Download des Artikels - Ernst & Young
Download des Artikels - Ernst & Young
Download des Artikels - Ernst & Young
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Wertorientierte<br />
Kundenprofitabilitätsmessung<br />
Zentraler Aspekt <strong>des</strong> <strong>Artikels</strong> ist die Darstellung einer von den Autoren<br />
entwickelten Methode, die Kundenprofitabilität bei multidivisionalen<br />
Unternehmen zu ermitteln, zu vergleichen und zu steuern. Die durch das<br />
Konzept erzielte holistische Sichtweise auf die Kundenprofitabilität erlaubt<br />
innerhalb <strong>des</strong> Managementprozesses wertorientierte<br />
Steuerungsentscheidungen.<br />
Foto: Deutsche Post AG<br />
66 Performance Ausgabe 1.2011
Performance Ausgabe 1.2011 67
„Was gemessen wird, wird transparent,<br />
was belohnt wird, wird erledigt!“ 1<br />
Viele Unternehmen stehen vor dem Problem,<br />
die individuelle Profitabilität ihrer<br />
Kunden oder Kundengruppen nicht hinreichend<br />
bestimmen zu können. Oftmals<br />
stehen Produkt- bzw. Business-Unit-Orientierung<br />
und damit verbunden die Fokussierung<br />
auf deren Profitabilität im Vordergrund.<br />
Eine Ergebnisrechnung, bspw. auf<br />
Profitcenter–Ebene, ist zwar gang und<br />
gäbe, eine weitere Detaillierung bis auf<br />
Kundenebene erfolgt hingegen nur sporadisch.<br />
Neben der Analyse der Dauer und<br />
Qualität der Geschäftsbeziehung ist diese<br />
Analyse zusammen mit der Prognose zukünftiger<br />
Profitabilität jedoch ein wichtiger<br />
Bestandteil gerade zur Ermittlung der<br />
einzelnen Kundenwerte. Die Beeinflussung<br />
von Entscheidungen im Rahmen einer<br />
Kundenansprache oder von Preisverhandlungen<br />
finden nur selten auf Basis der<br />
Analyse <strong>des</strong> Kundenwertes statt, obwohl<br />
gerade dieser als in die Zukunft gerichtete<br />
Kennzahl einen höheren Aussagegehalt<br />
besitzt als vergangenheitsorientierte Kennzahlen.<br />
In vielen Fällen sind auch die Ziele und<br />
Incentives der Vertriebsmannschaft oder<br />
eines Key Account Managers an die Steigerung<br />
<strong>des</strong> Umsatzes mit einem Kunden<br />
oder in einer Zielgruppe gekoppelt. Diese<br />
Vorgabe muss aber nicht zwangsläufig<br />
auch zu einer Verbesserung der Profitabilität<br />
führen. Würden aber Anreiz- und<br />
Entlohnungssystem auf entsprechenden<br />
Werten basieren und auch in die regelmäßigen<br />
Zielvereinbarungen einfließen, würde<br />
dies einem Paradigmenwechsel gleichkommen<br />
und für mehr Wertorientierung<br />
sorgen. Der Bestimmung der Kundenprofitabilität<br />
und den damit verbundenen<br />
Herausforderungen wollen wir uns in den<br />
nachfolgenden Abschnitten widmen. Zusätzliche<br />
Komplexität erfährt diese Thematik<br />
insbesondere im Kontext multidivisionaler<br />
Konzerne im transnationalen Umfeld.<br />
Herausforderungen multidivisionaler<br />
und transnationaler Konzerne<br />
Wann bringt ein Kunde dem Unternehmen<br />
eigentlich Gewinn? Wie werthaltig ist eine<br />
Kundenbeziehung? Zur Beantwortung dieser<br />
Frage hat die Betriebswirtschaftslehre<br />
eine Vielzahl unterschiedlicher Konzepte,<br />
die eine Beantwortung entweder aus quantitativen<br />
oder qualitativen Gesichtspunkten<br />
erlauben, entwickelt (vgl. Weber/Haupt/<br />
Erfort 2005, S. 17 ff.). Im Hinblick auf<br />
die kundenbezogene Profitabilitätsbestimmung<br />
wollen wir diese insbesondere<br />
aus dem Fokus eines multidivisionalen und<br />
transnationalen Konzerns betrachten.<br />
1 vgl. Dellermann/Kasties/Richter 2006, S. 45<br />
Foto: Deutsche Post AG<br />
68 Performance Ausgabe 1.2011
Fallstudie / Kundenprofitabilitätsmessung<br />
Seit einigen Jahren werden im Vertriebscontrolling<br />
zunehmend deckungsbeitragsorientierte<br />
Kalkulationen eingesetzt. Diese<br />
verhindern die Konzentration auf das<br />
bloße Umsatzwachstum, das mit Kunden<br />
oder Zielgruppen generiert wird. Auf diese<br />
Art wirken die Unternehmen einem<br />
„Wachstum um jeden Preis“ entgegen und<br />
richten ihren Fokus erfolgreich auf ein<br />
„profitables Wachstum“.<br />
Die Anwendung einer differenzierten Kundenbeziehungsstrategie,<br />
also einer an<br />
den individuellen Kunden angepassten<br />
Vertriebsstrategie, ist damit möglich, um<br />
einer ungeordneten Kundenbehandlung<br />
entgegenzuwirken. Aus Kostengründen<br />
erhalten nur die profitabelsten Kunden<br />
eine aufwendige Betreuung. Bei unrentablen<br />
Kunden werden die Kosten reduziert.<br />
