />
durch Feuer und Wasser;<br />
nun aber hast du unsere Bande gelöst.<br />
Mit Brandopfern tret ich ein in dein Haus,<br />
ich will dir entrichten, was ich gelobte,<br />
wie es auf die Lippen mir kam,<br />
wie mein Mund es versprach in der Trübsal.<br />
Opfer von fetten Schafen weihe ich dir mit<br />
dem Mark der Widder,<br />
Rinder und Böcke bringe ich dar.<br />
Alle, die ihr Gott fürchtet, kommt herbei,<br />
hört, und ich will euch erzählen,<br />
was er Großes meiner Seele getan.<br />
Noch rief ich mit meinem Mund zu ihm,<br />
da durfte ihn meine Zunge schon preisen.<br />
Hätte ich im Herzen getragen ein Unrecht,<br />
nicht hätte der Herr mich erhört.<br />
Gott aber hat mich erhört,<br />
er hat geachtet auf mein flehendes Rufen.<br />
Gepriesen sei Gott,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
118
Zweites Buch<br />
der nicht verschmähte mein Flehen,<br />
der nicht abgewendet von mir<br />
sein Erbarmen.<br />
Psalm 67<br />
Dem Chormeister; mit Saitenspiel, ein Psalm, ein Lied.<br />
Gott sei uns gnädig, er segne uns,<br />
er lasse uns leuchten sein Angesicht,<br />
dass wir seinen Weg erkennen auf Erden,<br />
bei allen Völkern sein Heil.<br />
Dich sollen preisen, o Gott, die Völker,<br />
alle Völker sollen dich preisen.<br />
Freuen sollen sich alle Stämme und jubeln,<br />
denn du regierst die Völker nach Recht.<br />
Du lenkst alle Stämme auf Erden.<br />
Dich sollen preisen, o Gott, die Völker,<br />
alle Völker sollen dich preisen.<br />
<strong>Die</strong> Erde gab ihre Frucht:<br />
Der Herr, unser Gott, er hat uns gesegnet.<br />
Gott gebe uns seinen Segen,<br />
und fürchten sollen ihn alle Enden der Erde.<br />
Psalm 68<br />
Dem Chormeister; ein Psalm von David.<br />
Gott erhebt sich, seine Feinde<br />
müssen zerstieben;<br />
es fliehen vor seinem Angesicht,<br />
die ihn hassen.<br />
Sie müssen verwehen, wie Rauch verweht;<br />
wie Wachs zerfließt vor dem Feuer,<br />
so schwinden dahin vor Gottes Angesicht<br />
die Sünder.<br />
<strong>Die</strong> Gerechten aber dürfen sich freuen,<br />
sie jubeln vor dem Angesicht Gottes,<br />
sie jauchzen in Wonne.<br />
Singt dem Herrn, lobsingt seinem Namen,<br />
schafft ihm Bahn, der auf den Wolken<br />
dahinfährt,<br />
sein Name ist Herr, frohlocket vor ihm!<br />
Ein Vater der Waisen,<br />
ein Beschützer der Witwen,<br />
dies ist Gott in seiner Wohnung.<br />
Gott schafft den Heimatlosen ein Heim,<br />
die Gefangenen führt er heraus<br />
in die Freiheit,<br />
im dürren Land verbleiben nur die<br />
Empörer.<br />
O Gott, als du zogst deinem Volke voraus,<br />
als du schrittst dahin die Wüste:<br />
Da erbebte die Erde,<br />
vor Gottes Angesicht zerflossen die Himmel,<br />
vor Gott, dem Gott Israels, erbebte der Sinai.<br />
Deinem Erbe, Gott,<br />
gabst du reichlichen Regen;<br />
da es entkräftet war, gabst du ihm Kraft.<br />
Hier gabst du deiner Herde die Heimat,<br />
in deiner Güte hast du, o Gott,<br />
sie bereitet den Armen.<br />
Ein Wort ging aus von dem Herrn;<br />
viele waren der Botinnen, die kündeten froh:<br />
<strong>Die</strong> Heerkönige fliehen, sie fliehen!<br />
<strong>Die</strong> Söhne des Hauses verteilen die Beute!<br />
Als ihr hingelagert wart bei eueren Herden.<br />
da glänzten silbern die Flügel der Taube,<br />
ihre Schwingen von rötlichem Gold.<br />
Dort war es, als der Allmächtige die Fürsten<br />
zerstreute,<br />
an jenem Tage fiel Schnee auf dem Zalmon.<br />
Gar hohe Berge sind die Berge von Baschan,<br />
voll hoher Gipfel die Berge von Baschan.<br />
Was blickt ihr neidisch, ihr Gipfel der Berge,<br />
neidisch gegen den Berg,<br />
den Gott sich zur Wohnung erkor?<br />
Ja, wohnen wird der Herr auf jenem Berge<br />
für immer.<br />
Zahllos sind die Wagen Gottes,<br />
tausend und tausend,<br />
also zieht vom Sinai der Herr<br />
119 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
in das Heiligtum.<br />
Emporgestiegen bist du zur Höhe,<br />
deine Gefangenen führst du mit;<br />
du nahmst Gaben von Menschen entgegen,<br />
auch von Empörern,<br />
um dort zu wohnen, Herr, als Gott.<br />
Gepriesen sei der Herr an jedem Tag!<br />
Er trägt unsere Lasten, Gott, unser Heil.<br />
Ein Gott des Heils ist unser Gott,<br />
ja, Gott, der Herr, lässt dem Tod entrinnen.<br />
Wahrlich, Gott zerschmettert seinen Feinden<br />
das Haupt,<br />
den haarigen Scheitel denen,<br />
die einhergehen in Sünden.<br />
Es sprach der Herr:<br />
Ich hole sie herunter von Baschan,<br />
ich hole sie aus der Tiefe des Meeres,<br />
dass deinen Fuß du badest in ihrem Blut,<br />
dass deine Hunde noch lecken ihren Teil<br />
von den Feinden.<br />
Wir schauen, o Gott, deinen Einzug,<br />
den Einzug meines Gottes und Königs<br />
in die heilige Stätte.<br />
Voraus die Sänger,<br />
Saitenspieler folgen hernach,<br />
inmitten der Jungfrauen,<br />
die schlagen die Pauke.<br />
In festlichen Chören preisen sie Gott,<br />
den Herrn von Israels Quelle her.<br />
Da ist Benjamin, der Jüngste,<br />
er schreitet voran,<br />
da sind mit ihren Scharen<br />
die Fürsten von Juda,<br />
die Fürsten von Sebulon,<br />
die Fürsten von Naftali.<br />
Gott, biete auf deine Macht,<br />
deine Macht, Gott, der du wirkst für uns;<br />
von deinem Tempel aus über Jerusalem,<br />
wohin Könige dir Gaben bringen.<br />
Deine Macht erweise am Tier des Schilfes,<br />
an der Rotte der Starken und an den<br />
Herrschern der Völker!<br />
Tritt nieder, die Wohlgefallen haben<br />
an Silber!<br />
Zerstreue die Völker, die sich freuen<br />
am Krieg!<br />
Man bringe Geräte aus Erz aus Ägypten,<br />
Kusch soll seine Hände erheben zu Gott.<br />
Ihr Reiche der Erde, lobsingt Gott,<br />
singt und spielt für den Herrn,<br />
der über die Himmel dahinfährt,<br />
die Himmel, die ewig alten.<br />
Hört, er lässt seine Stimme erschallen,<br />
seine gewaltige Stimme.<br />
Erkennt an Gottes Macht!<br />
Seine Hoheit erstrahlt über Israel,<br />
hoch in den Wolken erstrahlt seine Macht.<br />
Furchtbar ist Gott an seinen heiligen Stätten,<br />
Israels Gott,<br />
er verleiht seinem Volk Stärke und Macht.<br />
Gott sei gepriesen!<br />
Psalm 69<br />
Dem Chormeister nach der Weise »Lilien«; von David.<br />
Rette mich, Gott,<br />
die Wasser reichen mir bis an die Kehle.<br />
Eingesunken bin ich in tiefem Schlamm,<br />
es findet mein Fuß keinen Grund.<br />
Ich kam in die Tiefen der Wasser,<br />
die Fluten strömen hinweg über mich.<br />
Müde bin ich geworden vom Rufen,<br />
meine Kehle ist heiser.<br />
Mir ermatten die Augen,<br />
da ich muss warten auf meinen Gott.<br />
Mehr sind als Haare auf meinem Haupt,<br />
die grundlos mich hassen.<br />
Und die mich befehden zu Unrecht,<br />
stärker sind sie als meine Glieder;<br />
soll ich zahlen, was ich nicht raubte?<br />
Gott, du kennst meine Torheit,<br />
und meine Vergehen sind nicht<br />
Ps 0,00–0,00<br />
120
Zweites Buch<br />
verborgen vor dir.<br />
An mir sollen zuschanden nicht werden,<br />
die auf dich hoffen,<br />
o Herr, du Herr der himmlischen Heere.<br />
Nicht seien an mir beschämt,<br />
die dich suchen, Gott Israels.<br />
Denn um deinetwillen ertrag ich<br />
Beschimpfung,<br />
Schamröte bedeckt mein Angesicht.<br />
Entfremdet bin ich meinen Brüdern,<br />
den Söhnen meiner Mutter ein Fremdling.<br />
Denn der Eifer um dein Haus,<br />
er hat mich verzehrt;<br />
und wenn sie dich schmähten,<br />
fiel die Schmach über mich.<br />
Durch Fasten habe ich niedergebeugt<br />
meine Seele,<br />
und auch dies wurde mir gewandelt<br />
in Schmach.<br />
Ich nahm zum Kleid ein härenes Gewand,<br />
und zum Spott bin ich ihnen geworden.<br />
Es reden gegen mich, die sitzen am Tore,<br />
beim Weingelage singen sie Lieder auf mich.<br />
Ich aber richte zu dir, o Herr, mein Gebet,<br />
zur Zeit der Gnade, o Gott.<br />
Nach deiner großen Güte erhöre mich,<br />
hilf mir in deiner Treue.<br />
Entreiße mich dem Schlamm<br />
und lass mich nicht sinken,<br />
von denen, die mir übel wollen,<br />
befreie mich,<br />
rette mich aus den Tiefen der Wasser:<br />
Dass mich nicht überströmen die Fluten,<br />
die Tiefe mich nicht begrabe,<br />
dass den Rachen nicht über mir schließe<br />
der Abgrund.<br />
Erhöre mich, Herr,<br />
denn deine Gnade ist mild,<br />
aus der Fülle deines Erbarmens<br />
blicke mich an.<br />
Verbirg nicht dein Angesicht<br />
vor deinem Knecht,<br />
bedrängt bin ich, erhöre mich bald.<br />
Nahe dich meiner Seele, erlöse sie,<br />
meiner Feinde zum Trotz errette mich.<br />
Du kennst meine Schmach,<br />
meine Verwirrung und Schande,<br />
vor deinen Augen stehen alle,<br />
die mich bedrängen.<br />
Das Herz ist mir gebrochen vor Schmach,<br />
ich bin am Erlöschen.<br />
Ich harrte, ob einer Mitleid habe,<br />
doch es war keiner;<br />
ob einer mich tröste,<br />
doch es war keiner zu finden.<br />
Sie gaben mir Galle unter die Speise,<br />
in meinem Durst Essig zum Trank.<br />
So möge ihr Tisch<br />
ihnen werden zur Schlinge,<br />
und ihren Freunden zum Fallstrick.<br />
Verdunkelt seien ihre Augen,<br />
dass sie nicht sehen,<br />
kraftlos ihre Hüften für immer.<br />
Gieße aus über sie deinen Grimm,<br />
die Glut deines Zornes erfasse sie.<br />
Ihre Wohnstatt möge veröden,<br />
keiner mehr soll wohnen in ihren Zelten.<br />
Weil sie verfolgen, den du selber geschlagen;<br />
den du verwundet,<br />
sie mehren seinen Schmerz.<br />
Häufe ihnen noch Schuld auf Schuld,<br />
nicht sollen sie gelten bei dir als Gerechte.<br />
Ausgelöscht sollen sie sein<br />
aus dem Buch der Lebenden;<br />
nicht eingeschrieben mit den Gerechten.<br />
Elend bin ich und voll der Schmerzen;<br />
Gott, deine Hilfe beschütze mich.<br />
Den Namen Gottes will ich preisen im Lied,<br />
in festlichem Dank will ich ihn rühmen.<br />
Mehr als der Opferstier<br />
findet dies Gefallen vor Gott,<br />
mehr als Jungstiere<br />
mit Hörnern und Klauen.<br />
Schaut her, ihr Bedrückten, und werdet froh;<br />
121 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
die ihr Gott sucht, es lebe auf euer Herz.<br />
Denn es hört der Herr auf die Armen,<br />
seine Gefangenen achtet er nicht gering.<br />
Loben sollen ihn Himmel und Erde,<br />
das Meer und was sich regt in ihm.<br />
Denn Gott wird Zion erretten,<br />
neu erbauen wird er die Städte von Juda,<br />
und sie werden wohnen dort<br />
und besitzen das Land.<br />
Und die Söhne seiner Knechte<br />
werden es erben;<br />
und die seinen Namen lieben,<br />
sie wohnen darin.<br />
Psalm 70<br />
Dem Chormeister; von David, zum Gedächtnisopfer.<br />
O Gott, mich zu retten,<br />
eile, Herr, mir zu helfen.<br />
Zuschanden sollen werden und erröten<br />
in Schmach,<br />
die nach dem Leben mir trachten.<br />
Von Scham befallen, sollen sie weichen,<br />
die sich freuen an meinem Unglück.<br />
Sie sollen weichen, beladen mit Schande,<br />
die mich höhnen: So ist es recht.<br />
Doch jubeln sollen und deiner sich freuen<br />
alle, die treulich dich suchen.<br />
Und immer sollen sagen: Gott sei gepriesen!<br />
alle, die ersehnen dein Heil.<br />
Ich aber, elend bin ich und arm,<br />
eile, o Gott, mir zu helfen!<br />
Du bist mein Helfer und mein Befreier,<br />
säume nicht länger, o Herr!<br />
Psalm 71<br />
O Herr, ich flüchte zu dir,<br />
lass mich in Ewigkeit nicht zuschanden<br />
werden.<br />
In deiner Gerechtigkeit rette mich<br />
und mache mich frei,<br />
neige dein Ohr mir zu<br />
und komm mir zu Hilfe.<br />
Sei mir ein Felsen der Zuflucht,<br />
eine feste Burg, mich zu retten;<br />
wahrlich, du bist mein Fels, meine Burg.<br />
Mein Gott,<br />
der Hand des Bösen entreiße mich,<br />
der Faust des Sünders und des Bedrückers!<br />
Denn du, o Gott, du bist meine Zuversicht,<br />
du, Herr, meine Hoffnung von Jugend auf.<br />
Ich habe mich gehalten an dich vom<br />
Mutterleib an,<br />
vom Mutterleib an bist du mein Beschützer,<br />
auf dich habe ich allzeit vertraut.<br />
Ein Wunder bin ich geworden für viele,<br />
denn mein starker Helfer bist du.<br />
Mein Mund war voll deines Lobes,<br />
voll deines Ruhmes den ganzen Tag.<br />
Verwirf mich nicht in den Tagen des Alters;<br />
wenn meine Kräfte schwinden,<br />
verlass mich nicht.<br />
Reden doch über mich meine Feinde,<br />
belauern mich und halten gemeinsam Rat.<br />
Sie sagen:<br />
Verlassen hat ihn der Herr;<br />
so verfolgt ihn und greift ihn;<br />
ist doch niemand, der ihn wollte erretten.<br />
Gott, o bleib mir nicht fern;<br />
eile, mein Gott, mir zu helfen.<br />
<strong>Die</strong> mich befehden, zuschanden sollen sie<br />
werden und sollen vergehen,<br />
die mein Unheil wollen, sie seien bedeckt<br />
mit Schande und Schmach.<br />
Ich aber, allezeit will ich hoffen,<br />
und alle Tage will ich mehren dein Lob.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
122
Zweites Buch<br />
Mein Mund soll künden deine Gerechtigkeit,<br />
den ganzen Tag von deiner Hilfe;<br />
kenne ich doch wahrlich nicht mehr<br />
ihr Maß.<br />
Künden will ich von Gottes Macht,<br />
Herr, dein gerechtes Walten allein will ich<br />
preisen.<br />
O Gott, du hast mich gelehrt von Jugend auf,<br />
von deinen Wundern erzähl ich noch heute.<br />
Und bis ins Alter, ins hohe Alter,<br />
Gott, verlasse mich nicht;<br />
dass ich künde diesem Geschlecht die Kraft<br />
deines Armes<br />
und allen Kommenden deine Stärke.<br />
Und deine Gerechtigkeit, o Gott,<br />
die reicht bis zum Himmel,<br />
in der du große Dinge getan hast;<br />
wer, o Gott, ist wie du!<br />
Viele und harte Mühsal hast du mir auferlegt,<br />
doch wirst du mich wieder beleben<br />
und hebst mich empor<br />
aus den Tiefen der Erde.<br />
Bring mich wieder zu Ehren,<br />
und aufs Neue lass mich getröstet sein.<br />
Und deine Treue will ich preisen<br />
mit Saitenklang,<br />
Heiliger Israels,<br />
auf der Harfe will ich dir spielen.<br />
Frohlocken sollen meine Lippen,<br />
da ich dir singe,<br />
und es jubelt meine Seele,<br />
denn du hast sie erlöst.<br />
Den ganzen Tag soll meine Zunge<br />
deine Gerechtigkeit preisen;<br />
denn die mein Verderben wollen,<br />
Schande hat sie getroffen und Schmach.<br />
123 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Psalm 72<br />
Von Salomo.<br />
O Gott, gib dein Gericht dem König,<br />
dem Königssohn übergib deine Rechte.<br />
Er regiere dein Volk in Gerechtigkeit,<br />
nach gleichem Recht deine Armen.<br />
Dann tragen die Berge Frieden dem Volk,<br />
Gerechtigkeit tragen die Hügel.<br />
Schützen wird er die Bedrückten des Volkes,<br />
er hilft den Kindern der Armen,<br />
doch den Bedrücker wird er zermalmen.<br />
Leben wird er durch alle Geschlechter,<br />
solange die Sonne scheint und leuchtet der Mond.<br />
Er komme hernieder wie Regen auf die Gefilde,<br />
wie strömender Regen, der tränkt die Erde.<br />
In seinen Tagen erblüht Gerechtigkeit,<br />
die Fülle des Friedens, bis vergangen der Mond.<br />
Und herrschen wird er von Meer zu Meer,<br />
vom großen Strom bis an die Enden der Erde.<br />
Seine Feinde sinken nieder vor ihm, seine Gegner küssen den Staub.<br />
Könige von Tarschisch und von den Inseln bringen Geschenke,<br />
Könige von Saba und Seba kommen mit Gaben.<br />
Alle Könige der Erde beten ihn an, alle Völker müssen ihm dienen.<br />
Erlösen wird er den Armen, der zu ihm aufschreit,<br />
den Verlassenen, dessen sich keiner erbarmt.<br />
Der Geringen und Schwachen nimmt er sich an, er rettet das Leben der Armen.<br />
Von Gewalt und Unrecht macht er sie frei, ihr Blut ist kostbar in seinen Augen.<br />
Ja, er wird leben! Und sie weihen ihm Sabas Gold,<br />
Gebete weihen sie ihm und preisen ihn ohne Ende.<br />
Im Land wird Korn sein im Überfluss;<br />
wie der Libanon rauscht die Frucht bis auf die Höhen der Berge,<br />
wie die Gräser der Flur werden sprießen die Bewohner der Städte.<br />
Für alle Zeiten wird sein Name gesegnet;<br />
dauern wird sein Name, solange leuchtet die Sonne.<br />
Gesegnet werden in ihm alle Stämme der Erde,<br />
die Völker alle preisen ihn selig.<br />
Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, der allein Wunder vollbringt.<br />
Auf ewig sei gepriesen sein erhabener Name,<br />
die ganze Erde sei voll seiner Herrlichkeit!<br />
Amen, amen, so sei es!<br />
Zu Ende sind die Gebete Davids, des Sohnes Isais.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
124
Drittes Buch<br />
Psalm 73<br />
Ein Psalm von Asaf.<br />
Wie gütig ist Gott zu<br />
den Redlichen,<br />
der Herr zu allen,<br />
die lauteren Herzens sind.<br />
Und doch wären fast meine Füße gestrauchelt,<br />
ausgeglitten wären fast meine Schritte.<br />
Denn Neid erfasste mich gegen die Frevler,<br />
als ich sah,<br />
wie wohl es den Sündern ging.<br />
Wahrlich, sie kennen doch keine Plage,<br />
ihr Leib ist gesund und voll Kraft.<br />
Nichts verspüren sie<br />
von den Nöten der Sterblichen,<br />
und die Pein der andern<br />
kennen sie nicht.<br />
Darum umschließt sie der Hochmut<br />
wie eine Kette den Hals,<br />
und wie ein Kleid bedeckt sie Gewalttat.<br />
Aus sattem Herzen kommt herauf ihre Bosheit,<br />
ihr trügerischer Sinn bricht hervor.<br />
Sie treiben Spott und was sie reden, ist böse,<br />
von oben herab drohen sie mit Gewalt.<br />
125 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Gar an den Himmel wagt sich ihr<br />
Lästermaul,<br />
und frech ergeht sich ihre Zunge auf Erden.<br />
Und mein Volk, es läuft ihnen nach,<br />
gierig schlürfen sie wie Wasser ihre Worte.<br />
Sie sagen: Wie sollte Gott davon wissen?<br />
Wie sollte Kenntnis haben der Höchste?<br />
Siehe, so sind die Sünder,<br />
sie mehren ihre Macht<br />
und leben allzeit in Ruhe.<br />
Dass ich rein bewahrte mein Herz,<br />
war es also vergebens?<br />
Vergebens, dass ich meine Hände<br />
gewaschen in Unschuld?<br />
Liegt doch allzeit die Geißel auf mir,<br />
jeden Morgen von neuem die Plage.<br />
Wollte ich denken: Ich will reden wie sie,<br />
verleugnet hätte ich das Geschlecht<br />
deiner Söhne.<br />
Also sann ich, dies zu ergründen,<br />
doch allzu mühevoll war es für mich,<br />
bis ich eintrat in Gottes hehres Geheimnis<br />
und verstand, auf ihr Ende zu achten.<br />
Wahrlich, du stellst sie<br />
auf schlüpfrigen Boden,<br />
du stürzst sie ins Verderben.<br />
Wie brachen sie jählings zusammen,<br />
sie kamen um, dahingerafft von Entsetzen!<br />
Wie der Erwachende verscheucht<br />
ein Traumbild,<br />
so weist du von dir ihren Schatten,<br />
wenn du aufstehst, o Herr, zum Gericht.<br />
Als erbittert mein Geist war,<br />
als mein Herz war verwundet,<br />
da war ich ein Tor und bar aller Einsicht;<br />
wie das Vieh, so war ich vor dir.<br />
Nun aber bleibe ich immer bei dir.<br />
du hast mich ergriffen an meiner Rechten.<br />
Nach deinem Ratschluss wirst du mich leiten,<br />
und endlich nimmst du mich auf<br />
in die Herrlichkeit.<br />
Was hätte ich im Himmel als dich?<br />
Und bin ich bei dir,<br />
was hätte ich Freude auf Erden?<br />
Mein Geist und mein Leib, sie verzehren sich,<br />
Gott ist mein Fels, mein Anteil auf ewig,<br />
Siehe, es gehen zugrunde,<br />
die sich scheiden von dir;<br />
die dich treulos verlassen,<br />
du vernichtest sie alle.<br />
Mir aber ist es Wonne, bei Gott zu sein.<br />
Meine Zuflucht zu finden bei Gott,<br />
meinem Herrn.<br />
Und künden will ich all deine Werke.<br />
Psalm 74<br />
Ein Weisheitslied von Asaf.<br />
Warum hast du, o Gott,<br />
uns verworfen auf immer?<br />
Warum lodert dein Zorn<br />
gegen die Schafe deiner Weide?<br />
Gedenke deiner Gemeinde,<br />
die du erworben von alters her,<br />
des Volkes, zum Eigentum dir erkauft;<br />
des Zion gedenke,<br />
den du erkoren zu deiner Wohnung.<br />
Zu den ewigen Ruinen<br />
lenke hin deine Schritte,<br />
im Heiligtum hat alles verwüstet der Feind.<br />
Am Ort der Versammlung erhoben deine<br />
Gegner wüstes Geschrei,<br />
ihre Zeichen pflanzten sie auf,<br />
zu künden den Sieg.<br />
Wie jene, die im Dickicht schwingen das Beil,<br />
so zerschlugen sie mit Axt und Hammer<br />
die Tore.<br />
An dein Heiligtum legten sie Feuer,<br />
bis auf den Grund entweihten sie das Zelt<br />
deines Namens.<br />
Sie sprachen bei sich:<br />
Wir vernichten sie alle!,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
126
Drittes Buch<br />
brennt sie nieder, die Stätten ihres Gottes<br />
im Land!<br />
Nicht mehr sehen wir unsere Zeichen,<br />
nicht mehr ist uns gesandt ein Prophet,<br />
keiner ist unter uns, der wüsste:<br />
Wie lang!<br />
Wie lange noch, o Gott,<br />
darf höhnen der Feind?<br />
Der Widersacher,<br />
soll er deinen Namen lästern auf immer?<br />
Warum ziehst du zurück deine Hand,<br />
hältst deine Rechte verborgen bei dir?<br />
Dennoch, Gott ist mein König von Anbeginn,<br />
Rettung wirkt er mitten auf Erden.<br />
Du hast machtvoll gespalten das Meer,<br />
in den Wassern hast du zermalmt<br />
die Häupter der Drachen.<br />
Du hast dem Leviatan<br />
zerschmettert das Haupt,<br />
ihn zum Fraß gegeben den Ungeheuern<br />
des Meeres.<br />
Du riefst hervor die Quellen und Bäche,<br />
du machtest versiegen uralte Ströme.<br />
Dein ist der Tag und dein ist die Nacht,<br />
du hast hingestellt den Mond und die Sonne.<br />
Du bist es, der bestimmte die Grenzen<br />
der Erde,<br />
Sommer und Winter, du hast sie gebildet.<br />
Gedenke, Herr, wie der Feind dich geschmäht,<br />
dich verhöhnt,<br />
ein törichtes Volk<br />
hat deinen Namen gelästert.<br />
Übergib nicht dem Geier<br />
das Leben deiner Taube,<br />
das Leben deiner Armen<br />
vergiss nicht auf immer.<br />
Auf deinen Bund, o Herr, blicke hin:<br />
denn siehe, in deinem Land sind Winkel<br />
und Plätze voller Gewalttat.<br />
Nicht ziehe der Bedrückte<br />
mit Schande von dannen,<br />
preisen soll deinen Namen<br />
der Arme und Schwache.<br />
Steh auf, o Gott, führe du deine Sache,<br />
gedenke der Schmach,<br />
die täglich dir bereitet der Tor.<br />
Vergiss nicht das Geschrei deiner Feinde,<br />
Deiner Widersacher Empörung<br />
brandet ständig empor.<br />
Psalm 75<br />
Dem Chormeister, nach der Weise »Vertilge nicht«;<br />
ein Psalm von Asaf, ein Lied.<br />
Wir preisen dich, Herr,<br />
wir preisen dich!<br />
Wir rühmen deinen Namen<br />
und künden all deine Wunder.<br />
Wenn die Zeit ich bestimme,<br />
ich werde dann richten nach Recht.<br />
Mag die Erde auch wanken mit allen,<br />
die sie bewohnen,<br />
ich halte fest ihre Säulen.<br />
Den Prahlenden sage ich:<br />
Lasst euer Prahlen!<br />
Den Gottlosen:<br />
Erhebt nicht zu hoch euer Horn!<br />
Euer Horn erhebt nicht gegen den Höchsten,<br />
redet nicht vermessen gegen den Herrn.<br />
Denn nicht vom Aufgang<br />
und nicht vom Niedergang,<br />
nicht von der Wüste<br />
und nicht von den Bergen:<br />
Nein, das Gericht kommt von Gott!<br />
<strong>Die</strong>sen erniedrigt er, jenen hebt er empor.<br />
Denn in der Hand des Herrn ist ein Becher,<br />
schäumend von Wein,<br />
gefüllt mit betäubendem Wein.<br />
Er reicht ihn dar und es müssen ihn trinken,<br />
ja schlürfen bis zur Hefe<br />
alle Sünder der Erde.<br />
Ich aber – frohlocken darf ich auf ewig,<br />
127 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Jakobs Gott darf ich singen.<br />
Und alle Macht der Sünder will ich zerschlagen,<br />
doch erheben soll sich die Macht<br />
der Gerechten.<br />
Psalm 76<br />
Dem Chormeister, mit Saitenspiel;<br />
ein Psalm von Asaf, ein Lied.<br />
Kund geworden ist Gott in Juda,<br />
groß ist sein Name in Israel.<br />
In Salem ist sein Zelt,<br />
seine Wohnung auf Zion.<br />
Dort zerbrach er die Blitze des Bogens,<br />
Schild und Schwerter und den Krieg.<br />
Gewaltiger, du kamst, strahlend im Licht,<br />
du kamst herab von den ewigen Bergen.<br />
<strong>Die</strong> stolzen Herzen,<br />
sie wurden selber zur Beute,<br />
nun schlafen sie ihren Schlaf;<br />
all der Krieger Arme mussten ermatten.<br />
Gott Jakobs, vor deinem drohenden Ruf<br />
erstarren mussten Rosse und Wagen.<br />
Furchtbar bist du, wer wollte vor dir bestehn,<br />
vor deines Zornes Gewalt?<br />
Vom Himmel her machtest du kund<br />
den Spruch des Gerichtes,<br />
die Erde erschrak und war still,<br />
als Gott sich erhob zum Gericht,<br />
um Heil zu bringen allen Armen der Erde.<br />
Denn verherrlichen wird dich<br />
der Menschen Wut,<br />
der Rest der Zornesgluten wird dich feiern.<br />
Weiht Gelübde dem Herrn, euerem Gott,<br />
und löst sie ein;<br />
ihr alle ringsum,<br />
dem Furchtgebietenden bringt Gaben herbei.<br />
Ihm, der den Geist der Fürsten zerbricht,<br />
der furchtbar sich zeigt den Herrschern<br />
der Erde.<br />
Psalm 77<br />
Dem Chormeister, nach Jedutun; von Asaf; ein Psalm.<br />
Meine Stimme steigt auf zu Gott<br />
und ich schreie;<br />
meine Stimme erhebt sich zu Gott,<br />
auf dass er mich höre.<br />
Ich suche den Herrn am Tag meiner Drangsal;<br />
Unauf hörlich erheb ich in der Nacht<br />
zu ihm meine Hände,<br />
meine Seele verweigert den Trost.<br />
Ich denke an Gott und ich seufze;<br />
ich sinne nach über ihn<br />
und es verschmachtet mein Geist.<br />
<strong>Die</strong> Augenlider hältst du mir wach,<br />
ruhelos bin ich<br />
und ich weiß nicht zu reden.<br />
Gedenken muss ich vergangener Tage,<br />
ich erwäge die Jahre von ehedem.<br />
Ich sinne in meinem Herzen<br />
zu nächtlicher Stunde,<br />
ich sinne nach<br />
und fragend erhebt sich mein Geist.<br />
Wird der Herr verstoßen auf ewig?<br />
Wird er nicht mehr gnädig sein?<br />
Ist seine Huld für immer dahin,<br />
ausgelöscht die Verheißung<br />
für alle Geschlechter?<br />
Hat Gott vergessen, gnädig zu sein?<br />
Hat er sein Erbarmen verschlossen im Zorn?<br />
Und ich sage:<br />
<strong>Die</strong>s ist mein Schmerz,<br />
dass sich gewandelt hat die Rechte<br />
des Höchsten.<br />
Ich gedenke der Taten des Herrn,<br />
ich denke an die Wunder der Vorzeit.<br />
Und sinne nach über all deine Werke,<br />
und deine Taten erwäge ich.<br />
Heilig, o Gott, ist dein Weg;<br />
wo ist ein Gott, wie unser Gott so erhaben?<br />
Du bist der Gott, der Wunderbares vollbringt,<br />
vor den Heiden hast du kundgetan<br />
Ps 0,00–0,00<br />
128
Drittes Buch<br />
deine Macht.<br />
Mit starkem Arm hast du dein Volk befreit,<br />
die Söhne von Jakob und Josef.<br />
Es sahen dich die Wasser, o Gott,<br />
es sahen dich die Wasser<br />
und sie erschraken,<br />
bis in die Tiefe erbebten die Fluten.<br />
Es troffen die Wolken von vielen Wassern,<br />
die Wolken erdröhnten von Donner.<br />
Dein Donner durchdröhnte den Wirbelsturm,<br />
deine Blitze erhellten den Erdkreis,<br />
erschüttert wurde die Erde und sie erbebte.<br />
Es ging dein Weg durch das Meer,<br />
es gingen deine Pfade durch große Fluten,<br />
und nicht war gesehen<br />
die Spur deiner Füße.<br />
Du hast dein Volk geleitet gleich einer Herde<br />
durch die Hand des Mose und Aaron.<br />
Psalm 78<br />
Ein Weisheitslied von Asaf.<br />
Lausche, mein Volk, dem Wort<br />
meiner Lehre,<br />
neigt euer Ohr dem Wort meines Mundes!<br />
Meinen Mund will ich öffnen zur Rede<br />
im Gleichnis,<br />
Geheimnis der Urzeit, ich will es künden.<br />
Was wir gehört und erkannt,<br />
und was uns erzählten unsere Väter,<br />
nicht verbergen wollen wir dies<br />
vor den Söhnen,<br />
künden wollen wir es dem Geschlecht,<br />
das kommt:<br />
die Ruhmestaten des Herrn, seine Stärke<br />
und die Wunder, die er getan.<br />
So hat er es aufgestellt in Jakob als ein Gebot,<br />
so zum Gesetz es verordnet in Israel:<br />
Was er geboten unseren Vätern,<br />
sie sollten es verkünden den Söhnen:<br />
Wissen soll es ein künftiges Geschlecht,<br />
die Söhne, die künftig würden geboren,<br />
und sollen aufstehen und es wieder künden<br />
den Söhnen.<br />
Auf dass sie ihre Hoffnung setzten auf Gott<br />
und Gottes Werke nicht sollten vergessen,<br />
sondern dass sie befolgten seine Gebote.<br />
Auf dass sie nicht würden wie ihre Väter,<br />
ein trotziges und widerspenstiges<br />
Geschlecht,<br />
ein Geschlecht,<br />
das nicht hatte ein beständiges Herz,<br />
das Gott die Treue nicht hielt.<br />
Efraims Söhne, die Bogenschützen,<br />
sie wandten sich zurück<br />
am Tag der Schlacht.<br />
Gottes Bund, sie hielten ihn nicht,<br />
und sie verschmähten es,<br />
zu wandeln nach seinem Gesetz.<br />
Vergessen hatten sie seine Werke<br />
und seine Wunder, die er sie schauen ließ.<br />
Wunder vollbrachte er<br />
vor den Augen der Väter,<br />
im Lande Ägypten,<br />
in den Gefilden von Zoan.<br />
Er teilte das Meer und ließ sie hindurchziehen<br />
und staute die Wasser gleich einer Mauer.<br />
Und er führte sie bei Tag in der Wolke,<br />
die ganze Nacht im Schein des Feuers.<br />
Er spaltete in der Wüste die Felsen,<br />
reichlich tränkte er sie<br />
am rieselnden Quell.<br />
Bäche lockte er hervor aus dem Stein<br />
und machte strömen die Wasser.<br />
Sie aber hörten nicht auf<br />
zu sündigen gegen ihn,<br />
dem Höchsten boten sie Trotz in der Wüste.<br />
In ihrem Herzen versuchten sie Gott,<br />
forderten Speise für ihre Gier.<br />
Und sie haderten gegen den Herrn<br />
und sagten:<br />
Kann Gott uns den Tisch bereiten hier<br />
129 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
in der Wüste?<br />
Siehe, wohl schlug er den Felsen,<br />
es flossen die Wasser<br />
und Bäche brachen hervor.<br />
Doch kann er auch Brot seinem Volk geben<br />
und Fleisch ihnen schaffen?<br />
Darum, als der Herr dies hörte,<br />
entbrannte sein Zorn,<br />
Feuer loderte auf gegen Jakob,<br />
gegen Israel entbrannte sein Zorn.<br />
Weil sie nicht glaubten an Gott<br />
und nicht vertrauten auf seine Hilfe.<br />
Doch gebot er den Wolken dort oben<br />
und tat auf die Tore des Himmels.<br />
Und Manna ließ er auf sie regnen zur Speise,<br />
er gab ihnen Himmelsbrot.<br />
Das Brot der Starken<br />
durfte essen der Mensch,<br />
Speise sandte er ihnen in Fülle.<br />
Und er weckte am Himmel den Ostwind<br />
und holte mit seiner Macht<br />
den Südwind herbei.<br />
Und ließ Fleisch auf sie regnen wie Staub,<br />
wie Sand des Meeres gefiederte Vögel.<br />
Mitten in ihr Lager fielen sie hin,<br />
um ihre Zelte ringsum.<br />
Und sie aßen und wurden satt,<br />
und er stillte so ihr Verlangen.<br />
Noch aber war ihre Gier nicht gewichen,<br />
noch war die Speise in ihrem Mund,<br />
da entflammte Gottes Zorn gegen sie.<br />
Und er warf unter ihre Fürsten den Tod,<br />
Israels Jugend streckte er nieder.<br />
Doch sie sündigten immerfort,<br />
seinen Wundern glaubten sie nicht.<br />
Da ließ er rasch ihre Tage entschwinden<br />
ihren Jahren setzte er jählings ein Ende.<br />
Wenn er sie schlug, da suchten sie ihn<br />
und kehrten um und fragten nach Gott.<br />
Sie gedachten, dass Gott ihr Felsen,<br />
der höchste Gott ihr Erlöser ist.<br />
Doch sie betrogen ihn mit ihrem Mund,<br />
mit ihrer Zunge belogen sie ihn.<br />
Ihr Herz war nicht redlich vor ihm,<br />
und seinem Bund hielten sie nicht die Treue.<br />
Und doch erließ er ihnen gnädig die Schuld,<br />
er vertilgte sie nicht,<br />
er bannte oftmals den Zorn<br />
und goss nicht aus über sie die ganze Flut<br />
seines Zornes.<br />
Und er gedachte, dass sie nur Fleisch sind,<br />
ein Hauch, der verweht und nicht mehr<br />
zurückkehrt.<br />
Wie oft erzürnten sie ihn in der Wüste,<br />
in der Einöde,<br />
wie oftmals taten sie Kummer ihm an.<br />
Und immer wieder versuchten sie Gott<br />
und schufen Bitternis dem Heiligen Israels.<br />
Nicht gedachten sie seiner Hand,<br />
nicht des Tages,<br />
da er sie löste aus Feindes Gewalt,<br />
da er Zeichen tat im Lande Ägypten,<br />
Wunderzeichen in den Gefilden von Zoan.<br />
Da er in Blut verwandelte ihre Flüsse<br />
und ihre Bäche,<br />
dass niemand zu trinken vermochte.<br />
Fliegen ließ er über sie kommen,<br />
die brachten den Tod,<br />
und Frösche, die brachten ihnen Verderben.<br />
Der Fressgrille gab er preis ihre Ernte,<br />
dem Heuspringer, was ihre Arbeit erwarb.<br />
Er schlug ihren Weinstock mit Hagel,<br />
ihre Feigenbäume mit Körnern von Eis.<br />
Und übergab der Pest ihr Vieh,<br />
ihre Herden den Seuchen.<br />
Und sandte über sie die Glut seines Zornes,<br />
Unwillen und Grimm und Bedrängnis,<br />
Unheilsboten in Scharen.<br />
Seinem Zorn schuf er offene Bahn,<br />
da war keine Schonung mehr vor dem Tod<br />
und ihr Leben übergab er der Pest.<br />
Und er schlug alle Erstgeburt in Ägypten,<br />
die Erstlinge, geboren in Hams Zelten.<br />
Und er holte wie Schafe sein Volk heraus<br />
Ps 0,00–0,00<br />
130
Drittes Buch<br />
und führte sie durch die Wüste<br />
gleich einer Herde.<br />
Und er führte sie sicher,<br />
nicht mussten sie fürchten,<br />
und ihre Feinde bedeckte das Meer.<br />
Und er brachte sie in sein heiliges Land,<br />
hin zu den Bergen, die seine Rechte erwarb.<br />
Und er trieb vor ihren Augen<br />
die Völker hinaus,<br />
und ihr Land verloste er ihnen zum Erbe,<br />
in den Zelten der Völker ließ er wohnen die<br />
Stämme Israels.<br />
Doch sie versuchten den Höchsten<br />
und forderten ihn heraus<br />
und hielten seine Satzungen nicht.<br />
Und wie ihre Väter,<br />
so fielen sie ab und brachen die Treue;<br />
wie ein trügender Bogen, so irrten sie ab.<br />
Mit ihren Höhen erregten sie seinen Zorn,<br />
mit ihren Götzenbildern riefen sie seine<br />
Eifersucht wach.<br />
Das hörte Gott und es erfasste ihn Zorn,<br />
und gänzlich verwarf er Israel.<br />
Und er verließ seine Wohnung in Schilo,<br />
das Zelt, wo er wohnte unter den Menschen.<br />
Und seine Macht gab er preis der<br />
Gefangenschaft,<br />
seine Herrlichkeit in die Hände der Feinde.<br />
Und sein Volk übergab er dem Schwert,<br />
Zorn entflammte ihn gegen sein Erbe.<br />
Ihre Jünglinge raffte Feuer dahin,<br />
ihre Jungfrauen wurden nicht mehr<br />
vermählt.<br />
Ihre Priester fielen unter dem Schwert,<br />
und ihre Witwen durften nicht weinen.<br />
Dann aber, wie aus dem Schlaf<br />
erwachte der Herr,<br />
wie ein Krieger, der aufsteht vom Wein.<br />
Und er trieb in die Flucht die Feinde,<br />
und bedeckte sie mit ewiger Schmach.<br />
Und das Zelt des Josef verwarf er,<br />
Efraims Stamm erwählte er nicht.<br />
Doch erkor er sich Juda,<br />
den Zionsberg, den er liebte.<br />
Gleich der Himmelshöhe<br />
baute er seine heilige Stätte,<br />
fest wie die Erde,<br />
die er gegründet auf immer.<br />
Und den David erwählte er, seinen Knecht,<br />
von den Herden der Schafe holte er ihn.<br />
Von den Mutterschafen hinweg,<br />
so rief ihn der Herr,<br />
auf dass er Jakob weide, sein Volk,<br />
Israel, seinen Erbbesitz.<br />
Und er weidete sie in der Einfalt des Herzens,<br />
und er führte sie mit kundiger Hand.<br />
Psalm 79<br />
Ein Psalm von Asaf.<br />
Gott, in dein Erbe sind<br />
eingedrungen die Heiden,<br />
sie haben entweiht deinen heiligen Tempel,<br />
Jerusalem haben sie in Trümmer gelegt.<br />
<strong>Die</strong> Leichen deiner Knechte warfen sie hin<br />
den Vögeln des Himmels zum Fraß,<br />
die Leiber deiner Heiligen<br />
den wilden Tieren der Erde.<br />
Sie vergossen ihr Blut wie Wasser<br />
rings um Jerusalem,<br />
und keiner fand sich, der sie begraben hätte.<br />
Ein Schimpf sind wir geworden für unsere<br />
Nachbarn,<br />
Spott und Hohn für alle,<br />
die rings um uns wohnen.<br />
Wie lange noch, Herr?<br />
Willst du grollen auf ewig?<br />
Wie lange wird wie Feuer glühen dein Zorn?<br />
Gieße aus deinen Grimm auf die Heiden,<br />
die dich nicht kennen,<br />
auf die Reiche,<br />
die deinen Namen nicht ehren.<br />
131 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Denn aufgezehrt haben sie Jakob,<br />
und seine Wohnung verwüstet.<br />
Ahnde nicht an uns die Sünder der Väter,<br />
eile uns entgegen mit deinem Erbarmen,<br />
denn elend sind wir gar sehr.<br />
Um der Ehre deines Namens willen rette uns,<br />
Gott, unser Heil!<br />
Um deines Namens willen erlöse uns<br />
und vergib unsere Schuld!<br />
Warum sollen die Heiden sprechen:<br />
Wo ist nun ihr Gott!<br />
Vor unseren Augen werde offenbar<br />
an den Heiden<br />
die Rache für das Blut deiner Knechte,<br />
das sie vergossen.<br />
Es dringe zu dir der Gefangenen Stöhnen;<br />
die dem Tod geweiht,<br />
erlöse sie mit der Kraft deines Armes!<br />
Und siebenfach zahle<br />
unseren Nachbarn zurück<br />
die Schmach, die sie dir angetan haben,<br />
o Herr!<br />
Wir aber, dein Volk, die Schafe deiner Herde,<br />
wir wollen dich rühmen auf ewig,<br />
von Geschlecht zu Geschlecht<br />
verkünden dein Lob.<br />
Psalm 80<br />
Dem Chormeister, nach der Weise »Lilien«;<br />
ein Zeugnis; ein Psalm von Asaf.<br />
O höre, der du Israel führst,<br />
der du Josef leitest gleich einer Herde!<br />
Der du thronst über den Kerubim,<br />
erstrahle vor Efraim, Benjamin und Manasse!<br />
Wecke auf, o Herr, deine Macht,<br />
komm und erlöse uns!<br />
Gott, richte uns wieder auf,<br />
lass leuchten dein Angesicht,<br />
so sind wir gerettet.<br />
Du, Gott der himmlischen Heere,<br />
wie lange zürnst du noch,<br />
da doch betet dein Volk?<br />
Du hast es gespeist mit dem Brot der Tränen,<br />
Flut von Tränen gabst du ihm zum Trank.<br />
Du machst uns zum Zankapfel<br />
für unsere Nachbarn,<br />
und unsere Feinde verhöhnen uns.<br />
Du, Gott der himmlischen Heere,<br />
richte uns wieder auf,<br />
lass leuchten dein Angesicht,<br />
so sind wir gerettet.<br />
Einen Weinstock holtest du aus Ägypten,<br />
Völker vertriebst du,<br />
ihn aber pflanztest du ein.<br />
Das Erdreich hast du bereitet für ihn,<br />
da fasste er Wurzeln und erfüllte das Land.<br />
Mit seinem Schatten bedeckte er Berge,<br />
mit seinen Zweigen die Zedern des Herrn.<br />
Seine Reben hat er gebreitet bis an das Meer,<br />
bis an den großen Strom seine Sprossen.<br />
Warum hast du seine Mauern zerstört?<br />
Alle, die des Weges kommen,<br />
sie ernten ihn ab.<br />
Der Eber des Waldes darf ihn verwüsten,<br />
zur Weide ist er geworden<br />
den Tieren des Waldes.<br />
Du, Gott der himmlischen Heere,<br />
wende dich wieder zurück!<br />
Blick her vom Himmel und siehe.<br />
Suche auf deinen Weinstock<br />
und schütze ihn,<br />
den gepflanzt deine Rechte,<br />
den Schössling, den du ließest erstarken.<br />
<strong>Die</strong> ihn verbrannten im Feuer,<br />
die ihn zerhieben,<br />
umkommen sollen sie vor deinem<br />
zürnenden Blick.<br />
Auf dem Mann deiner Rechten<br />
lasse ruhen deine Hand,<br />
auf dem Menschensohn,<br />
den du ließest erstarken.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
132
Drittes Buch<br />
Und nicht mehr wollen wir weichen von dir,<br />
erhalte uns am Leben,<br />
und deinen Namen wollen wir preisen.<br />
Herr, Gott der himmlischen Heere,<br />
richte uns wieder auf,<br />
lass leuchten dein Angesicht,<br />
so sind wir gerettet!<br />
Psalm 81<br />
Dem Chormeister, nach gittischer Weise; von Asaf.<br />
Frohlockt dem Herrn,<br />
unserem Helfer,<br />
jubelt ihm zu, dem Gott Jakobs!<br />
Greift in die Saiten, schlagt die Pauke,<br />
lieblich ertöne die Harfe<br />
zum Spiel der Leier.<br />
Stoßt in die Posaune zum Neumond,<br />
zum Vollmond am Tag unseres Festes!<br />
So ist es bestimmt für Israel,<br />
von Jakobs Gott ein Gesetz.<br />
Eine Satzung, verordnet für Josef,<br />
da er auszog gegen Ägypten.<br />
Ich vernahm eine Stimme,<br />
die ich nicht kannte:<br />
Von seinem Rücken lud ich ab eine Bürde,<br />
vom Lastkorb machte sich los seine Hand.<br />
Du riefst in der Trübsal<br />
und ich machte dich frei;<br />
aus donnernder Wolke gab ich dir Antwort,<br />
an den Wassern von Meriba prüfte ich dich.<br />
Höre, mein Volk, auf dass ich dich warne;<br />
Israel, o dass du doch hörtest auf mich!<br />
Nicht sei bei dir ein anderer Gott,<br />
einen fremden Gott<br />
sollst du nicht verehren.<br />
Ich bin der Herr, dein Gott,<br />
der dich herausgeführt aus Ägypten;<br />
tu auf deinen Mund<br />
und ich werde ihn füllen!<br />
Aber mein Volk, es hörte nicht meine Stimme,<br />
Israel fügte sich nicht meinem Willen.<br />
Darum überließ ich sie<br />
ihren verhärteten Herzen,<br />
mögen sie dahingehn nach eigenem Rat.<br />
O dass mich doch hörte mein Volk!<br />
Dass Israel doch ginge auf meinen Wegen!<br />
Wie bald bezwänge ich ihre Feinde,<br />
meine Hand wollte ich kehren gegen alle,<br />
die sie bedrängen!<br />
<strong>Die</strong> hassen den Herrn,<br />
sie würden ihnen gefügig,<br />
ihr Los würde dauern für immer.<br />
Mein Volk aber wollte ich nähren mit dem<br />
Mark von Weizen<br />
und mit Honig aus dem Felsen<br />
wollt ich sie laben.<br />
Psalm 82<br />
Ein Psalm von Asaf.<br />
Gott steht auf in der<br />
Götterversammlung,<br />
inmitten der Göttersöhne hält er Gericht:<br />
Wie lange noch werdet ihr richten zu Unrecht,<br />
wie lange zu Willen sein<br />
der Gottlosen Sache?<br />
Führt die Sache<br />
des Unterdrückten und Waisen,<br />
dem Geringen und Armen<br />
schafft sein Recht!<br />
Den Unterdrückten und Dürftigen macht frei,<br />
der Hand der Frevler entreißt ihn.<br />
Doch sie erfassen es nicht<br />
und haben nicht Einsicht,<br />
in Finsternis gehen sie dahin.<br />
Es wanken alle Festen der Erde.<br />
Wohl sprach ich: Zwar seid ihr Götter,<br />
und Söhne des Höchsten allesamt.<br />
Doch, wahrlich, sterben müsst ihr<br />
133 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
wie Menschen,<br />
wie jeder der Fürsten werdet ihr fallen.<br />
Gott, steh auf und richte die Erde,<br />
denn zu Recht sind alle Völker dein Eigen.<br />
Psalm 83<br />
Ein Lied von Asaf.<br />
Herr, o schweige mir nicht!<br />
Bleib nicht still, o Gott, bleibe nicht ruhig!<br />
Denn siehe, wie toben doch deine Feinde;<br />
und die dich hassen, sie erheben das Haupt.<br />
Sie planen Böses gegen dein Volk,<br />
wider deinen Schützling halten sie Rat.<br />
Sie sagen:<br />
Kommt, wir wollen sie ausrotten als Volk,<br />
Israels Name werde nicht mehr genannt.<br />
Wahrlich, einmütig halten sie Rat,<br />
ein Bündnis gehen sie ein gegen dich.<br />
<strong>Die</strong> Zelte Edoms, die Ismaeliter,<br />
Moab und die Hagariter,<br />
Gebal und Ammon und Amalek,<br />
die Philister und die Bewohner von Tyrus.<br />
Auch die Assyrer haben sich mit ihnen<br />
verbündet,<br />
sie leihen Hilfe den Söhnen des Lot.<br />
Tu an ihnen, wie du tatest an Midian,<br />
an Sisera und Jabin am Kischonbach.<br />
Sie wurden vernichtet bei En-Dor,<br />
sie sind geworden zum Dünger des Feldes.<br />
Tu an ihren Fürsten wie an Oreb und Seeb,<br />
an all ihren Führern<br />
tu wie an Sebach und Zalmunna,<br />
die da sagten:<br />
Zu Eigen lasst uns nehmen Gottes Gefild! –<br />
Mein Gott,<br />
lass sie wirbeln wie Blätter im Sturm,<br />
wie Spreu vor dem Wind!<br />
Wie das Feuer, das entzündet den Wald,<br />
wie die Lohe, die umlodert die Berge,<br />
so jage sie im Sturm,<br />
in deinem Wetter erschrecke sie!<br />
Ihr Angesicht bedecke mit Schmach,<br />
und suchen sollen sie deinen Namen, o Herr.<br />
Schande soll sie treffen<br />
und Verwirrung auf immer,<br />
sie sollen schmählich zugrunde gehen.<br />
Und erkennen sollen sie dich, der du heißt:<br />
Der Herr!<br />
Du allein bist über alle Lande erhaben.<br />
Psalm 84<br />
Dem Chormeister, nach der gittischen Weise;<br />
von den Söhnen Korachs, ein Psalm.<br />
Wie freundlich ist deine<br />
Wohnung, o Herr<br />
der himmlischen Heere!<br />
Meine Seele vergeht in Sehnsucht<br />
nach den Hallen des Herrn!<br />
Mein Geist und mein Leib,<br />
sie jubeln dem lebendigen Gott.<br />
Findet doch gar der Sperling ein Heim<br />
und die Schwalbe ein Nest,<br />
darin ihre Jungen zu bergen:<br />
Ja, dein Altar, o Herr der himmlischen Heere,<br />
du, mein Gott und mein König!<br />
Selig, die wohnen in deinem Hause, o Herr,<br />
sie werden dich immerdar preisen.<br />
Selig, die deiner Hilfe sich freuen,<br />
wenn sie sich rüsten zu heiliger Fahrt.<br />
Und pilgern sie hin durch das dürre Tal,<br />
es wird ihnen zum Tal der Quellen;<br />
Frühregen kleidet es<br />
in die Fülle des Segens,<br />
Mit steigender Kraft, so ziehen sie hinauf,<br />
den höchsten Gott zu schauen auf Zion.<br />
Höre mein Beten,<br />
o Herr der himmlischen Heere,<br />
Jakobs Gott, leihe gnädig dein Ohr!<br />
Ps 0,00–0,00<br />
134
Drittes Buch<br />
Du, unser Schild, o Gott, schau her!<br />
Siehe das Antlitz deines Gesalbten!<br />
Besser in deinen Hallen ein einziger Tag<br />
als tausend Tage fern von dir.<br />
Lieber stehen an der Schwelle vor dem Haus<br />
meines Gottes<br />
als wohnen in den Zelten der Sünder.<br />
Denn Gott, der Herr, ist Sonne und Schild;<br />
Herrlichkeit verleiht er und Gnade.<br />
Kein Gut wird er denen versagen,<br />
die da wandeln in Unschuld.<br />
O Herr der himmlischen Heere,<br />
glücklich, wer auf dich vertraut!<br />
und Herrlichkeit wird wohnen<br />
in unserem Land.<br />
Begegnen werden sich Erbarmen und Treue,<br />
Gerechtigkeit und Friede<br />
werden sich küssen.<br />
Aus der Erde sprießt die Treue,<br />
Gerechtigkeit blickt hernieder vom Himmel.<br />
Ja, der Herr verleiht seinen Segen,<br />
und unsere Erde gibt ihre Frucht.<br />
Gerechtigkeit geht vor ihm her,<br />
und Heil wird folgen<br />
dem Pfad seiner Schritte.<br />
Psalm 85<br />
Dem Chormeister, von den Söhnen Korachs, ein Psalm.<br />
Gnade hast du gewährt, o Herr,<br />
deinem Land,<br />
Jakobs Los gewendet zum Guten.<br />
Deinem Volk hast du erlassen die Schuld,<br />
hast zugedeckt all seine Missetat.<br />
Du hast zurückgezogen all deinen Grimm,<br />
aufgegeben die Glut deines Zornes.<br />
Schaffe uns wieder neu, o Gott, unser Retter,<br />
tu ab den Unmut, den du trägst gegen uns.<br />
Willst du uns grollen auf ewig?<br />
Soll währen dein Zorn<br />
durch alle Geschlechter?<br />
Wirst du uns nicht mehr Leben verleihen?<br />
Wird dein Volk sich nicht mehr freuen<br />
in dir?<br />
Zeige uns dein Erbarmen, o Herr,<br />
gewähre uns gnädig dein Heil!<br />
Hören will ich,<br />
was kündet der Herr, unser Gott:<br />
wahrhaftig, er kündet den Frieden<br />
Frieden seinem Volk und all seinen Frommen,<br />
allen, die von Herzen sich zu ihm bekehren.<br />
Ja, allen, die ihn fürchten, ist nahe sein Heil,<br />
Psalm 86<br />
Ein Gebet von David.<br />
Neige, o Herr, dein Ohr<br />
und erhöre mich,<br />
denn ich bin elend und arm.<br />
Bewahre meine Seele, dir bin ich zu Eigen;<br />
hilf deinem Knecht, der hofft auf dich.<br />
Mein Gott bist du; Herr, sei mir gnädig!<br />
Ich rufe zu dir ohne Unterlass.<br />
Erfreue deines Knechtes Gemüt;<br />
zu dir, o Herr, erhebe ich meine Seele.<br />
Denn du, o Herr, bist gütig und milde;<br />
für alle, die dich rufen, reich an Erbarmen.<br />
Vernimm, o Herr, mein Gebet,<br />
merk auf meine flehende Stimme!<br />
Ich rufe zu dir am Tag der Bedrängnis;<br />
ich weiß, du wirst mich erhören.<br />
Keiner ist wie du, o Herr, keiner der Götter,<br />
deinem Werke lässt sich keines vergleichen.<br />
Alle Völker, die du geschaffen hast,<br />
sie kommen und beten dich an,<br />
und sie preisen, o Herr, deinen Namen.<br />
Denn groß bist du und wirkst Wunder,<br />
du allein nur bist Gott.<br />
Weise mir, Herr, deinen Weg, dass ich wandle<br />
in deiner Wahrheit;<br />
135 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
lenke mein Herz, deinen Namen zu fürchten.<br />
Herr, mein Gott, von ganzem Herzen will ich<br />
dich preisen,<br />
deinen Namen will ich rühmen in Ewigkeit.<br />
Denn groß ist gegen mich dein Erbarmen,<br />
meine Seele hast du entrissen<br />
dem Abgrund des Todes.<br />
O Gott, es erheben sich gegen mich Stolze,<br />
die Rotte der Mächtigen<br />
trachtet mir nach dem Leben,<br />
und keiner hat dich vor Augen.<br />
Du aber, Herr, mein Gott, du bist ein<br />
barmherziger und gnädiger Gott;<br />
zögernd im Zorn<br />
und reich an Güte und Treue.<br />
Blicke auf mich<br />
und schenke mir dein Erbarmen;<br />
gib Kraft deinem Knecht,<br />
hilf dem Sohn deiner Magd!<br />
Wirke an mir ein Zeichen zum Heil,<br />
und die mich hassen,<br />
sollen es sehen in Scham!<br />
Denn du, o Herr, du hast mir geholfen<br />
und hast mich getröstet.<br />
Psalm 87<br />
Von den Söhnen Korachs, ein Psalm, ein Lied.<br />
Es liebt der Herr seine Stadt,<br />
gegründet auf heiligen Bergen,<br />
Zions Tore mehr als alle Zelte in Jakob.<br />
Herrliches ist verkündet von dir,<br />
du Stadt Gottes!<br />
Rahab und Babel, ich werde sie zählen zu jenen,<br />
die mich verehren;<br />
Philister und Tyrer und Äthiopiens Volk,<br />
in ihr sind alle geboren.<br />
Und sagen wird man von Zion:<br />
Mann für Mann, in ihr sind alle geboren,<br />
er selber hat sie gegründet, der Höchste.<br />
In das Buch der Völker<br />
wird schreiben der Herr:<br />
In ihr sind alle geboren.<br />
Und im Reigentanze werden sie singen<br />
All meine Quellen, sie sind in dir.<br />
Psalm 88<br />
Ein Lied, ein Psalm von den Söhnen Korachs.<br />
Dem Chormeister, nach der Weise »Krankheit« zu singen.<br />
Ein Weisheitslied von Heman, dem Esrachiter.<br />
Herr, mein Gott, am Tag rufe<br />
ich dich,<br />
ich klage vor dir in der Nacht.<br />
Es dringe zu dir mein Gebet,<br />
neige dein Ohr meinem Flehen!<br />
Denn meine Seele ist gesättigt mit Leid,<br />
dem Totenreich ist nahe mein Leben.<br />
Ich werde zu denen gezählt,<br />
die fahren zur Grube,<br />
ich bin ein Mensch ohne Kraft.<br />
Mein Lager ist bereitet unter den Toten,<br />
gleich den Erschlagenen,<br />
die ruhen im Grab:<br />
deren du nicht mehr gedenkst,<br />
die keinen Teil mehr haben<br />
an deiner Sorge.<br />
Du warfst mich in die unterste Grube,<br />
in die Finsternis, in den Abgrund.<br />
Schwer lastet auf mir dein Unmut,<br />
all deine Wogen brechen herein über mich.<br />
Meine Freunde hältst du mir fern,<br />
du machst mich ihnen zum Gräuel;<br />
ein Gefangener bin ich<br />
und kann nicht entrinnen.<br />
Meine Augen dunkeln vor Elend,<br />
Herr, an allen Tagen rufe ich dich,<br />
nach dir breite ich aus meine Hände.<br />
Willst du Wunder tun an den Toten?<br />
Stehen die Schatten auf<br />
Ps 0,00–0,00<br />
136
Drittes Buch<br />
und künden dein Lob?<br />
Erzählt man im Grab von deiner Huld,<br />
von deiner Treue im Totenreich?<br />
Werden deine Wunder der Finsternis kund<br />
und dem Land der Vergessenheit<br />
deine Gerechtigkeit?<br />
Ich aber, Herr, ich rufe zu dir,<br />
am frühen Morgen<br />
kommt zu dir mein Gebet.<br />
Warum, o Herr, verstößt du meine Seele,<br />
warum verbirgst du vor mir dein Angesicht?<br />
Elend bin ich von Jugend auf<br />
und vom Tod bedroht,<br />
ich trug deine Schrecken und siechte hin.<br />
<strong>Die</strong> Glut deines Zornes<br />
ging hinweg über mich,<br />
vernichtet haben mich deine Schrecken.<br />
Sie umringen mich immerfort<br />
wie flutende Wasser,<br />
von allen Seiten bedrängen sie mich.<br />
Entfremdet hast du mir den Freund<br />
und Vertrauten,<br />
und nur das Dunkel ist mir vertraut.<br />
Psalm 89<br />
Ein Weisheitslied; von Etan, dem Esrachiter.<br />
Singen will ich in Ewigkeit<br />
von den Gnaden des Herrn,<br />
laut deine Treue verkünden<br />
durch alle Geschlechter.<br />
Du sprachst:<br />
Meine Gnade ist begründet auf ewig!<br />
Ja, wie der Himmel steht fest deine Treue.<br />
Ich habe einen Bund geschlossen<br />
mit meinem Erwählten,<br />
ich habe David, meinem Knecht, geschworen:<br />
Deinen Stamm will ich gründen für alle Zeit,<br />
ich mache fest deinen Thron<br />
für alle Geschlechter.<br />
<strong>Die</strong> Himmel preisen deine Wundertaten,<br />
o Herr,<br />
die Versammlung der Heiligen<br />
rühmt deine Treue.<br />
Denn wer in den Wolken ist wie der Herr,<br />
wer unter den Söhnen Gottes<br />
käme ihm gleich?<br />
Gewaltig ist Gott im Rat der Heiligen,<br />
groß und furchtbar über alle<br />
ringsum ihn her.<br />
Herr, Gott der himmlischen Heere,<br />
wer ist wie du?<br />
Mächtig bist du, o Herr,<br />
und dich umgibt deine Treue.<br />
Du gebietest der Brandung des Meeres,<br />
den Aufruhr seiner Wogen hältst du nieder.<br />
Rahab hast du durchbohrt und zertreten,<br />
deine Feinde zerstreut<br />
in der Kraft deines Armes.<br />
Dein sind die Himmel und dein ist die Erde,<br />
der Erdkreis mit all seiner Fülle –<br />
du hast ihn gegründet.<br />
Nord und Süd, du hast sie geschaffen,<br />
Tabor und Hermon jauchzen dir zu.<br />
In deinem Arm ist Macht,<br />
stark ist deine Hand,<br />
deine Rechte erhoben.<br />
Auf Recht und Gerechtigkeit<br />
ruht dein Thron,<br />
vor dir einher gehen Huld und Treue.<br />
Selig das Volk, das zu jubeln weiß;<br />
im Licht deines Angesichts, o Herr,<br />
dürfen sie wandeln.<br />
Sie freuen sich immerdar deines Namens,<br />
sie jauchzen ob deiner Gerechtigkeit.<br />
Denn du bist ihr Ruhm, du bist ihre Stärke,<br />
durch deine Huld<br />
hebt sich empor unsere Kraft.<br />
Denn dem Herrn gehört unser Schild,<br />
dem Heiligen Israels unser König.<br />
Vor Zeiten sprachst du im Gesicht,<br />
du sprachst:<br />
137 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Ich legte auf einen Starken die Krone;<br />
ich erhöhte ihn, den ich aus meinem Volk erkor.<br />
Ich habe David ersehen, meinen Knecht,<br />
mit heiligem Öl salbte ich ihn.<br />
Dass meine Hand ihm allzeit helfe<br />
und Kraft ihm verleihe mein Arm.<br />
Nicht soll ihn überlisten ein Gegner,<br />
kein Frevler soll ihn bezwingen.<br />
Nein, zerschmettern will ich vor ihm seine Feinde,<br />
und die ihn hassen, ich werde sie schlagen.<br />
Meine Treue und meine Gnade begleiten ihn,<br />
in meinem Namen hebt sich empor seine Kraft.<br />
Und ich lege seine Hand auf das Meer,<br />
auf die Ströme lege ich seine Rechte.<br />
Er wird zu mir rufen: Mein Vater bist du,<br />
mein Gott und der Fels meines Heiles.<br />
Ich aber, zum Erstgeborenen setze ich ihn ein,<br />
zum Höchsten über alle Herrscher der Erde.<br />
Auf ewig bewahre ich ihm meine Huld,<br />
unverbrüchlich ist ihm mein Bund.<br />
Sein Geschlecht will ich erhalten auf immerdar<br />
und seinen Thron wie die Tage des Himmels.<br />
Wenn seine Söhne aber mein Gesetz nicht mehr wahren<br />
und nicht mehr wandeln in meinen Geboten,<br />
wenn sie meine Ordnungen schänden<br />
und nicht beachten meine Befehle,<br />
dann strafe ich ihr Vergehen mit der Rute,<br />
mit Geißelschlägen all ihre Schuld.<br />
Doch nicht versagen werde ich ihm meine Huld,<br />
meine Treue ihm nicht verleugnen.<br />
Meinen Bund entweihe ich nicht<br />
und ändere nicht den Spruch meiner Lippen.<br />
So wahr ich heilig bin, ich habe es einmal geschworen,<br />
wahrlich, ich werde David nicht belügen:<br />
Sein Stamm soll währen in Ewigkeit,<br />
sein Thron soll vor mir sein wie die Sonne.<br />
Und wie der Mond, der währt auf immer.<br />
Der es bezeugt im Himmel, er ist getreu.<br />
Nun aber hast du verstoßen, hast du verworfen,<br />
deinem Gesalbten zürnst du schwer.<br />
Den Bund mit deinem Knecht hast du von dir getan,<br />
seine Krone erniedrigt bis in den Staub.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
138
Drittes Buch<br />
Eingerissen hast du all seine Mauern,<br />
seine Burgen in Schutt gelegt.<br />
Alle, die des Weges kamen, sie plünderten ihn,<br />
seinen Nachbarn diente er zum Spott.<br />
Du hast erhoben den Arm seiner Feinde,<br />
all seine Widersacher hast du mit Freude erfüllt.<br />
Seines Schwertes Scheide machtest du stumpf,<br />
nicht standest du im Kampf ihm bei.<br />
All seine Herrlichkeit machtest du schwinden<br />
und warfst seinen Thron auf die Erde.<br />
Verkürzt hast du ihm die Tage der Jugend<br />
und ihn überschüttet mit Schande.<br />
Wie lange noch, o Herr? Willst du dich verbergen auf immer?<br />
Soll brennen wie Feuer dein Zorn?<br />
Gedenke, wie mein Leben so kurz ist,<br />
wie vergänglich du schufst den Menschen!<br />
Wo wäre ein Lebender, der nicht schaute den Tod,<br />
der den Fängen der Unterwelt entzieht seine Seele?<br />
O Herr, wo sind deine Gnaden von ehedem,<br />
wie du David geschworen bei deiner Treue?<br />
Gedenke, o Herr, der Schmach deiner Knechte,<br />
allen Hass der Völker muss ich tragen in mir.<br />
Denn es verhöhnen uns, Herr, deine Feinde,<br />
sie verhöhnen die Fußspur deines Gesalbten.<br />
Der Herr sei gepriesen in Ewigkeit!<br />
Amen, amen, so sei es!<br />
139 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Viertes Buch<br />
Psalm 90<br />
Ein Gebet von Mose, dem Mann Gottes.<br />
Herr, du warst uns Zuflucht<br />
von Geschlecht zu Geschlecht.<br />
Ehe sich hoben die Berge,<br />
ehe die Erde entstand und die Welt,<br />
von Ewigkeit bist du, o Gott,<br />
bis in Ewigkeit.<br />
Du lässt die Sterblichen wiederkehren zum Staub;<br />
du sprichst:<br />
Ihr Menschenkinder, kehret zurück!<br />
Denn tausend Jahre sind vor dir<br />
wie der gestrige Tag, der verging,<br />
nur einer Nachtwache gleich.<br />
Du nimmst sie jählings hinweg,<br />
so dass sie werden wie der Schlaf;<br />
am Morgen gleichen sie<br />
dem sprossenden Gras.<br />
Es kommt hervor in der Frühe und grünt,<br />
abgemäht ist es am Abend und welk.<br />
Wahrlich, vor deinem Zorn schwinden wir hin,<br />
durch deinen Grimm<br />
erstarren wir vor Schreck.<br />
Vor deine Augen stelltest du unsere Schuld,<br />
ins Licht deines Angesichts<br />
die verborgene Sünde.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
140
Viertes Buch<br />
All unsere Tage vergingen in deinem Zorn,<br />
wie einen Seufzer verlebten wir<br />
unsere Jahre.<br />
<strong>Die</strong> Fülle unserer Jahre ist siebzig,<br />
und ist Kraft uns beschieden,<br />
so kommen wir auf achtzig.<br />
<strong>Die</strong> meisten von ihnen sind Plage<br />
und vergebliche Mühe;<br />
rasch enteilen sie, im Fluge sind wir dahin.<br />
Wer kann wägen die Gewalt deines Zornes,<br />
wer ermisst in gebührender Furcht<br />
deinen Grimm?<br />
Lehre uns zählen unsere Tage,<br />
auf dass wir gelangen<br />
zur Weisheit des Herzens.<br />
Wende dich wieder zu uns, o Herr!<br />
Wie lange noch?<br />
Deinen Knechten sei gnädig!<br />
Erquicke uns bald mit deinem Erbarmen,<br />
so werden wir jubeln<br />
und froh sein all unsere Tage.<br />
Für die Tage, an denen du uns gezüchtigt,<br />
mache uns froh,<br />
für die Jahre, da wir Böses erfuhren.<br />
Dein Werk mache offenbar deinen Knechten<br />
und ihren Kindern mache kund<br />
deine Herrlichkeit.<br />
Und über uns sei die Güte Gottes,<br />
unseres Herrn.<br />
Und dem Werk unserer Hände<br />
gib deinen Segen,<br />
ja, segne das Werk unserer Hände!<br />
Psalm 91<br />
Der du wohnst im Schutz<br />
des Höchsten,<br />
im Schatten des Allmächtigen weilst:<br />
Sage zum Herrn:<br />
Du meine Burg, meine Zuflucht,<br />
mein Gott, auf den ich vertraue!<br />
Er ist es, der dich befreit<br />
aus der Schlinge des Jägers,<br />
dich rettet vor Verderben und Unheil.<br />
Mit seinen Flügeln beschirmt er dich,<br />
unter seinen Fittichen bist du geborgen,<br />
seine Treue ist dir ein schützender Schild.<br />
Du musst nicht fürchten<br />
das nächtliche Grauen,<br />
nicht am Tag den fliegenden Pfeil;<br />
nicht das Unheil, schleichend im Dunkel;<br />
nicht das Verderben,<br />
das hereinbricht am Mittag.<br />
Und fallen auch tausend an deiner Seite,<br />
zu deiner Rechten zehntausend:<br />
dich wird es nicht treffen.<br />
Mit eigenen Augen wirst du es schauen,<br />
an den Sündern wirst du sehen<br />
die Vergeltung.<br />
Deine Zuversicht ist ja der Herr,<br />
zum Schutz hast du erkoren den Höchsten.<br />
So wird dir begegnen kein Unheil,<br />
keine Plage wird nahen deinem Zelt.<br />
Denn er entbietet für dich seine Engel,<br />
dich zu behüten auf all deinen Wegen.<br />
Sie sollen auf den Händen dich tragen,<br />
dass nicht an einem Stein<br />
sich stoße dein Fuß.<br />
Du wirst gehen über Nattern und Schlangen,<br />
wirst niedertreten Löwen und Drachen.<br />
Er war mir treu, so will ich ihn retten;<br />
ich will ihn schützen,<br />
denn er kennt meinen Namen.<br />
Ruft er mich an, so höre ich ihn,<br />
in allen Nöten bin ich ihm nahe,<br />
ich befreie ihn und bringe ihn zu Ehren.<br />
Ich verleihe ihm die Fülle der Tage<br />
und lasse ihn schauen mein Heil.<br />
141 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Psalm 92<br />
Ein Psalm, ein Lied für den Sabbat.<br />
Gut ist es, zu preisen den Herrn,<br />
deinem Namen, o Höchster, zu singen,<br />
dein Erbarmen zu künden am Morgen<br />
und in der Nacht deine Treue,<br />
zur Zehnsaitenharfe und Leier,<br />
mit Gesängen und Saitenspiel.<br />
Denn dein Walten, o Herr,<br />
erfüllt mich mit Wonne,<br />
über das Werk deiner Hände frohlocke ich.<br />
Wie erhaben sind deine Werke, o Herr,<br />
wie unergründlich deine Gedanken!<br />
Der Unverständige kann es nicht fassen,<br />
nicht wird es erkennen der Tor.<br />
Mögen die Gottlosen gedeihen wie Gras,<br />
und glänzend dastehen, die Böses tun:<br />
Sie sind bestimmt zum Verderben auf immer.<br />
Du aber, Herr, in Ewigkeit bist du erhaben.<br />
Siehe, deine Feinde, o Herr, müssen vergehen,<br />
die Übeltäter alle werden zerstreut.<br />
Wie das Horn des Ur<br />
hast du erhöht meine Kraft,<br />
du hast mich gesalbt mit lauterstem Öl.<br />
Und mein Auge sieht herab auf die Feinde,<br />
frohe Kunde höre ich über die Bösen,<br />
die mich befehden.<br />
Der Gerechte blüht wie die Palme,<br />
wie die Zeder des Libanon wächst er empor.<br />
Sie sind gepflanzt im Hause des Herrn<br />
sie blühen in den Hallen unseres Gottes.<br />
Noch im Alter tragen sie Frucht,<br />
sind voll Saft und voll Leben:<br />
Um zu verkünden:<br />
Der Herr ist gerecht,<br />
er ist mein Fels,<br />
es ist kein Unrecht an ihm.<br />
Psalm 93<br />
Der Herr ist König,<br />
gekleidet in Hoheit;<br />
in Hoheit hat der Herr sich gekleidet,<br />
gegürtet mit Macht.<br />
Fest gegründet hat er den Erdkreis,<br />
dass er nicht wanke.<br />
Fest gegründet ist von Anfang dein Thron,<br />
du bist von Ewigkeit her.<br />
<strong>Die</strong> Wasser erheben, o Herr,<br />
die Wasser erheben ihr Rauschen,<br />
die Wasser erheben ihren donnernden Ruf.<br />
Gewaltiger als vieler Wasser Brausen,<br />
gewaltiger als die Brandung der Meere,<br />
allgewaltig in der Höhe ist Gott.<br />
Glaube gebührt, o Herr, deinem Wort,<br />
Heiligkeit deinem Haus auf immerdar.<br />
Psalm 94<br />
Herr, du Gott der Vergeltung,<br />
Gott der Vergeltung, erscheine!<br />
Erhebe dich, der du richtest die Erde,<br />
vergilt den Stolzen, was sie verdienen.<br />
Wie lange Herr, soll der Sünder,<br />
wie lange der Frevler noch prahlen?<br />
Wie lange sollen in frecher Rede noch<br />
schwatzen,<br />
wie lange sich brüsten, die Böses tun?<br />
Herr, sie zertreten dein Volk,<br />
sie bedrücken dein Erbe.<br />
Witwe und Fremdling morden sie<br />
und richten zugrunde die Waisen.<br />
Und sie sagen:<br />
Nicht sieht es der Herr,<br />
Jakobs Gott, er nimmt es nicht wahr!<br />
Kommt zur Einsicht, ihr Toren im Volk!<br />
Ihr Unverständigen, wann werdet ihr weise?<br />
Der das Ohr gemacht, er sollte nicht hören?<br />
Ps 0,00–0,00<br />
142
Viertes Buch<br />
Und der das Auge gebildet,<br />
er sollte nicht sehen?<br />
Er, der die Völker erzieht,<br />
er sollte nicht züchtigen?<br />
Er, der die Menschen Erkenntnis lehrt?<br />
Der Herr durchschaut<br />
der Menschen Gedanken,<br />
er weiß, wie nichtig sie sind.<br />
Selig der Mann, den du lehrst, o Herr,<br />
den du erziehst in deinem Gesetz.<br />
Dass du Ruhe ihm schaffst vor bösen Tagen,<br />
indes die Grube wird gegraben dem Frevler.<br />
Der Herr wird sein Volk nicht verstoßen,<br />
er wird nicht verlassen sein Erbe.<br />
Denn zu Gerechtigkeit<br />
kehrt zurück das Gericht;<br />
alle, die redlichen Herzens sind,<br />
werden ihr folgen.<br />
Wer steht auf für mich gegen die Bösen,<br />
gegen die Frevler, wer wird mir helfen?<br />
Würde mir nicht helfen der Herr,<br />
bald würde meine Seele wohnen<br />
am Ort des Schweigens.<br />
Und denke ich:<br />
Schon wankt mein Fuß! –<br />
dann stützt mich, Herr, deine Huld.<br />
Wenn im Herzen sich mehrt die Not,<br />
dann erfreut dein Trost meine Seele.<br />
Ihr aber,<br />
steht ihr im Bund mit dem Sitz der Bosheit,<br />
der Qualen schafft unter dem Schein<br />
des Gesetzes?<br />
Mögen sie auf die Seele des Gerechten<br />
sich stürzen<br />
und verdammen unschuldiges Blut.<br />
Wahrlich, der Herr wird mir sein eine Feste,<br />
der Fels meiner Zuflucht ist Gott.<br />
Und ihr Unrecht wird er ihnen vergelten,<br />
er wird sie verderben<br />
durch ihre eigene Bosheit;<br />
ja, verderben wird sie der Herr,<br />
unser Gott.<br />
Psalm 95<br />
Kommt, lasst uns zujubeln<br />
dem Herrn!<br />
Jauchzet ihm zu, dem Fels unseres Heiles!<br />
Vor sein Angesicht tretet mit Lobgesang,<br />
jubelt ihm laut mit Psalmen!<br />
Denn ein großer Gott ist der Herr,<br />
ein König, erhaben über alle die Götter.<br />
In seiner Hand sind die Tiefen der Erde,<br />
die Gipfel der Berge sind sein.<br />
Sein ist das Meer, er hat es gemacht;<br />
sein ist das Land,<br />
von seinen Händen gebildet.<br />
Kommt, fallt nieder und betet ihn an!<br />
Beugt die Knie vor unserem Schöpfer,<br />
dem Herrn!<br />
Denn er ist der Herr, unser Gott,<br />
wir aber sind das Volk seiner Weide,<br />
die Herde an seiner Hand.<br />
O dass ihr heute seine Stimme doch hört!<br />
Macht euere Herzen nicht hart<br />
wie vor dem zu Meriba,<br />
wie in der Wüste am Tage von Massa!<br />
Dort versuchten mich euere Väter;<br />
sie verlangten die Probe von mir,<br />
und hatten doch geschaut meine Werke.<br />
Vierzig Jahre war mir zum Überdruss<br />
dieses Geschlecht;<br />
ich sprach:<br />
Sie sind ein Volk mit irrendem Herzen,<br />
nicht kennen sie meine Wege.<br />
So habe ich geschworen in meinem Zorn:<br />
Nimmer sollen sie kommen<br />
in das Land der Ruhe!<br />
143 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Psalm 96<br />
Singt dem Herrn ein neues Lied,<br />
singt dem Herrn, alle Lande!<br />
Singt dem Herrn und preist seinen Namen,<br />
von Tag zu Tag verkündet sein Heil.<br />
Seine Herrlichkeit kündet unter den Völkern,<br />
seine Wunderwerke vor allen Nationen.<br />
Denn groß ist der Herr<br />
und würdig des Lobes,<br />
mehr zu fürchten als alle die Götter.<br />
Nichtig sind alle Götter der Völker,<br />
der Herr aber hat erschaffen die Himmel.<br />
Vor ihm einher gehen Hoheit und Würde,<br />
Macht und Glanz umstehen seinen<br />
heiligen Thron.<br />
Weiht dem Herrn, ihr Stämme der Völker,<br />
weiht dem Herrn Ehre und Macht!<br />
Ehre weiht dem Herrn,<br />
die seinem Namen gebührt!<br />
Weiht ihm Opfer,<br />
tretet ein in die Hallen des Herrn!<br />
In heiligem Schmuck betet ihn an!<br />
Erbebt vor ihm, alle Lande;<br />
kündet den Völkern: König ist der Herr!<br />
Festgegründet hat er den Erdkreis,<br />
dass er nicht wanke,<br />
nach gleichem Recht regiert er die Völker.<br />
Es freue sich der Himmel,<br />
es jauchze die Erde,<br />
das Meer stimme ein und alles,<br />
was es erfüllt.<br />
Mit allem, was blüht, frohlocke die Flur.<br />
Dann freuen sich vor dem Herrn<br />
die Bäume des Waldes,<br />
denn siehe, er kommt;<br />
er kommt, zu regieren die Erde.<br />
Regieren wird er den Erdkreis nach Recht,<br />
die Völker nach seiner Treue.<br />
Psalm 97<br />
Der Herr ist König,<br />
es jauchze die Erde,<br />
die vielen Inseln mögen sich freuen.<br />
Wolken und Wetterdunkel um ihn,<br />
Recht und Gerechtigkeit<br />
sind das Fundament seines Thrones.<br />
Feuer geht vor ihm her,<br />
und verzehrt seine Feinde ringsum.<br />
Seine Blitze erhellen den Erdkreis,<br />
die Erde schaut es und sie erbebt.<br />
Wie Wachs zerfließen die Berge<br />
vor dem Antlitz des Herrn,<br />
vor dem Antlitz des Herrn aller Welt.<br />
Es künden die Himmel seine Gerechtigkeit,<br />
seine Herrlichkeit schauen die Völker.<br />
Zuschanden werden,<br />
die ihre Knie beugen vor Bildern,<br />
die sich rühmen der Götzen;<br />
nieder fallen alle Götter vor ihm.<br />
Zion hört es und freut sich,<br />
es jauchzen die Städte von Juda,<br />
sie jubeln, o Herr,<br />
über deine Rechtssprüche.<br />
Denn du, o Herr,<br />
bist der Höchste über alle Welt,<br />
hoch erhaben über alle Götter.<br />
Es liebt der Herr, die hassen das Böse,<br />
die Seelen seiner Heiligen hütet er wohl,<br />
er rettet sie aus den Händen der Frevler.<br />
Licht erstrahlt dem Gerechten,<br />
Freude wird zuteil den redlichen Herzen.<br />
So freut euch, ihr Gerechten, im Herrn<br />
und rühmt seinen heiligen Namen!<br />
Ps 0,00–0,00<br />
144
Viertes Buch<br />
Psalm 98<br />
Ein Psalm.<br />
Singt dem Herrn ein neues Lied,<br />
denn Wunderbares hat er getan.<br />
Seine Rechte errang ihm den Sieg,<br />
ja Sieg errang ihm sein heiliger Arm!<br />
Kundgetan hat der Herr sein Heil,<br />
seine Gerechtigkeit enthüllt<br />
vor den Augen der Völker.<br />
Er gedachte seiner Güte und Treue,<br />
seiner Huld gegenüber Israels Haus.<br />
Alle Enden der Erde,<br />
sie haben das Heil unseres Gottes geschaut.<br />
Jubelt dem Herrn, alle Lande!<br />
Freut euch, seid fröhlich und singt!<br />
Lobsingt dem Herrn zum Saitenspiel,<br />
Psalter ertöne und Harfe!<br />
Mit dem Hall der Posaunen und Hörner<br />
jubelt vor ihm, dem König und Herrn!<br />
Seine Stimme erhebe das Meer und alles,<br />
was es erfüllt,<br />
der Erdkreis und die ihn bewohnen.<br />
Klatscht in die Hände, ihr Ströme,<br />
ihr Berge, stimmt ein in den Jubel!<br />
Im Angesicht des Herrn, wenn er kommt,<br />
die Erde zu richten.<br />
Er richtet den Erdkreis gerecht<br />
und die Völker nach Gerechtigkeit.<br />
Psalm 99<br />
Der Herr ist König, es zittern<br />
die Völker.<br />
Er thront über den Kerubim,<br />
die Erde erbebt.<br />
Groß ist der Herr auf Zion,<br />
erhaben über alle die Völker.<br />
Sie sollen preisen deinen großen<br />
und furchtbaren Namen;<br />
denn er ist heilig.<br />
Des Königs Macht ist, dass er das Recht liebt.<br />
Du bist es, der begründet, was recht ist;<br />
du schaffst in Jakob Recht und Gerechtigkeit.<br />
