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Lebensqualität mit Suizidalität.<br />

Aspekte der ambulanten<br />

psychiatrischen Pflege<br />

www.RuthAhrens.de


Krise: Gefahr und Chance


Ambulante Pflege bei<br />

Suizidgefahr???<br />

♦ Wunsch oder Wirklichkeit?<br />

♦ Tätigkeiten ambulanter psychiatrischer<br />

Pflege<br />

♦ Vorraussetzungen bei den Pflegenden<br />

♦ Praktische Fragen<br />

♦ Lebensqualität durch Recovery‐Strategien


Wunsch oder Wirklichkeit?<br />

♦ SGB V § 37<br />

♦ SGB V § 92<br />

♦ Interprofessionelle Zusammenarbeit?<br />

♦ Integrierte Versorgungsverträge?<br />

♦ Pflegeweiterentwicklungsgesetz


TÄTIGKEITSINHALTE DER AMBULANTEN<br />

PSYCHIATRISCHEN PFLEGE (BAPP)<br />

1. Erstgespräch / Hilfebedarfsplanung<br />

(Assessment)<br />

2. Beziehungsgestaltung<br />

3. Feststellen, beobachten und dokumentieren<br />

des Hilfebedarfs und dessen Entwicklung<br />

(Pflegeprozess)<br />

4. Wahrnehmen und beobachten von<br />

Krankheitszustand und –entwicklung<br />

5. Anregung / Abstimmung therapeutischer,<br />

pflegerischer und ergänzender Maßnahmen


TÄTIGKEITSINHALTE DER AMBULANTEN<br />

PSYCHIATRISCHEN PFLEGE<br />

6. Zusammenarbeit mit dem verordnenden<br />

Arzt<br />

7. Hilfe bei der Medikamenteneinnahme<br />

8. Vorsorge bei Eigen‐ oder Fremdgefährdung<br />

9. Krisenintervention<br />

10. Aktivierung zu elementaren<br />

Verrichtungen, Training von<br />

Alltagsfertigkeiten


TÄTIGKEITSINHALTE DER AMBULANTEN<br />

PSYCHIATRISCHEN PFLEGE<br />

11. Psychiatrische Entlastung im Alltag<br />

12. Kognitives und psychisches Training<br />

13. Hilfe beim Umgang mit beeinträchtigenden<br />

Gefühlen, Wahrnehmungen und<br />

Verhaltensweisen<br />

14. Hilfe bei der Tages‐ und Wochenstrukturierung<br />

15. Zusammenarbeit mit Familienangehörigen /<br />

Partnern<br />

16. Kontaktaufnahme und Kooperation mit anderen<br />

Diensten, Fachpersonal und Institutionen


Wunsch oder Wirklichkeit?<br />

♦ Gesetzeslage<br />

♦ Entgelte<br />

♦ Schwerpunkt stationäre Versorgung<br />

♦ Experten?