Die Fokussierung auf die Profitabilität der<br />
Kunden hat den Vorteil, dass eine langfristige<br />
Perspektive eingenommen wird. Die<br />
Ausgaben für Kunden stellen Investitionen<br />
dar, die langfristige Erträge erbringen<br />
sollten.<br />
Betrachtet man nun einen Kunden innerhalb<br />
eines transnationalen Konzerns, der<br />
von verschiedenen Geschäftsbereichen<br />
bedient wird, so wird man feststellen<br />
müssen, dass die Bestimmung einer Gesamtprofitabilität<br />
über alle Unternehmensbereiche<br />
eine große Herausforderung<br />
darstellt.<br />
Die erste Herausforderung ergründet sich<br />
meist darin, dass die jeweilige Profitabilitätskennzahl<br />
auf Segmentebene entweder<br />
grundsätzlich verschieden ist oder sich in<br />
ihrer Berechnung unterscheidet.<br />
Dies ist aus der Perspektive der unterschied -<br />
lichen zugrunde liegenden Geschäftsmodelle<br />
und kostenspezifischen Abzugsfaktoren<br />
verständlich. Eine weitere zu nennende<br />
Herausforderung spiegelt sich in<br />
der Transformation der Unternehmen wider.<br />
Zukäufe, Abspaltungen oder Fusionen<br />
erschweren oft eine Aggregation kundenbezogener<br />
Daten, die aus verschiedenen<br />
IT-Systemen in einer Datenbank konsolidiert<br />
werden sollen. Die sogenannten „Informationssilos“<br />
gefährden eine pünktliche<br />
und korrekte Bestimmung der kundenspezifischen<br />
Umsätze sowie Profitabilität<br />
und ziehen eine Erhöhung <strong>des</strong> Arbeitsaufwands<br />
im Rahmen der Informationsbereitstellung<br />
nach sich.<br />
Wir werden nun in einem höheren Detaillierungsgrad<br />
auf die Herausforderungen<br />
eingehen. Unsere Erfahrung hat gezeigt,<br />
dass innerhalb komplexer Unternehmungen<br />
bereits die globale Aggregation der<br />
kundenspezifischen Umsätze zahlreiche<br />
Aporien aufweist. Die Schwierigkeit liegt<br />
hierbei in der Vielzahl unterschiedlicher<br />
operativer Systeme und Buchhaltungsund<br />
Reportingsysteme sowie den nicht<br />
verlässlichen Kundenstammdaten, die<br />
einen Abgleich zwischen kundenspezifischen<br />
und Profitcenter-Umsätzen erschweren.<br />
Die IT-Landschaft zeigt in regionalen<br />
Ausprägungen eine heterogene<br />
Struktur und erschwert die Aggregation<br />
der Datenströme. Praxiseinblicke haben<br />
diese Erkenntnis verdeutlicht und gezeigt,<br />
dass ausschließlich für die Validierung<br />
der kundenspezifischen Umsatzdaten in<br />
Konzernen Wochen vergehen können.<br />
Dies führt zu Verzögerungen in der Berichterstattung<br />
der internen kundenspezifischen<br />
Leistungsdaten.<br />
Regionale und divisionale Unterschiede<br />
existieren in der Berechnung von Profi -<br />
ta bilitätskennzahlen und erschweren<br />
damit die Möglichkeit der Bestimmung<br />
der Kundenprofitabilität für einen Kunden.<br />
Als gängige Kennzahlen werden dabei<br />
GP (Gross Profit), GM (Gross Margin)<br />
oder OP (Operating Profit) verwendet;<br />
die sich in der Eindringtiefe (z. B. Verteilung<br />
der Gemeinkosten) bei der Berechnung<br />
der Profitabilität unterschieden:<br />
• Als GP bezeichnet man die Differenz<br />
zwischen Umsatz und Waren- bzw.<br />
Materialeinsatz eines Unternehmens.<br />
• Unter dem OP versteht man den aus der<br />
gewöhnlichen Geschäftstätigkeit resultierenden<br />
Gewinn, der um außergewöhnliche<br />
Erträge und Aufwendungen bereinigt<br />
ist und vor Steuern dargestellt wird.<br />
• Die GM beziffert den prozentualen<br />
Anteil <strong>des</strong> Umsatzes, der nach Abzug der<br />
Herstellkosten übrig bleibt.<br />
Die absolute Vergleichbarkeit dieser Kennziffern<br />
oder eine Aggregation miteinander<br />
ist nicht möglich. Schwierigkeiten bestehen<br />
häufig auch in der Zuweisung kundenspezifischer<br />
Kosten zu den Umsatzdaten.<br />
So kann die kundenindividuelle Profitabilität<br />
kaum ermittelt und bewertet werden –<br />
werthaltige und nachhaltige Entscheidungen<br />
lassen sich so also kaum vorbereiten.<br />
Es kann durchaus vorkommen, dass für<br />
einen großen Kunden aufgrund komplexer<br />
Mutter-/Tochterunternehmensbeziehungen<br />
mehrere Tausend Kundennummern<br />
in den unterschiedlichen operativen Systemen<br />
und Geschäftsbereichen existieren,<br />
und es ist fraglich, ob alle Kundennummern<br />
nun auch wahrhaftig dem betreffenden<br />
Kunden zugeordnet wurden.<br />
Erschwerend ist meist die Feststellung aller<br />
für den Kunden relevanten Kundennamen/<br />
-nummern, die für die Aggregation von<br />
Umsatz und Kosten und somit für die Berechnung<br />