Erhebt den Herrn, unseren Gott,<br />
vor dem Schemel seiner Füße beugt die Knie,<br />
denn er ist heilig.<br />
Mose und Aaron aus der Schar seiner Priester,<br />
und Samuel aus jenen,<br />
die seinen Namen bekannten:<br />
sie riefen zum Herrn und er erhörte sie.<br />
Aus der Wolkensäule sprach er zu ihnen,<br />
sie hörten auf seine Befehle<br />
und die Satzung, die er ihnen verlieh.<br />
Herr, unser Gott, du hast sie erhört,<br />
o Gott, du warst ihnen gnädig,<br />
streng aber hast du gestraft ihre Sünde.<br />
Erhebt den Herrn, unseren Gott,<br />
fallt nieder an seinem heiligen Berg;<br />
denn der Herr, unser Gott, ist heilig.<br />
Psalm 100<br />
Ein Psalm zur Danksagung.<br />
Jubelt dem Herrn, alle Lande,<br />
in Freuden dient dem Herrn,<br />
vor sein Angesicht kommt mit Jauchzen!<br />
Wisst: Der Herr ist Gott.<br />
Er hat uns geschaffen, wir sind sein Eigen:<br />
sein Volk sind wir,<br />
die Herde auf seiner Weide.<br />
Tretet ein durch seine Tore<br />
mit Liedern des Dankes,<br />
in seine Hallen mit Lobgesang,<br />
verherrlicht ihn und preist seinen Namen!<br />
Der Herr ist gütig,<br />
sein Erbarmen währet in Ewigkeit,<br />
von Geschlecht zu Geschlecht seine Treue.<br />
145 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Psalm 101<br />
Ein Psalm von David.<br />
Singen will ich von Gnade<br />
und Gerechtigkeit,<br />
auf der Harfe will ich dir spielen, o Gott.<br />
Einhergehen will ich auf schuldlosem Wege;<br />
wann wirst du kommen zu mir?<br />
Ich will wandeln in der Reinheit des Herzens<br />
in meinem Hause.<br />
Nicht stelle ich mir vor Augen,<br />
eine Sache, die Sünde ist.<br />
Wer Böses verübt, den hasse ich,<br />
nicht habe ich Gemeinschaft mit ihm.<br />
Ein ruchloses Herz sei mir fern;<br />
was böse ist, will ich nicht kennen.<br />
Wer insgeheim seinen Nächsten verleumdet,<br />
den will ich vernichten.<br />
Wer stolzen Blickes ist<br />
und aufgeblasenen Sinnes,<br />
ich will ihn nicht dulden.<br />
Meine Augen suchen im Land die Getreuen,<br />
sie sollen wohnen bei mir.<br />
Wer wandelt auf rechtem Weg,<br />
der soll mir dienen.<br />
Nicht darf im Hause mir wohnen,<br />
der übet Betrug.<br />
Und wer lügnerisch redet,<br />
vor meinen Augen soll er nimmer bestehen.<br />
Morgen für Morgen vernichte ich alle Frevler<br />
im Land,<br />
und banne aus der Stadt meines Herrn<br />
alle die Bösen.<br />
Psalm 102<br />
Gebet eines Bedrückten, der in seiner Not dem Herrn<br />
sein Leid klagen will.<br />
Erhöre, Herr, mein Gebet,<br />
mein Rufen komme zu dir.<br />
Nicht verhülle vor mir dein Angesicht<br />
am Tag meiner Bedrängnis.<br />
Neige zu mir dein Ohr;<br />
wenn ich rufe zu dir, erhöre mich bald.<br />
Denn meine Tage entschwinden wie Rauch,<br />
in meinen Gliedern brennt es wie Feuer.<br />
Versengt wie das Gras<br />
und verdorrt ist mein Herz;<br />
ich vergaß, zu essen mein Brot.<br />
Ich zehre mich auf in Seufzen,<br />
es haftet an der Haut mein Gebein.<br />
Ich gleiche der Dohle in der Wüste,<br />
bin geworden wie im Gemäuer die Eule.<br />
Ich finde keinen Schlaf und ich klage<br />
wie auf dem Dach der verlassene Vogel.<br />
Immerfort höhnen mich meine Feinde;<br />
im Mund meiner Hasser<br />
wurde mein Name zum Fluch.<br />
Denn ich esse mein Brot wie Asche,<br />
und mein Trank vermischt sich mit Tränen<br />
vor deinem grimmigen Zorn;<br />
denn du hast mich erhöht,<br />
nun aber wirfst du mich nieder.<br />
Meine Tage sind wie wachsende Schatten,<br />
und ich verdorre wie Gras.<br />
Du aber, Herr, bleibst in Ewigkeit,<br />
und dein Name währt<br />
durch alle Geschlechter.<br />
Du wirst dich erheben<br />
und über Zion erbarmen,<br />
denn gekommen ist die Zeit,<br />
dass du dich seiner erbarmst;<br />
schon ist die Stunde gekommen.<br />
Zions Steine sind deinen Knechten teuer,<br />
über seine Trümmer erheben sie Klage.<br />
Dann werden die Völker deinen Namen<br />
fürchten, o Herr,<br />
und alle Könige der Erde<br />
vor deiner Hoheit sich neigen.<br />
Wenn der Herr von neuem Zion erbaut,<br />
wenn er in Herrlichkeit wird erscheinen;<br />
wenn er sich zukehrt dem Ruf der Armen<br />
Ps 0,00–0,00<br />
146
Viertes Buch<br />
und nicht mehr verwirft ihr Gebet.<br />
Aufgeschrieben werde dies für das neue<br />
Geschlecht,<br />
und das Volk, das erschaffen wird,<br />
lobsinge dem Herrn.<br />
Denn herabgeschaut hat der Herr von seinem<br />
erhabenen Heiligtum,<br />
auf die Erde blickt er nieder vom Himmel,<br />
dass er höre der Gefangenen Stöhnen,<br />
dass er befreie, die dem Tod geweiht,<br />
dass der Name des Herrn<br />
verkündet werde auf Zion,<br />
sein Ruhm in Jerusalem,<br />
wenn dort sich versammeln die Völker<br />
und die Reiche,<br />
auf dass sie dienen dem Herrn.<br />
Auf dem Weg schon hat er aufgezehrt<br />
meine Kraft,<br />
er schnitt mir ab meine Tage.<br />
Ich sage:<br />
Nicht raffe mich weg aus der Mitte meiner<br />
Tage, o Gott,<br />
du, dessen Jahre überdauern<br />
alle Geschlechter.<br />
Im Anbeginn erschufst du die Erde,<br />
und der Himmel ist das Werk deiner Hände.<br />
Jene werden vergehen, du aber bleibst;<br />
wie ein Gewand veralten sie alle.<br />
Du wechselst sie wie ein Kleid,<br />
und sie wandeln sich.<br />
Du aber bist derselbe,<br />
und deine Jahre haben kein Ende.<br />
<strong>Die</strong> Kinder deiner Knechte werden wohnen<br />
in Sicherheit,<br />
und ihr Stamm wird bleiben vor dir<br />
auf immer.<br />
Psalm 103<br />
Von David.<br />
Preise, meine Seele, den Herrn!<br />
Alles in mir<br />
lobpreise seinen heiligen Namen!<br />
Preise, meine Seele, den Herrn<br />
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!<br />
Er vergibt dir all deine Schuld,<br />
alle Gebrechen will er dir heilen.<br />
Dein Leben erlöst er vom Untergang,<br />
er krönt dich mit Huld und Erbarmen.<br />
Dein Leben erfüllt er mit Gütern,<br />
wie dem Adler wird deine Jugend dir neu.<br />
Werke der Gerechtigkeit vollbringt der Herr,<br />
den Unterdrückten schafft er Recht.<br />
Kundgetan dem Mose hat er seine Wege,<br />
Israels Kindern sein Walten.<br />
Der Herr ist barmherzig und gnädig,<br />
zögernd im Zorn und reich an Erbarmen.<br />
Er hadert nicht immer,<br />
nicht ewig währt sein Zürnen.<br />
Nicht handelt er an uns nach unseren Sünden,<br />
und nach den Missetaten vergilt er uns nicht.<br />
Denn so hoch der Himmel über der Erde,<br />
so groß ist seine Barmherzigkeit<br />
gegen die Frommen.<br />
So weit der Aufgang vom Niedergang,<br />
so weit entfernt er von uns die Schuld.<br />
Gleich wie ein Vater sich erbarmt der Kinder,<br />
so erbarmt sich der Herr aller,<br />
die ihn fürchten.<br />
Weiß er doch, welch ein Gebilde wir sind;<br />
er weiß, wir entstammen dem Staub.<br />
Des Menschen Tage gleichen dem Gras,<br />
er blüht wie die Blume des Feldes.<br />
Ein Hauch des Windes, schon ist sie dahin,<br />
und der Ort, wo sie stand hat sie vergessen.<br />
Doch immer und ewig währt die Huld<br />
des Herrn über denen, die ihn fürchten,<br />
und sein Heil über Kindeskindern.<br />
Mit jenen, die seinem Bund getreu,<br />
147 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
die bedacht sind, zu handeln<br />
nach seinen Geboten.<br />
Seinen Thron hat der Herr bereitet<br />
im Himmel,<br />
seine Königsmacht gebietet dem Weltall.<br />
Preist den Herrn, all seine Engel,<br />
ihr Gewaltigen,<br />
die ihr vollführt seine Befehle,<br />
gehorsam seinem gebietenden Wort.<br />
Preist den Herrn, alle himmlischen Heere,<br />
ihr, seine <strong>Die</strong>ner,<br />
die ihr vollführt seinen Willen!<br />
Preist den Herrn, all seine Werke,<br />
an jedem Ort seiner Herrschaft!<br />
Du, meine Seele, preise den Herrn!<br />
Psalm 104<br />
Preise, meine Seele, den Herrn,<br />
Herr, mein Gott, wie bist du überaus groß!<br />
Gekleidet bist du in Hoheit und Würde,<br />
wie ein Mantel umhüllt dich das Licht.<br />
Den Himmel hast du ausgespannt wie ein Zelt,<br />
deine Wohnung errichtet über den Wassern.<br />
<strong>Die</strong> Wolken machst du dir zum Wagen,<br />
auf Sturmesflügeln fährst du dahin.<br />
Zu deinen Boten bestellst du die Winde,<br />
zu deinen <strong>Die</strong>nern das zündende Feuer.<br />
Fest gegründet auf Pfeiler hast du die Erde,<br />
in alle Zeiten wird sie nicht wanken.<br />
Du hast sie umhüllt mit dem Kleid der Fluten,<br />
über den Bergen standen die Wasser.<br />
Sie wichen zurück<br />
vor deinem drohenden Wort,<br />
erbebten vor deiner donnernden Stimme.<br />
<strong>Die</strong> Berge hoben sich,<br />
die Täler senkten sich nieder,<br />
an die Stätte, die du ihnen geschaffen hast.<br />
Eine Grenze hast du gezogen den Wassern,<br />
nicht dürfen sie die überschreiten,<br />
nicht überfluten die Erde.<br />
Du bist es, der die Quellen ergießt in die Bäche,<br />
durch die Berge rauschen sie hin.<br />
Zu trinken geben sie allen Tieren des Feldes,<br />
die Wildesel der Steppe stillen aus<br />
ihnen den Durst.<br />
Es wohnen an den Ufern<br />
die Vögel des Himmels,<br />
aus den Zweigen tönt ihr Gesang.<br />
Du tränkst aus deinen Kammern die Berge,<br />
von der Frucht deiner Werke<br />
wird gesättigt das Land.<br />
Gras lässt du sprossen dem Vieh,<br />
Gewächse, dass sie dienen dem Menschen,<br />
dass er gewinne aus dem Boden das Brot<br />
und Wein, der das Herz ihm erfreut,<br />
er salbe sein Antlitz mit Öl,<br />
dass erstarke des Menschen Herz<br />
durch das Brot.<br />
Auch die Bäume des Herrn,<br />
sie trinken sich satt,<br />
die Zedern des Libanon, die er gepflanzt.<br />
Dort bauen ihre Nester die Vögel,<br />
auf der Zypresse horsten die Störche.<br />
Dem Steinbock gehören die Höhen der Berge,<br />
der Klippendachs ist geborgen<br />
in Felsenklüften.<br />
Du bist es, der geschaffen den Mond,<br />
dass er messe die Zeiten,<br />
die Sonne weiß ihren Untergang.<br />
Du rufst die Finsternis<br />
und die Nacht bricht an,<br />
dann streifen umher die Tiere des Waldes.<br />
Nach Beute brüllen die Jungen des Löwen,<br />
sie fordern vom Herrn ihre Nahrung.<br />
Da erhebt sich die Sonne<br />
und sie weichen zurück<br />
und bergen sich in den Höhlen.<br />
Der Mensch geht aus, zu schaffen sein Werk,<br />
seine Arbeit bis an den Abend.<br />
Wie vielgestaltig sind deine Werke, o Herr!<br />
Alles hast du geschaffen in Weisheit,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
148
Viertes Buch<br />
erfüllt ist die Erde von deinen Geschöpfen.<br />
Siehe, groß und weithin gebreitet ist das Meer,<br />
ohne Zahl ist in ihm<br />
das Gewimmel der Wesen,<br />
kleines und großes Getier.<br />
Dort ziehen Schiffe einher;<br />
dort zieht der Leviatan, den du geschaffen,<br />
im Meer sich zu tummeln.<br />
Alle Wesen warten auf dich,<br />
dass du Speise ihnen gibst zur rechten Zeit.<br />
Du spendest ihnen und sie sammeln es ein,<br />
du öffnest deine Hand<br />
und sie werden gesättigt mit Gutem.<br />
Verbirgst du dein Angesicht,<br />
so vergehen sie in Furcht;<br />
nimmst du ihnen den Atem,<br />
so schwinden sie hin<br />
und sinken zurück in den Staub.<br />
Du sendest aus deinen Hauch<br />
und sie werden geschaffen,<br />
und das Angesicht der Erde machst du neu.<br />
Dem Herrn sei Ehre in Ewigkeit,<br />
es freue sich der Herr seiner Werke.<br />
Er, der hinblickt zur Erde, und sie erbebt,<br />
der die Berge berührt, und sie rauchen.<br />
Dem Herrn will ich singen mein Leben lang,<br />
will ihn preisen mit Psalmen,<br />
solange ich bin.<br />
Möge ihm gefallen mein Lied;<br />
ich aber will mich freuen im Herrn.<br />
Dass doch schwinden von der Erde die Sünder,<br />
nicht mehr sollen Gottlose sein!<br />
Preise, meine Seele, den Herrn!<br />
Halleluja!<br />
Psalm 105<br />
Preist den Herrn, ruft aus<br />
seinen Namen,<br />
macht kund seine Werke unter den Völkern!<br />
Singt ihm, spielt ihm,<br />
erzählt all seine Wunder!<br />
Rühmt euch in seinem heiligen Namen!<br />
<strong>Die</strong> suchen den Herrn,<br />
ihre Herzen sollen sich freuen!<br />
Schaut auf den Herrn<br />
und schaut seine Macht,<br />
sein Angesicht sucht allezeit.<br />
Denkt an die Wunder, die er vollbrachte,<br />
an seine Zeichen<br />
und den Spruch seines Mundes,<br />
ihr Söhne Abrahams, seines Knechtes,<br />
ihr Söhne Jakobs, seines Erwählten!<br />
Er ist der Herr, unser Gott,<br />
gültig in aller Welt sind seine Urteile.<br />
Er gedenkt seines Bundes auf ewig,<br />
seiner Verheißung, gewährt für tausend<br />
Geschlechter,<br />
des Bundes, den er geschlossen mit Abraham,<br />
des Eides, den er Isaak schwur.<br />
Den er setzte für Jakob als festen Beschluss,<br />
zu ewigem Bündnis für Israel.<br />
Und er sprach:<br />
Dir gebe ich Kanaan<br />
zu deinem Anteil und Erbe.<br />
Als sie gering noch an Zahl,<br />
wenige nur und Gäste im Land,<br />
als sie zogen von Stamm zu Stamm,<br />
von einem Volk zum anderen Volk,<br />
da ließ er nicht zu, dass sie einer bedrücke,<br />
um ihretwillen strafte er Könige:<br />
Meine Gesalbten rührt nicht an,<br />
tut nicht Böses meinen Propheten!<br />
Und er rief den Hunger über das Land,<br />
jeden Brotstab zerbrach er ihnen.<br />
Er sandte ihnen voraus einen Mann:<br />
Josef, der verkauft wurde als Sklave.<br />
Sie legten seine Füße in Fesseln,<br />
sie zwängten seinen Hals in eiserne Haft,<br />
bis erfüllt war, was er vorausgesagt,<br />
bis das Wort des Herrn ihn bezeugte.<br />
Der König sandte, ihm zu lösen die Fesseln,<br />
149 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
der Fürst der Völker, er machte ihn frei.<br />
Zum Herrn setzte ihn dieser über sein Haus,<br />
zum Höchsten über all seine Güter.<br />
Er leite nach seinem Willen die Edlen,<br />
und seine Ältesten lehre er Weisheit.<br />
Danach zog Israel nach Ägypten,<br />
ein Gast war Jakob im Land des Ham.<br />
Und gewaltig mehrte der Herr sein Volk,<br />
machte es stärker als seine Bedränger.<br />
Er verkehrte ihr Herz, sein Volk zu hassen,<br />
Arglist zu üben an seinen Knechten.<br />
Nun sandte er Mose, seinen Knecht,<br />
und sandte Aaron, den er erkoren.<br />
Sie wirkten seine Zeichen vor ihnen,<br />
große Wunder im Lande des Ham.<br />
Finsternis sandte er, Finsternis brach herein,<br />
sie aber widerstanden seinen Befehlen.<br />
Er wandelte ihre Gewässer in Blut,<br />
ihre Fische ließ er sterben.<br />
Von Fröschen ließ er wimmeln ihr Land<br />
bis hinein in die Gemächer des Königs.<br />
Er sprach und es kamen Schwärme von Fliegen,<br />
stechende Mücken über all ihre Grenzen.<br />
Hagel gab er ihnen statt Regen,<br />
verzehrendes Feuer fiel auf ihr Land.<br />
Und er schlug ihnen Rebe und Feige,<br />
in allen Marken zerbrach er die Bäume.<br />
Er sprach und die Heuschrecke kam,<br />
und zahllos die gefräßige Grille.<br />
Und sie fraßen alles, was grün im Land,<br />
sie fraßen die Frucht ihrer Äcker.<br />
Und er schlug im Land alle Erstgeburt,<br />
die Erstlinge all ihrer Manneskraft.<br />
Und er führte sie heraus mit Silber und Gold,<br />
es war kein Siecher in ihren Stämmen.<br />
Ihres Auszuges waren froh die Ägypter;<br />
denn es hatte Furcht sie befallen vor ihnen.<br />
Eine Wolke spannte er aus, sie zu decken,<br />
Feuerschein gab er, zu erleuchten die Nacht.<br />
Sie begehrten, da führte er Wachteln herbei<br />
und er machte sie satt mit dem Brot<br />
vom Himmel.<br />
Auf tat er den Felsen, da rauschte das Wasser<br />
und ging als ein Strom durch die Steppe.<br />
Denn er gedachte seines heiligen Wortes,<br />
das er Abraham gab, seinem Knecht.<br />
Und er führte sein Volk heraus unter Jubel,<br />
seine Auserwählten unter Frohlocken.<br />
Und gab ihnen die Länder der Heiden,<br />
und sie nahmen sich die Schätze der Völker,<br />
auf dass sie hielten seine Gesetze<br />
und achteten sein Gebot.<br />
Halleluja!<br />
Psalm 106<br />
Preist den Herrn,<br />
denn er ist gut;<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />
Wer mag erzählen die mächtigen Taten<br />
des Herrn,<br />
wer mag künden all seinen Ruhm?<br />
Selig, die handeln nach seinen Geboten,<br />
Gerechtigkeit üben zu aller Zeit.<br />
Gedenke meiner, o Herr, gedenke in Liebe<br />
deines Volkes,<br />
mit deiner Hilfe suche mich auf,<br />
dass ich mich labe am Glück deiner Erwählten,<br />
an deines Volkes Freude mich freue,<br />
mich rühmen darf samt deinem Erbe.<br />
Wir haben gesündigt wie unsere Väter,<br />
wir haben Unrecht getan<br />
und haben gefrevelt.<br />
Unsere Väter im Land Ägypten,<br />
sie achteten nicht deiner Wunder;<br />
sie gedachten nicht der Fülle deiner<br />
Erbarmungen,<br />
am Schilfmeer wurden sie Empörer gegen<br />
den Höchsten.<br />
Doch um seines Namens willen befreite er sie,<br />
um kundzutun seine Macht.<br />
Er drohte dem Schilfmeer, da wurde es trocken,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
150
Viertes Buch<br />
und er führte sie durch die Fluten<br />
wie durch die Steppe.<br />
Er rettete sie aus des Hassers Gewalt<br />
und erlöste sie aus den Händen der Feinde.<br />
Und die Wasser deckten zu ihre Gegner,<br />
nicht einer davon blieb am Leben.<br />
Da glaubten sie seinen Worten<br />
und sie sangen sein Lob.<br />
Doch bald vergaßen sie wieder, was er getan,<br />
seinem Rate wollten sie nicht mehr<br />
vertrauen.<br />
In der Wüste folgten sie ihrer Begierde,<br />
im öden Land versuchten sie Gott.<br />
Da gab er ihnen, was sie begehrten,<br />
doch schaffte er ihnen Überdruss und Ekel.<br />
Sie wurden im Lager eifersüchtig auf Mose<br />
und eiferten gegen Aaron,<br />
den Geweihten des Herrn.<br />
Da öffnete sich die Erde<br />
und sie verschlang den Datan<br />
und sie begrub die Rotte Abirams.<br />
Und gegen ihre Scharen<br />
brach ein Feuer hervor,<br />
die Flamme verzehrte die Frevler.<br />
Am Horeb schufen sie sich ein Kalb,<br />
warfen sich nieder vor dem Bildwerk,<br />
das sie gegossen aus Gold.<br />
Und sie vertauschten den allherrlichen Gott<br />
gegen das Bild des Stiers,<br />
der sich nährt von Gras.<br />
Gott vergaßen sie, der sie errettet hat,<br />
der große Zeichen gewirkt hat in Ägypten:<br />
Wunderbares im Land des Ham,<br />
furchterregende Zeichen am Schilfmeer.<br />
Schon gedachte der Herr,<br />
sie ganz zu verderben,<br />
wäre nicht Mose gewesen, sein Erwählter.<br />
Der trat vor ihn hin, seinen Zorn abzuwenden,<br />
auf dass er sie nicht verderbe.<br />
Und sie verschmähten das gepriesene Land,<br />
seiner Verheißung trauten sie nicht.<br />
Es erhob sich in ihren Zelten ein Murren,<br />
und sie hörten nicht auf die Stimme<br />
des Herrn.<br />
Da schwur er ihnen mit erhobener Hand,<br />
sie niederzustrecken in der Wüste,<br />
ihr Geschlecht zu zerstreuen unter die Völker,<br />
weithin sie zu zersprengen über die Lande.<br />
Und sie ergaben sich dem Baal-Pegor<br />
und aßen von den Opfern für leblose Götzen.<br />
Mit ihren Freveltaten riefen sie hervor<br />
seinen Zorn,<br />
und schweres Unheil kam über sie.<br />
Da stand Pinhas auf und übte Gericht;<br />
und Einhalt war geboten dem Unheil.<br />
Und es wurde ihm angerechnet als<br />
Gerechtigkeit<br />
für alle Geschlechter auf immer.<br />
Und wieder erzürnten sie ihn<br />
bei den Wassern von Meriba,<br />
ihretwegen musste es Mose entgelten.<br />
Denn erbittert hatten sie sein Gemüt,<br />
und unbedacht kam es ihm von den Lippen.<br />
Nicht trieben sie aus dem Lande die Völker,<br />
wie es geboten der Herr.<br />
Sie ließen sich ein mit den Heiden,<br />
ihr Treiben nahmen sie an.<br />
Sie dienten nun ihren Götzen,<br />
die wurden ihnen zur Falle.<br />
Zum Opfer brachten sie dar ihre Söhne,<br />
ihre Töchter gaben sie hin den Dämonen.<br />
Und vergossen unschuldiges Blut,<br />
das Blut ihrer Söhne und Töchter,<br />
das zum Opfer sie brachten<br />
den Götzen von Kanaan.<br />
So wurde mit Blut besudelt ihr Land,<br />
durch ihre Werke entweihten sie sich<br />
und wurden der Untreue schuldig<br />
durch ihre Frevel.<br />
Da entbrannte gegen sein Volk<br />
der Zorn des Herrn,<br />
zum Abscheu wurde ihm sein Erbe.<br />
In die Hand der Völker ließ er sie fallen,<br />
und es herrschten über sie ihre Hasser.<br />
151 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Und ihre Feinde bedrückten sie,<br />
ihre Fäuste zwangen sie nieder.<br />
Oftmals hat er sie wieder errettet,<br />
sie aber reizten ihn durch ihre Pläne<br />
und sanken hin für ihre Vergehen.<br />
Doch wieder schaute er hin auf ihre Bedrängnis,<br />
sobald er ihr Flehen vernommen,<br />
und gedachte seines Bundes und war ihnen gnädig,<br />
und er wandte seinen Sinn aus großem Erbarmen.<br />
Und Erbarmen ließ er sie finden bei allen,<br />
die sie fortgeführt hatten in Gefangenschaft.<br />
Rette uns, Herr, unser Gott,<br />
und führe uns heim aus den Völkern,<br />
auf dass wir preisen deinen heiligen Namen,<br />
in deinem Lob uns rühmen.<br />
Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, immer und ewig.<br />
Und alles Volk soll sprechen:<br />
Amen, so sei es!<br />
Halleluja!<br />
Ps 0,00–0,00<br />
152
Viertes Buch<br />
Fünftes Buch<br />
Psalm 107<br />
Preist den Herrn, denn er ist gut,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />
So sollen sprechen die Erlösten des Herrn,<br />
die er befreit aus den Händen<br />
des Feindes,<br />
die er zusammengeführt aus den Landen,<br />
von Aufgang und Niedergang,<br />
von Nord und vom Süd.<br />
Im öden Land irrten sie umher, in der Wüste,<br />
nicht fanden sie den Weg<br />
zu wohnlicher Stätte.<br />
Sie litten Hunger und Durst,<br />
ihr Leben war am Erlöschen.<br />
Und sie schrien zum Herrn in ihrer Bedrängnis,<br />
und er befreite sie aus all ihren Ängsten.<br />
Und er führte sie auf geradem Weg,<br />
dass sie kamen zu wohnlicher Stätte.<br />
Danken sollen sie dem Herrn für all seine Huld,<br />
für die Wunder,<br />
die er den Menschenkindern getan hat.<br />
Denn die Hungernden hat er gesättigt,<br />
die Darbenden mit Gütern erfüllt.<br />
Sie saßen in Dunkel und Todesschatten,<br />
gefesselt in Elend und Eisen.<br />
153 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Denn sie hatten getrotzt dem Wort des Herrn<br />
und gering geachtet den Ratschluss<br />
des Höchsten.<br />
Darum beugte er durch Trübsal ihr Herz,<br />
sie sanken dahin und niemand war da,<br />
sie zu halten.<br />
Und sie schrien zum Herrn<br />
in ihrer Bedrängnis,<br />
und er befreite sie aus all ihren Ängsten.<br />
Und er führte sie heraus aus Dunkel<br />
und Todesschatten,<br />
und er zerriss ihre Fesseln.<br />
Danken sollen sie dem Herrn<br />
für all seine Huld,<br />
für die Wunder, die er den Menschen getan.<br />
Denn er sprengte die ehernen Tore,<br />
die Eisenriegel brach er entzwei.<br />
Wegen ihrer Sünden waren sie kraftlos,<br />
sie mussten büßen für ihre Vergehen.<br />
Alle Speisen verschmähten sie,<br />
sie waren nahe den Pforten des Todes.<br />
Und sie schrien zum Herrn<br />
in ihrer Bedrängnis,<br />
und er befreite sie aus all ihren Ängsten.<br />
Er sandte sein Wort und heilte sie<br />
und entriss sie dem Untergang.<br />
Danken sollen sie dem Herrn<br />
für all seine Huld,<br />
für die Wunder, die er den Menschen getan.<br />
Und sie sollen ihm weihen Opfer des Dankes<br />
und seine Werke verkünden in Freude.<br />
<strong>Die</strong> auf ihren Schiffen befuhren das Meer<br />
und Handel trieben auf großen Wassern,<br />
sie schauten die Taten des Herrn,<br />
in der Tiefe schauten sie seine Wunder.<br />
Er sprach und weckte den Sturmwind,<br />
der trug zur Höhe empor seine Wogen.<br />
Sie stiegen empor zum Himmel,<br />
stürzten hinab in die Tiefe,<br />
jene aber vergingen in Qual.<br />
Wie trunken schwankten sie hin und her,<br />
all ihr Können hatte ein Ende.<br />
Und sie schrien zum Herrn<br />
in ihrer Bedrängnis,<br />
und er befreite sie aus all ihren Ängsten.<br />
Er stillte den Sturm zu sanfterem Wehen,<br />
und ruhig wurden die Wogen des Meeres.<br />
Und sie freuten sich, dass es stille war,<br />
und er führte sie zum ersehnten Hafen.<br />
Danken sollen sie dem Herrn<br />
für all seine Huld,<br />
für die Wunder, die er den Menschen getan.<br />
Und sie sollen ihm danken<br />
in der Versammlung des Volkes,<br />
im Rat der Alten ihn loben.<br />
Ströme hat er gewandelt in Wüste,<br />
und Wasserquellen in dürstendes Land,<br />
fruchtbares Land in salzige Steppe,<br />
wegen der Bosheit seiner Bewohner.<br />
Und wieder machte er die Wüste zum See,<br />
verdorrtes Land zu Quellen von Wasser.<br />
Den Hungernden wies er dort Sitze an,<br />
sich zu gründen eine wohnliche Stätte.<br />
Und sie bestellten das Feld<br />
und pflanzten den Weinberg<br />
und hielten reichliche Ernte.<br />
Er segnete sie<br />
und mächtig vermehrten sie sich,<br />
und er gab ihnen nicht wenige Herden.<br />
Und wieder wurden sie klein an Zahl,<br />
und wieder gebeugt von Unglück und Not.<br />
Doch er, der Verachtung wirft über Fürsten,<br />
der sie irren lässt durch weglose Steppe,<br />
er hob die Armen empor aus dem Elend,<br />
und die Geschlechter machte er zahlreich<br />
wie Herden.<br />
Das sehen die Gerechten und freuen sich,<br />
und jede Bosheit schließt ihren Mund.<br />
Wer ist weise, dass er dieses bedenke?<br />
Wer begreift die Gnaden des Herrn?<br />
Ps 0,00–0,00<br />
154
Fünftes Buch<br />
Psalm 108<br />
Ein Lied; ein Psalm von David.<br />
Psalm 109<br />
Dem Chormeister; von David; ein Psalm.<br />
Mein Herz ist bereit, o Gott,<br />
mein Herz ist bereit<br />
ich will dir singen und spielen.<br />
Wach auf, meine Seele!<br />
Psalter und Harfe, wacht auf!<br />
Ich will das Morgenrot wecken.<br />
Unter den Völkern will ich dich preisen,<br />
o Herr,<br />
unter den Nationen will ich dir singen.<br />
Denn bis an den Himmel<br />
reicht dein Erbarmen,<br />
bis an die Wolken reicht deine Treue.<br />
Zeige dich in deiner Hoheit am Himmel,<br />
o Gott,<br />
über die ganze Erde<br />
gehe auf deine Herrlichkeit!<br />
Ja, dass gerettet werden deine Geliebten,<br />
sende Hilfe mit deiner Rechten, erhöre uns.<br />
In seinem Heiligtum hat Gott einst<br />
gesprochen:<br />
Frohlockend will ich Sichem verteilen,<br />
vermessen will ich das Tal von Sukkot.<br />
Mein ist Gilead und mein ist Manasse,<br />
und Efraim ist der Helm meines Hauptes,<br />
mein Zepter ist Juda.<br />
Doch Moab sei mir Schüssel zum Waschen,<br />
auf Edom setze ich meinen Schuh<br />
und triumphieren will ich<br />
über das Land der Philister.<br />
Wer bringt mich hin zu der festen Stadt?<br />
Wer wird mich geleiten nach Edom?<br />
Hast du uns nicht verstoßen, o Gott,<br />
und ziehst nicht mehr aus, o Gott,<br />
mit unseren Heeren?<br />
Schaffe uns Hilfe gegen den Feind,<br />
denn der Menschen Hilfe ist nutzlos.<br />
Mit Gott werden wir tapfer streiten<br />
und er wird niedertreten unsere Feinde.<br />
Gott, dem ich lobsinge,<br />
o schweige nicht!<br />
Denn aufgetan hat sich gegen mich<br />
der Heuchler gottloser Mund.<br />
Sie sprachen zu mir mit lügender Zunge,<br />
mit Worten des Hasses umgaben sie mich,<br />
sie bekämpften mich ohne Grund.<br />
Meiner Liebe zum Lohn verklagten sie mich,<br />
ich aber, ich bete.<br />
Sie vergalten mir Gutes mit Bösem,<br />
meine Liebe mit Hass.<br />
Bestelle gegen ihn einen Frevler,<br />
einen Kläger zu seiner Rechten.<br />
Als ein Schuldiger gehe er aus dem Gericht,<br />
seine Bitten seien umsonst.<br />
Ihm seien beschieden nur wenige Tage,<br />
sein Amt erhalte ein anderer.<br />
Seine Kinder sollen werden zu Waisen,<br />
zur Witwe werde seine Frau.<br />
Unstet sollen seine Kinder umherziehen<br />
und betteln,<br />
hinausgejagt aus ihren verwüsteten<br />
Häusern.<br />
All seine Habe werde des Wucherers Beute,<br />
die Frucht seiner Mühen<br />
soll ihm plündern der Fremde.<br />
Niemand bezeige ihm Schonung;<br />
niemand sei da,<br />
der sich erbarme der Waisen.<br />
Sein Stamm sei verfallen dem Untergang,<br />
im nächsten Geschlecht<br />
soll erlöschen sein Name.<br />
Unvergessen bleibe dem Herrn die Schuld<br />
seiner Väter,<br />
die Sünde seiner Mutter sei ungesühnt.<br />
Immerwährend seien sie gegenwärtig<br />
dem Herrn,<br />
auf Erden lösche er aus sein Gedächtnis.<br />
Denn niemals übte er je Erbarmen,<br />
155 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
er verfolgte den Menschen,<br />
der elend und arm,<br />
dem Leidgeprüften ging er ans Leben.<br />
Er wollte den Fluch, so komme er über ihn;<br />
er verschmähte den Segen,<br />
so soll er ihn fliehen.<br />
Der Fluch zog er an wie ein Gewand,<br />
in sein Inneres soll er eindringen<br />
wie Wasser,<br />
in sein Gebein soll er dringen wie Öl.<br />
Ja, er umhülle ihn wie ein Kleid,<br />
wie ein Gürtel, der ihn allzeit umschließt!<br />
<strong>Die</strong>s sei der Lohn des Herrn für jene,<br />
die mich verklagen,<br />
die Böses gegen mich reden.<br />
Du aber, Herr und Gott,<br />
um deines Namens willen<br />
steh mir zur Seite;<br />
rette mich in deinem milden Erbarmen!<br />
Denn elend bin ich und hilflos,<br />
im tiefsten Herzen verwundet.<br />
Wie der Schatten, wenn er sich neigt,<br />
so schwinde ich hin;<br />
ich werde abgeschüttelt,<br />
der Heuschrecke gleich.<br />
Entkräftet sind meine Knie vom Fasten,<br />
und abgezehrt schwindet mein Fleisch.<br />
Ich bin geworden ihnen zum Hohn;<br />
wenn sie mich sehen,<br />
sie schütteln das Haupt.<br />
Hilf mir, Herr, du mein Gott,<br />
in deiner Huld errette mich.<br />
Und wissen sollen sie:<br />
es war deine Hand;<br />
du warst es, Herr, der dieses getan hat.<br />
Mögen sie fluchen, du aber segne,<br />
zuschanden sollen werden,<br />
die gegen mich aufstehen;<br />
dein Knecht aber möge sich freuen.<br />
Meine Kläger sollen sich kleiden in Schande,<br />
und wie ein Mantel<br />
soll sie umhüllen die Schmach.<br />
Und preisen will ich mit frohem Mund<br />
den Herrn,<br />
inmitten der vielen will ich ihn loben.<br />
Denn er stand dem Armen zur Seite,<br />
ihn vor den Richtern zu retten.<br />
Psalm 110<br />
Ein Psalm von David.<br />
Es sprach der Herr zu<br />
meinem Herrn:<br />
Setze dich mir zur Rechten,<br />
und ich lege deine Feinde<br />
dir als Schemel zu Füßen!<br />
Weithin lässt walten der Herr<br />
dein mächtiges Zepter.<br />
Von Zion aus herrsche in mitten<br />
deiner Feinde!<br />
Dein ist das Königtum<br />
seit dem ersten der Tage;<br />
da du gingst hervor<br />
im Glanz der Heiligkeit.<br />
Aus dem Mutterschoß der Morgenröte<br />
habe ich wie Tau dich gezeugt.<br />
Geschworen hat der Herr<br />
und es reuet ihn nicht:<br />
Du bist Priester auf ewig<br />
nach des Melchisedek Weise.<br />
Zu deiner Rechten der Herr:<br />
Könige wird er zertreten<br />
am Tag seines Zornes.<br />
Unter den Heiden hält er Gerichtstag,<br />
Tote liegen zuhauf,<br />
weithin auf Erden zerschlägt er<br />
die Häupter.<br />
Er trinkt aus dem Wildbach am Weg,<br />
um neu zu erheben sein Haupt.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
156
Fünftes Buch<br />
Psalm 111<br />
Halleluja!<br />
Preisen will ich den Herrn<br />
vom Grund meines Herzens<br />
im Rat der Frommen<br />
und in großer Gemeinde.<br />
<strong>Die</strong> Werke des Herrn sind erhaben;<br />
würdig, dass man sie liebend ergründe.<br />
Sein Walten ist Hoheit und Macht,<br />
und seine Gerechtigkeit währt auf ewig.<br />
Seinen Wundern schuf er ein stetes<br />
Gedächtnis,<br />
milde ist der Herr und barmherzig.<br />
Denen, die ihn fürchten, sandte er Speise,<br />
auf ewig wird er seines Bundes gedenken.<br />
Kundgetan hat er dem Volk die Macht<br />
seiner Werke:<br />
er gab ihm das Erbe der Völker.<br />
Das Wirken seiner Hände ist Treue und Recht,<br />
unwandelbar sind seine Befehle,<br />
gültig für immer und ewig,<br />
gegeben in Kraft und Gerechtigkeit.<br />
Erlösung hat er seinem Volk gesandt,<br />
seinen Bund geschlossen auf immerdar,<br />
heilig und hehr ist sein Name.<br />
<strong>Die</strong> Furcht vor dem Herrn<br />
ist Anfang der Weisheit;<br />
weise sind, die beharrlich sie üben.<br />
Der Ruhm des Herrn wird bleiben<br />
in Ewigkeit.<br />
Psalm 112<br />
Halleluja!<br />
Selig der Mann, der fürchtet<br />
den Herrn,<br />
der Freude hat an seinen Geboten.<br />
Sein Stamm wird im Land mächtig,<br />
Segen ruht auf dem Geschlecht der<br />
Frommen.<br />
In seinem Haus ist Fülle und Reichtum,<br />
sein Wohltun hat kein Ende.<br />
Den Guten erstrahlt er als Licht<br />
in der Finsternis,<br />
milde ist er, gerecht und barmherzig.<br />
Wohl dem, der Erbarmen übt<br />
und leiht mit Freude,<br />
der seine Sache ordnet nach Recht.<br />
Nicht gerät er ins Wanken,<br />
in stetem Gedächtnis bleibt der Gerechte.<br />
Vor böser Kunde muss er nicht bangen;<br />
stark ist sein Mut,<br />
denn er hofft auf den Herrn.<br />
Sein Herz ist getrost, er kennt keine Furcht,<br />
bis er sieht seinen Feind in Verwirrung.<br />
Er teilt aus und spendet den Armen,<br />
sein Wohltun hat kein Ende,<br />
herrlich hebt sich empor seine Kraft.<br />
Der Gottlose sieht es voll Unmut.<br />
Er knirscht mit den Zähnen<br />
und schwindet dahin;<br />
der Sünder Wünsche werden zunichte.<br />
Psalm 113<br />
Halleluja!<br />
Lobsingt, ihr <strong>Die</strong>ner des Herrn,<br />
lobsingt dem Namen des Herrn!<br />
Der Name des Herrn sei gepriesen<br />
jetzt und in Ewigkeit.<br />
Vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang<br />
der Name des Herrn sei gepriesen!<br />
Erhaben ist der Herr über all die Völker,<br />
erhaben seine Herrlichkeit<br />
über die Himmel.<br />
Wer ist wie der Herr,<br />
im Himmel und auf Erden,<br />
der in der Höhe thront<br />
und hinabschaut in die Tiefe?<br />
157 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Den Geringen hebt er empor aus dem Staub,<br />
aus der Verachtung erhebt er den Armen.<br />
Er verleiht ihm Sitz bei den Fürsten,<br />
bei den Edelsten seines Volkes.<br />
<strong>Die</strong> kinderlos war, lässt er wohnen im Haus<br />
als Mutter, froh ihrer Kinder.<br />
Halleluja!<br />
Psalm 114<br />
Als Israel aus Ägypten zog,<br />
Jakobs Stamm aus dem fremden Volk,<br />
zum Heiligtum wurde da Juda dem Herrn,<br />
zu seinem Reiche wurde Israel.<br />
Das Meer sah es und floh,<br />
der Jordan wandte rückwärts den Lauf.<br />
<strong>Die</strong> Berge hüpften den Widdern gleich,<br />
wie junge Lämmer die Hügel.<br />
Was ist dir, Meer, dass du fliehst?<br />
Jordan, was wendest du rückwärts den Lauf?<br />
Ihr Berge, was hüpft ihr den Widdern gleich,<br />
wie junge Lämmer, ihr Hügel?<br />
Erde, erbebe vor dem Anblick des Herrn,<br />
vor Jakobs Gott, vor seinem heiligen Antlitz,<br />
der den Felsen gewandelt zum Weiher,<br />
zur strömenden Quelle den Stein.<br />
Psalm 115<br />
Nicht uns, o Herr, nicht uns,<br />
Ehre verleihe deinem Namen,<br />
um deiner Huld und Treue willen .<br />
Warum sollen sagen die Völker:<br />
Wo ist nun ihr Gott?<br />
Unser Gott ist im Himmel;<br />
alles, was er wollte, er hat es vollbracht.<br />
Ihre Götzen aber sind Silber und Gold,<br />
gebildet von Menschenhand.<br />
Sie haben einen Mund<br />
und können nicht reden,<br />
sie haben Augen und sehen nicht.<br />
Sie haben Ohren und können nicht hören,<br />
sie haben eine Nase und riechen nicht.<br />
Sie haben Hände und können nicht greifen,<br />
sie haben Füße und gehen nicht,<br />
es kommt aus ihrer Kehle kein Laut.<br />
Ihnen gleichen, die sie gebildet haben,<br />
und jeder, der ihnen vertraut.<br />
Israels Haus vertraut auf den Herrn,<br />
er ist ihm Hilfe und Schild.<br />
Aarons Haus vertraut auf den Herrn,<br />
er ist ihm Hilfe und Schild.<br />
Alle, die Gott fürchten,<br />
sie vertrauen dem Herrn,<br />
er ist ihnen Hilfe und Schild.<br />
Der Herr gedenkt unser, er möge uns segnen.<br />
Segen dem Hause Israel,<br />
Segen dem Hause Aaron!<br />
<strong>Die</strong> fürchten den Herrn, er möge sie segnen,<br />
Kleine und Große.<br />
Es gebe der Herr euch Gedeihen,<br />
euch sowie eueren Kindern!<br />
Seid gesegnet vom Herrn,<br />
der geschaffen hat Himmel und Erde!<br />
Der Himmel ist der Himmel des Herrn,<br />
die Erde gab er den Kindern der Menschen.<br />
Nicht die Toten preisen den Herrn,<br />
keiner, der hinabsteigt zur Tiefe.<br />
Wir aber, wir dürfen ihn preisen<br />
heute und immerdar.<br />
Halleluja!<br />
Psalm 116<br />
Ich liebe den Herrn,<br />
denn er hörte mein Flehen.<br />
Er neigte sein Ohr mir zu<br />
am Tag, da ich ihn anrief.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
158
Fünftes Buch<br />
Es umwanden mich die Stricke des Todes,<br />
die Schlingen der Unterwelt<br />
fingen mich ein;<br />
versunken war ich in Elend und Angst.<br />
Da rief ich an den Namen des Herrn:<br />
Ach, Herr, errette mein Leben!<br />
Der Herr ist gerecht und gütig,<br />
unser Gott ist barmherzig.<br />
Der Herr behüte, die ihm dienen in Einfalt;<br />
elend war ich und er brachte mir Heil.<br />
Geh wieder ein, meine Seele, in deine Ruhe,<br />
denn der Herr hat dir Gutes getan.<br />
Er hat meine Seele befreit vom Tod,<br />
meine Augen von Tränen,<br />
meine Füße vom Fall.<br />
Und wieder darf ich wandeln vor Gott<br />
im Land der Lebenden.<br />
Ich war voll Vertrauen, auch wenn ich sagte:<br />
Gar tief bin ich niedergebeugt.<br />
Ich sprach in meiner Bestürzung:<br />
<strong>Die</strong> Menschen alle, sie lügen!<br />
Was soll ich vergelten dem Herrn,<br />
alles, was er mir Gutes getan?<br />
Ich will ergreifen den Kelch des Heiles,<br />
anrufen will ich den Namen des Herrn.<br />
Was ich gelobt dem Herrn, ich bringe es dar<br />
vor dem Angesicht all seines Volkes:<br />
Kostbar ist in den Augen des Herrn,<br />
der Tod seiner Heiligen.<br />
O Herr, ich bin dein Knecht,<br />
dein Knecht bin ich, der Sohn deiner Magd.<br />
Du hast gelöst meine Fesseln.<br />
Dir will ich weihen das Opfer des Lobes,<br />
und anrufen will ich den Namen des Herrn.<br />
Was ich gelobt dem Herrn, ich bringe es dar<br />
vor dem Angesicht all seines Volkes,<br />
im Haus des Herrn, in seinen heiligen Hallen,<br />
in deiner Mitte, Jerusalem.<br />
Halleluja!<br />
Psalm 117<br />
Lobet den Herrn, alle Völker!<br />
Ihr Stämme alle, lobpreist ihn!<br />
Denn mächtig waltet über uns seine Gnade,<br />
und seine Huld währt in Ewigkeit.<br />
Halleluja!<br />
Psalm 118<br />
Dankt dem Herrn,<br />
denn er ist gut,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />
Sagt ihr Söhne Israels:<br />
In Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />
Sagt ihr Söhne Aarons:<br />
In Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />
Sagt alle, die ihr fürchtet den Herrn:<br />
In Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />
Ich rief zum Herrn in meiner Bedrängnis<br />
und er hat mich erhört und errettet.<br />
Der Herr ist mit mir, ich fürchte mich nicht.<br />
Was könnte ein Mensch mir antun?<br />
Der Herr ist mit mir, er kommt mir zu Hilfe;<br />
in Schanden werde ich sehen meine Feinde.<br />
Besser, seine Zuflucht nehmen zum Herrn,<br />
als zu bauen auf Menschen.<br />
Besser, seine Zuflucht nehmen zum Herrn,<br />
als zu bauen auf Fürsten.<br />
Alle Völker umringten mich,<br />
ich habe sie zertreten im Namen des Herrn.<br />
Von allen Seiten umringten sie mich,<br />
ich habe sie zertreten im Namen des Herrn.<br />
Sie drangen auf mich ein wie Schwärme<br />
von Bienen,<br />
wie Feuer unter Dornen sind sie entbrannt;<br />
ich habe sie zertreten im Namen des Herrn.<br />
Gestoßen wurde ich, hart gestoßen,<br />
ich sollte fallen;<br />
der Herr aber hat mir geholfen.<br />
159 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Meine Stärke und meine Kraft ist der Herr,<br />
er ist mir geworden zum Retter.<br />
Hört, welch ein Siegesjubel in den Zelten<br />
der Frommen:<br />
Stark erwiesen hat sich die Rechte<br />
des Herrn,<br />
die Rechte des Herrn, sie hat mich erhöht;<br />
ja, stark erwiesen hat sich die Rechte<br />
des Herrn!<br />
Ich werde nicht sterben, ich lebe,<br />
und künden will ich die Taten des Herrn.<br />
Geschlagen hat mich der Herr, ja geschlagen,<br />
doch gab er mich dem Tod nicht preis.<br />
Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit!<br />
Eintreten will ich,<br />
Dank zu sagen dem Herrn.<br />
<strong>Die</strong>s ist die Pforte zum Herrn,<br />
durch sie gehen ein die Gerechten.<br />
Ich will dir danken,<br />
denn du hast mich erhört,<br />
du bist mir geworden zum Retter.<br />
Der Stein, den die Bauleute verwarfen,<br />
er ist zum Eckstein geworden.<br />
Durch den Herrn ist dieses geschehen:<br />
ein Wunder vor unseren Augen.<br />
<strong>Die</strong>s ist der Tag, den uns bereitet der Herr;<br />
lasst uns frohlocken und seiner uns freuen!<br />
O Herr, hilf doch!<br />
O Herr, gib doch Gelingen!<br />
Gesegnet, der kommt im Namen des Herrn!<br />
Vom Hause Gottes segnen wir euch.<br />
Der Herr ist Gott, uns leuchtet sein Licht.<br />
Reiht euch in den Zug<br />
mit festlichen Zweigen,<br />
bis zu den Hörnern des Altars zieht hinauf!<br />
Mein Gott bist du, ich sage dir Dank,<br />
mein Gott,<br />
mit Lobgesang will ich dich preisen!<br />
Dankt dem Herrn, denn er ist gut,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />
Psalm 119<br />
Selig, deren Weg ohne Makel ist,<br />
die wandeln im Gesetz des Herrn.<br />
Selig, die seinen Weisungen folgen,<br />
die von ganzem Herzen ihn suchen,<br />
die verüben kein Unrecht,<br />
die aber schreiten auf den Wegen des Herrn.<br />
Du selber hast erlassen deine Gebote,<br />
auf dass sie gehalten werden in Treue.<br />
Wären doch meine Wege beständig,<br />
zu befolgen, was du befohlen.<br />
Dann werde ich nicht zuschanden,<br />
wenn ich achte auf jedes deiner Gebote.<br />
Aus lauterem Herzen will ich dich preisen,<br />
wenn ich erlerne deine gerechten Beschlüsse.<br />
Deine Verordnungen will ich befolgen,<br />
du aber verlasse mich nicht!<br />
Wie hält der Jüngling rein seinen Pfad?<br />
Wenn er bewahrt deine Worte.<br />
Von ganzem Herzen suche ich dich,<br />
lass mich nicht weichen von deinen Geboten.<br />
Ich berge in meinem Herzen dein Wort,<br />
auf dass ich nicht sündige gegen dich.<br />
Sei gepriesen, o Herr,<br />
lehre mich deine Befehle!<br />
Mit meinen Lippen will ich verkünden<br />
jeden Spruch deines Mundes.<br />
Am Weg, den du vorgeschrieben hast,<br />
habe ich Freude,<br />
mehr als hätte ich die Fülle des Reichtums.<br />
Sinnend erwäge ich deine Satzung,<br />
wohl überdenke ich deine Pfade.<br />
Deine Weisungen sind meine Wonne,<br />
ich will nicht vergessen dein Wort.<br />
Tu Gutes an deinem Knecht und ich lebe,<br />
und ich werde halten dein Wort.<br />
Tu auf meine Augen und schauen darf ich<br />
die Wunder deines Gesetzes.<br />
Ein Fremder bin ich auf Erden,<br />
verbirg nicht deine Gebote vor mir!<br />
Es vergeht meine Seele vor Sehnsucht<br />
Ps 0,00–0,00<br />
160
Fünftes Buch<br />
allezeit verlangend nach deinem Gesetz.<br />
Du drohtest den Stolzen;<br />
Fluch über alle,<br />
die weichen von deinem Gebot.<br />
Nimm weg von mir Verachtung und<br />
Schmach,<br />
denn ich befolge deine Befehle.<br />
Mächtige sitzen zu Rate,<br />
gegen mich zu beschließen,<br />
deine Beschlüsse allein betrachtet<br />
dein Knecht.<br />
Deine Zeugnisse sind meine Wonne,<br />
deine Weisungen meine Berater.<br />
Es liegt meine Seele im Staub,<br />
getreu deinem Worte schaffe mir Leben.<br />
Ich habe dir kundgetan meine Wege<br />
und du hast mich erhört;<br />
lehre mich, was du verlangst von mir!<br />
Lass mich wissen den Weg deiner Vorschrift,<br />
und deine Wunder<br />
will ich sinnend betrachten.<br />
Tränen quellen aus meiner Seele vor Kummer<br />
hervor,<br />
nach dem Wort deiner Verheißung richte<br />
mich auf!<br />
Vom Weg der Lüge halte ich mich fern,<br />
mit deiner Weisung begnade mich!<br />
Erwählt habe ich den Weg deiner Wahrheit,<br />
deine Weisungen habe ich vor Augen.<br />
Ich halte mich an deine Gebote,<br />
o Herr, lass mich nicht zuschanden werden.<br />
Eilen will ich den Weg deiner Ordnung,<br />
denn weit gemacht hast du mein Herz.<br />
Zeige mir, Herr, deiner Satzungen Weg,<br />
und ich will ihm folgen in Treue.<br />
Lehre mich handeln nach deinem Gesetz<br />
ich will es wahren von ganzem Herzen.<br />
Führe mich auf dem Pfad,<br />
den du geboten hast,<br />
denn ich habe Gefallen an ihm.<br />
Zu deinen Zeugnissen neige mein Herz<br />
und nicht zu schnödem Gewinn.<br />
Meine Augen wende ab,<br />
dass sie Eitles nicht schauen;<br />
auf deinem Weg verleihe mir Leben.<br />
Was deinem Knecht du verheißen hast,<br />
mache es wahr,<br />
was du jenen zugesagt hast,<br />
die dich fürchten.<br />
<strong>Die</strong> Schmach, vor der ich bange,<br />
halte mir fern;<br />
deine Beschlüsse machen mich froh.<br />
Siehe, ich verlange nach deinen Geboten;<br />
der du gerecht bist, verleihe mir Leben.<br />
Es komme über mich dein Erbarmen, o Herr,<br />
deine Hilfe, wie du verheißen hast.<br />
Und Rede will ich stehen meinem Spötter,<br />
weil deinem Wort ich vertraue.<br />
Nicht entziehe meinem Mund das Wort<br />
der Wahrheit,<br />
denn ich hoffe auf deine Weisung.<br />
Dein Gesetz will ich immer befolgen,<br />
allezeit und auf ewig.<br />
So darf ich wandeln auf weiter Bahn,<br />
denn ich trachte nach deinen Geboten.<br />
Vor Königen will ich dein Zeugnis verkünden<br />
und ich werde nicht zuschanden.<br />
Ja, ich freue mich deiner Befehle,<br />
die von ganzem Herzen ich liebe.<br />
Zu deinen Geboten erhebe ich meine Hände,<br />
über deine Satzungen will ich sinnen.<br />
Gedenke des Wortes an deinen Knecht,<br />
mit dem du mir Hoffnung gegeben hast.<br />
Das ist mir Trost in meiner Betrübnis,<br />
dass mir Leben spendet dein Wort.<br />
Heftig greifen die Stolzen mich an,<br />
ich aber will von deinem Gesetz<br />
nicht weichen.<br />
Denke ich deine Rechtssprüche in der Vorzeit,<br />
so bin ich getröstet.<br />
Unmut erfasst mich wegen der Sünder,<br />
die übertreten deine Gebote.<br />
Deine Satzungen tönen mir wie Gesänge,<br />
hier, wo ich wandle als Pilger.<br />
161 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
In der Nacht gedenke ich deines Namens,<br />
o Herr,<br />
und dein Gesetz will ich wahren.<br />
<strong>Die</strong>s ist mir geworden zum Lohn:<br />
dass ich willig befolge, was du befohlen.<br />
Mein Anteil ist, ich darf es sagen, o Herr,<br />
gehorsam zu sein deinem Wort.<br />
Zu deinem Angesicht fleh ich von Herzen,<br />
wie du versprochen hast,<br />
erbarme dich meiner!<br />
Ich habe überdacht meine Wege<br />
meine Füße gelenkt zu deinen Geboten.<br />
Ich eile, ich zögere nicht,<br />
gehorsam zu sein deinem Auftrag.<br />
Stricke der Frevler wollten mich fangen,<br />
doch dein Gesetz vergesse ich nicht.<br />
Mitten in der Nacht erhebe ich mich,<br />
dich zu preisen für deine gerechten<br />
Beschlüsse.<br />
Allen, die dich fürchten, bin ich ein Freund,<br />
allen, die befolgen deine Befehle.<br />
Voll ist die Erde von deiner Huld,<br />
lehre mich, Herr, deine Weisung.<br />
Gutes hast du getan deinem Knecht,<br />
wie du verheißen hast, o Herr.<br />
Lehre mich Urteil und Einsicht,<br />
denn ich baue auf deine Gebote.<br />
Bevor mich Trübsal getroffen hat,<br />
wandelte ich in der Irre;<br />
nun aber folge ich deiner Verheißung.<br />
Gut bist du und Gutes teilst du aus,<br />
lehre mich deine Ordnung!<br />
<strong>Die</strong> Stolzen ersinnen gegen mich Lüge,<br />
ich aber halte von Herzen deine Gebote.<br />
Fühllos wie Fett ist ihr Herz,<br />
ich aber habe Freude an deinem Gesetz.<br />
Wohl mir, dass Trübsal mich traf,<br />
auf dass ich deine Ordnungen lerne.<br />
Lieber ist mir deines Mundes Gesetz<br />
als aller Reichtum an Silber und Gold.<br />
Es haben deine Hände mich gemacht und<br />
gebildet;<br />
gib mir Einsicht,<br />
dass ich verstehe deine Gebote.<br />
<strong>Die</strong> dich fürchten,<br />
sie schauen auf mich in Freude,<br />
weil ich deinem Wort vertraute.<br />
O Herr, ich erkannte,<br />
deine Beschlüsse sind recht,<br />
zu Recht auch hast du mich niedergebeugt.<br />
Nahe sei dein Erbarmen, dass es mich tröste,<br />
so hast du deinem Knecht verheißen.<br />
Deine Barmherzigkeit komme über mich,<br />
dass ich lebe,<br />
denn dein Gesetz ist mir Wonne.<br />
Schande über die Stolzen,<br />
die mich bedrücken zu Unrecht!<br />
Ich aber will mich üben in deinem Gebot.<br />
Es sollen stehen zu mir, die dich fürchten,<br />
die Sorge tragen um deine Verordnung.<br />
Untadelig bleibe mein Herz in deinen<br />
Beschlüssen,<br />
so werde ich nicht zuschanden.<br />
Es verlangt meine Seele nach deiner Hilfe,<br />
deinem Wort vertraue ich.<br />
Meine Augen schmachten nach deiner<br />
Verheißung:<br />
Wann wirst du mich trösten?<br />
Ich war wie ein Schlauch,<br />
der im Rauch verdorrt,<br />
von deinen Satzungen aber lasse ich nicht.<br />
Wie viele Tage noch soll warten dein Knecht?<br />
Wann wirst du richten, die mich verfolgen?<br />
<strong>Die</strong> Stolzen heben mir Gruben aus,<br />
sie, die nicht handeln nach deinem Gesetz.<br />
All deine Gebote sind Wahrheit;<br />
hilf mir gegen jene,<br />
die mich hassen zu Unrecht!<br />
Fast hätten sie mich getilgt von der Erde,<br />
ich aber ließ nicht ab von deinen Befehlen.<br />
Nach deinem Erbarmen belebe mich,<br />
und deines Mundes Zeugnis<br />
will ich bewahren.<br />
Dein Wort, o Herr, bleibt auf ewig bestehen,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
162
Fünftes Buch<br />
beständig wie die Feste des Himmels.<br />
Deine Treue waltet<br />
von Geschlecht zu Geschlecht;<br />
du hast die Erde gegründet und sie besteht.<br />
Nach deiner Ordnung dauert sie allezeit,<br />
dienen muss dir das All.<br />
Wäre nicht dein Gesetz meine Wonne,<br />
ich wäre vergangen im Elend.<br />
Nicht in Ewigkeit vergesse ich deine Gebote,<br />
denn du gabst mir Leben durch sie.<br />
Dein bin ich, so errette mich,<br />
denn ich forschte in deinen Befehlen.<br />
Es lauerten Sünder, mich zu verderben,<br />
ich aber war auf deine Weisung bedacht.<br />
Bei aller Größe sah ich ein Ende,<br />
doch in endlose Weiten reicht dein Gebot.<br />
Wie liebe ich, o Herr, dein Gesetz,<br />
es steht mir vor Augen den ganzen Tag.<br />
Dein Gebot macht mich klüger,<br />
als meine Feinde es sind,<br />
immer geht es mit mir.<br />
Höhere Einsicht hab ich gewonnen als Greise,<br />
weil ich erwäge, was du mich weist.<br />
Einsichtiger bin ich als Greise,<br />
da ich befolge, was du gebietest.<br />
Von bösen Wegen halte ich fern meine Füße,<br />
auf dass ich bewahre dein Wort.<br />
Von seinen Lehren lasse ich nicht,<br />
denn du selber hast mich gelehrt.<br />
Deine Rede, wie ist sie meinem Gaumen<br />
so süß,<br />
meinem Mund süßer als Honig!<br />
Durch deine Satzung erlange ich Einsicht,<br />
darum hasse ich die Pfade der Bosheit.<br />
Eine Leuchte ist dein Wort meinem Fuß,<br />
auf meinem Weg ein Licht.<br />
Geschworen habe ich und will es halten,<br />
und wahren, was du verordnet als Recht.<br />
Wie sehr bin ich geschlagen, o Herr,<br />
erhalte mein Leben,<br />
wie dein Wort mir verheißen hat!<br />
Lass dir, Herr, meines Mundes Opfer gefallen<br />
und lehre mich deine Gebote.<br />
Allzeit ist mein Leben gefährdet,<br />
doch nie mehr vergesse ich dein Gesetz.<br />
<strong>Die</strong> Sünder legten mir Schlingen,<br />
doch nicht bin ich abgeirrt<br />
von deinen Geboten.<br />
Deine Ordnungen sind mein Erbe auf ewig,<br />
meinem Herzen zur Wonne.<br />
Ich neige mein Herz,<br />
nach deiner Weisung zu leben<br />
in Treue auf ewig.<br />
Geteilte Herzen sind mir ein Gräuel,<br />
ich liebe allein dein Gesetz.<br />
Du bist mein Schützer, du bist mein Schild,<br />
deinem Worte darf ich vertrauen.<br />
Ihr Übeltäter, weicht von mir,<br />
halten will ich meines Gottes Gebot.<br />
Nimm mich auf nach deiner Verheißung,<br />
so werde ich leben,<br />
und lass mich zuschanden nicht werden<br />
in meiner Hoffnung!<br />
Komm mir zu Hilfe, so bin ich gerettet;<br />
und immer will ich achten auf deine Befehle.<br />
<strong>Die</strong> weichen von deinem Gesetz,<br />
du wirst sie verwerfen;<br />
denn all ihr Trachten ist Trug.<br />
Für Schlacken erachtest du<br />
alle Frevler auf Erden,<br />
darum liebe ich deine Gebote.<br />
In Furcht vor dir erschauert mein Fleisch,<br />
ich fürchte deine Urteile.<br />
Recht und Gerechtigkeit habe ich geübt;<br />
nicht übergib mich denen,<br />
die mich bedrängen!<br />
Für deinen Knecht verbürge dich gut,<br />
dass mich die Stolzen nicht überwinden.<br />
Nach deiner Hilfe schmachten meine Augen<br />
voll Sehnsucht,<br />
nach der Gerechtigkeit,<br />
die du verheißen hast.<br />
An deinem Knecht handle nach deiner Huld<br />
und deine Weisungen lehre mich.<br />
163 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Ich bin dein Knecht, unterweise mich,<br />
dass ich weiß um deine Befehle.<br />
Greife ein, o Herr, es ist Zeit;<br />
sie haben deine Gesetze missachtet.<br />
Darum schätze ich deine Gebote<br />
höher als Gold,<br />
lieber sind sie mir als lauteres Gold.<br />
Ich habe mir deine Weisung erwählt;<br />
verhasst sind mir alle Pfade der Lüge.<br />
Wie sind deine Ordnungen wunderbar,<br />
darum bewahrt sie meine Seele.<br />
<strong>Die</strong> Klarheit deiner Worte erleuchtet,<br />
Unwissende vermag sie zu lehren.<br />
Lechzend öffne ich meinen Mund,<br />
nach deinen Befehlen verlange ich.<br />
Wende dich mir zu und erbarme dich meiner,<br />
wie du denen tust,<br />
die deinen Namen verehren.<br />
Lenke, o Herr, meinen Schritt nach deiner<br />
Verheißung,<br />
kein Unrecht habe Gewalt über mich.<br />
Von der Menschen Bedrückung<br />
mache mich frei,<br />
und befolgen will ich deine Befehle.<br />
Lass leuchten über deinem Knecht<br />
dein Antlitz<br />
und lehre mich deine Gebote!<br />
Meine Augen fließen über von Tränen,<br />
weil viele nicht gehorchen deinem Gesetz.<br />
Gerecht bist du, Herr,<br />
und recht sind deine Entscheide.<br />
In Gerechtigkeit erließest du deine Befehle<br />
und in all deiner Treue.<br />
Mich verzehrt der Eifer,<br />
weil meine Widersacher<br />
deine Worte nicht achten.<br />
Dein Spruch ist lauter und wahr,<br />
deinem Knecht ist er teuer.<br />
Ich bin gering und verachtet,<br />
doch deine Satzung vergesse ich nicht.<br />
Dein Recht ist ewiges Recht,<br />
unerschütterlich ist dein Gesetz.<br />
Heimgesucht haben mich Trübsal und Not,<br />
doch ist dein Gebot meine Wonne.<br />
Dein Zeugnis ist ewig gerecht;<br />
lehre mich, so werde ich leben.<br />
Ich rufe aus ganzem Herzen:<br />
Erhöre mich, Herr!<br />
Und was du mich weisest, will ich befolgen.<br />
Ich rufe zu dir, o schaffe mir Heil,<br />
und bewahren werde ich deine Gebote.<br />
Ich komme am frühen Morgen<br />
und flehe um Hilfe,<br />
ich harre auf deine Verheißung.<br />
Vor der Nachtwache<br />
werden die Augen mir wach,<br />
zu erwägen das Wort deiner Lehre.<br />
Vernimm, o Herr, meine Stimme<br />
nach deinem Erbarmen;<br />
wie du mir zugesagt hast,<br />
gewähre mir Leben.<br />
Es nahen sich mir, die mich listig verfolgen,<br />
deinem Gesetz sind sie fern.<br />
Nahe bist du, o Herr,<br />
und alle deine Worte sind Wahrheit.<br />
Lang schon weiß ich um deine Gebote,<br />
du hast sie verordnet für alle Zeit.<br />
Sieh an mein Elend und rette mich,<br />
denn nicht vergessen habe ich dein Gesetz.<br />
Führe mein Recht und mache mich frei,<br />
belebe mich nach deiner Verheißung.<br />
Fern ist von den Frevlern das Heil,<br />
nach deinen Satzungen fragen sie nicht.<br />
Dein Erbarmen, Herr, ist groß;<br />
wie du mir zugesagt hast,<br />
so schenke mir Leben.<br />
Viele sind, die mich verfolgen und bedrängen,<br />
von deinen Zeugnissen weiche ich nicht.<br />
Ich sehe die Frevler und gräme mich,<br />
weil sie nicht mehr befolgen dein Wort.<br />
Siehe, Herr, ich liebe deine Befehle,<br />
in deinem Erbarmen erhalte ich mein Leben!<br />
Anfang und Ende deiner Worte ist Wahrheit,<br />
alle Sprüche deiner Gerechtigkeit<br />
Ps 0,00–0,00<br />
164
Fünftes Buch<br />
gelten auf ewig.<br />
Fürsten verfolgen mich ohne Grund,<br />
doch fürchtet mein Herz allein deine Worte.<br />
Deiner Verheißung will ich mich freuen<br />
wie einer, der reiche Beute gewann.<br />
Ich hasse die Sünde, sie ist mir ein Gräuel,<br />
dein Gesetz aber liebe ich.<br />
Siebenmal am Tage singe ich dein Lob<br />
weil deine Ordnungen alle gerecht sind.<br />
<strong>Die</strong> lieben dein Gesetz,<br />
sie haben die Fülle des Friedens,<br />
niemals werden sie fallen.<br />
Ich harre deiner Hilfe, o Herr,<br />
und erfülle deine Gebote.<br />
Meine Seele bewahrt deine Weisung,<br />
überaus liebe ich sie.<br />
Ich wahre deine Lehre und deine Gebote,<br />
offen liegen meine Wege vor dir.<br />
Mein Rufen komme zu dir, o Herr,<br />
nach deinem Wort unterweise mich.<br />
Zu dir gelange mein Flehen,<br />
errette mich nach deiner Verheißung.<br />
Meinen Lippen entströme Lobgesang,<br />
weil du mich lehrst deine Gesetze.<br />
Meine Zunge lobpreise dein Wort;<br />
gerecht sind all deine Gebote.<br />
Strecke aus deine Hand, mir zu helfen,<br />
denn erkoren habe ich deine Befehle.<br />
O Herr, ich ersehne von dir mein Heil,<br />
denn deine Weisung ist mir Wonne.<br />
Es lebe meine Seele und preise dich,<br />
deine Ordnungen mögen mir helfen.<br />
Ich bin verirrt wie ein Lamm,<br />
das verloren ging;<br />
suche auf deinen Knecht!<br />
Denn nicht vergessen habe ich deine Gebote.<br />
Psalm 120<br />
Ein Wallfahrtslied.<br />
Ich rief zum Herrn in meiner<br />
Bedrängnis,<br />
und er hat mich erhört.<br />
Rette meine Seele, o Herr,<br />
vor der gottlosen Lippe,<br />
rette mich vor der falschen Zunge.<br />
Was soll er dir geben, was soll er dir antun,<br />
du falsche Zunge?<br />
Scharfe Pfeile des Kriegers,<br />
glühenden Ginsterbrand!<br />
Weh mir, dass ich muss weilen in Meschech,<br />
wohnen muss in den Zelten von Kedar!<br />
Allzu lange schon weilt meine Seele<br />
bei denen, die hassen den Frieden.<br />
Ich rede Worte des Friedens;<br />
sie aber drängen zum Streit.<br />
Psalm 121<br />
Ein Wallfahrtslied.<br />
Ich hebe meine Augen empor<br />
zu den Bergen:<br />
woher wird Hilfe mir kommen?<br />
Hilfe kommt mir vom Herrn,<br />
der geschaffen hat Himmel und Erde.<br />
Er lässt deinen Fuß nicht wanken;<br />
der dich behütet, er schläft nicht.<br />
Siehe, es wird nicht schlafen, nicht ruhn,<br />
der Wache hält über Israel.<br />
Der Herr ist dein Hüter! Zu deiner Rechten<br />
wird der Herr dich beschützen.<br />
Am Tag wird dich nicht versengen die Sonne,<br />
nicht schadet dir der Mond in der Nacht.<br />
Vor allem Übel wird der Herr dich bewahren,<br />
der Herr behütet dein Leben.<br />
Der Herr behütet dein Gehen und Kommen<br />
von nun an bis in Ewigkeit.<br />
165 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Psalm 122<br />
Ein Wallfahrtslied, von David.<br />
Voll Freude war ich,<br />
da sie mir sagten:<br />
Wir ziehen zum Hause des Herrn!<br />
Schon treten unsere Füße<br />
in deine Tore, Jerusalem.<br />
Jerusalem, du Stadt, so herrlich erbaut,<br />
fest gefügt und geschlossen.<br />
Dorthin ziehen die Stämme hinauf,<br />
die Stämme des Herrn,<br />
nach Israels Gesetz, den Namen des Herrn<br />
zu lobpreisen.<br />
Aufgestellt sind dort die Throne der Richter,<br />
die Throne des Hauses David.<br />
Erfleht für Jerusalem,<br />
was ihm dient zum Frieden!<br />
Allen, die dich lieben, ergehe es wohl!<br />
Friede herrsche in deinen Mauern,<br />
Sicherheit in deinen Palästen!<br />
Ich rufe wegen meiner Brüder und Freunde:<br />
Über dich komme Friede.<br />
Ich flehe wegen dem Haus des Herrn,<br />
unseres Gottes:<br />
Segen sei dir beschieden.<br />
Psalm 123<br />
Ein Wallfahrtslied.<br />
Ich erhebe meine Augen zu dir,<br />
der du thronst im Himmel.<br />
Siehe, wie die Augen der Knechte<br />
auf die Hand ihres Herrn<br />
und wie die Augen der Magd<br />
auf die Hände der Herrin,<br />
so blicken unsere Augen zum Herrn,<br />
unserem Gott,<br />
bis er sich unser erbarmt.<br />
Erbarme dich unser, Herr,<br />
erbarme dich unser!<br />
Denn übersatt sind wir von Schmach.<br />
Übersatt ist unsere Seele<br />
vom Gespött der Satten und vom Hochmut<br />
der Stolzen.<br />
Psalm 124<br />
Ein Wallfahrtslied, von David.<br />
Wäre mit uns nicht gewesen<br />
der Herr,<br />
so mag Israel sagen,<br />
wäre mit uns nicht gewesen der Herr,<br />
da sich Menschen gegen uns stellten:<br />
sie hätten sie uns lebendig verschlungen,<br />
als entbrannte gegen uns ihre Wut.<br />
Es hätten uns verschlungen die Wasser,<br />
über uns wäre geflutet der Wildbach,<br />
überflutet hätten uns die brausenden Wasser.<br />
Der Herr sei gepriesen,<br />
er gab uns nicht ihren Zähnen zur Beute.<br />
Unsere Seele ist entkommen wie ein Vogel<br />
aus der Schlinge des Jägers.<br />
Zerrissen die Schlinge und wir sind frei.<br />
Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn,<br />
der geschaffen hat Himmel und Erde.<br />
Psalm 125<br />
Ein Wallfahrtslied.<br />
<strong>Die</strong> auf den Herrn vertrauen,<br />
sie gleichen dem Zionsberg,<br />
der nicht erschüttert wird,<br />
der bleibt auf ewig.<br />
Berge umschließen Jerusalem;<br />
so umschließt der Herr sein Volk<br />
jetzt und in Ewigkeit.<br />
Nicht verbleiben wird das Zepter der Bosheit<br />
Ps 0,00–0,00<br />
166
Fünftes Buch<br />
über dem Lande,<br />
das zugeteilt den Gerechten,<br />
auf dass der Gerechten Hand<br />
nicht greife nach Unrecht.<br />
Tu Gutes, o Herr, den Guten,<br />
denen, die lauteren Herzens sind.<br />
<strong>Die</strong> aber zu krummen Wegen sich neigen,<br />
Samt den Übeltätern vertreibe der Herr<br />
sie davon!<br />
Friede sei über Israel!<br />
Psalm 126<br />
Ein Wallfahrtslied.<br />
Wenn die Stadt nicht behütet der Herr,<br />
so wacht vergeblich der Wächter.<br />
Umsonst, wenn ihr euch erhebt vor dem Tag,<br />
euch müht bis spät in die Nacht.<br />
Ihr esset das Brot einer harten Mühsal,<br />
doch den Seinen gibt der Herr es im Schlaf.<br />
Siehe, ein Geschenk des Herrn sind Söhne;<br />
die Frucht des Leibes ist Segen und Lohn.<br />
Wie in der Hand des Kriegers die Pfeile,<br />
so sind die Söhne aus den Jahren der Jugend.<br />
Heil dem Mann,<br />
der mit ihnen gefüllt seinen Köcher:<br />
nicht versagen sie im Streit mit dem<br />
Gegner im Tor.<br />
Als heimwärts führte der Herr<br />
die Gefangenen Zions,<br />
uns war, als geschah es im Traum.<br />
Da war von Lachen erfüllt unser Mund<br />
und unsere Zunge von Jubel.<br />
Da sagten sie unter den Völkern:<br />
Der Herr hat an ihnen Großes getan.<br />
Ja, Großes hat der Herr uns getan,<br />
wie wurden wir fröhlich.<br />
Wandle, o Herr, nun unser Geschick,<br />
wie du wandelst die Bäche im Südland.<br />
<strong>Die</strong> in Tränen säen,<br />
sie werden ernten in Freude.<br />
Weinend gehen sie dahin<br />
sie gehen und streuen den Samen.<br />
Doch kommen sie wieder mit Jauchzen,<br />
sie kommen und bringen ein ihre Garben.<br />
Psalm 127<br />
Ein Wallfahrtslied, von Salomo.<br />
Psalm 128<br />
Ein Wallfahrtslied.<br />
Selig, der du fürchtest<br />
den Herrn,<br />
der du wandelst auf seinen Wegen!<br />
Was die Hand dir erwarb,<br />
du darfst es genießen;<br />
leben wirst du in Glück und Wohlergehen.<br />
Deine Frau im Gemach deines Hauses,<br />
sie gleicht der fruchtbaren Rebe.<br />
Und wie die jungen Zweige am Ölbaum,<br />
so sind ringsum deinen Tisch deine Kinder.<br />
Siehe, so wird der Mann gesegnet,<br />
der fürchtet den Herrn.<br />
Es segne der Herr dich von Zion,<br />
dass du schaust Jerusalems Glück<br />
alle Tage des Lebens!<br />
Und mögest du schauen die Kinder von<br />
deinen Kindern!<br />
Friede sei über Israel!<br />
Wenn das Haus nicht baut<br />
der Herr,<br />
die Bauleute mühen sich vergeblich.<br />
167 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Psalm 129<br />
Sie haben mich oft bedrängt<br />
von meiner Jugend an,<br />
– so soll Israel sagen –,<br />
sie haben mich viel befehdet<br />
seit meiner Jugend,<br />
doch sie haben mich nicht überwunden.<br />
<strong>Die</strong> Pflüger haben auf meinem Rücken<br />
gepflügt,<br />
sie haben lange Furchen gezogen.<br />
Aber der Herr ist gerecht,<br />
zerschnitten hat er die Seile der Frevler.<br />
Alle, die Zion hassen,<br />
sie sollen weichen in Schande.<br />
Sie sollen werden wie auf den Dächern<br />
das Gras,<br />
das verdorrt, eh man es ausreißt.<br />
Wer es erntet, füllt nicht seine Hand<br />
und nicht seinen Arm,<br />
wer Garben will sammeln.<br />
Und die vorüberkommen, grüßen euch nicht:<br />
Der Segen des Herrn sei über euch!<br />
Wir aber segnen euch im Namen des Herrn.<br />
Psalm 130<br />
Ein Wallfahrtslied.<br />
Aus der Tiefe, o Herr,<br />
ruf ich zu dir:<br />
Höre, o Herr, meine Stimme!<br />
Möge achten dein Ohr<br />
auf mein flehendes Rufen!<br />
Wolltest du, Herr,<br />
der Sünde immer gedenken:<br />
Herr, wer könnte bestehen?<br />
Doch bei dir ist Vergebung der Sünden,<br />
auf dass man in Ehrfurcht dir diene.<br />
Ich hoffe auf den Herrn,<br />
es hofft meine Seele,<br />
ich warte auf sein Wort.<br />
Meine Seele erwartet den Herrn,<br />
mehr als der Wächter das Morgenrot.<br />
Ja, mehr als der Wächter das Morgenrot<br />
erwartet Israel seinen Herrn!<br />
Denn beim Herrn ist Erbarmen,<br />
bei ihm ist reiche Erlösung.<br />
Ja, er wird Israel erlösen<br />
von all seiner Missetat.<br />
Psalm 131<br />
Ein Wallfahrtslied, von David.<br />
O Herr, nicht hochmütig ist<br />
mein Herz,<br />
nicht erhebe ich stolz meine Augen.<br />
Nach großen Dingen jage ich nicht,<br />
nach Dingen, die mir zu hoch sind.<br />
Schweigen lehrte ich meine Seele,<br />
und ich schaffte ihr Frieden.<br />
Wie ein Kind auf dem Schoß der Mutter,<br />
wie ein Kind, so ruht meine Seele in mir.<br />
Israel, harre des Herrn<br />
heute und immerdar.<br />
Psalm 132<br />
Ein Wallfahrtslied.<br />
Gedenke, o Herr, in Gnaden<br />
des David,<br />
gedenke all seiner Mühe,<br />
wie er geschworen hat dem Herrn,<br />
wie er gelobte Jakobs mächtigem Gott:<br />
Nicht will ich meines Herzens Wohnung<br />
betreten<br />
nicht zur Ruhe besteigen mein Lager,<br />
keinen Schlaf will ich gönnen den Augen,<br />
den Lidern keine Erquickung,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
168
Fünftes Buch<br />
bis ich gefunden eine Stätte für den Herrn,<br />
eine Wohnung dem Mächtigen Jakobs.<br />
Siehe, wir haben von ihr vernommen in Efrata,<br />
wir haben sie gefunden auf den Gefilden<br />
von Jaar.<br />
Lasst uns wallen zu seiner Wohnstatt,<br />
am Schemel seiner Füße niederfallen<br />
vor ihm!<br />
Erhebe dich, Herr, geh hin zum Ort<br />
deiner Ruhe,<br />
du und der Schrein deiner Herrlichkeit!<br />
Deine Priester sollen sich in Gerechtigkeit<br />
kleiden,<br />
deine Heiligen sollen frohlocken in Freude.<br />
Um deines Knechtes David willen,<br />
verschmähe nicht das Antlitz deines<br />
Gesalbten!<br />
Einen Eid hat der Herr David geschworen,<br />
wahrhaften Eid, von dem er nicht abgeht:<br />
Einen Spross aus deinem Geschlecht,<br />
ihn will ich erheben auf deinen Thron.<br />
Sind deine Söhne treu meinem Bund<br />
und treu den Geboten, die ich sie lehre,<br />
dann werden sitzen auch ihre Söhne<br />
auf deinem Thron für ewige Zeiten.<br />
Denn der Herr hat den Zion erwählt,<br />
auserkoren zu seiner Wohnstatt.<br />
<strong>Die</strong>s ist der Ort meiner Ruhe auf ewig,<br />
hier will ich wohnen,<br />
ihn habe ich mir erkoren.<br />
Segnen will ich seine Speise<br />
mit der Fülle des Segens,<br />
seine Armen will ich speisen mit Brot.<br />
Seine Priester will ich umkleiden mit Heil,<br />
seine Heiligen sollen frohlocken.<br />
Dort errichte ich dem David<br />
ein Zeichen der Macht,<br />
eine Leuchte bereite ich meinem Gesalbten.<br />
Seine Feinde will ich bedecken mit Schmach,<br />
doch auf ihm erstrahlt meine Krone.<br />
Psalm 133<br />
Ein Wallfahrtslied, von David.<br />
Seht, wie ist es lieblich und gut,<br />
wenn Brüder beisammen wohnen<br />
in Eintracht.<br />
Es ist wie köstliches Salböl,<br />
ausgegossen auf dem Haupt des Aaron,<br />
das niederträufelt vom Haupt zum Bart,<br />
das niederträufelt zum Saum seines<br />
Gewandes.<br />
Es ist wie Tau auf dem Hermon,<br />
wie Tau, der niederfällt auf den Zion.<br />
Denn dorthin entbietet Segen der Herr<br />
und Leben in Ewigkeit.<br />
Psalm 134<br />
Ein Wallfahrtslied.<br />
Wohlan, lobpreist den Herrn,<br />
all ihr <strong>Die</strong>ner des Herrn!<br />
<strong>Die</strong> ihr steht im Haus des Herrn zu<br />
nächtlicher Stunde.<br />
Erhebt euere Hände zum Heiligtum<br />
und preist den Herrn!<br />
Es möge der Herr dich segnen vom Zion,<br />
er, der geschaffen hat Himmel und Erde.<br />
Psalm 135<br />
Halleluja!<br />
Lobt den Namen des Herrn,<br />
lobpreist ihn, ihr <strong>Die</strong>ner des Herrn,<br />
die ihr steht im Hause des Herrn,<br />
in den Hallen unseres Gottes.<br />
Lobt den Herrn, denn der Herr ist gut,<br />
lobsingt seinem mildreichen Namen.<br />
Denn der Herr hat sich Jakob erkoren,<br />
169 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
zu Eigen nahm er sich Israel.<br />
<strong>Die</strong>ses weiß ich: Groß ist der Herr,<br />
größer unser Gott als alle die Götter.<br />
Alles, was immer er will,<br />
der Herr vollbringt es im Himmel<br />
wie auf der Erde,<br />
im Meer und in allen Tiefen der Wasser.<br />
Er führt die Wolken heran<br />
von den Enden der Erde,<br />
er sendet Blitze und Regen,<br />
aus seinen Kammern holt er den Wind.<br />
Er schlug die Erstgeburt der Ägypter<br />
vom Menschen bis hinab zu dem Vieh.<br />
Über dich, Ägypten,<br />
ließ er kommen Wunder und Zeichen,<br />
über Pharao und all seine Knechte.<br />
Er schlug viele Völker der Heiden,<br />
und mächtige Könige streckte er hin.<br />
Sihon, den König der Amoriter,<br />
und Og, den König von Baschan,<br />
alle Könige von Kanaan.<br />
Und gab ihre Länder zum Eigentum,<br />
zum Eigentum Israel, seinem Volk.<br />
Dein Name, o Herr, wird bleiben in Ewigkeit,<br />
dein Gedächtnis, o Herr,<br />