Suizidgefahr<br />

♦ fast alle Betroffenen mit NANDA‐Diagnose<br />

Suizidgefahr haben Vorgeschichte mit<br />

Suizidgedanken und Suizidversuchen,<br />

Gefühlen von Sinnlosigkeit und<br />

Hoffnungslosigkeit


Pflegeziele einer Behandlung zu<br />

Hause:<br />

♦ Betroffene benennen eigenes Suizidrisiko<br />

♦ Selbstbeherrschung von suizidalem<br />

Verhalten (Sauter et al 2004 S. 955)<br />

♦ Erhalten der Absprachefähigkeit<br />

♦ Tertiär‐Prävention<br />

♦ Entwicklung von Hoffnung<br />

♦ Verbleib zu Hause


Maßnahmen und Instrumente:<br />

♦ Beziehung<br />

♦ Kontakthäufigkeit ++, Entlastung<br />

♦ Einschätzung der Suizidgefahr, ♦ NGASR, SSF II, „Safety Plan“,<br />

Handlungsdruck + Ressourcen Notfallkoffer, Recovery‐Strategien<br />

♦ Management der aktuellen ♦ Reaktivierung/Stabilisierung<br />

Situation<br />

sozialer Netzwerke, Ableitung<br />

Handlungsimpulse<br />

♦ Ermutigung/Begleitung zu<br />

♦ Motivation für Therapie psychoth. Krisenintervention,<br />

Ermutigung zur Einnahme<br />

entlastender, (schlafförd.)<br />

Medikation<br />

Generell gilt: erlebnis‐aktivierend arbeiten


Evaluation<br />

♦ Betroffene halten Vereinbarungen ein<br />

♦ Betroffene ziehen sich nicht zurück, bleiben<br />

in Kontakt (z.B. auch telefonisch)<br />

♦ Betroffene vermeiden das Thema nicht


Vorraussetzungen bei den<br />

Pflegenden?<br />

♦ hohe Kompetenz (menschlich + fachlich)<br />

♦ Mut, Kompetenz und Mitgefühl<br />

Jensen K, Bäck‐Petterson S, Segesten K (1995) Der „Pflegende Moment“<br />

(Caring Moment) und das „Grüne‐Daumen‐Phänomen“ bei<br />

Pflegenden in Schweden. Pflege 8:2, 163‐172


Pflegekompetenz‐Stufen (Benner 1995):<br />

♦ Anfänger<br />

♦ Fortgeschrittene Anfänger<br />

♦ Kompetente Pflegende<br />

♦ Erfahrene Pflegende<br />

♦ Pflegeexperten


Anfänger<br />

♦ Wahrnehmung der Situation verläuft über<br />

Sammlung einzelner relevanter Teile zum Sehen<br />

des Ganzen<br />

♦ mit mehr oder weniger deutlich herausragenden<br />

Aspekten<br />

♦ Kein Hintergrund des Verstehens, sondern<br />

kontextfreie Regeln und Eigenschaften für eine<br />

sichere Tätigkeit in Situationen<br />

♦ Befolgen von Regeln dient auch Angstabwehr


Fortgeschrittener Anfänger<br />

♦ nimmt mehr Aspekte von Situationen wahr<br />

♦ kennt Handlungsabläufe<br />

♦ hat genug Erfahrung, um Mindestleistungen zu<br />

erbringen, weil er genügend reale Situationen<br />

bewältigt hat oder ihm schon bedeutsame<br />

Komponenten gezeigt wurden<br />

♦ es fehlt erforderliche Erfahrung um umfassende<br />

Handlungskompetenz zu haben (die auf der<br />

Erkenntnis mit der Situation beruhen)


Kompetente Pflegekraft<br />

♦ starkes Bewusstsein und überlegte<br />

Planung<br />

♦ gesteigertes Effizienzniveau,<br />

♦ weil auf Erfahrungen zurückgeblickt<br />

werden kann, die helfen zu entscheiden,<br />

welche Aspekte von Situationen wichtig<br />

sind und welche ignoriert werden können


Erfahrene Pflegekraft<br />

♦ nimmt Situationen zunehmend als Ganzes wahr,<br />

statt in einzelnen Aspekten.<br />

♦ Unterschied zur kompetenten Pflegekraft ist<br />

qualitativ und liegt in zwei wesentlichen Punkten:<br />

♦ Leistungen/Handlungen werden zunehmend an<br />

einer Werthaltung ausgerichtet<br />

♦ Intuitives Begreifen von Situationen, was nur<br />

möglich ist, wenn ein Verstehen des Hintergrundes<br />

vorhanden ist.