der Profitabilität notwendig<br />
sind. Insbesondere gilt es bei Joint Ventures,<br />
Beteiligungen und assoziierten<br />
Unter nehmen die richtige Verknüpfung<br />
zum Kunden zu finden.<br />
Zur Beseitigung bzw. Abschwächung der<br />
dargestellten Schwierigkeiten gilt es, Lösungsstrategien<br />
zu entwickeln und zu operationalisieren.<br />
Im Folgenden möchten wir<br />
Lösungsmöglichkeiten aufzeigen und in<br />
das entwickelte Konzept der aggregierten<br />
Kundenprofitiabilitätskennzahl einführen.<br />
Performance Ausgabe 1.2011 69
Zunächst einmal sind klar definierte Richtlinien<br />
für die Ermittlung und Abgrenzung<br />
der kundenspezifischen Umsatz- und Kosteninformationen<br />
notwendig. Die eigentliche<br />
Validierung der Daten kann nachfolgend<br />
manuell oder automatisiert durchgeführt<br />
werden. Bei der manuellen Variante<br />
werden sogenannte „Ausreißer“ betrachtet,<br />
die sich nicht in einem vorher definierten<br />
Rahmen bewegen. Zur Ursachenanalyse<br />
werden die Dateneigner kontaktiert,<br />
um die Gründe für die negativen bzw. positiven<br />
Abweichungen zu erfahren. Dieses<br />
Verfahren ist sehr zeitaufwendig und fehleranfällig,<br />
da es keine Garantie dafür gibt,<br />
dass alle Datenabweichungen identifiziert<br />
wurden.<br />
Gerade für die wiederholte Datenvalidierung<br />
empfiehlt es sich daher, ein automatisiertes<br />
Erhebungstool zu entwickeln,<br />
das auch in die vorhandene IT-Landschaft<br />
integriert werden kann. Dabei sollten idealerweise<br />
die folgenden Kriterien automatisiert<br />
überprüft werden können:<br />
• Vordefinierter Datenrahmen zur<br />
Identifizierung von Ausreißern<br />
• Volatilität der Kundendaten im<br />
Monatsvergleich<br />
• Entwicklung von Umsatz und<br />
Profitabilität<br />
Eventuelle Zielabweichungen können dann<br />
zeitnaher an die jeweiligen Ansprechpartner<br />
auf Vertriebs- und Regionenebene weitergeleitet<br />
werden, möglicherweise ebenfalls<br />
automatisiert. Die identifizierten Abweichungen<br />
können konzentrierter und<br />
damit effizienter bearbeitet werden. Das<br />
sichert eine kurzfristigere Bereitstellung<br />
der Daten für das Management-Reporting.<br />
Die Erhebung oder Validierung der Daten<br />
bildet somit zusammen mit dem Stammdaten-Management<br />
einen wichtigen Pfeiler<br />
für ein effektives und effizientes Umsatzund<br />
Profitabilitäts-Reporting von einzelnen<br />
Kunden oder Zielgruppen.<br />
Die bereichsübergreifende Profitabilitätsbetrachtung<br />
und die daraus resultierenden<br />
Erkenntnisse fördern die Zusammenarbeit<br />
zwischen den einzelnen Business Units.<br />
So können beispielsweise Verbundeffekte<br />
von Kundenbeziehungen zwischen Business<br />
Units identifiziert und quantifiziert werden.<br />
Auch bei Vertriebsentscheidungen und<br />
Kundenausschreibungen führt eine holistische<br />
Betrachtung der Kundenbeziehung<br />
zu einer besseren Entscheidungsbasis. Aus<br />
Sicht einer einzelnen Business Unit mag<br />
die Bewertung der Kundengüte von der Einschätzung<br />
auf Konzernebene abweichen.<br />
Das vorliegende Konzept erlaubt es, die<br />
unterschiedlichen Ansichten zu normieren<br />
und unterstützt somit die Verantwortlichen<br />
dabei, Entscheidungen auf Basis von Fakten<br />
zu treffen. Weiterhin kommt es der zunehmenden<br />
Bedeutung von Kundenorientierung<br />
nach. Unternehmen haben in den<br />
letzten Jahren erkannt, dass eine aktive<br />
Steuerung der Kundenbeziehung und der<br />
Servicequalität für den langfristigen Erfolg<br />
elementar ist. Um diesem Anspruch gerecht<br />
zu werden, müssen sie ihr Kundenportfolio<br />
bewerten und verschiedene<br />
Kundengruppen und -güten abgrenzen<br />
können. Auch hier trägt die ganzheitliche<br />
Betrachtung der kundenbezogenen Finanz -<br />
ströme und der resultierenden Kundenprofitabilität<br />
zum oft zitierten profitablen<br />
Wachstum bei.<br />
70 Performance Ausgabe 1.2011
Fallstudie / Kundenprofitabilitätsmessung<br />
Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich auf ein Praxisbeispiel<br />
transferieren. Die Logistikbranche eignet sich<br />
in diesem Zusammenhang hervorragend, da sie in den<br />
letzten Jahren starke Wachstumsraten verzeichnete<br />
und als zyklische Branche von Konjunkturschwankungen<br />
am stärksten betroffen ist.<br />
Verlässlichkeit und Aussagekraft ermittelter<br />
Profitabilitätskennzahlen und die damit<br />
verbundenen Entscheidungen sind vor<br />