von Geschlecht zu Geschlecht.<br />
Denn der Herr behütet sein Volk,<br />
seiner Knechte erbarmt er sich.<br />
Der Völker Götter sind Silber und Gold,<br />
gebildet von Menschenhand.<br />
Sie haben einen Mund<br />
und können nicht reden,<br />
sie haben Augen und sehen nicht.<br />
Sie haben Ohren und können nicht hören,<br />
in ihrem Mund ist kein Atem.<br />
Ihnen gleichen, die sie gebildet haben,<br />
und jeder, der ihnen vertraut.<br />
Ihr vom Haus Israel, preist den Herrn,<br />
ihr vom Haus Aaron, preist den Herrn,<br />
ihr vom Haus Levi, preist den Herrn,<br />
die ihr dient dem Herrn,<br />
lobpreist den Herrn!<br />
Der Herr sei gepriesen von Zion aus,<br />
er, der wohnt in Jerusalem.<br />
Halleluja!<br />
Psalm 136<br />
Preist den Herrn,<br />
denn er ist gut,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen!<br />
Preist den Gott der Götter,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen!<br />
Preist den Herrn der Herren:<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen!<br />
Ihn der wirkt allein große Wunder,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
der in Weisheit geschaffen den Himmel,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
der hingebreitet die Erde über die Wasser,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
der geschaffen die großen Lichter,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
die Sonne, dass sie regiere den Tag,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
den Mond und die Sterne,<br />
dass sie regieren die Nacht,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />
Der geschlagen die Erstgeburt der Ägypter,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
der Israel herausgeleitet aus ihrer Mitte,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
mit starker Hand, mit erhobenem Arm,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
der zerteilte das Schilfmeer,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
der führte Israel mitten hindurch,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
und stürzte ins Meer den Pharao samt seiner<br />
Kriegsmacht,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
der führte sein Volk durch die Wüste,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
170
Fünftes Buch<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />
Der große Könige schlug,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
der besiegte mächtige Fürsten,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
Sihon, den König der Amoriter,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
und Og, den König von Baschan,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
er gab ihre Länder zum Eigentum,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
zum Eigentum Israel, seinem Knecht,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
der unser gedachte in unserem Elend,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
der uns befreite von unseren Feinden,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
der Nahrung spendet allem, was lebt,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen,<br />
Preist den Gott der Himmel,<br />
in Ewigkeit währt sein Erbarmen.<br />
Psalm 137<br />
An den Flüssen von Babel<br />
saßen wir und weinten,<br />
da wir deiner gedachten, o Zion.<br />
An den Weiden in jenem Land,<br />
da hängten wir unsere Harfen auf.<br />
Denn Lieder wollten hören,<br />
die uns hinweggeführt hatten,<br />
die uns bedrückten, f<br />
orderten Freudengesang:<br />
Singt uns von Zion ein Lied!<br />
Wie sollten wir singen die Lieder des Herrn<br />
im Land der Fremden!<br />
Jerusalem, wollte ich deiner vergessen,<br />
vergessen auch sei meine Rechte.<br />
Es klebe mir die Zunge am Gaumen,<br />
sollte ich deiner nicht mehr gedenken,<br />
wollte ich nicht erheben Jerusalem<br />
über all meine Freude.<br />
Vergiss nicht, Herr, den Söhnen von Edom<br />
den Tag von Jerusalem,<br />
als sie schrien: Reißt nieder, reißt nieder,<br />
hinab mit ihm bis auf den Grund!<br />
Tochter Babel, Verwüsterin du,<br />
gesegnet, wer dir vergilt,<br />
was du uns Böses getan!<br />
Gesegnet, wer deine Kinder ergreift<br />
und sie zerschellt an dem Felsen!<br />
Psalm 138<br />
Von David.<br />
O Herr, von ganzem Herzen will<br />
ich dich preisen,<br />
weil du das Flehen meines Mundes<br />
gehört hast<br />
Im Angesichte der Engel will ich dir singen,<br />
mich niederwerfen<br />
vor deinem heiligen Tempel.<br />
Und preisen will ich deinen heiligen Namen<br />
ob deiner Güte und Treue.<br />
Denn du hast deinen Namen<br />
über alles erhoben<br />
und groß gemacht deine Verheißung.<br />
Ich rief zu dir und du hast mich erhört,<br />
du ließest erstarken die Kraft meiner Seele.<br />
Alle Könige der Erde sollen dich preisen,<br />
wenn sie vernehmen<br />
das Wort deines Mundes, o Herr.<br />
Sie werden singen von den Wegen des Herrn:<br />
Seht, groß ist die Herrlichkeit Gottes!<br />
Wahrhaftig, der Herr ist erhaben,<br />
auf die Niedrigen schaut er voll Huld,<br />
von ferne nur blickt er hin auf die Stolzen.<br />
Wenn ich wandle in Trübsal,<br />
bewahrst du mein Leben,<br />
du erhebst deine Hand gegen Zorn<br />
171 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
meiner Feinde,<br />
von deiner Rechten kommt mir das Heil.<br />
Der Herr vollendet, was ich begonnen habe!<br />
Deine Güte, o Herr,<br />
wird bleiben in Ewigkeit.<br />
Gib nicht auf das Werk deiner Hände!<br />
Psalm 139<br />
Dem Chormeister, von David, ein Psalm.<br />
Herr, du erforschest mich<br />
und du kennst mich.<br />
Wenn ich sitze und wenn ich stehe,<br />
du weißt es.<br />
Meine Gedanken schaust du von ferne,<br />
du schaust mich, wenn ich gehe und ruhe;<br />
all meine Wege sind dir vertraut.<br />
Ehe noch auf der Zunge das Wort liegt,<br />
siehe, Herr, schon weißt du um alles.<br />
Von rückwärts und vorne<br />
schließt du mich ein<br />
und du legst auf mich deine Hand.<br />
Wunderbar ist solches Wissen für mich,<br />
zu hoch, ich kann es nicht begreifen.<br />
Wohin soll ich flüchten vor deinem Geist,<br />
wohin vor deinem Antlitz entfliehen?<br />
Stiege ich zum Himmel empor,<br />
so bist du zugegen;<br />
wollte ich in der Unterwelt lagern,<br />
so bist du auch dort.<br />
Wollte ich Flügel mir leihen vom Morgenrot<br />
und ließe mich nieder am fernsten Gestade,<br />
auch dort noch wird deine Hand mich geleiten<br />
und halten mich deine Rechte.<br />
Und sagte ich auch:<br />
Es soll mich Finsternis bergen<br />
und Nacht mich umgeben,<br />
wie sonst das Licht,<br />
so ist doch Finsternis selbst nicht dunkel<br />
für dich,<br />
Nacht ist dir hell wie der Tag,<br />
das Dunkel ist vor dir wie das Licht.<br />
Du hast gebildet mein Innerstes;<br />
du hast mich im Schoß meiner Mutter<br />
gewoben.<br />
Ich preise dich, dass ich geschaffen bin<br />
so wunderbar,<br />
dass wunderbar all deine Werke,<br />
und meine Seele erkennt es sehr wohl.<br />
Nicht verborgen war vor dir mein Gebein,<br />
als ich gebildet wurde im Verborgenen,<br />
gewoben in den Tiefen der Erde.<br />
Mein Ungeformtes sahen deine Augen,<br />
und in dein Buch waren sie alle geschrieben,<br />
die Tage, die einst würden gebildet,<br />
von denen aber noch keiner da war.<br />
Wie unergründlich sind mir, o Gott,<br />
deine Pläne,<br />
wie unermesslich ist ihre Zahl!<br />
Wollte ich sie zählen,<br />
sie sind mehr als Körner im Sand;<br />
und käme ich ans Ende,<br />
ich wäre erst am Beginn.<br />
Ach, wolltest du, Gott,<br />
den Frevler doch schlagen,<br />
wollten die Blutbefleckten weichen von mir!<br />
Sie widersetzen sich dir voll der Tücke,<br />
überheben sich treulos als deine Feinde.<br />
Sollen mir nicht verhasst sein,<br />
die dich hassen, o Herr?<br />
Sollen mir zum Gräuel nicht sein,<br />
die gegen dich aufstehen?<br />
Ja, hassen will ich sie mit glühendem Hass,<br />
sie wurden mir selber zu Feinden.<br />
Durchforsche mich, Gott,<br />
und durchschaue mein Herz,<br />
prüfe mich und erkenne meine Gedanken!<br />
Und siehe, ob ich wandle den Weg<br />
des Verderbens,<br />
und führe mich den ewigen Weg!<br />
Ps 0,00–0,00<br />
172
Fünftes Buch<br />
Psalm 140<br />
Dem Chormeister, ein Psalm, von David.<br />
Psalm 141<br />
Ein Psalm, von David.<br />
Rette mich, Herr, vor den bösen<br />
Menschen,<br />
schütze mich vor dem Mann der Gewalt,<br />
vor denen, die Böses sinnen im Herzen,<br />
die Streit erregen den ganzen Tag.<br />
Wie die Schlange machen sie scharf<br />
ihre Zunge,<br />
unter den Lippen haben sie Natterngift.<br />
Bewahre mich, Herr,<br />
vor den Händen des Frevlers,<br />
schütze mich vor dem Mann der Gewalt.<br />
Sie sinnen, wie ich käme zu Fall,<br />
die Stolzen, sie legen heimlich mir<br />
Schlingen.<br />
Sie spannen Stricke aus wie ein Netz,<br />
an meinem Wege stellen sie Fallen.<br />
Ich sage zum Herrn: Mein Gott bist du!<br />
Erhöre, o Herr, mein lautes Gebet!<br />
Herr und Gott, du meine mächtige Hilfe,<br />
du beschirmst mein Haupt<br />
am Tag des Kampfes.<br />
Gib mich nicht preis, o Herr,<br />
dem Begehren des Frevlers,<br />
seine Pläne lass nicht gelingen!<br />
<strong>Die</strong> mich umringen, sie erheben das Haupt,<br />
ihrer Lippen Bosheit treffe sie selber.<br />
Feuerbrände lasse er regnen auf sie,<br />
er stoße sie in die Grube,<br />
dass nimmer sie aufstehn.<br />
Der Mann der bösen Zunge<br />
hat auf Erden nicht Dauer,<br />
jäh wird das Unheil erjagen<br />
den Mann der Gewalt.<br />
Ich weiß, der Herr schafft Recht den Geringen,<br />
den Armen schafft er Gerechtigkeit.<br />
Ja, die Gerechten werden deinen Namen<br />
lobpreisen,<br />
die Redlichen dürfen wohnen<br />
vor deinem Angesicht.<br />
O Herr, ich rufe zu dir; komme<br />
bald, mir zu helfen;<br />
höre meine Stimme, wenn ich dich rufe!<br />
Wie Weihrauch steige empor zu dir<br />
mein Gebet,<br />
meiner Hände Erheben<br />
sei wie das Opfer am Abend.<br />
Stelle, o Herr, an meinen Mund eine Wache,<br />
eine Wehr an das Tor meiner Lippen.<br />
Lass nicht zu, dass mein Herz sich neige<br />
zum Bösen,<br />
dass ich vollbringe ruchlose Frevel<br />
mit den Menschen, die Böses tun.<br />
Nicht will ich essen von ihren üppigen<br />
Speisen.<br />
Mag der Gerechte mich schlagen,<br />
so ist es doch Güte,<br />
mag er mich rügen,<br />
es ist Öl auf mein Haupt.<br />
Dem wird sich mein Haupt nicht versagen,<br />
unter ihren Schlägen will ich immerfort<br />
beten.<br />
Den Felsen stieß man hinab ihre Führer,<br />
da merkten sie,<br />
wie mild gewesen mein Wort.<br />
Wie wenn man die Erde pflügt und zerreißt,<br />
so ist am Schlund der Unterwelt<br />
hingestreut ihr Gebein.<br />
Auf dich, mein Herr und Gott,<br />
sind meine Augen gerichtet;<br />
ich flüchte zu dir, lass nicht verloren sein<br />
meine Seele!<br />
Vor der Schlinge, die sie mir legten,<br />
bewahre mich<br />
und vor der Falle der Frevler.<br />
Fangen sollen sich die Frevler<br />
im eigenen Netz,<br />
indessen ich heil entkomme.<br />
173 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Psalm 142<br />
Ein Weisheitslied; von David, als er sich in der Höhle<br />
befand; ein Gebet.<br />
Mit lauter Stimme rufe ich<br />
zum Herrn,<br />
mit lauter Stimme flehe ich<br />
zu meinem Herrn.<br />
Ich gieße aus vor ihm meine Sorge,<br />
ich lege ihm dar meine Not.<br />
Mag auch bangen mein Geist,<br />
dennoch – du kennst meine Pfade.<br />
Auf dem Weg, den ich schreite,<br />
da legten sie heimlich mir Schlingen.<br />
Ich blicke zur Rechten und schaue,<br />
doch keiner ist,<br />
der sich kümmert um mich.<br />
Nirgends ein Ort,<br />
dass ich fände bei ihm eine Zuflucht,<br />
niemand, der um mein Leben sich sorgte.<br />
O Herr, ich rufe zu dir,<br />
ich sage: Du bist meine Zuflucht,<br />
mein Anteil im Land der Lebenden.<br />
Vernimm meine Klage,<br />
denn elend bin ich sehr.<br />
Errette mich von denen, die mich verfolgen,<br />
mächtiger sind sie als ich.<br />
Führe mich hinaus aus meinem Gefängnis,<br />
und deinem Namen sage ich Dank.<br />
Und es werden sich scharen um mich<br />
die Gerechten,<br />
sobald du mir wohlgetan hast.<br />
Psalm 143<br />
Ein Psalm, von David.<br />
Vernimm, o Herr, mein Gebet;<br />
in deiner Treue, o höre mein Flehen;<br />
erhöre mich in deiner Gerechtigkeit!<br />
Mit deinem Knecht gehe nicht ins Gericht,<br />
ist doch keiner vor dir gerecht, der da lebt.<br />
Denn der Feind verfolgt meine Seele,<br />
mein Leben trat er zu Boden,<br />
stieß mich ins Dunkel wie einen,<br />
der lange schon tot ist.<br />
Es verschmachtet in mir der Geist,<br />
das Herz in meinem Innern ist wie erstarrt.<br />
Ich gedenke vergangener Tage,<br />
all deinen Werken sinne ich nach,<br />
bedenke, was getan haben deine Hände.<br />
Meine Hände breite ich aus nach dir,<br />
meine Seele dürstet nach dir<br />
wie trockenes Land.<br />
Eile, o Herr, erhöre mich,<br />
siehe, es verschmachtet mein Geist.<br />
Dein Angesicht wende nicht ab von mir,<br />
sonst gleiche ich denen,<br />
die niedersteigen zur Grube.<br />
Lass deine Huld mich bald erfahren,<br />
denn ich vertraue auf dich.<br />
Tue mir kund, welchen Weg ich soll schreiten,<br />
ich erhebe zu dir meine Seele.<br />
Von meinen Feinden errette mich, Herr,<br />
ich hoffe auf dich.<br />
Lehre mich, deinen Willen zu tun,<br />
denn du bist mein Gott.<br />
Dein Geist ist voll Güte,<br />
er führe mich auf ebener Bahn.<br />
Um deines Namens willen belebe mich, Herr,<br />
in deiner Güte führe mich aus der Not!<br />
In deiner Huld lass zugrunde gehen<br />
meine Feinde;<br />
vernichte sie alle, die meine Seele<br />
bedrängen!<br />
Denn siehe, ich bin dein Knecht.<br />
Ps 0,00–0,00<br />
174
Fünftes Buch<br />
Psalm 144<br />
Von David.<br />
Der Herr sei gepriesen, mein Fels<br />
er lehrte meine Hände den Kampf<br />
und meine Finger den Krieg.<br />
Du, mein Erbarmen, du, meine Burg,<br />
mein starker Schutz, mein Befreier.<br />
Du, mein Schild, meine Zuflucht,<br />
du machst die Völker mir untertan.<br />
Herr, was ist doch der Mensch,<br />
dass du seiner dich annimmst,<br />
das Menschenkind,<br />
dass du seiner gedenkest?<br />
Es gleicht der Mensch dem Hauch der Luft,<br />
wie Schatten gehen dahin seine Tage.<br />
Neige deinen Himmel, o Herr,<br />
und fahre hernieder,<br />
die Berge rühre an und sie rauchen.<br />
Lass zucken die Blitze<br />
und zersprenge die Feinde,<br />
deine Pfeile sende ab und verwirre sie.<br />
Strecke aus deine Hand von der Höhe,<br />
rette mich aus mächtigen Wassern,<br />
aus der Gewalt der Fremden befreie mich.<br />
Ihr Mund redet Lüge,<br />
und Meineid schwört ihre Rechte.<br />
Ein neues Lied will ich dir singen, o Gott,<br />
auf der Zehnsaitenharfe will ich dir spielen,<br />
der du den Königen Sieg verleihst,<br />
der du David, deinen Knecht, hast errettet.<br />
Entreiße mich dem verderblichen Schwert,<br />
aus der Gewalt der Fremden befreie mich!<br />
Ihr Mund redet Lüge,<br />
und Meineid schwört ihre Rechte.<br />
Einer Pflanzung seien gleich unsere Söhne,<br />
hochgewachsen in ihrer Jugend.<br />
Unsere Töchter seien wie tragende Pfeiler,<br />
schlank wie die Säulen des Tempels.<br />
Reich gefüllt unsere Scheunen,<br />
von Überfluss an jeglicher Frucht.<br />
Tausendfach mögen sich mehren<br />
unsere Schafe,<br />
zehntausendfach auf unseren Fluren,<br />
fruchtbar seien unsere Rinder.<br />
Keine Bresche sei in der Mauer,<br />
es drohe keine Verbannung<br />
kein Wehruf erschalle auf unseren Straßen.<br />
Wohl dem Volk, dem dieses ist beschieden,<br />
wohl dem Volk, dessen Gott ist der Herr!<br />
Psalm 145<br />
Ein Loblied, von David.<br />
Ich will dich preisen, mein Gott<br />
und mein König,<br />
deinen Namen will ich rühmen<br />
in Ewigkeit.<br />
An allen Tagen will ich dich preisen,<br />
deinen Namen will ich loben in Ewigkeit.<br />
Groß ist der Herr und würdig des Lobes,<br />
unergründlich ist seine Größe.<br />
Ein Geschlecht rühmt deine Werke<br />
dem andern,<br />
alle deine Macht verkünden sie.<br />
Sie rühmen den hehren Glanz deiner Hoheit,<br />
weithin vermelden sie<br />
den Ruf deiner Wunder.<br />
Sie reden von der Macht<br />
deiner furchtbaren Taten,<br />
von deiner Größe geben sie Kunde.<br />
Sie rufen aus das Lob deiner Güte,<br />
sie jubeln über deine Gerechtigkeit.<br />
Der Herr ist barmherzig und mild,<br />
zögernd im Zorn und reich an Gnade.<br />
Der Herr ist gut zu allen,<br />
voll Erbarmen zu allem,<br />
was er geschaffen hat.<br />
Loben sollen dich, Herr, alle deine Werke,<br />
deine Heiligen sollen dich preisen.<br />
Sie sollen reden vom Glanz deines Reiches,<br />
von deiner Allmacht sollen sie singen:<br />
175 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
den Menschen deine Kraft zu bezeugen<br />
und den Ruhm deines herrlichen Reiches.<br />
Dein Königreich ist ewiges Reich,<br />
und deine Herrschaft währet<br />
durch alle Geschlechter.<br />
Getreu ist der Herr in all seinen Worten,<br />
in all seinen Werken heilig.<br />
Der Herr hält die Fallenden auf,<br />
er hebt empor die Gebeugten.<br />
Aller Augen warten auf dich,<br />
du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit.<br />
Deine Hand tust du auf<br />
du erfüllst mit Güte alles, was lebt.<br />
Gerecht ist der Herr auf all seinen Wegen,<br />
in all seinen Werken heilig.<br />
Der Herr ist nahe allen, die zu ihm rufen,<br />
allen, die ihn rufen aus lauterem Herzen.<br />
Den Frommen gibt er nach ihrem Verlangen,<br />
er hört ihr Flehen und rettet sie.<br />
Alle behütet der Herr, die ihn lieben,<br />
die Frevler aber vernichtet er.<br />
Mein Mund verkünde das Lob des Herrn;<br />
und alles, was lebt,<br />
preise ewig seinen heiligen Namen.<br />
Psalm 146<br />
Halleluja!<br />
Lobe, meine Seele, den Herrn!<br />
Ich will loben den Herrn, solange ich lebe,<br />
meinem Gott lobsingen, solange ich bin.<br />
Baut nicht auf die Großen,<br />
nicht auf den Menschen,<br />
bei dem keine Hilfe ist!<br />
Sein Atem verlässt ihn,<br />
er kehrt zurück in den Staub;<br />
dahin sind all seine Pläne.<br />
Wohl dem, dessen Helfer ist Jakobs Gott,<br />
der die Hoffnung setzt auf Gott,<br />
seinen Herrn,<br />
auf ihn, der alles geschaffen hat,<br />
Himmel und Erde und Meer<br />
und all ihre Wesen.<br />
Seine Treue bewahrt er auf ewig,<br />
Unterdrückten schafft er Gerechtigkeit.<br />
Hungernden spendet er Brot,<br />
der Herr befreit die Gefangenen.<br />
Der Herr tut auf das Auge der Blinden.<br />
Der Herr hebt die Gebeugten empor,<br />
Es liebt der Herr die Gerechten.<br />
Der Herr behütet die Fremden,<br />
der Witwen und Waisen nimmt er sich an,<br />
doch den Weg der Gottlosen<br />
macht er zum Irrweg.<br />
Der Herr ist König in Ewigkeit,<br />
dein Gott, o Zion, durch alle Geschlechter!<br />
Halleluja!<br />
Psalm 147<br />
Halleluja!<br />
Lobet den Herrn, er ist gut!<br />
Singt unserem Gott, er ist mild!<br />
Ihm schulden wir Lobgesang.<br />
Der Herr baut Jerusalem neu,<br />
Israels Zerstreute holt er zusammen.<br />
Er heilt, die gebrochenen Herzens sind,<br />
verbindet all ihre Wunden.<br />
Den Sternen bestimmt er die Zahl,<br />
jeden ruft er bei seinem Namen.<br />
Groß ist der Herr und gewaltig an Kraft,<br />
unermesslich ist seine Weisheit.<br />
Der Herr hebt die Gebeugten empor,<br />
die Frevler aber drückt er zu Boden.<br />
Singt dem Herrn und sagt ihm Dank,<br />
spielt unserem Gott auf der Harfe!<br />
Ihm, der den Himmel überzieht mit Wolken<br />
und Regen bereitet der Erde;<br />
der auf den Bergen lässt sprossen das Gras<br />
und die Kräuter,<br />
Ps 0,00–0,00<br />
176
Fünftes Buch<br />
dass sie dienen dem Menschen.<br />
Den Tieren spendet er Nahrung,<br />
den jungen Raben, die schreien zu ihm.<br />
Keine Freude hat er an kräftigen Rossen,<br />
kein Gefallen an der Stärke des Kriegers.<br />
Der Herr hat Gefallen an denen,<br />
die ihn fürchten,<br />
an denen, die vertrauen auf seine Huld.<br />
Jerusalem, lobe den Herrn,<br />
deinen Gott lobpreise, o Zion!<br />
Deiner Tore Riegel hat er gefestigt,<br />
gesegnet in dir deine Söhne.<br />
Deine Grenzen hat er geordnet in Frieden,<br />
er nährt dich mit dem Mark des Weizens.<br />
Er sendet nieder sein Wort zur Erde,<br />
seine Befehle eilen dahin.<br />
Schnee gibt er wie Wolle,<br />
wie Asche streut er den Reif.<br />
Er schleudert wie Brocken den Hagel,<br />
vor seinem Frost erstarren die Wasser.<br />
Er sendet sein Wort und lässt tauen,<br />
seinen Wind lässt er wehen,<br />
es fließen die Wasser.<br />
Er hat sein Wort verkündet an Jakob,<br />
an Israel sein Recht und Gebot.<br />
So hat er an keinem Volke getan,<br />
keinem andern seine Rechte verkündet.<br />
Halleluja!<br />
Psalm 148<br />
Halleluja!<br />
Lobt den Herrn vom Himmel her,<br />
lobt den Herrn in der Höhe!<br />
Lobt ihn, all seine Engel,<br />
lobt ihn, all seine himmlischen Heere!<br />
Lobt ihn, Sonne und Mond,<br />
lobt ihn, ihr leuchtenden Sterne!<br />
Lobt ihn, ihr obersten Himmel,<br />
all ihr Wasser in den Höhen der Himmel!<br />
Sie sollen loben den Namen des Herrn;<br />
denn er befahl und sie waren geschaffen.<br />
Er stellte sie hin für immer und ewig,<br />
ein Gesetz gab er ihnen,<br />
das niemals vergeht.<br />
Lobt den Herrn von der Erde her,<br />
ihr Meeresriesen und alle Tiefen der Meere,<br />
Feuer und Hagel, Wolken und Schnee,<br />
brausende Stürme,<br />
die ihr vollführt seinen Willen,<br />
all ihr Berge und Hügel,<br />
ihr Früchte tragenden Bäume<br />
und all ihr Zedern,<br />
ihr Tiere alle in Wald und Feld,<br />
Kriechtiere und gefiederte Vögel,<br />
ihr Könige der Erde und alle ihr Völker,<br />
ihr Fürsten und ihr Richter der Erde,<br />
ihr Jünglinge und ihr Jungfrauen all,<br />
ihr Greise,<br />
vereint mit dem Chor der Kinder!<br />
Lobt alle den Namen des Herrn;<br />
denn sein Name allein ist erhaben,<br />
seine Hoheit überragt Himmel und Erde.<br />
Hoch erhoben hat er die Macht seines Volkes.<br />
Zum Ruhme gereicht es all seinen Heiligen,<br />
Israels Söhnen, dem Volk, das ihm nahe.<br />
Halleluja!<br />
177 Ps 0,00–0,00
<strong>Die</strong> Psalmen<br />
Psalm 149<br />
Halleluja!<br />
Singt dem Herrn ein neues Lied!<br />
Sein Lob ertöne in der Gemeinde der Frommen.<br />
Israel freue sich seines Schöpfers,<br />
ihres Königs mögen sich freuen die Kinder von Zion.<br />
Preisen sollen sie seinen Namen mit Reigen,<br />
ihm spielen mit Pauken und Harfen!<br />
Denn Wohlgefallen hat an seinem Volk der Herr,<br />
die Gebeugten krönt er mit Sieg.<br />
<strong>Die</strong> Heiligen sollen jubeln in Herrlichkeit,<br />
auf ihren Lagern frohlocken:<br />
Auf ihren Lippen der Lobgesang Gottes,<br />
zweischneidige Schwerter in ihren Händen,<br />
Rache zu vollziehen an den Völkern,<br />
Strafgerichte unter den Nationen,<br />
Könige zu legen in Ketten,<br />
Fürsten in eiserne Fesseln,<br />
zu vollstrecken an ihnen den Spruch des Gerichtes.<br />
Solche Ehre wird all seinen Frommen zuteil.<br />
Halleluja!<br />
Psalm 150<br />
Halleluja!<br />
Lobt den Herrn in seinem Heiligtum,<br />
lobt den Herrn in seiner mächtigen Feste!<br />
Lobt ihn für seine gewaltigen Taten,<br />
lobt ihn in seiner herrlichen Macht!<br />
Lobt ihn mit dem Hall der Posaunen,<br />
lobt ihn mit Psalter und Harfe!<br />
Lobt ihn mit Pauken und Reigen,<br />
lobt ihn mit Flöten und Saitenspiel!<br />
Lobt ihn mit klingenden Zimbeln,<br />
lobt ihn mit dem Schall der rauschenden Zimbeln!<br />
Alles, was Atem hat,<br />
lobe den Herrn!<br />
Halleluja!<br />
Ps 0,00–0,00<br />
178
181 Status<br />
Das<br />
Buch<br />
der<br />
Sprichwörter
DAS<br />
BUCH<br />
DER<br />
SPRICH -<br />
WÖRTER<br />
—<br />
Kapitel 1-9<br />
Sprichwörter Salomos<br />
—<br />
Kapitel 10,1–22,16<br />
Sprichwörter Salomos<br />
—<br />
Kapitel 22,17–24,22<br />
Worte der Weisen<br />
—<br />
Kapitel 24,23–24,34<br />
Auch diese Stammen von<br />
Weisen<br />
—<br />
Kapitel 25–29<br />
Auch dies sind Sprichwörter<br />
Salomos<br />
—<br />
Kapitel 30<br />
Worte Argurs<br />
—<br />
Kapitel 31<br />
Worte LemuËls
1 Empfehlung der Weisheit<br />
<strong>Die</strong> Sprichwörter Salomos<br />
Kapitel 1<br />
—<br />
Des Sohnes Davids, Des Königs von Israel:<br />
Dass man Weisheit und Zucht lerne,<br />
die Worte der Einsicht verstehe<br />
und Zucht und Verständnis sich aneigne,<br />
Gerechtigkeit, Recht und Geradheit.<br />
Sie verleihen den Unerfahrenen Klugheit,<br />
der Jugend Erkenntnis und Umsicht.<br />
Hört sie der Weise, so mehrt er das Wissen,<br />
und der Einsichtige lernt kluge Führung,<br />
dass er verstehe Sinnspruch und Gleichnis,<br />
Worte der Weisen und ihre Rätsel.<br />
Furcht des Herrn ist Anfang der Erkenntnis;<br />
nur Toren verachten Weisheit und Zucht.<br />
183 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
—<br />
Höre, mein Sohn, auf deines Vaters Warnung,<br />
und missachte nicht deiner Mutter Belehrung!<br />
Sie sind ja deinem Haupt ein anmutiger Kranz<br />
und deinem Hals ein Geschmeide.<br />
Mein Sohn, wenn Sünder dich verleiten wollen,<br />
so willige nicht ein!<br />
Sagen sie etwa: Komm doch mit uns,<br />
wir lauern auf Blut,<br />
legen dem Schuldlosen Hinterhalt ohne Grund.<br />
Wie die Unterwelt verschlingen wir sie lebendig,<br />
Gesunde wie solche, die ins Grab müssen.<br />
Wir erlangen wertvolles Gut aller Art,<br />
füllen mit Beute unsere Häuser.<br />
Du darfst dein Los in unserer Mitte werfen,<br />
der Beutel sei uns allen gemeinsam!<br />
Mein Sohn, mit ihnen mach dich nicht auf den Weg,<br />
von ihrem Pfad halte deinen Fuß zurück!<br />
Ihre Füße laufen ja dem Bösen zu<br />
und eilen zum Blutvergießen.<br />
Vergeblich wird das Netz ausgespannt,<br />
vor den Augen aller Vögel.<br />
Doch lauern sie auf ihr eigenes Blut,<br />
legen Hinterhalt dem eigenen Leben.<br />
So enden alle, die Raubgut erraffen;<br />
seinem Besitzer raubt es das Leben.<br />
Laut ruft die Weisheit auf den Gassen,<br />
erhebt auf den Plätzen die Stimme.<br />
Ruft an der Ecke der lärmenden Straßen,<br />
hält am Eingang der Tore, in der Stadt ihre Reden:<br />
Wie lang noch, ihr Unreifen, liebt ihr die Unreife,<br />
gefällt den Dreisten ihr dreistes Geschwätz,<br />
ist den Toren Einsicht verhasst?<br />
Kehrt euch doch meiner Mahnung zu!<br />
Dann will ich meinen Geist vor euch verströmen,<br />
euch meine Worte kundtun:<br />
Weil ihr, als ich rief, euch geweigert habt,<br />
als ich die Hand ausstreckte, niemand darauf achtete;<br />
weil ihr all meinen Rat in den Wind geschlagen<br />
und meine Mahnung nicht angenommen habt,<br />
so will auch ich bei euerem Unglück lachen,<br />
spotten, wenn euch der Schrecken überfällt,<br />
Spr 0,00–0,00<br />
184
3 Empfehlung der Weisheit<br />
wenn euch einem Unwetter gleich der Schrecken befällt<br />
und euer Unglück wie ein Sturmwind sich naht,<br />
wenn Not und Drangsal über euch kommen.<br />
Dann rufen sie mich an, doch ich antworte nicht;<br />
sie suchen mich, doch werden sie mich nicht finden.<br />
Weil ihnen Einsicht verhasst war,<br />
sie der Furcht des Herrn nicht den Vorzug gaben,<br />
auf meinen Rat nicht eingingen,<br />
jede Mahnung von mir verschmähten:<br />
So sollen sie nun die Frucht ihres Wandels kosten,<br />
von ihren Anschlägen sich sättigen.<br />
Ja, die Abkehr der Einfältigen bringt sie selbst um;<br />
ihre eigene Sorglosigkeit richtet die Toren zugrunde.<br />
Doch wer auf mich hört, wird sicher wohnen,<br />
kann ruhig sein, ohne Bangen vor Unheil!<br />
Kapitel<br />
—<br />
Mein Sohn, nimmst du meine Worte an,<br />
bewahrst dir meine Gebote,<br />
indem du der Weisheit dein Ohr neigst,<br />
dein Herz der Einsicht zuwendest,<br />
wenn du rufst nach Verständnis,<br />
deine Stimme nach Einsicht verlangt;<br />
wenn du nach ihr wie nach Silber suchst,<br />
ihr nachspürst wie Schätzen,<br />
dann wirst du die Furcht des Herrn verstehen<br />
und Gottes Erkenntnis gewinnen.<br />
Denn Weisheit verleiht nur der Herr;<br />
aus seinem Mund<br />
kommt Erkenntnis und Einsicht;<br />
er hält Beistand bereit den Redlichen,<br />
ist denen ein Schild, die rechtschaffen leben.<br />
Er hütet die Pfade des Rechts<br />
und bewacht den Weg derer, die ihm treu sind.<br />
Dann verstehst du, was Gerechtigkeit und Recht ist,<br />
Geradheit und jede gute Bahn;<br />
denn Weisheit zieht ein in dein Herz,<br />
und Erkenntnis erfreut deine Seele,<br />
Besonnenheit wacht über dir,<br />
und Einsicht wird dich behüten,<br />
dich zu bewahren vor schlechtem Weg,<br />
vor Leuten, die Verkehrtes reden,<br />
die die geraden Pfade verlassen,<br />
185 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
um auf dunklen Wegen zu gehen;<br />
denen es Freude macht, Schlechtes zu tun,<br />
die jauchzen über die Verkehrtheit des Schlechten,<br />
deren Pfade gewunden sind<br />
und die auf krummen Gleisen fahren.<br />
Auch bewahrt sie dich vor der Frau eines anderen,<br />
vor der Fremden mit ihren verführenden Reden,<br />
die den Freund ihrer Jugend verlässt<br />
und den Bund ihres Gottes vergisst.<br />
Ja, ihr Haus führt zur Totenwelt hinunter;<br />
zu den Totengeistern hinab gehen ihre Bahnen.<br />
Wer bei ihr einkehrt, kommt nie mehr zurück,<br />
erreicht nie wieder die Pfade des Lebens.<br />
Darum geh den Weg der Guten,<br />
halte ein der Gerechten Pfade!<br />
Denn die Redlichen werden im Land wohnen,<br />
die Rechtschaffenen darin bleiben.<br />
Doch die Frevler werden vertilgt aus dem Land,<br />
die Abtrünnigen herausgerissen.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Mein Sohn, vergiss meine Lehre nicht,<br />
dein Herz bewahre meine Gebote!<br />
Denn viele Tage und Jahre des Lebens<br />
und Wohlergehen fügen sie dir hinzu.<br />
Nie dürfen dich Liebe und Treue verlassen;<br />
binde sie an deinen Hals,<br />
auf deines Herzens Tafel schreibe sie!<br />
Dann findest du Gunst und Wohlgefallen<br />
vor den Augen Gottes und der Menschen.<br />
Vertraue ganzen Herzens auf den Herrn,<br />
doch baue nicht auf eigene Klugheit.<br />
Auf all deinen Wegen such ihn zu erkennen,<br />
dann wird er selbst deine Pfade ebnen.<br />
Halte dich nicht selbst für weise,<br />
fürchte vielmehr den Herrn und meide das Böse!<br />
<strong>Die</strong>s ist heilsam für deinen Leib,<br />
für deinen Körper ein Labsal.<br />
Ehre den Herrn mit deinem Vermögen,<br />
mit den Erstlingen von allem, was einkommt.<br />
So füllen sich mit Korn deine Speicher,<br />
und deine Fässer laufen über von Wein.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
186
4 Empfehlung der Weisheit<br />
Nicht weise von dir, mein Sohn, die Zucht des Herrn,<br />
und seiner Zurechtweisung widerstrebe nicht.<br />
Wen der Herr liebt, den weist er zurecht,<br />
wie ein Vater den Sohn, dem er wohl will.<br />
Glücklich der Mann, der Weisheit gefunden,<br />
der Mensch, der Einsicht erlangt hat.<br />
Denn besser ist es, sie zu erwerben als Silber,<br />
und sie zu bekommen ist mehr wert als Gold.<br />
Sie ist kostbarer als Korallen,<br />
und alle deine kostbaren Steine.<br />
In der Rechten hält sie langes Leben;<br />
in der Linken Reichtum und Ehre.<br />
Ihre Wege sind Wege der Freude,<br />
auf all ihren Pfaden ist Wohlergehen.<br />
Wer nach ihr greift, dem ist sie ein Lebensbaum,<br />
und wer sie festhält, ist glücklich zu preisen.<br />
Der Herr hat mit Weisheit die Erde gegründet,<br />
mit Einsicht den Himmel gefestigt.<br />
Durch seine Erkenntnis brachen die Urfluten auf,<br />
träufeln die Wolken den Tau herab.<br />
—<br />
Mein Sohn, verliere sie nie aus den Augen,<br />
bewahre Klugheit und Umsicht!<br />
So werden sie deiner Seele zum Leben<br />
und deinem Halse zum Schmuck.<br />
Dann gehst du sicher deinen Weg<br />
und stößt nicht an mit deinem Fuß.<br />
Setzt du dich nieder, so brauchst du nicht zu bangen,<br />
und ruhst du, so schläfst du erquickend.<br />
Du musst dich nicht fürchten vor plötzlichem Schrecken,<br />
vor dem Unwetter über die Frevler, das kommt.<br />
Denn der Herr wird deine Zuversicht sein,<br />
er bewahrt deinen Fuß vor dem Fallstrick.<br />
Enthalte dem die gute Tat nicht vor, der sie braucht,<br />
wenn in deiner Macht steht, es zu tun!<br />
Zum Nächsten sage nicht: Geh! Komm nochmals,<br />
morgen gebe ich!, wo du es gleich kannst.<br />
Plane nichts Böses gegen deinen Nächsten,<br />
während er arglos bei dir sitzt.<br />
Bring keinen Menschen grundlos vor Gericht,<br />
wenn er dir nichts Böses getan hat.<br />
Beneide nicht den Mann der Gewalttat,<br />
und wähle keinen seiner Wege.<br />
187 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Der Herr verabscheut ja, die auf Abwegen sind;<br />
doch mit den Redlichen lebt er vertraut.<br />
Der Fluch des Herrn liegt auf dem Haus des Frevlers,<br />
die Stätte der Gerechten segnet er.<br />
Für Spötter hat er selbst nur Spott;<br />
den Duldern aber schenkt er Huld.<br />
<strong>Die</strong> Weisen werden Ehre erlangen,<br />
doch Schande erben die Toren.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Ihr Söhne, hört auf die Mahnung des Vaters,<br />
merkt auf, um Einsicht zu lernen!<br />
Denn gute Lehre gebe ich euch,<br />
meine Weisung, verlasst sie nicht!<br />
Als ich nämlich noch ein Knabe war beim Vater,<br />
das zarte und einzige Kind meiner Mutter,<br />
da belehrte er mich und sagte zu mir:<br />
—<br />
O halte fest meine Worte im Herzen,<br />
bewahre meine Gebote, dann lebst du glücklich.<br />
Erwirb dir Weisheit, erwirb dir Einsicht,<br />
vergiss sie nicht und weich nicht ab von meines Mundes Worten!<br />
Lass nicht von ihr, so bewahrt sie dich;<br />
behalte sie lieb, dann behütet sie dich.<br />
Der Weisheit Anfang ist: Erwirb dir Weisheit,<br />
erwirb dir Einsicht mit deinem ganzen Vermögen!<br />
Halte sie hoch, dann erhöht sie dich;<br />
sie bringt dich zu Ehren, wenn du sie umarmst.<br />
Sie setzt dir aufs Haupt einen schönen Kranz,<br />
eine prachtvolle Krone schenkt sie dir.<br />
Höre, mein Sohn, nimm an meine Worte,<br />
dann werden dir zahlreich die Lebensjahre.<br />
Den Weisheitsweg will ich dir weisen,<br />
ich lasse auf gerader Bahn dich ziehen.<br />
Gehst du, so ist dein Schreiten ungehemmt,<br />
und wenn du läufst, wirst du nicht straucheln.<br />
Halte fest an der Zucht, lass nicht davon ab,<br />
bewahre sie, sie ist ja dein Leben.<br />
Den Pfad der Frevler betritt nicht,<br />
wandle nicht auf dem Weg der Bösen!<br />
Verlass ihn, geh nicht darauf weiter,<br />
bieg von ihm ab und geh vorbei!<br />
Spr 0,00–0,00<br />
188
5 Empfehlung der Weisheit<br />
Denn sie schlafen nicht, wenn sie nicht Böses getan;<br />
um ihren Schlaf ist’s geschehen, wenn sie niemand zu Fall gebracht.<br />
Ja sie essen des Frevels Brot<br />
und trinken den Wein der Gewalttat.<br />
Der Gerechten Pfad ist wie Morgenlicht,<br />
das heller und heller wird bis zum vollen Tag.<br />
Doch der Frevler Weg ist wie dunkle Nacht;<br />
so erkennen sie nicht, worüber sie straucheln.<br />
—<br />
Achte, mein Sohn, auf meine Worte,<br />
meinen Reden wende dein Ohr zu!<br />
Lass sie nie aus den Augen,<br />
bewahre sie mitten im Herzen!<br />
Denn wer sie gefunden hat, für den sind sie Leben<br />
und für den Körper eines jeden Heilung.<br />
Mit der größten Vorsicht hüte dein Herz;<br />
von ihm geht ja das Leben aus!<br />
Halte von dir Falschheit des Mundes,<br />
und entferne Verkehrtheit der Lippen!<br />
Deine Augen sollen geradeaus schauen<br />
und deine Blicke nach vorn gerichtet sein.<br />
Verschaffe deinem Fuß ebene Bahn,<br />
und all deine Wege seien gefestigt.<br />
Bieg nicht ab nach rechts oder links,<br />
halt fern deinen Fuß vom Bösen!<br />
Kapitel<br />
—<br />
Achte, mein Sohn, auf meine Weisheit,<br />
wende dein Ohr meiner Einsicht zu,<br />
dass du Besonnenheit behältst<br />
und deine Lippen die Erkenntnis bewahren.<br />
Denn die Lippen der Fremden triefen von Honig,<br />
und glatter als Öl ist ihr Gaumen.<br />
Doch zuletzt ist sie bitter wie Wermut,<br />
scharf wie ein Schwert mit zwei Schneiden.<br />
Ihre Füße steigen zum Tod hinab;<br />
ihre Schritte halten fest auf die Unterwelt zu.<br />
Sie hält den Pfad des Lebens nicht ein,<br />
ihre Bahnen sind unstet, sie achtet es nicht.<br />
Nun denn, ihr Söhne, hört auf mich,<br />
und weicht nicht ab von den Worten meines Mundes!<br />
Halte fern von ihr deinen Weg,<br />
komm der Tür ihres Hauses nicht nahe.<br />
189 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Sonst gibst du anderen deine Würde preis<br />
und deine Jahre einem Grausamen;<br />
sonst sättigen Freunde sich von deinem Vermögen;<br />
was du mühsam erworben, kommt in eines anderen Haus.<br />
Dann müsstest du zuletzt noch stöhnen,<br />
wenn Leib und Fleisch dir dahingeschwunden,<br />
und bekennen:<br />
Wie war mir Ermahnung verhasst,<br />
und mein Herz verschmähte die Warnung.<br />
Ich hörte nicht auf die Stimme meiner Erzieher,<br />
und wandte das Ohr meinen Lehrern nicht zu.<br />
Fast wäre es mir ganz böse ergangen<br />
inmitten der versammelten Gemeinde.<br />
Trink Wasser aus deiner eignen Zisterne,<br />
nur was aus deinem Brunnen quillt.<br />
Sollen sich denn deine Quellen nach außen ergießen,<br />
deine Wasserbäche auf die freien Plätze?<br />
Sie sollen dir allein gehören<br />
und nicht auch anderen neben dir.<br />
Dein Brunnen sei gesegnet;<br />
freu dich der Frau deiner Jugend:<br />
<strong>Die</strong> liebliche Gazelle, die anmutige Gemse!<br />
Ihre Brüste sollen dich allzeit berauschen,<br />
ihre Liebe mache dich immerfort trunken!<br />
Was sollst du dich an einer Fremden berauschen, mein Sohn,<br />
den Leib einer Fremden umfangen?<br />
Fürwahr, der Weg eines jeden liegt klar vor den Augen des Herrn;<br />
er achtet auf all seine Pfade.<br />
Den Frevler fangen seine eigenen Vergehen;<br />
von den Stricken seiner Sünde wird er gehalten.<br />
Er wird sterben aus Mangel an Zucht,<br />
seiner großen Torheit wegen kommt er zu Fall.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Mein Sohn, bist du bei deinem Nächsten Bürge geworden,<br />
hast einem Fremden den Handschlag gegeben,<br />
und bist so verstrickt durch die Worte deines Mundes,<br />
gefangen durch die Worte deines Mundes:<br />
So tu denn dies, mein Sohn, um dich zu befreien –<br />
denn du bist in die Hand deines Nächsten geraten –:<br />
Geh unverzüglich hin und bestürme deinen Nächsten!<br />
Spr 0,00–0,00<br />
190
Das Buch der Sprichwörter<br />
Sie bewahren dich vor der Frau des Nächsten,<br />
vor der glatten Zunge der Fremden.<br />
Begehre nicht im Herzen nach ihrer Schönheit!<br />
Von ihren Blicken lass dich nicht fangen!<br />
Denn bei der Dirne steht ein Stück Brot auf dem Spiel,<br />
eine Ehebrecherin aber macht Jagd aufs teuere Leben.<br />
Kann man Feuer im Bausch des Gewandes bergen,<br />
ohne dass die Kleider in Brand geraten?<br />
Oder schreitet einer auf Kohlenglut,<br />
ohne sich die Füße zu verbrennen?<br />
So auch, wenn einer zur Frau seines Nächsten geht.<br />
Keiner bleibt straflos, der sie berührt.<br />
Verachtet man nicht auch den <strong>Die</strong>b, der stiehlt,<br />
um seine Gier, da ihn hungert, zu befriedigen?<br />
Ertappt, muss er es siebenfach ersetzen,<br />
gibt alle Habe seines Hauses hin.<br />
Doch wer Ehebruch begeht, dem mangelt Verstand;<br />
dies tut nur, wer selbst sein Leben vernichten will.<br />
Schläge und Schande trägt er davon,<br />
und seine Schmach wird nie gelöscht.<br />
Denn Eifersucht erweckt den Grimm des Mannes;<br />
am Rachetag übt er keine Schonung.<br />
Keinerlei Sühnegeld kann ihn versöhnen;<br />
bietest du auch noch so viel, er willigt nicht ein.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Bewahre, mein Sohn, meine Worte,<br />
und meine Gebote bewahre bei dir!<br />
Achte auf meine Gebote –, dann bleibst du am Leben,<br />
hüte meine Lehre wie deinen Augapfel!<br />
Binde sie dir an die Finger,<br />
schreibe sie dir auf die Tafel des Herzens!<br />
Sprich zur Weisheit: Du meine Schwester!,<br />
und nenne die Klugheit deine Freundin.<br />
So bewahrt sie dich vor der Frau eines anderen,<br />
vor der Fremden, die verführerisch redet.<br />
Denn aus dem Fenster meines Hauses,<br />
durch das Gitter schaute ich hinaus,<br />
da sah ich unter den arglosen jungen Leuten<br />
einen jungen Mann ohne Verstand:<br />
Er ging über die Straße, bog um die Ecke,<br />
und nahm dann den Weg zu ihrem Haus.<br />
Es war im Zwielicht zwischen Tag und Abend,<br />
beim Einbruch des nächtlichen Dunkels.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
192
8 Empfehlung der Weisheit<br />
Da begegnet ihm eine Frau,<br />
im Kleid der Dirnen, mit listiger Absicht.<br />
Voll Leidenschaft war sie und unbeherrscht,<br />
ihre Füße wollten nicht zu Hause bleiben.<br />
Bald auf der Straße, bald auf den Plätzen,<br />
an jeder Ecke lauerte sie.<br />
Da hielt sie ihn fest, küsste ihn<br />
und sagte zu ihm mit frechem Gesicht:<br />
Ich war noch Opfer schuldig,<br />
habe heute mein Gelübde erfüllt.<br />
Deshalb ging ich aus, dir zu begegnen,<br />
dich zu treffen; nun habe ich dich gefunden.<br />
Mit Decken hab’ ich mein Lager bereitet,<br />
mit bunten Tüchern aus ägyptischem Leinen.<br />
Mein Bett habe ich mit Wohlgerüchen besprengt<br />
von Myrrhe, Aloe und Zimt.<br />
So komm, wir trinken Liebeslust bis zum Morgen,<br />
an Liebesfreuden wollen wir uns ergötzen!<br />
Denn mein Mann ist nicht zu Hause,<br />
ist auf Reisen weit fort.<br />
Den Beutel mit dem Geld nahm er mit;<br />
erst am Vollmondstag kehrt er heim.<br />
Durch ihre Überredungskunst verführt sie ihn,<br />
verleitet ihn mit dem Trug ihrer Lippen.<br />
Betört folgt er ihr,<br />
wie ein Ochse zum Schlachthaus geht<br />
und wie ein Hirsch, der sich verfängt in der Schlinge,<br />
bis ein Pfeil ihm die Leber durchbohrt;<br />
wie ein Vogel sich ins Fangnetz stürzt<br />
und nicht sieht, dass es sein Leben kostet.<br />
Nun denn, ihr Söhne, hört auf mich,<br />
und hört auf meines Mundes Worte!<br />
Nicht schweife dein Herz auf ihre Wege ab,<br />
verirre dich nicht auf ihre Pfade!<br />
Denn zahlreich sind die Erschlagenen, die sie gefällt hat,<br />
alle von ihr Gemordeten eine gewaltige Zahl.<br />
Ihr Haus ist ein Weg, der zur Unterwelt führt,<br />
hinab in die Kammern des Todes.<br />
193 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Kapitel<br />
—<br />
Ruft nicht die Weisheit,<br />
erhebt nicht die Einsicht ihre Stimme?<br />
Auf dem Gipfel der Höhen,<br />
an der Kreuzung der Wege steht sie,<br />
bei den Toren am Stadtausgang,<br />
am Eingang der Pforten ruft sie laut:<br />
An euch, ihr Männer, ergeht mein Ruf,<br />
euch gilt meine Stimme, ihr Menschen:<br />
Nehmt Klugheit an, ihr Gedankenlosen,<br />
ihr Törichten, gewinnt Verstand!<br />
Hört zu, denn ich verkünde nur, was recht ist;<br />
zu Redlichem tun sich meine Lippen auf.<br />
Denn Wahrheit bewegt meinen Mund,<br />
doch Frevel ist meinen Lippen ein Abscheu.<br />
Gerecht sind alle Worte meines Mundes,<br />
nichts Verdrehtes oder Falsches ist darin.<br />
Dem Einsichtigen sind sie allesamt recht<br />
und denen richtig, die Erkenntnis fanden.<br />
Nehmt meine Weisung lieber als Silber an;<br />
begehrenswerter als Gold sei Erkenntnis!<br />
Ja, Weisheit ist besser als Korallen;<br />
alle Kostbarkeiten wiegen sie nicht auf<br />
Ich, die Weisheit, verweile bei der Klugheit,<br />
auch Erkenntnis guter Pläne findet sich bei mir.<br />
<strong>Die</strong> Furcht des Herrn ist der Abscheu vor dem Bösen.<br />
Hochmut und Hoffart, böser Wandel<br />
und Verkehrtheit des Mundes sind mir ja verhasst.<br />
Bei mir ist Rat und Erfolg;<br />
ich bin die Einsicht, bei mir ist Starkmut.<br />
Durch mich regieren die Könige,<br />
verfügen die Träger des Amtes das Rechte.<br />
Durch mich herrschen die Fürsten<br />
und richten die Edlen nach Gerechtigkeit.<br />
<strong>Die</strong> mich lieben, die liebe ich wieder;<br />
wer mich sucht, findet mich.<br />
Reichtum und Ehre liegen bei mir,<br />
stattliches Gut und Gerechtigkeit.<br />
Meine Früchte sind besser als Gold, ja als Feingold;<br />
mein Ertrag übertrifft erlesenes Silber.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
194
Ich wandle den Weg der Gerechtigkeit<br />
und mitten auf des Rechtes Pfaden.<br />
So verleihe ich denen Besitz, die mich lieben,<br />
und fülle ihre Speicher.<br />
Mich hat der Herr geschaffen als Erstling seines Waltens,<br />
vor seinen Werken in der Urzeit.<br />
Ich wurde vor aller Zeit gebildet,<br />
von Anbeginn, vor den Uranfängen der Erde.<br />
Als die Urfluten noch nicht waren, wurde ich geboren,<br />
als es noch nicht die Quellen gab, die wasserreichen.<br />
Bevor die Berge gegründet waren,<br />
vor den Hügeln wurde ich hervorgebracht,<br />
als er das Land und die Fluren noch nicht gemacht,<br />
noch nicht die ersten Schollen der Erde.<br />
Ich war dabei, als er den Himmel erstellte,<br />
einen Kreis über der Fläche der Urflut abmaß,<br />
als er oben die Wolken befestigte,<br />
die Kraft der Urflutquellen bestimmte,<br />
als er dem Meer seine Grenze setzte,<br />
dass die Wasser nicht seinen Befehl übertreten;<br />
als er die Grundfesten der Erde umriss,<br />
da war ich der Liebling an seiner Seite,<br />
war Tag für Tag seine Freude,<br />
indem ich die ganze Zeit vor ihm spielte.<br />
Da spielte ich auf dem weiten Rund seiner Erde<br />
und hatte meine Freude mit den Menschenkindern.<br />
Nun denn, ihr Söhne, hört auf mich!<br />
Wohl denen, die meine Wege einhalten.<br />
Hört die Weisung, dass ihr weise werdet,<br />
und lasst sie nicht unbeachtet!<br />
Wohl dem Mann, der auf mich hört,<br />
der täglich wacht an meinen Türen,<br />
der meiner Tore Pfosten hütet!<br />
Wer mich findet, hat Leben gefunden<br />
und erlangt das Wohlgefallen des Herrn.<br />
Doch wer sich an mir vergeht, der tut seiner Seele Gewalt an;<br />
alle, die mich verwerfen, lieben den Tod.<br />
195 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Kapitel<br />
—<br />
<strong>Die</strong> Weisheit hat ihr Haus gebaut,<br />
hat ihre sieben Säulen aufgerichtet,<br />
ihr Schlachtvieh geschlachtet, den Wein gemischt,<br />
auch ihre Tafel gedeckt<br />
und ausgesandt ihre Mägde;<br />
ihr Ruf ergeht auf den höchsten Stellen der Stadt:<br />
Den Unwissenden sagt sie:<br />
Wer unerfahren ist, biege hierher ein!<br />
Kommt! Esst von meiner Speise und trinkt vom Wein,<br />
den ich gemischt habe!<br />
Lasst von der Torheit ab, auf dass ihr am Leben bleibt,<br />
und wandelt auf dem Weg der Einsicht!<br />
Wer den Spötter zurechtweist, erwirbt sich Schmach,<br />
und wer den Frevler tadelt, selbst einen Flecken.<br />
Nicht rüge den Spötter, sonst hasst er dich;<br />
den Weisen rüge: er liebt dich darum.<br />
Dem Weisen teile mit, so wird er noch weiser;<br />
den Gerechten lehre: er mehrt sein Wissen.<br />
Anfang der Weisheit ist Furcht des Herrn,<br />
und den Heiligen kennen ist Einsicht.<br />
Ja, durch mich werden deine Tage zahlreich,<br />
und die Lebensjahre mehren sich dir.<br />
Bist du weise, so bist du weise zum eigenen Besten;<br />
bist du ein Spötter, musst du es allein tragen.<br />
Frau Torheit ist ohne Ruhe,<br />
voll Dummheit und jeder Erkenntnis bar.<br />
Sie sitzt an der Tür ihres Hauses,<br />
auf einem Sessel, in der Stadt hoch oben,<br />
um anzurufen, die vorübergehen,<br />
die gerade ihre Wege ziehen:<br />
Wer unerfahren ist, biege hierher ein!<br />
Wer arm an Verstand ist, dem sagt sie:<br />
Wie süß schmeckt gestohlenes Wasser,<br />
und wie gut heimliche Speise!<br />
Und er merkt nicht, dass Totengeister dort hausen,<br />
dass ihre Gäste in den Tiefen der Unterwelt sind.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
196
10 Erste Spruchsammlung<br />
Sprichwörter Salomos<br />
Kapitel 10<br />
—<br />
Ein kluger Sohn<br />
macht dem Vater Freude;<br />
doch ein törichter<br />
ist der Kummer seiner Mutter.<br />
Unrechtes Gut ist<br />
kein Gewinn,<br />
Gerechtigkeit aber<br />
rettet vor dem Tod.<br />
Nicht ungestillt lässt der Herr<br />
des Gerechten Verlangen,<br />
doch die Gier des Frevlers<br />
stößt er zurück.<br />
Eine lässige Hand<br />
bringt Armut ein,<br />
aber Reichtum schafft<br />
die Hand der Fleißigen.<br />
Ein Sohn,<br />
der im Sommer sammelt,<br />
hat Einsicht,<br />
doch ein Sohn,<br />
der zur Erntezeit schläft,<br />
bringt Schande.<br />
Dem Haupt des Gerechten<br />
werden Segnungen zuteil,<br />
im Mund der Frevler<br />
verbirgt sich Gewalttat.<br />
Der Gerechten gedenkt<br />
man zum Segen,<br />
doch der Name<br />
der Frevler vergeht.<br />
Der Weise<br />
beherzigt die Gebote,<br />
der geschwätzige Tor aber<br />
kommt zu Fall.<br />
Wer in Aufrichtigkeit wandelt,<br />
geht sicher,<br />
doch wer krumme Wege wählt,<br />
wird entdeckt.<br />
Wer mit den Augen zwinkert,<br />
verursacht Leid,<br />
wer Törichtes redet,<br />
kommt zu Fall.<br />
Ein Quell des Lebens<br />
ist der Mund des Gerechten,<br />
der Mund der Frevler hingegen<br />
birgt Gewalttat.<br />
Hass weckt Zänkereien auf,<br />
doch Liebe deckt<br />
alle Verfehlungen zu.<br />
Auf den Lippen<br />
des Einsichtsvollen<br />
findet sich Weisheit,<br />
aber der Stock<br />
gebührt dem Rücken<br />
des Unverständigen.<br />
Weise halten mit ihrem<br />
Wissen zurück,<br />
doch des Toren Mund<br />
ist drohendes Verderben.<br />
Das Vermögen des Reichen<br />
ist seine feste Stadt,<br />
das Verderben der Armen<br />
hingegen ist ihre Armut.<br />
Der Lohn des Gerechten<br />
dient dem Leben,<br />
der Erwerb des Bösen<br />
aber dem Verderben.<br />
Zucht bewahren<br />
ist der Weg zum Leben,<br />
irre geht,<br />
wer der Zurechtweisung<br />
nicht folgt.<br />
Lügnerische Lippen<br />
halten den Hass verborgen,<br />
wer aber<br />
üble Nachrede aussprengt,<br />
ist ein Tor.<br />
197 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Bei vielem Reden<br />
bleibt Sünde nicht aus,<br />
doch wer die Lippen zügelt,<br />
handelt verständig.<br />
Lauterem Silber gleicht<br />
die Zunge des Gerechten,<br />
das Sinnen der Frevler<br />
ist wenig wert.<br />
<strong>Die</strong> Lippen des Gerechten<br />
leiten viele,<br />
doch die Toren<br />
sterben an Unverstand.<br />
Der Segen des Herrn<br />
macht reich,<br />
die eigene Mühe<br />
fügt nichts hinzu.<br />
Das Vergnügen des Toren ist es,<br />
Böses zu tun,<br />
des Verständigen Freude,<br />
Weisheit zu üben.<br />
Wovor dem Frevler graut,<br />
das kommt über ihn,<br />
und was die Gerechten ersehnen,<br />
wird ihnen zuteil.<br />
Braust ein Sturm daher,<br />
ist der Frevler nicht mehr,<br />
doch der Gerechte<br />
ist fest gegründet für immer.<br />
Wie Essig für die Zähne<br />
und wie Rauch für die Augen,<br />
so ist der Faule für die,<br />
die ihn senden.<br />
<strong>Die</strong> Furcht des Herrn<br />
vermehrt die Lebenstage,<br />
die Jahre der Frevler jedoch<br />
sind verkürzt.<br />
<strong>Die</strong> Hoffnung der Gerechten<br />
mündet in Freude,<br />
doch zunichte<br />
wird die Erwartung der Frevler.<br />
Der Weg des Herrn<br />
ist Schutz für die Unschuld,<br />
für die Übeltäter<br />
aber Verderben.<br />
Der Gerechte<br />
wird niemals wanken,<br />
doch die Bösen<br />
bleiben nicht im Land wohnen.<br />
Des Gerechten Mund<br />
bringt Weisheit hervor,<br />
doch die Zunge der Verkehrtheit<br />
wird ausgetilgt.<br />
Den Lippen des Gerechten<br />
ist vertraut, was wohlgefällt,<br />
der Mund der Frevler hingegen<br />
ist Verkehrtheit.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Falsche Waage<br />
ist ein Gräuel für den Herrn<br />
doch volle Gewichte<br />
haben sein Wohlgefallen.<br />
Kommt Vermessenheit,<br />
kommt auch Schande,<br />
aber Weisheit ist<br />
bei den Bescheidenen.<br />
<strong>Die</strong> Lauterkeit der Redlichen<br />
leitet sie sicher,<br />
aber die Treulosen richtet<br />
ihre Falschheit zugrunde.<br />
Am Tag des Zornes<br />
nützt Reichtum nichts,<br />
doch Gerechtigkeit<br />
rettet vor dem Tod<br />
<strong>Die</strong> Gerechtigkeit der Lauteren<br />
macht ihren Weg eben,<br />
der Sünder aber fällt<br />
durch seine Gesetzlosigkeit.<br />
<strong>Die</strong> Redlichen rettet<br />
ihre Gerechtigkeit,<br />
doch die Treulosen werden<br />
in ihrer eigenen Gier gefangen.<br />
Mit dem Tod eines bösen Mannes<br />
schwindet seine Hoffnung dahin,<br />
und die Hoffnungen der Frevler<br />
werden zunichte.<br />
Der Gerechte wird<br />
der Drangsal entrissen,<br />
und der Böse kommt<br />
an seine Stelle.<br />
Mit dem Mund will der Ruchlose<br />
seinen Nächsten verderben,<br />
doch die Gerechten retten sich<br />
durch Erkenntnis.<br />
Ergeht es den Gerechten gut,<br />
so freut sich die Stadt,<br />
und Jubel herrscht<br />
beim Untergang der Frevler.<br />
Eine Stadt kommt hoch<br />
durch den Segen der Redlichen,<br />
doch durch den Mund der Frevler<br />
wird sie niedergerissen.<br />
Wer seinen Nächsten verachtet,<br />
ist ohne Verstand,<br />
ein Mann von Klugheit<br />
aber schweigt.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
198
12 Erste Spruchsammlung<br />
Wer als Verleumder umgeht,<br />
gibt Anvertrautes preis,<br />
der Zuverlässige aber<br />
behält die Sache für sich.<br />
Fehlt es an Führung,<br />
verfällt das Volk,<br />
doch Rettung kommt<br />
durch viele Berater.<br />
Schlecht ergeht es dem,<br />
der einem anderen<br />
Bürgschaft bietet,<br />
wer aber<br />
den Handschlag ablehnt,<br />
geht sicher.<br />
Eine anmutige Frau<br />
erlangt Ehre,<br />
Gewalttätige<br />
erlangen Reichtum.<br />
Wer Erbarmen übt,<br />
tut sich selber wohl,<br />
der Erbarmungslose<br />
schneidet sich ins eigene<br />
Fleisch.<br />
Der Gewinn,<br />
den der Frevler sich schafft,<br />
ist Trug,<br />
doch wer Gerechtigkeit sät,<br />
schafft sicheren Lohn.<br />
Wahre Gerechtigkeit<br />
gelangt zum Leben,<br />
dem Bösen folgen<br />
führt zum Tod.<br />
Ein Gräuel für den Herrn<br />
sind die,<br />
die falschen Herzens sind,<br />
doch die den rechten Weg gehen,<br />
haben sein Wohlgefallen.<br />
<strong>Die</strong> Hand darauf:<br />
Der Böse bleibt nicht<br />
ungestraft,<br />
doch die Nachkommen<br />
der Gerechten werden gerettet.<br />
Ein goldener Ring<br />
im Rüssel eines Schweines<br />
ist eine Frau,<br />
die schön, aber schamlos ist.<br />
Das Verlangen der Gerechten<br />
endet im Glück,<br />
die Hoffnung der Frevler<br />
endet im Zorn(gericht).<br />
Mancher teilt reichlich aus<br />
und wird dabei noch reicher,<br />
ein anderer hält,<br />
mehr als recht,<br />
zurück und wird nur ärmer.<br />
Wer anderen gern hilft,<br />
wird reich gesättigt,<br />
wer andere erquickt,<br />
wird auch selbst erquickt.<br />
Wer Getreide zurückhält,<br />
den verfluchen die Leute,<br />
doch wer es verkauft,<br />
Segen auf dessen Haupt!<br />
Wer sucht, was gut ist,<br />
geht auf Wohlgefallen aus,<br />
doch strebt einer Böses an,<br />
kommt es über ihn selbst.<br />
Wer sich durch seinen Reichtum<br />
sicher glaubt,<br />
der fällt,<br />
die Gerechten hingegen<br />
sprießen wie grünes Laub.<br />
Vernachlässigt einer sein Haus,<br />
so erntet er Wind,<br />
und der Tor<br />
wird Sklave des Weisen.<br />
<strong>Die</strong> Frucht der Gerechtigkeit<br />
ist ein Baum des Lebens,<br />
und Seelen<br />
gewinnt der Weise.<br />
Sicher wird dem Gerechten<br />
auf Erden vergolten,<br />
doch erst recht<br />
dem Frevler und Sünder.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Wem Zucht lieb ist,<br />
der liebt Erkenntnis,<br />
doch wem Zurechtweisung<br />
verhasst ist,<br />
der ist ein Vieh.<br />
Wohlgefallen erlangt<br />
der Gute vom Herrn,<br />
dem Hinterhältigen aber<br />
spricht er das Urteil.<br />
Kein Mensch<br />
erlangt in Unrecht Bestand,<br />
doch die Wurzel der Gerechten<br />
wird nicht erschüttert.<br />
Eine tüchtige Frau ist<br />
die Krone ihres Mannes,<br />
eine schändliche ist<br />
wie Fäulnis in seinen Knochen.<br />
<strong>Die</strong> Gedanken der Gerechten<br />
gehen auf das Rechte,<br />
doch die Überlegungen der Bösen<br />
sind Trug.<br />
199 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
<strong>Die</strong> Reden der Bösen<br />
sind ein Lauern auf Blut,<br />
doch die Redlichen<br />
rettet ihr Mund.<br />
<strong>Die</strong> Bösen werden gestürzt<br />
und sind nicht mehr,<br />
das Haus der Gerechten<br />
jedoch bleibt bestehen.<br />
Nach dem Maß seiner Einsicht<br />
wird ein Mann gerühmt,<br />
doch wer verkehrten Sinnes ist,<br />
fällt der Verachtung anheim.<br />
Besser wenig beachtet sein<br />
und nur einen Knecht haben,<br />
als großtun,<br />
aber brotlos sein.<br />
Der Gerechte sorgt<br />
für die Bedürfnisse seines<br />
Viehs,<br />
das Herz der Bösen hingegen<br />
ist grausam.<br />
Wer seinen Acker bestellt,<br />
wird mit Brot gesättigt,<br />
doch wer leeren Dingen nachjagt,<br />
ist unverständig.<br />
Der Frevler<br />
begehrt das Fangnetz des<br />
Bösen,<br />
die Wurzeln der Frommen aber<br />
sind fest gegründet.<br />
<strong>Die</strong> Verfehlung der Lippen<br />
ist ein böser Fallstrick,<br />
doch der Gerechte<br />
entrinnt der Bedrängnis.<br />
Von der Frucht seines Mundes<br />
wird ein Mann<br />
reichlich gesättigt,<br />
und das Verdienst seiner Hände<br />
fällt auf ihn zurück.<br />
Der Weg des Toren<br />
ist in seinen Augen richtig,<br />
doch der Weise<br />
hört auf Rat.<br />
Der Unmut des Toren<br />
macht sich sofort bemerkbar,<br />
indes ein Kluger<br />
Schimpfworte<br />
hinunterschluckt.<br />
Wer aussagt, wie es wirklich war,<br />
teilt Richtiges mit,<br />
der Zeuge der Lüge aber<br />
betrügt.<br />
Das Geschwätz mancher Leute<br />
wirkt wie Schwertstiche,<br />
doch die Zunge der Weisen<br />
bringt Heilung.<br />
<strong>Die</strong> Lippe der Wahrheit<br />
hat für immer Bestand,<br />
aber nur einen Augenblick lang<br />
die Zunge der Lüge.<br />
Trug ist im Herzen derer,<br />
die Böses sinnen,<br />
doch Freude bei denen,<br />
die Gedeihliches raten.<br />
Kein Unheil widerfährt<br />
dem Gerechten,<br />
aber die Frevler<br />
sind voll Unglück.<br />
Ein Gräuel für den Herrn<br />
sind Lippen der Lüge,<br />
doch haben sein Wohlgefallen,<br />
die Redliches tun.<br />
Ein kluger Mensch<br />
hält sein Urteil zurück,<br />
das Herz der Toren hingegen<br />
schreit die Narrheit hinaus.<br />
<strong>Die</strong> Hand der Fleißigen<br />
gewinnt Herrschaft,<br />
doch die lässige Hand<br />
muss Zwangsarbeit leisten.<br />
Kummer im Herzen<br />
drückt einen nieder;<br />
doch ein gütiges Wort<br />
heitert ihn auf.<br />
Der Gerechte<br />
weist seinem Nächsten den Weg,<br />
die Frevler jedoch<br />
führt ihr Weg in die Irre.<br />
Der Faule<br />
erjagt sich kein Wild,<br />
aber Fleiß<br />
ist dem Menschen<br />
ein kostbares Gut.<br />
Zum Leben<br />
führt der Pfad<br />
der Gerechtigkeit,<br />
der Weg der Bösgesinnten aber<br />
zum Tod.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Ein weiser Sohn<br />
liebt die Zucht,<br />
doch der Dreiste<br />
hört auf kein Schelten.<br />
Von der Frucht seines Mundes<br />
genießt ein Mann Gutes,<br />
auf Gewalttat geht aber<br />
das Trachten der Abtrünnigen.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
200
14 Erste Spruchsammlung<br />
Wer seinen Mund hütet,<br />
bewahrt sein Leben,<br />
doch wer die Lippen aufreißt,<br />
den trifft Verderben.<br />
Das Begehren des Faulen<br />
regt sich,<br />
aber das Trachten der Fleißigen<br />
wird voll befriedigt.<br />
Verlogenheit<br />
hasst der Gerechte,<br />
doch schändlich und schimpflich<br />
handelt der Frevler.<br />
Gerechtigkeit behütet<br />
die Lauterkeit auf dem Weg,<br />
aber Frevel bringt<br />
die Sünde zu Fall.<br />
Mancher tut reich<br />
und hat überhaupt nichts,<br />
ein anderer gibt sich arm<br />
und hat großes Vermögen.<br />
Für das Leben eines Mannes<br />
ist sein Reichtum das Lösegeld,<br />
aber der Arme<br />
hört nicht auf Drohung.<br />
Das Licht der Gerechten<br />
strahlt auf,<br />
doch die Lampe der Frevler<br />
verlischt.<br />
Bei Hochmut<br />
gibt es nur Hader,<br />
bei denen aber,<br />
die sich gegenseitig beraten,<br />
ist Weisheit.<br />
Hingehaltene Hoffnung<br />
macht das Herz krank,<br />
ein Lebensbaum aber<br />
ist erfülltes Verlangen.<br />
Wer das Wort verachtet,<br />
geht zugrunde,<br />
doch wer das Gebot<br />
in Ehrfurcht annimmt,<br />
bleibt unversehrt.<br />
Ein Lebensquell<br />
ist die Lehre des Weisen,<br />
um den Schlingen des Todes<br />
zu entgehen.<br />
Einsicht ins Gute<br />
bringt Gunst ein,<br />
doch steinhart ist der Weg<br />
der Abtrünnigen.<br />
Jeder Kluge<br />
handelt mit Vorbedacht,<br />
der Tor hingegen<br />
kramt Narrheit aus.<br />
Ein schlechter Bote<br />
lässt ins Unglück stürzen,<br />
doch ein treuer Gesandter<br />
bringt Heil.<br />
In Armut und Schande gerät,<br />
wer Zucht missachtet,<br />
aber Ehre erlangt,<br />
wer Tadel beherzigt.<br />
Mit Weisen gehe,<br />
so wirst du weise;<br />
wer mit Toren sich einlässt,<br />
dem ergeht es übel.<br />
Unglück verfolgt die<br />
Sünder,<br />
doch den Gerechten<br />
wird mit Gutem vergolten.<br />
<strong>Die</strong> Erbschaft des Guten<br />
geht auf Kindeskinder,<br />
und die Habe des Sünders<br />
wird dem Gerechten bewahrt.<br />
<strong>Die</strong> frische Furche bringt<br />
den Armen reichliche Nahrung,<br />
vorhandenes (Gut) wird hingerafft,<br />
weil Gerechtigkeit fehlt.<br />
Wer seine Rute zurückhält,<br />
der hasst seinen Sohn,<br />
doch wer ihn liebt,<br />
der sucht ihn<br />
mit Züchtigung heim.<br />
Der Gerechte<br />
hat zu essen, bis er satt ist,<br />
der Bauch der Frevler aber<br />
hat zu wenig.<br />
Kapitel<br />
—<br />
<strong>Die</strong> Weisheit der Frauen<br />
erbaut ihr Haus,<br />
doch die Torheit<br />
reißt es<br />
mit eigenen Händen nieder.<br />
Errafftes Vermögen<br />
schwindet dahin,<br />
doch wer allmählich sammelt,<br />
wird reich.<br />
Erfüllter Wunsch<br />
tut dem Herzen wohl,<br />
doch dem Toren ist ein Gräuel,<br />
das Böse zu lassen.<br />
Wer seinen Weg geradeaus geht,<br />
fürchtet den Herrn,<br />
wer aber krumme Wege geht,<br />
missachtet ihn.<br />
201 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Aus dem Mund des Toren<br />
sprießt Hochmut,<br />
doch den Weisen<br />
behüten seine Lippen.<br />
Ohne Ochsen<br />
bleibt die Krippe leer,<br />
reicher Ertrag kommt nur<br />
durch die Kraft des Stieres.<br />
Ein zuverlässiger Zeuge<br />
lügt nicht,<br />
aber ein falscher Zeuge<br />
atmet Lügen nur so aus.<br />
Der Spötter<br />
sucht Weisheit,<br />
doch vergeblich,<br />
dem Verständigen aber<br />
ist Erkenntnis<br />
ein Leichtes.<br />
Geh weg<br />
von einem törichten Mann,<br />
du erfährst<br />
keine verständigen Worte.<br />
Seinen Weg zu bedenken<br />
ist Weisheit des Klugen,<br />
doch die Dummheit des Toren<br />
führt zur Täuschung.<br />
In den Zelten<br />
der Toren<br />
wohnt Schuld,<br />
aber das Haus<br />
der Rechtschaffenen<br />
findet Wohlgefallen.<br />
Nur das eigene Herz kennt<br />
seinen Kummer,<br />
auch in seine Freude vermag<br />
kein Fremder einzustimmen.<br />
Das Haus der Frevler<br />
wird ausgerottet,<br />
doch das Zelt der Redlichen<br />
blüht auf.<br />
Manchem scheint<br />
ein Weg der rechte,<br />
sein Ende aber<br />
sind Wege zum Tod.<br />
Auch beim Lachen<br />
hat das Herz Kummer,<br />
und das Ende der Freude<br />
ist Traurigkeit.<br />
Nach seinen Wegen<br />
wird dem Gottlosen vergolten,<br />
und dem guten Menschen<br />
nach seinen guten Werken.<br />
Der Unerfahrene<br />
traut jedem Wort,<br />
der Kluge aber<br />
gibt Acht auf seinen Schritt.<br />
Der Weise fürchtet sich<br />
und meidet das Schlechte,<br />
doch der Tor lässt sich gehen<br />
und ist vermessen.<br />
Der Jähzornige<br />
begeht Narrheit,<br />
und der Ränkeschmied<br />
ist verhasst.<br />
Einfältige erlangen<br />
als Besitz (nur) Torheit,<br />
doch die Klugen werden<br />
mit Erkenntnis gekrönt.<br />
Böse verbeugen sich<br />
vor den Guten<br />
und Frevler<br />
an den Türen des Gerechten.<br />
Selbst seinem Nächsten<br />
ist der Arme verhasst,<br />
doch der Reiche hat<br />
zahlreiche Freunde.<br />
Wer seinen Nächsten missachtet,<br />
sündigt,<br />
aber wohl dem,<br />
der sich der Elenden erbarmt.<br />
Gehen nicht die in die Irre,<br />
die Böses planen?<br />
Doch die auf Gutes bedacht sind,<br />
erfahren Liebe und Treue.<br />
Bei jeder Anstrengung<br />
kommt ein Gewinn heraus,<br />
aber leeres Geschwätz<br />
führt nur zu Mangel.<br />
<strong>Die</strong> Krone der Weisen<br />
ist ihre Klugheit,<br />
der Kranz der Toren<br />
ist ihre Narrheit.<br />
Ein zuverlässiger Zeuge<br />
ist ein Lebensretter,<br />
doch wer Lügen hervorbringt,<br />
ist ein Betrüger.<br />
In der Furcht des Herrn<br />
liegt starke Zuversicht,<br />
auch seine Kinder<br />
haben eine Zuflucht.<br />
<strong>Die</strong> Furcht des Herrn<br />
ist ein Lebensquell,<br />
um den Schlingen des Todes<br />
zu entgehen.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
202
15 Erste Spruchsammlung<br />
Auf der Menge des Volkes<br />
beruht des Königs Herrlichkeit,<br />
und des Fürsten Untergang<br />
auf dem Fehlen von Leuten.<br />
Reich an Einsicht<br />
ist der Langmütige,<br />
doch voller Torheit<br />
ist der Ungeduldige.<br />
Gelassener Sinn<br />
bedeutet Leben für den Leib,<br />
aber Leidenschaft<br />
ist Fraß in den Knochen.<br />
Wer den Geringen bedrückt,<br />
schmäht dessen Schöpfer,<br />
ihn ehrt,<br />
wer sich des Armen erbarmt.<br />
Durch seine Bosheit<br />
kommt der Frevler zu Fall,<br />
doch der Gerechte<br />
hat eine Zuflucht<br />
in seiner Unschuld.<br />
Weisheit ruht<br />
im Herzen des Verständigen,<br />
doch im Innern der Toren<br />
ist sie wirkungslos.<br />
Gerechtigkeit<br />
erhöht ein Volk,<br />
aber die Sünde<br />
ist die Schmach der Völker.<br />
Des Königs Gunst<br />
(gehört) dem <strong>Die</strong>ner,<br />
der Einsicht beweist,<br />
aber den Schändlichen<br />
trifft sein Zorn.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Sanfte Antwort<br />
beschwichtigt Erregung,<br />
verletzendes Wort aber<br />
erregt Zorn.<br />
<strong>Die</strong> Zunge der Weisen<br />
verkündet Erkenntnis,<br />
doch von Narrheit sprudelt<br />
der Mund der Toren.<br />
An jedem Ort<br />
sind die Augen des Herrn,<br />
sie wachen<br />
über Böse und Gute.<br />
Gelassenheit der Zunge<br />
ist ein Lebensbaum,<br />
doch Verkehrtheit in ihr<br />
zerschlägt das Gemüt.<br />
Ein Tor<br />
verschmäht die Zucht des<br />
Vaters,<br />
aber klug wird,<br />
wer auf Zurechtweisung achtet.<br />
Im Haus des Gerechten<br />
wachsen die Vorräte,<br />
doch Verschlechterung herrscht<br />
bei den Einkünften des Frevlers.<br />
<strong>Die</strong> Lippen der Weisen<br />
streuen Erkenntnis aus,<br />
doch das Herz der Toren<br />
ist verkehrt.<br />
Ein Gräuel ist für den Herrn<br />
das Opfer der Frevler,<br />
aber das Gebet der Redlichen<br />
ist ihm wohlgefällig.<br />
Ein Gräuel ist für den Herrn<br />
der Weg des Frevlers,<br />
doch wer der Gerechtigkeit<br />
nachjagt,<br />
den liebt er.<br />
Den trifft schlimme Züchtigung,<br />
der den Pfad verlässt;<br />
wem Zurechtweisung verhasst ist,<br />
der muss sterben.<br />
Unterwelt und Totenreich<br />
liegen offen vor dem Herrn,<br />
wie viel mehr<br />
die Herzen der Menschenkinder.<br />
Nicht liebt es der Spötter,<br />
dass man ihn rügt,<br />
zu Weisen<br />
mag er nicht gehen.<br />
Ein frohes Herz<br />
macht auch das Gesicht heiter,<br />
doch bei Herzenskummer<br />
ist der Lebensmut zerbrochen.<br />
Erkenntnis sucht<br />
das Herz des Einsichtigen,<br />
aber der Toren Mund<br />
ist auf Torheit aus.<br />
Alle Tage des Bedürftigen<br />
sind böse,<br />
doch der Wohlgemute<br />
hat ständig ein Fest.<br />
Besser Weniges<br />
in der Furcht des Herrn<br />
als reiche Schätze<br />
und Unruhe dabei.<br />
Besser ein Gericht Gemüse,<br />
doch mit Liebe,<br />
als ein gemästeter Ochse<br />
und Hass dabei.<br />
203 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Ein hitziger Mensch<br />
erregt Streit,<br />
doch ein langmütiger<br />
beschwichtigt den Zank.<br />
Der Weg des Faulen<br />
ist wie Dorngestrüpp,<br />
doch gebahnt ist<br />
der Weg des Redlichen.<br />
Ein kluger Sohn<br />
macht seinem Vater Freude,<br />
ein törichter Mensch<br />
verachtet seine Mutter.<br />
Torheit macht<br />
dem Unverständigen Freude,<br />
ein verständiger Mann hingegen<br />
geht den geraden Weg.<br />
Vorhaben scheitern,<br />
wenn keine Besprechung<br />
vorausgeht,<br />
doch mit vielen Beratern<br />
kommt etwas zustande.<br />
Freude bringt dem Mann<br />
die eigene (treffende) Antwort,<br />
und wie gut ist doch<br />
ein Wort zur rechten Zeit.<br />
Nach oben führt<br />
der Lebensweg den<br />
Verständigen,<br />
damit er der Totenwelt<br />
drunten entgeht.<br />
Der Herr reißt ein<br />
das Haus der Hochmütigen,<br />
aber die Grenze der Witwe<br />
legt er fest.<br />
Ein Gräuel sind für den Herrn<br />
die Pläne des Bösen,<br />
aber rein vor ihm sind<br />
freundliche Worte.<br />
Sein Haus zerstört,<br />
wer sich zu bereichern sucht,<br />
doch wer Geschenke hasst,<br />
wird leben.<br />
Das Herz des Gerechten<br />
überlegt sich seine Antwort,<br />
aber der Mund der Frevler<br />
sprudelt Böses hervor.<br />
Weit fort ist der Herr<br />
von den Frevlern,<br />
doch er hört das Gebet<br />
der Gerechten.<br />
Strahlende Augen<br />
erfreuen das Herz,<br />
eine gute Nachricht<br />
labt den Leib.<br />
Ein Ohr,<br />
das auf lebenserhaltende<br />
Zucht hört,<br />
hält sich im Kreis<br />
der Weisen auf.<br />
Sein Leben verachtet,<br />
wer Zucht abweist,<br />
aber wer auf Mahnungen hört,<br />
gewinnt Vernunft.<br />
Furcht des Herrn<br />
ist Unterweisung zur Weisheit,<br />
und Demut<br />
geht der Ehre voran.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Der Menschen Sache<br />
sind Überlegungen im Herzen,<br />
doch vom Herrn<br />
kommt die Antwort der Zunge.<br />
Alle Wege eines Mannes<br />
sind lauter in seinen Augen,<br />
der Herr jedoch<br />
prüft die Geister.<br />
Was du zu tun hast,<br />
befiehl dem Herrn an,<br />
dann verwirklichen sich<br />
deine Pläne.<br />
Der Herr hat alles<br />
zu seinem Zweck geschaffen,<br />
so auch den Frevler<br />
für den Tag des Unheils.<br />
Ein Gräuel ist für den Herrn<br />
jeder Hochmütige,<br />
die Hand darauf:<br />
er bleibt nicht ungestraft.<br />
Schuld wird gutgemacht<br />
durch Liebe und Treue,<br />
und in der Furcht des Herrn<br />
hält man sich vom Bösen fern.<br />
Wenn der Herr<br />
an den Wegen eines Mannes<br />
Gefallen hat,<br />
bringt er selbst seine Feinde<br />
zum Frieden mit ihm.<br />
Besser in Gerechtigkeit<br />
wenig<br />
als großes Einkommen<br />
mit Unrecht.<br />
Das Herz des Menschen<br />
plant seinen Weg,<br />
der Herr aber<br />
lenkt seinen Schritt.<br />
Gottesentscheid<br />
kommt von Lippen des Königs,<br />
so verfehlt sein Mund sich nicht,<br />
wenn er Recht spricht.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
204
17 Erste Spruchsammlung<br />
Rechte Waagen und Schalen<br />
sind Sache des Herrn,<br />
sein Werk sind<br />
alle Gewichte im Beutel.<br />
Frevlerisches Tun<br />
ist den Königen ein Abscheu;<br />
denn durch Gerechtigkeit<br />
hat der Thron Bestand.<br />
Gerechte Lippen<br />
sind dem König ein<br />
Wohlgefallen,<br />
wer Gerades redet,<br />
den liebt er.<br />
Der Zorn des Königs<br />
gleicht Todesboten,<br />
doch ein weiser Mann<br />
besänftigt ihn.<br />
Ein Aufleuchten<br />
im Angesicht des Königs<br />
bedeutet Leben,<br />
sein Wohlergehen<br />
gleicht der Regenwolke<br />
im Frühjahr.<br />
Besser ist es,<br />
Weisheit zu erwerben<br />
als Gold,<br />
und Erwerb von Einsicht<br />
ist mehr wert<br />
als Silber.<br />
Das Böse zu meiden<br />
ist die Straße der Redlichen,<br />
wer auf seinen Weg achtet,<br />
bewahrt sich das Leben.<br />
Dem Zusammenbruch<br />
geht Hoffart voraus,<br />
und Hochmut<br />
dem Fall.<br />
Besser demütig sein<br />
mit Niedrigen<br />
als Beute teilen<br />
mit den Stolzen.<br />
Wer auf das Wort achtet,<br />
dem ergeht es gut,<br />
wohl dem,<br />
der auf den Herrn vertraut!<br />
Wer ein weises Herz hat,<br />
wird als verständig gerühmt,<br />
angenehme Rede<br />
fördert die Belehrung.<br />
Ein Lebensquell<br />
ist Einsicht für ihre Besitzer,<br />
doch die Torheit<br />
ist die Züchtigung der Toren.<br />
Das Herz des Weisen<br />
gibt seinem Mund Einsicht,<br />
auf seinen Lippen mehrt es<br />
noch die Belehrung.<br />
Wie eine Honigwabe<br />
sind freundliche Reden,<br />
süß für die Seele<br />
und Labsal dem Leib.<br />
Manch einem<br />
erscheint sein Weg gerade,<br />
doch sein Ende<br />
sind Todeswege.<br />
Der Hunger des Arbeiters<br />
schafft für ihn,<br />
sein Mund nämlich<br />
treibt ihn an.<br />
Ein ruchloser Mann<br />
gräbt Unheil aus,<br />
seine Lippen<br />
versengen wie Feuer.<br />
Ein hinterlistiger Mann<br />
stiftet Streit,<br />
und ein Ohrenbläser<br />
entzweit Freunde.<br />
Ein Mann der Gewalttat<br />
verführt seinen Nächsten<br />
und bringt ihn<br />
auf den Weg zum Unglück.<br />
Wer mit den Augen zwinkert,<br />
tut es, um Ränke zu ersinnen;<br />
wer die Lippen zusammenkneift,<br />
hat das Böse schon vollbracht.<br />
Graues Haar<br />
ist eine prächtige Krone,<br />
man erlangt sie<br />
auf dem Weg der Gerechtigkeit.<br />
Besser ein Langmütiger<br />
als ein Kriegsheld,<br />
wer sich selbst beherrscht,<br />
als wer eine Stadt erobert.<br />
Im Bausch des Gewandes<br />
schüttelt man das Los,<br />
doch allein vom Herrn<br />
kommt jede Entscheidung.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Besser ein Brocken<br />
trockenes Brot<br />
und Ruhe dabei<br />
als ein Haus voll Braten<br />
mit Streit.<br />
205 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Ein Sklave voll Einsicht<br />
wird über den missratenen<br />
Sohn gestellt,<br />
und im Kreis der Brüder<br />
erhält er ein Erbteil.<br />
Der Schmelztiegel ist<br />
für das Silber<br />
und der Ofen für das Gold,<br />
doch der die Herzen prüft,<br />
ist der Herr.<br />
Ein Bösewicht achtet<br />
auf Lippen des Schlechten,<br />
ein Lügner horcht<br />
auf die Zunge des Bösen.<br />
Wer den Armen verspottet,<br />
schmäht dessen Schöpfer,<br />
wer sich über Unglück freut,<br />
bleibt nicht ungestraft.<br />
Kindeskinder sind<br />
die Krone der Alten,<br />
und die Zierde der Kinder<br />
sind ihre Väter.<br />
Hochtönende Rede<br />
geziemt nicht dem Toren,<br />
noch weniger aber<br />
dem Edlen die Sprache der<br />
Lüge.<br />
Das Bestechungsgeschenk<br />
ist ein Kleinod<br />
in den Augen des Gebers,<br />
an wen immer er sich wendet,<br />
er hat Erfolg.<br />
Wer eine Verfehlung begräbt,<br />
sucht die Liebe (zu erhalten),<br />
doch wer<br />
eine Sache wieder aufrührt,<br />
entzweit sich mit dem Freund.<br />
Tiefer wirkt ein Verweis<br />
bei einem Verständigen<br />
als hundert Schläge<br />
bei einem Toren.<br />
Nur nach Aufruhr<br />
trachtet der Böse,<br />
doch wird gegen ihn<br />
ein grausamer Bote gesandt.<br />
Eine Bärin, der Jungen beraubt,<br />
mag einem gern begegnen,<br />
aber nicht ein Tor<br />
in seinem Wahnwitz.<br />
Wer Gutes<br />
mit Bösem vergilt,<br />
aus dessen Haus<br />
wird das Böse nicht weichen.<br />
Der Anfang eines Streits ist,<br />
als entfesselte man<br />
eine Wasserflut;<br />
drum lass vom Streit ab,<br />
bevor er (voll) ausbricht.<br />
Wer den Schuldigen freispricht<br />
und den Schuldlosen verurteilt,<br />
alle beide<br />
sind für den Herrn ein Gräuel.<br />
Was soll Geld<br />
in der Hand des Toren?<br />
Etwa um Weisheit zu kaufen?<br />
Ihm fehlt doch der Verstand!<br />
Ein Freund<br />
erweist Liebe zu jeder Zeit,<br />
als Bruder für die Not<br />
ist er geboren.<br />
Ein Mensch,<br />
dem Einsicht mangelt,<br />
gibt Handschlag<br />
und leistet Bürgschaft<br />
für seinen Nächsten.<br />
Verbrechen liebt,<br />
wer Streit liebt;<br />
macht jemand<br />
seinen Eingang zu hoch,<br />
so will er den Einsturz.<br />
Wer ein falsches Herz hat,<br />
erlangt kein Glück,<br />
wer sich mit der Zunge windet,<br />
fällt in Unglück.<br />
Wer einen Toren zeugt,<br />
dem gereicht es zum Kummer;<br />
eines Unverständigen<br />
wird der Vater nicht froh.<br />
Ein fröhliches Herz<br />
befördert die Gesundheit,<br />
doch ein gedrücktes Gemüt<br />
zehrt den Körper aus.<br />
Bestechung aus dem Bausch<br />
des Gewandes<br />
nimmt der Frevler an,<br />
um die Pfade des Rechts<br />
zu beugen.<br />
Vor dem Angesicht<br />
des Verständigen steht Weisheit,<br />
doch die Augen des Toren<br />
schweifen bis ans Ende der Erde.<br />
Ein törichter Sohn<br />
ist dem Vater Verdruss,<br />
und Bitternis der,<br />
welche ihn geboren hat.<br />
Schon den Unschuldigen<br />
mit Geld zu bestrafen,<br />
ist böse,<br />
noch mehr aber,<br />
Edle widerrechtlich zu prügeln.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
206
18 Erste Spruchsammlung<br />
Wer seine Worte zurückhält,<br />
hat Einsicht,<br />
wer kühlen Geist bewahrt,<br />
ist ein Mann von Verstand.<br />
Auch ein Tor<br />
kann als weise gelten,<br />
wenn er schweigt,<br />
als einsichtig,<br />
wenn er den Mund hält.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Eigenem Verlangen folgt,<br />
wer sich absondert,<br />
gegen alles, was Erfolg verspricht,<br />
bleckt er die Zähne.<br />
Dem Toren bringt<br />
sein Mund Verderben,<br />
seine Lippen werden<br />
ihm selbst zur Falle.<br />
<strong>Die</strong> Worte des Ohrenbläsers<br />
sind wie Leckerbissen,<br />
sie gleiten ins Innere<br />
des Leibes hinab.<br />
Auch wer nur lässig ist<br />
bei seiner Arbeit,<br />
ist schon ein Bruder<br />
des Verderbers.<br />
Der Name des Herrn<br />
ist ein fester Turm,<br />
der Gerechte flüchtet dorthin<br />
und ist gesichert.<br />
Ein Geschenk verschafft<br />
einem Menschen Raum<br />
und lässt ihn<br />
vor Große gelangen.<br />
Im Recht scheint<br />
in seinem Streitfall der Erste,<br />
dann kommt aber die Gegenseite<br />
und prüft den Sachverhalt.<br />
Streitigkeiten<br />
schlichtet das Los,<br />
es entscheidet<br />
zwischen Mächtigen.<br />
Nicht findet der Tor<br />
an Verständnis Gefallen,<br />
vielmehr daran, herauszustellen,<br />
was ihm gefällt.<br />
Kommt ein Frevler,<br />
so kommt auch<br />
Geringschätzung,<br />
und mit der Schandtat<br />
die Schmach.<br />
<strong>Die</strong> Worte aus dem Mund<br />
eines Mannes<br />
sind tiefe Wasser,<br />
ein sprudelnder Bach,<br />
eine Quelle der Weisheit.<br />
Übel ist es, den Schuldigen<br />
zu begünstigen,<br />
den, der Recht hat,<br />
vor Gericht abzuweisen.<br />
<strong>Die</strong> Lippen des Toren<br />
beginnen Streit,<br />
und sein Mund<br />
schreit nach Schlägen.<br />
Das Vermögen des Reichen<br />
ist seine feste Stadt<br />
und wie eine hohe Mauer –<br />
in seiner Einbildung.<br />
Vor dem Sturz<br />
ist das Herz des Mannes<br />
überheblich,<br />
doch Demut<br />
geht der Ehre voran.<br />
Gibt einer Antwort,<br />
bevor er gehört hat,<br />
gereicht ihm dies<br />
zu Torheit und Schimpf.<br />
<strong>Die</strong> Geisteskraft eines Mannes<br />
vermag seine Krankheit<br />
zu tragen,<br />
doch wer richtet ein gedrücktes<br />
Gemüt wieder auf?<br />
Erkenntnis erwirbt<br />
das Herz des Einsichtigen,<br />
das Ohr der Weisen<br />
sucht Erkenntnis.<br />
Ein Bruder,<br />
an dem man sich vergangen hat,<br />
ist verschlossener<br />
als eine Festung,<br />
Streitigkeiten gleichen<br />
dem Riegel einer Burg.<br />
Ein Mann wird satt<br />
von der Frucht seines Mundes,<br />
er wird satt<br />
vom Ertrag seiner Lippen.<br />
Tod und Leben stehen<br />
in der Gewalt der Zunge,<br />
wer sie (zu gebrauchen) liebt,<br />
genießt ihre Frucht.<br />
Wer eine Frau gefunden,<br />
hat ein Gut gefunden<br />
und Wohlgefallen<br />
vom Herrn erlangt.<br />
Der Arme braucht<br />
Worte des Flehens,<br />
mit Härte aber<br />
antwortet der Reiche.<br />
207 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Manche Freunde<br />
führen ins Verderben,<br />
manche Freunde<br />
sind anhänglicher als ein Bruder.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Besser ein Armer,<br />
der schuldlos seinen Weg geht,<br />
als einer mit falschen Lippen,<br />
der ein Tor ist.<br />
Schon unvernünftiges Begehren<br />
ist vom Übel,<br />
und wer mit seinen Schritten<br />
hastet,<br />
der tritt fehl.<br />
<strong>Die</strong> Torheit des Menschen<br />
verdirbt ihm den Weg,<br />
und dann beschuldigt<br />
sein Herz den Herrn.<br />
Besitz verschafft<br />
viele Freunde,<br />
aber der Arme wird<br />
von seinem Freund verlassen.<br />
Ein falscher Zeuge<br />
bleibt nicht ungestraft,<br />
wer Lügen vorbringt,<br />
kommt nicht heil davon.<br />
Wer Verstand erwirbt,<br />
liebt sich selbst,<br />
wer der Einsicht treu bleibt,<br />
erlangt das Gute.<br />
Ein falscher Zeuge<br />
bleibt nicht ungestraft,<br />
wer Lügen vorbringt,<br />
kommt um.<br />
Wohlleben kommt<br />
einem Toren nicht zu,<br />
noch weniger einem Knecht,<br />
über Fürsten zu herrschen.<br />
Einsicht macht<br />
den Menschen langmütig,<br />
sein Ruhm ist es,<br />
über Fehler hinwegzusehen.<br />
Wie das Knurren eines Löwen<br />
ist der Zorn des Königs,<br />
aber wie Tau auf dem Gras<br />
ist seine Gunst.<br />
Ein Unglück für den Vater<br />
ist ein törichter Sohn,<br />
und wie ein ständig<br />
tropfendes Dach<br />
das Gezänk einer Frau.<br />
Haus und Habe<br />
sind das Erbe von den Vätern,<br />
aber eine verständige Frau<br />
kommt vom Herrn.<br />
Wer sich des Hilfsbedürftigen<br />
erbarmt,<br />
leiht dem Herrn,<br />
er wird ihm<br />
seine Guttat vergelten.<br />
Züchtige deinen Sohn,<br />
solange noch Hoffnung ist,<br />
aber trachte nicht danach,<br />
ihn zu töten.<br />
Wer jähzornig ist,<br />
muss dafür büßen;<br />
selbst wenn du<br />
schlichten möchtest,<br />
machst du es noch ärger.<br />
Höre auf Rat<br />
und nimm Zucht an,<br />
dass du weise wirst<br />
für die Zukunft.<br />
Im Herzen des Menschen<br />
sind vielerlei Pläne,<br />
doch Bestand hat<br />
der Ratschluss des Herrn.<br />
Das Begehrenswerte am<br />
Menschen<br />
ist seine Güte,<br />
aber besser ein Armer<br />
als ein Mann, der enttäuscht.<br />
Um die Gunst eines Vornehmen<br />
bemühen sich viele,<br />
und einem freigebigen Mann<br />
ist jedermann Freund.<br />
Faulheit<br />
versenkt in Schlaf,<br />
ein träger Mensch<br />
muss hungern.<br />
<strong>Die</strong> Furcht des Herrn<br />
führt zum Leben,<br />
und gesättigt geht man zur Ruhe,<br />
ohne böse Heimsuchung.<br />
Den Armen hassen<br />
alle seine Brüder,<br />
um wie viel mehr bleiben<br />
seine Freunde ihm fern.<br />
Wer (Gottes) Gebot bewahrt,<br />
bewahrt sein Leben,<br />
wer aber seine Wege nicht achtet,<br />
muss sterben.<br />
Streckt der Faule<br />
seine Hand in die Schüssel,<br />
bringt er sie nicht einmal<br />
zum Mund zurück.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
208
20 Erste Spruchsammlung<br />
Schlägst du den Spötter,<br />
so wird der Unverständige klug;<br />
weist man<br />
den Verständigen zurecht,<br />
nimmt er Einsicht an.<br />
Wer den Vater misshandelt,<br />
die Mutter verjagt,<br />
handelt als Sohn<br />
schmachvoll und schändlich.<br />
Hörst du auf, mein Sohn,<br />
auf Mahnung zu hören,<br />
so irrst du bald ab<br />
von den Worten der Erkenntnis.<br />
Ein nichtsnutziger Zeuge<br />
verspottet das Recht,<br />
und der Mund der Frevler<br />
verschlingt Böses.<br />
Für die Spötter<br />
wird der Stock bereitgehalten,<br />
und Prügel<br />
für den Rücken der Toren.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Der Wein ist ein Spötter,<br />
ein Lärmer das Bier;<br />
keiner, der davon taumelt,<br />
wird weise.<br />
Dem Knurren des Löwen<br />
gleicht der Grimm des Königs,<br />
wer ihn reizt,<br />
hat sein Leben verwirkt.<br />
Beiseite zu bleiben bei Streit<br />
gereicht dem Mann zur Ehre,<br />
doch jeder Narr<br />
platzt los.<br />
Im Herbst<br />
will der Faule nicht pflügen,<br />
zur Erntezeit<br />
sucht er,<br />
aber nichts ist da.<br />
Der Ratschluss im Herzen<br />
des Mannes<br />
ist wie tiefes Wasser,<br />
doch ein Mann von Einsicht<br />
holt es herauf.<br />
Viele Leute<br />
führen ihre Güte im Mund,<br />
wer aber findet einen Mann,<br />
auf den Verlass ist?<br />
In seiner Lauterkeit<br />
geht der Gerechte seinen Weg:<br />
glücklich seine Kinder<br />
nach ihm!<br />
Sitzt der König<br />
auf dem Richterstuhl,<br />
sondert er alles Böse<br />
mit seinem Scharfblick aus.<br />
Wer darf sagen:<br />
Ich habe mein Herz geläutert,<br />
ich bin von meiner Sünde rein?<br />
Zweierlei Gewichte<br />
und zweierlei Maße,<br />
beide sind für den Herrn<br />
ein Abscheu.<br />
Schon ein Kind lässt<br />
in seinem Treiben erkennen,<br />
ob sein Handeln lauter<br />
und redlich sein wird.<br />
Das Ohr zum Hören,<br />
das Auge zum Sehen,<br />
beide hat der Herr gemacht.<br />
Nicht liebe den Schlaf,<br />
sonst verarmst du;<br />
halte die Augen auf,<br />
dann hast du Brot genug.<br />
Wie schlecht, wie schlecht,<br />
sagt der Käufer;<br />
ist er aber seines Weges gegangen,<br />
dann rühmt er sich.<br />
Gibt es auch Gold<br />
und viele Korallen,<br />
verständige Lippen<br />
sind eine Kostbarkeit.<br />
Nimm ihm das Gewand,<br />
er hat ja für einen anderen<br />
gebürgt;<br />
fremder Leute wegen<br />
pfände ihn!<br />
Das Brot der Lüge<br />
schmeckt dem Menschen gut,<br />
doch nachher füllt sich<br />
sein Mund mit Steinen.<br />
Pläne kommen<br />
durch Beratung zustande;<br />
führe also den Krieg<br />
mit Überlegung!<br />
Wer als Verleumder herumgeht,<br />
gibt Anvertrautes preis;<br />
darum lass dich<br />
mit dem nicht ein,<br />
der den Mund nicht halten<br />
kann!<br />
Wer Vater und Mutter verflucht,<br />
dessen Leuchte erlischt<br />
in tiefster Finsternis.<br />
209 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Schnell erraffter Besitz<br />
ist nicht gesegnet<br />
an seinem Ende.<br />
Sage nicht:<br />
Ich will das Böse heimzahlen!<br />
Vertrau auf den Herrn,<br />
er wird dir helfen.<br />
Ein Gräuel sind für den Herrn<br />
zweierlei Gewichte,<br />
eine falsche Waage<br />
ist verwerflich.<br />
Der Herr lenkt die Schritte<br />
des Menschen;<br />
wie könnte einer seinen Weg<br />
verstehen?<br />
Ein Fallstrick ist es<br />
für einen Menschen,<br />
unbedacht zu rufen: Geweiht!<br />
und sich erst nach dem Gelübde<br />
Gedanken zu machen.<br />
Ein weiser König<br />
sondert die Frevler aus<br />
und führt das Dreschrad<br />
über sie hin.<br />
Des Menschen Atem<br />
ist eine Leuchte des Herrn,<br />
er durchforscht<br />
alle Räume des Leibes.<br />
Güte und Treue<br />
behüten den König,<br />
durch Güte stützt er<br />
seinen Thron.<br />
Der Ruhm der Jungen<br />
ist ihre Kraft,<br />
die Zier der Alten<br />
das graue Haar.<br />
Blutige Striemen<br />
läutern den Schlechten,<br />
und Schläge die Kammern<br />
des Leibes.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Wie Wasserbäche<br />
ist das Herz des Königs<br />
in der Hand des Herrn;<br />
er leitet es, wohin er will.<br />
Jeder Weg eines Mannes<br />
ist in seinen Augen gerade,<br />
doch der Herr prüft die Herzen.<br />
Gerechtigkeit und Recht tun<br />
ist dem Herrn lieber als Opfer.<br />
Hochmut der Augen,<br />
Anmaßung des Herzens –<br />
was der Frevler auch beginnt,<br />
es ist Sünde.<br />
<strong>Die</strong> Pläne des Fleißigen<br />
führen zu Gewinn,<br />
doch der Hastige<br />
hat nur Mangel.<br />
Erwerb von Schätzen<br />
mit lügnerischer Zunge<br />
ist Windhauch für diejenigen,<br />
die den Tod suchen.<br />
Gewalttat reißt die Frevler<br />
selbst mit hinab,<br />
sie weigern sich ja,<br />
das Rechte zu tun.<br />
Gewunden ist der Weg<br />
des Schuldbeladenen,<br />
wer aber lauter ist,<br />
dessen Tun ist gerade.<br />
Besser in der Ecke<br />
des Daches wohnen<br />
als mit einer zänkischen Frau<br />
im gemeinsamen Haus.<br />
<strong>Die</strong> Seele des Frevlers<br />
giert nach Bösem,<br />
kein Erbarmen findet<br />
bei ihm sein Nächster.<br />
Muss der Spötter büßen,<br />
wird der Unverständige weise,<br />
doch belehrt man den Weisen,<br />
so nimmt er Erkenntnis an.<br />
Eine Lehre gibt der Gerechte<br />
dem Haus des Frevlers,<br />
wenn er die Frevler<br />
ins Unheil stürzt.<br />
Wer sein Ohr verstopft<br />
vor dem Schrei des Armen –<br />
auch er wird einmal rufen,<br />
ohne erhört zu werden.<br />
Heimliche Gabe<br />
beschwichtigt Zorn,<br />
ein Geschenk<br />
aus dem Gewandbausch<br />
heftigen Grimm.<br />
Recht zu üben<br />
ist Freude für den Gerechten,<br />
die Übeltäter aber versetzt<br />
das in Schrecken.<br />
Ein Mensch,<br />
der abirrt vom Weg<br />
der Einsicht,<br />
wird ruhen<br />
in der Versammlung<br />
der Totengeister.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
210
22 Erste Spruchsammlung<br />
Ein Mangelleidender wird,<br />
wer Vergnügungen liebt,<br />
wer Wein und Öl liebt,<br />
wird nicht reich.<br />
Der Frevler ist ein Lösegeld<br />
für den Gerechten,<br />
der Treulose tritt an die Stelle<br />
der Redlichen.<br />
Besser<br />
im Wüstenland wohnen<br />
als Ärger<br />
mit einer zänkischen Frau.<br />
Ein Schatz,<br />
kostbarer als Salböl,<br />
ist in der Wohnung der Weisen,<br />
doch ein törichter Mensch<br />
vergeudet ihn.<br />
Wer nach Gerechtigkeit<br />
und Güte strebt,<br />
wird Leben, Gerechtigkeit<br />
und Ehre erlangen.<br />
Der Weise ersteigt<br />
die Stadt der Mächtigen<br />
und stürzt die Befestigung,<br />
der sie vertraute.<br />
Wer Mund und Zunge hütet,<br />
bewahrt sein Leben<br />
vor Bedrängnissen.<br />
Der Übermütige, Stolze –<br />
sein Name ist Spötter,<br />
er handelt<br />
in vermessenem Übermut.<br />
<strong>Die</strong> Begierde des Faulen<br />
tötet ihn,<br />
seine Hände weigern sich<br />
nämlich zu schaffen.<br />
Den ganzen Tag<br />
begehrt er voll Gier,<br />
doch der Gerechte kann geben,<br />
ohne zu geizen.<br />
Abscheulich<br />
ist das Opfer der Frevler,<br />
besonders<br />
wenn man es in schlechter<br />
Absicht darbringt.<br />
Der Zeuge der Lüge<br />
kommt um,<br />
doch Bestand hat das,<br />
was der Mann sagt, der hört.<br />
Der Frevler macht<br />
ein trotziges Gesicht,<br />
doch der Rechtschaffene geht<br />
seinen Weg in Geradheit.<br />
Es gibt keine Weisheit<br />
und keine Einsicht,<br />
keinen Rat<br />
gegenüber dem Herrn.<br />
Für den Tag der Schlacht<br />
wird das Pferd gerüstet,<br />
aber beim Herrn steht der Sieg.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Ein guter Name<br />
ist begehrenswerter<br />
als großer Reichtum,<br />
besser als Silber<br />
und Gold<br />
ist Beliebtheit.<br />
Reiche und Arme<br />
treffen zusammen,<br />
der Herr hat ja alle beide<br />
geschaffen.<br />
Der Kluge sieht das Unheil<br />
und verbirgt sich,<br />
doch die Einfältigen gehen<br />
weiter:<br />
und müssen es büßen.<br />
Der Lohn für Demut<br />
und Furcht vor dem Herrn<br />
ist Reichtum,<br />
Ehre und Leben.<br />
Auf dem Weg des Falschen<br />
sind Dornen und Schlingen;<br />
wer sein Leben bewahren will,<br />
bleibt ihnen fern.<br />
Weise den Knaben ein<br />
in den Weg, den er gehen soll,<br />
dann wird er auch<br />
im Alter nicht von ihm weichen.<br />
Der Reiche<br />
beherrscht die Armen,<br />
der Schuldner ist der Knecht<br />
seines Gläubigers.<br />
Wer Unrecht sät,<br />
wird Unheil ernten,<br />
und der Stock seines Wütens<br />
nimmt ein Ende.<br />
Wessen Auge gütig blickt,<br />
der wird gesegnet,<br />
denn er gibt von seinem Brot<br />
dem Geringen.<br />
211 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Vertreibe den Spötter,<br />
dann zieht der Hader mit fort,<br />
und Streit und Schimpf<br />
haben ein Ende.<br />
Wer die Reinheit des Herzens<br />
liebt,<br />
und wessen Lippen gefällig<br />
reden,<br />
hat den König zum Freund.<br />
<strong>Die</strong> Augen des Herrn<br />
behüten Erkenntnis,<br />
doch vereitelt er das Gerede<br />
des Verräters.<br />
Der Faule sagt:<br />
Ein Löwe ist draußen,<br />
ich würde mitten<br />
auf der Straße getötet.<br />
Der Mund fremder Frauen<br />
ist eine tiefe Grube;<br />
wem der Herr zürnt,<br />
fällt hinein.<br />
Haftet Narrheit<br />
am Herzen des Knaben,<br />
die Zuchtrute<br />
entfernt sie davon.<br />
Wer den Armen bedrückt,<br />
um sich zu bereichern,<br />
wer dem Reichen gibt –<br />
(beides) bringt nichts ein.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
212
Worte der Weisen<br />
Kapitel 23<br />
—<br />
Wende hin dein Ohr und höre die Worte der Weisen,<br />
und richte dein Herz auf meine Erkenntnis!<br />
Denn schön ist es,<br />
wenn du sie in deinem Innern bewahrst,<br />
wenn sie alle fest bereitstehen auf deinen Lippen.<br />
Damit auf den Herrn dein Vertrauen sich gründe,<br />
lasse ich dich heute deinen Weg wissen.<br />
Habe ich dir nicht dreißig Sätze aufgeschrieben<br />
mit Ratschlägen und Erkenntnis,<br />
damit du die Wahrheit lehren kannst,<br />
und zuverlässige Worte dem antworten kannst,<br />
der dich gesandt hat?<br />
Beraube nicht den Armen, da er ja arm ist,<br />
und vernichte den Geringen nicht im Tor.<br />
Denn der Herr führt ihren Rechtsstreit<br />
und raubt das Leben ihren Räubern.<br />
Habe keine Gemeinschaft mit den Jähzornigen,<br />
und gehe nicht um mit dem Hitzkopf;<br />
sonst wirst du mit seinen Pfaden vertraut<br />
und schaffst eine Falle für dein Leben.<br />
Sei nicht bei denen, die Handschlag geben,<br />
bei denen, die für Schulden bürgen.<br />
Wenn du nichts hast, um zu zahlen, wird man<br />
dein Lager unter dir wegholen.<br />
Verrücke nicht die uralte Grenze,<br />
die deine Väter gezogen haben.<br />
Siehst du einen Mann,<br />
gewandt in seiner Tätigkeit:<br />
er wird vor Königen <strong>Die</strong>nst tun;<br />
keinesfalls tut er <strong>Die</strong>nst bei Geringen.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Wenn du dich setzt, um mit einem Gebieter<br />
zu speisen, so beachte nur, was vor dir steht;<br />
und setz dir ein Messer an die Kehle,<br />
wenn du zu gierig bist.<br />
Gelüste nicht nach seinen Leckerbissen,<br />
denn es ist eine trügerische Speise.<br />
Plage dich nicht ab, es zu Reichtum zu bringen,<br />
und dabei deine Klugheit aufzugeben.<br />
Lässt du zu ihm deine Blicke schweifen?<br />
Schon ist er ver schwunden!<br />
Denn er macht sich wahrhaftig Flügel<br />
wie ein Adler<br />
und fliegt in die Lüfte davon.<br />
Iss nicht die Speise eines Missgünstigen,<br />
und lass dich nicht<br />
nach seinen Leckerbissen gelüsten!<br />
Das wäre wie Sturm für deine Kehle!<br />
Iss und trink!, sagt er zu dir,<br />
doch sein Herz ist dir nicht zugetan.<br />
213 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Den Bissen, den du gegessen hast,<br />
musst du erbrechen,<br />
und deine freundlichen Worte hast du vergeudet.<br />
Zu den Ohren des Törichten rede nicht,<br />
denn er verachtet deine verständigen Worte.<br />
Verrücke nicht die uralte Grenze,<br />
und dringe nicht in die Felder der Waisen ein!<br />
Denn ihr Anwalt ist mächtig,<br />
er wird ihren Rechtsstreit gegen dich führen.<br />
Öffne dein Herz der Zucht<br />
und dein Ohr den Worten der Erkenntnis!<br />
Erspare dem Knaben nicht die Züchtigung;<br />
er stirbt nicht, wenn du ihn schlägst mit dem<br />
Stock. Du schlägst ihn zwar mit dem Stock,<br />
doch du rettest sein Leben vor der Unterwelt.<br />
Ist dein Herz weise, mein Sohn,<br />
so freue auch ich mich von Herzen,<br />
und mein Innerstes ist voll Jubel,<br />
wenn deine Lippen reden, was recht ist.<br />
Nicht ereifere dein Herz sich über die Sünder,<br />
vielmehr eifere alle Tage<br />
nach der Furcht des Herrn!<br />
Denn sicher gibt es eine Zukunft,<br />
und deine Hoffnung reißt nicht ab.<br />
Höre du, mein Sohn, und sei weise,<br />
und lenke dein Herz auf geraden Weg!<br />
Sei nicht unter Weinsäufern,<br />
bei den Schlemmern von Fleisch;<br />
denn Säufer und Schlemmer werden arm,<br />
und Verschlafenheit kleidet in Lumpen.<br />
Höre auf deinen Vater, er hat dich gezeugt,<br />
und verachte deine Mutter nicht, wenn sie alt ist.<br />
Wahrheit kaufe und verkauf sie nicht mehr:<br />
Weisheit, Zucht und Einsicht!<br />
Der Vater eines Gerechten jubelt laut;<br />
wer einen Weisen zeugte,<br />
kann sich über ihn freuen.<br />
Dein Vater möge sich freuen an dir,<br />
und jubeln soll die Mutter.<br />
Gib mir, mein Sohn, dein Herz,<br />
und deine Augen mögen an meinen Wegen<br />
Gefallen finden;<br />
denn eine tiefe Grube ist die Ehebrecherin,<br />
und ein enger Brunnen die Fremde.<br />
Ja, sie lauert auf wie ein Räuber<br />
und vermehrt die Verräter unter den Menschen.<br />
Wer hat Ach? Wer hat Wehe?<br />
Wer Gezänk? Wer Klage?<br />
Wer hat Wunden wegen nichts?<br />
Wer trübe Augen?<br />
<strong>Die</strong> bis spät beim Wein sitzen,<br />
die kommen, den Würzwein zu probieren.<br />
Schau nicht nach dem Wein, wie er rot erglüht,<br />
wie er funkelt im Becher,<br />
er trinkt sich so leicht!<br />
Am Ende beißt er wie eine Schlange<br />
und spritzt Gift, einer Viper gleich.<br />
Deine Augen sehen befremdliche Dinge,<br />
und wirres Zeug redet dein Herz.<br />
Du bist wie einer, der auf hoher See schläft,<br />
der sich auf der Spitze der Rahe bettet.<br />
Sie schlugen mich, doch es schmerzte mich nicht,<br />
sie prügelten mich, doch ich spürte nichts.<br />
Wann erwache ich?<br />
Ich suche ihn wieder, noch mehr!<br />
Kapitel<br />
—<br />
Sei auf böse Menschen nicht eifersüchtig,<br />
und begehre nicht, mit ihnen umzugehen;<br />
denn ihr Herz plant Gewalttat,<br />
und Unheil reden ihre Lippen.<br />
Ein Haus wird durch Weisheit gebaut<br />
und durch Einsicht gefestigt.<br />
Durch Erkenntnis werden die Kammern gefüllt<br />
mit allen Gütern, die wert und begehrt sind.<br />
Ein Weiser ist mächtiger als ein Starker,<br />
ein Verständiger mehr als ein Kräftiger.<br />
Denn durch Überlegung gewinnst du den Kampf,<br />
und Rettung kommt durch viele Berater.<br />
Zu hoch hängt den Toren die Weisheit,<br />
am Tor tut er seinen Mund nicht auf.<br />
Wer immer darauf sinnt, Böses zu tun,<br />
Spr 0,00–0,00<br />
214
24 Spruchsamlung der weisen<br />
den nennt man einen Ränkeschmied.<br />
Das Trachten der Torheit ist Sünde,<br />
der Spötter ist den Menschen ein Gräuel.<br />
Lässt du dich gehen am Tag der Not,<br />
so wird auch deine Kraft Schwäche sein.<br />
Errette, die man zum Sterben schleppt;<br />
die auf dem Gang zur Hinrichtung sind,<br />
hol sie zurück!<br />
Wenn du sagst: Er weiß von uns nichts! –<br />
wird er, der die Herzen prüft,<br />
es nicht durchschauen?<br />
Wird er, der deine Seele überwacht,<br />
es nicht wissen?<br />
Ja, er vergilt dem Menschen nach seinem Tun.<br />
Mein Sohn, iss Honig, denn er ist gut,<br />
und Wabenhonig ist süß deinem Gaumen.<br />
Wisse: So ist auch die Weisheit für dich.<br />
Hast du sie erlangt, ist die Zukunft gesichert,<br />
und deine Hoffnung reißt nicht ab.<br />
Belaure nicht frevelhaft die Stätte des Gerechten, zerstöre<br />
sein Lager nicht!<br />
Denn der Gerechte fällt siebenmal<br />
und steht wieder auf,<br />
aber die Frevler ins Unglück.<br />
Fällt dein Feind, so freu dich nicht,<br />
dein Herz juble nicht, wenn er hinstürzt,<br />
dass nicht der Herr es sieht und missbilligt<br />
und von ihm seinen Zorn abwendet.<br />
Über die Übeltäter erhitze dich nicht,<br />
und über die Frevler ereifere dich nicht;<br />
denn der Böse hat keine Zukunft,<br />
die Lampe der Frevler erlischt.<br />
Fürchte, mein Sohn, den Herrn und König,<br />
mit Andersdenkenden habe keinen Umgang!<br />
Denn plötzlich kommt von ihnen Verderben<br />
und unversehens Vernichtung von beiden.<br />
215 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Auch diese (Worte) stammen von Weisen:<br />
Parteiisch sein im Gericht ist übel.<br />
Wer zum Schuldigen spricht: Du hast Recht!,<br />
den verfluchen die Menschen,<br />
den verwünschen die Leute.<br />
Doch denen, die gerecht entscheiden,<br />
geht es gut,<br />
und Segen und Glück kommt über sie.<br />
Der gibt einen Kuss auf die Lippen,<br />
der redliche Worte erwidert.<br />
Besorge draußen deine Arbeit<br />
und bestell dein Feld,<br />
danach gründe deinen Hausstand!<br />
Tritt nicht als falscher Zeuge<br />
gegen deinen Nächsten auf,<br />
täusche nicht mit deinen Lippen!<br />
Sage nicht: Wie er mir getan, so will ich ihm tun,<br />
ich will einem jeden seinem Tun<br />
entsprechend vergelten.<br />
Am Feld eines Faulen ging ich vorüber<br />
und am Weinberg eines unverständigen Mannes:<br />
Und siehe, er war ganz überwuchert von Disteln,<br />
seine Fläche war überdeckt mit Unkraut,<br />
und der steinerne Wall lag in Trümmern.<br />
Ich besah es und machte mir keine Gedanken,<br />
ich betrachtete es und zog daraus die Lehre:<br />
Nur ein bisschen noch schlafen,<br />
ein bisschen noch schlummern,<br />
noch ein bisschen die Arme verschränken<br />
zum Ruhen.<br />
Da kommt schon die Armut über dich<br />
wie ein Wegelagerer,<br />
die Not wie ein unverschämter Kerl.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
216
Auch <strong>Die</strong>s<br />
sind Sprichwörter Salomos<br />
Kapitel 25<br />
—<br />
Auch dies sind Sprichwörter Salomos,<br />
welche die Männer Hiskijas, Königs von Juda,<br />
zusammengestellt haben:<br />
Gottes Ehre ist es,<br />
eine Sache zu verbergen,<br />
doch die Ehre der Könige ist es,<br />
eine Sache zu erforschen.<br />
Der Himmel an Höhe<br />
und die Erde an Tiefe<br />
und das Herz der Könige<br />
sind unerforschlich.<br />
Entferne aus dem Silber<br />
die Schlacken,<br />
dann gelingt dem Goldschmied<br />
das Gefäß.<br />
Entferne den Frevler<br />
aus der Nähe des Königs,<br />
so erlangt sein Thron Bestand<br />
durch Gerechtigkeit.<br />
Rühme dich nicht<br />
vor dem König,<br />
und stell dich nicht<br />
an den Platz der Großen.<br />
Denn besser,<br />
man sagt zu dir:<br />
Rück hier herauf!,<br />
als dass man dich<br />
vor einem Edlen herabsetzt.<br />
Haben deine Augen<br />
etwas gesehen,<br />
bringe es nicht<br />
übereilt vor Gericht.<br />
Denn was willst du sonst<br />
am Ende machen,<br />
wenn dich dein Nächster<br />
mit Schimpf widerlegt?<br />
Trage deinen Streit<br />
mit deinem Nächsten aus,<br />
doch stell eines anderen<br />
Geheimnis nicht bloß,<br />
sonst wird dich schmähen,<br />
wer es hört,<br />
und dein Gerede<br />
fällt auf dich zurück.<br />
Wie goldene Äpfel<br />
auf silbernen Schalen,<br />
so ein zur rechten Zeit<br />
gesprochenes Wort.<br />
Wie ein goldener Ring<br />
und Geschmeide<br />
aus feinstem Gold,<br />
so ist ein weiser Mahner<br />
für ein Ohr, das zuhört.<br />
Wie kühlender Schnee<br />
inmitten der Ernte<br />
ist ein zuverlässiger Bote<br />
für den, der ihn sendet;<br />
er erquickt<br />
die Seele seines Herrn.<br />
Aufkommende Wolken<br />
und Wind, doch kein Regen:<br />
so ist ein Mann,<br />
der prahlt mit erlogener Gabe.<br />
Mit Geduld kann<br />
ein Vorgesetzter<br />
umgestimmt werden,<br />
und sanfte Zunge vermag<br />
Knochen zu brechen.<br />
Hast du Honig gefunden,<br />
so iss nur nach deinem Bedarf,<br />
sonst bekommst du ihn satt<br />
und erbrichst ihn.<br />
217 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Mach deinen Fuß<br />
im Haus deines Nächsten selten,<br />
sonst bekommt er dich satt<br />
und verabscheut dich.<br />
Wie Keule, Schwert<br />
und scharfer Pfeil:<br />
so ist einer, der als falscher Zeuge<br />
gegen seinen Nächsten aussagt.<br />
Wie ein morscher Zahn<br />
und ein wankender Fuß:<br />
der Treulose am Tag<br />
der Bedrängnis,<br />
wie einer, der an kaltem Tag<br />
das Kleid ablegt.<br />
Essig auf eine Wunde:<br />
wer einem verstimmten Herzen<br />
Lieder vorsingt.<br />
Hungert dein Feind,<br />
so speise ihn mit Brot,<br />
und dürstet ihn,<br />
gib ihm Wasser zu trinken;<br />
so häufst du Kohlen<br />
auf sein Haupt,<br />
und der Herr<br />
wird dir vergelten.<br />
Der Wind aus dem Norden<br />
bringt Regenfall,<br />
und eine heimtückische Zunge<br />
betroffene Mienen.<br />
Besser in der Ecke<br />
des Daches wohnen,<br />
als mit einer zänkischen Frau<br />
im gemeinsamen Haus.<br />
Kühles Wasser<br />
für eine erschöpfte Seele<br />
ist eine gute Nachricht<br />
aus fernem Land.<br />
Ein getrübter Brunnen<br />
und eine verdorbene Quelle<br />
ist ein Gerechter,<br />
der vor einem Frevler wankt.<br />
Zu viel Honig essen<br />
ist von Übel,<br />
aber schwerwiegende Dinge<br />
erforschen<br />
ist Ehre.<br />
Eine geschleifte Stadt<br />
ohne Mauer<br />
ist ein Mann<br />
ohne Selbstbeherrschung.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Wie Schnee im Sommer<br />
und wie Regen zur Erntezeit,<br />
so unpassend ist<br />
für den Toren Ehre.<br />
Wie ein Sperling, der entweicht,<br />
wie die Schwalbe,<br />
die davonfliegt,<br />
so ist ein unverdienter Fluch:<br />
er trifft nicht ein.<br />
<strong>Die</strong> Peitsche dem Pferd,<br />
der Zaum dem Esel,<br />
der Stock<br />
dem Rücken der Toren.<br />
Erwidere dem Toren nicht<br />
seiner Narrheit entsprechend,<br />
sonst machst auch du dich<br />
ihm gleich.<br />
Erwidere dem Toren<br />
seiner Narrheit entsprechend,<br />
sonst dünkt er sich weise<br />
in seinen Augen.<br />
<strong>Die</strong> Füße haut sich ab,<br />
Unheil muss schlucken,<br />
wer Botschaft sendet<br />
durch einen Toren.<br />
Schlaff wie die Beine des Lahmen<br />
ist ein Sinnspruch<br />
im Mund der Toren.<br />
Wie einer, der einen Kiesel<br />
an der Schleuder festmacht,<br />
wer einem Toren Ehre erweist.<br />
Ein dorniger Zweig, in die Hand<br />
eines Trunkenen geraten:<br />
ein Sinnspruch im Mund<br />
der Toren.<br />
Ein Schütze,<br />
der alle verwundet:<br />
wer vorübergehende Toren<br />
und Betrunkene dingt.<br />
Wie ein Hund,<br />
der zurückkehrt<br />
zu seinem Erbrochenen,<br />
ist der Tor,<br />
der seine Narrheit wiederholt.<br />
Siehst du einen Mann,<br />
der sich für weise hält,<br />
so gibt es für den Toren<br />
mehr Hoffnung als für ihn.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
218
25 Spruchsammlung der weisen<br />
Der Faule sagt:<br />
Auf dem Weg<br />
liegt ein junger Löwe,<br />
ein Löwe ist mitten<br />
auf den Plätzen!<br />
<strong>Die</strong> Tür dreht sich<br />
in ihrer Angel,<br />
und der Faule<br />
auf seinem Lager.<br />
Hat der Faule seine Hand<br />
in die Schüssel gesteckt,<br />
ist er schon zu müde,<br />
sie zum Mund zu führen.<br />
Der Faule hält sich<br />
für weiser<br />
als sieben,<br />
die verständig erwidern.<br />
Der packt einen<br />
vorbeilaufenden Hund<br />
bei den Ohren,<br />
wer sich in einen<br />
fremden Streit einmischt.<br />
Wie einer,<br />
der sich verrückt gebärdet<br />
und Brandgeschosse schleudert,<br />
Pfeile und Tod,<br />
so ein Mann,<br />
der seinen Nächsten täuscht<br />
und sagt:<br />
Ich habe nur Spaß gemacht.<br />
Ist kein Holz mehr vorhanden,<br />
erlischt das Feuer;<br />
und wenn kein<br />
Ohrenbläser da ist,<br />
so legt sich der Streit.<br />
Kohlen die Glut<br />
und Holz das Feuer,<br />
so schürt ein zänkischer Mensch<br />
den Streit.<br />
Worte des Ohrenbläsers<br />
sind wie Leckerbissen,<br />
sie gleiten ins Innere<br />
des Leibes hinab.<br />
Mit Silberglasur<br />
überzogenes Tongeschirr:<br />
ein böses Herz<br />
und glatte Lippen.<br />
Mit seinen Lippen<br />
verstellt sich der Hasser,<br />
doch im Innern<br />
legt er Trug zurecht.<br />
Verleiht er seiner Stimme<br />
Freundlichkeit,<br />
so trau ihm nicht,<br />
denn in seinem Herzen<br />
sind sieben Gräuel.<br />
Verbirgt der Hass sich<br />
auch unter Täuschung,<br />
seine Bosheit wird<br />
in der Versammlung enthüllt.<br />
Wer eine Grube gräbt,<br />
fällt selbst hinein,<br />
und wer einen Stein hochwälzt,<br />
auf den rollt er zurück.<br />
Falsche Zunge hasst die,<br />
welche sie zermalmt,<br />
und glatter Mund<br />
bereitet Sturz.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Rühme dich nicht<br />
des morgigen Tages,<br />
denn du weißt nicht,<br />
was der Tag gebiert.<br />
Rühmen soll dich<br />
ein anderer,<br />
nicht dein eigener Mund,<br />
ein Fremder,<br />
doch nicht deine<br />
eigenen Lippen.<br />
Schwer ist der Stein<br />
und der Sand eine Last,<br />
doch der Verdruss<br />
mit einem Toren<br />
ist schwerer als beide.<br />
Grimm ist<br />
grausam und Zorn<br />
eine überströmende Flut;<br />
aber wer hält stand<br />
vor der Eifersucht?<br />
Besser ist offener Tadel<br />
als Liebe,<br />
die verborgen bleibt.<br />
Treu gemeint sind die Schläge<br />
des Liebenden,<br />
doch gefährlich die Küsse<br />
des Hassers.<br />
Der Satte<br />
tritt besten Honig mit Füßen,<br />
doch der Hungrige<br />
findet alles Bittere süß.<br />
Wie ein Vogel,<br />
seinem Nest entflogen,<br />
so ein Flüchtling<br />
fern von seinem Ort.<br />
Öl und Räucherwerk<br />
erfreuen das Herz,<br />
die Herzlichkeit<br />
eines Freundes<br />
wiegt mehr<br />
als eigenes Grübeln.<br />
219 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Deinen und deines<br />
Vaters Freund verlass nicht,<br />
und geh am Tag deines Unglücks<br />
nicht ins Haus deines Bruders.<br />
Besser ein naher Nachbar<br />
als ein ferner Bruder.<br />
Werde weise, mein Sohn,<br />
und erfreue mein Herz;<br />
dann kann ich dem,<br />
der mich schmäht,<br />
eine Antwort geben.<br />
Der Kluge sieht das Unheil<br />
und verbirgt sich,<br />
die Einfältigen gehen weiter<br />
und müssen es büßen.<br />
Nimm ihm das Gewand,<br />
er hat ja für einen<br />
anderen gebürgt;<br />
fremder Leute wegen<br />
pfände ihn!<br />
Wer seinen Nächsten<br />
mit lauter Stimme<br />
früh am Morgen begrüßt,<br />
dem wird es als Fluch<br />
angerechnet.<br />
Ein ständig tropfendes Dach<br />
in der Regenzeit<br />
und eine zänkische Frau<br />
gleichen einander.<br />
Wer sie zurückhält,<br />
hält den Wind zurück,<br />
und seine Rechte<br />
greift in Öl.<br />
Eisen schärft sich an Eisen;<br />
so glättet sich der Mensch<br />
im Umgang<br />
mit seinem Nächsten.<br />
Wer einen Feigenbaum pflegt,<br />
wird seine Frucht essen,<br />
und wer auf seinen Herrn<br />
Acht gibt,<br />
wird geehrt.<br />
Wie Wasser<br />
das Gesicht widerspiegelt,<br />
so das Menschenherz<br />
den Menschen.<br />
Unterwelt und Totenreich<br />
werden nicht satt,<br />
auch die Augen des Menschen<br />
werden nicht satt.<br />
Der Schmelztiegel<br />
prüft das Silber<br />
und der Ofen das Gold;<br />
den Menschen aber<br />
prüft der Mund dessen,<br />
der ihn lobt.<br />
Zerstießest du auch<br />
den Toren im Mörser,<br />
seine Narrheit würde nicht<br />
von ihm weichen.<br />
Achte gut auf das Aussehen<br />
deiner Schafe,<br />
widme deine Sorge den Herden;<br />
denn Vermögen bleibt nicht<br />
für alle Zeit,<br />
eine Krone überträgt sich nicht<br />
von Geschlecht zu Geschlecht.<br />
Sprießt Gras hervor,<br />
erscheint das Grün,<br />
sammelt man die Kräuter<br />
auf den Bergen,<br />
dann hast du Lämmer<br />
für deine Bekleidung<br />
und Böcke als Kaufpreis<br />
für Äcker<br />
und ausreichend Ziegenmilch<br />
zu deiner Ernährung<br />
und zum Lebensunterhalt<br />
für deine Mägde.<br />
Kapitel<br />
—<br />
Der Frevler flieht,<br />
obwohl ihn niemand verfolgt,<br />
doch der Gerechte<br />
fühlt sich sicher<br />
wie ein Löwe.<br />
Durch seine Frevel<br />
bekommt ein Land<br />
viele Herrscher,<br />
durch einen verständigen,<br />
einsichtigen Mann<br />
ist sein Bestand gesichert.<br />
Ein böser Mann,<br />
der die Geringen bedrückt,<br />
gleicht dem Regen,<br />
der wegschwemmt,<br />
statt Brot zu bringen.<br />
Wer die Weisung verlässt,<br />
rühmt den Frevler,<br />
doch wer die Weisung bewahrt,<br />
widersetzt sich ihm.<br />
<strong>Die</strong> bösen Menschen<br />
erfassen das Rechte nicht;<br />
die aber den Herrn suchen,<br />
fassen alles.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
220
27 Zweite Spruchsammlung<br />
Besser ein Armer,<br />
der ohne Schuld seinen Weg<br />
geht,<br />
als wer auf falschen Wegen geht<br />
und dabei reich ist.<br />
Wer die Weisung wahrt,<br />
ist ein verständiger Sohn;<br />
doch wer<br />
mit Schlemmern verkehrt,<br />
bringt seinen Vater in Schande.<br />
Wer sein Vermögen<br />
durch Zuschlag<br />
und Aufgeld vermehrt,<br />
sammelt für den,<br />
der sich der Bedrückten<br />
erbarmt.<br />
Hält einer sein Ohr<br />
vom Hören der Weisung fern,<br />
dann ist sogar sein Gebet<br />
ein Abscheu.<br />
Wer Redliche<br />
auf bösen Weg verführt,<br />
fällt selbst in seine Grube;<br />
den Schuldlosen aber<br />
wird Gutes zuteil.<br />
Ein reicher Mann<br />
hält sich selbst für klug,<br />
doch ein verständiger Armer<br />
durchschaut ihn.<br />
Triumphieren die Gerechten,<br />
ist das Gepränge groß;<br />
erheben sich aber die Frevler,<br />
verbirgt sich ein jeder.<br />
Wer seine Sünden verheimlicht,<br />
hat keinen Erfolg,<br />
doch wer sie bekennt und meidet,<br />
findet Erbarmen.<br />
Wohl dem Mann,<br />
der ständig Acht gibt;<br />
wer indessen sein Herz<br />
verhärtet,<br />
stürzt ins Unglück.<br />
Ein knurrender Löwe<br />
und ein gieriger Bär:<br />
wenn ein Frevler<br />
über ein schwaches Volk<br />
herrscht.<br />
Klein an Verstand,<br />
ist mancher Fürst<br />
ein großer Unterdrücker;<br />
wem unrechter Gewinn<br />
verhasst ist,<br />
der lebt lange.<br />
Ein Mensch,<br />
auf dem Blutschuld lastet,<br />
ist flüchtig bis zum Grab;<br />
man halte ihn nicht.<br />
Wer unsträflich seinen Weg geht,<br />
findet Rettung,<br />
doch wer falsche Wege<br />
beschreitet,<br />
fällt in die Grube.<br />
Wer seinen Acker bestellt,<br />
wird mit Brot gesättigt,<br />
doch wer<br />
nichtigen Dingen nachjagt,<br />
wird mit Armut gesättigt.<br />
Ein Mann von Festigkeit<br />
erlangt reichen Segen,<br />
wer aber hastet,<br />
sich zu bereichern,<br />
bleibt nicht straflos.<br />
Parteiisch sein ist übel,<br />
für einen Bissen Brot<br />
kann ein Mann<br />
zum Frevler werden.<br />
Nach Reichtum hascht einer<br />
mit neidischem Blick<br />
und sieht nicht voraus,<br />
dass Mangel über ihn kommt.<br />
Wer einen Menschen<br />
zurechtweist,<br />
findet zuletzt mehr Gunst<br />
als einer<br />
mit schmeichelnder Zunge.<br />
Wer Vater und Mutter beraubt<br />
und sagt:<br />
Es ist keine Sünde!,<br />
der ist ein Genosse<br />
des Verderbers!<br />
Zank<br />
erregt der Unersättliche,<br />
doch wer auf den Herrn vertraut,<br />
wird reichlich gelabt.<br />
Wer auf die eigene Einsicht<br />
vertraut,<br />
ist ein Tor;<br />
aber wer in Weisheit<br />
seinen Weg geht,<br />
der wird gerettet.<br />
Wer dem Armen gibt,<br />
erleidet nicht Mangel,<br />
doch wer seine Augen verhüllt,<br />
wird viel verflucht.<br />
Erheben sich die Frevler,<br />
verbergen sich die Menschen,<br />
gehen sie aber unter,<br />
mehren sich die Gerechten.<br />
221 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Kapitel<br />
—<br />
Ein Mann, der, oft verwarnt,<br />
doch halsstarrig bleibt,<br />
wird im Nu zerbrochen<br />
und es gibt keine Heilung.<br />
Regieren die Gerechten,<br />
so freut sich das Volk,<br />
doch herrscht der Frevler,<br />
so stöhnt das Volk.<br />
Ein Mann, der Weisheit liebt,<br />
erfreut seinen Vater;<br />
wer aber mit Dirnen verkehrt,<br />
bringt das Vermögen durch.<br />
Mit dem Recht<br />
baut ein König das Land auf,<br />
doch wer Abgaben erpresst,<br />
zerstört es.<br />
Ein Mann, der seinem Nächsten<br />
schmeichelt,<br />
legt ihm ein Netz vor die Füße.<br />
<strong>Die</strong> Sünde ist dem Bösen<br />
ein Fallstrick,<br />
doch der Gerechte jubelt<br />
und freut sich.<br />
Der Gerechte zeigt Verständnis<br />
für den Rechtsfall der Geringen,<br />
der Frevler kennt kein Verstehen.<br />
Hetzer bringen die Stadt<br />
in Aufruhr,<br />
doch Weise stillen den Zorn.<br />
Wenn ein weiser Mann<br />
mit einem törichten rechtet,<br />
so tobt der und lacht<br />
und gibt keine Ruhe.<br />
Blutmenschen hassen<br />
den Schuldlosen,<br />
aber Redliche bemühen sich<br />
um sein Leben.<br />
All seinen Unmut<br />
schüttet der Tor (gleich)<br />
heraus;<br />
doch der Weise hält sich zurück.<br />
Hört ein Herrscher<br />
auf Lügenwort,<br />
werden all seine Beamte<br />
zu Frevlern.<br />
Der Arme und der Bedrücker<br />
begegnen einander,<br />
doch der Herr<br />
erleuchtet die Augen beider.<br />
Richtet ein König die Geringen<br />
der Wahrheit gemäß,<br />
so hat sein Thron<br />
für immer Bestand.<br />
Rute und Rüge<br />
vermitteln Weisheit,<br />
doch ein zügelloser Knabe<br />
bringt seiner Mutter Schande.<br />
Regieren die Frevler,<br />
so mehrt sich die Sünde,<br />
aber die Gerechten<br />
schauen ihren Sturz.<br />
Züchtige deinen Sohn,<br />
so wird er sich zufrieden stellen<br />
und dir Freude bereiten.<br />
Ohne prophetische<br />
Offenbarung<br />
verwildert das Volk;<br />
aber wohl ihm,<br />
wenn es die Weisung befolgt.<br />
Durch Worte<br />
wird kein Sklave gebessert,<br />
denn er versteht,<br />
aber folgt nicht.<br />
Siehst du einen Mann,<br />
der nur so drauflos redet –<br />
für einen Toren<br />
gibt es mehr Hoffnung<br />
als für ihn.<br />
Wenn einer seinen Sklaven<br />
von Jugend an verwöhnt,<br />
so wird der zu guter Letzt<br />
aufsässig.<br />
Ein zornmütiger Mann<br />
erregt Streit,<br />
und ein Hitzkopf<br />
häuft Verfehlung.<br />
Der Hochmut<br />
eines Menschen<br />
demütigt ihn,<br />
doch Ehre erlangt,<br />
wer demütig ist.<br />
Wer mit dem <strong>Die</strong>b teilt,<br />
hasst sich selbst,<br />
er hört die Verfluchung<br />
und zeigt es doch nicht an.<br />
Menschenfurcht<br />
legt einen Fallstrick,<br />
doch wer auf den Herrn vertraut,<br />
wird geschützt.<br />
Viele suchen die Gunst<br />
des Herrschers,<br />
aber das Recht kommt<br />
für einen jeden vom Herrn.<br />
Ein Abscheu für die Gerechten<br />
ist der Übeltäter<br />
und ein Abscheu für den Frevler,<br />
wer redlich seinen Weg geht.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
222
Worte Agurs<br />
Kapitel<br />
—<br />
Worte Agurs, des Sohnes des Jake aus Massa.<br />
Spruch des Mannes für Laïtiël:<br />
Ich mühte mich ab mit Gott und bin am Ende.<br />
Denn ich bin vernunftloser als irgendein Mann<br />
und besitze keinen Menschenverstand,<br />
ich habe keine Weisheit gelernt,<br />
dass ich die Erkenntnis des Heiligen hätte.<br />
Wer stieg zum Himmel auf und kam hernieder?<br />
Wer fing den Wind in seinen Händen?<br />
Wer packte die Wasser in ein Tuch?<br />
Wer setzte fest alle Enden der Erde?<br />
Wie ist sein Name und wie der seines Sohnes, wenn du es weißt?<br />
Jedes Wort Gottes ist (im Feuer) geläutert;<br />
Schild ist er denen, die Zuflucht suchen bei ihm.<br />
Füg seinen Worten nichts hinzu,<br />
sonst zieht er dich zur Rechenschaft,<br />
und du stehst als Lügner da.<br />
Zwei Dinge erbitte ich von dir,<br />
nicht versage sie mir, bevor ich sterbe:<br />
Trug und Lügenwort halte fern von mir;<br />
gib mir nicht Armut, nicht Reichtum,<br />
lass mich essen mein zugemessenes Brot,<br />
dass ich weder, übersatt, dich leugne,<br />
indem ich sage: Wer ist der Herr?,<br />
noch, arm geworden, stehle<br />
und mich am Namen meines Gottes vergreife.<br />
Verleumde nicht den Knecht bei seinem Herrn,<br />
sonst verflucht er dich und du musst es büßen.<br />
Ein Geschlecht, das seinem Vater flucht<br />
und seine Mutter nicht segnet;<br />
ein Geschlecht, das rein ist in den eigenen Augen,<br />
doch sein Schmutz ist nicht abgewaschen;<br />
ein Geschlecht – wie stolz sind seine Augen<br />
und wie hochmütig seine Wimpern;<br />
ein Geschlecht, dessen Zähne Schwerter<br />
und dessen Gebiss Messer sind,<br />
um wegzufressen aus dem Land die Elenden<br />
und die Armen aus der Menschheit!<br />
223 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Der Blutegel hat zwei Töchter:<br />
Gib her! Gib her!<br />
Drei sind es, die nicht satt werden,<br />
und vier sagen niemals: Genug!<br />
<strong>Die</strong> Unterwelt und der unfruchtbare Mutterschoß,<br />
die niemals wassergesättigte Erde,<br />
und das Feuer, das nie sagt: Genug!<br />
Ein Auge, das den Vater verspottet<br />
und das hohe Alter der Mutter verachtet,<br />
das werden am Bach die Raben aushacken,<br />
und die Adlerjungen werden es fressen.<br />
Drei sind es, die für mich zu wunderbar sind,<br />
und vier, die ich nicht begreife:<br />
den Weg des Adlers am Himmel,<br />
den Weg der Schlange auf Felsgestein,<br />
den Weg des Schiffes auf hoher See<br />
und den Weg des Mannes bei der jungen Frau.<br />
So ist der Weg einer Frau, die Ehebruch treibt:<br />
Sie isst und wischt sich den Mund ab<br />
und sagt: Ich habe nichts Schlechtes getan.<br />
Unter dreien erbebt das Land,<br />
unter vieren wird es ihm unerträglich:<br />
unter einem Sklaven, wenn er König wird,<br />
und einem Toren, wenn er Brot in Fülle hat,<br />
unter einer Verschmähten,<br />
wenn sie geheiratet wird,<br />
und unter einer Sklavin,<br />
wenn sie ihre Herrin entthront.<br />
Vier sind die Kleinsten auf Erden<br />
und sind doch die Allerklügsten:<br />
<strong>Die</strong> Ameisen sind ein Volk ohne Kraft<br />
und sichern sich doch im Sommer ihr Futter.<br />
<strong>Die</strong> Klippdachse sind ein Volk ohne Stärke,<br />
und bauen doch in den Felsen ihre Behausung.<br />
Einen König haben die Heuschrecken nicht,<br />
und ziehen doch wohlgeordnet aus.<br />
<strong>Die</strong> Eidechse kann man mit Händen fangen,<br />
und sie hält sich doch in Königspalästen.<br />
Drei sind es, die stattlich einherschreiten,<br />
vier haben einen stolzen Gang:<br />
der Löwe, der Held unter den Tieren,<br />
der vor niemandem kehrtmacht;<br />
der Hahn, der einherstolziert, der Bock<br />
und der König, der vor seinem Volk auftritt.<br />
Begingst du eine Dummheit,<br />
indem du dich erhobst,<br />
oder denkst du nach –<br />
so lege die Hand auf den Mund!<br />
Denn wenn man Milch stößt,<br />
so kommt Butter heraus,<br />
stößt man die Nase,<br />
kommt Blut heraus,<br />
und stößt man den Zorn,<br />
so kommt Streit heraus.<br />
Spr 0,00–0,00<br />
224
30 Zweite Spruchsammlung<br />
Worte Lemuëls<br />
Kapitel 31<br />
—<br />
Worte Lemuëls, des Königs von Massa,<br />
mit denen ihn seine Mutter ermahnt hat:<br />
Was soll ich dir sagen, Lemuël, mein Erstgeborener,<br />
du Sohn meines Schoßes,<br />
was, du Sohn meiner Gelübde?<br />
Gib nicht deine Kraft den Frauen hin,<br />
noch deinen Leib an jene, die Könige verderben.<br />
Nicht sollen sich Könige, Lemuël,<br />
nicht sollen sich die Könige mit Wein betrinken,<br />
Fürsten nicht nach Rauschtrank verlangen.<br />
Sonst trinkt einer und vergisst seine Pflichten<br />
und entstellt die Rechtsansprüche aller Bedrückten.<br />
Gebt Rauschtrank dem Verzweifelnden,<br />
und Wein den Verbitterten.<br />
Er trinke, dann vergisst er seine Armut<br />
und denkt nicht mehr an seine Mühsal.<br />
Mach auf deinen Mund für den Stummen,<br />
für den Rechtsanspruch aller Haltlosen!<br />
Mach auf deinen Mund, entscheide gerecht,<br />
und schaffe Recht dem Bedrückten und Armen!<br />
225 Spr 0,00–0,00
Das Buch der Sprichwörter<br />
Lob auf die tüchtige Frau<br />
Eine tüchtige Frau, wer findet sie?<br />
Ihr Wert geht weit über Korallen.<br />
Das Herz ihres Mannes vertraut auf sie,<br />
und es fehlt ihm nicht an Gewinn.<br />
Sie tut ihm Gutes und nichts Böses<br />
alle Tage ihres Lebens.<br />
Sie sieht sich um nach Wolle und Flachs,<br />
und schafft mit fleißigen Händen.<br />
Sie gleicht den Schiffen des Kaufmanns:<br />
Von weit her holt sie ihre Nahrung.<br />
Wenn es noch Nacht ist, steht sie schon auf<br />
und gibt Speise ihrem Haus,<br />
ihren Mägden die Tagesverpflegung.<br />
Nach Feld schaut sie aus und erwirbt es,<br />
sie pflanzt von ihrer Hände Ertrag einen Weinberg.<br />
Sie gürtet kraftvoll die Hüften<br />
und strengt ihre Arme an.<br />
Sie spürt den Erfolg ihrer Arbeit,<br />
auch des Nachts erlischt ihre Lampe nicht.<br />
Ihre Hände greifen nach dem Spinnstock,<br />
ihre Finger halten die Spindel.<br />
Sie tut ihre Hand dem Bedürftigen auf,<br />
und streckt die Arme dem Armen hin.<br />
Sie hat für ihr Haus den Schnee nicht zu fürchten,<br />
denn ihr ganzes Haus<br />
ist mit wollener Kleidung versehen.<br />
Decken hat sie sich angefertigt,<br />
ihre Kleidung ist Byssus-Leinen und Purpurwolle.<br />
Ihr Mann ist hochgeachtet in den Toren,<br />
wenn er zu Rat sitzt mit den Ältesten des Landes.<br />
Hemden stellt sie her und verkauft sie,<br />
und Gürtel liefert sie dem Händler.<br />
Stärke und Würde sind ihr Gewand,<br />
und so schaut sie froh in die Zukunft.<br />
In Weisheit tut sie den Mund auf,<br />
auf ihrer Zunge ist freundliche Weisung.<br />
Sie überwacht die Vorgänge in ihrem Haus<br />
und isst nicht etwa das Brot der Faulheit.<br />
Ihre Söhne stehen auf und preisen sie glücklich,<br />
auch ihr Gatte erhebt sich und rühmt sie:<br />
Viele Töchter haben sich tüchtig erwiesen,<br />
doch du übertriffst sie alle!<br />
Anmut ist trügerisch, Schönheit vergänglich:<br />
nur eine Frau, die den Herrn fürchtet,<br />
soll man rühmen.<br />
Spendet ihr Lob für die Frucht ihrer Hände,<br />
ihre Werke preise man in den Toren!<br />
Spr 0,00–0,00<br />
226
229 Status<br />
Das<br />
Buch<br />
Kohelet
<strong>Die</strong> Worte Kohelets, des Sohnes Davids, des Königs in Jerusalem.<br />
Windhauch, nur Windhauch,<br />
so spricht Kohelet;<br />
Windhauch, nur Windhauch.<br />
Alles ist W i n d h a u c h .<br />
Was bleibt dem Menschen von all seiner Mühe,<br />
womit er sich abmüht unter der Sonne?<br />
—<br />
1<br />
Koh 0,00–0,00<br />
230
—<br />
Kohelet 1<br />
Ein Geschlecht geht und ein anderes kommt;<br />
doch die Erde bleibt ewig bestehen.<br />
<strong>Die</strong> Sonne geht auf und die Sonne geht unter<br />
und eilt an ihren Ort, wo sie aufgeht.<br />
Er weht nach Süden, dann wendet er nach Norden;<br />
er dreht sich, kehrt um, kommt wieder, der Wind;<br />
so wiederholt der Wind seinen Umlauf.<br />
Alle Flüsse laufen ins Meer,<br />
doch wird das Meer nicht voll.<br />
Zum Ort, wohin die Flüsse gehen,<br />
dahin geht ihr Lauf immer wieder.<br />
Alle Dinge mühen sich ab.<br />
Keiner vermag alles auszudrücken,<br />
das Auge wird nicht satt beim Sehen<br />
und das Ohr nicht vom Hören voll.<br />
Was gewesen ist, dasselbe wird wieder sein,<br />
und was geschehen ist, wird wieder geschehen:<br />
Nichts Neues gibt es unter der Sonne.<br />
Sagt man von etwas:<br />
Sieh, das ist neu!,<br />
so war es schon längst zu den Zeiten,<br />
die vor uns gewesen sind.<br />
Kein Gedenken bleibt den Früheren;<br />
aber auch den Späteren, die kommen,<br />
wird kein Gedenken bleiben<br />
bei denen, die noch später sind.<br />
231 Koh 0,00–0,00
—<br />
Kohelet 2<br />
Ich, Kohelet, war in Jerusalem König über Israel. Ich richtete mein<br />
Sinnen darauf, mit Hilfe der Weisheit alles zu untersuchen und zu<br />
erforschen, was unter dem Himmel geschieht. Eine schwierige Aufgabe<br />
hat Gott damit den Menschen gestellt, dass sie mit ihr sich<br />
plagen. Ich sah alle Taten an, die unter der Sonne geschehen; da<br />
zeigte sich: Alles ist W i n d h a u c h und Haschen nach Luft.<br />
Was krumm ist, kann nicht gerade werden,<br />
und was fehlt, kann man nicht zählen.<br />
Ich sagte zu mir selbst: Ja, ich habe ein Höchstmaß von Weisheit<br />
erworben über alle hinaus, die vor mir über Jerusalem herrschten.<br />
Mein Sinn lernte Weisheit und Wissen in Menge kennen. Dann<br />
richtete ich mein Sinnen darauf, Weisheit und Wissen, Torheit und<br />
Unverstand zu durchschauen. Da erkannte ich, dass auch dies Haschen<br />
nach Luft ist. Wirklich:<br />
Bei viel Weisheit ist viel Ärger<br />
und mehrt man das Wissen, so mehrt man den Schmerz.<br />
Ich sprach zu mir selbst: Wohlan! Versuche es mit der Freude und lass<br />
es dir gut gehen! Doch zeigte sich: Auch dies ist W i n d h a u c h.<br />
Zum Lachen sagte ich: Verrückt! und zur Freude: Was soll das?<br />
Ich nahm mir vor, meinen Leib mit Wein zu ergötzen, dabei aber<br />
mein Herz in der Weisheit zu bewahren und mich der Torheit hinzugeben,<br />
bis ich sähe, was für die Menschenkinder gut ist, um es<br />
die paar Tage ihres Lebens unter dem Himmel zu tun.<br />
Ich schuf große Werke: Ich baute mir Paläste und pflanzte mir<br />
Weinberge. Ich legte mir Gärten an und Parks und bepflanzte sie<br />
mit Fruchtbäumen jeder Art. Ich legte mir Wasserteiche an, um daraus<br />
die jungen Baumanlagen zu bewässern. Ich erwarb mir Sklaven<br />
und Sklavinnen und hatte hausgeborene Sklaven; auch Vieh, Rinder<br />
und Schafe besaß ich in Menge, mehr als alle vor mir in Jerusalem.<br />
Ich häufte mir auch Silber und Gold auf und die Schätze von Königen<br />
und Ländern. Ich verschaffte mir Sänger und Sängerinnen und<br />
die Lust der Menschensöhne: Frauen über Frauen.<br />
So wurde ich größer und reicher als alle vor mir in Jerusalem,<br />
wobei auch meine Weisheit mir verblieb. Was immer meine Augen<br />
begehrten, nichts davon versagte ich ihnen. Ich hielt mein Herz von<br />
keinerlei Freude ab. Ja, mein Herz gewann Freude aus all meiner<br />
—<br />
2<br />
Koh 0,00–0,00<br />
232
—<br />
Kohelet 2<br />
Mühe und dies war mein Lohn für all meine Mühe. Und nun prüfte<br />
ich all meine Werke, die meine Hände vollbracht hatten, und die<br />
Mühe, die ich beim Schaffen aufgewendet hatte, und es ergab sich:<br />
Alles ist W i n d h a u c h und Haschen nach Luft und es bleibt<br />
kein Nutzen unter der Sonne!<br />
Dann wandte ich mich dazu, die Weisheit zu betrachten und<br />
Torheit und Unverstand. Was tut denn der Mensch, der nach dem<br />
König kommt? Dasselbe, was man schon längst getan hat. Und ich<br />
sah, dass die Weisheit vor der Torheit einen solchen Vorteil hat wie<br />
das Licht vor der Finsternis:<br />
Der Weise hat Augen im Kopf;<br />
der Tor aber tappt in der Dunkelheit.<br />
Ich habe aber auch erkannt, dass ein und dasselbe Geschick alle beide<br />
trifft. Da sagte ich mir: Wenn das Geschick des Toren auch mich<br />
trifft, warum bin ich dann so übermäßig weise geworden? Und ich<br />
sprach zu mir selbst: Auch dies ist W i n d h a u c h ! 16 Wirklich,<br />
es gibt für den Weisen so wenig wie für den Toren ein Gedenken für<br />
immer. Schon in den Tagen, die bald kommen, sind beide längst<br />
vergessen. Ach, der Weise stirbt genau wie der Tor!<br />
Da hasste ich das Leben; denn widerwärtig erschien mir das Tun,<br />
das unter der Sonne geschieht. Ja, alles ist W i n d h a u c h und<br />
Haschen nach Luft!<br />
Da hasste ich all meine Mühe, womit ich mich abgemüht hatte<br />
unter der Sonne, weil ich es einem Menschen hinterlassen muss,<br />
der nach mir kommt. Und wer weiß, ob er weise ist oder ein Tor?<br />
Und doch wird er Vollmacht haben über allen Ertrag meiner Arbeit,<br />
auf den ich Mühe und Klugheit verwandte unter der Sonne. Auch<br />
dies ist Windhauch!<br />
Da kam ich so weit, dass ich mein Herz der Verzweiflung überließ<br />
wegen all der Mühe, womit ich mich abgemüht hatte unter der<br />
Sonne. Denn mancher hat sich mit Weisheit, Wissen und Tüchtigkeit<br />
bemüht und muss seinen Besitz dann einem Menschen<br />
übergeben, der keine Mühe dafür aufgewendet hat. Auch dies ist<br />
W i n d h a u c h und ein großes Übel. Ja, was bleibt dem Menschen<br />
von all seiner Mühe und seinem Streben, womit er sich<br />
abmühte unter der Sonne? Alle seine Tage sind nichts als Leid,<br />
und Kummer ist seine Beschäftigung. Selbst in der Nacht kommt<br />
sein Geist nicht zur Ruhe. Auch dies ist W i n d h a u c h .<br />
233 Koh 0,00–0,00
—<br />
Kohelet 3<br />
Es gibt für den Menschen nichts Besseres als zu essen und zu trinken<br />
und es sich wohl sein zu lassen bei seiner Mühe. Auch dies, habe<br />
ich eingesehen, kommt von Gottes Hand. Denn wer kann essen,<br />
wer kann genießen, wenn nicht ich? Ja, dem Menschen, der ihm<br />
gefällt, gibt er Weisheit und Kenntnis und Freude; doch dem Sünder<br />
legt er die Plage auf, zu sammeln und aufzuhäufen, um es dann<br />
dem zu geben, der Gott gefällt. Auch dies ist W indhauch<br />
und Haschen nach Luft.<br />
Alles hat seine Stunde und für jedes Vorhaben unter dem Himmel<br />
gibt es eine Zeit:<br />
—<br />
3<br />
Eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben,<br />
eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit, die Pflanzen abzuernten,<br />
eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen,<br />
eine Zeit zum Einreißen und eine Zeit zum Bauen,<br />
eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen,<br />
eine Zeit zum Klagen und eine Zeit zum Tanzen,<br />
eine Zeit zum Steinewerfen und eine Zeit zum Steinesammeln,<br />
eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, sich der Umarmung zu enthalten,<br />
eine Zeit zum Suchen und eine Zeit zum Verlieren,<br />
eine Zeit zum Aufbewahren und eine Zeit zum Wegwerfen,<br />
eine Zeit zum Zerreißen und eine Zeit zum Nähen,<br />
eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden,<br />
eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen,<br />
eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden.<br />
Was hat der, der etwas tut, davon, dass er sich abmüht? Ich besah<br />
mir die Arbeit, die Gott den Menschen auferlegt, sich damit zu plagen.<br />
Er macht alles und jedes vollkommen zu seiner Zeit. Zwar hat<br />
er ihnen auch eine Vorstellung vom gesamten Ablauf der Zeiten gegeben,<br />
doch ohne dass der Mensch das Werk, das Gott vollbringt,<br />
von Anfang bis Ende erfassen könnte.<br />
Da erkannte ich: Es gibt für den Menschen kein anderes Gut,<br />
als sich zu freuen und es sich wohl sein zu lassen in seinem Leben;<br />
Aber auch, dass jeder Mensch isst und trinkt und Glück erfährt bei<br />
all seiner Mühe, ist eine Gabe Gottes. Ich erkannte: Alles, was Gott<br />
tut, das ist für immer. Dem gibt es nichts hinzuzufügen und davon<br />
ist nichts wegzunehmen. Gott hat es so gemacht, dass man Furcht<br />
vor ihm hat.<br />
Koh 0,00–0,00<br />
234
—<br />
Kohelet 4<br />
Was ist, ist schon längst gewesen,<br />
und was sein wird, ist schon lange da,<br />
und Gott sucht das Vergangene wieder hervor.<br />
Weiter sah ich unter der Sonne: An der Stätte des Rechts geschieht<br />
Unrecht und an der Stätte der Gerechtigkeit geschieht Unrecht! Da<br />
sagte ich bei mir selbst: Den Gerechten und den Frevler wird Gott<br />
richten. Denn eine bestimmte Zeit für jedes Unternehmen und für<br />
alles, was dort geschieht, gibt es [auch] dort.<br />
Was die Menschen betrifft, dachte ich, dass Gott sie prüft und<br />
dass sie erkennen sollen, dass sie eigentlich Tiere sind. Denn was<br />
das Geschick der Menschen und das Geschick der Tiere angeht: Sie<br />
haben ein und dasselbe Geschick. Wie diese sterben, so sterben auch<br />
jene. Den gleichen Atem haben sie alle und es gibt für den Menschen<br />
keinen Vorzug vor dem Tier, denn alles ist W i n d h a u c h .<br />
Alles geht an ein und denselben Ort.<br />
Alles ist aus Staub geworden und alles kehrt zum Staub zurück.<br />
— 4<br />
Wer weiß, ob der Atem der Menschen nach oben emporsteigt und<br />
ob der Atem der Tiere hinunter in die Erde hinabfährt? So sah ich<br />
ein, dass es für den Menschen nichts Besseres gibt, als sich bei seinem<br />
Tun zu freuen; denn dies ist sein Anteil. Denn wer ließe ihn<br />
dahin gelangen, Einsicht zu gewinnen in das, was nach ihm sein<br />
wird?<br />
Und wieder sah ich all das Unrecht, das unter der Sonne verübt<br />
wird. Da sind die Tränen der Bedrückten, aber kein Tröster ist für<br />
sie da, von der Hand ihrer Bedrücker geht Gewalttat aus, aber kein<br />
Tröster ist für sie da. Darum preise ich die Toten, die längst gestorben<br />
sind, glücklicher als die Lebenden, die noch leben. Aber mehr<br />
als sie beide preise ich den, der erst gar nicht zum Dasein gelangt,<br />
der das üble Treiben nicht gesehen, das unter der Sonne herrscht.<br />
Ich stelle fest: Alles Bemühen und aller Erfolg ist nur Eifersucht<br />
des einen gegen den anderen. Auch dies ist W i n d h a u c h und<br />
Haschen nach Luft.<br />
Der Tor legt die Hände in den Schoß<br />
und hat doch sein eigenes Fleisch zum Essen.<br />
Besser eine Handvoll und Ruhe,<br />
als beide Hände voll und Mühe und Haschen nach Luft!<br />
235 Koh 0,00–0,00
—<br />
Kohelet 5<br />
Ich sah mich weiter um und erblickte wieder W i n d h a u c h<br />
unter der Sonne: Da ist einer und hat keinen zweiten, hat weder<br />
Sohn noch Bruder; und doch kennt alle sein Mühe kein Ende und<br />
mit keinem Reichtum sind seine Augen zufrieden. Doch wozu<br />
mühe ich mich dann ab und versage mir die guten Dinge? Auch<br />
dies ist W i n d h a u c h und es ist ein übles Geschäft.<br />
Besser sind zwei daran als ein einzelner, sofern ihnen guter<br />
Lohn aus ihrer Mühe zuteil wird. Kommen sie nämlich zu Fall, kann<br />
der eine dem anderen wieder aufhelfen. Wehe aber dem Einzelnen,<br />
wenn er fällt, und es ist doch kein zweiter da, ihn aufzurichten! Außerdem:<br />
Legen zwei sich zusammen nieder, so wird ihnen warm;<br />
aber einem Einzelnen, wie soll es ihm warm werden? Und wenn<br />
jemand einen einzelnen überwältigt, so sind ihm zwei gewachsen,<br />
und eine dreifache Schnur reißt nicht so rasch entzwei.<br />
Besser ein junger Mann, arm, aber weise, als ein König, alt, aber<br />
töricht, der nicht mehr die Einsicht hat, sich warnen zu lassen.<br />
Der junge Mann kam aus dem Gefängnis und wurde König, obwohl<br />
er arm während der Regierungszeit des anderen geboren war. Aber<br />
ich sah alle Lebenden unter der Sonne mit dem nächsten jungen<br />
Mann ziehen, der an dessen Stelle trat. Kein Ende nimmt die Volksmenge,<br />
ganz gleich, wer an ihrer Spitze steht. Doch auch die Späteren<br />
fanden keine Freude an ihm. Denn auch dies ist W i n d h a u c h<br />
und Haschen nach Luft.<br />
—<br />
Nimm deinen Fuß in Acht, wenn du zum Haus Gottes gehst!<br />
Tritt ein, um zu hören. Das ist besser, als wenn die Toren Opfer<br />
bringen. Sie haben ja keine Erkenntnis und tun darum<br />
Böses.<br />
Dein Mund überstürze sich nicht und dein Herz sei nicht<br />
rasch dabei, ein Wort vor Gott hervorzubringen; denn Gott ist<br />
im Himmel, doch du bist auf Erden. Darum mach nur wenig<br />
Worte.<br />
—<br />
5<br />
Zu Träumen kommt es bei so viel Geschäftigkeit, der Tor<br />
macht viele Worte. Hast du Gott etwas gelobt, so säume<br />
nicht, es zu erfüllen. Denn kein Gefallen hat er an Toren. Was<br />
du gelobt hast, erfülle! Du machst besser gar kein Gelübde,<br />
als dass du gelobst, und hältst es nicht.<br />
Koh 0,00–0,00<br />
236
—<br />
Kohelet 5<br />
Gestatte deinem Mund nicht, dich selbst in Schuld zu bringen,<br />
und sage nicht zu dem Boten: Es war ein Versehen!<br />
Warum sollte Gott über deine Äußerung zürnen und das<br />
Werk deiner Hände vernichten?<br />
Wo viele Träume und W indhauch und viel Geschwätz,<br />
da fürchte du Gott!<br />
Siehst du im Land Unterdrückung des Armen und Entzug von<br />
Recht und Gerechtigkeit, so wundere dich über die Sache nicht:<br />
Über den Hohen wacht ein Hoher, und über beiden noch Höhere.<br />
Auf jeden Fall ist es ein Vorteil für das Land, wenn ein König dafür<br />
sorgt, dass das Feld bebaut wird.<br />
Wer das Geld liebt, bekommt nie Geld genug;<br />
und wer Luxus liebt, hat nie genug Einkünfte –<br />
auch dies ist W i n d h a u c h .<br />
Mehrt sich das Gut,<br />
so vermehren sich auch die Verzehrer.<br />
Welchen Genuss hat der Besitzer davon,<br />
als dass seine Augen zusehen dürfen?<br />
Süß ist der Schlaf des Schaffenden,<br />
ob er wenig, ob er reichlich zu essen hat.<br />
Den Reichen lässt die Sattheit keinen Schlaf finden.<br />
Es gibt ein schlimmes Übel, das ich unter der Sonne sah: Reichtum,<br />
von seinem Besitzer gehütet zu seinem Unheil. Dann geht<br />