allem bei einer durchschnittlichen Rendite<br />
von 3–5 Prozent wesentlich.<br />
Innerhalb <strong>des</strong> Deutsche–Post-DHL-Konzerns<br />
betreut die Organisationseinheit Global<br />
Customer Solutions die 100 wichtigsten<br />
Kunden in den Segmenten „Kontraktlogistik“,<br />
„Land-, See- und Luftfracht“ und<br />
„Express“.<br />
Foto: Deutsche Post AG<br />
Fallbeispiel:<br />
Deutsche Post DHL<br />
Bedingt durch verschiedene M&A-Geschäfte<br />
in den letzten Jahren ist die DHL in ihren<br />
Segmenten stark gewachsen und verfügt<br />
über eine stark heterogene IT- und Prozesslandschaft.<br />
Die Berechnung von<br />
Produkt- und Kundenprofitabilitäten wird<br />
dabei aus mehr als 30 verschiedenen<br />
Quellen und Systemen gespeist, die wiederum<br />
an Vorsysteme angebunden sind.<br />
Das Management hat den Anspruch definiert,<br />
die Profitabilität für seine wichtigsten<br />
Kunden multidivisional messbar zu<br />
gestalten. Hierdurch soll die Marktorientierung<br />
segmentübergreifend gestärkt und<br />
Cross- und Up-selling-Potenziale identifiziert<br />
werden. Durch die holistische Betrachtung<br />
der Kundenbeziehung soll<br />
weiterhin die Servicegüte gesteigert und<br />
dem Kunden ein zielgerichtetes und einheitliches<br />
Leistungsspektrum präsentiert<br />
werden.<br />
Innerhalb der einzelnen Segmente werden<br />
unterschiedliche Profitabilitätskennzahlen<br />
verwendet, die somit eine absolute multidivisionale<br />
Aggregation wie oben erläutert<br />
unmöglich machen. An dieser Stelle haben<br />
wir das Erfordernis gesehen, eine relative<br />
aggregierte Profitabilitätskennzahl zu bilden.<br />
Wir haben zur weiteren Erklärung ein<br />
Fallbeispiel mit fiktiven Zahlen entwickelt.<br />
Im ersten Schritt bestimmten wir die relative<br />
Profitabilität eines Geschäftsbereichs<br />
anhand der Formel aus Abbildung 1.<br />
Abbildung 1: Berechnung der relativen Profitabilität für einen Geschäftsbereich<br />
RelativeProfitabilität = (RP)<br />
Absolute Profitabilität Kunde<br />
Umsatz<br />
Kunde<br />
Ø Absolute Profitabilität y<br />
Ø Umsatz a, b, c<br />
Es gilt: y є {a, b, c}, a: gesamte Kundenbasis, b: gesamte Kundenbasis einer Industrie,<br />
c: gesamte Kundenbasis einer Region;<br />
absolute Profitabilität = absolute Profitabilitätskennzahl für Kunden (z. B. Gross<br />
Profit, Gross Margin, Operating Profit) (vgl. auch zur Berechnung Tabelle 1).<br />
Performance Ausgabe 1.2011 71
Der Vergleich absoluter Profitabilitätskennzahl<br />
mit der durchschnittlichen absoluten Profitabilität.<br />
Abbildung 2: Bestimmung der relativen Profitabilität mit verschiedenen Kennziffern<br />
Global Forwarding(S1)<br />
Supply Chain (S2)<br />
Express (S3)<br />
GP Kunde 1<br />
OP1 Kunde 1<br />
GM Kunde 1<br />
Relative<br />
Profitabilität =<br />
(RP)<br />
Umsatz<br />
Kunde 1<br />
Ø GP a, b, c<br />
Umsatz<br />
Kunde 1<br />
Ø OP1 a, b, c<br />
Umsatz<br />
Kunde 1<br />
Ø GM a, b, c<br />
Ø Umsatz a, b, c<br />
Ø Umsatz a, b, c<br />
Ø Umsatz a, b, c<br />
Umsatzanteil S1<br />
Kapitallastigkeit S1<br />
Umsatzanteil S2<br />
Kapitallastigkeit S2<br />
Umsatzanteil S3<br />
Kapitallastigkeit S3<br />
Gewichte nach Umsatz und Kapitallastigkeit<br />
Hier vergleichen wir die absolute Profitabilitätskennzahl<br />
<strong>des</strong> Kunden mit der durchschnittlichen<br />
absoluten Profitabilität aller<br />
Kunden (als Vergleich eignen sich darüber<br />
hinaus Industrie- bzw. regionale Durchschnittswerte)<br />
für das Segment. (Siehe<br />
Abbildung 2)<br />
Im Fallbeispiel mit den fiktiven Zahlen aus<br />
Tabelle 1 (s. u.) brachte der Kunde im<br />
Segment 1 (Global Forwarding) einem<br />
Gross Profit von 10,0 Prozent. Auch der<br />
Gross Profit aller Kunden dieses Segments<br />
lag bei 10,0 Prozent. Folglich ergab die<br />
Rechnung einen Wert von 1,0. Die relative<br />
Profitabilität <strong>des</strong> einen Kunden entsprach<br />
im Segment Global Forwarding dem Durchschnitt.<br />
Anders sah das Ergebnis in anderen<br />
Segmenten aus: So zeigte derselbe<br />
Kunde im Segment 2 (Supply Chain) mit<br />
19,2 Prozent eine bessere Profitabilität als<br />
der Durchschnittswert aller Kunden. Dieser<br />
lag bei 14.5 Prozent. Die relative Profitabilität<br />
wird folglich mit 1,3 angegeben –<br />
der Kunde erbringt DHL das 1,3-Fache <strong>des</strong><br />
Ertrags, den andere vergleichbare Kunden<br />
erbringen.<br />
Diese Berechnung sollte für alle Segmente<br />
durchgeführt werden. Dabei ist festzustellen:<br />
Liegt das Ergebnis höher als 1, verweist<br />
dies darauf, dass der Kunde ein besseres<br />
Ergebnis als der Durchschnittskunde<br />
erbringt und damit profitabler ist.<br />
Tabelle 1: Fiktive Zahlen Kunde 1 zur Berechnung der relativen Profitabilität<br />
Segment 1<br />
Umsatz GP % GP % GP Ø<br />
Relative Kapitallastigkeit Umsatzanteil<br />
Gesamtkunden Profitabilität<br />
10.000.000 € 1.000.000 € 10,0 % 10,0 % 1,0 38 % 26 %<br />
Segment 2<br />
Umsatz OP % OP % OP Ø<br />
Relative Kapitallastigkeit Umsatzanteil<br />
Gesamtkunden Profitabilität<br />
13.000.000 € 2.500.000 € 19,2 % 14,5 % 1,3 34 % 33 %<br />
Segment 3<br />
Umsatz GM % GM % GM Ø<br />
Gesamtkunden<br />
Relative<br />
Profitabilität<br />
Kapitallastigkeit<br />
Umsatzanteil<br />
16.000.000 € 4.000.000 € 25,0 % 21,0 % 1,2 28 % 41 %<br />
72 Performance Ausgabe 1.2011
Fallstudie / Kundenprofitabilitätsmessung<br />
Abbildung 3: Berechnung der aggregierten Profitabilitätskennzahl<br />
Für die Aggregation der Kundenprofitabilität über die verschiedenen Bereiche werden<br />
die beiden Gewichtungsfaktoren „Umsatzanteil <strong>des</strong> Kunden“ und „Gesamtkundenumsatz“<br />
sowie der reziproke Wert der Kapitallastigkeit mit der relativen Profitabilität<br />
auf Segmentebene multipliziert.<br />
Aggregierte<br />
Profitabilitäts- =<br />
kennzahl Kunde<br />
[RP Kunde 1 S1 * Umsatzanteil Kunde 1 S1 * Kapitallastigkeit Kunde 1 S1<br />
+ RP Kunde 1 S2 * Umsatzanteil Kunde 1 S2 * Kapitallastigkeit Kunde 1 S2<br />
+ RP Kunde 1 S3 * Umsatzanteil Kunde 1 S3 * Kapitallastigkeit Kunde 1 S3]<br />
[RP y S1 * Umsatzanteil y S1 * Kapitallastigkeit y S1<br />
+ RP y S2 * Umsatzanteil y S2 * Kapitallastigkeit y S2<br />
+ RP y S3 * Umsatzanteil y S3 * Kapitallastigkeit y S3]<br />
Würde man sich bei der Ermittlung der<br />
Profitabilität nur auf den Umsatzanteil als<br />
Gewichtungsfaktor konzentrieren, besteht<br />
die Gefahr, dass Segmente mit einem hohen<br />
Anteil an firmeneigenen Vermögen, in<br />
diesem Fall etwa Flugzeuge, Fahrzeuge,<br />
Immobilien u. a., gegenüber denen mit<br />
einem geringen Anteil an firmeneigenem<br />
Werten nicht ausreichend differenziert<br />
betrachtet werden. Die Kapitallastigkeit<br />
kann außerdem durch operatives Leasing<br />
verfälscht sein. Daher sollten vor der<br />
Profitabilitätsbestimmung entsprechende<br />
Anpassungen vorgenommen werden. Im<br />
vorliegenden Beispiel generiert das Unternehmen<br />
26 Prozent <strong>des</strong> Umsatzes mit<br />
dem Kunden 1 im Segment 1 und weist<br />
dort eine Kapitallastigkeit von 38 Prozent<br />
auf. Die Kapitallastigkeit wird kundenübergreifend<br />
bestimmt und ist für alle Kunden<br />
<strong>des</strong> jeweiligen Segments einheitlich.<br />
Danach wird die Summe der errechneten<br />
Werte gebildet und durch die Summe<br />
<strong>des</strong> jeweiligen Vergleichswerts, in unserem<br />
Fall der Gesamtkonzern, dividiert.<br />
Ein Resultat größer 1 reflektiert – wie oben<br />
bereits beschrieben – ein besseres Ergebnis<br />
als der Durchschnittswert. Für den Kunden<br />
haben wir über alle Bereiche hinweg<br />
einen Gesamtwert von 1,2 und damit eine<br />
bessere Profitabilität festgestellt als die<br />
der Durchschnittskunden.<br />
Tabelle 2: Berechnung der aggregierten Profitabilitätskennzahl<br />
Segment 1 Segment 2 Segment 3<br />
Relative<br />
Profitabilität<br />
Umsatzanteil<br />
Kapitallastigkeit<br />
Relative<br />
Profitabilität<br />
Umsatzanteil<br />
Kapitallastigkeit<br />
Relative<br />
Profitabilität<br />
Umsatzanteil<br />
Kapitallastigkeit<br />
Aggregierte<br />
Profitabilitätskennzahl<br />
Kunde 1,0 26 % 38 % 1,3 33 % 34 % 1,2 41 % 28 % 1,2<br />
Gesamtkunde 1,0 52 % 38 % 1,0 28 % 34 % 1,0 20 % 28 % 1,0<br />
Performance Ausgabe 1.2011 73
Fallstudie / Kundenprofitabilitätsmessung<br />
Abbildung 4: Aggregierte Profitabilitätskennzahl in der Monatsbetrachtung<br />
1,3<br />
EUR<br />
12.000.000<br />
1,2<br />
1,1<br />
1,0<br />
0,9<br />
11.000.000<br />
0,8<br />
0,7<br />
0,6<br />
Jan 07<br />
Apr 07<br />
Jul 07<br />
Okt 07<br />
Jan 08<br />
Apr 08<br />
Jul 08<br />
10.000.000<br />
Monatlicher Umsatz Kunde 1<br />
Aggregierte Profitabilität Kunde 1<br />
Aggregierte Profitabilität Industrie<br />
Aggregierte Profitabilität gesamte Kundenbasis<br />
Externer Index<br />
Die Entwicklung der aggregierten Profitabilitätskennzahl<br />
lässt sich über verschiedene<br />
Zeiträume (Monate/Jahre) betrachten<br />
und kann bei Abweichungen detailliert<br />