der Reichtum in einem Unglücksfall verloren und hat er einen<br />
Sohn gezeugt, bleibt diesem nichts in Händen. Wie er aus dem<br />
Schoß seiner Mutter hervorging, nackt geht er fort, wie er kam,<br />
und seine Mühe trägt ihm gar nichts ein, das er mit sich nehmen<br />
könnte. Auch dies ist ein schlimmes Übel: Ganz so, wie er kam,<br />
muss er gehen; und was bleibt ihm davon, dass er sich abmüht<br />
für Wind? So verbringt er alle seine Tage in Dunkel und Trauer,<br />
Unmut, Krankheit und Ärger.<br />
237 Koh 0,00–0,00
—<br />
Kohelet 7<br />
Das nun stelle ich fest: Das Glück, das dem Menschen zukommt,<br />
ist dies: zu essen und zu trinken und es sich wohl sein zu lassen<br />
bei all der Mühe, die sich einer macht unter der Sonne, die paar<br />
Tage seines Lebens, die Gott ihm gegeben hat; denn dies ist sein<br />
Anteil. Ja, bei jedem Menschen, dem Gott Reichtum und Vermögen<br />
verliehen und ihn ermächtigt hat, davon zu genießen und<br />
seinen Anteil sich zu nehmen und aus seiner Mühe Freude zu<br />
ziehen, ist dies ein Gottesgeschenk. Denn er denkt dann nicht<br />
viel an die Kürze seines Lebens, weil Gott ihn mit seiner Herzensfreude<br />
beschäftigt.<br />
Es gibt ein Übel, das ich unter der Sonne sah und das schwer<br />
auf dem Menschen lastet: Gott hat einem Mann Reichtum und<br />
Vermögen und Ansehen verliehen und von allem, was sein Herz<br />
begehrt, mangelt ihm nichts; aber Gott ermächtigte ihn nicht,<br />
davon zu genießen; vielmehr genießt es ein Fremder. Das ist<br />
W i n d h a u c h und schlimmes Leid!<br />
Zeugt ein Mann auch hundert Söhne und erreicht ein hohes<br />
Lebensalter, kann sich aber an seinem Gut nicht sättigen – auch<br />
wenn er niemals ins Grab sänke –, ich behaupte: Eine Totgeburt<br />
ist besser daran als er. Denn: Sie kommt als W i n d h a u c h und<br />
ins Dunkel geht sie und mit Dunkel bleibt ihr Name bedeckt. Sie<br />
hat die Sonne nicht gesehen und nicht gekannt. So hat sie mehr<br />
Ruhe als jener. Selbst wenn er zweimal tausend Jahre lebte, konnte<br />
es sich aber nicht wohl sein lassen: gehen nicht beide zu ein und<br />
demselben Ort?<br />
Des Menschen ganzes Mühen ist für seinen Mund und doch<br />
wird der Schlund nicht voll. Was hat denn der Weise dem Toren<br />
voraus? Was nützt es dem Armen, dem es gelingt, vor den Lebenden<br />
zu bestehen?<br />
—<br />
6<br />
Besser, etwas vor Augen zu haben,<br />
als ein hungriger Schlund.<br />
Auch dies ist W i n d h a u c h und Haschen nach Luft!<br />
Was ist, wurde schon längst beim Namen genannt; auch ist vorherbestimmt,<br />
was ein Mensch sein wird, und so kann er mit dem<br />
nicht streiten, der stärker ist als er. Es gibt viele Worte, die nur den<br />
W i n d h a u c h vermehren. Was gewinnt der Mensch dabei? Wer<br />
weiß denn, was für den Menschen gut ist im Leben, für die paar<br />
Koh 0,00–0,00<br />
238
—<br />
Kohelet 7<br />
Tage seines Lebens voll W i n d h a u c h , die er wie ein Schatten<br />
verbringt? Denn wer verkündet dem Menschen, was nach ihm sein<br />
wird unter der Sonne?<br />
— 7<br />
Besser ist ein guter Name als gutes Salböl,<br />
und der Tag des Todes als der Tag der Geburt.<br />
Besser, in ein Haus zu gehen, wo man trauert,<br />
als in ein Haus, wo man feiert.<br />
Denn dies ist das Ende aller Menschen,<br />
und wer lebt, nimmt es sich zu Herzen.<br />
Besser betrübt sein als lachen;<br />
denn bei ernster Miene ist dem Herzen wohl.<br />
Das Herz der Weisen ist im Haus, wo man trauert;<br />
doch das Herz der Toren ist im Haus der Freude.<br />
Besser das Schelten des Weisen anhören,<br />
als dem Gesang der Toren lauschen.<br />
Denn wie das Prasseln der Dornen unter dem Kessel,<br />
so ist das Lachen des Toren.<br />
Aber auch dies ist W i n d h a u c h ; denn<br />
Erpressung verblendet den Weisen,<br />
und Bestechung verdirbt das Herz.<br />
Besser der Ausgang einer Angelegenheit als ihr Anfang<br />
besser ein Besonnener als ein Hochfahrender.<br />
—<br />
Überlass dich nicht rasch dem Unmut; denn Unmut nistet im<br />
Innern der Toren.<br />
Doch frag nicht: Wie kommt es nur, dass die früheren Zeiten besser<br />
als die jetzigen waren? Denn nicht aus Weisheit geschieht es, wenn<br />
du so fragst.<br />
239 Koh 0,00–0,00
—<br />
Kohelet 7<br />
Weisheit ist gut wie Erbbesitz<br />
und ein Gewinn für die, welche die Sonne sehen.<br />
Denn wer sich im Schatten der Weisheit birgt,<br />
der birgt sich auch im Schatten des Geldes;<br />
aber der Vorzug der Erkenntnis ist der,<br />
dass die Weisheit ihre Besitzer am Leben erhält.<br />
—<br />
Achte aber auf Gottes Tun! Denn: Wer kann denn das, was er<br />
gekrümmt hat, gerade machen?<br />
Am guten Tag sei guter Dinge und am bösen Tag sieh ein,<br />
dass Gott auch diesen wie jenen gemacht hat, so dass der<br />
Mensch gar nichts von dem herausfinden kann, was nach ihm<br />
sein wird.<br />
Beides habe ich gesehen in meinen Tagen voll W i n d h a u c h :<br />
Es gibt Gerechte, die zugrunde gehen trotz ihrer Gerechtigkeit, und<br />
es gibt Frevler, die lange leben trotz ihrer Bosheit.<br />
—<br />
Sei nicht allzu gerecht und bemühe dich nicht, über die Maßen<br />
weise zu sein! Warum willst du dich zugrunde richten?<br />
Frevle nicht allzu sehr und sei kein Tor! Warum willst du vorzeitig<br />
sterben?<br />
Gut ist es, du hältst das eine fest und lässt auch das andere<br />
nicht aus der Hand gleiten. Ja, wer Gott fürchtet, bringt alles<br />
beide zuwege.<br />
<strong>Die</strong> Weisheit verleiht dem Weisen mehr Kraft<br />
als zehn Machthabern in der Stadt. –<br />
Ja, kein Mensch im Land ist so gerecht, dass er nur Gutes täte und<br />
nie sündigte.<br />
—<br />
Gib auch nicht auf alle Worte Acht, die gesprochen werden;<br />
sonst hörst du gar, wie dein Knecht über dich flucht; denn oft,<br />
das weißt du selbst, hast auch du über andere geflucht.<br />
Koh 0,00–0,00<br />
240
—<br />
Kohelet 8<br />
Alles dies versuchte ich mit der Weisheit. Ich sagte mir: Ich<br />
möchte Weisheit erlangen. Aber sie blieb mir fern. Fern ist alles,<br />
was geschehen ist, und tief, tief verborgen! Wer könnte es wiederfinden?<br />
Ich wandte mich um, und zwar mein Verstand, um zu erkennen<br />
und zu erforschen und um Weisheit, und zwar Einsicht, zu suchen,<br />
und um Bosheit als Torheit und die Dummheit als Verblendung zu<br />
erkennen. Da habe ich die Ansicht gefunden: Bitterer als der Tod<br />
ist die Frau, sie ist ein Fangnetz und ihre Hände sind Fesseln. Wer<br />
Gott gefällt, entkommt ihr; aber der Sünder wird von ihr gefangen.<br />
Siehe, dies habe ich gefunden, spricht Kohelet, indem ich alles<br />
zusammenrechnete, dass ich zwar gesucht, aber doch nichts gefunden<br />
habe: Einen Mann unter tausend fand ich, aber eine Frau habe<br />
ich unter allen nicht gefunden. Sieh, dies habe ich als einziges gefunden:<br />
Gott hat die Menschen aufrichtig geschaffen; aber sie versuchen<br />
sich in vielerlei Künsten.<br />
— 8 Wer ist wie der Weise? Wer versteht es, eine Sache zu klären? <strong>Die</strong><br />
Weisheit befähigt einen Mann, seine Mienen aufzuhellen und die<br />
Strenge der Züge zu mildern. Ich aber sage:<br />
—<br />
Den Spruch des Königs beachte, und zwar wegen des Gotteseides.<br />
Geh nicht vorschnell von ihm weg. Beharre nicht auf<br />
einer Sache, die ihm zuwider ist. Er kann ja doch immer tun,<br />
was ihm gefällt. Denn das Wort des Königs hat Macht, und<br />
wer dürfte zu ihm sagen: Was tust du da?<br />
Wer das Gebot hält, dem widerfährt nichts Schlimmes,<br />
und weiser Verstand kennt Zeit und Ordnung.<br />
Denn jedes Unternehmen hat seine Zeit und seinen Entscheid und<br />
schwer lastet die Gefahr auf dem Menschen. Er weiß ja nicht, was geschehen<br />
wird. Denn wer könnte vorhersagen, wie es kommen wird?<br />
Kein Mensch hat Macht über den Wind,<br />
dass er den Wind zurückhalten könnte;<br />
niemand ist Herr über den Tag des Todes.<br />
Es gibt keine Entlassung im Krieg.<br />
Auch bietet der Frevel seinen Urhebern keine Rettung.<br />
241 Koh 0,00–0,00
—<br />
Kohelet 8<br />
<strong>Die</strong>s alles sah ich, als ich meinen Sinn auf alles Tun richtete, das<br />
unter der Sonne geschieht, wenn der Mensch über die Menschen<br />
herrscht zu ihrem Schaden. Dabei sah ich: Frevler wurden zu Grabe<br />
getragen an heiliger Stätte, während andere, die Rechtes getan<br />
hatten, wegziehen mussten und in der Stadt bald vergessen sein<br />
werden. Auch dies ist W indhauch! Denn:<br />
Wo keine Strafe verhängt wird,<br />
ist die Bosheit rasch am Werk.<br />
Deshalb wächst im Herzen der Menschen die Lust, Böses zu tun.<br />
Denn:<br />
Der Sünder kann hundertmal Böses tun<br />
und lebt dennoch lange.<br />
Gewiss, es ist auch mir bekannt:<br />
Gut wird es denen ergehen, die Gott fürchten,<br />
weil sie vor ihm sich fürchten.<br />
Dem Frevler ergeht es nicht gut,<br />
und er wird, dem Schatten gleich,<br />
seine Tage nicht verlängern können,<br />
weil er sich vor Gott nicht fürchtet.<br />
Doch kommt auf der Erde auch W i n d h a u c h vor; denn:<br />
Manche Gerechte empfangen den Lohn,<br />
den Frevler verdient hätten;<br />
und manche Frevler empfangen den Lohn,<br />
den Gerechte verdient hätten.<br />
Ich schloss daraus, dass auch dies W i n d h a u c h ist!<br />
Da pries ich nun die Freude. Denn es gibt für den Menschen<br />
unter der Sonne kein anderes Glück, als zu essen, zu trinken und<br />
sich zu freuen. <strong>Die</strong>s begleite ihn bei seiner Mühsal durch seine Lebenstage,<br />
die Gott ihm unter der Sonne gegeben hat.<br />
Als ich mir vorgenommen hatte, zu erkennen, was Wissen wirklich<br />
ist, und danach suchte, die Tätigkeiten zu durchschauen, die<br />
auf der Erde betrieben werden – denn weder bei Tag noch bei Nacht<br />
Koh 0,00–0,00<br />
242
—<br />
Kohelet 9<br />
— 9<br />
finden die Augen des Menschen Schlaf –, da sah ich: Alles ist Gottes<br />
Werk, doch der Mensch ist nicht imstande, die Vorgänge zu ergründen,<br />
die sich unter der Sonne abspielen. Wie viel der Mensch sich<br />
auch mit Forschen abmüht, er wird es nicht ergründen; und selbst<br />
der Weise, der meint, es zu kennen, vermag es nicht zu ergründen.<br />
All dies erwog ich in meinem Sinn und ich sah ein, dass die Gerechten<br />
und Weisen und ihre Werke in Gottes Hand sind. Weder um<br />
Liebe noch um Hass weiß der Mensch; beides liegt doch offen vor ihm.<br />
Alle trifft doch ein und dasselbe Geschick,<br />
den Gerechten und den Frevler,<br />
den Reinen und den Unreinen;<br />
den, der opfert, und den, der keine Opfer bringt;<br />
den Guten und den Sünder;<br />
den, der schwört, und den, der den Eid scheut.<br />
Das ist das Schlimme bei allem, was unter der Sonne geschieht,<br />
dass alle ein und dasselbe Geschick trifft, dass sich das Herz der<br />
Menschen mit Unheil füllt und dass man Torheiten ausdenkt, solange<br />
man lebt, und danach müssen sie zu den Toten. 4 Ja, wer noch<br />
lebt, für den gibt es noch Hoffnung. Denn:<br />
Ein lebender Hund ist besser als ein toter Löwe.<br />
Denn die Lebenden wissen, dass sie sterben werden; doch die Toten<br />
wissen gar nichts; auch erhalten sie keine Belohnung mehr; denn<br />
die Erinnerung an sie gerät in Vergessenheit. 6 Ihr Lieben, ihr Hassen<br />
und auch ihr Eifern sind längst dahin. Auf ewig haben sie keinen<br />
Anteil mehr an allem, was unter der Sonne geschieht.<br />
—<br />
Also: Iss fröhlich dein Brot und trink vergnügt deinen Wein;<br />
denn von jeher gefällt es Gott, wenn du so tust.<br />
Trag jederzeit weiße Kleider und auf deinem Haupt fehle<br />
nicht das Öl.<br />
Genieß das Leben mit einer Frau, die du liebst, alle Tage deines<br />
nichtigen Lebens, die Gott dir unter der Sonne gegeben<br />
hat. Denn dies ist dein Anteil am Leben und an deiner Mühe,<br />
die du dir unter der Sonne machst.<br />
243 Koh 0,00–0,00
—<br />
Kohelet 10<br />
Alles, was deine Hand zu tun findet, das tu, solange du Kraft<br />
hast. Denn es gibt kein Tun und Planen, nicht Wissen und<br />
Weisheit in der Unterwelt, zu der du unterwegs bist.<br />
Weiter sah ich unter der Sonne:<br />
Nicht den Schnellen gehört der Lauf,<br />
noch den Helden der Kampf;<br />
auch nicht den Weisen das Brot,<br />
auch nicht den Einsichtigen der Reichtum,<br />
auch nicht den Könnern der Beifall;<br />
vielmehr ereilen die Zeit und das Schicksal sie alle.<br />
Außerdem: Der Mensch kennt seine Zeit nicht.<br />
Wie die Fische, die im tückischen Netz gefangen sind,<br />
und wie die Vögel, die ins Klappnetz geraten sind,<br />
so werden die Menschen zur Stunde des Unheils gefasst,<br />
wenn sie plötzlich über sie kommt.<br />
Auch dies sah ich als Weisheit unter der Sonne und ich hielt es für<br />
bedeutsam: Es war eine kleine Stadt mit nur wenigen Einwohnern.<br />
Da zog ein großer König gegen sie aus. Er schloss sie ein und errichtete<br />
gegen sie große Belagerungstürme. Nun fand sich in ihr<br />
ein armer, aber weiser Mann, der die Stadt durch seine Weisheit<br />
rettete. Doch niemand erinnert sich später an diesen armen Mann.<br />
Da sagte ich:<br />
Weisheit ist besser als Macht,<br />
doch die Weisheit des Armen wird missachtet,<br />
und auf seine Worte hört man nicht.<br />
Worte der Weisen ruhig gesprochen<br />
sind besser als das Geschrei eines Herrschers von Toren.<br />
Weisheit ist besser als Kriegsgerät,<br />
aber ein einziger Fehler kann viel Gutes zerstören.<br />
Sterbende Fliegen verderben das Öl des Salbenmischers;<br />
eine kleine Torheit zählt schwerer als Weisheit und Ehre.<br />
—<br />
10<br />
Koh 0,00–0,00<br />
244
—<br />
Kohelet 10<br />
Der Verstand des Weisen nimmt den rechten Weg,<br />
der Verstand des Toren nimmt den linken;<br />
Doch welchen Weg der Tor auch wählt,<br />
ihm fehlt der Verstand,<br />
obwohl er jeden anderen für einen Dummkopf hält.<br />
—<br />
Erhebt sich der Unmut des Herrschers gegen dich, so verlasse<br />
nicht deinen Posten; denn Gelassenheit beugt großen<br />
Verfehlungen vor.<br />
Es ist ein Übel, das ich unter der Sonne sah, nämlich ein Missgriff,<br />
der ausgeht vom Herrscher: Der Torheit werden höchste<br />
Stellungen verliehen, während Reiche in Niedrigkeit sitzen. Ich<br />
sah Sklaven zu Pferd, aber Fürsten mussten wie Sklaven zu Fuß<br />
gehen.<br />
Wer eine Grube gräbt, kann hineinfallen,<br />
wer eine Mauer einreißt, den kann die Schlange beißen.<br />
Wer Steine bricht, kann sich dabei verletzen;<br />
wer Holz spaltet, kann sich dabei gefährden.<br />
Ist die Axt stumpf geworden<br />
und man schleift sie nicht zuvor,<br />
so muss man sich dafür mehr anstrengen.<br />
Der Vorteil der Weisheit aber ist der Erfolg.<br />
Wenn die Schlange beißt, bevor sie beschworen hat,<br />
so hat der Beschwörer nichts von seiner Kunst.<br />
<strong>Die</strong> Worte aus dem Mund des Weisen finden Beifall;<br />
doch die Lippen des Toren verschlingen ihn selbst.<br />
<strong>Die</strong> Worte seines Mundes beginnen mit Torheit,<br />
und der Schluss seiner Rede ist heillose Narrheit.<br />
Auch macht der Tor viele Worte. Dabei weiß kein Mensch, was sein<br />
wird. Wer sollte ihm auch verkünden, was nach ihm sein wird? <strong>Die</strong><br />
Anstrengung der Toren macht sie erschöpft; sie haben es nicht verstanden,<br />
in die Stadt zu ziehen.<br />
245 Koh 0,00–0,00
—<br />
Kohelet 11<br />
Wehe dir, Land,<br />
dessen König ein Knabe ist<br />
und dessen Fürsten am Morgen schon tafeln!<br />
Wohl dir, Land,<br />
dessen König ein Edelmann ist<br />
und dessen Fürsten zur rechten Zeit speisen,<br />
als Männer und nicht als Trinker!<br />
Durch Faulenzerei senkt sich das Gebälk,<br />
und bei schlaffen Händen tropft es ins Haus.<br />
Festmähler werden zum Vergnügen gehalten,<br />
der Wein erfreut die Gemüter,<br />
und all dies ermöglicht das Geld.<br />
—<br />
Nicht einmal in deinen Gedanken fluch auf den König, und<br />
selbst in deinem Schlafgemach fluch nicht auf den Reichen;<br />
denn die Vögel des Himmels können den Laut forttragen, alles,<br />
was Flügel hat, kann das Wort weitermelden.<br />
Lege dein Brot auf die Fläche des Wassers, denn noch nach<br />
vielen Tagen wirst du es wieder finden.<br />
Verteile auf sieben oder gar auf acht; denn du kannst nicht<br />
wissen, welches Unglück über das Land kommt. Sind die<br />
Wolken mit Regen gefüllt, so schütten sie ihn auf das Land.<br />
—<br />
11<br />
Ob ein Baum gegen Süden oder gegen Norden fällt –<br />
an der Stelle, wohin der Baum fällt, da bleibt er liegen.<br />
Wer auf den Wind achtet, kommt nicht zum Säen,<br />
und wer nach den Wolken schaut, kommt nicht zum Ernten.<br />
—<br />
Wie du den Weg des Windes ebenso wenig<br />
wie das Werden des Kindes im Leib der Schwangeren kennst,<br />
so weißt du auch nichts vom Tun Gottes, der das alles bewirkt.<br />
Am Morgen säe deine Saat und lass deine Hand bis zum<br />
Abend nicht ruhen; du weißt ja nicht, was gedeihen wird, dies<br />
oder jenes, oder ob beides gleich gut werden wird.<br />
Koh 0,00–0,00<br />
246
—<br />
Kohelet 12<br />
Süß ist das Licht, und den Augen tut es gut, die Sonne zu sehen. Ja,<br />
lebt ein Mensch auch viele Jahre, so soll er sich doch die ganze Zeit<br />
freuen, und zugleich an die dunklen Tage denken, dass auch sie viele<br />
sein werden. Alles, was kommt, ist W i n d h a u c h !<br />
Freue dich, junger Mann, in deiner Jugend,<br />
sei heiteren Herzens in deinen jungen Tagen!<br />
Geh, wohin dein Herz dich zieht<br />
und die Augen dich locken.<br />
[Doch wisse wohl, dass Gott dich über all dieses zur Rechenschaft ruft.]<br />
Vertreibe den Ärger aus deinem Sinn,<br />
und halte das Üble dir vom Leib;<br />
denn Jungsein und dunkles Haar sind W i n d h a u c h .<br />
— 12 Denke an deinen Schöpfer in den Tagen deiner Jugend,<br />
ehe die bösen Tage kommen und die Jahre sich nahen,<br />
von denen du sagen wirst: Sie gefallen mir nicht!,<br />
ehe die Sonne dunkler wird und das Licht und der Mond und die Sterne,<br />
und die Wolken nach dem Regen wiederkehren;<br />
an dem Tag, da die Wächter des Hauses zittern<br />
und die starken Männer sich krümmen,<br />
die Müllerinnen nicht mehr arbeiten, weil sie zu wenige sind,<br />
und es dunkel wird bei denen [den Frauen], die durch die Fenster schauen,<br />
und die Tore zur Straße geschlossen werden;<br />
wenn das Geräusch der Mühle leiser wird<br />
und man beim Zwitschern der Vögel aufsteht,<br />
doch alle Lieder schweigen;<br />
wenn man sich fürchtet vor der Anhöhe<br />
und vor dem Schrecken am Weg;<br />
der Mandelbaum blüht,<br />
die Heuschrecke schleppt sich dahin,<br />
die Frucht der Kaper platzt,<br />
doch ein Mensch geht zu seinem ewigen Haus,<br />
und die Trauernden ziehen durch die Straßen –<br />
ja, ehe der silberne Strick zerreißt,<br />
die goldene Schale zerbricht,<br />
der Krug an der Quelle zerschellt,<br />
das Rad zerbrochen in den Brunnen fällt,<br />
der Staub zur Erde zurückkehrt, als das, was er war,<br />
und der Atem zu Gott zurückkehrt,<br />
der ihn gegeben hat.<br />
247 Koh 0,00–0,00
—<br />
Kohelet 12<br />
Windhauch, Windhauch, so spricht Kohelet, alles ist<br />
Windhauch!<br />
Kohelet war nicht nur selbst ein Weiser, er lehrte auch das Volk Erkenntnis.<br />
Er berichtigte, untersuchte und formte viele Lehrsprüche. 10 Kohelet<br />
suchte, gefällige Worte zu finden, und hier sind diese Worte der Wahrheit<br />
redlich aufgeschrieben.<br />
<strong>Die</strong> Worte der Weisen sind wie Ochsenstacheln,<br />
und wie eingeschlagene Pflöcke Sprüche aus Sammlungen.<br />
Sie sind von einem einzigen Hirten gegeben.<br />
—<br />
Über dies hinaus, mein Sohn, lass dich warnen! Das viele Büchermachen<br />
nimmt kein Ende und viel Studieren ermüdet den Leib. 13 Lasst uns<br />
die Summe des ganzen hören:<br />
Fürchte Gott und halte seine Gebote!<br />
Denn das ist die Pflicht jedes Menschen. 14 Gott bringt ja alles Tun<br />
vor das Gericht, alles Verborgene, ob es gut oder böse sei.<br />
Koh 0,00–0,00<br />
248
249
251 Status<br />
Das<br />
Hohelied
Das Hohelied<br />
Hld 0,00–0,00<br />
252
1 Das Lied der Lieder von Salomo.<br />
Dass er mich mit den Küssen seines Mundes<br />
küsste !<br />
Ja , köstlicher als Wein ist deine Liebe.<br />
Deine Öle sind köstlich an Duft ,<br />
wie ausgegossenes Öl ist dein Name ;<br />
darum lieben dich die Mädchen.<br />
Ziehe mich dir nach ! Lass uns enteilen !<br />
Der König bringt mich in seine Gemächer.<br />
Jauchzen wollen wir und deiner uns freuen ,<br />
deine Liebe höher rühmen als Wein.<br />
Man liebt dich wirklich zu Recht.<br />
Schwarz bin ich , aber schön ,<br />
ihr Töchter Jerusalems.<br />
wie die Zelte Kedars ,<br />
wie die Zeltdecken Salomos.<br />
Schaut nicht auf mich herab ,<br />
weil ich dunkel bin ,<br />
denn die Sonne hat mich verbrannt.<br />
Meiner Mutter Söhne waren mir böse ,<br />
sie machten mich zur Hüterin der Weinberge ;<br />
Meinen eigenen Weinberg konnte ich nicht<br />
hüten.<br />
Den meine Seele liebt , du sag mir ,<br />
wo du weidest ,<br />
wo du lagerst am Mittag.<br />
Warum soll ich eine sein , die herumirrt<br />
bei den Herden deiner Gefährten ?<br />
Wenn du es selbst nicht weißt ,<br />
du Schönste der Frauen ,<br />
so ziehe nur den Spuren der Schafe nach ,<br />
und weide deine Zicklein<br />
bei den Plätzen der Hirten<br />
Einer Stute bei Pharaos Wagen<br />
vergleiche ich dich , meine Freundin.<br />
Schön sind deine Wangen in den<br />
Schmuckgehängen ,<br />
dein Hals mit der Korallenkette.<br />
Wir wollen Kettchen von Gold für dich machen ,<br />
mit kleinen Kugeln von Silber.<br />
Solange der König bei seiner Tafelrunde liegt ,<br />
verströmt meine Narde ihren Duft.<br />
Mir ist mein Geliebter ein Myrrhenbeutel ,<br />
der zwischen meinen Brüsten ruht.<br />
Eine Hennablütentraube ist mir mein Geliebter<br />
in den Weingärten von En-Gedi.<br />
Ja , du bist schön , meine Freundin ,<br />
ja , du bist schön.<br />
Deine Augen sind Tauben.<br />
Ja , du bist schön , mein Geliebter , wirklich reizend.<br />
Unser Lager ist frisches Grün ,<br />
das Gebälk unseres Hauses sind Zedern ,<br />
unsre Wände Zypressen.<br />
2 Ich bin die Narzisse von Scharon ,<br />
die Lotusblume der Täler.<br />
Wie die Lotusblume unter den Dornen ,<br />
so ist meine Freundin unter den Mädchen.<br />
Wie der Apfelbaum unter den Waldesbäumen ,<br />
so ist mein Geliebter unter den Männern.<br />
In seinem Schatten begehre ich zu sitzen ,<br />
und seine Frucht schmeckt süß meinem Gaumen.<br />
253 Hld 0,00–0,00
Das Hohelied<br />
Er hat mich ins Weinhaus geführt ;<br />
sein Zeichen über mir ist Liebe.<br />
Stärkt mich mit Traubenkuchen ,<br />
erfrischt mich mit Äpfeln ;<br />
denn ich bin krank vor Liebe.<br />
Seine Linke liegt unter meinem Kopf ,<br />
seine Rechte umfängt mich.<br />
Ich beschwöre euch , Jerusalems Töchter ,<br />
bei den Gazellen oder den Hirschkühen der Flur:<br />
Stört sie doch nicht und weckt sie nicht auf ,<br />
die Liebe , bis es ihr selbst gefällt !<br />
Horch ! Mein Geliebter !<br />
Sieh da , er kommt ,<br />
springt über die Berge ,<br />
hüpft über die Hügel.<br />
Mein Geliebter gleicht der Gazelle<br />
oder dem jungen Hirsch.<br />
Sieh da , nun steht er<br />
hinter der Wand unseres Hauses.<br />
Er schaut zu den Fenstern herein ,<br />
er späht durch die Gitter.<br />
Mein Geliebter spricht zu mir:<br />
Mach dich auf , meine Freundin ,<br />
meine Schöne , so komm doch !<br />
Denn sieh , der Winter ist vorüber ,<br />
der Regen ist ganz und gar vorbei.<br />
<strong>Die</strong> Blumen erscheinen im Land ,<br />
die Zeit zum Singen ist da ,<br />
und der Ruf der Turteltaube<br />
erschallt in unserem Land.<br />
Am Feigenbaum reift die erste Frucht ,<br />
und die Reben knospen und duften.<br />
Mach dich auf , meine Freundin ,<br />
meine Schöne , so komm doch !<br />
Meine Taube in den Felsklüften ,<br />
im Versteck der Klippe ,<br />
lass mich dich sehen ,<br />
lass mich hören deine Stimme !<br />
Denn deine Stimme ist betörend ,<br />
und dein Anblick ist hinreißend !<br />
Fangt uns die Füchse ,<br />
die kleinen Füchse !<br />
Sie verwüsten die Weinberge ,<br />
unsere Weinberge , die doch in Blüte stehen.<br />
Mein Geliebter ist mein und ich bin sein ;<br />
er weidet unter den Lotusblumen.<br />
Wenn der Tagwind zu wehen beginnt<br />
und die Schatten wachsen ,<br />
komm , du mein Geliebter ,<br />
werde gleich der Gazelle<br />
oder dem jungen Hirsch<br />
auf den Bergen von Beter.<br />
3 In der Nacht auf meinem Lager suchte ich ,<br />
den meine Seele liebt.<br />
Ihn suchte ich , doch ich fand ihn nicht.<br />
So will ich denn aufstehen , die Stadt zu<br />
durchstreifen ,<br />
die Straßen und Plätze ,<br />
ihn suchen , den meine Seele liebt.<br />
Ich suchte ihn , doch ich fand ihn nicht.<br />
<strong>Die</strong> Wächter trafen mich an<br />
auf ihrer Runde durch die Stadt.<br />
Habt ihr , den meine Seele liebt , gesehen ?<br />
Kaum war ich an ihnen vorüber ,<br />
da fand ich ihn , den meine Seele liebt.<br />
Ich halte ihn fest und will ihn nicht lassen ,<br />
bis ich ihn ins Haus meiner Mutter gebracht ,<br />
in die Kammer derer , die mich geboren hat.<br />
Ich beschwöre euch , Jerusalems Töchter ,<br />
bei den Gazellen oder den Hirschkühen der Flur:<br />
Stört sie nicht und weckt sie nicht auf ,<br />
die Liebe , bis es ihr selbst gefällt !<br />
Hld 0,00–0,00<br />
254
Kapitel 3–4<br />
Wer ist , die da von der Wüste heraufzieht ,<br />
Rauchsäulen gleich ,<br />
Umwölkt von Myrrhe und Weihrauch ,<br />
von allen Gewürzen des Händlers ?<br />
Sieh , das ist seine , Salomos Sänfte ,<br />
sechzig Helden umgeben sie ,<br />
von Israels Helden ;<br />
sie alle ausgerüstet mit Schwertern ,<br />
geschult für den Kampf ,<br />
jeder sein Schwert an der Seite<br />
gegen den Schrecken der Nacht.<br />
Eine Sänfte ließ der König sich machen ,<br />
Salomo , aus Libanonholz.<br />
Ihre Pfosten ließ er aus Silber machen ,<br />
ihre Lehne aus Gold ,<br />
ihren Sitz aus Purpur ,<br />
in der Mitte ausgelegt mit Liebesszenen.<br />
Kommt heraus , Zions Töchter ,<br />
und schaut , ihr Töchter Zions ,<br />
König Salomo mit der Krone ,<br />
mit der seine Mutter ihn krönte<br />
am Tag seiner Hochzeit ,<br />
am Tag seiner Herzensfreude.<br />
4 Ja , du bist schön , meine Freundin ,<br />
ja , du bist schön !<br />
Deine Augen sind Tauben<br />
hinter deinem Schleier.<br />
Dein Haar gleicht einer Herde von Ziegen ,<br />
die vom Gileadgebirge herabkommt ,<br />
deine Zähne einer Herde zur Schur bereiter Schafe ,<br />
die der Schwemme entsteigen ,<br />
die allesamt Zwillinge haben ,<br />
und keines hat ein Junges verloren.<br />
Einem scharlachroten Band sind gleich deine Lippen ,<br />
und lieblich ist dein Mund.<br />
Dem Riss eines Granatapfels gleicht deine Wange<br />
hinter deinem Schleier ,<br />
dein Hals dem Davidsturm ,<br />
in Schichten aufgebaut ;<br />
tausend Schilde hängen an ihm ,<br />
alle Schilde der Helden.<br />
Deine beiden Brüste sind wie zwei Kitzen ,<br />
Zwillinge einer Gazelle ,<br />
die unter Lotusblumen weiden.<br />
Wenn der Tageswind zu wehen beginnt ,<br />
und die Schatten wachsen ,<br />
komme ich zum Myrrhenberg<br />
und zum Weihrauchhügel.<br />
Alles ist schön an dir , meine Freundin ,<br />
und kein Makel haftet dir an.<br />
255 Hld 0,00–0,00
Das Hohelied<br />
Komm mit mir vom Libanon , Braut ,<br />
weg vom Libanon , komm mit mir !<br />
Steig herab vom Gipfel des Amana ,<br />
vom Gipfel des Senir und Hermon ,<br />
von den Lagern der Löwen ,<br />
von den Bergen der Panther !<br />
Du hast mich verzaubert , meine Schwester Braut ;<br />
verzaubert mit einem einzigen deiner Blicke ,<br />
mit einem einzigen Blick deiner Augen ,<br />
mit einem einzigen Blinken deiner Halsketten !<br />
Wie schön , meine Schwester Braut , ist deine<br />
Liebe ,<br />
wie viel süßer ist deine Liebe als Wein ,<br />
und der Duft deiner Salben köstlicher als alle<br />
Balsamdüfte !<br />
Von deinen Lippen , Braut , tropft Honig.<br />
Honig und Milch ist unter deiner Zunge ,<br />
und der Duft deiner Kleider<br />
ist wie der Duft des Libanon.<br />
Ein verschlossener Garten bist du ,<br />
meine Schwester Braut ,<br />
ein verschlossener Garten , ein versiegelter Quell.<br />
Deine Kanäle sind ein Garten von Granatbäumen<br />
mit den köstlichsten Früchten ,<br />
von Hennasträuchern und<br />
Weihrauchsträuchern ,<br />
von Narde und Krokus , Kalmus und Zimt<br />
samt allen Weihrauchhölzern , Myrrhe und<br />
Adlerholz<br />
und allerbestem Balsam.<br />
Ein Gartenquell bist du ,<br />
ein Brunnen lebendigen Wassers ,<br />
das herabfließt vom Libanon.<br />
Nordwind , erwache , und Südwind , eile herbei !<br />
Durchweht meinen Garten , dass seine Düfte<br />
strömen !<br />
Mein Geliebter komme in seinen Garten<br />
und esse von seinen köstlichen Früchten.<br />
5 Meine Schwester Braut , ich komme in meinen<br />
Garten ,<br />
ich pflücke meine Myrrhe samt meinem Balsam ,<br />
ich esse meine Wabe samt meinem Honig ,<br />
ich trinke meinen Wein samt meiner Milch.<br />
Esst , ihr Freunde , trinkt<br />
und berauscht euch an der Liebe !<br />
Hld 0,00–0,00<br />
256
Kapitel 5–7<br />
Ich schlafe , doch mein Herz ist wach.<br />
Horch , mein Geliebter pocht:<br />
Mach auf , meine Schwester , meine Freundin ,<br />
meine Taube , meine Makellose !<br />
Denn voll von Tau ist mein Kopf ,<br />
von Tropfen der Nacht meine Locken.<br />
Ich habe mein Kleid schon abgelegt ,<br />
wie soll ich es wieder anziehen ?<br />
Ich habe meine Füße gewaschen ,<br />
wie soll ich sie schmutzig machen ?<br />
Mein Geliebter streckte die Hand durch die Luke ;<br />
da bebte mir seinetwegen das Innerste.<br />
Ich erhob mich , meinem Geliebten zu öffnen ;<br />
meine Hände tropften von Myrrhe ,<br />
meine Finger von Myrrhe ,<br />
am Griff des Riegels.<br />
Ich öffnete meinem Geliebten:<br />
Doch mein Geliebter war weg , verschwunden.<br />
Ich geriet außer mir wegen seines Rückzugs.<br />
Ich suchte ihn , doch ich fand ihn nicht ;<br />
ich rief nach ihm , doch er gab mir keine<br />
Antwort.<br />
Da fanden mich die Wächter<br />
auf ihrer Runde durch die Stadt ;<br />
sie schlugen mich , verwundeten mich.<br />
Sie rissen den Überwurf mir weg<br />
die Wächter der Mauern.<br />
Ich beschwöre euch , Jerusalems Töchter:<br />
Wenn ihr meinen Geliebten trefft ,<br />
was sollt ihr ihm melden ?<br />
Dass ich krank bin vor Liebe !<br />
Was hat dein Geliebter den anderen voraus ,<br />
du Schönste der Frauen ?<br />
Was hat dein Geliebter den andern voraus ,<br />
dass du so uns beschwörst ?<br />
Mein Geliebter ist weiß und rot ,<br />
er sticht aus Zehntausenden hervor.<br />
Sein Haupt ist reines Gold ;<br />
wie Dattelrispen sind seine Locken ,<br />
schwarz wie ein Rabe.<br />
Seine Augen sind wie Tauben<br />
an Bächen voll Wasser ,<br />
gebadet in Milch ,<br />
fest in der Fassung.<br />
Seine Wangen sind wie Balsambeete ,<br />
wie Türme von Salben.<br />
Seine Lippen sind Lotusblumen ,<br />
die von flüssiger Myrrhe triefen.<br />
Seine Finger sind Stäbe aus Gold ,<br />
mit Tarschisch-Steinen besetzt.<br />
Sein Leib ist eine Elfenbeinplatte ,<br />
bedeckt mit Saphiren.<br />
Seine Schenkel sind Marmorsäulen ,<br />
gegründet auf Sockel von Feingold.<br />
Wie der Libanon ist seine Gestalt ,<br />
ohnegleichen wie Zedern.<br />
Sein Gaumen ist voll Süße ;<br />
und alles an ihm ist begehrenswert.<br />
Das ist mein Geliebter , ja das ist mein Freund ,<br />
ihr Töchter Jerusalems !<br />
257 Hld 0,00–0,00
Das Hohelied<br />
6 Wohin ist dein Geliebter gegangen ,<br />
du Schönste der Frauen ?<br />
Wohin hat sich dein Geliebter gewandt ,<br />
dass wir mit dir ihn suchen ?<br />
Mein Geliebter ging in seinen Garten<br />
hinunter ,<br />
zu den Beeten mit Balsam ,<br />
um in den Gärten zu weiden<br />
und Lotusblumen zu sammeln.<br />
Ich gehöre meinem Geliebten ,<br />
und mein Geliebter gehört mir ,<br />
der unter den Lotusblumen weidet.<br />
Du , meine Freundin , bist schön wie Tirza ,<br />
lieblich wie Jerusalem ,<br />
furchterregend wie das geordnete Heer.<br />
Wende ab von mir deine Augen ,<br />
denn sie verwirren mich.<br />
Dein Haar gleicht einer Herde von Ziegen ,<br />
die vom Gileadgebirge herabkommt ,<br />
deine Zähne einer Herde von Mutterschafen ,<br />
die der Schwemme entsteigen ,<br />
die allesamt Zwillinge haben ,<br />
und keines hat ein Junges verloren.<br />
Dem Riss eines Granatapfels gleicht deine Wange<br />
hinter deinem Schleier.<br />
Königinnen sind es sechzig ,<br />
und Nebenfrauen achtzig ,<br />
und Mädchen ohne Zahl.<br />
Doch einzig ist meine Taube , meine Makellose ,<br />
die Einzige ihrer Mutter ,<br />
untadelig ihrer Gebärerin.<br />
<strong>Die</strong> Töchter sehen sie und preisen sie ,<br />
die Königinnen und Nebenfrauen rühmen sie.<br />
Wer ist , die da niederschaut wie die<br />
Morgenröte ,<br />
schön wie der Vollmond ,<br />
klar wie die Sonne ,<br />
furchterregend wie das geordnete Heer ?<br />
In den Nussgarten ging ich hinunter ,<br />
um zu sehen , wie es ausschlägt im Talgrund ,<br />
um zu sehen , ob die Reben treiben ,<br />
die Granatapfelbäume blühen.<br />
Da – ich weiß nicht , wie –<br />
versetzte mich meine Seele<br />
zu den Wagen Amminadibs.<br />
7 Kehr um , kehr um , Schulammit !<br />
kehr um , kehr um , dass wir dich anschauen !<br />
Was wollt ihr an Schulammit sehen<br />
beim Reigentanz im Lager ?<br />
Wie schön sind deine Füße in den Sandalen ,<br />
du Fürstentochter !<br />
Deiner Hüften Rundungen sind wie Geschmeide ,<br />
gefertigt von Künstlerhand.<br />
Dein Nabel ist eine runde Schale ;<br />
nicht mangle der Würzwein.<br />
Dein Leib gleicht einem Weizenhügel ,<br />
umsäumt von Lotusblumen.<br />
Deine beiden Brüste sind wie zwei Kitzen ,<br />
wie Zwillinge einer Gazelle.<br />
Dein Hals ist wie der Elfenbeinturm.<br />
Deine Augen gleichen den Teichen von Heschbon<br />
am Tor von Bat-Rabbim.<br />
Deine Nase ist wie der Libanonturm ,<br />
der gegen Damaskus Ausschau hält.<br />
Dein Haupt erhebt sich auf dir wie der Karmel ,<br />
und das fallende Haar deines Hauptes ist wie<br />
Purpur –<br />
ein König liegt in den Flechten gefangen.<br />
Wie schön bist du und wie reizvoll ,<br />
Liebe , Tochter aller Wonnen !<br />
Hld 0,00–0,00<br />
258
Kapitel 8<br />
Ja , dein Wuchs gleicht der Palme ,<br />
und deine Brüste Trauben.<br />
Ich denke: Ich will die Dattelpalme ersteigen ,<br />
will ihre Rispen ergreifen.<br />
Deine Brüste sollen nun sein wie Trauben des<br />
Weinstocks ,<br />
und dein Atem deiner Nase wie Apfelduft ,<br />
und dein Gaumen sei mir wie bester Wein ,<br />
der mir glatt hinuntergeht<br />
und Lippen und Zähne netzt.<br />
Ich gehöre meinem Geliebten ,<br />
und nach mir steht sein Verlangen.<br />
Komm , mein Geliebter , gehn wir aufs Land<br />
und nächtigen in den Dörfern.<br />
Früh lass uns dann zu den Weinbergen gehen<br />
und sehen , ob die Reben schon treiben ,<br />
ob die Blütenknospen aufbrechen ,<br />
die Granatbäume blühen.<br />
Dort will ich dir meine Liebe schenken.<br />
Es duften die Liebesäpfel ;<br />
und an unseren Türen liegen allerart köstliche<br />
Früchte ,<br />
neue und auch alte ;<br />
die habe ich aufgespart für dich ,<br />
mein Geliebter.<br />
8 Ach , wärst du doch mein Bruder ,<br />
der an der Brust meiner Mutter gesogen !<br />
Träfe ich dich auf der Gasse , ich küsste dich ,<br />
ohne dass mir es jemand verübelte.<br />
Ich wollte dich führen , dich bringen<br />
ins Haus meiner Mutter. Würdest du mich<br />
belehren , gäbe ich dir Würzwein zu trinken<br />
und meinen Granatapfelmost.<br />
Seine Linke liegt unter meinem Kopf ,<br />
seine Rechte umfängt mich.<br />
Ich beschwöre euch , Jerusalems Töchter ,<br />
stört doch nicht und weckt sie nicht auf ,<br />
die Liebe , bis es ihr selbst gefällt !<br />
Wer ist es , die da von der Wüste heraufzieht ,<br />
gestützt auf ihren Geliebten ?<br />
Unter dem Apfelbaum habe ich dich erweckt ,<br />
dort , wo mit dir in Wehen kam deine Mutter ;<br />
dort , wo in Wehen lag , die dich gebar.<br />
Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz ,<br />
wie ein Siegel an deinen Arm !<br />
259 Hld 0,00–0,00
Das Hohelied<br />
Ja , stark wie der Tod ist die Liebe ,<br />
hart wie die Unterwelt die Leidenschaft.<br />
Ihre Brände sind Feuerbrände ,<br />
Flammen des Herrn.<br />
Gewaltige Wasser können die Liebe nicht<br />
löschen ;<br />
auch Ströme schwemmen sie nicht fort.<br />
Böte ein Mann seines Hauses ganzen Besitz für<br />
die Liebe ,<br />
man würde ihn nur verachten.<br />
Wir haben eine kleine Schwester ,<br />
noch ohne Brüste.<br />
Was sollen wir machen mit unserer Schwester<br />
am Tag , da man um sie freit ?<br />
Ist sie eine Mauer ,<br />
so bauen wir darauf eine silberne Zinne ;<br />
und ist sie eine Tür ,<br />
versperren wir sie mit einem Zedernbrett.<br />
Ich bin eine Mauer ,<br />
und wie Türme sind meine Brüste ;<br />
so hab ich in seinen Augen Gefallen gefunden.<br />
Salomo besaß einen Weinberg<br />
in Baal-Hamon ;<br />
er übergab den Weinberg an Hüter ;<br />
jeder bringt für seinen Ertrag tausend<br />
Silberstücke.<br />
Meinen eigenen Weinberg habe ich vor mir.<br />
<strong>Die</strong> tausend lass ich dir , Salomo ,<br />
und zweihundert den Hütern seines Ertrages.<br />
<strong>Die</strong> du in den Gärten weilst ,<br />
auf deine Stimme lauschen die Freunde ;<br />
lass sie mich vernehmen !<br />
Enteile , mein Geliebter ,<br />
der Gazelle gleich ,<br />
oder dem jungen Hirschauf den Balsambergen !<br />
Hld 0,00–0,00<br />
260
263 Status<br />
Das<br />
Buch<br />
Der<br />
Weisheit
I<br />
Liebt Gerechtigkeit<br />
II<br />
Lob der Weisheit<br />
III<br />
Vergegenwärtigung<br />
des Exodus
I<br />
Liebt Gerechtigkeit<br />
Kap. 01<br />
Liebt Gerechtigkeit, die ihr die Erde regiert!<br />
Denkt in rechter Gesinnung an den Herrn und sucht ihn in der Einfalt des Herzens!<br />
Denn er lässt sich von denen finden, die ihn nicht versuchen,<br />
und er offenbart sich denen, die ihm nicht misstrauen.<br />
Doch verkehrte Gedanken trennen von Gott,<br />
und die auf die Probe gestellte Allmacht stößt die Toren von sich.<br />
In eine Böses sinnende Seele kehrt ja die Weisheit nicht ein<br />
und nimmt nicht Wohnung in einem Leib, der ein Sklave der Sünde ist.<br />
Flieht doch der heilige Geist der Zucht vor der Falschheit<br />
und zieht weg von törichten Gedanken<br />
und wird verscheucht, sobald Ungerechtigkeit naht.<br />
Wohl ist die Weisheit ein menschenfreundlicher Geist.<br />
Sie kann aber den Lästerer seiner Reden wegen nicht ungestraft lassen.<br />
Ist Gott doch Zeuge seiner innersten Empfindungen,<br />
wirklicher Beobachter seines Herzens<br />
und Hörer seiner Worte.<br />
Der Geist des Herrn erfüllt ja den Erdkreis,<br />
und er, der alles zusammenhält, hat Kenntnis von jeglicher Rede.<br />
Darum bleibt keiner verborgen, der Unrechtes redet,<br />
und die strafende Gerechtigkeit geht an ihm nicht vorüber.<br />
265 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
Denn die Pläne des Gottlosen werden untersucht;<br />
die Kunde von seinen Reden kommt vor den Herrn<br />
zur Bestrafung seiner Vergehen,<br />
weil das Ohr des Eifers alles vernimmt<br />
und auch das leiseste Gemurmel nicht verborgen bleibt.<br />
Hütet euch also vor nutzlosem Murren,<br />
bewahrt euere Zunge vor Verleumdung;<br />
denn heimliches Gerede bleibt nicht ungestraft,<br />
und ein Mund, der lügt, tötet die Seele.<br />
Trachtet nicht nach dem Tod durch den Irrweg eueres Lebens,<br />
und zieht nicht das Verderben herbei durch die Werke euerer Hände!<br />
Denn Gott hat den Tod nicht gemacht<br />
und hat keine Freude an dem Untergang der Lebenden.<br />
Hat er doch alles zum Sein erschaffen,<br />
und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt.<br />
Es ist kein verderbliches Gift in ihnen,<br />
noch gibt es auf Erden eine Herrschaft der Unterwelt.<br />
Denn die Gerechtigkeit ist unsterblich.<br />
Kap. 02<br />
<strong>Die</strong> Gottlosen aber rufen ihn mit Gebärden und Worten herbei<br />
und verzehren sich in Sehnsucht nach ihm, als wäre er ihr Freund,<br />
und schließen einen Bund mit ihm,<br />
weil sie verdienen, ihm zu gehören.<br />
In ihrer verkehrten Sinnesart sprechen sie zueinander:<br />
Kurz und trübselig ist unser Leben;<br />
es gibt weder ein Heilmittel beim Ende des Menschen,<br />
noch ist der Retter aus der Unterwelt bekannt.<br />
Wir sind ja durch Zufall entstanden,<br />
und später werden wir sein, als wären wir nie gewesen.<br />
Ist doch nur Dunst der Hauch in unserer Nase<br />
und das Denken nur ein Funke beim Schlag unseres Herzens.<br />
Erlischt er, so wird der Leib zu Asche,<br />
und der Geist verflüchtigt sich wie dünne Luft.<br />
Selbst unser Name wird mit der Zeit vergessen,<br />
und niemand denkt mehr an unsere Taten.<br />
Weish 0,00–0,00<br />
266
Liebt Gerechtigkeit<br />
Unser Leben geht vorüber wie die Spur einer Wolke<br />
und löst sich auf wie ein Nebel,<br />
der von den Strahlen der Sonne verscheucht<br />
und von ihrer Wärme zu Boden gedrückt wird.<br />
Denn unser Leben huscht vorbei wie ein Schatten,<br />
und unser Ende wiederholt sich nicht,<br />
weil es besiegelt ist und keiner wiederkehrt.<br />
Auf, lasst uns die augenblicklichen Güter genießen<br />
und eifrig die Welt ausnützen wie es der Jugend zukommt.<br />
Kostbare Weine und Salben wollen wir in Fülle genießen,<br />
und keine Frühlingsblume soll uns entgehen.<br />
Lasst uns mit knospenden Rosen bekränzen, ehe sie verwelken!<br />
Keiner von uns entziehe sich unserem ausgelassenen Treiben.<br />
Überall wollen wir Zeichen unserer Lust hinterlassen;<br />
denn das ist unser Anteil und das unser Los.<br />
Wir wollen den armen Gerechten unterdrücken,<br />
die Witwe nicht schonen,<br />
noch das graue Haar des betagten Greises scheuen.<br />
Unsere Stärke sei Norm der Gerechtigkeit;<br />
denn das Schwache erweist sich als wertlos.<br />
Lasst uns dem Gerechten nachstellen, denn er ist uns im Weg.<br />
Er tritt unserem Treiben entgegen;<br />
er klagt uns der Gesetzesübertretung an<br />
und wirft uns unsere Verfehlungen gegen die Zucht vor.<br />
Er rühmt sich, die Erkenntnis Gottes zu besitzen,<br />
und nennt sich einen Knecht des Herrn.<br />
Er ist ein lebendiger Vorwurf unserer Gesinnung;<br />
schon sein Anblick ist uns lästig.<br />
Denn sein Lebenswandel weicht von allen anderen ab,<br />
und ungewöhnlich sind seine Wege.<br />
Wir gelten ihm als falsche Münze,<br />
und er meidet wie Unrat unsere Wege.<br />
Das Los der Gerechten aber preist er glücklich<br />
und nennt prahlend Gott seinen Vater.<br />
Lasst uns einmal sehen, ob seine Reden wahr sind;<br />
machen wir die Probe, wie es mit ihm endet.<br />
267 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
Denn ist der Gerechte Gottes Sohn,<br />
so wird er sich seiner annehmen<br />
und ihn aus der Hand der Widersacher befreien.<br />
Durch Höhnen und Misshandlung wollen wir ihn prüfen,<br />
damit wir seine Sanftmut kennenlernen<br />
und seine Geduld erproben.<br />
Zu schimpflichem Tod wollen wir ihn verurteilen;<br />
denn nach seinen Worten wird ihm ja Gottes Schutz zuteil.<br />
So denken sie, aber sie täuschen sich;<br />
denn ihre Bosheit hat sie blind gemacht.<br />
Sie erkennen nicht die geheimnisvollen Absichten Gottes.<br />
Darum hoffen sie weder auf einen Lohn für die Frömmigkeit,<br />
noch wissen sie etwas von einem Ehrenpreis für untadelige Seelen zu schätzen.<br />
Gott hat ja den Menschen zur Unsterblichkeit erschaffen<br />
und ihn zum Abbild seines eigenen Wesens gemacht.<br />
Durch den Neid des Teufels aber ist der Tod in die Welt gekommen,<br />
und die ihm angehören, werden ihn erfahren.<br />
Kap. 03<br />
<strong>Die</strong> Seelen der Gerechten aber sind in Gottes Hand,<br />
und keine Qual kann sie berühren.<br />
In den Augen der Toren schienen sie tot zu sein;<br />
ihr Ende wurde als Unglück angesehen<br />
und ihr Weggehen von uns als Vernichtung;<br />
sie aber sind im Frieden.<br />
Denn wenn sie auch nach der Ansicht der Menschen gestraft wurden,<br />
so war doch ihre Hoffnung von Unsterblichkeit erfüllt.<br />
Nach nur geringer Züchtigung<br />
empfangen sie große Wohltaten;<br />
denn Gott hat sie geprüft<br />
und sie seiner würdig befunden.<br />
Wie Gold im Schmelzofen hat er sie erprobt<br />
und wie ein vollkommenes Brandopfer angenommen.<br />
Zur Zeit ihrer Heimsuchung werden sie aufleuchten<br />
wie Funken, die durch die Stoppeln dahinfahren.<br />
Sie werden Völker richten<br />
Weish 0,00–0,00<br />
268
Liebt Gerechtigkeit<br />
und über Nationen herrschen;<br />
der Herr wird auf ewig ihr König sein.<br />
<strong>Die</strong> auf ihn vertrauten, werden die Wahrheit erkennen,<br />
und die treu gewesen sind, werden in Liebe bei ihm verweilen;<br />
denn Gnade und Erbarmen wird seinen Auserwählten zuteil.<br />
<strong>Die</strong> Gottlosen aber werden gemäß ihrer Gesinnung Strafe erleiden,<br />
sie, die den Gerechten verachteten und vom Herrn abgefallen sind.<br />
Denn unglücklich ist, wer Weisheit und Zucht verschmäht;<br />
nichtig ist ihre Hoffnung, vergeblich ihr Mühen,<br />
und unnütz sind ihre Werke.<br />
Ihre Frauen sind töricht,<br />
ihre Kinder böse,<br />
und verflucht ist ihr Geschlecht.<br />
Selig ist die Unfruchtbare, die unschuldig blieb,<br />
die kein sündiges Beilager kannte.<br />
Ihre Fruchtbarkeit wird sich zeigen beim Endgericht.<br />
Selig auch der Kinderlose, der nichts Gesetzwidriges mit seinen Händen tat,<br />
der nichts Böses gegen den Herrn im Sinn hatte,<br />
wird ihm doch der auserlesene Lohn der Treue zuteil<br />
und ein köstliches Erbe im Tempel des Herrn.<br />
Denn herrlich ist die Frucht guter Bemühungen,<br />
und die Wurzel der Klugheit stirbt nicht ab.<br />
<strong>Die</strong> Kinder der Ehebrecher aber gedeihen nicht,<br />
und die Frucht einer sündhaften Verbindung schwindet dahin.<br />
Wenn sie auch lange leben, so gelten sie dennoch nichts,<br />
und ehrlos wird am Ende ihr Alter sein.<br />
Sterben sie aber früh dahin, dann werden sie weder Hoffnung<br />
noch Trost am Tag der Entscheidung haben;<br />
denn schlimm ist das Ende eines ungerechten Geschlechts.<br />
Kap. 04<br />
Besser ist Kinderlosigkeit mit Tugend;<br />
denn unsterblich ist ihr Ruhm,<br />
weil sie bei Gott und den Menschen anerkannt wird.<br />
Ist sie gegenwärtig, so ahmt man sie nach;<br />
ist sie fern, so sehnt man sich nach ihr;<br />
269 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
in Ewigkeit schreitet sie, geschmückt mit dem Kranz, im Triumph daher,<br />
weil sie im edlen Wettkampf gesiegt hat.<br />
<strong>Die</strong> große Kinderschar der Gottlosen aber bringt keinen Nutzen;<br />
aus unechten Schösslingen entsprossen,<br />
treibt sie keine Wurzeln in die Tiefe,<br />
noch wird sie festen Boden fassen.<br />
Denn wenn sie auch eine Zeit lang üppig in die Zweige schießt,<br />
so wird sie doch, die ohne festen Halt dasteht,<br />
vom Wind hin und her geschüttelt<br />
und von der Gewalt der Stürme entwurzelt.<br />
Ringsum werden die noch unentwickelten Äste geknickt,<br />
und ihre Frucht ist unreif, ungenießbar<br />
und zu nichts nütze.<br />
Denn Kinder, die aus sündigem Beischlaf entsprossen sind,<br />
treten beim Gericht als Zeugen der Schlechtigkeit<br />
gegen ihre eigenen Eltern auf.<br />
Der Gerechte aber wird, auch wenn er vorzeitig stirbt,<br />
in Ruhe sein.<br />
Denn ein ehrenvolles Alter besteht nicht in einem langen Leben;<br />
es wird nicht nach der Zahl der Jahre gemessen.<br />
Vielmehr gilt für die Menschen Einsicht als graues Haar<br />
und mehr als Alter ein Leben ohne Makel.<br />
Da er Gott wohlgefällig war, wurde er von ihm geliebt,<br />
und weil er mitten unter Sündern lebte, wurde er entrückt.<br />
Er wurde weggenommen, damit nicht die Bosheit seinen Sinn verkehrte,<br />
und Arglist seine Seele verführte.<br />
Denn der Zauber des Lasters verdunkelt das Gute,<br />
und der Taumel der Lust verwandelt ein argloses Gemüt.<br />
Früh zur Vollendung gereift, hat er lange Zeit gelebt.<br />
Denn der Herr hatte an seiner Seele Wohlgefallen;<br />
darum eilte sie aus der Mitte der Gottlosigkeit hinweg.<br />
<strong>Die</strong> Leute sahen es, aber sie verstanden es nicht<br />
und nahmen es sich nicht zu Herzen,<br />
dass Gnade und Erbarmen seinen Auserwählten zuteil wird<br />
und gnädige Belohnung seinen Heiligen.<br />
Weish 0,00–0,00<br />
270
Liebt Gerechtigkeit<br />
Der entschlafene Gerechte verurteilt die lebenden Gottlosen<br />
und die früh vollendete Jugend das an Jahren reiche Alter des Sünders.<br />
Denn sie sehen das Ende des Weisen, aber sie begreifen nicht,<br />
was der Herr über ihn beschlossen hat<br />
und warum er ihn in Sicherheit brachte.<br />
Sie sehen es und urteilen geringschätzig darüber;<br />
der Herr aber wird sie verspotten.<br />
Dann werden sie zu einem Leichnam, den man nicht achtet,<br />
und zum Gespött bei den Toten in Ewigkeit.<br />
Denn sie werden verstummen, wenn er sie lautlos kopfüber hinabstürzt<br />
und bis auf den Grund erschüttert;<br />
sie werden vollständig vernichtet<br />
und müssen Qual erdulden,<br />
und ihr Andenken wird verschwinden.<br />
Zitternd erscheinen sie zur Abrechnung ihrer Sünden,<br />
und ihre Missetaten treten als Ankläger gegen sie auf.<br />
Kap. 05<br />
Dann wird der Gerechte mit großer Zuversicht<br />
denen gegenübertreten, die ihn bedrängt<br />
und seine Mühsal gering geschätzt hatten.<br />
Wenn sie dies sehen, werden sie von schrecklicher Furcht erschüttert<br />
und geraten außer sich über seine unerwartete Rettung.<br />
Reuevoll sprechen sie zueinander<br />
und seufzen in ihrer Seelenangst:<br />
Der war es, den wir einst verlachten<br />
und den wir mit Spott überhäuften, wir Toren.<br />
Wir hielten seine Lebensart für Wahnsinn<br />
und sein Ende für Ehrlosigkeit.<br />
Wie kommt es, dass er zu den Söhnen Gottes gezählt wird<br />
und seinen Erbteil unter den Heiligen hat?<br />
So sind wir also vom Weg der Wahrheit abgeirrt,<br />
und das Licht der Gerechtigkeit hat uns nicht geleuchtet,<br />
und die Sonne ist uns nicht aufgegangen.<br />
Bis zur Erschöpfung sind wir<br />
die Pfade der Sünde und des Verderbens gegangen<br />
und durchwanderten unwegsame Wüsten,<br />
den Pfad des Herrn aber haben wir nicht erkannt.<br />
271 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
Was hat uns der Übermut genützt<br />
und was der Reichtum mit seiner Prahlerei eingebracht?<br />
<strong>Die</strong>s alles ging vorüber wie ein Schatten,<br />
wie ein flüchtiges Gerücht,<br />
wie ein Schiff, das die wogende Flut durchschneidet,<br />
von dessen Fahrt keine Spur zu entdecken ist<br />
noch seines Kieles Pfad in den Wellen,<br />
Wie man von einem Vogel, der durch die Luft fliegt,<br />
kein Zeichen seiner Bahn findet –<br />
er peitscht die leichte Luft mit dem Schlag seiner Flügel<br />
und teilt sie mit gewaltig rauschenden Schwingen<br />
und hinterlässt doch keine Spur seines Fluges.<br />
Oder wie wenn ein Pfeil auf das Ziel geschossen wird<br />
und die durchschnittene Luft sofort wieder zusammenfließt,<br />
sodass man seine Bahn nicht mehr erkennt.<br />
So schwinden auch wir, kaum geboren, schon wieder dahin<br />
und hatten kein Zeichen von Tugend aufzuweisen,<br />
sondern wurden in unserer Bosheit dahingerafft.<br />
Ja, die Hoffnung der Gottlosen gleicht der Spreu, die der Wind verweht,<br />
dem leichten Schnee, den der Sturm verjagt,<br />
dem Rauch, den der Wind zerstäubt,<br />
der Erinnerung an einen Gast, der nur einen Tag verweilte.<br />
<strong>Die</strong> Gerechten aber leben in Ewigkeit,<br />
und ihr Lohn ist im Herrn<br />
und die Sorge für sie beim Höchsten.<br />
Deshalb werden sie das Reich der Herrlichkeit empfangen,<br />
die Krone der Schönheit aus der Hand des Herrn,<br />
weil er sie mit der Rechten schützen<br />
und mit dem Arm beschirmen wird.<br />
Er nimmt als Rüstung seinen Eifer<br />
und bewaffnet die Schöpfung zur Abwehr der Feinde.<br />
Als Panzer zieht er Gerechtigkeit an<br />
und setzt als Helm auf ein unbestechliches Gericht.<br />
<strong>Die</strong> Heiligkeit nimmt er als unüberwindlichen Schild,<br />
Weish 0,00–0,00<br />
272
Liebt Gerechtigkeit<br />
schärft grimmigen Zorn zum Schwert;<br />
mit ihm kämpft die Welt gegen die Toren.<br />
Blitzespfeile fahren aus den Wolken<br />
und treffen, wie vom wohlgerundeten Bogen geschleudert, auf ihr Ziel.<br />
Und eine Steinschleuder entsendet Hagelkörner voll des göttlichen Zorns,<br />
es wüten gegen sie die Wasser des Meeres<br />
und Ströme schlagen über ihnen ungestüm zusammen.<br />
Der Hauch der Allmacht erhebt sich gegen sie<br />
und verjagt sie wie ein Orkan.<br />
So wird Gottlosigkeit die ganze Welt verwüsten<br />
und Sünde die Throne der Herrscher stürzen.<br />
Kap. 06<br />
So hört nun, ihr Könige, und beherzigt es,<br />
lernt, die ihr die Enden der Erde regiert!<br />
Horcht auf, die ihr die Menge beherrscht<br />
und stolz seid auf die Masse der Völker!<br />
Euch wurde vom Herrn die Macht verliehen<br />
und die Herrschaft vom Höchsten,<br />
der euere Werke prüfen und euere Pläne erforschen wird.<br />
Ihr aber habt, obgleich <strong>Die</strong>ner seines Reichs, keine gerechten Urteile gefällt,<br />
das Gesetz nicht gehalten<br />
und nicht nach dem Willen Gottes gelebt.<br />
Furchtbar und schnell wird er über euch kommen,<br />
da an den Großen ein strenges Gericht vollzogen wird.<br />
Dem Geringen wird aus Mitleid Verzeihung gewährt,<br />
die Gewaltigen aber werden gewaltig gestraft.<br />
Denn der Herrscher des Alls scheut vor niemand zurück<br />
und fürchtet sich nicht vor irgendeiner Größe.<br />
Hat er doch Klein und Groß erschaffen<br />
und sorgt in gleicher Weise für alle.<br />
Den Mächtigen aber droht eine strenge Untersuchung.<br />
An euch also, ihr Fürsten, richten sich meine Worte,<br />
damit ihr Weisheit lernt und nicht zu Fall kommt.<br />
273 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
Denn die das Heilige heilig behandeln, werden geheiligt,<br />
und die darin unterwiesen sind, werden sich verantworten können.<br />
Seid also begierig auf meine Worte,<br />
sehnt euch danach und ihr werdet belehrt werden:<br />
Strahlend und unverwelklich ist die Weisheit<br />
und wird leicht von denen erkannt, die sie lieben,<br />
und von denen gefunden, die sie suchen.<br />
Sie gibt sich denen, die nach ihr verlangen,<br />
schon im Voraus zu erkennen.<br />
Wer am frühen Morgen nach ihr ausschaut, braucht sich nicht abzumühen,<br />
denn sie sitzt an seiner Tür.<br />
Über sie nachdenken, ist vollendete Einsicht,<br />
und wer um ihretwillen wacht, ist bald aller Sorgen ledig.<br />
Denn sie selbst geht umher, um die zu suchen, die ihrer würdig sind,<br />
und erscheint ihnen freundlich auf den Wegen<br />
und begegnet ihnen in jedem Vorhaben.<br />
Denn ihr sicherster Anfang ist Verlangen nach Bildung,<br />
Sorge um Bildung aber ist Liebe zu ihr,<br />
Liebe aber ist Beachtung ihrer Gebote,<br />
Beachtung der Gebote aber ist Sicherung der Unsterblichkeit,<br />
Unsterblichkeit aber bringt in Gottes Nähe.<br />
So führt das Verlangen nach Weisheit zur Herrschaft.<br />
Wenn ihr also Freude habt an Thronen und Zeptern, ihr Herrscher der Völker,<br />
so achtet die Weisheit, damit ihr auf ewig herrscht.<br />
Weish 0,00–0,00<br />
274
II<br />
Lob der Weisheit<br />
Was aber die Weisheit ist und wie sie entstand, will ich verkünden<br />
und will euch das Geheimnisvolle an ihr nicht verbergen.<br />
Vielmehr will ich sie vom ersten Ursprung an erforschen;<br />
was ich über sie weiß, will ich offenlegen<br />
und an der Wahrheit nicht vorübergehen.<br />
Auch will ich nicht mit dem verzehrenden Neid zusammengehen;<br />
denn dieser hat mit der Weisheit nichts gemein.<br />
Eine große Zahl von Weisen ist ja ein Segen für die Welt,<br />
und ein verständiger König bedeutet Wohlstand für das Volk.<br />
So lasst euch denn durch meine Worte belehren;<br />
es wird euch zum Nutzen sein:<br />
Kap. 07<br />
Auch ich bin ein sterblicher Mensch wie alle<br />
und ein Nachkomme des ersterschaffenen Erdgeborenen.<br />
Im Mutterleib wurde ich zu Fleisch gebildet<br />
in zehnmonatiger Frist, im Blut geronnen<br />
aus dem Samen des Mannes und in der Lust des Beischlafs.<br />
Als ich geboren war, atmete auch ich die gemeinsame Luft ein<br />
und fiel auf die Erde, wie solches allen widerfährt;<br />
Weinen war, wie bei allen, auch mein erster Laut.<br />
275 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
In Windeln wurde ich aufgezogen und in Sorgen.<br />
Denn kein König hat einen anderen Anfang seines Daseins.<br />
Der Eingang in das Leben ist für alle der eine,<br />
wie auch der Ausgang der gleiche ist.<br />
Daher betete ich und es wurde mir Einsicht verliehen;<br />
ich flehte und der Geist der Weisheit kam über mich.<br />
Ich stellte sie höher als Zepter und Throne,<br />
und Reichtum achtete ich für nichts im Vergleich mit ihr.<br />
Keinen unschätzbaren Edelstein stellte ich ihr gleich;<br />
denn neben ihr ist alles Gold nur ein wenig Sand,<br />
und ihr gegenüber wird das Silber nur wie Kot geachtet.<br />
Mehr als Gesundheit und Schönheit liebte ich sie<br />
und gab ihrem Besitz den Vorzug vor dem Licht;<br />
denn nie verlöscht der Glanz, den sie ausstrahlt.<br />
Doch alle Güter kamen mir zugleich mit ihr,<br />
und ungezählter Reichtum war in ihren Händen.<br />
Ich hatte dennoch an alledem meine Freude,<br />
weil die Weisheit seine Führerin ist;<br />
ich wusste aber nicht, dass sie auch seine Urheberin ist.<br />
Arglos lernte ich, neidlos teile ich sie mit,<br />
ihren Reichtum verberge ich nicht.<br />
Sie ist ja den Menschen ein unerschöpflicher Schatz.<br />
<strong>Die</strong> sich seiner bedienten, haben Freundschaft mit Gott erworben,<br />
empfohlen durch die Gaben, die die Zucht verleiht.<br />
Mir aber möge Gott gewähren, seinem Sinn gemäß zu reden<br />
und Gedanken zu fassen, wie sie der verliehenen Gabe würdig sind.<br />
Denn er selbst ist Führer der Weisheit<br />
und der Weisen Lenker.<br />
In seiner Hand sind ja wir sowohl wie unsere Worte,<br />
jegliche Einsicht und das Geschick zu Kunstfertigkeiten.<br />
Denn er verlieh mir untrügliche Erkenntnis der Dinge,<br />
dass ich den Bau des Weltalls verstünde und die Wirksamkeit der Elemente,<br />
Anfang, Ende und Mitte der Zeiten,<br />
die Wende der Sonne und den Wandel der Jahreszeiten,<br />
den Kreislauf der Jahre und die Stellungen der Gestirne,<br />
Weish 0,00–0,00<br />
276
Lob der Weisheit<br />
die Natur der Tiere und die Wildheit der Raubtiere,<br />
die Gewalt der Geister und das Denken der Menschen,<br />
die Unterschiede der Pflanzen und die Heilkräfte der Wurzeln.<br />
Was verborgen und sichtbar ist, alles erkannte ich;<br />
denn die alles kunstvoll gestaltet, die Weisheit, hat es mich gelehrt.<br />
Kap. 08<br />
Denn in ihr ist ein Geist :<br />
verständig, heilig, einzig in seiner Art und vielfältig,<br />
fein, beweglich, durchdringend,<br />
unbefleckt, klar, unverletzlich, das Gute liebend,<br />
scharf, nicht zu hemmen, wohltätig,<br />
menschenfreundlich, beständig, sicher, sorgenlos,<br />
allmächtig, alles überschauend und alle Geister durchdringend:<br />
die denkenden, reinen und feinsten.<br />
Ist doch die Weisheit beweglicher als jede Bewegung;<br />
in ihrer Reinheit durchdringt und erfüllt sie alles.<br />
Sie ist ja ein Hauch der Kraft Gottes<br />
und ein reiner Ausfluss der Herrlichkeit des Allherrschers;<br />
darum fällt kein Schatten auf sie.<br />
Denn sie ist ein Abglanz des ewigen Lichts<br />
und ein makelloser Spiegel des göttlichen Wirkens<br />
und ein Abbild seiner Güte.<br />
Obwohl sie nur eine ist, vermag sie alles,<br />
und obgleich sie in sich selbst unverändert bleibt, erneuert sie alles.<br />
Von Geschlecht zu Geschlecht tritt sie in heilige Seelen ein<br />
und schafft so Freunde Gottes und Propheten.<br />
Denn Gott liebt keinen,<br />
der nicht mit der Weisheit verbunden ist.<br />
Denn sie ist herrlicher als die Sonne<br />
und erhaben über jedes Sternbild.<br />
Mit dem Licht verglichen, verdient sie den Vorzug;<br />
denn diesem folgt die Nacht,<br />
gegen die Weisheit aber ist die Bosheit machtlos.<br />
Sie erstreckt sich, kraftvoll wirkend, von einem Ende der Welt zum anderen<br />
und durchwaltet vortrefflich das All.<br />
277 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
Sie liebte und ersehnte ich von meiner Jugend an;<br />
ich suchte sie als Braut mir heimzuführen<br />
und bin ein Verehrer ihrer Schönheit geworden.<br />
Einer edlen Abkunft kann sie sich rühmen, da sie mit Gott zusammenlebt<br />
und auch der Herr des Alls sie liebt.<br />
Denn sie ist in das Wissen Gottes eingeweiht<br />
und bestimmt seine Werke.<br />
Ist aber Reichtum ein begehrenswertes Gut im Leben,<br />
was ist reicher als die Weisheit, die alles schafft?<br />
Bringt Klugheit etwas zustande,<br />
wer in aller Welt ist eine größere Künstlerin als sie?<br />
Und liebt jemand Gerechtigkeit –<br />
was sie bewirkt, sind Tugenden.<br />
Denn sie lehrt Mäßigung und Klugheit,<br />
Gerechtigkeit und Starkmut.<br />
Etwas Vorteilhafteres als diese gibt es im Leben für den Menschen nicht.<br />
Verlangt aber einer nach reicher Lebenserfahrung:<br />
sie kennt das längst Vergangene und erschließt das Zukünftige;<br />
sie versteht sich auf die Kunst der Rede und auf das Lösen von Rätseln;<br />
Zeichen und Wunder weiß sie zu deuten<br />
und den Ausgang von Perioden und Zeiten.<br />
So beschloss ich denn, diese als Lebensgefährtin heimzuführen,<br />
da ich wusste, dass sie mich im Glück berät<br />
und in Sorgen und Kummer tröstet.<br />
Um ihretwillen werde ich Ansehen bei der Menge genießen<br />
und Ehre bei den Alten trotz meiner Jugend.<br />
Bei Gerichtsverhandlungen werde ich als scharfsinnig gelten<br />
und bei den Machthabern Bewunderung erregen.<br />
Schweige ich, so werden sie auf mich warten;<br />
ergreife ich das Wort, werden sie aufmerksam zuhören,<br />
und rede ich länger, dann legen sie die Hand auf den Mund.<br />
Um ihretwillen werde ich Unsterblichkeit erlangen<br />
und ein ewiges Andenken bei der Nachwelt hinterlassen.<br />
Ich werde Völker regieren,<br />
und Nationen werden mir untertan werden.<br />
Schreckliche Tyrannen werden mich fürchten, wenn sie von mir hören;<br />
Weish 0,00–0,00<br />
278
Lob der Weisheit<br />
unter dem Volk aber werde ich mich gütig zeigen und tapfer im Krieg.<br />
Kehre ich in das Haus zurück,<br />
so werde ich mich bei ihr erholen;<br />
denn der Umgang mit ihr hat nichts Bitteres,<br />
und das Zusammenleben mit ihr bringt nicht Verdruss,<br />
sondern Frohsinn und Freude.<br />
Indem ich dies bei mir überdachte<br />
und in meinem Herzen erwog,<br />
dass das Leben mit der Weisheit Unsterblichkeit verheißt<br />
und ihre Freundschaft reine Freude,<br />
die Arbeiten ihrer Hände unerschöpflichen Reichtum,<br />
der Umgang mit ihr Einsicht und ihre Teilnahme am Gespräch Ruhm,<br />
da ging ich umher und suchte,<br />
wie ich sie in mein Haus aufnehmen könnte.<br />
Ich war ein begabtes Kind und hatte eine gute Seele erhalten,<br />
oder vielmehr, weil ich gut war,<br />
so war ich zu einem unverdorbenen Leib gekommen.<br />
Da ich aber einsah, dass ich nur durch Gott in ihren Besitz gelangen konnte –<br />
schon dies war Sache der Klugheit,<br />
dass ich begriff, wessen Gnadengeschenk sie ist –<br />
so wandte ich mich an den Herrn,<br />
betete zu ihm und sprach aus meinem ganzen Herzen:<br />
Kap. 09<br />
Gott der Väter und Herr des Erbarmens,<br />
der du das All durch dein Wort geschaffen<br />
und durch deine Weisheit den Menschen gebildet hast,<br />
dass er über die von dir hervorgebrachten Geschöpfe herrscht,<br />
die Welt in Heiligkeit und Gerechtigkeit leitet<br />
und in aufrichtiger Gesinnung regiert.<br />
Gib mir die Weisheit, die an deiner Seite thront,<br />
und schließe mich nicht von der Schar deiner Kinder aus.<br />
Ich bin ja dein Knecht, der Sohn deiner Magd,<br />
ein schwacher und kurzlebiger Mensch,<br />
und verstehe wenig von Recht und Gesetz.<br />
Gälte einer bei den Menschen auch als vollkommen,<br />
fehlte ihm aber die von dir ausgehende Weisheit,<br />
er müsste für nichts geachtet werden.<br />
279 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
Du warst es, der mich zum König deines Volkes erwählte<br />
und zum Richter über deine Söhne und Töchter.<br />
Du befahlst mir, einen Tempel auf deinem heiligen Berg<br />
und einen Opferaltar in der Stadt, in der du wohnst, zu bauen<br />
als ein Abbild des heiligen Zeltes, das du von Anbeginn bereitet hast.<br />
Bei dir ist die Weisheit, die deine Werke kennt<br />
und zugegen war, als du die Welt erschufst,<br />
die weiß, was in deinen Augen wohlgefällig ist<br />
und was recht ist nach deinen Geboten.<br />
Sende sie vom heiligen Himmel herab<br />
und schicke sie vom Thron deiner Herrlichkeit,<br />
dass sie mir bei meiner Arbeit hilft und ich erkenne,<br />
was dir wohlgefällt.<br />
Sie weiß und versteht ja alles;<br />
sie wird mich bei meinem Handeln verständig leiten<br />
und in ihrem Lichtglanz behüten.<br />
So werden dir meine Werke wohlgefallen,<br />
ich werde dein Volk gerecht regieren<br />
und des Thrones meines Vaters würdig sein.<br />
Welcher Mensch vermag denn Gottes Willen zu erkennen,<br />
oder wer kann erfassen, was der Herr verlangt?<br />
<strong>Die</strong> Gedanken der Sterblichen sind ja unsicher<br />
und unsere Absichten schwankend.<br />
Lähmt doch ein hinfälliger Leib die Seele<br />
und belastet das irdische Zelt den vielsinnenden Geist.<br />
Nur zur Not erraten wir, was auf Erden ist,<br />
und verstehen mit Mühe, was auf der Hand liegt.<br />
<strong>Die</strong> himmlischen Dinge aber, wer kann sie ergründen?<br />
Wer hat je deinen Willen erkannt, wenn nicht du die Weisheit gegeben<br />
und aus der Höhe deinen heiligen Geist gesandt hast?<br />
Nur so wurden die Pfade der Erdenbewohner geebnet<br />
und die Menschen über das belehrt, was dir wohlgefällig ist.<br />
Nur durch die Weisheit wurden sie gerettet.<br />
Weish 0,00–0,00<br />
280
Lob der Weisheit<br />
Kap. 10<br />
Sie beschirmte den Urvater der Welt nach seiner Erschaffung, als<br />
er noch allein war, und riss ihn aus seinem Fall heraus; sie verlieh<br />
ihm auch die Kraft, über alles zu herrschen. Ein Gottloser aber,<br />
der in seinem Zorn von ihr abgefallen war, ging in brudermörderischem<br />
Grimm zugrunde. Da seinetwegen die Erde überschwemmt wurde, erwies<br />
sich die Weisheit wiederum als Retterin, indem sie den Gerechten<br />
auf einem armseligen Holz durch die Fluten steuerte. Als die Völker wegen<br />
eines einmütig begangenen Frevels verwirrt worden waren, erkannte<br />
sie den Gerechten und bewahrte ihn untadelig vor Gott und machte ihn<br />
stark auch gegenüber der Liebe zu seinem Sohn.<br />
Sie rettete einen Gerechten beim Untergang gottloser Menschen, sodass<br />
er dem Feuer entrann, das über das Gebiet der fünf Städte niederfuhr.<br />
Als Zeugnis ihrer Bosheit blieb von diesen noch ein ödes, immerfort<br />
rauchendes Land und Pflanzen, die zur Unzeit Früchte tragen, eine<br />
ragende Salzsäule als Denkmal einer ungläubigen Seele. Denn die an<br />
der Weisheit vorübergingen, wurden nicht nur dadurch gestraft, dass sie<br />
das Gute nicht erkannten, sondern sie hinterließen auch den Lebenden<br />
ein Denkmal ihrer Torheit, damit nicht verborgen bleiben könne, worin<br />
sie gesündigt hatten. Dagegen hat die Weisheit ihre <strong>Die</strong>ner aus Nöten<br />
errettet.<br />
Sie führte den Gerechten, als er vor dem Zorn des Bruders floh, auf<br />
geraden Wegen, zeigte ihm das Reich Gottes und verlieh ihm die Kenntnis<br />
heiliger Geheimnisse. Sie ließ ihn durch mühevollen <strong>Die</strong>nst zu Wohlstand<br />
gelangen und gab seinen Arbeiten reichen Erfolg. Bei der Habgier<br />
seiner Bedränger stand sie ihm bei und machte ihn reich. Sie schützte<br />
ihn vor Feinden und schirmte ihn gegen Verfolger und verlieh ihm den<br />
Sieg in einem schweren Kampf, damit er erkannte, dass die Frömmigkeit<br />
stärker als alles ist. Sie verließ nicht den Gerechten, der verkauft worden<br />
war, sondern bewahrte ihn vor der Sünde. Sie stieg mit ihm in den Kerker<br />
hinab und verließ ihn auch in Fesseln nicht, bis sie ihm das Zepter des<br />
Reiches und Gewalt über seine Bedränger verschafft, seine Verleumder<br />
als Lügner erwiesen und ihm ewigen Ruhm verliehen hatte.<br />
Sie hat ein heiliges Volk und ein untadeliges Geschlecht aus einem<br />
Volk von Bedrängern befreit. Sie ging in die Seele des <strong>Die</strong>ners des Herrn<br />
ein und trat furchtbaren Königen mit Zeichen und Wundern entgegen.<br />
Sie gab den Heiligen den Lohn für ihre Mühen, führte sie auf wunderbaren<br />
Pfaden und wurde ihnen zum Schutz am Tag und zum Sternenlicht in<br />
281 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
Kap. 11<br />
der Nacht. Sie führte sie durch das Rote Meer und geleitete sie durch ein<br />
mächtiges Wasser. Ihre Feinde aber begrub sie in den Wogen und spülte<br />
sie aus der Tiefe des Meeres wieder ans Land. So konnten Gerechte Gottlose<br />
plündern und priesen, Herr, deinen heiligen Namen und rühmten<br />
einmütig deine schützende Hand. Denn die Weisheit öffnete den Mund<br />
der Stummen und machte die Zungen der Unmündigen beredt.<br />
Sie ließ alle ihre Unternehmungen gelingen unter der Führung des<br />
heiligen Propheten.<br />
Weish 0,00–0,00<br />
282
III<br />
Vergegenwärtigung<br />
des Exodus<br />
Sie durchzogen eine unbewohnte Wüste und schlugen an unwegsamen<br />
Orten ihre Zelte auf; sie widerstanden ihren Feinden und wehrten Gegner<br />
ab.<br />
Als sie Durst litten, riefen sie dich an, und es wurde ihnen Wasser<br />
aus schroffem Felsen gegeben und aus hartem Stein ihr Durst gestillt.<br />
Denn womit ihre Feinde gezüchtigt wurden, das gereichte<br />
ihnen, wenn sie in Not waren, zum Segen. <strong>Die</strong> immerfließende Quelle<br />
des Stromes wurde jenen durch Mordblut getrübt zur Strafe für den<br />
Befehl zum Kindermorden. Ihnen aber gabst du unverhofft reichliches<br />
Wasser, nachdem du ihnen vorher durch den Durst gezeigt hattest, wie<br />
schwer ihre Gegner von dir gestraft worden waren. Denn als sie selbst<br />
geprüft wurden, erkannten sie, obwohl sie mit Milde zurechtgewiesen<br />
worden waren, welche Qual die Gottlosen erdulden mussten, die im<br />
Zorn gestraft wurden. <strong>Die</strong>se hast du wie ein mahnender Vater geprüft,<br />
jene aber wie ein strenger König verurteilend gestraft. Fern von den Israeliten<br />
wurden sie ebenso gequält wie in der Nähe. Denn ein doppeltes<br />
Wasser:<br />
Strafe und<br />
Wohltat<br />
283 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
Leid und Seufzen erfasste sie bei der Erinnerung an das Vergangene. Als<br />
sie nämlich hörten, dass durch die gleichen Mittel sie Strafe, jene aber<br />
eine Wohltat empfingen, erinnerten sie sich an den Herrn. Denn den sie<br />
einst bei der Aussetzung weggeworfen und höhnend abgewiesen hatten,<br />
mussten sie am Ende der Ereignisse bestaunen, nachdem sie ganz anders<br />
Durst gelitten hatten als die Gerechten.<br />
Tiere:<br />
Strafen und<br />
Wohltaten<br />
Kap. 12<br />
Für die wahnwitzigen Gedanken ihrer Gottlosigkeit, durch die irregeleitet<br />
sie vernunftloses Gewürm und erbärmliches Getier verehrten,<br />
sandtest du ihnen zur Strafe eine Menge vernunftloser Tiere.<br />
Sie sollten erfahren, dass man mit dem gestraft wird, mit dem man sündigt.<br />
Deine allmächtige Hand, die doch die Welt aus gestaltlosem Stoff<br />
gebildet hat, wäre wohl imstande gewesen, gegen sie eine Menge von<br />
Bären oder grimmigen Löwen zu senden, oder neu geschaffene, wütende,<br />
bisher unbekannte Bestien, die feurigen Atem speien oder zischenden<br />
Dampf ausstoßen oder aus den Augen schreckliche Funken sprühen lassen,<br />
bei denen nicht nur der Angriff sie verderben, sondern allein schon<br />
der Entsetzen erregende Anblick sie vernichten konnte. Aber auch ohne<br />
diese hätten sie durch einen einzigen Hauch hinsinken können, verfolgt<br />
von der rächenden Gerechtigkeit und hingestreckt vom Hauch deiner<br />
Macht. Doch du hast alles nach Maß und Zahl und Gewicht geordnet.<br />
Denn es liegt jederzeit bei dir, deine große Macht zu entfalten, und<br />
wer könnte der Kraft deines Arms widerstehen? Ist doch die ganze Welt<br />
vor dir wie ein Stäubchen auf der Waage und wie ein Tropfen Tau, der am<br />
Morgen auf die Erde fällt. Aber du hast mit allen Erbarmen, weil du alles<br />
vermagst, und siehst über die Sünden der Menschen hinweg, damit sie<br />
Buße tun. Denn du liebst alles, was da ist, und verabscheust nichts von<br />
dem, was du gemacht hast. Hättest du etwas gehasst, du hättest es nicht<br />
geschaffen. Wie hätte etwas Bestand gehabt, wenn du es nicht gewollt,<br />
oder wie wäre etwas erhalten worden, wenn es nicht von dir gerufen<br />
wäre? Du aber schonst alles, weil es dir gehört, Herr, Freund des Lebens.<br />
Denn dein unvergänglicher Geist ist in allen. Deshalb strafst du auch<br />
die Fehlenden gering und mahnst sie durch die Erinnerung an ihre Sünden,<br />
damit sie von der Bosheit ablassen und an dich glauben, Herr.<br />
Auch die früheren Bewohner deines heiligen Landes hast du gehasst,<br />
weil sie die schändlichsten Zauberkünste und ruchlose Geheimkulte<br />
trieben. Erbarmungslose Kindermörder (waren sie), die beim Opfermahl<br />
Weish 0,00–0,00<br />
284
Vergegenwärtigung des Exodus<br />
Menschenfleisch und Menschenblut verzehrten. Darum nahmst du dir<br />
vor, mitten im Gelage die Teilnehmer und die Eltern, die eigenhändig hilflose<br />
Seelen mordeten, durch die Hände unserer Väter auszurotten, damit<br />
das bei dir am meisten geschätzte Land eine würdige Bevölkerung von<br />
Kindern Gottes erhielte. Aber auch gegen jene übtest du Schonung, weil<br />
sie Menschen waren, und sandtest Hornissen als Vorläufer deines Heeres,<br />
damit diese sie nach und nach vernichteten. Nicht als ob es dir unmöglich<br />
gewesen wäre, die Gottlosen in einer Schlacht den Gerechten zu unterwerfen<br />
oder durch schreckliche Tiere oder durch ein scharfes Wort mit<br />
einem Schlag zu vernichten. Aber du gabst ihnen dadurch, dass du die<br />
Strafe nach und nach vollzogst, Gelegenheit zur Umkehr, obgleich du<br />
wusstest, dass ihr Ursprung böse und ihre Verderbtheit angeboren war<br />
und dass sich ihr Sinn in Ewigkeit nicht ändern würde. Denn schon von<br />
Anfang an waren sie ein verfluchtes Geschlecht.<br />
Auch ließest du ihnen nicht aus Scheu vor irgendeiner Person Straflosigkeit<br />
für ihre Sünden angedeihen. Denn wer darf sagen: Was hast du<br />
getan? Oder wer kann sich deinem Urteil widersetzen? Wer darf dich<br />
wegen der Vernichtung von Völkern, die du selbst erschaffen hast, anklagen?<br />
Oder wer wollte gegen dich als Anwalt gottloser Menschen auftreten?<br />
Es gibt ja keinen Gott außer dir, der für alles sorgt, sodass du beweisen<br />
müsstest, dass du nicht unrecht gerichtet hast, noch kann ein König<br />
oder Machthaber dir entgegentreten um jener willen, die du gezüchtigt<br />
hast. Doch weil du gerecht bist, ordnest du alles mit Gerechtigkeit, erachtest<br />
es unvereinbar mit deiner Macht, den zu verurteilen, der keine<br />
Strafe verdient hat. Deine Stärke ist ja Grund deiner Gerechtigkeit und<br />
der Umstand, dass du alles beherrschst, gestattet dir, alles zu schonen.<br />
Stärke zeigst du nur, wenn man an die Machtfülle nicht glaubt, und du<br />
bestrafst den Trotz bei denen, die sie kennen. Obgleich du über Stärke<br />
verfügst, richtest du mit Milde und leitest uns mit großer Nachsicht;<br />
denn die Macht steht dir zur Verfügung, sobald du willst.<br />
Durch solches Verfahren hast du dein Volk belehrt, dass der Gerechte<br />
menschenfreundlich sein soll, und hast deine Söhne mit der frohen<br />
Hoffnung erfüllt, dass du nach Sünden Zeit zur Buße schenkst. Denn<br />
wenn du schon die Feinde deiner Kinder und die dem Tod Verfallenen<br />
mit solcher Schonung und Nachsicht bestraftest, indem du ihnen Zeit<br />
und Gelegenheit gabst, sich von der Bosheit loszumachen, mit welcher<br />
Sorgfalt hast du erst deine Söhne gezüchtigt, deren Vätern du unter Eid<br />
285 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
Kap. 13<br />
einen Bund voll herrlicher Verheißungen gewährtest! Während du uns<br />
also erziehst, schlägst du unsere Feinde zehntausendfach, damit wir,<br />
wenn wir selbst richten, deine Güte uns zum Vorbild nehmen, und wenn<br />
wir gerichtet werden, auf Erbarmen hoffen.<br />
Deshalb hast du auch die Ungerechten, die in Torheit ihr Leben verbrachten,<br />
durch ihre eigenen Gräuel gezüchtigt. Denn sie hatten sich auf<br />
den Wegen des Irrtums allzu weit verirrt, als sie die verächtlichsten aller<br />
hässlichen Tiere für Götter hielten und wie unverständige Tiere sich<br />
täuschen ließen. Darum hast du ihnen wie unvernünftigen Kindern eine<br />
Plage gesandt, die sie zum Gespött machte. <strong>Die</strong> sich aber durch den Spott<br />
der Strafe nicht warnen ließen, mussten ein Gericht erfahren, das Gottes<br />
würdig war. Denn als sie in ihren Leiden sich über die ärgerten, die sie<br />
für Götter hielten, weil sie von ihnen geplagt wurden, sahen sie ein, dass<br />
jener, den sie vorher nicht kennen wollten, der wahre Gott sei. Darum<br />
kam auch die äußerste Strafe über sie.<br />
Toren waren ja von Natur schon alle Menschen, denen die Erkenntnis<br />
Gottes fehlte und die aus den sichtbaren Vollkommenheiten den Seienden<br />
nicht wahrzunehmen vermochten, noch bei der Betrachtung seiner<br />
Werke den Meister erkannten, sondern Feuer oder Wind oder die<br />
flüchtige Luft, den Kreis der Gestirne oder das gewaltige Wasser oder<br />
die Leuchten des Himmels für weltregierende Götter hielten. Wenn sie,<br />
durch deren Schönheit entzückt, schon in diesen Dingen Götter sahen,<br />
so hätten sie doch wissen sollen, um wie viel herrlicher ihr Gebieter ist.<br />
Denn der Urheber der Schönheit hat sie geschaffen. Und wenn sie über<br />
deren Kraft und Wirksamkeit in Staunen gerieten, so mussten sie daraus<br />
schließen, um wie viel mächtiger ihr Schöpfer ist. Denn von der Größe<br />
und Schönheit der Geschöpfe lässt sich auf ihren Schöpfer schließen.<br />
Indessen verdienen diese nur einen geringen Tadel. Denn sie gehen vielleicht<br />
nur irre, während sie wirklich Gott suchen und finden wollen. Mit<br />
seinen Werken beschäftigt, forschen sie ja nach ihm, lassen sich aber<br />
durch das Aussehen verführen, weil das Geschaute so schön ist. Dennoch<br />
sind auch sie nicht zu entschuldigen. Besaßen sie so viel geistige Fähigkeit,<br />
dass sie die Welt durchforschen konnten, wie kam es, dass sie nicht<br />
eher deren Herrn fanden?<br />
Unglückselig aber waren und auf tote Dinge setzten ihre Hoffnung, die<br />
Werke von Menschenhand Götter nannten, Gold und Silber, Kunstgebilde<br />
und Tiergestalten oder einen unnützen Stein, das Werk einer Hand<br />
Weish 0,00–0,00<br />
286
Vergegenwärtigung des Exodus<br />
Kap. 14<br />
der Vorzeit. Da sägt ein Holzarbeiter einen tauglichen Stamm heraus,<br />
schält sachkundig seine ganze Rinde ringsum ab und verfertigt daraus<br />
in künstlerischer Bearbeitung ein nützliches Gerät für den Gebrauch des<br />
täglichen Lebens. Was von der Arbeit abfällt, verwendet er zur Bereitung<br />
der Mahlzeit und isst sich satt. Was aber dann noch übrig bleibt, weil<br />
es zu gar nichts taugt, krummes und mit Knoten durchwachsenes Holz,<br />
nimmt er, schnitzt daran in seinen Mußestunden und gibt ihm ohne<br />
große Sorgfalt irgendeine Gestalt. Er formt es zum Bild eines Menschen<br />
oder macht es irgendeinem ganz gewöhnlichen Tier ähnlich. Dann bestreicht<br />
er es mit Mennig und färbt seine Haut mit roter Schminke und<br />
übermalt jeden Flecken an ihm. Dann verfertigt er ihm ein passendes<br />
Gehäuse, stellt es an der Wand auf, an der er es mit einem Eisen befestigt.<br />
So sorgt er dafür, dass es nicht umfällt. Denn er weiß, dass es sich<br />
selbst nicht helfen kann, weil es nur ein Bild ist und der Unterstützung<br />
bedarf. Wenn er aber um Hab und Gut, für Frau und Kind beten will,<br />
dann scheut er sich nicht, das leblose Ding anzureden. Um Gesundheit<br />
ruft er das Kraftlose an, um Leben bittet er das Tote, um Hilfe fleht er das<br />
Ohnmächtige an, um gute Reise etwas, was keinen Fuß gebrauchen kann,<br />
für Erwerb, Arbeit und Erfolg im Handwerk begehrt er Kraft von dem,<br />
dessen Hände völlig kraftlos sind.<br />
Ein anderer wieder, der eine Seereise unternimmt und wilde Wogen<br />
durchfahren will, ruft ein Holz an, das gebrechlicher ist als das Fahrzeug,<br />
das ihn trägt. Denn dieses hat der Erwerbstrieb ersonnen und die Weisheit<br />
eines Künstlers hat es gebaut. Deine Vorsehung aber, Vater, steuert<br />
es; denn du gabst auch im Meer einen Weg und in den Wogen einen sicheren<br />
Pfad. Du zeigtest dadurch, dass du aus jeder Lage erretten kannst,<br />
selbst wenn einer auch ohne Erfahrung ein Schiff besteigen sollte. So<br />
willst du aber, dass die Werke deiner Weisheit nicht ungenutzt bleiben.<br />
Darum vertrauen die Menschen auch einem winzigen Holz ihr Leben an<br />
und fahren auf einem Floß, wohlbehalten durch die Wogen. So hatte sich<br />
auch in der Urzeit, als die übermütigen Riesen umkamen, die Hoffnung<br />
der Welt auf ein Floß geflüchtet und, von deiner Hand gesteuert, der Welt<br />
den Samen eines neuen Geschlechtes hinterlassen. Denn gesegnet ist das<br />
Holz, das gerechten Zwecken dient. Das von Menschenhand gefertigte<br />
Götzenbild aber ist verflucht, es selbst und der es gebildet hat. <strong>Die</strong>ser,<br />
weil er es angefertigt hat, jenes, weil es Gott genannt wurde, obwohl es<br />
ein vergängliches Ding war. Denn Gott sind in gleicher Weise der Gott-<br />
287 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
lose und sein gottloses Werk verhasst, wird doch das Werk samt seinem<br />
Bildner gestraft. Deshalb ergeht auch über die Götzen der Völker ein Gericht,<br />
weil sie in der Schöpfung Gottes zum Gräuel geworden sind, zum<br />
Ärgernis für die Seelen der Menschen und zum Fallstrick für die Füße<br />
der Toren.<br />
Denn Anfang des Abfalls ist das Ersinnen von Götzenbildern; derlei<br />
Erfindung aber ist Verderbnis des Lebens. Sie waren ja weder von Anfang<br />
da, noch werden sie ewig bleiben. Nur durch den törichten Wahn der<br />
Menschen sind sie in die Welt gekommen; deshalb ist ihnen auch ein jähes<br />
Ende zugedacht. Durch allzu frühe Trauer verzehrt, ließ ein Vater von<br />
dem so rasch entrissenen Kind ein Bild machen, verehrte den nunmehr<br />
toten Menschen wie einen Gott und ordnete für die Untergebenen geheimen<br />
Kult und Weihen an. Dann erstarkte im Lauf der Zeit die gottlose<br />
Sitte und wurde wie ein Gesetz befolgt; auf Befehl der Herrscher wurde<br />
das Schnitzwerk göttlich verehrt. Von denen, welche die Menschen nicht<br />
von Angesicht ehren konnten, weil sie weit entfernt wohnten, machten<br />
sie sich aus der Ferne eine Vorstellung von ihrer Gestalt, fertigten sich<br />
ein erkennbares Bild von dem verehrten König an, um dem Abwesenden<br />
mit Eifer so huldigen zu können, als ob er anwesend wäre. Zur Steigerung<br />
der Verehrung trieb der Ehrgeiz des Künstlers auch solche an, die<br />
ihn gar nicht kannten. Denn dieser bot, um dem Machthaber zu gefallen,<br />
seine ganze Kunst auf, die Ähnlichkeit noch schöner zu gestalten.<br />
<strong>Die</strong> Menge aber, von der Anmut des Kunstwerkes hingerissen, hielt nun<br />
den, der kurz zuvor noch als Mensch geehrt worden war, für einen Gegenstand<br />
der Anbetung. <strong>Die</strong>s gereichte dem Leben zum Verderben, dass<br />
die Menschen unter dem Druck eines Unglücks oder eines Machthabers<br />
Stein und Holz den Namen beilegten, der keinem anderen beigelegt werden<br />
darf.<br />
Aber nicht genug, in der Erkenntnis Gottes zu irren, nennen sie, die in<br />
dem großen Krieg der Unwissenheit dahinleben, solche Übel auch noch<br />
Frieden. Da sie kindermörderische Opfer oder verborgene Geheimkulte<br />
oder wüste Gelage mit absonderlichen Bräuchen feiern, bewahren<br />
sie weder Leben noch Ehe rein, sondern einer tötet heimtückisch den<br />
anderen oder kränkt ihn durch Ehebruch. Alles ohne Unterschied beherrscht<br />
Blut und Mord, <strong>Die</strong>bstahl und Betrug, Entehrung und Treulosigkeit,<br />
Aufruhr und Meineid, Verunsicherung der Guten, Vergessen<br />
der Wohltaten, Befleckung der Seelen, unnatürlicher Geschlechtsverkehr,<br />
Weish 0,00–0,00<br />
288
Vergegenwärtigung des Exodus<br />
Kap. 15<br />
Zerrüttung der Ehen, Ehebruch und Ausschweifung. Denn die Verehrung<br />
der namenlosen Götzen ist aller Übel Anfang, Ursache und Ende. Rasen<br />
sie doch bei ihren Lustbarkeiten oder weissagen Lüge oder führen ein<br />
gottloses Leben oder schwören leichtfertig falsche Eide. Auf die Leblosigkeit<br />
ihrer Götzen vertrauend, erwarten sie, dass sie keinen Schaden<br />
leiden, wenn sie falsch schwören. Dennoch wird sie die gerechte Strafe<br />
für beides treffen, dass sie, den Göttern ergeben, verkehrte Vorstellungen<br />
von Gott hatten und dass sie aus Missachtung der Frömmigkeit in<br />
Arglist falsch geschworen haben. Denn nicht die Macht derer, bei denen<br />
sie schwören, sondern die den Sündern gebührende Strafe folgt stets den<br />
Übertretungen der Frevler nach.<br />
Du aber, unser Gott, bist gütig und treu; langmütig und voll Erbarmen<br />
regierst du das All. Auch wenn wir sündigen, sind wir dein, da wir deine<br />
Macht kennen. Wir wollen aber nicht sündigen, weil wir wissen, dass<br />
wir dir zugezählt sind. Denn dich erkennen ist vollkommene Gerechtigkeit<br />
und um deine Macht wissen ist die Wurzel der Unsterblichkeit. Uns<br />
hat ja weder die schlimme Erfindung der Menschen irregeführt noch<br />
auch die unnütze Arbeit der Maler, eine mit bunten Farben beschmierte<br />
Gestalt, deren Anblick in dem Toren Begierden weckt, dass er nach der<br />
leblosen Gestalt eines toten Bildes verlangt. Liebhaber des Bösen und<br />
würdig solcher Hoffnungen sind alle, die sie anfertigen, nach ihnen verlangen<br />
und sie verehren.<br />
Da müht sich ein Töpfer ab, den Ton durch Kneten geschmeidig zu<br />
machen, und formt daraus allerlei zu unserem Gebrauch. Aus dem gleichen<br />
Ton aber bildet er sowohl Gefäße, die guten Zwecken dienen, als<br />
auch solche für das Gegenteil, alle in gleicher Weise. Welchem Zweck<br />
aber ein jedes von ihnen dienen soll, bestimmt der Töpfer. Und so bildet<br />
er mit übel angewandter Mühe aus dem gleichen Ton einen nichtigen<br />
Gott, er, der vor kurzem selbst aus Erde entstand und bald zu ihr zurückkehrt,<br />
woher er genommen ist, wenn das Darlehen der Seele von ihm<br />
zurückgefordert wird. Aber das macht ihm keine Sorge, dass er bald dahinsinken<br />
wird und ihm nur ein kurzes Leben beschieden ist. Vielmehr<br />
wetteifert er mit Goldarbeitern und Silberschmieden und ahmt den Erzgießer<br />
nach und macht sich eine Ehre daraus, Trugbilder anzufertigen.<br />
Asche ist sein Herz und nichtiger als Staub seine Hoffnung und wertloser<br />
als Lehm sein Leben, weil er den nicht erkannte, der ihn gebildet<br />
und ihm eine tätige Seele eingehaucht und den Lebensatem eingeblasen<br />
289 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
hat. Er meinte vielmehr, unser Dasein sei ein Spiel und unser Leben ein<br />
Gewinn bringender Jahrmarkt. Denn man müsse, so sagt er, woher auch<br />
immer, selbst aus dem Bösen, Gewinn ziehen. Ein solcher weiß ja besser<br />
als alle, dass er sündigt, wenn er aus dem gleichen irdenen Stoff zerbrechliche<br />
Gefäße und Götzenbilder formt.<br />
Alle aber sind ganz unverständig und elender als die Seele eines Kindes<br />
sind die Feinde deines Volkes, die es bedrücken, weil sie sogar alle<br />
Götzen der Völker für Götter hielten, die weder Augen zum Sehen haben<br />
noch Nasen zum Einatmen der Luft, noch Ohren zum Hören noch Finger<br />
an den Händen zum Tasten, und deren Füße zum Gehen untauglich<br />
sind. Hat sie doch ein Mensch gemacht und einer, dem der Atem selbst<br />
nur geliehen ist, hat sie geformt. Kein Mensch vermag ja einen Gott zu<br />
bilden, der auch nur ihm selbst gleich wäre. Als Sterblicher kann er mit<br />
frevelhaften Händen nur Totes schaffen. Er selbst ist besser als die Gegenstände,<br />
die er anbetet, weil er Leben hat, jene aber nicht. Sogar die widerwärtigsten<br />
Tiere verehren sie, die Dümmsten im Vergleich mit allen<br />
anderen. Auch sind sie nicht schön, dass man an ihnen, wie sonst beim<br />
Anblick von Tieren, Gefallen haben könnte. Vielmehr sind sie des Lobes<br />
Gottes und seines Segens verlustig gegangen.<br />
Kap. 16<br />
Getier:<br />
Qual und<br />
genussvolle<br />
Nahrung<br />
Bisse<br />
von Tieren:<br />
Rettung<br />
und Strafe<br />
Deshalb wurden die Ägypter mit Recht durch ähnliche Wesen gestraft<br />
und durch eine Menge von Ungeziefer gequält. Deinem Volk aber erwiesest<br />
du Wohltaten statt dieser Züchtigung. Auf ihr heftiges Verlangen hin<br />
gabst du als besondere Kost Wachteln zur Nahrung. Jene sollten, wenn sie<br />
nach Speise verlangten, wegen des scheußlichen Aussehens der gegen sie<br />
gesandten Tiere selbst die Esslust verlieren, diese aber, nach einer kurzen<br />
Entbehrung, sogar eine wunderbare Speise empfangen. Denn über<br />
jene, die Unterdrücker, sollte ein unabwendbarer Mangel kommen; diesen<br />
aber sollte nur gezeigt werden, wie sehr ihre Feinde gequält wurden.<br />
Auch damals, als über sie die grimme Wut der wilden Tiere kam und<br />
sie durch die Bisse der sich ringelnden Schlangen umzukommen drohten,<br />
währte dein Zorn nicht bis zum Ende. Vielmehr wurden sie nur zur<br />
Warnung auf kurze Zeit in Schrecken gesetzt und erhielten ein Zeichen<br />
der Rettung zur Erinnerung an die Vorschrift deines Gesetzes. Denn wer<br />
sich dorthin wandte, wurde gerettet, nicht durch das Geschaute, sondern<br />
durch dich, den Retter aller. Auch dadurch bewiesest du unseren Fein-<br />
Weish 0,00–0,00<br />
290
Vergegenwärtigung des Exodus<br />
den, dass du es bist, der aus jedem Leid erlöst. Jene töteten die Bisse der<br />
Heuschrecken und Stechfliegen und es fand sich kein Heilmittel für ihr<br />
Leben, weil sie es verdient hatten, durch solche Wesen gezüchtigt zu werden.<br />
Deinen Söhnen aber konnten nicht einmal die Zähne giftspritzender<br />
Schlangen schaden; denn dein Erbarmen trat dagegen auf und heilte<br />
sie. Nur um sie an deine Satzungen wieder zu erinnern, wurden sie gebissen<br />
und alsbald wieder geheilt, damit sie nicht in tiefes Vergessen verfielen<br />
und von deinem Wohltun abgezogen würden. Denn weder Kraut<br />
noch Pflaster machte sie gesund, sondern dein Wort, Herr, das alles heilt.<br />
Du hast ja Gewalt über Leben und Tod, führst hinab zu den Pforten der<br />
Unterwelt und wieder herauf. Ein Mensch kann wohl in seiner Bosheit<br />
einen Menschen töten, aber den entflohenen Geist bringt er nicht mehr<br />
zurück und befreit nicht die in die Unterwelt weggenommene Seele.<br />
Deiner Hand zu entrinnen, ist unmöglich. Gottlose, die leugneten,<br />
dich zu kennen, wurden durch die Macht deines Arms gezüchtigt;<br />
sie wurden durch ungewöhnliche Regengüsse, durch Hagel<br />
und furchtbare Gewitter verfolgt und durch Feuer verzehrt. Und was das<br />
seltsamste war: In dem Wasser, das sonst alles löscht, wütete das Feuer<br />
weit heftiger; denn die Schöpfung kämpft für den Gerechten. Bald wurde<br />
die Flamme gezähmt, damit sie nicht die gegen die Gottlosen gesandten<br />
Tiere verbrenne, sie selbst aber klar erkannten, dass sie durch Gottes<br />
Gericht verfolgt würden. Bald brannte sie selbst mitten im Wasser über<br />
die gewohnte Macht des Feuers hinaus, um die Erzeugnisse des gottlosen<br />
Landes zu vernichten.<br />
Stattdessen nährtest du dein Volk mit der Speise der Engel und reichtest<br />
ihnen unermüdlich fertiges Brot vom Himmel, das jeglichen Genuss<br />
gewährte und jedem Geschmack entsprach. Denn deine Gabe offenbarte<br />
deinen Kindern gegenüber deine Süßigkeit, indem sie dem Begehren<br />
dessen entgegenkam, der sie genoss, und sich in das verwandelte, was<br />
jeder wollte.<br />
Schnee und Eis widerstanden dem Feuer und schmolzen nicht, damit<br />
man merkte, dass das Feuer, das im Hagel brannte und in den Regengüssen<br />
blitzte, nur die Früchte der Feinde vernichtete, dass es jedoch seine<br />
eigene Kraft vergaß, damit Gerechte ernährt würden. Denn die Schöpfung,<br />
die dir, ihrem Schöpfer, untertan ist, wird zur Bestrafung der Sün-<br />
Vom<br />
Himmel<br />
Fallendes:<br />
Hagel<br />
und<br />
Manna<br />
291 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
der gesteigert; sie wird gemäßigt, um denen wohl zu tun, die auf dich<br />
vertrauen. Deshalb hat sie auch damals, in alles sich wandelnd, deiner<br />
allernährenden Gabe gemäß dem Wunsch der Bittenden gedient. Deine<br />
Söhne, die du liebst, Herr, sollten erfahren, dass nicht die mannigfachen<br />
Arten der Früchte den Menschen ernähren, sondern dass dein Wort die<br />
erhält, die auf dich vertrauen. Was nämlich das Feuer nicht vernichten<br />
konnte, schmolz sogleich, wenn es von einem flüchtigen Sonnenstrahl<br />
erwärmt wurde. Es sollte daraus erkannt werden, dass man mit der Danksagung<br />
gegen dich der Sonne zuvorkommen und schon gegen Aufgang<br />
des Lichts vor dir erscheinen muss. Denn die Hoffnung der Undankbaren<br />
schmilzt wie der Winterreif und verrinnt wie unbrauchbares Wasser.<br />
Kap. 17<br />
Finsternis:<br />
Angst oder<br />
Licht und<br />
Feuersäule<br />
Groß sind deine Gerichte und unerforschlich, daher verfielen unbelehrbare<br />
Seelen dem Irrtum. <strong>Die</strong> Frevler hatten nämlich geglaubt,<br />
ein heiliges Volk unterdrücken zu können; nun mussten<br />
sie daliegen, in Finsternis gefangen und von einer langen Nacht gefesselt,<br />
eingeschlossen in ihre Häuser, verbannt von der ewigen Vorsehung.<br />
Während sie sich mit ihren geheimen Sünden unter dem dunklen Schleier<br />
der Vergessenheit verborgen wähnten, wurden sie durch furchtbaren<br />
Schrecken auseinandergejagt und durch Trugbilder von Entsetzen ergriffen.<br />
Denn nicht einmal der Winkel, der sie umfing, bewahrte sie vor<br />
Furcht, sondern Schrecken erregende Geräusche umbrausten sie, und<br />
es erschienen düstere Gespenster mit finsteren Gesichtern. Keines Feuers<br />
Macht vermochte Licht zu schaffen, noch konnten die leuchtenden<br />
Flammen der Gestirne jene schauerliche Nacht erhellen. Nur ein von<br />
selbst entzündetes, Furcht erregendes Feuer leuchtete ihnen. In ihrer<br />
Angst hielten sie, wenn jene Erscheinung verschwand, das Geschaute für<br />
schlimmer, als es war. Machtlos waren die Gaukeleien der Zauberkünstler<br />
und die Probe auf das Wissen, mit dem sie prahlten, fiel jämmerlich aus.<br />
Denn sie, die Schrecken und Angst von kranken Gemütern zu bannen<br />
versprachen, krankten selbst an lächerlicher Furcht. Denn wenn auch gar<br />
nichts Furchtbares vorhanden war, das sie hätte erschrecken können, so<br />
wurden sie doch durch vorüberlaufendes Getier oder durch zischende<br />
Schlangen aufgescheucht und kamen fast vor Schrecken um und wollten<br />
nicht einmal in die Luft sehen, der man doch nirgends entrinnen kann.<br />
<strong>Die</strong> Bosheit erweist sich als feige und spricht sich selbst das Urteil.<br />
Durch das böse Gewissen bedrängt, nimmt sie stets das Schlimmste an.<br />
Weish 0,00–0,00<br />
292
Vergegenwärtigung des Exodus<br />
Kap. 18<br />
Denn Furcht ist nichts anderes als der Verzicht auf die von der Überlegung<br />
gebotenen Hilfsmittel. Je geringer aber im Herzen die Erwartung<br />
der Hilfe ist, für umso schlimmer hält sie die Unkenntnis über die Ursache,<br />
welche die Qual veranlasst. Jene aber, welche die ohnmächtige, aus<br />
den Tiefen der ohnmächtigen Unterwelt heraufgekommene Nacht wie<br />
immer schlafend verbringen wollten, wurden teils durch schreckliche<br />
Gespenster verfolgt, teils durch die Verzagtheit der Seele gelähmt; denn<br />
plötzliche und unerwartete Furcht kam über sie. So wurde jeder dort, wo<br />
er hinsank, festgehalten und in einem Kerker ohne Riegel eingeschlossen.<br />
Denn mochte es ein Landmann oder ein Hirt oder Taglöhner sein,<br />
der an einem einsamen Ort beschäftigt war: Von ihr überrascht, erlag<br />
er dem unentrinnbaren Zwang. Sie alle waren durch die eine Kette der<br />
Finsternis gefesselt. War es nun das Säuseln des Windes, der liebliche<br />
Gesang der Vögel im dichten Laubwerk, das Rauschen eines mächtig<br />
strömenden Wassers, das wilde Getöse herabstürzender Felsblöcke, das<br />
unsichtbare Laufen hüpfender Tiere, das Geheul brüllender wilder Bestien<br />
oder das aus den Schluchten der Berge zurückgeworfene Echo, alles<br />
versetzte sie in Schrecken und lähmte sie. Denn die ganze übrige Welt<br />
erstrahlte in glänzendem Licht und konnte sich unbehindert der Arbeit<br />
widmen. Nur über jene lag tiefe Nacht ausgebreitet, ein Bild der Finsternis,<br />
die sie aufnehmen sollte. Aber sie selbst waren sich mehr zur Qual<br />
als die Finsternis.<br />
Deine Heiligen aber befanden sich im hellsten Licht. Als jene ihre<br />
Stimme hörten, aber die Gestalten nicht sahen, priesen sie diese glücklich,<br />
dass sie nicht gelitten hatten. Sie dankten, dass sie ihnen trotz der<br />
früheren Misshandlungen keinen Schaden zufügten, und baten um Verzeihung<br />
für ihr feindliches Verhalten. Ihnen aber gabst du eine flammende<br />
Feuersäule als Führerin auf der unbekannten Reise und als nicht<br />
schadende Sonne auf der ruhmvollen Wanderschaft. Jene hatten es freilich<br />
verdient, des Lichtes beraubt und in Finsternis gefangen zu werden,<br />
da sie deine Söhne, durch die der Welt das unvergängliche Licht des Gesetzes<br />
gegeben werden sollte, in Gewahrsam gehalten hatten.<br />
Jenen aber, die beschlossen hatten, die Kinder der Heiligen zu töten,<br />
wobei nur ein Kind zwar ausgesetzt, aber gerettet worden war, nahmst<br />
du zur Strafe eine Menge ihrer Kinder und ließest sie zusammen in<br />
einer gewaltigen Wasserflut untergehen.<br />
Tod der<br />
Erstgeborenen:<br />
Tod in<br />
der Wüste<br />
293 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
Jene Nacht wurde unseren Vätern im Voraus angekündigt, damit sie in<br />
sicherer Kenntnis der eidlichen Zusicherungen, denen sie glaubten,<br />
guten Mutes sein konnten. So wurde nun von deinem Volk Rettung<br />
der Gerechten und Untergang der Feinde erwartet. Denn womit du<br />
die Gegner strafst, eben damit hast du uns verherrlicht, indem du uns<br />
riefst. Im Geheimen opferten ja die frommen Söhne trefflicher Eltern<br />
und verpflichteten sich einmütig auf das göttliche Gesetz, dass die Heiligen<br />
in gleicher Weise an den gleichen Gütern und an den gleichen Gefahren<br />
teilnehmen sollten, und stimmten schon im Voraus die Lobgesänge<br />
der Väter an. Es antwortete ihnen das misstönende Geschrei der<br />
Feinde und dazwischen hindurch tönte das Wehklagen über die betrauerten<br />
Kinder. Mit der gleichen Strafe wurde der Sklave wie der Herr gezüchtigt<br />
und der gemeine Mann erlitt das Gleiche wie der König. Durch<br />
die gleiche Todesart hatten alle unzählige Tote, sodass die Lebenden<br />
zum Begraben nicht ausreichten, da mit einem Schlag ihre vornehmsten<br />
Nachkommen dahingerafft wurden. <strong>Die</strong> bei allem wegen der Zauberkünste<br />
ungläubig geblieben waren, bekannten nun beim Untergang<br />
der Erstgeborenen, dass das Volk Gottes Sohn sei. Denn während tiefes<br />
Schweigen alles umfing und die Nacht in ihrem schnellen Lauf bis zur<br />
Mitte vorgerückt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel<br />
her, vom königlichen Thron, gleich einem wilden Krieger mitten in das<br />
dem Verderben geweihte Land. Als scharfes Schwert trug es deinen unwiderruflichen<br />
Befehl, trat hin und erfüllte alles mit Tod; es berührte<br />
den Himmel, während es auf der Erde dahinschritt. Damals wurden sie<br />
plötzlich durch Traumgebilde furchtbar in Schrecken versetzt und es<br />
überfiel sie unerwartete Angst. Der eine stürzte hier, der andere dort halb<br />
tot nieder und bekannte, aus welchem Grund er sterben müsste. Denn<br />
die Träume, die sie schreckten, hatten es zuvor angezeigt, damit sie nicht<br />
umkämen, ohne zu wissen, warum sie so Übles erlitten.<br />
Wohl traf auch die Gerechten eine Prüfung des Todes und eine große<br />
Menge wurde in der Wüste dahingerafft; aber der Zorn währte nicht<br />
lang. Denn alsbald trat ein untadeliger Mann als Vorkämpfer auf, indem<br />
er die Waffe seines Amtes trug, Gebet und sühnendes Räucherwerk. Er<br />
trat dem Zorn entgegen und machte der Plage ein Ende. So bewies er,<br />
dass er dein <strong>Die</strong>ner war. Nicht durch Körperkraft noch durch Gewalt der<br />
Waffen besiegte er ihren Unwillen, sondern durch das Wort unterwarf er<br />
den Strafenden, indem er an die den Vätern geschworenen Eide und an<br />
Weish 0,00–0,00<br />
294
Vergegenwärtigung des Exodus<br />
Kap. 19<br />
die Bündnisse erinnerte. Denn als die Toten schon haufenweise aufeinander<br />
lagen, trat er dazwischen und wehrte dem Wüten und versperrte<br />
ihm den Weg zu den Lebenden. Auf seinem herabwallenden Gewand war<br />
die ganze Welt dargestellt, die ruhmreichen Namen der Väter auf den<br />
vier Reihen geschnittener Steine und deine Herrlichkeit auf dem Diadem<br />
seines Hauptes. Davor wich der Verderber zurück, das scheute er;<br />
denn es genügte schon diese Probe des Zornes.<br />
Über die Gottlosen aber kam bis zum Ende unerbittlicher Zorn. Denn er<br />
wusste auch ihr zukünftiges Verhalten voraus, dass sie nämlich, obgleich<br />
sie selbst zum Auszug gedrängt und sie eilends entlassen hatten, sich bald<br />
anders besinnen und sie verfolgen würden. Während sie noch trauerten<br />
und an den Gräbern der Toten klagten, fassten sie schon einen anderen<br />
törichten Entschluss und verfolgten die wie Flüchtlinge, die sie mit flehentlichem<br />
Bitten fortgeschickt hatten. Es trieb sie das verdiente Verhängnis<br />
zu diesem Untergang und ließ sie das Geschehene vergessen, damit sie<br />
die an ihren Plagen noch fehlende Züchtigung vollständig machten. Dein<br />
Volk aber sollte eine wunderbare Wanderung erleben, während jene einen<br />
ungewöhnlichen Tod fänden.<br />
Denn die ganze Schöpfung wurde in ihrem Wesen aufs Neue gestaltet,<br />
um ganz besonderen Befehlen zu gehorchen, damit deine Kinder<br />
unversehrt erhalten blieben. Es erschien die Wolke, die das Lager überschattete,<br />
und es tauchte trockenes Land auf, wo vorher Wasser war, ein<br />
unversperrter Weg aus dem Roten Meer und eine grünende Flur aus der<br />
reißenden Flut. Darüber zogen mit allem Volk die von deiner Hand Beschirmten<br />
und sahen staunenswerte Wunder. Wie Pferde weideten sie<br />
und hüpften wie Lämmer und priesen dich, Herr, als ihren Retter. Denn<br />
sie dachten noch an ihre Erlebnisse im fremden Land, wie Mücken nicht<br />
von Tieren, sondern von der Erde hervorgebracht wurden, und der Fluss<br />
statt der Wassertiere eine Menge Frösche ausspie. Später sahen sie auch<br />
ein neuartiges Entstehen von Vögeln, als sie in ihrer Gier nach Leckerbissen<br />
verlangten. Denn zur Befriedigung ihrer Lust stiegen Wachteln<br />
vom Meer herauf.<br />
Auch die Strafen kamen über die Sünder nicht, ohne dass Zeichen<br />
durch heftige Donnerschläge vorausgegangen waren. Denn sie litten mit<br />
Recht für ihre bösen Taten. Hatten sie doch einen besonders schlimmen<br />
Fremdenhass gezeigt. Andere nahmen unbekannte Ankömmlinge nicht<br />
Untergang<br />
im Meer –<br />
Rettung<br />
durch das<br />
Meer<br />
295 Weish 0,00–0,00
Das Buch der Weisheit<br />
auf; diese aber machten Gäste, die ihre Wohltäter waren, zu Sklaven.<br />
Und nicht nur dies! Gewiss wird auch jene eine Strafe treffen, weil sie<br />
die Fremden gleich anfangs gehässig aufgenommen hatten. <strong>Die</strong>se aber<br />
hatten sie mit Festlichkeiten aufgenommen und dann, nachdem sie der<br />
gleichen Rechte teilhaft geworden waren, mit schwerem Frondienst geplagt.<br />
Sie wurden aber ebenso mit Blindheit geschlagen wie jene an der<br />
Tür des Gerechten, als sie von dichter Finsternis umgeben waren und<br />
jeder den Eingang zu seiner Tür suchte.<br />
<strong>Die</strong> Elemente wandeln nämlich sich selbst um,<br />
wie bei einem Saiteninstrument die Töne den Rhythmus ändern,<br />
während sie in ihrem Klang stets gleich bleiben.<br />
<strong>Die</strong>s lässt sich bei der Betrachtung der Geschehnisse deutlich erkennen.<br />
Denn Landtiere wurden in Wassertiere umgewandelt<br />
und schwimmende Tiere stiegen ans Land.<br />
Das Feuer zeigte im Wasser größere Kraft<br />
und das Wasser vergaß seine löschende Wirkung.<br />
Flammen wiederum verzehrten nicht das Fleisch<br />
leicht vergänglicher Wesen, die hineingerieten,<br />
noch ließ sich die leicht schmelzende, eisartige himmlische Nahrung<br />
schmelzen.<br />
Denn in allem hast du, Herr,<br />
dein Volk groß und herrlich gemacht, hast es nie vergessen<br />
und bist ihm zu jeder Zeit und an jedem Ort beigestanden.<br />
Weish 0,00–0,00<br />
296
301 Status<br />
Das<br />
Buch<br />
Jesus<br />
Sirach
3 vorwort des<br />
übersetzers<br />
5 erziehung zur<br />
weisheit und<br />
zu individuellen<br />
tugenden<br />
34 der grosse<br />
weisheitshymnus<br />
37 erziehung zur<br />
weisheit<br />
und zu sozialen<br />
tugenden<br />
61 die herrlichkeit<br />
gottes<br />
74 anhänge<br />
Sir 0,00–0,00<br />
300
vorwort des<br />
übersetzers<br />
301 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
Vieles und Großes ist uns durch das Gesetz, die Propheten und die<br />
anderen Schriften, die ihnen folgen, geschenkt worden, um derentwillen Israel<br />
wegen seiner Bildung und Weisheit zu loben ist. <strong>Die</strong> darin zu lesen verstehen,<br />
sollen nicht nur sich selbst bilden, sie sollen auch, wenn sie sich tiefer hinein<br />
versenken, andere durch Wort und Schrift fördern. Deshalb hat sich mein<br />
Großvater Jesus – nachdem er sich sorgfältig mit dem Gesetz, den Propheten<br />
und den übrigen von den Vätern überkommenen Schriften befasst und sich<br />
eine gründliche Kenntnis davon verschafft hatte – entschlossen, auch seinerseits<br />
etwas zu schreiben, was Bildung und Weisheit fördert. Auf diese Weise<br />
sollte, wer sich diese mit Lust und Liebe angeeignet hätte, mehr und mehr<br />
wachsen durch ein Leben nach dem Gesetz.<br />
So seid ihr nun gebeten, euch mit Wohlwollen und Aufmerksamkeit<br />
an die Lektüre zu begeben. Übt auch Nachsicht, wo die – obzwar mit Sorgfalt<br />
vorgenommene – Übersetzung vielleicht in ihrem Ausdruck unzulänglich ist.<br />
Denn es ist nicht das Gleiche, ob man etwas im hebräischen Urtext liest, oder<br />
ob es in eine andere Sprache übertragen wurde. Nicht nur dieses Buch, auch<br />
das Gesetz, die Propheten und die übrigen Schriften weisen keinen geringen<br />
Unterschied auf, wenn man sie in ihrer Ursprache liest. Ich fand, als ich im<br />
achtunddreißigsten Jahr des Königs Euergetes nach Ägypten kam und mich zu<br />
seiner Zeit dort aufhielt, nicht geringere Bildung vor. Darum scheute ich keinen<br />
Eifer und keine Mühe, dieses Buch zu übersetzen. So habe ich mich denn<br />
in der Zwischenzeit unermüdlich darangemacht, das Buch zu vollenden und<br />
für jene herauszugeben, die auch in der Fremde sich hineinvertiefen wollen<br />
und die sich vorgenommen haben, nach dem Gesetz zu leben.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
302
erziehung zur<br />
weisheit und<br />
zu individuellen<br />
tugenden<br />
303 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
das geheimnis der weisheit<br />
1<br />
Alle Weisheit stammt vom Herrn und ist bei ihm für immer. Den<br />
Sand des Meeres, die Tropfen des Regens und die Tage der Vorzeit, wer kann<br />
sie zählen? <strong>Die</strong> Höhe des Himmels, die Breite der Erde und die Tiefe des Meeres,<br />
wer kann sie ergründen?<br />
Früher als alle Dinge ist die Weisheit erschaffen, die verständige Einsicht<br />
seit Ewigkeit. [<strong>Die</strong> Quelle der Weisheit ist das Wort Gottes in den Höhen,<br />
und ihre Wege sind die ewigen Gebote.] <strong>Die</strong> Wurzel der Weisheit, wem wurde<br />
sie enthüllt, ihre Pläne, wer hat sie durchschaut? [<strong>Die</strong> Lehre der Weisheit, wem<br />
wurde sie offenbart, ihre vielfältigen Wege, wer hat sie erkannt?]<br />
Nur einer ist weise, Ehrfurcht gebietend: der da sitzt auf seinem<br />
Thron, der Herr. Er hat sie geschaut und gezählt, er hat sie ausgegossen über<br />
all seine Werke und alles Fleisch, gemäß seiner Gabe, er spendet sie denen, die<br />
ihn fürchten.<br />
gottesfurcht<br />
Den Herrn fürchten ist Ehre und Ruhm, Fröhlichkeit und ein Kranz<br />
zur Festfeier. <strong>Die</strong> Furcht vor dem Herrn erquickt das Herz, Freude gibt sie,<br />
Frohsinn und langes Leben. Dem, der den Herrn fürchtet, wird es wohl ergehen<br />
am Ende, am Tag seines Todes wird er gepriesen.<br />
Der Anfang der Weisheit ist die Furcht vor dem Herrn, den Getreuen<br />
wird sie im Mutterschoß gegeben. Bei den Menschen siedelte sie sich an<br />
auf sicherem Grund, und auch bei ihren Nachkommen wird sie festen Bestand<br />
haben. <strong>Die</strong> Fülle der Weisheit ist die Furcht vor dem Herrn, sie erquickt sie mit<br />
ihren Früchten. Ihr ganzes Haus füllt sie mit Kostbarkeiten, ihre Speicher mit<br />
ihren Erzeugnissen. <strong>Die</strong> Krone der Weisheit ist die Furcht vor dem Herrn, aufsprossen<br />
lässt sie Heil und Gesundheit. Verständnis und weise Einsicht lässt<br />
sie strömen, wer sie festhält, dem erhöht er den Ruhm. Wurzel der Weisheit ist<br />
die Furcht vor dem Herrn, ihre Zweige sind langes Leben.<br />
geduld und selbstbeherrschung<br />
<strong>Die</strong> Furcht vor dem Herrn nimmt die Sünden weg; wer in ihr verbleibt,<br />
wendet den Zorn ab. Der Zorn des Ungerechten kann ihn nicht rechtfertigen,<br />
denn das Gewicht seines Zorns bringt ihn zu Fall. Der Geduldige hält<br />
aus bis zur gegebenen Zeit, doch dann erfüllt ihn Freude. Bis zur rechten Zeit<br />
hält er mit seinen Worten zurück, dann werden die Lippen vieler seine Klugheit<br />
preisen.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
304
weisheit und rechtschaffenheit<br />
25<br />
Unter den Schätzen der Weisheit sind Sprüche voll Einsicht, ein<br />
Gräuel aber für den Sünder ist die Gottesfurcht. Begehrst du nach Weisheit, so<br />
halte die Gebote, und der Herr wird sie dir schenken. Denn Weisheit und Bildung<br />
bestehen in der Furcht vor dem Herrn, und sein Wohlgefallen sind Treue<br />
und Milde. Widerstrebe nicht der Furcht vor dem Herrn, und nahe ihr nicht<br />
mit zwiespältigem Herzen.<br />
Sei vor den Menschen kein Heuchler, und gib Acht auf deine Lippen.<br />
Überhebe dich nicht, damit du nicht fällst und Schande über dich bringst. Denn<br />
der Herr wird enthüllen, was du verbirgst, er wird dich stürzen inmitten der<br />
Gemeinde, weil du dich der Gottesfurcht genaht hast, obwohl dein Herz voll<br />
Trug war.<br />
gottesfurcht bei der prüfung<br />
2<br />
Mein Sohn, wenn du dem Herrn dienen willst, dann mach dich gefasst<br />
auf Prüfungen. Sei tapfer und stark, auch überstürze nichts in der Zeit<br />
der Heimsuchung. Hänge ihm an und weiche nicht ab, damit du erhöht wirst<br />
an deinem Ende. Alles, was über dich kommen mag, nimm an, halt aus in der<br />
Bedrängnis. Denn im Feuer wird das Gold geprüft, der Mensch aber, der Gott<br />
gefällt, im Ofen der Bedrängnis. So vertrau auf Gott und er wird sich deiner<br />
annehmen, geh auf geraden Wegen und hoffe auf ihn.<br />
<strong>Die</strong> ihr den Herrn fürchtet, hofft auf sein Erbarmen. Weicht nicht ab,<br />
damit ihr nicht fallt. <strong>Die</strong> ihr den Herrn fürchtet, vertraut auf ihn, und euer<br />
Lohn wird euch nicht entgehen. <strong>Die</strong> ihr den Herrn fürchtet, hofft auf Gutes,<br />
auf immerwährende Freude und Erbarmen. Schaut auf die Geschlechter der<br />
Vergangenheit und erkennt: Wer hat auf den Herrn vertraut und wurde verlassen?<br />
Oder wer verharrte in der Furcht vor ihm und wurde verlassen? Oder wer<br />
rief ihn an und er hätte ihn übersehen? Denn gnädig und barmherzig ist der<br />
Herr; er lässt die Sünden nach und hilft in bedrängten Zeiten. Weh den mutlosen<br />
Herzen und den schlaffen Händen und dem Sünder, der auf zweierlei<br />
Wegen geht! Weh dem schlaffen Herzen, weil es nicht vertraut; darum wird es<br />
ohne Schutz sein. Weh euch, die ihr die Hoffnung verloren habt, denn was werdet<br />
ihr tun, wenn der Herr euch heimsucht?<br />
<strong>Die</strong> den Herrn fürchten, sind nicht ungehorsam gegen sein Wort, und<br />
die ihn lieben, werden seine Wege einhalten. <strong>Die</strong> den Herrn fürchten, suchen<br />
sein Wohlgefallen, und die ihn lieben, sind vom Gesetz erfüllt. <strong>Die</strong> den Herrn<br />
fürchten, machen ihre Herzen bereit und ergeben sich ihm demütig. Wir wollen<br />
in die Hände Gottes fallen, aber nicht in die Hände von Menschen. Denn<br />
wie seine Größe, so ist auch sein Erbarmen, und wie sein Name, so sind auch<br />
seine Werke.<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
305 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
pflichten gegen die eltern<br />
3<br />
Hört, ihr Kinder, auf mich, den Vater, und handelt danach, dass ihr<br />
das Heil erlangt. Denn der Herr ehrt den Vater in seinen Kindern, und er stellt<br />
das Recht der Mutter über die Söhne sicher.<br />
Wer den Vater ehrt, erlangt Verzeihung der Sünden, und einem, der<br />
Schätze sammelt, gleicht, wer seine Mutter achtet. Wer den Vater ehrt, wird<br />
selbst Freude an Kindern erleben, und wenn er betet, wird er erhört werden.<br />
Wer den Vater hoch schätzt, wird viele Tage sehen, wer auf den Herrn hört, erweist<br />
seiner Mutter Ehre. Wer den Herrn fürchtet, ehrt seinen Vater. Er dient<br />
seinen Eltern wie Herren.<br />
Mein Sohn, in Wort und Werk ehre deinen Vater, damit sein Segen<br />
auf dich herabkommt. Der Segen des Vaters festigt das Haus der Kinder, doch<br />
der Fluch der Mutter wird die Fundamente ausreißen. Suche deinen Ruhm<br />
nicht in der Schmähung deines Vaters, denn deines Vaters Schande bringt kein<br />
Ansehen für dich. <strong>Die</strong> Ehre eines Menschen ist die Ehre seines Vaters, und<br />
schimpflich ist für die Kinder eine Mutter in Unehre. Mein Sohn, nimm dich<br />
deines Vaters im Alter an und betrübe ihn nicht, solange er lebt. Auch wenn<br />
sein Verstand abnimmt, sieh es ihm nach, und verachte ihn nicht, wenn du in<br />
der Blüte deiner Jahre stehst. Mitleid gegen den Vater wird nicht in Vergessenheit<br />
geraten, für deine Sünden wird es dir angerechnet. Am Tag der Prüfung<br />
wird Gott deiner gedenken, und wie Reif in der Wärme, so schmelzen deine<br />
Sünden dahin. Ein Frevler ist, wer seinen Vater im Stich lässt, und vom Herrn<br />
verflucht, wer seine Mutter erzürnt.<br />
demut<br />
Mein Sohn, führe deine Werke in Demut aus, und du wirst mehr geliebt<br />
werden als einer, der Gaben austeilt. Je größer du bist, desto mehr demütige<br />
dich, dann wirst du Gnade finden bei Gott. [Denn groß ist die Macht des<br />
Herrn, und den Demütigen enthüllt er seine Geheimnisse.] Denn groß ist die<br />
Macht Gottes, und von den Demütigen wird er geehrt.<br />
Was dir zu schwierig ist, suche nicht zu erforschen, und was über deine<br />
Kräfte geht, untersuche nicht. Was dir vorgeschrieben ist, daran denke und<br />
mühe dich nicht um das Verborgene. Was deine Kraft übersteigt, damit plage<br />
dich nicht, du hast Belehrung empfangen, die größer ist als das Begreifen der<br />
Menschen. Denn viele sind irregegangen in ihrem Hochmut, und schlimmer<br />
Wahn hat ihre Gedanken verwirrt. [Ohne Augapfel fehlt dir das Licht; des Wissens<br />
ledig, versuche nicht zu überzeugen.]<br />
Sir 0,00–0,00<br />
306
hochmut<br />
Ein trotziges Herz nimmt ein böses Ende, und wer die Gefahr liebt,<br />
kommt darin um. Ein trotziges Herz wird sich viel Leid schaffen, und der Sünder<br />
häuft Sünde auf Sünde. Für die Wunden des Stolzen gibt es keine Heilung,<br />
denn ein Gewächs der Bosheit ist, was in ihm gewachsen. Ein weises Herz ist<br />
aufgetan für die Sprüche der Weisen, und ein aufmerksames Ohr ist die Sehnsucht<br />
des Weisen.<br />
liebe zu den armen<br />
Ein loderndes Feuer löscht man mit Wasser; so sühnt barmherzige<br />
Liebe die Sünden. Wer Wohltaten erweist, denkt an die Zukunft, und am Tag,<br />
an dem er wankt, findet er eine Stütze.<br />
4<br />
Mein Sohn, verweigere dem Armen nicht den Lebensunterhalt, und<br />
lass die Augen des Bedrückten nicht verschmachten. Lass den Hungrigen nicht<br />
leiden, und verbittere niemand in seiner Ausweglosigkeit. Sei nicht hart gegen<br />
das Herz eines Unglücklichen und verweigere dem Bedürftigen nicht deine<br />
Gabe. Den Bedrängten, der hilflos ist, weise nicht ab, und wende deinen<br />
Blick nicht weg von dem Armen. Wende dein Auge nicht weg vom Bedürftigen,<br />
und gib ihm keinen Grund, dich zu verfluchen. Denn wenn er dich verflucht<br />
im Schmerz seiner Seele, so wird sein Schöpfer sein Flehen erhören. Mach<br />
dich beliebt in der Gemeinde, und beuge das Haupt vor dem Hochgestellten.<br />
Öffne dem Armen dein Ohr, und erwidere ihm leutselig den Gruß. Rette den<br />
Bedrängten vor seinen Bedrängern, und sei nicht kleinmütig in deinem Urteilsspruch.<br />
Sei wie ein Vater den Waisen und wie ein Gatte den Witwen. Dann<br />
wirst du wie ein Sohn des Höchsten sein, er wird dich mehr lieben als deine<br />
Mutter.<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
erziehung durch weisheit<br />
<strong>Die</strong> Weisheit erzieht ihre Söhne und nimmt auf, die sie suchen. Wer<br />
sie liebt, liebt das Leben, und die sie vom Morgen an suchen, werden mit Freude<br />
erfüllt. Wer sie ergreift, wird Ehre erlangen, und wohin er auch geht, segnet<br />
ihn der Herr. Der <strong>Die</strong>nst an ihr ist <strong>Die</strong>nst am Heiligtum; die sie lieben,<br />
liebt der Herr. Wer auf sie hört, wird gerecht richten, wer sich nach ihr richtet,<br />
wird in Sicherheit wohnen. Wenn er auf sie vertraut, wird er sie als Erbteil erlangen,<br />
und auch seine Nachkommen werden sie besitzen. Denn zuerst führt<br />
sie ihn auf gewundenem Pfad, lässt Furcht und Zittern über ihn kommen. Und<br />
setzt ihm zu mit ihrer Zucht, bis sie ihm vertrauen kann, und prüft ihn durch<br />
307 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
ihre Vorschriften. Dann aber führt sie ihn wieder auf geradem Weg und enthüllt<br />
ihm ihre Geheimnisse. Weicht er ab, so verlässt sie ihn und gibt ihn seinem<br />
Verderben preis.<br />
echte und falsche scham<br />
Mein Sohn, achte auf die rechte Zeit und hüte dich vor dem Bösen!<br />
Du sollst dich deiner selbst nicht schämen müssen. Eine Scham gibt es, die zur<br />
Sünde führt, wie es eine Scham gibt, die Ehre und Ruhm einträgt.<br />
Sei nicht parteiisch gegen dich selbst, und habe keine falsche Scham,<br />
dir selbst zum Schaden. Halte das Wort nicht zurück, wenn es retten kann, und<br />
halte deine Weisheit nicht verborgen. Denn in der Rede tut sich die Weisheit<br />
kund, und die Einsicht durch die Antwort der Zunge. Widerspreche nicht der<br />
Wahrheit; deiner Unwissenheit sollst du dich schämen. Schäme dich nicht, deine<br />
Sünden zu bekennen, und stelle dich nicht der Strömung des Flusses entgegen.<br />
Unterwerfe dich nicht dem Toren, und nimm keine Rücksicht auf einen<br />
Mächtigen. Bis zum Tod streite für die Wahrheit, und Gott, der Herr, wird<br />
für dich kämpfen. Sei nicht prahlerisch mit deiner Zunge und schlaff und matt<br />
in deinen Taten. Sei nicht wie ein Löwe in deinem Haus, aber ein Feigling mit<br />
deinen Knechten.<br />
reichtum und vermessenheit<br />
Deine Hand sei nicht offen zum Nehmen<br />
und verschlossen zum Geben.<br />
5<br />
Verlass dich nicht auf deinen Reichtum, und sprich nicht: Ich habe<br />
genug. Folge nicht deiner Neigung und deinem Vermögen, um nach den Begierden<br />
deines Herzens zu leben. Sage nicht: Wer hat Macht über mich? Denn<br />
der Herr wird nicht säumen, dich zu bestrafen. Sage nicht: Ich habe gesündigt,<br />
doch was ist mir geschehen? Denn der Herr hat einen längeren Atem. Sei der<br />
Vergebung nicht so sicher, dass du Sünde auf Sünde häufst. Sage nicht: Seine<br />
Barmherzigkeit ist groß, er wird mir auch die Menge meiner Sünden verzeihen.<br />
Zwar ist Barmherzigkeit bei ihm, aber auch Zorn, und auf den Sündern<br />
ruht sein Grimm. Zögere nicht, dich zum Herrn zu bekehren, und verschieb es<br />
nicht Tag um Tag. Denn der Zorn des Herrn bricht plötzlich aus, und du wirst<br />
in der Zeit der Vergeltung dahingerafft. Vertraue nicht auf unrecht erworbene<br />
Schätze, denn sie nützen nichts am Tag des Zorns.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
308
eständigkeit und selbstbeherrschung<br />
Worfle nicht bei jedem Wind, und geh nicht auf jedem Pfad. [So<br />
macht es der doppelzüngige Sünder.] Bleibe fest bei deiner Überzeugung, eindeutig<br />
sei deine Rede. Sei schnell bereit zum Hören, aber mit Bedächtigkeit<br />
gib Antwort. Wenn du etwas weißt, so antworte deinem Mitmenschen, wenn<br />
nicht, so lege die Hand auf deinen Mund. Ehre und Schmach liegen in der Rede,<br />
des Menschen Zunge ist sein Untergang. Dass man dich nicht doppelzüngig<br />
nennen muss und du kein hinterhältiger Schwätzer bist! Denn wenn für den<br />
<strong>Die</strong>b Schande bestimmt ist, trifft den Doppelzüngigen harte Verurteilung. Im<br />
Kleinen wie im Großen verfehle dich nicht, und werde nicht aus einem Freund<br />
zum Feind.<br />
6<br />
Schlechten Ruf und Schande bringt die Schmährede hervor, ebenso<br />
ergeht es dem Doppelzüngigen. Verfalle nicht der Macht deiner Gier, damit sie<br />
dich nicht abweidet wie ein Stier. Dein Laub wird sie fressen und deine Früchte<br />
verderben und dich zurücklassen wie einen dürren Baum. Eine leidenschaftliche<br />
Seele richtet ihren Besitzer zugrunde und macht ihn zum Gespött seiner<br />
Feinde.<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
freundschaft<br />
Sanfte Rede erwirbt viele Freunde, und eine freundliche Zunge vermehrt<br />
die Umgänglichkeit. Viele mögen es sein, die in Frieden mit dir leben,<br />
dein Vertrauter aber sei nur einer unter tausend.<br />
Erwirbst du einen Freund, erwirb ihn durch Erprobung, und schenk<br />
ihm dein Vertrauen nicht allzu schnell. Denn mancher ist ein Freund je nach<br />
der Zeit und hält nicht stand am Tag der Not. Mancher Freund wird zum Feind<br />
und bringt den schmählichen Streit mit dir an den Tag. Mancher ist nur<br />
Freund als Tischgenosse, aber am Tag des Unheils ist er nicht mehr zu finden.<br />
In deinem Glück ist er eins mit dir und tritt freimütig vor deinem Gesinde auf.<br />
Wenn es dir schlecht geht, dann wendet er sich gegen dich und hält sich vor<br />
dir verborgen. Von deinen Feinden halte dich fern, und vor deinen Freunden<br />
sei auf der Hut. Ein treuer Freund ist eine starke Stütze, wer einen solchen findet,<br />
hat ein Vermögen gefunden. Für einen treuen Freund gibt es keinen Preis,<br />
und nichts wiegt seinen Wert auf. Wie ein Beutel des Lebendigen ist ein treuer<br />
Freund; wer den Herrn fürchtet, findet ihn. Wer den Herrn fürchtet, hält<br />
rechte Freundschaft, denn wie er selbst, so ist auch sein Freund.<br />
309 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
streben nach weisheit<br />
Mein Sohn, von deiner Jugend an lerne Zucht, und du wirst Weisheit<br />
erwerben, bis du ergraut bist. Wie einer, der pflügt und mäht, so pflege sie, und<br />
warte auf ihre herrlichen Früchte. Du wirst mit ihrer Pflege nur wenig Mühe<br />
haben und bald ihre Früchte genießen.<br />
Rau erscheint sie den Toren, und nicht hält es bei ihr aus, wer ohne<br />
Einsicht ist. Wie ein schwerer Stein liegt sie auf ihm, und er zögert nicht, sie<br />
abzuwerfen. Denn die Zucht ist wie ihr Name, und es gibt nicht viele, denen<br />
sie liegt. Höre, mein Sohn, nimm meine Lehre an, und verschmäh nicht meinen<br />
Rat. Bring deine Füße in ihre Fessel und unter ihr Joch deinen Hals. Beuge<br />
deinen Nacken, sie zu tragen, und werde ihre Stricke nicht leid. Mit ganzem<br />
Herzen schreite auf sie zu, und mit all deiner Kraft halte ihre Wege ein. Spüre<br />
ihr nach und suche und sie wird dir kund; hast du sie aber gefasst, so lasse sie<br />
nicht wieder los. Denn schließlich wirst du bei ihr Ruhe finden, und sie wird<br />
sich dir in Freude verwandeln. Ihre Fesseln werden dir zu einem mächtigen<br />
Schutz und ihre Stricke zu einem Prachtgewand. Ein Goldschmuck ist ihr Joch,<br />
und ihre Stricke sind ein Purpurband. Als Prachtgewand wirst du sie anlegen<br />
und wie eine Ehrenkrone sie aufsetzen. Wenn es dir gefällt, mein Sohn, kannst<br />
du belehrt werden, und wenn du deinen Sinn darauf richtest, wirst du klug.<br />
Wenn du bereit bist zuzuhören, wirst du lernen, und wenn du dein Ohr neigst,<br />
weise werden.<br />
Verweile gern im Kreis der Alten, und wer weise ist, dem gesell dich<br />
zu. Höre gern jedes Wort, das von Gott kommt, und lass dir keinen Weisheitsspruch<br />
entgehen. Sieh dich um, wer Einsicht hat und suche ihn auf, dein Fuß<br />
soll ihm die Türschwellen abtreten. Betrachte die Vorschriften des Herrn, und<br />
über seine Gebote sinne allezeit nach. Dann wird er dein Herz aufrichten, und<br />
die Weisheit, nach der du verlangst, wird dir gewährt.<br />
ratschläge verschiedener art<br />
7<br />
Tue nichts Böses, so trifft dich nichts Böses, halte dich fern von der<br />
Sünde und sie weicht von dir. Säe nicht in den Furchen des Unrechts, damit<br />
du es nicht siebenfach ernten wirst. Begehre von Gott kein Herrscheramt und<br />
ebenso wenig vom König einen Ehrenplatz. Halte dich nicht für gerecht vor<br />
dem Herrn, und tu nicht weise vor dem König. Begehre nicht danach, ein Herrscher<br />
zu werden, wenn du die Kraft nicht hast, das Unrecht auszurotten. Du<br />
würdest zuviel Rücksicht nehmen vor dem Mächtigen und Anstoß erregen trotz<br />
deiner Rechtschaffenheit.<br />
Lass dir nichts zuschulden kommen bei der Versammlung am Tor,<br />
und komm nicht zu Fall vor der Gemeinde. Sinne nicht darauf, die Sünde zu<br />
wiederholen; denn schon bei einer bleibst du nicht straffrei. Sage nicht: Gott<br />
Sir 0,00–0,00<br />
310
wird auf die Menge meiner Gaben sehen, und er wird sie annehmen, wenn ich<br />
sie dem Höchsten bringe. Sei nicht kleinmütig beim Gebet, und sei nicht säumig<br />
beim Wohltun.<br />
Verlache keinen Menschen, dessen Herz verbittert ist; denn einer ist<br />
es, der ihn erniedrigt und erhöht. Ersinne keine Lüge gegen deinen Bruder,<br />
ebenso wenig wie gegen deinen Freund. Es missfalle dir jede Lüge; denn aus<br />
ihr kann nichts Gutes hervorgehen. Sei nicht schwatzhaft in der Versammlung<br />
der Ältesten, und wiederhole deine Worte nicht beim Gebet.<br />
Verachte nicht die mühevolle Arbeit auf dem Acker; denn der Höchste<br />
hat sie verordnet. Überschätze dich nicht vor dem Volk; denke an den Zorn,<br />
der nicht ausbleibt. Tief demütige dich, denn Feuer und Würmer sind die Strafe<br />
für den Gottlosen.<br />
Wechsle einen Freund nicht für Geld und einen wahren Bruder nicht<br />
für Ofirgold. Verachte nicht eine weise und gute Frau; denn ihre Anmut geht<br />
über Gold. Misshandle keinen Sklaven, der treu arbeitet, ebenso wenig den<br />
Taglöhner, der sich für dich einsetzt. Einen klugen Sklaven liebe wie dich selbst<br />
und verweigere ihm die Freilassung nicht.<br />
kinder<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
Hast du Vieh, so achte darauf; und wenn es brauchbar ist, so behalte<br />
es. Hast du Söhne, so halte sie in Zucht, und beuge ihren Nacken von Jugend<br />
auf. Hast du Töchter, so behüte ihren Leib, zeige dich ihnen nicht allzu freundlich.<br />
Verheirate deine Tochter, so hast du ein großes Werk vollbracht, doch verheirate<br />
sie nur mit einem verständigen Mann. Hast du eine Frau, so verstoße<br />
sie nicht, aber wenn du sie nicht liebst, schenk ihr kein Vertrauen.<br />
eltern<br />
Von ganzem Herzen ehre deinen Vater, und vergiss niemals die<br />
Schmerzen deiner Mutter. Denke daran, dass du durch sie geworden bist; wie<br />
wirst du ihnen vergelten, was sie für dich für getan haben?<br />
priester<br />
Mit deinem ganzen Herzen fürchte den Herrn, und halt seine Priester<br />
in Ehren. Mit deiner ganzen Kraft liebe deinen Schöpfer, und lass seine<br />
<strong>Die</strong>ner nicht im Stich. Fürchte den Herrn und achte den Priester, entrichte<br />
ihm den Anteil, wie dir geboten ist von Anfang an: das Schuldopfer, die Opfergabe<br />
der Schulterteile, Heiligkeitsopfer und Erstlingsgabe.<br />
311 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
arme und leidende<br />
Auch dem Armen streck deine Hand entgegen, damit dein Segen vollkommen<br />
sei. Schenk deine Gabe jedem Lebenden, selbst dem Toten versage<br />
deine Liebe nicht. Entziehe dich nicht den Weinenden, und mit den Trauernden<br />
trauere auch du. Scheue dich nicht, die Kranken zu besuchen, denn aus<br />
solchem Tun wirst du Liebe gewinnen. Bei all deinen Werken denke an das<br />
Ende, so wirst du nie eine Sünde begehen.<br />
klugheit und bedachtsamkeit<br />
8<br />
Streite nicht mit einem Mächtigen; damit du ihm nicht in die Hände<br />
fällst. Streite nicht mit einem Reichen, damit er nicht sein Geld gegen dich<br />
ausspielt. Denn viele schon hat das Gold verdorben, die Herzen der Könige hat<br />
es gebeugt. Streite dich nicht mit einem Schwätzer, und lege nicht noch Holz<br />
aufs Feuer. Scherze nicht mit einem Toren, damit deine Ahnen nicht beschimpft<br />
werden. Beschäme keinen, der sich von der Sünde bekehrt hat; denke<br />
daran, dass wir alle schuldig sind. Beschimpfe keinen alten Mann, denn<br />
auch von uns werden manche alt werden. Freue dich nicht, wenn einer gestorben<br />
ist; bedenke, dass wir alle dahingerafft werden. Verachte die Worte der Weisen<br />
nicht, stütze dich vielmehr auf ihre Sinnsprüche. Denn von ihnen wirst du<br />
Bildung empfangen, sodass du vor Fürsten bestehen kannst. Verschmähe nicht,<br />
was du von den Alten hören kannst, denn auch sie haben es wieder von ihren<br />
Vätern vernommen. Denn so wirst du Einsicht gewinnen, um zur rechten Zeit<br />
Antwort geben zu können. Lege kein Feuer auf die Kohlen des Sünders, damit<br />
du nicht in der Flamme seines Feuers verbrennst. Lass dich nicht von einem<br />
Spötter zum Äußersten hinreißen, dies wäre eine Falle, dir vor deinen Mund<br />
gestellt. Borge keinem, der mächtiger ist als du; hast du aber geborgt, so betrachte<br />
dich als Verlierer. Bürge nicht über dein Vermögen; hast du gebürgt, so<br />
kümmere dich darum, als ob du bereits bezahlen müsstest. Streite mit keinem<br />
Richter, denn er richtet nach seinem Belieben. Mit einem Verwegenen habe<br />
keinen Umgang, damit du nicht Unglück über dich bringst. Denn dieser geht<br />
nach seinem eigenen Kopf, und du wirst durch seine Torheit mit zugrunde gehen.<br />
Mit einem Jähzornigen fange keinen Streit an, und durchwandere nicht<br />
mit ihm die Wüste. Denn leicht wiegt in seinen Augen die Blutschuld; und wo<br />
kein Helfer ist, bringt er dich um. Mit einem Toren führe kein vertrauliches<br />
Gespräch, denn er vermag nichts geheim zu halten. Vor einem Fremden tue<br />
nichts, was geheim bleiben soll; denn du weißt nicht, was er aushecken wird.<br />
Nicht einem jeden öffne dein Inneres, und stoße das Glück nicht von dir.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
312
frauen<br />
9<br />
Hege nicht Eifersucht gegen die Frau an deinem Herzen, und lehre<br />
sie dadurch nicht, Böses gegen dich zu tun. Liefere dich nicht einer Frau aus,<br />
dass sie dir nicht über den Kopf wächst. Geh nicht zu einer Dirne, dass du nicht<br />
in ihre Netze fällst. Mit einer Saitenspielerin liege nicht zu Tisch, dass du nicht<br />
durch ihre Künste gefangen wirst. Gib dich nicht zuviel mit einem Mädchen<br />
ab, damit du nicht seinetwegen straffällig wirst. Gib dich nicht mit einer Dirne<br />
ab, damit sie dich nicht um dein Erbe bringt. Halte nicht Umschau an den<br />
Zugängen der Stadt, und streife nicht umher in ihren abgelegenen Winkeln.<br />
Verhülle das Auge vor einer schönen Frau, und schau auf keine Schönheit, die<br />
nicht dein Eigen ist. Durch die Schönheit einer Frau sind schon viele ins Verderben<br />
gestürzt, wie Feuer entflammt an ihr die Leidenschaft. Mit einer Ehefrau<br />
sitze nicht zusammen, und liege nicht berauscht mit ihr zu Tisch, damit<br />
du ihr nicht das Herz zuneigst und du in deiner Leidenschaft zugrunde gehst.<br />
verhältnis von mann zu mann<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
Gib einen alten Freund nicht auf, denn ein neuer wiegt ihn nicht auf.<br />
Neuer Wein – neuer Freund: Erst wenn er alt geworden ist, magst du ihn mit<br />
Wohlbehagen trinken.<br />
Sei nicht neidisch auf den Erfolg des Sünders, denn du weißt nicht,<br />
wie es enden wird. Habe keinen Gefallen am Erfolg der Gottlosen, bedenk, dass<br />
sie nicht bis zum Tod straffrei bleiben. Halte dich zurück von einem Mann,<br />
der die Macht hat, zu töten, so hast du die Schrecken des Todes nicht zu fürchten.<br />
Kommst du aber mit ihm zusammen, so beobachte ihn gut, damit er dir<br />
nicht das Leben nimmt. Wisse, dass du zwischen Schlingen einhergehst und<br />
über eine Fanggrube schreitest.<br />
So gut du kannst, antworte deinem Mitmenschen, und berate dich<br />
mit Weisen. Mit den Einsichtsvollen stelle deine Überlegungen an, und jede<br />
deiner Beratungen stehe im Einklang mit dem Gesetz des Höchsten. Gerechte<br />
Männer seien deine Tischgenossen, und dein Ruhm bestehe in der Furcht<br />
vor dem Herrn. Ein Werk aus der Hand des Künstlers verdient Lob, der Herrscher<br />
des Volkes aber sei, wer gut zu reden weiß. Ein Schrecken in der Stadt ist<br />
der Maulheld, und verhasst ist der Schwätzer.<br />
313 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
der weise herrscher<br />
10<br />
Ein weiser Herrscher festigt sein Volk, und die Regierung eines Einsichtigen<br />
ist wohl geordnet. Wie der Herrscher des Volkes, so sind auch seine<br />
Beamten, und wie das Haupt der Stadt, so auch die Bewohner. Ein König ohne<br />
Zucht richtet die Stadt zugrunde, bevölkert aber wird die Stadt durch die Klugheit<br />
ihrer Regenten. In der Hand des Herrn liegt die Herrschaft über den Erdkreis,<br />
zur rechten Zeit setzt er den rechten Mann über ihn ein. In der Hand des<br />
Herrn liegt das Gelingen für einen jeden, und er verleiht dem Gesetzgeber seine<br />
Würde.<br />
gegen überheblichkeit<br />
Hege keinen Groll gegen deinen Nächsten, wie seine Fehler auch seien,<br />
und lass dich nicht auf übermütige Handlungen ein. Verhasst ist dem<br />
Herrn und den Menschen der Übermut, und beide erachten das Unrecht als<br />
Frevel. <strong>Die</strong> Herrschaft geht über von Volk zu Volk wegen Unrecht, Gewalttat<br />
und Geld. Wie kommt der Mensch aus Staub und Asche dazu, sich zu überheben,<br />
da doch sein Leib schon zu seinen Lebzeiten verwest? Eine lange Krankheit<br />
spottet des Arztes; König heute – morgen tot. Stirbt der Mensch, werden<br />
ihm zuteil Maden, Geschmeiß und Gewürm.<br />
Der Übermut fängt an, wenn der Mensch den Herrn verlässt und von<br />
seinem Schöpfer das Herz abwendet. Der Anfang des Übermuts ist die Sünde;<br />
wer an ihr festhält, fließt über von Schandtaten. Darum lässt der Herr Schandtaten<br />
ergehen und vernichtet den Sünder völlig. Den Thron der Stolzen stürzt<br />
Gott um, die Bedrückten aber setzt er an ihre Stelle. Der Herr entwurzelt die<br />
Stolzen und pflanzt an ihre Stelle die Demütigen. Das Gebiet der Völker zerstört<br />
der Herr, und er vernichtet sie bis auf den Grund der Erde. Er fegt sie weg<br />
von der Erde und rottet sie aus, und von der Erde getilgt ist ihr Gedächtnis.<br />
Nicht ziemt sich für den Menschen der Hochmut, noch frecher Zorn für die,<br />
die von einer Frau geboren sind.<br />
achtung und ehre<br />
Welches Geschlecht ist geachtet? Das der Menschen. Welches Geschlecht<br />
ist geachtet? Das der Gottesfürchtigen. Welches Geschlecht ist verachtet?<br />
Das der Menschen. Welches Geschlecht ist verachtet? Das der Gesetzesübertreter.<br />
Im Kreise von Brüdern ist ihr Oberhaupt geehrt, aber der Gottesfürchtige<br />
in den Augen Gottes. [<strong>Die</strong> Furcht des Herrn ist der Anfang der Annahme<br />
durch Gott, aber der Anfang der Verwerfung sind Verhärtung und Überheblichkeit.]<br />
Der Reiche, der Angesehene und der Arme: ihr Ruhm ist die Furcht<br />
Sir 0,00–0,00<br />
314
vor dem Herrn. Nicht darf man den Armen, der weise ist, verachten, nicht darf<br />
man einen Sünder ehren. Fürst, Herrscher und Machthaber werden geehrt,<br />
doch keiner ist größer, als wer den Herrn fürchtet. Einem verständigen Sklaven<br />
dienen Freie, doch ein einsichtiger Mensch wird nicht aufbegehren.<br />
demut und wahrheit<br />
Spiel nicht den Weisen, wenn du deine Arbeit tust, und rühm dich<br />
nicht, während du in Not bist. Besser, wer arbeitet und Überfluss genug hat,<br />
als wer sich rühmt und nichts zu essen hat.<br />
Mein Sohn, in Demut ehre dich selbst, und gib dir das Ansehen, das<br />
du verdienst. Wer sich selbst unrecht tut, wer wird den für gerecht halten?<br />
Und wer wird den ehren, der sich selber die Ehre abspricht? Es gibt Arme, die<br />
sind angesehen wegen ihrer Klugheit, und es gibt Leute, die sind geehrt wegen<br />
ihres Reichtums. Wer schon als Armer geehrt ist, um wie viel mehr, wenn<br />
er reich wäre? Wer auch als Reicher verachtet ist, um wie viel mehr, wenn er<br />
arm wäre?<br />
nicht dem anschein trauen<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
11<br />
<strong>Die</strong> Weisheit des Geringen erhebt sein Haupt und lässt ihn zwischen<br />
Fürsten sitzen. Lobe keinen Menschen um seiner Schönheit willen, und verachte<br />
keinen Menschen um seines Aussehens willen. Unansehnlich unter den<br />
geflügelten Tieren ist die Biene, doch was sie hervorbringt, ist von erlesener<br />
Süße. Sei nicht stolz auf die Kleider, die du trägst, und werde nicht stolz, wenn<br />
man dich ehrt. Denn unbegreiflich sind die Werke des Herrn, und den Menschen<br />
verborgen ist sein Walten.<br />
Viele, die herrschten, mussten auf dem Erdboden sitzen, und mancher,<br />
dessen niemand gedachte, trug eine Krone. Viele, die mächtig waren, wurden<br />
verachtet, und Leute, die in Ehren standen, wurden der Gewalt eines anderen<br />
preisgegeben.<br />
bedachtsamkeit und ruhe<br />
Ehe du nicht nachgeprüft hast, mach keine Vorwürfe, untersuche zuerst<br />
und nachher tadle. Antworte nicht, bevor du zugehört hast, und während<br />
einer Darlegung rede nicht dazwischen. Um eine Sache, die dich nichts angeht,<br />
streite nicht, und am Streit der Gottlosen beteilige dich nicht.<br />
Mein Sohn, unternimm nicht viele Geschäfte. Wenn du sie mehrst,<br />
bleibst du nicht frei von Schuld. Selbst wenn du rennst, kommst du nicht ans<br />
315 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
Ziel, und wenn du fliehst, kannst du doch nicht entkommen. Da ist einer, der<br />
sich müht und quält und abhastet, doch umso mehr bleibt er zurück.<br />
vertrauen auf gott allein<br />
Da ist einer, entkräftet und der Hilfe bedürftig, arm an Stärke und<br />
reich an Schwäche, Doch das Auge des Herrn schaut ihn gütig an, und er hebt<br />
ihn aus seinem Elend. Er erhebt sein Haupt, dass viele über ihn staunen.<br />