analysiert werden (vgl. Abbildung 4). Bei<br />
dieser Analyse ist es sicher hilfreich, die<br />
Entwicklung <strong>des</strong> Kundengeschäfts mit<br />
dem von anderen Kunden oder Zielgruppen<br />
oder aber weiteren externen Indizes<br />
ins Verhältnis zu setzen. Außerdem kann<br />
neben der aggregierten Profitabilitätskennzahl<br />
noch die Umsatzentwicklung abgefragt<br />
werden.<br />
Darüber hinaus ist es möglich, die Entwicklung<br />
der aggregierten Profitabilität für<br />
eine bestimmte Zielgruppe oder auch eine<br />
Branche abzubilden. In Abbildung 5 haben<br />
wir beispielsweise die Entwicklung der<br />
Kunden hinsichtlich der aggregierten Profitabilität<br />
in der Periode n + 1 mit den<br />
Werten der Periode n verglichen und zu-<br />
sammen mit der Umsatzentwicklung visualisiert.<br />
Dabei ist festzustellen, dass zwar<br />
der Umsatz mit allen Kunden gestiegen ist,<br />
sich aber bei allen Kunden bis auf Kunde 2<br />
die aggregierte Profitabilität verschlechtert<br />
hat. Das Ergebnis bestätigt die These,<br />
dass die Betrachtung <strong>des</strong> Umsatzwachstums<br />
allein zu falschen Entscheidungen im<br />
Vertrieb führen kann. Die Einbeziehung<br />
der Profitabilität bringt ein facettenreicheres<br />
Bild – und ermöglicht damit bessere<br />
wirtschaftliche Entscheidungen. Generell<br />
ist anzumerken, dass sich eine Kundenbeziehung<br />
immer wieder in die eine oder<br />
andere Richtung bewegen kann und dies<br />
im Einzelfall, insbesondere bei großen Ausschlägen,<br />
diskutiert werden muss. Vor allem<br />
wenn die Profitabilität sinkt, muss diese<br />
Entwicklung zeitnah diskutiert werden<br />
und zu schnellen Entscheidungen führen.<br />
Eine mögliche Interpretationsrichtung gibt<br />
die farbige Legende in Abbildung 5 vor.<br />
74 Performance Ausgabe 1.2011
Foto: Deutsche Post AG<br />
Abbildung 5: Aggregierte Profitabilitätskennzahl im Periodenvergleich<br />
1,5<br />
1,0<br />
Kunde 3<br />
Kunde 3<br />
Kunde 4<br />
Kunde 4<br />
Startpunkt<br />
Entwicklungsrichtung<br />
Kunde 1<br />
Kunde 2<br />
Kunde 2<br />
0,5<br />
Kunde 1<br />
Periode n<br />
Periode n+1<br />
Gewünschte Entwicklung<br />
Ungewünschte Entwicklung<br />
0,0<br />
0<br />
5.000<br />
10.000<br />
15.000<br />
Umsatz in Tausend EUR<br />
Performance Ausgabe 1.2011 75
Nicht mehr das Umsatzwachstum, sondern das profitable<br />
Wachstum von bestimmten Kunden oder Zielgruppen sollte<br />
im Mittelpunkt von Zielvereinbarungen stehen.<br />
Global Forwarding, Freight Supply Chain Express Aggregierte Profitabilitätskennzahl<br />
Indusgtriedurchschnitt<br />
Verglichen mit dem<br />
GSC-Segmentdurchschnitt<br />
Indusgtriedurchschnitt<br />
Verglichen mit dem<br />
GSC-Segmentdurchschnitt<br />
Indusgtriedurchschnitt<br />
Verglichen mit dem<br />
GSC-Segmentdurchschnitt<br />
Gewichtet mit dem Umsatzanteil<br />
und der Kapitallastigkeit<br />
der einzelnen Segmente<br />
Industrie 1<br />
1,0<br />
1,1<br />
1,0<br />
1,1<br />
Industrie 2<br />
1,0<br />
0,9<br />
1,0<br />
1,0<br />
Industrie 3<br />
0,9<br />
1,3<br />
0,8<br />
1,0<br />
Industrie 4<br />
0,9<br />
0,8<br />
1,0<br />
0,8<br />
Industrie 5<br />
1,2<br />
0,9<br />
1,3<br />
1,1<br />
Abbildung 6: Aggregierte und relative Profitabilitätskennzahl in der Branchenanalyse<br />
Sowohl die aggregierte als auch die relative<br />
Profitabilität lassen sich neben einer kundenbezogenen<br />
Betrachtungsweise auch für<br />
einzelne Industrien oder Branchen zusammenfassen.<br />
In Abbildung 6 wird im ersten<br />
Schritt die relative Profitabilität einer Branche<br />
im Verhältnis zur durchschnittlichen<br />
Profitabilität einer Zielgruppe betrachtet,<br />
den sog. GCS-Kunden. Die Bestimmung der<br />
aggregierten Profitabilitätskennzahl erfolgte<br />
nach der beschriebenen Methode.<br />
Foto: Deutsche Post AG<br />
76 Performance Ausgabe 1.2011
Fallstudie / Kundenprofitabilitätsmessung<br />
Managementkonzepte<br />
Erfolgreiches Kundenmanagement erfordert<br />
eine solide Informationsbasis. Als<br />
Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung<br />
nachhaltiger Entscheidungen sind<br />
korrekte, kundenrelevante Informationen<br />
unerlässlich. Wie sich Kundenverbundeffekte,<br />
Up-Selling, Cross-Selling oder End-toend<br />
Offerings auf die Erträge auswirken,<br />
wird erst dann überschaubar, wenn aussagekräftige<br />
Daten zur Profitabilität eines<br />
Kunden oder von Zielgruppen vorliegen.<br />
Beim Up-selling sollen Kunden etwa dazu<br />
bewegt werden, ihre Ausgaben in einer<br />