Gutes und Böses, Leben und Tod, Armut und Reichtum kommen vom<br />
Herrn. [Weisheit, Wissen und Erkenntnis des Gesetzes kommen vom Herrn,<br />
Liebe und Wandel in guten Werken kommen von ihm. Torheit und Finsternis<br />
sind für die Sünder erschaffen; bei denen, die sich des Bösen freuen, wird das<br />
Böse alt.] <strong>Die</strong> Gabe des Herrn hat Bestand für die, die ihn fürchten, und sein<br />
Wohlgefallen sichert das Gedeihen für immer.<br />
Da ist einer, der reich wurde, weil er sich abgeplagt und gegeizt hat,<br />
und das wird sein Lohn sein: Am Tag, an dem er sagt: Ich habe nun Ruhe gefunden,<br />
und so will ich jetzt meine Güter genießen. Da weiß er nicht, welche<br />
Frist ihn gesetzt ist, und er hinterlässt es einen anderen, denn er muss sterben.<br />
Bleibe bei deiner Pflicht und hab deine Freude daran, werde alt in<br />
deiner Beschäftigung. Bewundere nicht die Werke des Sünders, vertraue auf<br />
den Herrn und harre aus in deiner Arbeit. Denn leicht ist es in den Augen Gottes,<br />
schnell und unvermutet den Armen reich zu machen. Der Segen des Herrn<br />
ist der Lohn des Gerechten, zur bestimmten Zeit lässt Gott seinen Segen erblühen.<br />
Sage nicht: Was brauche ich noch, was kann mir noch entgehen? Sage<br />
nicht: Ich bin versorgt, welches Unglück kann mich noch treffen? Ein Glückstag<br />
lässt das Unglück vergessen, und ein Unglückstag lässt das Glück vergessen.<br />
Leicht ist in den Augen des Herrn, am Tag des Todes dem Menschen nach<br />
seinen Taten zu vergelten. Schlimme Zeit lässt die Lust vergessen, und das Ende<br />
des Menschen offenbart sein Tun. Vor dem Tod preise niemand glücklich, denn<br />
an seinem Ende erkennt man den Menschen.<br />
vorsicht gegenüber fremden<br />
Nicht jeden Menschen bringe ins Haus, denn zahlreich sind die Listen<br />
des Hinterhältigen. Wie ein im Korb gefangenes Rebhuhn ist das Herz des<br />
Stolzen, es gleicht einem Spion, der nach einer Bresche späht. Gutes verkehrt<br />
ins Böse der Verleumder, noch an den besten Dingen hat er zu mäkeln. Ein<br />
Funken entzündet Kohlenglut, und ein nichtsnutziger Mensch lauert auf Blut.<br />
Hüte dich vor einem Bösewicht, denn er sinnt auf Böses, auf dass er dir nicht<br />
einen ewigen Makel beibringt. Nimm einen Fremden in dein Haus – er wird<br />
dir Verwirrung bringen und dich deinen Angehörigen entfremden.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
316
gutes tun<br />
12<br />
Wenn du Gutes tust, wisse, wem du es tust, und du wirst für deine<br />
Wohltaten Dank ernten. Tue dem Gerechten Gutes und du wirst Dank finden,<br />
wenn nicht bei ihm, so doch beim Höchsten. Wohltaten sind nicht am Platz<br />
bei dem, der im Bösen verharrt und sich weigert, Gutes zu tun. Gib dem Gerechten,<br />
und komm dem Sünder nicht zu Hilfe. Tue Gutes dem Demütigen,<br />
und gib nicht dem Gottlosen. Verweigere ihm sein Brot, gib es ihm nicht, er<br />
würde sonst stärker als du. Doppeltes Unheil wird dich treffen für all das Gute,<br />
das du ihm erwiesen hast. Denn der Höchste hasst doch die Sünder, und an<br />
den Frevlern übt er Vergeltung. Gib dem guten Menschen, einem Sünder aber<br />
komm nicht zu Hilfe.<br />
wahre und falsche freunde<br />
Nicht kann man im Glück erkennen, wer ein Freund ist, doch nicht<br />
verborgen bleibt im Unglück der Feind. Wenn jemand glücklich ist, haben seine<br />
Feinde Verdruss, im Unglück zieht sich auch der Freund zurück.<br />
Traue niemals deinem Feind, denn seine Bosheit ist wie Eisen, das<br />
rostet. Selbst wenn er sich dir hörig zeigt und unterwürfig wandelt, nimm dich<br />
in Acht und hüte dich vor ihm. Verhalte dich zu ihm wie beim Spiegelputzen,<br />
und achte auch noch auf den Rest des Rosts. Lass ihn nicht an deiner Seite stehen,<br />
damit er dich nicht stürzt und an deine Stelle tritt. Lass ihn nicht zu deiner<br />
Rechten sitzen, dass er nicht strebt, deinen Sitz einzunehmen und du<br />
schließlich meine Worte einsiehst und eingedenk meiner Rede Reue empfindest.<br />
Wer bemitleidet einen Zauberer, den die Schlange beißt, der einen, der<br />
sich reißenden Tieren nähert? So ist es, wenn sich einer einem Sünder verbindet<br />
und sich in dessen Sünden verstrickt. Solange er neben dir steht, enthüllt<br />
er sich nicht, wenn du aber wankst, hält er nicht mehr an sich. Mit dem Mund<br />
tut der Feind freundlich, in seinem Herzen aber sinnt er darauf, dich in die<br />
Grube zu stürzen. Mit seinen Augen weint der Feind, hat er aber eine Gelegenheit<br />
gefunden, wird er nicht satt an Blut. Wenn dich ein Unglück trifft, wirst<br />
du ihn noch vor dir finden; er spielt den Helfer, spürt aber deiner Ferse nach.<br />
Er schüttelt das Haupt und klatscht in die Hände, und mit viel Getuschel ändert<br />
er das Gesicht.<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
317 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
von der rechten verwendung des reichtums<br />
13<br />
Wer Pech anrührt, an dessen Hand klebt es fest, und wer sich dem<br />
Spötter anschließt, wird ihm ähnlich. Etwas, was für dich zu schwer ist, wie<br />
kannst du es heben? Einem, der stärker und reicher ist als du, wie kannst du<br />
dich ihm anschließen? Wie kann sich der irdene Topf zum ehernen Kessel gesellen?<br />
Denn dieser stößt an ihn und jener zerbricht.<br />
Der Reiche tut Unrecht und prahlt noch, der Arme erleidet Unrecht,<br />
aber er muss um Erbarmen flehen. Wenn du ihm nützlich bist, dann hilft er<br />
dir, wenn du zu langsam bist, verlässt er dich. Wenn du etwas hast, wird er mit<br />
dir leben, dann aber macht er dich arm, ohne dass es ihm Leid tut. Hat er etwas<br />
nötig von dir, betört er dich, er lächelt dir zu und erweckt dein Vertrauen.<br />
Er spricht dir freundlich zu und sagt: Was brauchst du? Bei seinen Festmählern<br />
wird er dich erniedrigen, bis er dich zweimal und dreimal beraubt hat,<br />
und am Ende verspottet er dich. Sieht er dich nachher wieder, geht er an dir<br />
vorüber und schüttelt seinen Kopf über dich. Hüte dich und lass dich nicht irreführen,<br />
damit du nicht erniedrigt wirst in deiner Torheit.<br />
Ruft dich ein Vornehmer, so halte dich zurück, umso mehr wird er<br />
dich heranziehen. Sei nicht zudringlich, dass du nicht fortgewiesen wirst, halte<br />
dich nicht allzu fern, dass du nicht vergessen wirst. Verlass dich nicht auf<br />
den freien Umgang mit ihm, und bau nicht auf seine vielen Reden. Mit dem<br />
häufigen Geplauder prüft er dich, er lächelt dir zu und horcht dich aus. Unbarmherzig<br />
ist, wer die Worte weiterverbreitet, er verschont dich weder vor<br />
Schlägen noch Ketten. Hüte dich also und sei vorsichtig, denn mit deinem eigenen<br />
Verderben gehst du um. [Wenn du davon hörst, wach auf aus deinem<br />
Schlaf; dein ganzes Leben liebe den Herrn und ruf ihn an zu deinem Heil.]<br />
Jedes Lebewesen liebt seinesgleichen, und jeder Mensch den, der ihm<br />
ähnlich ist. Jedes Lebewesen hat seinesgleichen um sich, und mit seinesgleichen<br />
verbinde sich auch der Mensch. Gesellt sich etwa der Wolf zum Lamm?<br />
Ebensowenig der Gottlose zum Gerechten. Lebt etwa die Hyäne mit dem Hund<br />
in Eintracht? Wie kann der Reiche in Eintracht leben mit dem Armen? Des Löwen<br />
Fraß sind die Wildesel in der Wüste; so sind die Armen die Weide des Reichen.<br />
Ein Gräuel ist dem Stolzen die Demut, ein Gräuel ist dem Reichen der<br />
Geringe. Ein Reicher, der wankt, wird vom Freund gestützt, wankt aber ein Armer,<br />
so wird er vom Freund verstoßen. Stolpert ein Reicher, nehmen ihn viele<br />
in ihren Armen auf, und sie beglückwünschen ihn, wenn er Torheiten redet.<br />
Stolpert ein Armer, macht man ihm Vorwürfe; selbst wenn er klug redet, gibt<br />
man ihm nicht Raum. Redet ein Reicher, so schweigt alles, und sie heben seine<br />
Klugheit bis an die Wolken. Redet ein Armer – Wer ist das? sagt man dann;<br />
und wenn er strauchelt, stoßen sie ihn noch nieder. Gut ist der Reichtum, wenn<br />
er ohne Schuld ist, schlimm ist die Armut, die aus Übermut entstand.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
318
Das Herz des Menschen verändert sein Gesicht, sei es heiter, sei es<br />
traurig. Zeichen eines glücklichen Herzens ist ein leuchtendes Angesicht, das<br />
Ausdenken von Sinnsprüchen ist eine mühevolle Arbeit.<br />
14<br />
Glücklich der Mann, der nicht sündigt in Worten und der nicht gequält<br />
wird vom Schmerz über die Sünde. 2 Glücklich der Mann, dessen Herz ihn<br />
nicht anklagt und dessen Hoffnung nicht am Schwinden ist.<br />
neid und habsucht<br />
Einem kleinlichen Mann steht der Reichtum nicht an, einem gierigen<br />
Mann – was nützen ihm Schätze? Wer gegen sich selber geizt, sammelt für<br />
einen anderen, und ein Fremder wird in seinen Gütern schwelgen. Wer sich<br />
selbst nichts gönnt, wem wird er etwas Gutes tun? Er freut sich nicht einmal<br />
seiner eigenen Güter. Keiner ist schlimmer daran als einer, der sich selbst<br />
nichts gönnt, und das ist der Lohn seiner Schlechtigkeit. Tut er mal etwas Gutes,<br />
tut er es aus Versehen, und zum Schluss zeigt er doch noch seine Bosheit.<br />
Schlimm ist, wer ein missgünstiges Auge hat, wer sein Gesicht abkehrt und das<br />
Leben des anderen verachtet. Der Habsüchtige ist nicht zufrieden mit dem, was<br />
er hat, die Begehrlichkeit trocknet die Seele aus. Der Geizige knausert mit Brot,<br />
und Mangel herrscht an seinem Tisch.<br />
Mein Sohn, wenn du es hast, so gönne dir etwas Gutes, und bring<br />
dem Herrn die Gaben, die er fordert. Denke daran, dass der Tod nicht wartet<br />
und das Bündnis mit der Unterwelt dir nicht bekannt ist. Bevor du stirbst, tu<br />
Gutes dem Freund, und so viel du vermagst, beschenk ihn. Versage dir nicht<br />
das Glück von heute, und an deinem Anteil an Lust geh nicht vorüber. Wirst<br />
du nicht einem anderen dein Gut überlassen müssen und dein mühsam Erworbenes<br />
denen, die das Los werfen? Gib und nimm und gönn dir etwas, denn<br />
in der Unterwelt ist es vorbei, nach Genuss zu suchen. Jeder Leib altert wie ein<br />
Kleid, und das uralte Gesetz heißt: Du musst sterben! Wie das Gespross der<br />
Blätter am grünen Baum, wo das eine welkt und das andere wächst, so sind die<br />
Geschlechter aus Fleisch und Blut, das eine stirbt, das andere wird geboren.<br />
Alle ihre Werke vermodern ganz und gar, und der sie vollbringt, folgt ihnen<br />
nach.<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
das glück des weisen<br />
Glücklich der Mann, der über die Weisheit nachsinnt und mit seiner<br />
Einsicht überlegt, der seinen Sinn richtet auf die Wege zu ihr und auf ihre Geheimnisse<br />
achtet, der ihr nachgeht wie ein Späher und die Zugänge zu ihr belauert,<br />
der durch ihre Fenster schaut und an ihren Türen lauscht, der in ihres<br />
319 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
Hauses Umkreis sich niederlässt und an ihrer Mauer sein Zeltseil befestigt, der<br />
sein Zelt an ihrer Seite aufschlägt und so ein angenehmes Heim bewohnt, der<br />
seine Kinder in ihre Hut gibt und ausruht unter ihren Zweigen, der in ihrem<br />
Schatten sich vor der Hitze verbirgt und in ihrer Herrlichkeit wohnt.<br />
15<br />
Wer den Herrn fürchtet, handelt so, und wer das Gesetz einhält, erlangt<br />
sie. Sie geht ihm entgegen wie eine Mutter, und wie eine junge Gattin<br />
nimmt sie ihn auf. Sie nährt ihn mit dem Brot der Klugheit und tränkt ihn mit<br />
dem Wasser der Einsicht. Er stützt sich auf sie und wankt nicht, er vertraut auf<br />
sie und wird nicht enttäuscht. Sie erhöht ihn über seine Mitmenschen, und inmitten<br />
der Gemeinde öffnet sie ihm den Mund. Jubel und Freude findet er, und<br />
sie beschenkt ihn mit unvergänglichem Namen.<br />
Nicht erlangen sie schlechte Menschen, und Gottvergessene werden<br />
sie nicht schauen. Fern ist sie von Überheblichkeit, und lügnerische Menschen<br />
erinnern sich ihrer nicht. Gotteslob ziemt sich nicht im Mund des Gottlosen,<br />
denn nicht ist es ihm vom Herrn zugeteilt. In Weisheit soll das Gotteslob erklingen,<br />
und der Herr wird es leiten.<br />
die freiheit des menschen<br />
Sage nicht: Vom Herrn kommt meine Sünde; denn was er hasst, bewirkt<br />
er nicht. Sage nicht: Er hat mich zu Fall gebracht; denn er bedarf der<br />
schlechten Menschen nicht. Allen Gräuel hasst der Herr, und gar keinen lieben<br />
die, die ihn fürchten. Er schuf am Anfang den Menschen und überließ ihn<br />
der Macht der eigenen Entscheidung.<br />
Wenn du willst, kannst du die Gebote halten, und Treue zu üben liegt<br />
in deiner Macht. Hingeschüttet hat er vor dich Feuer und Wasser, wonach dich<br />
verlangt, streck deine Hand aus. Vor dem Menschen liegen Leben und Tod; was<br />
er will, wird ihm gegeben. Reich ist die Weisheit des Herrn, er ist stark an Macht<br />
und sieht alles. Seine Augen schauen auf die, die ihn fürchten, und jede Tat<br />
des Menschen ist ihm bekannt. Niemandem hat er befohlen zu freveln, und<br />
keinem Erlaubnis gegeben zu sündigen.<br />
das verderben der gottlosen<br />
16<br />
Verlange nicht nach zahlreichen Kindern, wenn sie nichts taugen,<br />
und freue dich nicht über Söhne, die missraten sind. Mögen sie auch zahlreich<br />
sein, sei nicht stolz auf sie, wenn sie keine Gottesfurcht besitzen. Verlass dich<br />
nicht darauf, dass sie am Leben bleiben, und setze keine Hoffnungen auf ihr<br />
Sir 0,00–0,00<br />
320
Schicksal. Denn besser einer als tausend und besser kinderlos sterben als gottlose<br />
Kinder zu haben. Durch einen einzigen Einsichtigen wird die Stadt bevölkert,<br />
der Stamm der Gottlosen aber verödet.<br />
Vieles davon sah mein Auge, und Gewichtigeres noch als dies vernahm<br />
mein Ohr: In der Rotte der Gottlosen flammt das Feuer auf, und gegen<br />
das frevelhafte Pack entbrennt der Zorn. Nicht ertrug er die Riesen der Vorzeit,<br />
die abtrünnig wurden in ihrer Stärke. Er verschonte nicht die Mitbürger Lots;<br />
ein Gräuel war ihm ihr Übermut. Er erbarmte sich nicht des verdorbenen Geschlechts,<br />
das aus dem Besitz vertrieben wurde in seinen Sünden. Ebenso wenig<br />
der sechshunderttausend Mann Fußvolk, die dahingerafft wurden in ihrer<br />
Herzenshärte. Und erst wenn ein Einzelner halsstarrig ist – es wäre ein Wunder,<br />
wenn er straflos bliebe. Denn Erbarmen und Zorn sind bei ihm, er verzeiht<br />
und vergibt, aber er gießt auch den Zorn aus. So groß wie sein Erbarmen ist<br />
auch seine Züchtigung, und jeden richtet er nach seinen Werken. Nicht entkommt<br />
der Verbrecher mit seinem Raub, doch die Erwartung des Gerechten<br />
vernichtet er niemals. Er lässt seinem Erbarmen freien Lauf; jedem wird vergolten<br />
nach seinen Werken. [Gott verhärtete das Herz des Pharao, dass es ihn<br />
nicht erkannte, damit seine Werke offenbar wurden unter dem Himmel. Der<br />
ganzen Schöpfung ist sein Erbarmen sichtbar, sein Licht und sein Dunkel hat<br />
er den Menschen zugeteilt.]<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
der ernst der vergeltung<br />
Sage nicht: Ich werde mich vor dem Herrn verbergen; wer in der Höhe<br />
denkt an mich? In der großen Menge bleibe ich unbemerkt; und was bin ich<br />
in der unermesslichen Schöpfung? Siehe, der Himmel und der Himmel des<br />
Himmels, der Ozean und die Erde, sie wanken, wenn er sie heimsucht. <strong>Die</strong> Gipfel<br />
der Berge und die Grundfesten des Erdkreises, sie erbeben mächtig, wenn<br />
er sie nur anblickt. Doch auf dies alles lenkt man nicht seinen Sinn; und wer<br />
achtet auf seine Wege? Auch der Sturm bleibt unsichtbar, die meisten seiner<br />
Werke geschehen im Verborgenen. Das gerechte Tun, wer macht es kund, und<br />
wer erwartet es? Denn fern liegt noch das Strafgericht. Nur ein Unvernünftiger<br />
wird solches behaupten, nur ein törichter, irregeleiteter Mensch hat solche<br />
Gedanken.<br />
der mensch in der schöpfung<br />
Mein Sohn, hör auf mich und nimm Weisheit an, richte den Sinn auf<br />
meine Worte. Ich will dir die Lehre wohlabgewogen offenbaren und mit Sorgfalt<br />
mein Wissen kundtun. Als Gott am Anfang seine Werke schuf und zu ihrem<br />
Dasein die Gesetze gab, da ordnete er seine Werke für immer, von ihren<br />
Anfängen an bis zu ihrer fernen Zukunft. Sie ermatten nicht und werden nicht<br />
müde, noch erlahmen sie in ihrem Wirken. Keines kommt dem anderen zu<br />
321 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
nahe, und bis in Ewigkeit ist keines ungehorsam seinem Wort. Danach schaute<br />
der Herr zur Erde und füllte sie mit seinen Gütern an. Mit allerlei Lebewesen<br />
bedeckte er ihre Oberfläche und zu ihr lässt er sie auch wieder zurückkehren.<br />
17<br />
Der Herr hat auch den Menschen aus Erde erschaffen und lässt ihn<br />
wieder zu ihr zurückkehren. Er teilte dem Menschen eine Zahl von Tagen und<br />
eine bestimmte Frist zu und übertrug ihm die Herrschaft über alle Wesen auf<br />
ihr. Ähnlich sich selbst bekleidete er die Menschen mit Kraft und schuf sie<br />
nach seinem Bild. Er legte die Furcht vor ihnen auf alles Fleisch zur Herrschaft<br />
über Tiere und Vögel. [Sie empfingen den Gebrauch der fünf Kräfte des Herrn,<br />
als Sechste wurde ihnen Anteil am Verstand gegeben und als Siebte das Wort,<br />
den Deuter seiner Kräfte.] Er bildete Mund und Zunge, Auge und Ohr und gab<br />
ihnen ein Herz zum Denken. Mit verständiger Einsicht erfüllte er sie und zeigte<br />
ihnen, was gut und böse ist. Er setzte ihnen sein Auge in das Herz, um ihnen<br />
die Größe seiner Werke kundzutun. Sie sollten für immer seine Wunderwerke<br />
rühmen, seinen heiligen Namen loben und die Größe seiner Werke<br />
weiter verkünden. Er hat ihnen die Weisheit zum Geschenk gemacht und das<br />
Gesetz des Lebens in Besitz gegeben. Einen ewigen Bund hat er mit ihnen geschlossen<br />
und ihnen seine Gebote mitgeteilt. Seine majestätische Herrlichkeit<br />
haben ihre Augen gesehen und seine machtvolle Stimme in ihren Ohren vernommen.<br />
Er sprach zu ihnen: Hütet euch vor jedem Unrecht! Er ordnete das<br />
Verhalten eines jeden zu seinem Nächsten.<br />
der göttliche richter<br />
Ihre Wege liegen vor ihm allezeit, und nicht sind sie verborgen vor<br />
seinen Augen. [Ihre Wege sind von Jugend an auf das Böse gerichtet, und sie<br />
vermögen ihr steinernes Herz nicht in ein Herz von Fleisch zu verwandeln.]<br />
Jedem Volk hat er seinen Fürsten gesetzt, aber Israel ist der Anteil des Herrn,<br />
[sein Erstgeborener, den er liebevoll aufzog, an den er das Licht seiner Liebe<br />
austeilte, ohne ihn aufzugeben.] Alle ihre Werke liegen wie die Sonne vor ihm,<br />
und seine Augen ruhen stets auf ihren Wegen. Nicht sind vor ihm ihre Frevel<br />
verborgen, alle ihre Sünden liegen vor dem Herrn. [Aber der Herr ist gut und<br />
kennt sein Geschöpf, weder vernichtet er sie, noch verlässt er sie, sondern er<br />
verschont sie.]<br />
Das Almosen eines Menschen ist wie ein Siegelring bei ihm, und eines<br />
Menschen Güte hütet er wie den Augapfel. Er lässt seinen Söhnen und<br />
Töchtern Umkehr zuteil werden. Später erhebt er sich und zahlt ihnen heim,<br />
Vergeltung lässt er kommen über jedes Haupt. Den Reumütigen hat er einen<br />
Rückweg gewährt, und er spricht denen zu, die die Hoffnung verloren haben.<br />
aufforderung zur umkehr<br />
Sir 0,00–0,00<br />
322
Kehre dich zum Herrn und lass ab von der Sünde, flehe vor ihm und<br />
beseitige das Ärgernis. Kehre zum Höchsten zurück und wende dich von der<br />
Ungerechtigkeit, ganz entschieden hasse den Gräuel.<br />
Wer wird den Höchsten in der Unterwelt preisen an Stelle der Lebenden,<br />
die ihm Lobpreis darbringen? Bei einem Toten, der nicht mehr ist, hat<br />
der Lobgesang ein Ende, nur wer lebt und gesund ist, kann den Herrn preisen.<br />
Wie groß ist das Erbarmen des Herrn und die Nachsicht gegen die, die sich<br />
ihm zuwenden! Denn im Menschen kann nicht alles sein, ist der Mensch doch<br />
nicht unsterblich. Was ist heller als die Sonne? Und selbst diese verdunkelt<br />
sich; Fleisch und Blut können nur Böses ausdenken.Das Heer in der Höhe des<br />
Himmels mustert er, erst recht die Menschen, die doch alle nur Staub und<br />
Asche sind.<br />
gottes grösse<br />
18<br />
Der da lebt in Ewigkeit, schuf alles insgesamt, der Herr allein erweist<br />
sich als gerecht. [Keinen anderen gibt es außer ihm. Er fasst die Welt mit der<br />
Spanne seiner Hand, und alles gehorcht seinem Willen; denn er ist König über<br />
alle Dinge, die in seiner Macht stehen. Er sondert darin das Heilige vom Profanen.]<br />
Keiner ist imstande, seine Werke zu verkünden, und wer ergründet seine<br />
Großtaten? Seine gewaltige Größe, wer kann sie beschreiben, und wer<br />
kommt ans Ende beim Aufzählen seiner Hulderweise? Man kann nichts wegnehmen<br />
und nichts hinzufügen, unmöglich ist es, den Herrn zu durchschauen.<br />
Wenn jemand am Ende angelangt ist, dann steht er erst am Anfang, und<br />
wenn er aufhört, dann ist er ratlos. Was ist der Mensch und wozu nützt er? Was<br />
ist das Gute an ihm und was das Schlechte? <strong>Die</strong> Zahl der Tage des Menschen –<br />
wenn es viele sind, dann hundert Jahre. Wie ein Wassertropfen aus dem Meer<br />
und ein Sandkorn, so wenig bedeuten die Jahre in der Zeit der Ewigkeit. Darum<br />
ist der Herr langmütig mit ihnen und gießt über sie sein Erbarmen aus. Er<br />
sieht voraus und weiß, dass ihr Ende schlimm ist, darum zeigt er eine so große<br />
Versöhnlichkeit. Das Erbarmen des Menschen gilt nur dem Nächsten, das<br />
Erbarmen des Herrn aber allem Fleisch. Er weist zurecht, züchtigt und belehrt<br />
und führt wie ein Hirt seine Herde wieder heim. Er hat Mitleid mit denen, die<br />
die Lehre annehmen und die mit Eifer seine Satzungen suchen.<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
323 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
rechtes geben<br />
Mein Sohn, gib zu einer Wohltat nicht Tadelworte hinzu und zu keiner<br />
Gabe kränkende Reden. Lässt nicht der Tau die Hitze schwinden? So ist ein<br />
Wort besser als die Gabe. Geht nicht ein Wort über eine gute Gabe? Beides aber<br />
ist Sache eines wohltätigen Mannes. Der Tor macht auf lieblose Weise Vorwürfe,<br />
und die Gabe eines neidischen Menschen lässt die Augen brennen.<br />
überlegung und vorsorge<br />
Bevor du zu reden hast, bereite dich vor, und ehe du krank wirst, sorge<br />
vor. Vor dem Urteilsspruch erforsche dich selbst, und du wirst in der Stunde<br />
der Prüfung Nachsicht finden. Ehe du niedergebeugt wirst, demütige dich,<br />
und in den Zeiten der Sündhaftigkeit lass Umkehr erkennen.<br />
Lass dich nicht aufhalten, ein Gelübde rechtzeitig einzulösen, und<br />
warte nicht bis zum Tod, ehe du deine Schuldigkeit tust. Bevor du ein Gelübde<br />
machst, bereite dich dazu, und sei nicht wie ein Mensch, der den Herrn versucht.<br />
Sei eingedenk des Zornes in den Tagen des Endes und der Zeit der Vergeltung,<br />
wenn er sein Angesicht abwendet. Sei eingedenk der Zeit des Hungers<br />
zur Zeit des Überflusses, der Armut und Not in den Tagen des Reichtums. Vom<br />
Morgen bis zum Abend verrinnt die Zeit, und alles eilt dahin vor dem Herrn.<br />
Ein weiser Mensch übt in allem Bedachtsamkeit, und in Zeiten der<br />
Sünde hütet er sich vor Verfehlung. Jeder Verständige hat die Weisheit erkannt,<br />
und jeder, der sie fand, soll ihr Lob verkünden. Wer sich auf Sprüche versteht,<br />
ist selbst Lehrer der Weisheit und sprudelt über von trefflichen Gleichnissen.<br />
selbstbeherrschung<br />
Deinen Begierden gehe nicht nach, und von deinen Gelüsten halte<br />
dich fern. Wenn du erfüllst, was deine Seele begehrt, wird sie dich zum Gespött<br />
deiner Feinde machen. Freu dich nicht über ein Leben voll Lust, schließ dich<br />
solcher Gesellschaft nicht an. Mach dich nicht arm durch Gelage mit geliehenem<br />
Geld, während du nichts im Beutel hast.<br />
19<br />
Wer das tut, wird niemals reich, und wer das Wenige gering schätzt,<br />
wird von allem entblößt. Wein und Frauen verderben den Einsichtsvollen, und<br />
wer sich an Dirnen hängt, wird frech. Moder und Würmer nehmen ihn in Besitz,<br />
und die freche Leidenschaft wird hinweggerafft werden.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
324
gegen den klatsch<br />
Wer schnell vertraut, ist leichtsinnig, und wer sündigt, verfehlt sich gegen sich<br />
selbst. Wer sich über Böses freut, wird selbst verurteilt, wer aber den Klatsch<br />
hasst, entgeht dem Bösen.<br />
Wiederhole niemals, was man dir sagte, so wird man dir niemals<br />
schaden. Sprich nicht über Freund noch Feind, und wenn es dir nicht zur<br />
Schuld gereicht, so äußere nichts. Denn wer dich hört, wird sich vor dir hüten<br />
und zur gegebenen Zeit Hass gegen dich hegen. Ist dir ein Wort zu Ohren gekommen,<br />
so sterbe es mit dir; sei unbesorgt, es wird dich nicht zerreißen. Um<br />
eines Wortes willen kommt der Tor in Wehen wie eine Gebärende durch ihre<br />
Leibesfrucht. Wie ein Pfeil, der im Schenkel steckt, so ist ein Wort im Inneren<br />
des Toren.<br />
Stelle den Freund zur Rede, ob er etwas getan hat, und wenn er es getan<br />
hat – damit er es nicht wieder tut. Stelle den Nächsten zur Rede, ob er etwas<br />
gesagt hat, und wenn er es gesagt hat – damit er es nicht wiederholt. Stelle<br />
den Freund zur Rede, denn oft geschieht Verleumdung; deshalb trau nicht<br />
jedem Wort. Mancher gleitet aus, doch nicht mit Absicht, und wer hätte mit<br />
seiner Zunge noch nicht gesündigt? Stelle deinen Nächsten zur Rede, ehe du<br />
Drohungen aussprichst, und gib Raum dem Gesetz des Allerhöchsten. [<strong>Die</strong><br />
Furcht des Herrn ist der Anfang der Vergebung, Weisheit erlangt Liebe bei ihm.<br />
Erkenntnis der Gebote des Herrn ist Lebenszucht; die das tun, was ihm gefällt,<br />
ernten vom Baum der Unsterblichkeit.]<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
rechte und falsche weisheit<br />
Alle Weisheit ist Furcht vor dem Herrn, und in jeder Weisheit liegt<br />
die Erfüllung des Gesetzes [und die Erkenntnis seiner Allmacht. Der Knecht,<br />
der zu seinem Herrn spricht: Was dir gefällt, tue ich nicht – selbst wenn er es<br />
danach tut, erzürnt er den, der ihn ernährt.]<br />
<strong>Die</strong> Kenntnis des Schlechten ist keine Weisheit, und der Rat der Sünder<br />
ist keine Einsicht. Es gibt eine Schlauheit und die ist ein Gräuel; ohne Verstand<br />
ist der, dem die Weisheit fehlt. Besser arm an Klugheit und gottesfürchtig<br />
als reich an Einsicht und ein Gesetzesbrecher. Es gibt eine listige Schläue<br />
und die ist schlecht, und mancher will sich Recht schaffen durch Betrug. Es<br />
gibt manchen, der gebeugt wie in Trauer einhergeht, doch sein Inneres ist voll<br />
Hinterlist. Er neigt den Kopf und stellt sich taub; wo er sich aber nicht durchschaut<br />
sieht, tritt er gegen dich auf. Und falls mangelnde Kraft ihn hemmt, Unrecht<br />
zu tun, so wird er doch Böses tun, wenn sich die Gelegenheit bietet.<br />
An seinem Aussehen erkennt man einen Menschen, am Gesichtsausdruck<br />
erkennt ihn der Weise. <strong>Die</strong> Kleidung eines Mannes, das Lachen seiner<br />
Zähne und der Gang eines Menschen tun kund, was an ihm ist.<br />
325 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
reden und schweigen<br />
20<br />
Manche Zurechtweisung erfolgt nicht rechtzeitig, und mancher<br />
schweigt und der ist klug. Wie ist es doch besser, zur Rede zu stellen, als zu<br />
grollen! Und wer bekennt, bleibt vor Schaden bewahrt.<br />
Wie ein Entmannter, der mit einem Mädchen schlafen will, so ist, wer<br />
mit Gewalt Recht durchzusetzen sucht. Manch einer schweigt und wird für weise<br />
gehalten, und mancher macht sich verhasst wegen seines vielen Redens. Mancher<br />
schweigt, weil er keine Antwort weiß, und mancher schweigt, weil er auf<br />
die rechte Zeit sieht. Der Weise schweigt bis zur rechten Zeit, doch der Tor achtet<br />
nicht auf die Zeit. Wer viele Worte macht, den verabscheut man, und der<br />
Anmaßende ist verhasst. Mancher Erfolg führt zum Unheil, und mancher Gewinn<br />
zum Verlust. Es gibt Geschenke, die kein Gewinn sind, und es gibt Geschenke,<br />
die man doppelt vergütet. Es gibt eine Demütigung um des Ruhmes<br />
willen, und manch einer erhob das Haupt aus der Erniedrigung. Manch einer<br />
kauft viel für wenig Geld und bezahlt es doch siebenfach.<br />
Wenn der Weise redet, so macht er sich beliebt, die Liebenswürdigkeit<br />
der Toren aber ist vergebens. Das Geschenk des Toren nützt dir nichts,<br />
denn er hat statt eines viele Augen. Er gibt wenig und schimpft viel und reißt<br />
seinen Mund auf wie ein Ausrufer. Heute borgt er und morgen fordert er zurück;<br />
widerwärtig ist solch ein Mensch. Der Tor sagt: Mir ist niemand Freund,<br />
und es gibt keinen Dank für meine Wohltaten. <strong>Die</strong> mein Brot essen, haben böse<br />
Zungen. Wie haben ihn viele und oft verlacht! Lieber durch den Erdboden als<br />
durch die Zunge zu Fall kommen; ebenso wird der Sturz der Bösen schnell erfolgen.<br />
Ein unangenehmer Mensch – ein unzeitiges Wort, im Mund des Ungebildeten<br />
findet es sich jederzeit. Ein Spruch aus dem Mund des Toren wird verachtet,<br />
denn er spricht ihn nicht zur rechten Zeit.<br />
Mancher wird durch Armut verhindert, Unrecht zu tun, und in seiner<br />
Ruhe wird er nicht gestört. Mancher richtet sich aus Scham zugrunde, und<br />
weil er sich verstellt, geht er unter. Mancher macht dem Freund Versprechungen<br />
aus Scham und macht ihn sich ohne Grund zum Feind.<br />
Ein böser Schandfleck am Menschen ist die Lüge, und im Mund des<br />
Ungebildeten findet sie sich jederzeit. Besser ein <strong>Die</strong>b als einer, der allzeit lügt;<br />
doch beider Anteil ist der Untergang. Das Betragen eines lügenhaften Menschen<br />
ist ein Gräuel, seine Schande haftet allezeit an ihm.<br />
grösse und gefahr des weisen<br />
Wer weise ist in der Rede, bringt sich voran, und ein kluger Mensch<br />
gefällt den Machthabern. Wer sein Land bebaut, wird seine Garben hoch aufhäufen,<br />
und wer den Großen gefällt, kann Unrecht gutmachen. Geschenke und<br />
Gaben blenden die Augen der Weisen, wie ein Zaumzeug im Maul lenken sie<br />
Sir 0,00–0,00<br />
326
Vorwürfe ab. Verdeckte Weisheit und verborgener Schatz, welchen Nutzen bringen<br />
sie beide? Besser, es versteckt einer seine Torheit, als dass ein Mensch seine<br />
Weisheit verbirgt.<br />
verschiedene sünden<br />
21<br />
Mein Sohn, wenn du gesündigt hast, tu es nicht wieder, und bete wegen<br />
deiner früheren Sünden. Wie vor einer Schlange flieh vor der Sünde, denn<br />
wenn du ihr zu nahe kommst, beißt sie dich. Ihre Zähne sind wie die Zähne<br />
des Löwen, sie rauben dem Menschen das Leben.<br />
Wie ein zweischneidiges Schwert ist jede Ungerechtigkeit, und für<br />
ihren Hieb gibt es keine Heilung. Gewalttat und Hochmut verwüsten den Wohlstand,<br />
so wird das Haus des Übermütigen vernichtet. Das Gebet des Armen<br />
dringt zu seinen Ohren, so wird sein Gericht mit Schnelligkeit kommen. Wer<br />
Ermahnung hasst, geht in des Sünders Spur, doch wer den Herrn fürchtet,<br />
nimmt sie sich zu Herzen. Von weitem erkennt man den Schwätzer und der<br />
Weise merkt es, wenn jener entgleist. Wer sein Haus mit fremdem Geld erbaut,<br />
ist wie einer, der Steine zu seinem Grabhügel zusammenträgt. Ein Bündel Werg<br />
ist die Versammlung der Gottlosen, und ihr Ende ist die Feuerflamme. Der Weg<br />
des Sünders ist mit Steinen geebnet, doch an seinem Ende liegt die Tiefe der<br />
Unterwelt.<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
der weise und der tor<br />
Wer das Gesetz befolgt, beherrscht seinen Trieb, und Vollendung der<br />
Gottesfurcht ist Weisheit. Mancher kann nichts lernen, weil er nicht begabt ist,<br />
aber es gibt eine Begabung, die viel Bitterkeit bringt.<br />
<strong>Die</strong> Erkenntnis des Weisen wächst wie eine Flut, und sein Rat ist wie<br />
ein lebendiger Quell. Das Innere des Toren ist wie ein zersprungenes Gefäß,<br />
keinerlei Weisheit hält es in sich fest. Wenn der Einsichtige ein weises Wort<br />
hört, lobt er es und fügt ein weiteres hinzu. Hört es der Leichtfertige, so hat er<br />
daran Missfallen, und er wirft es hinter sich. Das Gespräch mit einem Toren<br />
ist wie eine Last auf der Reise, auf den Lippen des Weisen aber findet man<br />
Wohllaut. Nach dem Mund des Verständigen verlangt man in der Versammlung,<br />
und seine Worte erwägt man im Herzen. Wie ein Haus in Trümmern ist<br />
die Weisheit des Toren, und des Toren Erkenntnis ist unverständliches Gerede.<br />
Wie Ketten an den Füßen ist dem Unvernünftigen die Zucht und wie Handschellen<br />
an der rechten Hand. Der Tor lässt beim Lachen die Stimme laut erschallen,<br />
der kluge Mann lächelt kaum leise. Ein goldener Schmuck ist dem<br />
Weisen die Zucht und wie ein Zierstück am rechten Arm.<br />
327 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
Der Fuß des Toren eilt rasch ins Haus, der viel erfahrene Mensch aber<br />
übt Zurückhaltung. Der Tor schaut schon von der Tür her ins Haus hinein, der<br />
wohlerzogene Mensch aber bleibt draußen stehen. Unerzogenheit eines Menschen<br />
ist es, wenn er an der Tür horcht; der Weise aber verschließt sein Ohr<br />
vor dem Unehrenhaften.<br />
<strong>Die</strong> Lippen der Schwätzer wiederholen die Worte der anderen, die<br />
Worte der Weisen jedoch sind auf der Waage abgewogen. Im Mund der Toren<br />
ist ihr Herz, das Herz der Weisen aber ist ihr Mund. Wenn der Gottlose den<br />
Widersacher verflucht, dann verflucht er sich selbst. Der Verleumder beschmutzt<br />
sich selbst, und wo er wohnt, hasst man ihn.<br />
faulheit<br />
22<br />
Einem beschmutzten Stein gleicht der Faule, und jeder ruft Pfui wegen<br />
seiner Ekelhaftigkeit. Einem Kothaufen gleicht der Faule, jeder, der ihn<br />
anrührt, schüttelt die Hand ab.<br />
missratene kinder<br />
Schmachvoll ist es für einen Vater, einen Missratenen gezeugt zu haben,<br />
eine derartige Tochter wird ihm zum Schaden geboren. Eine kluge Tochter<br />
bringt ihrem Mann Besitz ein, eine schändliche aber ist ein Kummer für<br />
den Vater. Dem Vater und dem Gatten bringt eine Freche Schande, darum wird<br />
sie von beiden verachtet.<br />
Wie Musik in der Trauer ist eine Rede zur Unzeit, jedoch Schläge und<br />
Zucht sind allezeit voll Weisheit. [Kindern, die ein gutes Leben führen und denen<br />
nichts mangelt, lassen die niedrige Herkunft ihrer Eltern vergessen. Kinder,<br />
die sich in Verächtlichkeit und Unerzogenheit brüsten, entehren den Adel<br />
ihrer Verwandten.]<br />
weisheit und torheit<br />
Scherben leimt zusammen, wer einen Toren belehrt, oder sucht einen<br />
Schlafenden aus tiefem Schlummer zu wecken. Zu einem Schlummernden<br />
spricht, wer zu einem Toren spricht; denn am Ende fragt dieser: Was ist?<br />
Über einen Toten weine, denn das Lebenslicht erlosch; weine auch<br />
über einen Toren, denn sein Geisteslicht erlosch. Weniger weine über einen<br />
Toten, denn er hat Frieden; aber das schlechte Leben des Toren ist schlimmer<br />
als der Tod. <strong>Die</strong> Trauer um einen Toten währt sieben Tage, die um einen Toren<br />
und Gottlosen alle Tage seines Lebens.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
328
Mit einem Unverständigen sprich nicht viel, und mit einem Schwein<br />
gehe nicht um. Hüte dich vor ihm, dass du keine Scherereien hast und dich<br />
nicht besudelst, wenn es sich schüttelt. Geh ihm aus dem Weg und du wirst<br />
Ruhe haben, und du wirst keinen Verdruss bekommen durch seinen Unverstand.<br />
Was ist schwerer als Blei? Wie könnte es anders heißen als: der Tor? Sand<br />
und Salz und Klumpen von Eisen sind leichter zu tragen als ein unverständiger<br />
Mensch.<br />
Hölzernes Gebälk, zu einem Bauwerk verbunden, löst sich bei keiner<br />
Erschütterung. So steht ein Herz fest bei wohlberatener Überlegung; zu keiner<br />
Zeit verzagt es. Ein Herz, gegründet auf kluger Denkart, ist wie Sandverputz an<br />
glatter Mauer. Steinchen, die obenauf liegen, halten vor dem Wind nicht stand.<br />
So wird auch ein furchtsames Herz mit dem Denken eines Toren vor keinerlei<br />
Schrecken standhalten.<br />
freundschaft<br />
Wer ins Auge stößt, ruft Tränen hervor, wer ins Herz stößt, löst<br />
Schmerzempfindung aus. Wer Steine wirft nach Vögeln, verscheucht sie, und<br />
wer den Freund beschimpft, löst die Freundschaft auf.<br />
Wenn du gegen den Freund das Schwert gezogen hast, verzweifle nicht,<br />
denn es gibt noch einen Rückweg. Hast du gegen den Freund den Mund aufgetan,<br />
sei unbesorgt, denn es gibt noch Versöhnung. Doch bei Beschimpfung,<br />
Verachtung, Verrat von Geheimnissen und verletzender Hinterlist, bei diesen<br />
entflieht jeder Freund. Halt deinem Nächsten die Treue, auch in der Armut,<br />
dass du gleichfalls an seinem Glück teilhaben kannst. Zur Zeit der Not harre<br />
bei ihm aus, damit du auch an seinem Erbe Anteil hast.<br />
Dem Feuer gehen Rauch im Kamin und Qualm voraus, ebenso dem<br />
Blutvergießen Schimpfworte. Den Freund zu schützen, werde ich mich nicht<br />
schämen, und ich werde mich nicht vor ihm verstecken. Sollte mich um seinetwillen<br />
etwas Schlimmes treffen, so wird jeder, der es hört, ihn dann in Ruhe<br />
lassen.<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
wachsamkeit<br />
Wer gibt mir vor den Mund eine Wache und auf meine Lippen ein<br />
festes Siegel, dass ich nicht durch sie zu Fall komme, und meine Zunge mich<br />
nicht zugrunde richtet?<br />
23<br />
Herr, Vater und Gebieter meines Lebens, überlass mich nicht ihren<br />
Anschlägen, lass mich nicht durch sie zu Fall kommen.<br />
329 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
Wer schwingt die Peitsche über mein Denken und über meinem Herzen<br />
die Zuchtrute der Weisheit, dass sie mich nicht schonen bei den Verfehlungen<br />
und ihnen keine Sünde gestatten, dass meine Unbedachtsamkeiten<br />
nicht zunehmen und meine Sünden sich nicht mehren, dass ich vor meinen<br />
Feinden nicht zu Fall komme und mein Gegner nicht über mich triumphiert?<br />
Herr, Vater und Gott meines Lebens, gib mir nicht Hoffart der Augen,<br />
und die Begierde halte fern von mir. <strong>Die</strong> Begierde des Fleisches und die<br />
Sinnenlust sollen mich nicht erfassen, und einem schamlosen Sinn überlasse<br />
mich nicht.<br />
schwören<br />
<strong>Die</strong> Zucht des Mundes vernehmt, ihr Söhne, und wer sie bewahrt, verfängt<br />
sich nicht. Mit seinen Lippen verstrickt sich der Sünder, der Lästerer und<br />
Überhebliche kommt durch sie zu Fall. Ans Schwören gewöhne nicht deinen<br />
Mund, auch gewöhne dir nicht an, den Namen des Heiligen zu nennen. Denn<br />
wie ein Sklave, der dauernd straffällig wird, von Striemen nicht verschont bleibt,<br />
so ist auch, wer stets schwört und den heiligen Namen missbraucht, von Sünden<br />
nie rein.<br />
Ein Mann, der viel schwört, häuft Schuld auf sich, und die Strafrute<br />
wird von seinem Haus nicht weichen. Wenn er sich verfehlt, liegt Schuld auf<br />
ihm, und wenn er es übersah, sündigt er doppelt. Wenn er falsch schwört, kann<br />
er nicht für gerecht erachtet werden, denn sein Haus erfährt zahlreiche Heimsuchungen.<br />
schmutzige reden<br />
Es gibt ein Reden, das den Tod verdient; möge es sich im Erbe Jakobs<br />
nicht finden. Denn den Frommen liegt dies alles fern, und sie wälzen sich nicht<br />
in Sünden.<br />
An Zuchtlosigkeiten gewöhne nicht deinen Mund, denn es kommt<br />
dabei zu sündhaften Reden. Denke an deinen Vater und deine Mutter, wenn du<br />
inmitten von Großen sitzt. Niemals vergiss dich vor ihnen, und lass dich nicht<br />
etwa durch die Gewohnheit betören, so dass du wünschen müsstest, du wärest<br />
nie geboren, und den Tag deiner Geburt verfluchst. Ein Mensch, der an schmutzige<br />
Reden gewöhnt ist, nimmt zeit seines Lebens keine Zucht mehr an.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
330
unzucht<br />
Zwei Gruppen von Menschen häufen die Sünden, und die Dritte zieht<br />
den Zorn herbei: Leidenschaftliche Begier brennt wie Feuer, und sie erlischt<br />
nicht, bis sie sich verzehrt hat. Der Mensch, der am eigenen Leib Unzucht treibt,<br />
hört nicht auf, bis das Feuer ausgebrannt ist; dem Unzüchtigen ist jedes Brot<br />
süß, und er ermüdet nicht, bis er stirbt. Der Mann, der auf seinem Lager sündigt,<br />
denkt bei sich: Wer sieht mich? Dunkel hüllt mich ein und die Wände verbergen<br />
mich, niemand bemerkt mich; was trage ich Bedenken, zu sündigen?<br />
Der Höchste denkt nicht an meine Sünden. Nur die Augen der Menschen sind<br />
seine Furcht. Er bedenkt nicht, dass die Augen des Herrn zehntausendmal heller<br />
sind als die Sonne. Sie schauen auf alle Wege der Menschen und durchdringen<br />
die verborgensten Winkel. Schon ehe er sie erschaffen, waren alle Dinge<br />
ihm bekannt, so erst recht nach ihrer Vollendung. Jener wird auf den Straßen<br />
der Stadt zur Rechenschaft gezogen, und wo er es nicht vermutet, wird er festgehalten.<br />
Ebenso auch die Frau, die ihren Mann verließ und einen Erben von<br />
einem Fremden zur Welt bringt. Denn erstens war sie dem Gesetz des Höchsten<br />
ungehorsam, und ferner hat sie sich gegen ihren Mann verfehlt. Drittens<br />
hat sie in Unzucht die Ehe gebrochen und von einem fremden Mann Kinder<br />
zur Welt gebracht. Sie wird vor die Gemeinde geführt werden, und auf ihren<br />
Kindern wird die Strafe ruhen. Ihre Kinder werden keine Wurzel fassen, und<br />
ihre Zweige werden keine Früchte bringen. Sie wird ihr Andenken zum Fluch<br />
hinterlassen, und ihre Schande wird nicht ausgetilgt werden. Und die nach ihr<br />
kommen, werden es einsehen, dass nichts besser ist als die Furcht vor dem<br />
Herrn und nichts süßer als die Erfüllung seiner Gebote.<br />
erziehung zur weisheit und zu individuellen tugenden<br />
331 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
der grosse<br />
weisheitshymnus<br />
Sir 0,00–0,00<br />
332
lob der weisheit<br />
24<br />
<strong>Die</strong> Weisheit lobt sich selbst, inmitten ihres Volkes rühmt sie sich. In<br />
der Gemeinde des Höchsten tut sie ihren Mund auf, und rühmt sich vor seinen<br />
Scharen: Ich ging hervor aus dem Mund des Höchsten und bedeckte dem<br />
Nebel gleich die Erde. Ich hatte in der Höhe gewohnt, und mein Thron stand<br />
auf einer Wolkensäule. Den Kreis des Himmels habe ich umschritten, ich allein,<br />
und in den Tiefen des Abgrunds ging ich umher. Über die Fluten des Meeres<br />
und über die ganze Erde, über jedes Volk und jede Nation besaß ich Herrschaft.<br />
Bei ihnen allen suchte ich einen Ort der Ruhe und in wessen Erbteil ich<br />
mich aufhalten könnte. Da erging Befehl an mich vom Schöpfer des Alls, und<br />
der mich erschuf, gab meinem Zelt eine bleibende Stätte. Er sprach: In Jakob<br />
schlag dein Zelt auf, in Israel gewinn einen Erbbesitz. Von der Urzeit her, im<br />
Anfang hat er mich erschaffen, und bis in Ewigkeit vergehe ich nicht. Im heiligen<br />
Zelt tat ich <strong>Die</strong>nst vor ihm, und so wurde ich in Zion eingesetzt. In der<br />
Stadt, die er ebenso liebt wie ich, ließ ich mich nieder, in Jerusalem ist mein<br />
Machtbereich. So fasste ich Wurzel in einem ehrenwerten Volk, im Anteil des<br />
Herrn, in seinem Erbbesitz.<br />
Wie eine Zeder des Libanon wuchs ich empor und wie eine Zypresse<br />
auf dem Hermongebirge. Wie eine Palme in En-Gedi wuchs ich empor und wie<br />
eine Rosenpflanzung in Jericho. Wie ein prächtiger Ölbaum in der Schefela<br />
und wie eine Platane am Wasser wuchs ich empor. Wie Zimt duftete ich und<br />
wie fein riechendes Gewürzroh, wie erlesene Myrrhe strömte ich Wohlgeruch<br />
aus, wie Galbanum, Onyx und Stakte und wie Weihrauchwolken im heiligen<br />
Zelt. Ich breitete meine Äste aus wie eine Terebinthe, meine Zweige voll Schönheit<br />
und Anmut. Ich trieb wie ein Weinstock liebliche Sprossen, und meine<br />
Blüten wurden zu prächtiger und reicher Frucht. [Ich bin die Mutter der schönen<br />
Liebe und der Furcht, der Erkenntnis und der heiligen Hoffnung. Allen<br />
meinen Kindern werde ich gegeben als ewige, jenen, die von ihm bestimmt<br />
sind.] Kommt her zu mir, die ihr mich begehrt, sättigt euch an meinen Früchten.<br />
Denn an mich zu denken ist süßer als Honig, und mich zu besitzen ist besser<br />
als Wabenhonig. Wer mich genießt, den hungert noch, und wer mich trinkt,<br />
den dürstet noch. Wer auf mich hört, wird nicht zuschanden, und wer sich um<br />
mich abmüht, wird nicht sündigen.<br />
die weisheit und das gesetz<br />
<strong>Die</strong>s alles gilt vom Buch des Bundes des höchsten Gottes, vom Gesetz,<br />
das Mose uns anbefahl, als Erbe für die Gemeinden Jakobs. [Hört nicht<br />
auf, stark zu sein im Herrn; haltet euch fest an ihm, damit er euch stärkt. Der<br />
allmächtige Herr ist der einzige Gott, und es gibt keinen Erlöser außer ihm.]<br />
Das Gesetz bietet die Weisheit in Fülle wie der Pischon, wie der Tigris in den<br />
333 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
Tagen der Erstlingsfrüchte. Es lässt die Einsicht anwachsen, wie der Eufrat anschwillt,<br />
wie der Jordan in den Tagen der Ernte. Es strömt von Bildung über<br />
wie der Nil, wie der Gihon in den Tagen der Weinlese. Nicht kam zu Ende, wer<br />
als Erster es zu erkennen versuchte, und ebenso wenig ergründet es auch der<br />
Letzte. Übervoll wie das Meer ist sein Sinn, und sein Rat tiefer als der große<br />
Abgrund. Ich selbst war wie ein Wassergraben aus einem Fluss, wie ein Kanal,<br />
der hinabfließt zum Garten. Ich sprach: Ich will meinen Garten tränken, meine<br />
Beete will ich bewässern. Doch mein Graben wurde zum Fluss, und mein<br />
Fluss wurde zum Meer.<br />
So will ich auch weiterhin meine Lehre leuchten lassen wie die Morgenröte<br />
und will sie strahlen lassen bis in die Fernen. Noch weiter will ich Belehrung<br />
ausschütten wie Prophetenworte und sie den fernsten Geschlechtern<br />
hinterlassen. Seht, so habe ich mich nicht allein für mich gemüht, sondern für<br />
alle, die nach ihr suchen.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
334
erziehung zur<br />
weisheit<br />
und zu sozialen<br />
tugenden<br />
335 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
sprichwörter<br />
25<br />
An drei Dingen hat mein Herz Wohlgefallen, und sie sind angenehm<br />
vor Gott und den Menschen: Eintracht unter Brüdern und Liebe zwischen<br />
Freunden, und Mann und Frau, die sich gegenseitig verstehen.<br />
Drei Gruppen von Menschen sind mir verhasst, und ich verabscheue<br />
ihre Lebensweise: den überheblichen Armen, den heuchlerischen Reichen und<br />
den ehebrecherischen Greis ohne Vernunft.<br />
alte<br />
Hast du in der Jugend nicht gesammelt, wie kannst du etwas vorfinden<br />
in deinem Alter? Wie gut steht den Grauköpfen ein gutes Urteil an und<br />
den Alten, guten Rat zu wissen! Wie gut steht den Alten die Weisheit an und<br />
den Ehrwürdigen Überlegung und Planung! Der Ehrenkranz der Alten ist die<br />
reiche Erfahrung, und ihr Ruhm ist die Furcht vor dem Herrn.<br />
zahlenspruch<br />
Neun, die ich im Sinne habe, preise ich, und das Zehnte liegt mir<br />
schon auf der Zunge: ein Mann, der Freude erlebt an seinen Kindern, und wer<br />
bei Lebzeiten seine Feinde stürzen sieht.<br />
Glücklich der Gatte einer vernünftigen Frau, und wer nicht mit Ochs<br />
und Esel zusammen pflügen muss. Glücklich, wer mit seiner Zunge nicht zu<br />
Fall kommt und niemandem dienen muss, der seiner unwürdig ist. Glücklich,<br />
wer die Klugheit fand und wer sprechen darf zu Ohren, die hören. Wie groß ist<br />
einer, der Weisheit fand! Aber keiner ist über dem, der den Herrn fürchtet.<br />
<strong>Die</strong> Furcht vor dem Herrn überragt alles; wer an ihr festhält, mit wem<br />
ist er zu vergleichen? [<strong>Die</strong> Furcht vor dem Herrn ist der Anfang der Liebe zu<br />
ihm, der Glaube aber der Anfang der Gemeinschaft mit ihm.]<br />
frauen<br />
Jede Wunde, nur keine Herzenswunde, und jede Bosheit, nur keine<br />
Frauenbosheit! Jede Heimsuchung, nur keine durch Hass, und jede Rache, nur<br />
keine von Feinden! Kein Gift ist schlimmer als Schlangengift, und keine Wut<br />
ist schlimmer als die Wut eines Feindes. Lieber mit Löwen und Drachen zusammenhausen<br />
als zusammenwohnen mit einer bösen Frau.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
336
<strong>Die</strong> Bosheit der Frau macht ihr Aussehen finster und verdunkelt ihr<br />
Antlitz wie das einer Bärin. Da sitzt im Kreis der Freunde ihr Mann, und unwillkürlich<br />
seufzt er. Kaum ein Unheil gleicht dem Unheil von einer Frau, das<br />
Los des Sünders möge sie treffen. Was ein sandiger Aufstieg für die Füße des<br />
Greises, das ist eine zungenfertige Frau für einen stillen Mann.<br />
Komm nicht zu Fall durch Frauenschönheit, trage kein Verlangen<br />
nach ihr. Denn Zorn und Schande und Schmach gibt es, wenn eine Frau ihren<br />
Mann ernähren soll. Bedrückter Sinn und betrübtes Gesicht und eine Wunde<br />
im Herzen ist eine böse Frau. Schlaffe Hände und wankende Knie erzeugt eine<br />
Frau, die ihren Mann nicht glücklich macht.<br />
Von einer Frau nahm die Sünde ihren Anfang, und ihretwegen müssen<br />
wir alle sterben. Gib dem Wasser keinen Ausfluss und einer bösen Frau keine<br />
Gelegenheit zu reden. Wenn sie nicht Hand in Hand mit dir geht, so trenne<br />
sie ab von deinem Leib.<br />
26<br />
Eine gute Frau – ein glücklicher Mann, die Zahl seiner Tage verdoppelt<br />
sich. Eine tüchtige Frau ist die Freude ihres Mannes, so vollendet er seine<br />
Tage in Frieden. Eine gute Frau ist ein guter Anteil; denen, die Gott fürchten,<br />
wird sie zugewiesen. Ob reich oder arm, das Herz ist guter Dinge, zu jeder<br />
Zeit ist das Angesicht heiter.<br />
Vor drei Dingen bangt mir das Herz, und vor dem Vierten fürchte ich<br />
mich: Nachrede in der Stadt, Volksauflauf und Verleumdung; alles ist schlimmer<br />
als der Tod. Herzeleid und Kummer gibt es, wenn eine Frau auf eine andere<br />
eifersüchtig ist, und eine Geißel der Zunge sind sie alle vier zusammen.<br />
Ein scheuerndes Ochsenjoch ist eine böse Frau; wer sie anrührt, dem ist, als<br />
hätte er einen Skorpion angefasst. Ein großer Verdruss ist eine Frau, die trinkt;<br />
sie kann ihre Schande nicht verbergen. <strong>Die</strong> lüsterne Frau wird an ihrem Augenaufschlag<br />
und an ihren Wimpern erkannt. Gegen eine schamlose Tochter<br />
verstärke die Wachsamkeit, damit sie nicht einen unbedachten Augenblick findet<br />
und für sich ausnützt. Vor einer Frau mit frechem Blick sei auf der Hut,<br />
und wundere dich nicht, wenn sie dich hintergeht. Wie ein durstiger Wanderer<br />
den Mund auftut und von jedem Wasser trinkt, das er findet, so lässt sie<br />
sich vor jedem Pfahl nieder und öffnet den Köcher vor dem Pfeil.<br />
<strong>Die</strong> Anmut der Frau entzückt den Mann, und ihre Klugheit erfrischt<br />
seine Glieder. Eine Gabe des Herrn ist eine verschwiegene Frau, und keinen<br />
Kaufpreis gibt es für eine, die wohlerzogen ist. Anmut über Anmut ist eine<br />
schamhafte Frau; und keinen Gegenwert gibt es für eine, die sich selbst beherrscht.<br />
Wie die Sonne aufstrahlt in den Höhen des Herrn, so die Schönheit<br />
der guten Frau als Zier ihres Hauses. Wie die Lampe auf dem heiligen Leuchter<br />
erstrahlt, so ein schönes Antlitz auf edler Gestalt. Wie goldene Säulen auf<br />
silberner Basis sind ebenmäßige Beine auf schlanken Fesseln. [Mein Sohn, bewahre<br />
die Blüte deiner Jugend gesund, und gib deine Kraft nicht Fremden hin.<br />
Hast du dir auf dem ganzen Feld einen fruchtbaren Acker gesucht, so säe ge-<br />
erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />
337 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
trost deine Saat im Vertrauen auf den Adel deines Geschlechts. Dann werden<br />
deine Kinder dich umgeben, und sie werden groß werden im Vertrauen auf<br />
ihre edle Herkunft.<br />
Eine käufliche Frau ist dem Auswurf gleichzuachten, eine Verheiratete<br />
aber hat für ihre Liebhaber als Turm des Todes zu gelten. Eine gottlose<br />
Frau wird dem Frevler zum Anteil gegeben, eine Fromme aber bekommt, wer<br />
den Herrn fürchtet. Eine schamlose Frau wird sich aus der Schande nichts machen,<br />
eine Schamhafte hat selbst vor ihrem Mann Scham. Eine schamlose Frau<br />
wird wie ein Hund geachtet, die Schamhafte aber fürchtet den Herrn. Eine Frau,<br />
die ihren Mann ehrt, gilt allen als weise; die ihn aber verachtet, wird von allen<br />
als gottlos in ihrem Hochmut erkannt.<br />
Eine gute Frau – ein glücklicher Mann, die Zahl seiner Tage verdoppelt<br />
sich. Eine keifende und zungenfertige Frau gleicht einer Kriegstrompete,<br />
die zum Angriff bläst; jeder Mann in solchen Verhältnissen verbringt sein Leben<br />
in Kriegsunruhen.]<br />
verschiedene warnungen<br />
Über zwei Dinge ist mein Herz betrübt, und wegen des dritten überkommt<br />
mich der Zorn: ein tüchtiger Mann, der Mangel leidet, weil ihm das<br />
Nötigste fehlt, und verständige Männer, die verkannt werden; einer, der sich<br />
von der Gerechtigkeit weg zur Sünde wendet – der Herr hat ihn bestimmt fürs<br />
Schwert. Schwerlich bleibt ein Kaufmann frei von Schuld, ein Geschäftsmann<br />
wird von Sünde nicht rein bleiben.<br />
27<br />
Des Geldes wegen haben schon viele gesündigt, und wer reich zu werden<br />
sucht, schaut nicht so genau hin. Zwischen Steinfugen lässt sich ein Pflock<br />
hineintreiben; so drängt sich zwischen Verkauf und Kauf die Sünde ein. Wer<br />
nicht mit Eifer an der Furcht des Herrn festhält, dem wird bald das Haus zerstört<br />
sein. Beim Schütteln des Siebes bleibt der Kehricht zurück, ebenso zeigt<br />
sich der Unrat eines Menschen, wenn man über ihn nachdenkt. Was das Töpfergeschirr<br />
taugt, richtet sich nach der Brennhitze im Ofen, ebenso beurteilt<br />
man einen Menschen nach seiner Rede. <strong>Die</strong> Pflege, die man für einen Baum<br />
aufwandte, erweist seine Frucht; eine Untersuchung erweist, wie ein Mensch<br />
gesinnt ist. Bevor du ihn beurteilt hast, lobe keinen Menschen, denn so vollzieht<br />
sich die Prüfung der Menschen.<br />
Wenn du nach Gerechtigkeit strebst, wirst du sie erlangen und wirst<br />
sie wie ein Prachtgewand anlegen. Vögel lassen sich nur bei ihresgleichen nieder,<br />
so kommt die Treue zu denen, die sie üben. Der Löwe lauert auf Beute; so<br />
auch die Sünde auf jene, die Unrecht tun.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
338
<strong>Die</strong> Rede des Frommen ist allezeit Weisheit, der Tor aber wechselt<br />
wie der Mond. Bist du mit Toren zusammen, so achte auf die Zeit, im Kreis der<br />
Weisen dagegen verweile. Das Geschwätz der Toren ist ein Gräuel, und ihr Lachen<br />
ist voll sündhafter Freude. Beim Gerede dessen, der viel schwört, sträuben<br />
sich die Haare, und hat er Streit, verstopft man sich die Ohren. Der Streit<br />
der Übermütigen führt zu Blutvergießen, ihr Gezänk anzuhören, ist grässlich.<br />
geheimnisverrat und falschheit<br />
Wer Geheimnisse verrät, verliert das Vertrauen, und er findet keinen<br />
Freund, der zu ihm steht. Liebe den Freund und bleibe ihm treu; doch hast du<br />
seine Geheimnisse verraten, besuch ihn ja nicht mehr. Denn wie einer, der seinen<br />
Feind zugrunde richtet, so hast du die Freundschaft deines Gefährten zugrunde<br />
gerichtet. Als ob du einen Vogel aus der Hand fortgelassen hättest, so<br />
hast du deinen Freund preisgegeben und wirst ihn nicht wiedererlangen. Folge<br />
ihm nicht, denn er hat sich weit entfernt, er floh wie eine Gazelle aus der<br />
Schlinge. Eine Wunde nämlich ist zu verbinden und ein Streit zu schlichten,<br />
doch wer Geheimnisse verrät, hat keine Hoffnung.<br />
Wer mit dem Auge zwinkert, plant Böses, keiner kann ihn davon abbringen.<br />
Vor deinen Augen macht er süße Worte und bewundert, was du<br />
sprichst. Nachher aber dreht er seine Worte um und macht aus deinen Reden<br />
ein Ärgernis. Vieles ist mir verhasst, aber nichts so wie er; auch der Herr wird<br />
ihn hassen. Wer einen Stein hochwirft, trifft sich selbst auf den Kopf, und wer<br />
hinterhältig schlägt, verwundet sich selbst. Wer eine Grube gräbt, fällt in sie<br />
hinein, und wer eine Falle stellt, fängt sich in ihr. Wer Böses tut, auf den rollt<br />
es zu, und er weiß nicht, woher es kommt. Spott und Schimpf dem Übermütigen,<br />
die Strafe lauert auf ihn wie ein Löwe. In der Falle fangen sich, die sich<br />
freuen über den Sturz der Gerechten, und der Schmerz verzehrt sie schon vor<br />
ihrem Tod.<br />
erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />
rachsucht<br />
Groll und Zorn sind gleichfalls abscheulich,<br />
und nur der Sünder hält daran fest.<br />
28<br />
Wer Rache übt, erfährt selbst Rache vom Herrn, er wird ihm seine<br />
Sünden sicher anrechnen. Vergib deinem Nächsten das Unrecht, dann werden<br />
dir auf dein Gebet hin auch deine Sünden erlassen.<br />
339 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
Einer hält gegen den anderen am Zorn fest, und doch will er beim<br />
Herrn Heilung suchen? Mit seinesgleichen hat er kein Erbarmen und bittet<br />
doch wegen seiner eigenen Sünden? Er selbst ist nur Fleisch und hält am Groll<br />
fest, wer wird da seine Sünden vergeben?<br />
Denke an die letzten Dinge und beende die Feindschaft, an Untergang<br />
und Tod, und verharre bei den Geboten. Denke an die Gebote, grolle dem<br />
Nächsten nicht, an den Bund mit dem Höchsten, und vergib die Schuld.<br />
streit<br />
Halt dich vom Streit fern und du verringerst die Zahl der Sünden;<br />
denn ein jähzorniger Mensch entfacht den Streit. Ein sündhafter Mensch<br />
bringt Freunde durcheinander, und unter Friedfertige schleudert er Hass. Je<br />
nach dem Brennstoff flammt das Feuer auf, je nach der Heftigkeit vergrößert<br />
sich der Streit. Je nach der Macht des Menschen ist seine Wut, und je nach dem<br />
Reichtum steigert er seinen Zorn. Ein plötzlicher Streit entfacht das Feuer, und<br />
ein jäher Zank bringt Blutvergießen. Bläst du in den Funken, so flammt er auf,<br />
spuckst du ihn an, so erlischt er; und beides kommt aus deinem Mund.<br />
verleumdung<br />
Den Verleumder und Doppelzüngigen verfluche; denn viele, die friedlich<br />
lebten, haben sie zugrunde gerichtet. <strong>Die</strong> Verleumdung hat schon viele<br />
zum Wanken gebracht und sie von Volk zu Volk getrieben. Auch hat sie feste<br />
Städte zerstört und selbst Häuser von Großen gestürzt. <strong>Die</strong> Verleumdung hat<br />
schon tüchtige Frauen verstoßen und um den Ertrag ihrer Arbeit gebracht. Wer<br />
auf sie achtet, findet keine Ruhe und kann nicht in Frieden wohnen. Der Schlag<br />
mit der Peitsche bewirkt eine Strieme, der Schlag mit der Zunge aber zerbricht<br />
Knochen. Viele schon fielen durch die Schärfe des Schwertes, doch nicht so<br />
viele, wie durch die Zunge gefallen sind. Glücklich, wer vor ihr geborgen ist<br />
und nicht ihrer Wut verfiel, wer nicht ihr Joch ziehen muss und mit ihren Stricken<br />
nicht gebunden ist. Denn ihr Joch ist ein eisernes Joch, und ihre Stricke<br />
sind eherne Stricke. Ein schlimmer Tod ist der Tod durch sie, und besser als<br />
sie ist die Unterwelt. Über Fromme hat sie keine Macht, und sie werden in ihrer<br />
Flamme nicht versengt. <strong>Die</strong> den Herrn verlassen, fallen ihr anheim, und<br />
sie flammt an ihnen auf, ohne zu erlöschen. Sie wird auf sie losgelassen wie<br />
ein Löwe und zerreißt sie wie ein Panther. Siehe, du zäunst deinen Besitz mit<br />
Dornen ein, dein Silber und Gold verwahrst du; bestimme Waage auch und Gewicht<br />
für dein Wort, Türen und Riegel mach auch für deinen Mund. Achte, dass<br />
du durch sie nicht strauchelst, und nicht fällst vor einem, der darauf lauert.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
340
orgen<br />
29<br />
Wer rechte Liebe übt, leiht dem Nächsten, und wer ihm die Hand entgegenstreckt,<br />
hält die Gebote. Borg dem Nächsten zur Zeit seiner Not, doch<br />
zahl auch dem Nächsten zurück zur rechten Zeit. Halte Wort und zeige dich<br />
ihm als zuverlässig, so wirst du allzeit erhalten, wessen du bedarfst.<br />
Viele halten das Geborgte für einen guten Fund, dann aber bereiten<br />
sie ihren Helfern Verdruss. Bis er es bekommt, küsst er ihm die Hand, und um<br />
des Geldes des andern willen redet er demütig. Doch zur Zeit der Rückzahlung<br />
hält er ihn hin, zahlt mit Klagereden und entschuldigt sich mit der Zeit. Kann<br />
er dann zahlen, so erhält der Bürge kaum die Hälfte zurück, und betrachtet es<br />
wie einen Fund. Kann er aber nicht, so ist er um sein Geld gebracht und hat<br />
unverdient einen Feind mehr. Mit Flüchen und Schimpfworten zahlt er ihm<br />
heim, und statt mit Ehre vergilt er ihm mit Schmach. Viele weigern sich zu entleihen,<br />
nicht aus Bosheit, sondern weil sie sich fürchten vor nutzlosem Streit.<br />
erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />
almosen<br />
Dennoch hab Geduld mit einem Leidgebeugten, und laß ihn nicht<br />
auf das Almosen warten. Um des Gebotes willen nimm dich des Armen an, und<br />
entsprechend seiner Not lass ihn nicht leer von dir gehen. Setze das Geld ein<br />
für den Bruder und Freund, und lass es nicht bis zum Verderben rosten unter<br />
dem Stein. Lege dir einen Schatz nach den Geboten des Höchsten an, und er<br />
wird dir mehr nützen als Gold. Verschließe Wohltaten in deiner Schatzkammer,<br />
und sie werden dich aus allem Unglück retten. Besser als ein starker Schild<br />
und eine schwere Lanze werden sie für dich gegen den Feind streiten.<br />
bürgen<br />
Der gute Mensch bürgt für seinen Nächsten, nur wer die Scham verloren<br />
hat, lässt ihn im Stich. <strong>Die</strong> Gefälligkeiten des Bürgen vergiss nicht, er<br />
gab sich selbst für dich hin. Der Bösewicht richtet die Güter des Bürgen zugrunde,<br />
und der undankbar Gesinnte lässt seinen Retter im Stich.<br />
Bürgschaft hat schon viele ruiniert, denen es gut ging, und hat sie<br />
wie eine Meereswoge umgeworfen. Reiche Männer hat sie heimatlos gemacht,<br />
und sie irrten bei fremden Völkern umher.<br />
Der Sünder leistet eilig Bürgschaft, wer dem Gewinn nachjagt, wird<br />
der Strafe verfallen. Nimm dich des Nächsten an nach deinen Kräften, doch<br />
hab Acht auf dich, dass du nicht hereinfällst.<br />
341 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
gastfreundschaft<br />
<strong>Die</strong> Hauptsache zum Leben sind Wasser und Brot, und Kleidung und<br />
Wohnung, um sich zu schützen. Besser das Leben des Armen unter schirmendem<br />
Dach als köstliche Leckerbissen in der Fremde. Ob wenig oder viel, sei<br />
zufrieden, dann hörst du keinen Vorwurf in der Fremde.<br />
Schlimm ist ein Leben von Haus zu Haus, denn wo du als Fremder<br />
lebst, darfst du den Mund nicht auftun. Ein Fremder bist du und Schmach<br />
musst du schlucken und noch bittere Worte hören: Auf, Fremder, deck den<br />
Tisch, und wenn du etwas hast, gib mir zu essen! Fort, Fremder, ich habe eine<br />
Ehrenpflicht, der Bruder ist als Gast gekommen, ich brauche das Haus. Hart<br />
ist für einen verständigen Menschen das Schelten des Hausherrn und das<br />
Schimpfen des Gläubigers.<br />
kindererziehung<br />
30<br />
Wer seinen Sohn liebt, hält stets den Stock für ihn bereit, damit er<br />
später Freude an ihm erleben kann. Wer seinen Sohn züchtigt, wird Freude an<br />
ihm haben, bei seinen Bekannten wird er seinetwegen gerühmt werden. Wer<br />
seinen Sohn unterweist, wird den Feind neidisch machen, vor seinen Freunden<br />
aber kann er auf ihn stolz sein. Stirbt sein Vater, so ist es, als wäre er nicht<br />
tot, denn er hat sich ein Abbild zurückgelassen. Zu Lebzeiten kann er sich freuen,<br />
sooft er ihn sieht, und bei seinem Hinscheiden ist er ohne Besorgnis. Den<br />
Feinden gegenüber hinterlässt er einen Rächer, den Freunden aber einen, der<br />
ihnen die Liebe vergilt.<br />
Wer den Sohn verzärtelt, wird sich selbst Wunden verbinden müssen,<br />
und bei jedem Schrei zittert sein Herz. Ein ungebändigtes Pferd nimmt wild<br />
Reißaus, und ein Sohn, der sich selbst überlassen ist, wird ungezogen. Verzärtele<br />
deinen Sohn und er wird dich in Schrecken setzen, scherze mit ihm und<br />
er wird dich betrüben. Lache nicht mit ihm, dass er dir nicht Verdruss macht<br />
und dir schließlich die Zähne stumpf werden. Lass ihn nicht eigenmächtig werden<br />
in seiner Jugend und dulde keine Bosheiten von ihm.<br />
Beuge ihm den Kopf, solange er jung ist, und schlag ihn aufs Gesäß,<br />
solange er klein ist, damit er nicht verrohe und gegen dich widerspenstig wird<br />
und dir dann durch ihn Herzeleid entsteht. Züchtige deinen Sohn und erzieh<br />
ihn gut, damit er sich in seiner Torheit nicht gegen dich erhebt.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
342
gesundheit<br />
Besser arm, aber gesunde Glieder, als reich und mit einem kranken<br />
Leib geschlagen. Ein Leben in Gesundheit liebe ich mehr als Gold und einen<br />
gesunden Leib mehr als Perlen. Kein Reichtum geht über den Reichtum gesunder<br />
Glieder, und kein Gut geht über ein frohes Herz.<br />
Besser sterben als ein trauriges Leben, und besser die ewige Ruhe als<br />
beständiges Leid. Leckerbissen, dargeboten einem verschlossenen Mund, gleichen<br />
einer Opferspeise, auf ein Grab gestellt. Was nützt diese den Götzenbildern,<br />
die weder essen noch riechen können? So steht es mit dem, den der Herr<br />
verfolgt. Mit seinen Augen sieht er und seufzt, wie ein Entmannter ist er, der<br />
ein Mädchen umarmt und seufzt.<br />
freude<br />
Gib dich nicht der Sorge hin und komm nicht zu Fall durch dein Grübeln.<br />
Freude des Herzens ist für den Menschen Leben, und Frohsinn verlängert<br />
seine Tage. Rede dir selber gut zu, beruhige dein Herz und halte den Ärger<br />
dir fern. Denn viele tötet die Sorge, und ohne Nutzen ist der Kummer. Neid<br />
und Verdruss verkürzen das Leben, und die Sorge lässt vor der Zeit altern. Dem<br />
freigiebigen Herzen schmeckt es bei Tisch, und sein Essen bekommt ihm.<br />
erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />
reichtum<br />
31<br />
Schlaflosigkeit wegen des Reichtums lässt das Fleisch schwinden,<br />
und die Sorge um ihn verscheucht den Schlaf. <strong>Die</strong> Sorge um den Unterhalt<br />
vertreibt den Schlummer, und schwere Krankheit verjagt den Schlaf. Der Reiche<br />
quält sich, ein Vermögen zu sammeln, und wenn er ruht, greift er nach<br />
Lust. Der Arme plagt sich, weil er des Vermögens entbehrt, und wenn er ruht,<br />
muss er hungern. Wer das Gold liebt, bleibt nicht ohne Schuld, und wer dem<br />
Geld nachjagt, wird darum betrogen. Viele sind Opfer des Goldes geworden,<br />
und plötzlich stand ihr Verderben vor ihnen. Eine Falle ist es für die, die ihm<br />
opfern, und jeder Unverständige fängt sich darin. Glücklich der Reiche, der<br />
schuldlos befunden und nicht hinter dem Geld herläuft. Wo ist ein solcher,<br />
dass wir ihn preisen können? Denn Wunderbares vollbrachte er in seinem Volk.<br />
Wer ist es, der versucht wurde und unversehrt blieb? Es soll ihm das zum Ruhm<br />
gereichen. Wer konnte sich verfehlen und verfehlte sich nicht, konnte Böses<br />
tun und tat es nicht? Darum steht sein Glück gefestigt, und Wohltaten verkündet<br />
die Gemeinde.<br />
343 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
tischsitten. völlerei<br />
Wenn du an der Tafel eines Großen sitzt, dann reiß dabei den Mund<br />
nicht auf. Sprich nicht: Überreichlich ist aufgetragen. Sei eingedenk, wie hässlich<br />
ein gieriges Auge ist. Ist etwas Schlimmeres als das Auge erschaffen? Darum<br />
muss es auch bei jeder Gelegenheit weinen. Dorthin, wohin dein Gastgeber<br />
blickt, streck deine Hand nicht aus, damit du mit ihm nicht zusammentriffst<br />
in der Schüssel.<br />
Schätze deinen Nächsten nach dir selbst ein, und sei besonnen in allem.<br />
Iss wie ein wohlerzogener Mensch, was man dir vorsetzt, und schlürfe<br />
nicht, dass man dich nicht verachtet. Hab den Anstand, als Erster aufzuhören,<br />
und sei kein Vielfraß, dass du nicht unangenehm auffällst. Und wenn du unter<br />
vielen sitzt, so greife deinem Nachbarn nicht vor. Genügt nicht auch wenig<br />
für einen verständigen Menschen? Dann ist sein Atem auch ruhig auf seinem<br />
Lager. Gesunden Schlaf hat, der den Magen nicht überlädt; wacht er dann am<br />
Morgen auf, so ist er gleich bei sich.Schlaflosigkeit, Erbrechen und Leibschmerzen<br />
bekommt ein unmäßiger Mensch. Wurdest du aber dennoch von den Leckerbissen<br />
verführt, steh auf, spei sie aus und es wird dir leichter werden. Höre,<br />
mein Sohn, und missachte mich nicht, so wirst du schließlich meine Worte<br />
verstehen. Bei all deinem Tun sei beherrscht, so wird dich keine Krankheit treffen.<br />
Man rühmt hoch einen freigebigen Gastgeber, und das Zeugnis für<br />
seine Freigebigkeit währt immer. Aber über einen schlechten Gastgeber redet<br />
man schlecht in der Stadt, zu Recht sieht man darin ein Zeugnis für seinen<br />
Geiz.<br />
wein<br />
Beim Wein spiel nicht den starken Mann, denn schon viele hat der<br />
Rebensaft zu Fall gebracht. Wie der Ofen die Härte des Eisens prüft, so ist der<br />
Wein eine Erprobung für Leichtsinnige. Wie Lebenswasser ist der Wein dem<br />
Menschen, wenn er ihn mit Maß genießt. Was hat der für ein Leben, der den<br />
Wein entbehrt! <strong>Die</strong>ser ist ja von Anfang an zur Freude der Menschen geschaffen.<br />
Frohsinn und Herzensfreude ist der Wein, zur rechten Zeit und mit Bedacht<br />
getrunken. Bitterkeit der Seele ist der Wein, im Übermaß in Erregung<br />
und Zorn getrunken. Zu viel Wein steigert den Zorn des Toren zu seinem Fall,<br />
er schwächt die Kraft und schlägt viele Wunden.<br />
Beim Weingelage tadle nicht deinen Freund, und verachte ihn nicht<br />
in seiner Heiterkeit. Sprich kein Schmähwort zu ihm und dränge ihn nicht mit<br />
einer Geldforderung.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
344
gastmähler<br />
32<br />