Angebotsgruppe zu erhöhen. Das kann etwa<br />
durch die Abnahme größerer Mengen,<br />
durch Preiserhöhungen oder aber durch<br />
den Verkauf höherwertiger Produktvarianten<br />
erreicht werden. Beim Cross-Selling<br />
versuchen Unternehmen, dem Kunden<br />
zum gewünschten Produkt noch ein weiteres<br />
aus der Produktgruppe oder ein Kuppelprodukt<br />
anzubieten. Verbundeffekte<br />
wirken wiederum auf die Kundenbeziehung<br />
selbst oder auf die Werte anderer Geschäftsbeziehungen<br />
(etwa Referenzen, Netzeffekte<br />
oder Preisdifferenzierungs effekte).<br />
Für all diese Strategien liefert die aggregierte<br />
Profitabilität wichtige Anhaltspunkte<br />
für Planungen und Entscheidungen.<br />
Wir haben bereits zu Beginn festgestellt,<br />
dass die Betrachtung der Profitabilitätsentwicklung<br />
zu einem Wandel im Anreizsystem<br />
<strong>des</strong> Vertriebs führen soll. Nicht mehr<br />
das Umsatzwachstum, sondern das profitable<br />
Wachstum von bestimmten Kunden<br />
oder Zielgruppen sollte im Mittelpunkt von<br />
Zielvereinbarungen stehen. Bei der Umstellung,<br />
aber auch generell bei der Steuerung<br />
von einzelnen Vertriebsmaßnahmen<br />
sollte ein geeignetes Performance-Management-System<br />
implementiert werden,<br />
das ebenfalls auf den vorgestellten Profitabilitätskennzahlen<br />
basiert. Damit lassen<br />
sich Leistungen von Mitarbeitern systematisch<br />
und multidimensional messen, steuern<br />
und überprüfen. Auf individueller und<br />
auf Führungsebene können so Prozesse<br />
kontinuierlich verbessert und angepasst<br />
werden.<br />
Bei der Umsetzung eines Performance–<br />
Management-Systems verweisen wir<br />
auf die von Prof. Robert S. Kaplan und<br />
Dr. David P. Norton entwickelte Balanced<br />
Scorecard (vgl. Kaplan/Norton 1992,<br />
S. 71 ff.; Kaplan/Norton 1997), die wir<br />
nach der Entwicklung der aggregierten<br />
Profitabilitätskennzahlen in Form einer<br />
Customer Balanced Scorecard (CBSC)<br />
weiterentwickelt haben. Bei der CBSC<br />
handelt es sich um ein integratives Steuerungs-<br />
und Incentivierungskonzept, mit<br />
dem sich die zentralen Werttreiber unter<br />
den Kunden und unter den Mitarbeitern<br />
ermitteln lassen. Dabei basiert die CBSC<br />
auf den Kennzahlen, die die Performance<br />
eines Kunden angeben. Sie ermöglicht<br />
die Betrachtung der Kundenbeziehung<br />
aus verschiedenen Perspektiven, etwa in<br />
Hinblick auf das eingesetzte Kapital, den<br />
Markt oder die Optimierung von Prozessen,<br />
Mitarbeitern sowie <strong>des</strong> Unternehmenswachstums.<br />
Innerhalb der CBSC<br />
können für einzelne Werte, in diesem Fall<br />
etwa die aggregierte Profitabilitätskennzahl,<br />
Zielgrößen vorgegeben und übers<br />
Jahr regelmäßig überprüft werden. So<br />
lässt sich nachvollziehen, ob die für einen<br />
Zeitraum definierten Ziele auch erreicht<br />
werden oder welche Maßnahmen dazu<br />
noch erforderlich sind.<br />
Im Folgenden stellen wir exemplarisch vor,<br />
wie eine CBSC für ein Unternehmen aussehen<br />
kann. Dabei werden für die Bereiche<br />
„Finanzen“, „Markt“, „Prozesse“ und „Mitarbeiter“<br />
aktuelle Fragen vorgegeben und<br />
daraus mögliche strategische Ziele abgeleitet.<br />
Für diese werden schließlich Werte<br />
definiert, mit denen sich der Erfolg der so<br />
geplanten Maßnahme messen lässt.<br />
Performance Ausgabe 1.2011 77
Mit einer CBSC verfügt der Key Account Manager über ein<br />
transparentes Steuerungs- und Incentivierungsinstrument.<br />
Fragestellung/<br />
Beschreibung<br />
Strategische Ziele Messgröße Zielwert Maßnahmen<br />
Beispiele<br />
Finanzen<br />
Welche finanzielle<br />
Performance soll der<br />
Kunde aus Sicht unserer<br />
Eigentümer/Anteilseigner<br />
haben?<br />
Profitables Wachstum<br />
über Branchendruchschnitt<br />
halten<br />
Aggregierte<br />
Profitabilitätskennzahl<br />
1,2 Profitabilitätsbasierte<br />
Kundensteuerung<br />
implementieren<br />
Markt/Kunde<br />
Wie sollen wir gegenüber<br />
dem Kunden auftreten?<br />
Kundenzufriedenheit<br />
erhöhen<br />
Anzahl/Umsatz<br />
Produktverkäufe<br />
1.000.000<br />
Einheiten<br />
110 Mio. €<br />
2 Niederlassugnen je in CZ,<br />
PL, HU aufbauen in der<br />
Nähe der Fertigungsstätten<br />
<strong>des</strong> Kunden<br />
Prozesse<br />
Welche vorrangigen<br />
Themen sindin Bezug<br />
auf unsere internen<br />
Abläufe zu berück -<br />
sichtigen?<br />
Auftragsabwicklung<br />
qualitativ und<br />
kostenseitig optimieren<br />
Prozesskosten<br />
je Auftrag<br />
DLZ je Auftrag<br />
Ø 45 €<br />
Ø 1,5 €<br />
Anforderungen <strong>des</strong> Kunden<br />
in die computergestützte<br />
Auftragssteuerung<br />
implementieren<br />
Mitarbeiter<br />
Welche Ziele haben wir<br />
in Bezug auf unser<br />
Mitarbeiter-Team zu<br />
verfolgen?<br />
Kompetenz im Bereich<br />
Reklamationenbearbeitung<br />
verbessern<br />
Bearbeitungsdauer<br />
Reklamation<br />
3 Tage Schulung der Mitarbeiter<br />
im Bereich Reklamationen -<br />
bearbeitung<br />
Abbildung 7: Einsatz <strong>des</strong> Balanced-Scorecard-Modells im Vertriebs- und Kundenbereich<br />
Neben der Betrachtung von Kundenbeziehungen<br />
und -wachstum oder -potenzial<br />
hilft die Bestimmung der Profitabilität<br />
auch im Kontext von Forderungsausfällen<br />
und Kundeninsolvenzen. In diesem Bereich<br />
ist ebenfalls eine integrative Sichtweise<br />
auf die Performance und das Risiko einer<br />
Kundenbeziehung erstrebenswert. Analog<br />
zur Vorgehensweise bei der Implementierung<br />
der Balanced Scorecard kann mithilfe<br />
aggregierter Profitabilitätskennzahlen<br />
auch ein Key Risk Indicator (KRI) gebildet<br />
werden. Er ermöglicht die Planung, Messung<br />
und Überwachung <strong>des</strong> Risikomanagements<br />
(vgl. Pedell, B./Schwihel, A., 2004,<br />
S. 149 ff.). Die Unternehmensführung kann<br />
damit neben den Informationen zur Performance<br />
einer Kundenbeziehung auch<br />
auf Hinweise zu deren Risiken zurückgreifen<br />
und sie ganzheitlich steuern. Dies ist<br />
gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten<br />
sehr hilfreich.<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten,<br />
dass für die wichtigsten Kunden eine eigene<br />
CBSC erstellt werden sollte. Damit<br />
verfügt der Key Account Manager über ein<br />
transparentes Steuerungs- und Incentivierungsinstrument<br />
und kann so werthaltigere<br />
Entscheidungen treffen.<br />
Autoren<br />
Dr. Andreas Bonnard<br />
Partner, Advisory Services<br />
<strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> Deutschland<br />
Matthias Heintke<br />
Senior Manager, Advisory Services<br />
<strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> Deutschland<br />
Stephan Dellermann<br />
Senior Consultant, Advisory Services<br />
<strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> Deutschland<br />
Frank E. Thode<br />
Chief Financial Officer<br />
Global Customer Solutions<br />
Deutsche Post DHL<br />
78 Performance Ausgabe 1.2011
Fallstudie / Kundenprofitabilitätsmessung<br />
Fazit<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl die relative als auch die aggregierte<br />
Profitabilitätskennzahl für eine Vielzahl von Entscheidungen verwendet werden<br />
kann. Dazu zählen beispielsweise<br />
• das Benchmarking von Kunden nach Region, Segment oder Industrie,<br />
• die Setzung von jährlichen und unterjährigen Zielen und deren Verfolgung,<br />
• der Vergleich von Kundenportfolios oder<br />
• multidivisionale Vertriebsentscheidungen.<br />
Dabei ist eine systemseitige Unterstützung gerade bei multidivisionalen und transnationalen<br />
Konzernen erforderlich. Die Anwender erhalten je nach Rolle und Informationsbedürfnis<br />
nutzerspezifisch aufbereitete Informationen. Der Key Account<br />
Manager bekommt detaillierte Kundenberichte, während<strong>des</strong>sen das Management<br />
hoch aggregierte Berichte erhält.<br />
Es ist abschließend erstrebenswert, die aggregierten Profitabilitätskennzahlen in<br />
das Entlohnungsmodell der Organisation einzubetten. Dies sollte erfolgen, um einen<br />
nachhaltigen und verbindlichen Effekt <strong>des</strong> Konzepts zu erzielen und den Schritt vom<br />
Reportinginstrument zum Steuerungsinstrument zu schaffen. Natürlich stellt dieser<br />
Paradigmenwechsel eine mittelfristige und kritische Angelegenheit dar und erfordert<br />
den Einsatz aller Beteiligten. Damit dieser Wechsel möglich ist, haben wir die<br />
CBSC vorgestellt, um kundenspezifische Performance-Informationen transparent,<br />
handhabbar und messbar zu machen. Mit diesem Instrument wird der Wandel von<br />
einer umsatzbasierten hin zu einer profitabilitätsorientierten Performance-Messung<br />
durchgeführt.<br />
Nach kurzer Zeit ist festzustellen, dass es letztlich ein lohnen<strong>des</strong> Unterfangen ist<br />
und jeder am nachhaltigen Unternehmenserfolg orientierte Mitarbeiter seine volle<br />
Unterstützung geben wird.<br />
Performance Ausgabe 1.2011 79