Hat man dir den Vorsitz übertragen, so überheb dich nicht und sei<br />
unter ihnen wie einer ihresgleichen. Sorg erst für sie, dann lass auch du dich<br />
nieder. Hast du all deine Pflichten erfüllt, dann setze dich. So wirst du dich<br />
mit ihnen erfreuen können und wirst der guten Ordnung wegen den Kranz erhalten.<br />
Ergreife das Wort, Alter, es geziemt dir, doch halt dich zurück mit Belehrung<br />
und stör den Gesang nicht. Während des Singens, wer wird da Gespräche<br />
führen, wer zur Unzeit sein Wissen anbringen? Ein Rubin in goldenem<br />
Geschmeide, so ist eine gesungene Weise beim Weingelage. Ein Siegel von Smaragd<br />
in goldener Einfassung, das ist der Klang der Lieder bei köstlichem Wein.<br />
Ergreife das Wort, du Junger, nur, wenn du musst und man dich dringend<br />
zwei- oder dreimal ersucht. Fasse zusammen und mache es recht kurz,<br />
und sei einer, der weiß und doch schweigen kann. Im Kreis der Vornehmen<br />
überheb dich nicht, und den Älteren werde nicht lästig mit Wortgefechten. Vor<br />
dem Donner leuchtet der Blitzstrahl, vor dem Bescheidenen leuchtet die Gunst.<br />
Zur festgesetzten Zeit verweile nicht länger, geh nach Haus und sei<br />
nicht ausgelassen. Dort sei lustig und überlass dich der Laune, aber sündige<br />
nicht durch ein stolzes Wort. Auch preise deinen Schöpfer für all dies, der dich<br />
so reichlich gelabt hat mit seinen Gütern.<br />
erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />
gottesfurcht und vertrauen auf das gesetz<br />
Wer den Herrn fürchtet, empfängt Unterweisung, und wer sich an<br />
ihn wendet, findet Wohlgefallen. Wer das Gesetz erforscht, wird von ihm erfüllt,<br />
wer aber heuchelt, verfängt sich in ihm. Wer den Herrn fürchtet, erkennt,<br />
was recht ist und lässt seine gerechten Aussprüche leuchten wie ein Licht. Der<br />
Sünder nimmt die Zurechtweisung nicht an und findet Ausflüchte, wie er sie<br />
braucht. Der weise Mann verschleiert das Erkannte nicht, der überhebliche<br />
Gottlose kennt das Gesetz nicht.<br />
Unternimm nichts ohne Überlegung, dann brauchst du nach deiner<br />
Tat nichts zu bereuen. Geh nicht auf einem holprigen Weg, und strauchle nicht<br />
auf steinigem Boden. Sei nicht vertrauensselig auf dem glatten Weg und nimm<br />
dich vor deinen Kindern in Acht. Bei all deinen Werken achte auf dich selbst,<br />
denn so beachtest du das Gesetz. Wer auf das Gesetz vertraut, hält seine Gebote,<br />
und wer auf den Herrn vertraut, wird nicht zuschanden.<br />
33<br />
Wer den Herrn fürchtet, den trifft kein Unheil; sollte er in Versuchung<br />
fallen, hilft er ihm wieder heraus. Nicht weise ist, wer das Gesetz hasst,<br />
und wer ihm gegenüber heuchelt, schwankt wie ein Schiff im Sturm.<br />
345 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
Ein verständiger Mann vertraut auf das Gesetz, und das Gesetz ist<br />
ihm verlässlich wie das Orakel. Bereite deine Rede vor, dann hört man dich<br />
gern, fasse die Lehrweisheit zusammen und dann antworte. Wie ein Wagenrad<br />
ist das Innere des Toren, wie eine sich drehende Rolle ist sein Denken. Wie ein<br />
geiles Pferd, so ist ein spottender Freund, unter jedem Reiter wiehert es.<br />
ungleichheit unter den geschöpfen<br />
Warum ragt ein Tag über den anderen empor, wo doch alles Licht des<br />
Jahres von der Sonne kommt? Durch die Weisheit des Herrn sind sie gesondert,<br />
und er hat die Zeiten und Feste geschieden. Einige hat er erhöht und geheiligt<br />
und einige unter die gewöhnlichen Tage eingereiht. <strong>Die</strong> Menschen sind<br />
alle aus Lehm geformt, aus der Erde ist Adam erschaffen worden.<br />
Doch in Weisheit hat Gott auch sie geschieden und hat ihre Wege<br />
mannigfaltig gemacht. Auch von ihnen hat er einige gesegnet und erhöht, einige<br />
von ihnen hat er geheiligt und ließ sie sich nahen. Einige hat er verflucht<br />
und erniedrigt und vertrieb sie von ihrer Stelle. Wie der Ton des Töpfers in seiner<br />
Hand, geformt nach seinem Belieben, so ist der Mensch in der Hand seines<br />
Schöpfers, ihm weist er (sein Geschick) zu nach seiner Entscheidung.<br />
Dem Bösen gegenüber steht das Gute, dem Tod gegenüber das Leben,<br />
und dem Gerechten gegenüber der Sünder. Und schaust du auf alle Werke des<br />
Höchsten: paarweise sind sie geschaffen, eines entsprechend dem anderen. So<br />
habe auch ich mich schließlich rastlos gemüht wie einer, der Nachlese hält<br />
hinter den Winzern. Mit Gottes Segen aber kam ich voran, und wie ein Winzer<br />
füllte ich die Kelter. Seht, ich habe mich nicht für mich allein gemüht, sondern<br />
für alle, die nach Bildung trachten. So hört auf mich, ihr Großen des Volkes,<br />
ihr Vorsteher der Gemeinde, merkt auf.<br />
unabhängigkeit<br />
Dem Sohn, der Frau, dem Bruder und Freund gib keine Gewalt über<br />
dich, solange du lebst. Tritt keinem anderen dein Vermögen ab, damit du nicht<br />
wieder um etwas bitten musst. Solange du lebst und noch Atem in dir ist, vertausche<br />
deine Stellung mit keinem anderen. Denn es ist besser, dass deine Kinder<br />
dich bitten müssen, als dass du auf die Hände deiner Söhne schauen musst.<br />
Bei all deinen Werken behaupte dich als Herr, und bring keinen Makel auf deine<br />
Ehre. Wenn deine Lebenstage zu Ende gehen, in der Stunde des Todes erst<br />
verteil das Erbe.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
346
sklaven<br />
Heu, Stock und Last sind für den Esel, Brot, Zucht und Arbeit für den<br />
Sklaven. Gib dem Sklaven Arbeit und du wirst deine Ruhe haben; gib ihm die<br />
Hand frei und er wird die Freiheit suchen. Joch und Strick beugen den Nacken,<br />
dem schlechten Sklaven gehören Block und Schläge. Halte ihn also zur Arbeit<br />
an, damit er nicht untätig ist, denn vielerlei Bosheit lehrt der Müßiggang. Stelle<br />
ihn an die Arbeit, wie es sich für ihn gehört, und wenn er nicht gehorcht,<br />
lege ihn in schwere Fußketten. Aber tue gegen niemand etwas im Übermaß und<br />
unternimm nichts ohne Recht.<br />
Hast du nur einen Sklaven, so sei er dir wie du selbst, denn mit deinem<br />
Blut hast du ihn erworben. Hast du nur einen Sklaven, behandle ihn wie<br />
einen Bruder; denn du brauchst ihn wie dich selbst. Wenn du ihn schlecht behandelst<br />
und er macht sich auf und davon, auf welchem Weg willst du ihn wieder<br />
finden?<br />
nichtigkeit der träume<br />
erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />
34<br />
Leere und trügerische Hoffnungen hat ein unverständiger Mensch:<br />
denn Träume setzen nur Toren in Erregung. Wie einer, der nach dem Schatten<br />
greift und den Wind zu haschen versucht, so ist einer, der sich auf Träume verlässt.<br />
Verwandt sind Spiegel und Träume, das Bild eines Gesichts erscheint dem<br />
Gesicht selbst gegenüber. Wie ist von einem Unreinen Reines zu erwarten, und<br />
wie von der Lüge Wahrheit?<br />
Wahrsagen, Zeichendeuterei und Träume sind nichtig, Einbildungen<br />
einer schwangeren Frau. Wenn sie nicht vom Höchsten zur Warnung gesandt<br />
sind, so schenk ihnen keinerlei Beachtung. Träume haben schon viele in die<br />
Irre geführt; weil sie ihnen vertrauten, strauchelten sie. Mit Sicherheit wird<br />
das Gesetz in Erfüllung gehen; die Weisheit in einem ehrlichen Mund ist vollkommen.<br />
reisen<br />
Ist einer viel herumgekommen, so hat er ein reiches Wissen, und ein<br />
viel erfahrener Mann kann verständige Ausführungen geben. Wer nichts erfahren<br />
hat, weiß wenig, doch wer viel herumgekommen ist, erwarb Klugheit in<br />
Fülle. Vieles habe ich gesehen, als ich unterwegs war, und ich habe mehr erfahren,<br />
als ich erzählen könnte. Oft schwebte ich in Todesgefahr, doch ich wurde<br />
wegen all dieser Erfahrungen gerettet.<br />
347 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
Der Geist derer, die den Herrn fürchten, wird leben; denn sie sind<br />
voller Hoffnung auf ihren Retter. Wer den Herrn fürchtet, verzagt nicht, er zittert<br />
nicht, denn er ist seine Hoffnung. Glücklich die Seele des Gottesfürchtigen.<br />
Auf wen verlässt er sich und wer ist seine Stütze? <strong>Die</strong> Augen des Herrn<br />
sind auf die gerichtet, die ihn lieben, ist er doch ein starker Schild und eine<br />
mächtige Stütze, ein Schutz vor der Glut und ein Schirm gegen die Mittagshitze,<br />
eine Bewahrung vor dem Anstoß und eine Hilfe vor dem Fall, eine Freude<br />
des Herzens und ein Licht für die Augen, ein Heilmittel des Lebens und ein<br />
Segen.<br />
opfer<br />
Ein Opfer von unrechtem Gut ist eine Gabe zum Hohn, und die Gaben<br />
der Gottlosen sind kein Wohlgefallen. Kein Gefallen hat der Höchste an<br />
den Gaben der Frevler, auch bei einer Fülle von Opfern verzeiht er die Sünden<br />
nicht. Den Sohn opfert vor den Augen des Vaters, wer eine Gabe darbringt vom<br />
Gut der Armen. Ein kärgliches Brot ist der Lebensunterhalt der Armen; wer es<br />
ihnen verwehrt, ist ein Blutsauger. Ein Mörder seines Nächsten ist, wer ihm<br />
den Unterhalt wegnimmt, und Blut vergießt, wer dem Arbeiter den Lohn vorenthält.<br />
Der eine baut, der andere reißt ein, was haben sie mehr davon als Mühe?<br />
Der eine betet, der andere flucht, auf wessen Stimme wird der Herr hören? Reinigt<br />
sich einer nach der Berührung eines Toten und fasst ihn wieder an, was<br />
hat einer von seinem Waschen? So ist ein Mensch, der seiner Sünden wegen<br />
fastet und doch wieder dasselbe tut. Wer wird auf sein Gebet hören, und was<br />
hat er von seiner Kasteiung?<br />
35<br />
Wer das Gesetz befolgt, bringt viele Opfer dar, Gemeinschaftsopfer,<br />
wer die Gebote hält. Wer Liebe übt, bringt Speiseopfer dar, und wer ein Almosen<br />
gibt, spendet Dankopfer. Das Wohlgefallen des Herrn ist die Abkehr vom<br />
Bösen, und ein Sühnopfer die Abkehr vom Unrecht.<br />
Erscheine nicht mit leeren Händen vor dem Herrn, denn dies alles<br />
geschieht nach der Vorschrift. Das Opfer des Gerechten macht den Altar fett,<br />
und es ist Wohlgeruch vor dem Herrn. Das Opfer des Gerechten ist angenehm,<br />
sein Gedenkopfer wird nicht vergessen werden. Mit gebefreudigem Herzen<br />
ehre den Herrn, und lass die Erstlinge, die du opferst, nicht zu gering ausfallen.<br />
Bei all deinen Abgaben mach ein freundliches Gesicht, und weihe den<br />
Zehnten mit frohem Sinn. Gib dem Höchsten entsprechend seinen Gaben an<br />
dich, gebefreudig und nach bestem Können. Denn der Herr zahlt zurück, und<br />
siebenfach wird er es dir erstatten.<br />
Unternimm keine Bestechung, denn er nimmt sie nicht an. Verlass<br />
dich nicht auf Opfer aus unrechtem Gut, denn der Herr ist Richter, und bei<br />
ihm ist kein Ansehen der Person.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
348
gebet und hilfe<br />
Er ist nicht parteiisch gegen den Armen, und er erhört die Gebete aus<br />
der Not. Er verwirft nicht das Rufen der Waisen noch die Witwe mit der Menge<br />
ihrer Klagen. <strong>Die</strong> Tränen der Witwe, die über ihre Wangen fließen, und das<br />
Schluchzen, sprechen sie nicht gegen den, der sie verursacht?<br />
Wer dem Herrn von Herzen dient, findet Aufnahme, und seine Bitte<br />
kommt bis zu den Wolken. Das Geschrei des Elenden dringt durch die Wolken<br />
und tröstet sich nicht, bis es am Ziel ist. Es weicht nicht, bis der Allerhöchste<br />
herschaut und gerecht richtet und Recht schafft. Auch wird Gott nicht zögern<br />
und Geduld an ihnen üben, bis er die Hüften des Bedrückers zerschmettert<br />
und an den Völkern Vergeltung geübt hat, bis er die Menge der Stolzen zerschlagen<br />
und das Zepter der Frevler zerbrochen hat, bis er dem Menschen sein<br />
Tun vergolten und das Treiben des Menschen gemäß seiner Anschläge, bis er<br />
seinem Volk Gerechtigkeit erwiesen und es erfreut hat durch sein Erbarmen.<br />
Willkommen ist das Erbarmen des Herrn in der Zeit der Bedrängnis, wie ein<br />
Gewitterregen in der Zeit der Dürre.<br />
erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />
gebet um die befreiung und<br />
wiederherstellung israels<br />
36<br />
Erbarme dich unser, Herr, du Gott des Alls, schau her und lege deinen<br />
Schrecken auf alle Völker. Schwinge die Hand gegen die fremden Völker, damit<br />
sie deine großen Taten sehen. Wie du dich an uns heilig erwiesen hast vor ihren<br />
Augen, so erweise dich groß gegen sie vor unseren Augen, damit sie erkennen,<br />
wie wir es erkannt haben, dass es keinen Gott gibt außer dir, Herr. Erneuere die<br />
Zeichen und wiederhole die Wunder, erweise als herrlich deine Hand und als<br />
stark deinen rechten Arm. Erwecke deinen Zorn und ergieß deinen Grimm, beuge<br />
den Gegner und vernichte den Feind. Beschleunige das Ende und gedenke<br />
des Eides, dass man deine großen Taten preist.<br />
Durch rächendes Feuer werde verzehrt, wer überlebt; und die Bedrücker<br />
deines Volkes sollen zugrunde gehen. Zerschmettere die Köpfe der fremden<br />
Fürsten, die da sagen: Es gibt niemanden außer uns! Sammle alle Stämme Jakobs,<br />
und verteil den Erbbesitz wie in den Tagen der Vorzeit. Erbarme dich des Volkes,<br />
das nach deinem Namen benannt ist, Israels, das du als Erstgeborenen bezeichnet<br />
hast. Erbarme dich deiner heiligen Stadt, Jerusalems, des Ortes deiner Wohnung.<br />
Erfülle Zion mit deinem Lob und mit deiner Herrlichkeit deinen Tempel.<br />
Lege Zeugnis ab für die, die schon von Anfang an deine Knechte waren, und stehe<br />
ein für die Verheißung, die in deinem Namen erging. Belohne, die auf dich<br />
hoffen, und deine Propheten erweise als zuverlässig. Erhöre das Gebet deiner<br />
<strong>Die</strong>ner gemäß dem Segen Aarons über deinem Volk. Und alle Enden der Erde<br />
sollen erkennen, dass du der Herr bist, der ewige Gott.<br />
349 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
vom unterscheiden<br />
Jede Speise nimmt der Magen auf, aber die eine Speise ist besser als<br />
die andere. Der Gaumen prüft die Leckerbissen und ein verständiges Herz die<br />
Lügenworte. Ein arglistiges Herz bereitet Kummer, aber ein geschickter Mann<br />
zahlt es ihm zurück.<br />
wahl einer frau<br />
Eine Frau nimmt einen jeden Mann, aber es gibt Mädchen, die besser<br />
sind als andere. <strong>Die</strong> Schönheit der Frau erheitert das Angesicht und übertrifft<br />
alle Lust des Mannes. Wenn auf ihrer Zunge Güte und Milde ist, dann ist<br />
ihr Mann der glücklichste der Menschen. Wer eine Frau besitzt, hat den Ursprung<br />
des Glücks, eine ihm entsprechende Hilfe und eine stützende Säule.<br />
Fehlt der Zaun, wird der Besitz geplündert, fehlt die Frau, seufzt der<br />
Mann und geht in die Irre. Wer traut einem <strong>Die</strong>b, der unterwegs ist, der von<br />
Stadt zu Stadt eilt? So ist es mit dem Mann, der kein Heim hat, er hält Rast, wo<br />
es gerade Abend wird.<br />
falsche freunde<br />
37<br />
Jeder Freund sagt: Ich bin dir gut. Aber mancher ist nur dem Namen<br />
nach Freund. Ist es nicht ein Kummer, der dem Tod gleichkommt, wenn ein<br />
Kamerad oder ein Freund zum Feind wird? Böse Menschennatur, wozu bist du<br />
erschaffen? Um die ganze Erde mit Falschheit zu erfüllen?<br />
Ein schlechter Freund nützt den Freund aus im Glück, zur Zeit der<br />
Not aber tritt er als Gegner gegen ihn auf. Ein schlechter Freund zeigt Mitleid<br />
mit dem Freund aus Eigennutz, zur Zeit des Kampfes aber ergreift er den Schild.<br />
Vergiss den treuen Freund nicht im Kampf, und vergiss ihn nicht inmitten deines<br />
Reichtums.<br />
ratgeber<br />
Jeder Ratgeber erteilt Rat, aber es gibt auch Ratgeber, die an den eigenen<br />
Vorteil denken. Sei also vor dem Ratgeber auf der Hut, erkenne zuvor,<br />
was er nötig hat – denn auch er denkt an sich selbst –, damit er nicht sein begieriges<br />
Auge auf dich wirft. Er sagt zu dir: Du bist auf dem rechten Weg. Dann<br />
aber bleibt er von fern stehen, zu sehen, was dir geschieht.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
350
Berate dich nicht mit deinem Neider, und mit dem Eifersüchtigen<br />
sprich nicht über deine Pläne. (Berate dich) nicht mit einer Frau über ihre Rivalin,<br />
nicht mit einem Feigling über den Kampf, nicht mit einem Händler über<br />
den Verkauf, nicht mit einem Käufer über die Ware, nicht mit einem Geizhals<br />
über Erweis von Wohltaten, nicht mit einem Hartherzigen über Barmherzigkeit,<br />
nicht mit einem Faulenzer über eine Arbeit, nicht mit einem Arbeiter über<br />
die Vollendung einer Aufgabe, Nicht mit einem faulen Sklaven über Arbeitslast.<br />
Nicht auf solche verlasse dich, wenn du Rat suchst.<br />
Wohl aber berate dich stets mit einem gottesfürchtigen Mann, von<br />
dem du weißt, dass er die Gebote hält, der in seinem Herzen nach deinem Herzen<br />
ist und, wenn du strauchelst, sich um dich bemüht.<br />
Doch auch den Rat des Gewissens beachte, denn wer ist zuverlässiger<br />
als dieses? Das Gewissen des Menschen gibt bessere Auskunft als sieben<br />
Wächter auf der Warte. Und bei allem bete zum Höchsten, dass er deine Schritte<br />
in Treue lenke.<br />
wahre und falsche weisheit<br />
erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />
Der Anfang einer jeden Tat ist der Verstand, der Anfang eines jeden<br />
Werkes ist die Überlegung. <strong>Die</strong> Wurzel der Pläne ist das Herz. Vier Zweige<br />
sprossen aus ihm hervor: Gutes und Böses, Leben und Tod; doch herrscht<br />
über sie alle die Zunge.<br />
Es gibt Weise, die sind für viele weise, für sich aber sind sie einfältig.<br />
Es gibt Weise, die mit ihrer Redekunst abgelehnt werden; ihnen wird jeder<br />
Lebensunterhalt fehlen. Denn der Herr gewährt ihm nicht seine Huld;<br />
er ist aller Weisheit bar. Es gibt Weise, die für sich selber weise sind, und die<br />
Früchte ihres Wissens sind nur in seinem Mund wahr. Es gibt Weise, die für<br />
ihr Volk weise sind, und der Ertrag ihres Wissens ist von Dauer. Der Weise<br />
wird mit Segen gesättigt, und es preisen ihn alle glücklich, die ihn sehen.<br />
[Das Leben des Menschen ist in seinen Tagen gezählt, aber Israels Tage sind<br />
ohne Zahl.] Wer für das Volk weise ist, erlangt Vertrauen, und sein Name<br />
bleibt immer lebendig.<br />
masshalten<br />
Mein Sohn, prüfe dich in deiner Lebensweise, beobachte, was dir<br />
schlecht bekommt, und erlaub es dir nicht. Denn nicht alles ist für alle gut,<br />
und nicht für jeden ist jede Speise zuträglich. Giere nicht nach jedem Genuss,<br />
und stürze dich nicht auf jeden Leckerbissen. Denn im Übermaß von Speisen<br />
steckt die Krankheit, und beim Unmäßigen kommt es zu heftigem Erbrechen.<br />
Durch Unmäßigkeit sind schon viele zu Tod gekommen, wer sich aber in Acht<br />
nimmt, verlängert das Leben.<br />
351 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
arzt und krankheit<br />
38<br />
Ehre den Arzt, wie es ihm zukommt, seinen <strong>Die</strong>nsten gemäß, denn<br />
auch ihn hat der Herr erschaffen. Vom Höchsten kommt die Heilung, und vom<br />
König empfängt man Geschenke. Das Wissen des Arztes erhöht sein Haupt,<br />
und bewundert wird er bei Fürsten. Der Herr bringt aus der Erde die Heilmittel<br />
hervor, und ein verständiger Mensch verschmäht sie nicht. Ist nicht durch<br />
ein Holz das Wasser süß geworden, um so Gottes Macht kundzutun? Einsicht<br />
gab er den Menschen, um sich durch seine Wunderkräfte zu verherrlichen. Der<br />
Arzt gebraucht sie, um zu pflegen und zu lindern, und ebenso bereitet der Salbenmischer<br />
die Arznei, damit Gottes Wirken nicht aufhört und Wohlbefinden<br />
durch ihn auf der Erde sich einstellt.<br />
Mein Sohn, in der Krankheit säume nicht, bete zum Herrn und er<br />
macht dich gesund. Meide die Sünde und lass die Hände rechtschaffen sein,<br />
von allem Bösen reinige dein Herz. Bringe den Wohlgeruch eines Gedenkopfers<br />
dar, und spende reichlich, so gut du vermagst.<br />
Aber auch dem Arzt gewähr Zutritt, denn der Herr hat auch ihn erschaffen;<br />
er soll nicht wegbleiben, denn auch er ist notwendig. Zu gegebener<br />
Zeit nämlich liegt in seiner Hand der Erfolg; denn auch er betet ja zum Herrn,<br />
dass er ihm die Linderung gelingen lässt und die Heilung zur Erhaltung des<br />
Lebens. Wer gegen seinen Schöpfer sündigt, gerät in die Hand des Arztes.<br />
trauer<br />
Mein Sohn, um den Toten lass Tränen fließen, trauere und stimm das<br />
Klagelied an. Wie es ihm zukommt, bestatte seinen Leib, und verbirg dich nicht<br />
bei seinem Begräbnis. Weine bitterlich, mein Sohn, und klage vor Schmerz,<br />
und halte die Trauer um ihn, wie es ihm gebührt, Ein, zwei Tage, dass man dir<br />
nichts nachsagen kann; dann aber tröste dich über den Schmerz.<br />
Traurigkeit führt zum Tod, ebenso bricht Trübsinn die Kraft. Mit dem<br />
Begräbnis soll auch der Schmerz ausziehen, ein Leben voll Trauer greift an das<br />
Herz. Überlasse dein Herz nicht der Traurigkeit, weise sie zurück und denke<br />
an das (eigene) Ende. Vergiss nicht: Es gibt keine Rückkehr. Was kannst du ihm<br />
also nützen? Dir aber schadest du. Denke daran: Was ihm bestimmt war, ist<br />
auch deine Bestimmung, gestern ihm und heute dir. Wie der Tote ruht, ruhe<br />
auch der Gedanke an ihn, tröste dich über ihn, wenn sein Leben erloschen ist.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
352
handwerk<br />
<strong>Die</strong> Weisheit des Schriftgelehrten wird in der Muße erworben, und<br />
wer frei ist von schwerer Arbeit, kann Weisheit erlangen.<br />
Wie kann der zur Weisheit gelangen, der den Pflug hält und sich mit<br />
dem Ochsenstachel großtut, der die Rinder treibt, sie bei der Arbeit nicht verlässt<br />
und sich nur über Kälber unterhält, wer seinen Sinn auf das Eggen richtet<br />
und danach trachtet, die Mast zu vollenden? Ebenso beschäftigt ist der Handwerker<br />
und Künstler, der in der Nacht wie am Tag seine Arbeit hat, der<br />
Siegelringe schneidet und seine Geduld auf den Wechsel der Farben aufwendet,<br />
der seinen Sinn darauf richtet, ein Bild getreu wiederzugeben und ganz<br />
bemüht ist, sein Werk zu vollenden. So auch der Schmied, der am Amboss sitzt<br />
und der das rohe Eisen anschaut. <strong>Die</strong> Feuersglut lässt ihm das Fleisch schmelzen,<br />
und er hat mit der Hitze des Ofens zu kämpfen. Das Getöse des Hammers<br />
betäubt ihm das Ohr, und sein Auge ruht auf dem Muster des Gerätes. Er achtet<br />
darauf, sein Werk zu vollenden und es nach seiner Fertigstellung zu verzieren.<br />
So auch der Töpfer, der an seiner Arbeit sitzt und mit seinen Füßen die<br />
Scheibe dreht. Seine Werke bearbeitet er mit Sorgfalt, und alle seine Bewegungen<br />
sind abgemessen. Mit seinem Arm formt er den Ton, und mit den Füßen<br />
macht er dessen Zähigkeit geschmeidig; aufmerksam bereitet er die Glasur und<br />
ist um das Brennen im Ofen bemüht. All diese vertrauen auf ihre Hände, und<br />
jeder ist tüchtig in seinem Beruf. Ohne sie wird keine Stadt besiedelt, man<br />
könnte weder in der Fremde siedeln noch umherziehen.<br />
Aber zur Volksversammlung werden sie nicht hinzugezogen, und in<br />
der Gemeinde treten sie nicht hervor. Sie sitzen nicht auf dem Stuhl des Richters,<br />
und das Gesetz verstehen sie nicht. Bildung und Urteilsfähigkeit offenbaren<br />
sie nicht, und unter denen, die Spruchweisheit schaffen, sind sie nicht<br />
aufzufinden. Aber sie kennen sich in weltlichen Dingen aus und ihr Gebet richtet<br />
sich auf das Betreiben ihres Gewerbes.<br />
erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />
schriftgelehrte<br />
39<br />
Anders, wer die Aufmerksamkeit seines Geistes und sein Sinnen auf<br />
das Gesetz des Höchsten richtet. <strong>Die</strong> Weisheit aller Vorfahren erforscht er, auch<br />
bemüht er sich um die Weissagungen. Er bewahrt die Rede namhafter Männer,<br />
und in die Tiefen der Spruchweisheit dringt er ein. Er forscht nach dem Sinn<br />
der Gleichnisse und verweilt bei den Rätseln der Sinnsprüche. Im Kreis der<br />
Großen tut er <strong>Die</strong>nst, und auch bei den Fürsten erscheint er. Er durchzieht das<br />
Land fremder Völker und erforscht Gutes und Böses unter den Menschen.<br />
Sein Herz aber richtet er darauf, sich vom Morgen an dem Herrn, seinem<br />
Schöpfer, zuzuwenden. Er erhebt seine Seele zum Höchsten, er öffnet seinen<br />
Mund, um zu beten, und er fleht für seine Sünden. Wenn es dem Herrn,<br />
353 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
dem Großen, gefällt, wird er mit dem Geist der Einsicht erfüllt. Er lässt dann<br />
Worte der Weisheit hervorsprudeln und lobpreist im Gebet den Herrn. Er versteht<br />
Rat und Wissenschaft und sinnt über seine Geheimnisse nach. Er offenbart<br />
die Zucht seiner Lehre und rühmt sich des Bundesgesetzes des Herrn.<br />
Viele preisen seine Einsicht, und niemals wird sie vergehen. Sein Andenken<br />
wird niemals verschwinden, sein Name lebt bis in ferne Geschlechter.<br />
Von seiner Weisheit erzählen die Völker, und sein Lob verkündet die Gemeinde.<br />
Wenn er lebt, wird sein Name mehr als tausend andere gepriesen, und wenn<br />
zur Ruhe eingeht, so wird sein Ruhm noch größer.<br />
aufforderung zum gotteslob<br />
Abermals will ich wohl überlegt meine Rede führen, denn wie der<br />
Vollmond bin ich gefüllt. Hört auf mich, fromme Söhne, und sprossen werdet<br />
ihr wie die Rose, die da wächst am Wasserlauf. Wie der Weihrauch werdet ihr<br />
Duft ausströmen und Blüten treiben wie die Lilie. Erhebt die Stimme und singt<br />
ein Loblied, und preist den Herrn wegen seiner Werke. Gebt seinem Namen<br />
die Ehre, und preist ihn mit einem Lobgesang, mit Liedern zum Saitenspiel.<br />
Sprecht mit Jubel: <strong>Die</strong> Werke des Herrn sind alle gewaltig, alles, was er befiehlt,<br />
geschieht zur rechten Zeit.<br />
Man sage nicht: Wozu ist denn dieses oder jenes? Alles muss erforscht<br />
werden zu seiner Zeit. Durch sein Wort hat er die Wasser wie einen Wall geschichtet,<br />
und durch den Befehl seines Mundes öffnet sich ihr Speicher. Auf<br />
seine Weisung geschieht alles, was er will, und es gibt kein Hindernis für seine<br />
Hilfe. <strong>Die</strong> Taten aller Menschen liegen offen vor ihm, und nichts ist vor seinen<br />
Augen verborgen. Von Urzeit her und für immer schaut er herab; nichts<br />
ist zu wunderbar für ihn.<br />
Man sage nicht: Wozu ist denn dieses oder jenes? Denn alles ist zu<br />
seinem Zweck ausersehen. So wie sein Segen alles bedeckt hat wie ein Fluss<br />
und den Erdkreis getränkt hat wie eine Flut, ebenso gibt er den Völkern seinen<br />
Zorn als Erbteil, verwandelt wasserreiches Land zum Salzmeer. Seine Pfade<br />
sind für die Rechtschaffenen eben, wie sie für die Gottlosen unwegsam sind.<br />
Gutes hat er von Anfang an den Guten bestimmt, wie für die Schlechten Böses.<br />
Das Wichtigste für das Menschenleben ist: Wasser, Feuer, Eisen und Salz, das<br />
Mark des Weizens, Milch und Honig, das Blut der Trauben, Öl und Kleidung.<br />
All das erweist sich den Guten als gut, wie es den Schlechten zum Bösen ausschlägt.<br />
Es gibt Winde, die sind zur Strafe geschaffen, und in seinem Zorn hat<br />
er sie zu Geißeln gemacht. Zur Zeit des Verderbens verströmen sie Kräfte und<br />
beruhigen den Zorn ihres Schöpfers. Feuer und Hagel, Hunger und Pest, auch<br />
sie sind zur Strafe erschaffen, reißende Tiere, Skorpione und Nattern und das<br />
Schwert der Rache zur Vertilgung der Gottlosen. Alle diese Dinge sind zu ihrem<br />
Zweck erschaffen, sie sind im Speicher aufbewahrt und werden zu ihrer<br />
Zeit losgelassen. Gebietet er ihnen, so jauchzen sie, bereit sind sie, wenn er ih-<br />
Sir 0,00–0,00<br />
354
er bedarf, ergeht an sie der Befehl, widerstehen sie nicht seinem Wort. Darum<br />
war ich von Anfang an überzeugt, durchdachte es und legte es schriftlich<br />
nieder: <strong>Die</strong> Werke Gottes sind alle gut, und alles Nötige spendet er reichlich<br />
zur rechten Zeit.<br />
Man sage nicht: <strong>Die</strong>ses ist schlechter als jenes, denn alles ist zu seiner<br />
Zeit von Wert. Nun jubelt aus ganzem Herzen und Mund, und preist den<br />
Namen des Herrn.<br />
das elend des menschen<br />
40<br />
Große Mühsal ist allen Menschen bestimmt, und ein schweres Joch<br />
lastet auf den Kindern Adams von dem Tag an, da sie hervorgehen aus dem<br />
Schoß ihrer Mutter, bis zum Tag ihrer Rückkehr zur Mutter aller Lebendigen.<br />
Inhalt ihres Sinnens und die Furcht ihres Herzens besteht in der angstvollen<br />
Erwartung des Tages ihres Todes.<br />
Von dem, der hoch auf dem Thron sitzt, bis zu dem, der in Staub und<br />
Asche sitzt, von dem, der Stirnreif und Krone trägt, bis zu dem, der ein Gewand<br />
von Fellen trägt: Zorn, Eifersucht, Kummer und Schrecken, Todesfurcht, Zank<br />
und Streit. Selbst zur Zeit der Ruhe auf seinem Lager verwirrt der nächtliche<br />
Schlaf ihm den Sinn. Ein wenig, einen Augenblick etwa, hat er Ruhe und schläft<br />
doch gleich wie am helllichten Tag. Er flieht vor dem Traumgesicht seiner Seele<br />
wie ein Entronnener, der vor dem Verfolger flieht. Zur Zeit seiner Rettung<br />
wacht er auf und wundert sich über die grundlose Furcht.<br />
Über alles Fleisch vom Menschen bis zum Vieh kommen über den<br />
Sünder siebenfach dazu: Tod und Blut, Streit und Schwert, Verwüstung und<br />
Verderben, Hunger und Drangsal. Für die Gottlosen ist das alles erschaffen,<br />
und um ihretwillen kam die Flut. Alles, was aus der Erde stammt, kehrt zur<br />
Erde wieder zurück, und was aus dem Wasser stammt, zum Meer.<br />
erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />
verschiedene grundsätze<br />
Jede Bestechung und Ungerechtigkeit wird ausgerottet, aber die Redlichkeit<br />
besteht auf ewig.<br />
Der Reichtum des Frevlers schwindet hin wie ein Bach, wie ein Donnerschlag,<br />
der beim Regenguss erschallt. Wenn er anschwillt, werden Felsen<br />
bewegt, aber plötzlich versiegt er für immer. Der Schössling des Gewalttätigen<br />
setzt keine Triebe an, denn die Wurzel des Gottlosen liegt auf Felsenriffen. Das<br />
Schilf auf den Wassern und an den Ufern des Flusses wird zuerst ausgerissen.<br />
Aber die Güte ist wie ein gesegnetes Paradies, und die Wohltätigkeit hat Bestand<br />
für immer.<br />
355 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
lebensregeln<br />
Der Freie und der Arbeiter haben ein süßes Leben, doch mehr als beide<br />
hat, wer einen Schatz findet. Nachkommen und Stadtgründung geben dem<br />
Namen Bestand, doch mehr als beide, wer Weisheit findet. Viehzucht und Gartenbau<br />
bringen den Namen zum Wachsen, doch mehr als beide eine liebe Frau.<br />
Wein und Künste stimmen froh das Herz, doch mehr als beide die Liebe zur<br />
Weisheit. Flöte und Harfe verschönern das Lied, doch mehr als beide eine reine<br />
Stimme. Anmut und Schönheit entzücken das Auge, doch mehr als beide<br />
die Saat auf dem Feld. Freund und Bruder geleiten zur rechten Zeit, doch mehr<br />
als beide Frau und Mann. Bruder und Helfer sind für die Zeit der Not, doch<br />
mehr als beide rettet Almosen. Gold und Silber stützen den Fuß, doch mehr<br />
als beide ein guter Rat. Reichtum und Macht erhöhen das Herz, doch mehr als<br />
beide die Furcht vor dem Herrn.<br />
Bei der Gottesfurcht leidet man keinen Mangel, und man braucht neben<br />
ihr keine Stütze zu suchen. <strong>Die</strong> Gottesfurcht ist ein gesegnetes Paradies,<br />
sie schützt besser als alle Herrlichkeit.<br />
betteln<br />
Mein Sohn, führe nicht das Leben eines Bettlers, denn besser sterben,<br />
als betteln. Wer nach fremden Tischen Ausschau hält, dessen Leben ist<br />
nicht als Leben zu rechnen. Befleckung für die Seele sind geschenkte Bissen,<br />
ein verständiger und erzogener Mann hütet sich davor. Im Mund des Unverschämten<br />
ist süß das Bitten, doch in seinem Innern brennt es wie Feuer.<br />
tod<br />
41<br />
Tod, wie bitter ist der Gedanke an dich für den Menschen, der ruhig<br />
sein Heim bewohnt, für den Menschen, der sorglos lebt und in allem Glück<br />
hat, der noch kräftig genug ist, das Vergnügen zu genießen. Tod, wie gut ist<br />
deine Sendung für einen Unglücklichen und den, dem die Kräfte schwinden,<br />
für den Alten, der verbraucht und von Sorgen geplagt ist, der mürrisch geworden<br />
und die Geduld verloren hat!<br />
Fürchte dich nicht vor dem Tod, will er dir bestimmt ist, denke daran,<br />
dass er Vor- und Nachfahren in gleicher Weise trifft. Er ist als Anteil allem<br />
Fleisch von Gott bestimmt, warum also unwillig sein gegen die Bestimmung<br />
des Höchsten? Ob tausend Jahre, hundert oder zehn, in der Unterwelt gibt es<br />
keine Klage über die Lebensdauer.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
356
schicksal der gottlosen<br />
Eine schändliche Brut ist das Geschlecht der Gottlosen, und ein törichtes<br />
Gezücht hat Wohnung bei den Bösen. Das Erbe der Kinder von Gottlosen<br />
gerät in Verlust, und ihre Nachkommen leben für immer in Schmach. Den<br />
gottlosen Vater verfluchen die Kinder, denn um seinetwillen werden sie verachtet.<br />
Weh euch, ihr gottlosen Männer, die ihr das Gesetz des Höchsten verlassen<br />
habt! Wenn ihr euch vermehrt, so ist es zum Leid, und wenn ihr sterbt,<br />
ist es zum Fluch. Alles, was aus der Erde stammt, kehrt wieder zur Erde zurück;<br />
so auch die Gottlosen vom Fluch ins Verderben. Der Mensch trauert um seinen<br />
Leib, doch der verfluchte Name der Sünder verweht. Trage Sorge für deinen<br />
Namen, denn er geleitet dich besser als tausend kostbare Schätze. Das Gut<br />
des Lebens währt nur begrenzte Zeit, das Gut des Namens aber unbegrenzte<br />
Zeit.<br />
scham<br />
Haltet, ihr Kinder, in Frieden meine Unterweisungen. Verdeckte Weisheit<br />
und ein verborgener Schatz, welchen Nutzen bringen sie beide? Besser, es<br />
versteckt einer seine Torheit, als dass ein Mensch seine Weisheit verbirgt. Seid<br />
schamhaft nach meiner rechten Art, denn nicht jede Art von Scham zu üben<br />
ziemt sich, und nicht jedes Verstecken ist gut angebracht.<br />
Schäm dich vor Vater und Mutter der Unzucht, vor dem Fürsten und<br />
Herrscher der Lüge, vor dem Richter und Ratsherrn des Vergehens, vor der Gemeinde<br />
und dem Volk der Übertretung, vor dem Kameraden und Freund der<br />
Untreue, und vor dem Ort, wo du wohnst, des <strong>Die</strong>bstahls, vor der Wahrheit Gottes<br />
und dem Bund der Verletzung, (schäme dich), den Ellbogen bei Tisch aufzustützen,<br />
Geschenke anzubieten denen, die sie verachten, keine Antwort zu<br />
geben denen, die dich grüßen, deinen Blick auf eine Dirne zu wenden, deinen<br />
Landsmann zurückzustoßen, dir den Anteil eines anderen anzueignen oder das<br />
Geschenk, das man ihm machte, nach einer Frau zu schauen, die ihrem Mann<br />
gehört, Vertraulichkeiten mit einer Magd zu haben und dich ihrem Lager zu<br />
nähern. (Schäme dich), den Freund zu schmähen und nach einer Wohltat zu<br />
schimpfen, ein Wort weiterzuerzählen, das du gehört hast, und irgendein vertrauliches<br />
Gespräch auszuplaudern. Dann bist du in Wahrheit schamhaft und<br />
findest Beifall bei allen Lebenden.<br />
erziehung zur weisheit und zu sozialen tugenden<br />
42<br />
Aber folgender Dinge schäme dich nicht, und nimm keine Rücksicht,<br />
denn es wäre Sünde: Des Gesetzes des Höchsten und des Bundes sowie des<br />
Rechts, das sogar dem Gottlosen zu seinem Recht verhilft, der Abrechnung mit<br />
dem Reisegefährten und der Verteilung von Erbe an deine Freunde, des Abstaubens<br />
von Waagschalen und Waage, des Erwerbs, sei es viel, sei es wenig, des<br />
357 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
Gewinns aus Handel, der häufigen Züchtigung der Kinder, der Schläge auf die<br />
Lenden eines schlechten Sklaven. Bei einer neugierigen Frau ist es klug, ein<br />
Siegel zu gebrauchen, und wo viele Hände sind, einen Schlüssel. Wo du etwas<br />
hinterlegst, genau bei Zahl und Gewicht, Ausgabe und Einnahme, da schreibe<br />
alles auf. (Schäme dich nicht) der Zurechtweisung des Unverständigen und Toren<br />
und des ergrauten Alten, der mit Jungen Streitreden führt. Dann bist du<br />
in Wahrheit vorbildlich und geehrt vor aller Welt.<br />
sorgen des vaters um seine tochter<br />
Eine Tochter bereitet dem Vater, ohne zu wissen, sorgenvolle Nächte,<br />
und die Sorge um sie verscheucht den Schlaf: in ihrer Jugend, dass sie nicht<br />
zu spät heiratet, und verheiratet, dass sie nicht verhasst wird, als Mädchen, dass<br />
sie sich nicht verführen lässt und im Haus ihres Vaters schwanger wird, bei ihrem<br />
Mann, dass sie nicht untreu wird, und verheiratet, dass sie nicht kinderlos<br />
bleibt.<br />
Über eine unbelehrbare Tochter wache streng, dass sie dir nicht einen<br />
bösen Namen macht, zum Stadtgespräch wird, zum Gerede beim Volk, und<br />
dich beschämt vor den Augen aller. Keinem Mann zeige sie ihre Schönheit, und<br />
unter Frauen halte sie sich nicht auf. Denn aus dem Kleid kommt die Motte<br />
her, aus der einen Frau die Bosheit der anderen. Weniger schlimm ist die Bosheit<br />
eines Mannes als die Güte einer Frau, und eine Tochter, die schandbar lebt,<br />
bringt Schande.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
358
die herrlichkeit<br />
gottes<br />
359 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
in der natur<br />
lob des schöpfers<br />
Gedenken will ich der Werke des Herrn, und was ich gesehen habe,<br />
will ich erzählen. Durch die Worte des Herrn sind seine Werke geschaffen, und<br />
die Schöpfung gehorcht seinem Willen. <strong>Die</strong> strahlende Sonne erblickt alle Dinge,<br />
und das Werk des Herrn ist erfüllt von seiner Herrlichkeit.<br />
<strong>Die</strong> Heiligen sind nicht in der Lage, alle Wunder des Herrn zu verkünden,<br />
die der Herr, der Allherrscher, fest begründet hat, damit das All vor<br />
seiner Herrlichkeit bestehen kann. Meerestiefe und Herz erforscht er, und all<br />
ihre Geheimnisse sind ihm bekannt. Denn der Höchste hat Kenntnis von allem<br />
und schaut auf die Zeichen der Zeit. Er kündet Vergangenes und Künftiges<br />
und enthüllt die verborgenen Rätsel. Kein einziger Gedanke entgeht ihm,<br />
kein einziges Wort bleibt ihm verborgen. <strong>Die</strong> Wunder seiner Weisheit hat er<br />
geordnet, denn von Ewigkeit zu Ewigkeit ist er. Nichts ist hinzuzufügen und<br />
nichts wegzunehmen, und nicht bedarf er eines Lehrers. Wie lieblich sind all<br />
seine Werke, und wie leuchtende Funken ist ihr Anblick! Alles lebt und besteht<br />
für immer, für jeden Zweck ist alles bereit. Alle Dinge sind verschieden, das<br />
eine vom andern, und nichts hat er geschaffen, das versagt. Das eine bestärkt<br />
den Wert des anderen, und wer kann sich satt sehen am Anblick ihrer Schönheit?<br />
die sonne<br />
43<br />
Der Himmelshöhe Stolz ist das Firmament in seiner Klarheit, und<br />
die Himmel selbst tun seine Herrlichkeit kund. <strong>Die</strong> Sonne, die aufstrahlt, ruft<br />
bei ihrem Aufgang: Was für ein Wunder ist das Werk des Höchsten! Steht sie<br />
im Zenit, so lässt sie die Welt verdorren, wer kann es aushalten in ihrer Hitze?<br />
Ein entfachter Ofen bringt Glut hervor, dreimal mehr brennt die Sonne die<br />
Berge. Glut sendet sie aus, und durch ihr Feuer erblindet das Auge. Groß ist<br />
der Herr, ihr Schöpfer, sein Wort lenkt ihren schnellen Lauf.<br />
der mond<br />
Der Mond, in allem zur rechten Zeit, bezeichnet die Monate und teilt<br />
die Zeit ein. Der Mond bestimmt die Feste, dieses Gestirn, das abnimmt, wenn<br />
es voll geworden ist. Am Neumond ist so, wie sein Namen sagt: wunderbar erneuert<br />
er sich nach seinem Wechsel. Er lehrt das Heer in der Höhe, das am Firmament<br />
des Himmels leuchtet.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
360
die sterne<br />
<strong>Die</strong> Schönheit des Himmels ist die Pracht der Sterne, sie schmücken<br />
mit ihrem Schein die Höhen des Herrn. Durch das Wort des Heiligen hat die<br />
Ordnung Bestand, und sie ermatten nicht auf ihrer Nachtwache.<br />
der regenbogen<br />
Schau den Regenbogen und preise seinen Schöpfer, denn überaus<br />
herrlich ist er an Pracht. Das Himmelsgewölbe umspannt er mit seinem Glanz,<br />
die Hände des Höchsten haben ihn ausgespannt.<br />
die herrlichkeit gottes<br />
die wunder der natur<br />
Durch seine Anordnung lässt der Herr den Schnee fallen, er schleudert<br />
die Blitze. Zu seinem <strong>Die</strong>nst öffnet er seine Speicher, und die Wolken fliegen<br />
wie Vögel. In seiner Größe verdichtet er die Wolken und zerstößt die Hagelsteine.<br />
b Bei seinem Anblick wanken die Berge, a bei der Stimme seines<br />
Donners gerät die Erde in Wehen. a Nach seinem Willen jagt der Südwind dahin<br />
bund ebenso der Orkan aus dem Norden und die Wirbelstürme. Wie Vögel<br />
lässt er seine Schneeflocken fliegen, und wie einfallende Heuschrecken ist ihr<br />
Fall. Ihr weißer Glanz blendet die Augen, und bei seinem Rieseln freut sich das<br />
Herz. Auch den Reif gießt er aus wie Salz, ihn wandelt der Frost in Spitzen von<br />
Dornen. Den kalten Nordwind lässt er wehen, und auf dem Wasser bildet sich<br />
das Eis. Jedes stehende Gewässer überzieht er mit einer Decke und bekleidet<br />
es wie mit einem Panzer. Er verzehrt die Berge und brennt die Wüste aus und<br />
versengt das Gras wie eine Flamme. Doch Linderung für alles bringt die Wolke,<br />
und der Tau schenkt Leben nach der Trockenheit. Nach seinem Beschluss<br />
ließ er die Wasser sich senken und pflanzte die Inseln. <strong>Die</strong> das Meer befahren,<br />
erzählen von seiner Gefahr, und wenn unsere Ohren es hören, sind wir voll<br />
Staunen. Dort gibt es Wunderdinge, die erstaunlichsten seiner Schöpfung, aller<br />
Art Lebewesen und die Ungeheuer des Weltmeers.<br />
Gott sei Dank endet alles gut, und alles fügt wieder sich nach seinem<br />
Wort. Viel könnten wir noch sagen und kämen nicht ans Ende, darum sei der<br />
Rede Schluss: Er ist alles! Wo finden wir die Kraft, ihn zu preisen? Er ist ja größer<br />
als all seine Werke. Furchtbar ist der Herr und überragend groß, und wunderbar<br />
sind seine Taten. Euer Lobpreisen erhebe den Herrn, so viel ihr könnt,<br />
denn er ist noch größer. Wenn ihr anhebt, schöpft neue Kraft, und werdet nicht<br />
müde, denn ergründen könnt ihr ihn nicht. Wer hätte ihn gesehen und könnte<br />
davon erzählen, und wer kann ihn preisen, so wie es ihm gebührt? <strong>Die</strong> Menge<br />
des Unbekannten ist größer als dies, wenig nur sah ich von seinen Werken.<br />
Alles das aber hat der Herr hervorgebracht, und den Frommen hat er Weisheit<br />
verliehen.<br />
361 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
in der geschichte<br />
lob der väter<br />
44<br />
<strong>Die</strong> berühmten Männer will ich preisen, unsere Väter, wie sie einander<br />
folgten. Viel Ehre hat der Höchste geschaffen und seine Größe gezeigt seit<br />
den Tagen der Vorzeit. Herrscher des Landes in ihrer Königswürde und berühmte<br />
Männer in ihrer Macht. Ratgeber in ihrer Einsicht und prophetische<br />
Seher aller Dinge, Lenker des Volkes durch ihre Ratschlüsse, Kenner des Volkes<br />
und Lehrer der Weisheit, Dichter von Liedern und Sammler von Sprüchen<br />
in ihren Schriften, Männer, reich und gestützt durch Macht, in Sicherheit lebend<br />
auf ihrem Wohnsitz. Hoch angesehen waren sie zu ihrer Zeit, und in ihren<br />
Tagen erstrahlte ihr Ruhm. Sie hinterließen einen Namen, von dem man<br />
immer noch voll des Lobes spricht. Andere blieben ohne Gedenken, und sie<br />
waren vergessen, sobald sie dahingegangen waren. Sie waren, als wären sie niemals<br />
gewesen, wie auch ihre Söhne nach ihnen.<br />
Doch jene dagegen sind würdige Männer, und ihre Wohltaten sind<br />
nicht vergessen. Bei ihren Nachkommen finden sie ein reiches Erbe, das von<br />
ihnen ausgegangen ist. Ihr Stamm bleibt den Satzungen treu und ihre Kinder<br />
um ihretwillen. Auf ewig bleibt ihr Geschlecht, und ihre Gerechtigkeit gerät<br />
nicht in Vergessenheit. Ihr Leib ist in Frieden bestattet, und ihr Name lebt fort<br />
von Generation zu Generation. Von ihrer Weisheit erzählt die Gemeinde, und<br />
ihr Lob verkündet die Versammlung.<br />
henoch<br />
Henoch gefiel dem Herrn und wurde entrückt, ein Beispiel der Bekehrung<br />
für Generationen.<br />
noach<br />
Noach wurde vollkommen gerecht befunden, und zur Zeit des Zorns<br />
wurde er der Spross. Um seinetwillen war ein Rest geblieben, als die Flut kam.<br />
Ein ewiger Bund wurde mit ihm geschlossen, nie wieder zu vertilgen alles Leben<br />
durch die Flut.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
362
abraham<br />
Abraham war der berühmte Vater einer Menge von Völkern, niemand<br />
war ihm an Ehre gleich. Er befolgte die Anordnung des Allerhöchsten und ging<br />
den Bund mit ihm ein. An seinem Leib bestätigte er den Bund, und in der Prüfung<br />
wurde er treu befunden. Darum versprach er ihm mit einem Schwur, durch<br />
seine Nachkommen die Völker zu segnen, sie zahlreich zu machen wie den<br />
Staub der Erde und seinen Stamm wie die Sterne zu erhöhen, ihnen Besitz zu<br />
geben von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde.<br />
die herrlichkeit gottes<br />
isaak und jakob<br />
Auch dem Isaak bestätigte er es ebenso um Abrahams, seines Vaters<br />
willen. Den Segen über alle Menschen und den Bund ließ er auf dem Haupt<br />
Jakobs ruhen. Er bestätigte ihn in seinen Segnungen und gab ihm das Land<br />
zum Erbbesitz. Er schied es ihm in seine Teile und teilte es unter die zwölf<br />
Stämme.<br />
mose<br />
45<br />
Er ließ aus ihm einen rechtschaffenen Mann hervorgehen, der Gnade<br />
fand in den Augen aller, den Liebling Gottes und der Menschen, Mose,<br />
sein Andenken sei gepriesen. Er verlieh ihm Ehre, die den Heiligen gleichkommt,<br />
und machte ihn groß zum Schrecken der Feinde. Auf sein Wort hin<br />
ließ er die Wunderzeichen geschehen, und er verherrlichte ihn vor Königen.<br />
Er gab ihm Aufträge an das Volk und ließ ihn von seiner Herrlichkeit schauen.<br />
Wegen seiner Treue und Milde heiligte er ihn, er wählte ihn aus von allen<br />
Menschen. Er ließ ihn seine Stimme hören und führte ihn hinein ins<br />
Dunkel der Wolke. Er gab ihm die Gebote von Angesicht zu Angesicht, das<br />
Gesetz des Lebens und der Einsicht, um Jakob seine Gebote zu lehren und<br />
Israel seine Satzungen.<br />
aaron<br />
Auch erhöhte er einen Heiligen gleich ihm, Aaron, seinen Bruder, aus<br />
Levis Stamm. Er schloss mit ihm einen ewigen Bund und verlieh ihm das Priestertum<br />
für das Volk. Er beglückte ihn mit seiner Pracht und bedeckte ihn mit<br />
einem Gewand der Ehre. Er kleidete ihn ganz in Prunk und schmückte ihn mit<br />
den Prachtgewändern, Beinkleid, Leibrock und Efod, rings umsäumt mit Granatäpfeln<br />
und vielen Glöckchen rundum, dass sie lieblich erklingen sollten bei<br />
363 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
seinen Schritten, damit ihr Laut im Tempel zu hören war zur Erinnerung für<br />
die Kinder seines Volkes. (Auch schmückte er ihn) mit dem heiligen Gewand<br />
aus Gold und violettem Purpur sowie aus rotem Purpur – einer Kunststickerarbeit<br />
–, mit dem Brustschild der Rechtsprechung, den Urim und Tummim,<br />
dem Gürtel aus Karmesin – einer Weberarbeit –, mit den Edelsteinen, graviert<br />
wie Siegel, in Fassung von Gold – die Arbeit eines Steinschneiders –, zur Erinnerung<br />
mit eingegrabenen Schriftzeichen, entsprechend der Zahl der Stämme<br />
Israels, mit dem goldnen Diadem auf dem Kopfbund, mit der eingravierten<br />
Aufschrift der Weihe, eine herrliche Pracht und ein großartiges Werk, eine Lust<br />
für das Auge, dieser Schmuck! Vor ihm gab es so etwas nicht, und nie darf es<br />
jemals ein Unbefugter tragen, sondern nur seine Söhne und deren Nachkommen<br />
für immer. Seine Opfer wurden gänzlich verbrannt, täglich zweimal, auf<br />
ewige Zeiten. Mose belehnte ihn mit seinem Amt, salbte ihn mit heiligem Öl,<br />
und es wurde ihm zum ewigen Bund, wie auch seinem Geschlecht, solange der<br />
Himmel steht: dem <strong>Die</strong>nst vorzustehen und ihm Priester zu sein und sein Volk<br />
zu segnen in seinem Namen. Er wählte ihn aus allen Menschen, damit er das<br />
Opfer des Herrn darbringt und dass er den lieblichen Wohlgeruch spendet und<br />
das Gedenkopfer, um so das Volk zu entsühnen. Er vertraute ihm auch seine<br />
Gebote an und übergab ihm die Vorschriften des Gesetzes, um Jakob seine<br />
Zeugnisse zu lehren und Israel sein Gesetz zu erklären. Doch als Unbefugte<br />
sich gegen ihn empörten und in der Wüste auf ihn eifersüchtig waren, die Männer<br />
um Datan und Abiram nämlich sowie die Rotte Korachs mit mächtiger Wut,<br />
da sah es der Herr und geriet in Zorn, und er vernichtete sie in der Glut seines<br />
Zornes. Er bewirkte an ihnen ein Wunder und vertilgte sie durch eine Feuerflamme.<br />
Dann vermehrte er noch Aarons Ehre, indem er ihm sein Erbe gab:<br />
Er gewährte ihm die Erstlingsgaben, und bereitete ihm vor allem Brot zum<br />
Sattwerden. Von den Opfern des Herrn sollten sie genießen dürfen, die er ihm<br />
und seinen Nachkommen gab. Aber am Landbesitz des Volkes erhielt er keinen<br />
Anteil, und in ihrer Mitte fiel ihm kein Erbe zu. Vielmehr ist der Herr sein<br />
Anteil und Erbbesitz.<br />
pinhas<br />
Pinhas ferner, der Sohn Eleasars, erhielt die Würde als Dritter, weil<br />
er Eifer zeigte in der Furcht vor dem Herrn, weil er fest blieb vor der Empörung<br />
des Volkes mit edlem Mut; so erlangte er Sühne für Israel. Darum wurde<br />
auch mit ihm ein Bund des Friedens besiegelt, der ihn zum Führer des Heiligtums<br />
und des Volkes machte: Ihm nämlich und seinem Geschlecht sollte zu eigen<br />
sein die Hohepriesterwürde für immer. Es bestand ein Bund mit David,<br />
dem Sohn Isais aus dem Stamm Juda, eine Erbfolge vom Vater auf einen einzigen<br />
seiner Söhne. Aber die Erbfolge Aarons geht auf alle seine Nachkommen.<br />
Gott gebe euch Weisheit ins Herz, sein Volk zu richten in Recht, damit<br />
die Tugenden der Ahnen nicht schwinden und ihr Ruhm übergeht auf ihre<br />
Nachkommen.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
364
josua<br />
46<br />
Ein Kriegsheld war Josua, der Sohn Nuns, der Nachfolger des Mose<br />
im Prophetenamt. Er zeigte sich seinem Namen gemäß groß in der Rettung der<br />
Auserwählten, um Rache zu üben am Feind und Israel in sein Erbteil einzuführen.<br />
Wie herrlich war er, als er die Hand erhob, damals, als er den Degen<br />
schwang gegen die Städte! Wen gab es, der vor ihm standhalten konnte? Führte<br />
er doch die Kriege des Herrn. Blieb nicht auf seinen Wink hin die Sonne<br />
stehen, sodass sich ein Tag verdoppelte?<br />
Er rief zu Gott, dem Höchsten, als er in Bedrängnis war, von seinen<br />
Feinden umringt, und der Herr erhörte ihn und schleuderte Hagelsteine von<br />
unerhörter Gewalt. Er ließ sie niederfallen auf das feindliche Volk und vernichtete<br />
so den Gegner am Abhang, um den Völkern die Kraft seiner Waffen zu offenbaren<br />
und dass ihr Gegner der Herr war.<br />
die herrlichkeit gottes<br />
kaleb<br />
Aber auch weil er dem Allmächtigen folgte und in den Tagen des Mose<br />
Frömmigkeit bewies, Er und Kaleb, der Sohn Jefunnes, als sie der Menge widerstanden<br />
und so das Volk zu sündigen hinderten, dadurch dass sie das üble<br />
Gerede zum Schweigen brachten: – darum wurden auch sie ausgenommen von<br />
den sechshunderttausend Mann zu Fuß, und sie durften in ihr Erbland eingehen,<br />
das Land, das von Milch und Honig fließt.<br />
Auch verlieh er dem Kaleb Stärke, die ihm bis zum Greisenalter erhalten<br />
blieb, dass er die Höhen des Landes ersteigen konnte; auch seine Nachkommen<br />
erhielten das Erbe. So sollte ganz Israel erkennen, wie heilvoll es ist,<br />
dem Herrn in allem zu folgen.<br />
die richter<br />
Weiterhin die Richter, jeder nach seinem Namen, ein jeder, dessen<br />
Herz nicht untreu wurde und der nicht abwich von Gott; gepriesen sei ihr Andenken!<br />
Ihre Gebeine mögen emporsprossen aus ihrer Ruhestätte, und ihr<br />
Name erneuere sich in den Söhnen dieser berühmten Männer.<br />
samuel<br />
Samuel war der Liebling des Herrn; als Prophet des Herrn gründete<br />
er das Königtum und salbte Fürsten über das Volk. Im Gesetz des Herrn richtete<br />
er die Gemeinde, und der Herr wachte über Jakob. Wegen seiner Treue<br />
365 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
wurde er als Prophet anerkannt und war auch in seinen Worten ein zuverlässiger<br />
Seher. Auch er rief zum allmächtigen Herrn, als ihn die Feinde ringsum<br />
bedrängten, und brachte ein Milchlamm zum Opfer dar. Vom Himmel her aber<br />
donnerte der Herr, mit gewaltigem Dröhnen vernahm man seine Stimme. Er<br />
vernichtete die feindlichen Führer und alle Fürsten der Philister. Dann aber,<br />
als er zur Ruhe kam auf seinem Lager, rief er den Herrn und seinen Gesalbten<br />
zum Zeugen an: Geschenke, und seien es auch nur Sandalen, von wem nahm<br />
ich sie an? Und keiner klagte ihn an. Auch nach seinem Tod noch wurde er befragt,<br />
und er verkündete dem König sein Ende. Er erhob aus der Erde weissagend<br />
seine Stimme, um die Sünde des Volkes zu tilgen.<br />
natan<br />
47<br />
Ferner stand nach ihm Natan auf,<br />
um in der Zeit Davids zu weissagen.<br />
david<br />
Denn wie Fett herausgehoben ist aus dem Opferfleisch, so David aus<br />
den Söhnen Israels. <strong>Die</strong> Löwen verlachte er wie Böcklein, und die Bären, als<br />
wären sie junge Lämmer. In seiner Jugend erschlug er den Riesen und nahm<br />
vom Volk die Schmach, indem er seine Hand mit der Schleuder schwang und<br />
das Prahlen Goliats zerschlug. Er rief nämlich zum Herrn, dem Höchsten, und<br />
dieser gab ihm Kraft in seine Rechte, um den kriegserprobten Mann niederzustrecken<br />
und so die Macht seines Volkes zu erhöhen.<br />
Darum gab man ihm den Ruhm über Zehntausend und lobte ihn im<br />
Lobpreis des Herrn, indem man ihm eine Krone der Ehre brachte. Denn er zerstörte<br />
ringsum die Feinde, er vernichtete die feindlichen Philister und zerbrach<br />
ihre Macht bis auf den heutigen Tag. Bei jeder seiner Taten stimmte er<br />
Lobgesänge an und verherrlichte den Heiligen, Höchsten. Aus ganzem Herzen<br />
sang er und erwies so Liebe seinem Schöpfer. Begleitinstrumente zum Gesang<br />
stellte er am Altar bereit, deren Begleitung die Lieder noch lieblicher machte.<br />
Glanz verlieh er den Festen um vollkommene Pracht den Festfeiern. Bei ihrem<br />
Lobsingen auf seinen heiligen Namen hallte schon vor dem Morgengrauen das<br />
Heiligtum wider.<br />
Auch verzieh ihm der Herr seine Sünden und erhöhte seine Macht<br />
für immer. Er übergab ihm das Königsgesetz und richtete seinen Thron auf<br />
über Jerusalem.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
366
salomo<br />
Nach ihm trat ein weiser Sohn auf, der um seinetwillen in Sicherheit<br />
wohnen konnte. Salomo war König in einer Zeit des Friedens, und Gott verschaffte<br />
ihm Ruhe ringsum, weshalb er seinem Namen ein Haus erbaute und<br />
ein Heiligtum errichtete für immer.<br />
Wie warst du weise in deiner Jugend und voll wie ein Fluss an Einsicht.<br />
<strong>Die</strong> Erde bedecktest du mit deiner Einsicht und erfülltest sie mit rätselvollen<br />
Sprüchen. Bis zu den fernen Inseln drang dein Ruhm, und du<br />
wurdest geliebt um deines Friedens willen. Durch Lied, Spruch, Rätsel und<br />
Gleichnisse hast du die Welt in Staunen versetzt. Im Namen Gottes, des Herrn,<br />
den man den Gott Israels nennt, häuftest du wie Zinn das Gold auf und hattest<br />
Silber in Menge wie Blei. Doch du gabst dich den Frauen hin und bist zum<br />
Sklaven deiner Sinnlichkeit geworden. So brachtest du einen Makel auf deine<br />
Ehre und hast dein Geschlecht entweiht, sodass du Zorn über deine Kinder<br />
herbeiführtest und Bedrängnis über deine Nachkommen: Es entstand eine doppelte<br />
Herrschaft, aus Efraim ging ein rebellisches Reich hervor. Doch Gott gab<br />
seine Liebe nicht auf, und keines seiner Worte ließ er zu Boden fallen. Nicht<br />
hat er seinem Erwählten Nachkommenschaft verweigert und nicht den Stamm<br />
dessen ausgerottet, der ihn liebte. Er hat Jakob einen Rest gelassen und David<br />
einen Wurzelspross aus ihm selbst.<br />
die herrlichkeit gottes<br />
rehabeam<br />
Salomo legte sich zu seinen Vätern und hinterließ als Nachfolger einen aus seinem<br />
Geschlecht: Der größte Tor des Volkes, arm an Einsicht, Rehabeam, der<br />
das Volk zur Empörung trieb.<br />
jerobeam<br />
Ferner Jerobeam, der Sohn Nebats, der Israel zur Sünde verführte<br />
und Efraim den Weg des Bösen lehrte. Seitdem wurden ihre Sünden sehr groß,<br />
sodass sie dadurch in die Verbannung gerieten, fern ihres Landes. Denn sie<br />
suchten Böses aller Art, bis die Strafe sie ereilte.<br />
367 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
elija<br />
48<br />
Da stand der Prophet Elija auf wie Feuer, sein Wort war wie ein flammender<br />
Ofen. Er brachte Hungersnot über sie, sodass er sie durch sein Eifern<br />
verminderte. Auf das Wort des Herrn hin verschloss er den Himmel und ließ<br />
dreimal Feuer niederfahren.<br />
Wie herrlich warst du, Elija, durch deine Wundertaten. Wer kann sich<br />
in seinem Stolz mit dir vergleichen? Du hast einen Verstorbenen vom Tod erweckt<br />
aus der Unterwelt, nach dem Wort des Höchsten. Du hast Könige ins<br />
Grab sinken lassen und Vornehme von ihren Lagern. Du hast am Sinai Strafdrohungen<br />
vernommen und am Horeb Urteilssprüche der Rache. Du hast Könige<br />
zur Vergeltung gesalbt und Propheten als deine Nachfolger. Du wurdest<br />
nach oben entrückt im Sturm auf einem Wagen mit Feuerpferden. Du bist bezeichnet<br />
für künftige Drohungen, um den Zorn zu beschwichtigen, bevor er<br />
entbrennt, um das Herz der Väter den Söhnen zuzuwenden und wiederherzustellen<br />
die Stämme Jakobs. Selig, wer dich sieht und entschläft in der Liebe,<br />
denn auch wir werden das Leben besitzen.<br />
elischa<br />
Elija war es, der im Sturm entrückt wurde, Elischa aber wurde mit<br />
seinem Geist erfüllt. In seinem Leben konnte ihn kein Fürst erschüttern, und<br />
kein Mensch hatte Gewalt über seinen Geist. Kein Ding war ihm zu wunderbar,<br />
und noch aus dem Grab wirkte sein Leib prophetisch. Zu Lebzeiten vollbrachte<br />
er Wundertaten und bei seinem Tod staunenswerte Werke.<br />
untreue und bestrafung<br />
Trotz allem aber bekehrte das Volk sich nicht, und sie ließen nicht<br />
ab von ihren Sünden, bis sie aus ihrem Land gerissen wurden und über die<br />
ganze Erde hin zerstreut. Es blieb nur ein wenig Volk übrig und dem Haus Davids<br />
noch ein Fürst. Einige von ihnen taten, was recht ist, andere aber mehrten<br />
die Sünden.<br />
hiskija<br />
Hiskija sicherte die Stadt, indem er das Wasser mitten in sie hineinleitete.<br />
So durchbohrte er mit dem Eisen die Felsen und baute Zisternen.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
368
In seinen Tagen zog Sanherib heran und entsandte den Rabschake.<br />
<strong>Die</strong>ser erhob seine Hand gegen Zion im Übermut seines Stolzes. Da erbebten<br />
ihre Herzen und Hände, und sie wanden sich wie eine Frau in Wehen. Sie flehten<br />
zum Herrn, dem Erbarmer, und breiteten ihre Hände nach ihm aus. Und<br />
schnell hörte vom Himmel aus der Heilige auf sie und rettete sie durch die<br />
Hand Jesajas. Er schlug das Lager der Assyrer, und sein Engel rottete sie aus.<br />
jesaja<br />
die herrlichkeit gottes<br />
Denn Hiskija tat, was dem Herrn gefiel, und blieb fest auf den Wegen<br />
Davids, die ihm der Prophet Jesaja gewiesen hatte, der Große und in seinen<br />
Visionen Zuverlässige. In seinen Tagen ging die Sonne zurück, und er verlängerte<br />
dem König das Leben. Gewaltigen Geistes schaute er die letzten<br />
Dinge und tröstete die Trauernden in Zion. Für alle Zeiten verkündete er das<br />
Zukünftige und das Verborgene, bevor es eintrat.<br />
joschija<br />
49<br />
Das Andenken Joschijas ist wie wohlduftender Weihrauch, gut gewürzt<br />
und bereitet vom Salbenmischer. Süß wie Honig auf dem Gaumen ist<br />
sein Andenken und wie Gesang beim Weintrinken.<br />
Er selbst schlug den rechten Weg ein, nämlich das Volk zu bekehren,<br />
und schaffte die Gräuel des Götzendienstes ab. Auch richtete er sein Herz auf<br />
den Herrn und übte Frömmigkeit in den Tagen des Frevels.<br />
die letzten könige und propheten<br />
Außer David, Hiskija und Joschija vervielfachten alle die Übertretungen<br />
und verließen das Gesetz des Höchsten: <strong>Die</strong> Könige von Juda verschwanden.<br />
Sie verloren ihre Macht an einen andern und ihre Ehre an ein fremdes<br />
Volk. <strong>Die</strong> Feinde setzten die heilige auserwählte Stadt in Brand, sodass ihre<br />
Straßen verödeten um Jeremias willen; denn ihn hatten sie misshandelt, ihn,<br />
der doch vom Mutterschoß an zum Propheten geschaffen war, um einzureißen<br />
und auszureißen und zu vernichten, und ebenso um zu bauen und zu pflanzen.<br />
Ezechiel schaute eine herrliche Vision, die Gott ihm zeigte auf dem Wagen der<br />
Kerubim. Er gedachte auch Ijobs, der alle Wege der Gerechtigkeit einhielt. Ferner<br />
die Zwölf Propheten, deren Gebeine aus ihrer Grabstätte emporsprossen<br />
mögen. Denn sie haben Jakob getröstet, sie haben ihn erlöst in Glaube und<br />
Hoffnung.<br />
369 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
serubbabel und jeschua<br />
Wie vermöchte man Serubbabel zu preisen, war er doch ein Siegelring<br />
an der rechten Hand, ferner Jeschua, den Sohn des Jozadak, die in ihren<br />
Tagen das Gotteshaus erbauten; sie führten ein heiliges Volk zum Herrn, das<br />
zu immer dauernder Herrlichkeit bestimmt ist.<br />
nehemia<br />
Nehemia – sein Andenken sei in Ehren – baute uns die zertrümmerten<br />
Mauern wieder auf, setzte Tor und Riegel wieder ein und baute unsere Wohnungen<br />
wieder auf.<br />
rückblick<br />
Keiner der auf der Erde Erschaffenen kommt Henoch gleich, so wurde<br />
er denn auch entrückt. Wurde etwa ein Mann wie Josef geboren, Haupt seiner<br />
Brüder, Stütze seines Volkes? Seine Gebeine wurden besucht. Sem und Set<br />
sind ehrenwert unter den Menschen, aber über aller lebenden Kreatur steht<br />
Adam.<br />
simeon, der hohepriester<br />
50<br />
Der Hohepriester Simeon, der Sohn Onias, besserte in seiner Zeit das<br />
Gotteshaus aus und befestigte in seinen Tagen den Tempel. Von ihm wurde die<br />
doppelte Höhe gebaut, die Ecktürme der Umfassungsmauer des Tempels. In<br />
seiner Zeit wurde der Teich gegraben, ein Becken, groß wie das Meer. Er trug<br />
Sorge für das Volk gegen den Untergang und befestigte die Stadt gegen Belagerung.<br />
Wie herrlich war er, umgeben von seinem Volk, sobald er hervortrat<br />
hinter dem Vorhang. Wie der Morgenstern zwischen den Wolken, wie der Vollmond<br />
in den Tagen des Festes, wie die strahlende Sonne über dem Tempel des<br />
Höchsten und wie der Regenbogen, der in herrlichen Wolken erscheint, wie<br />
eine Rose im Frühling und wie eine Lilie an den Wasserläufen, wie der Zweig<br />
eines Weihrauchbaumes in den Tagen des Sommers und wie die Weihrauchglut<br />
in der Räucherpfanne, wie ein mit Gold überzogenes Gefäß, das besetzt<br />
ist mit Edelsteinen aller Art, wie ein Olivenbaum voll von Früchten und wie<br />
eine Zypresse, die in die Wolken ragt. Wenn er sein Prachtgewand anlegte und<br />
sich mit prächtigem Schmuck bekleidete, wenn er emporgestiegen war zum<br />
geweihten Altar und die Umgebung des Heiligtums mit Glanz erfüllte, wenn<br />
er die Opferstücke aus der Hand der Priester genommen hatte, während er<br />
Sir 0,00–0,00<br />
370
selbst an der Feuerstelle des Altars stand, dann war rings um ihn der Kranz der<br />
Brüder wie eine Zeder des Libanon in ihrem Laub; wie Palmenstämme umgaben<br />
ihn dann alle Söhne Aarons in ihrem Schmuck, die Opfergaben des Herrn<br />
in ihrer Hand vor der ganzen Gemeinde Israels, bis er den <strong>Die</strong>nst am Altar vollendet<br />
und mit Adel die Opfergabe dargeboten hatte für den Allerhöchsten, den<br />
Allmächtigen. Dann streckte er seine Hand nach dem Becher aus und opferte<br />
vom Blut der Trauben; er goss es am Fuß des Altars aus zum lieblichen Wohlgeruch<br />
für den Höchsten, den König des Alls. Dann riefen die Söhne Aarons<br />
laut, sie stießen in die getriebenen Trompeten; sie ließen sie mit gewaltigem<br />
Schall erklingen zur Erinnerung vor dem Höchsten.<br />
Das ganze Volk beeilte sich und warf sich auf sein Angesicht zur Erde<br />
nieder, um anzubeten vor dem Herrn, dem Allmächtigen, dem höchsten Gott.<br />
Jetzt stimmte man die Gesänge an und ließ sie über die Menge hin in lieblicher<br />
Melodie ertönen. Da flehte das Volk zum höchsten Herrn, betend vor dem<br />
Barmherzigen, bis schließlich der <strong>Die</strong>nst vor dem Herrn vollendet und die Feier<br />
zu Ende gegangen war. Dann stieg er herab und erhob seine Hände hin über<br />
Israels ganze Gemeinde, um mit lauter Stimme den Segen des Herrn zu erteilen<br />
und sich der Ehre zu rühmen, seinen Namen auszusprechen. Das Volk aber<br />
fiel zum zweiten Mal nieder, den Segen des Höchsten zu empfangen.<br />
die herrlichkeit gottes<br />
ermahnung<br />
Nun lobt den Gott des Alls, der große Dinge tut, der unsere Tage erhöht<br />
hat vom Mutterschoß an und an uns handelt nach seinem Erbarmen. Er<br />
gebe uns ein fröhliches Herz, gewähre Frieden unserer Zeit, in Israel, bis in<br />
Ewigkeit. Seine Huld bleibe beständig bei uns, er erlöse uns zu unserer Zeit.<br />
371 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
anhänge<br />
Sir 0,00–0,00<br />
372
zahlenspruch<br />
Zwei Völkerschaften verabscheut meine Seele, und die dritte ist kein<br />
Volk: <strong>Die</strong> Bewohner von Seïr und die Philister und das törichte Volk, das in Sichem<br />
wohnt.<br />
schluss<br />
Lehre voll Weisheit und Einsicht habe ich niedergeschrieben in diesem<br />
Buch: Jesus, der Sohn Eliasars, des Sohnes Sirachs, Bürger von Jerusalem,<br />
der Weisheit aus seinem Herzen wie Regen hervorquellen ließ. Wohl dem Mann,<br />
der hierüber nachsinnt; wer es sich zu Herzen nimmt, wird weise. Wer danach<br />
handelt, hat Kraft zu allem, denn das Licht des Herrn ist sein Pfad.<br />
danklied<br />
51<br />
Lass mich dich preisen, mein Herr, mein König, dir lobsingen, Gott<br />
meines Heils. Ich will deinem Namen Dank singen.<br />
Denn Beschützer und Helfer bist du für mich geworden, du hast meinen<br />
Leib vom Verderben errettet, aus der Schlinge der bösen Zunge und vor<br />
den Lippen derer, die Lügen erdichten. Vor denen, die mich umstehen, bist du<br />
mein Beistand geworden und hast mich befreit nach der Fülle deines Erbarmens<br />
und der Herrlichkeit deines Namens vor den Bissen derer, die bereit sind,<br />
mich zu verschlingen, aus der Hand jener, die mir nach dem Leben trachteten,<br />
aus vielen Drangsalen, die mich umfingen, aus Feuersnöten rings um mich<br />
und aus Flammengluten, die ich nicht geschürt, aus den Tiefen des Schoßes<br />
der Unterwelt, vor schandbaren Lippen und Erdichtern von Lügen, vor Verleumdung<br />
einer ungerechten Zunge beim König.<br />
Denn nahe schon war ich dem Tod, und mein Leben war herabgestiegen<br />
zu den Toren der Unterwelt. Ich wandte mich nach allen Seiten, doch fand<br />
sich kein Helfer, ich spähte aus nach einer Stütze, aber keine war da. Da gedachte<br />
ich deiner Barmherzigkeit, Herr, und deines Wirkens von Ewigkeit her.<br />
Denn du hilfst denen, die auf dich hoffen, und rettest sie aus den<br />
Händen ihrer Feinde. So erhob ich von der Erde meine Stimme und flehte um<br />
Errettung vom Tod. Ich rief: Herr, mein Vater bist du, mein Gott, mein rettender<br />
Held. Verlasse mich nicht am Tag der Not, zur Zeit der Zornwütigen und<br />
der Verlassenheit.<br />
Lass mich deinen Namen preisen allezeit und dir lobsingen in Dank.<br />
Da wurde mein Gebet erhört. Du hast mich errettet vor dem Untergang, du hast<br />
mich befreit aus schlimmer Zeit. Darum preise ich dich und will dich loben<br />
und will den Namen des Herrn besingen.<br />
373 Sir 0,00–0,00
das buch jesus sirach<br />
gedicht über das suchen nach weisheit<br />
Als ich ein Knabe war, vor meinen Reisen, verlangte ich offen nach<br />
Weisheit im Gebet. Am Tor des Heiligtums lernte ich sie schätzen und will bis<br />
zum Ende nach ihr suchen. In seiner Blüte – wie die Traube, wenn sie sich dunkel<br />
färbt –, freute sich mein Herz an ihr. Mein Fuß ging auf geradem Weg, und<br />
seit meiner Jugend spürte ich ihr nach. Ich lieh ihr kurz mein Ohr, und schon<br />
fand ich Unterweisung in Menge. Mit ihrer Hilfe kam ich voran; den, der mir<br />
Weisheit gegeben hat, will ich verherrlichen. Ich sann darauf, sie zu üben, mit<br />
Eifer suchte ich das Gute und wurde nicht enttäuscht. Mein Herz hat um sie<br />
gerungen, und das Gesetz zu halten, darauf achtete ich. <strong>Die</strong> Hände erhob ich<br />
zum Himmel, und meine Unwissenheit beklagte ich. Ich richtete auf sie meine<br />
Seele, und in Reinheit fand ich sie. Von Anbeginn wandte ich mein Herz auf<br />
sie, so werde ich auch nicht verlassen sein. Mein Inneres erglühte, sie zu schauen,<br />
darum erwarb ich sie als kostbaren Schatz.<br />
Der Herr verlieh mir als Lohn meine Zunge, und mit ihr will ich ihm<br />
danken. So naht euch mir, ihr Unwissenden, und in meinem Lehrhaus haltet<br />
euch auf. Wie lange noch wollt ihr dieses und jenes entbehren, soll euere Seele<br />
denn so durstig bleiben? Ich öffne meinen Mund und rede, unentgeltlich<br />
erwerbt euch Besitz. Beugt eueren Hals unter ihr Joch, euere Seele nehme Zurechtweisung<br />
an, nahe ist sie denen, die sie suchen. Seht es mit eigenen Augen,<br />
wie wenig Mühe ich hatte und wie viel Ruhe ich für mich gefunden habe. Erwerbt<br />
die Lehre für Silber in großer Zahl, ihr werdet viel Gold um ihretwillen<br />
erlangen. Es möge euere Seele sich erfreuen an der Barmherzigkeit des Herrn,<br />
seines Lobes sollt ihr euch nicht schämen. Tut euere Werke vor der Zeit, so<br />
wird er euch den Lohn geben zu seiner Zeit.<br />
Weisheit des Jesus,<br />
des Sohnes Sirachs.<br />
Sir 0,00–0,00<br />
374
375 Sir 0,00–0,00