Pflegeexperte<br />

♦<br />

♦<br />

♦<br />

♦<br />

♦<br />

♦<br />

♦<br />

verlässt sich immer weniger auf analytische Prinzipien,<br />

Regeln oder Richtlinien,<br />

geht intuitiv direkt und verstehend auf zentrale Bereich<br />

des Problems zu,<br />

ohne Zeit an alternative Diagnosen oder Lösungen zu<br />

verschwenden.<br />

enormen Erfahrungshintergrund<br />

Erfahrungen = praktisches Wissen aus Paradigmafällen<br />

begreift sich als Teil der Gesundheitssituation des<br />

Patienten<br />

setzt eigene Persönlichkeit als Wirkfaktor ein


Intuition<br />

Benner: intuitives Urteil von Pflegeexperten<br />

beruht auf folgenden Elementen<br />

1. Erkennen von Mustern<br />

2. Erkennen von Ähnlichkeiten<br />

3. Gebrauch des Menschenverstandes<br />

4. Sinn für Wichtiges/Herausragendes<br />

5. überlegte Rationalität


♦ Erfahrung ist nicht an Zeit oder Lebensalter<br />

gebunden<br />

♦ sondern an das reflektierende Bewusstsein<br />

der Person


♦ Benner: Experten wissen immer mehr, als sie<br />

Anderen mitteilen können<br />

♦ das Wissen der Kliniker steckt in ihrer<br />

Wahrnehmung<br />

♦ nicht Grundsätzen oder Regeln


Burn out / Cool out<br />

♦ Reflektierendes<br />

Bewusstsein<br />

erfordert inneres<br />

Engagement<br />

♦ widerspricht These,<br />

dass emotionales<br />

Engagement zum<br />

„Burn out“ führt<br />

♦ erst Engagement<br />

ermöglicht<br />

Expertentum


Praktische Fragen<br />

♦ Assessment der<br />

Suizidgefahr mittels<br />

Fragebögen<br />

♦ Notfallplan<br />

♦ Notfallkoffer<br />

♦ Lebensqualität:<br />

Recovery‐Strategien


Assessment:<br />

♦ NGASR für die chronische oder Basis‐<br />

Suizidalität<br />

♦ SSF II für die akute Suizidalität<br />

♦ Suizid‐ und Selbstschädigungs‐Assessment


Sicherheitsplan und Notfallplan


Notfallkoffer<br />

Stärkung selbstverantwortlichen<br />

Handelns durch strukturiertes<br />

Vorgehen:<br />

♦ Alle Hilfsmittel zur Hand haben,<br />

incl. Notfall‐Medikation<br />

♦ auch z.B. mit Notfallplan: ich<br />

schütze mich selbst…<br />

♦ Liste positiver Lebensereignisse<br />

erstellen<br />

♦ Tagebuch der „guten Dinge“<br />

führen<br />

♦ Teilnahme an<br />

Achtsamkeitsübungen (MBCT)<br />

♦ (Non‐Suizid‐Vertrag)


„Mitten im Winter habe ich<br />

erfahren, dass es in mir einen<br />

unbesiegbaren Sommer gibt.“<br />

Albert Camus


Lebensqualität<br />

♦ durch Recovery‐Strategien<br />

♦ in ambulante Pflege integrierbar,<br />

♦ nicht auf die Berufsgruppe Pflege<br />

beschränkt<br />

♦ in Ländern mit längerer Tradition einer<br />

gemeindepsychiatrischen, aufsuchenden<br />

Versorgung deutlich besser etabliert als in<br />

Deutschland


Was ist Recovery?<br />

♦ Rückkehr zum Normalzustand<br />

♦ ein Vorgang, eine Periode, ein Prozess<br />

♦ Wiederherstellung und Gewinn<br />

♦ ein Vorgang bei dem nützliche Inhalte<br />

gewonnen werden aus an sich unnützen<br />

Quellen, wie z.B. beim Recycling<br />

(Amering/Schmolke 2007, S. 94)


Recovery kann sich<br />

♦ mit,<br />

♦ ohne oder<br />

♦ trotz fachlicher Hilfen entwickeln


Was ist Recovery?<br />

♦ ein Prozess der Auseinandersetzung des<br />

Betroffenen mit seiner Erkrankung<br />

♦ der dazu führt, dass er trotz psych. Probleme in<br />

der Lage ist, ein zufriedenes, hoffnungsvolles +<br />

aktives Leben zu führen<br />

♦ ist mehr als die Bewältigung von Symptomen,<br />

♦ nicht unbedingt Heilung<br />

♦ aber ein zufriedenes Leben<br />

Knuf zitiert Anthony + Deegan (2009)


„going the extra mile“: nichts ist zu<br />

viel, solange es überall zu wenig ist…<br />

♦ Wahlmöglichkeiten einräumen<br />

♦ nicht „behindert“ reagieren, sondern<br />

vorleben, was Betroffene (noch) nicht<br />

(wieder) können<br />

♦ unerschütterlich „auf Linie“ bleiben


Recovery ist ein individueller<br />

Prozess<br />

♦ der sich an den persönlichen<br />

Wertvorstellungen und Zielen jedes<br />

einzelnen betr. Menschen orientiert


Recovery ist sehr individuell<br />

♦ Hoffnung<br />

♦ positive Identität gewinnen<br />

♦ sich von den psychiatrischen Labeln<br />

loslösen<br />

♦ Symptome beeinflussen<br />

♦ Unterstützungssystem aufbauen<br />

♦ Sinn und Bedeutung im Leben gewinnen


Lebensqualität:<br />

♦ wie aktiv sie ihre Krankheit angehen<br />

können<br />

♦ ob sie eine sinnhafte Perspektive an der<br />

Erfahrung entdecken<br />

♦ wie sie gesellschaftlich integriert sind<br />

♦ ob sie selbst ihren Lebensunterhalt<br />

verdienen können<br />

♦ ob ihre Erfahrung mit der Erkrankung<br />

geachtet wird


Zitat:<br />

„Die Hilfe an sich etwas wert, die man bietet.<br />

Und das Annehmen der Hilfe, das kooperativ Sein,<br />

das Mitmachen, das ist auch etwas wert, ganz<br />

unabhängig vom Ergebnis.“<br />

Peter Steinmann, Bruder


Ziele von Recovery:<br />

♦ Glauben an sich selbst und Selbstvertrauen<br />

zurückgewinnen<br />

♦ vom „Patienten“ zum positiven Bild von sich<br />

selbst<br />

♦ hoffen + glauben, dass man mit der psych.<br />

Diagnose gut leben kann<br />

♦ Wachstum und Akzeptanz<br />

♦ Selbstbestimmung, eigene Ziele<br />

♦ sich dem Leben ‐ auch mit Unterstützung ‐ stellen


♦ „Hoffnung ist nicht die Überzeugung dass<br />

etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit,<br />

dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“<br />

Vaclav Havel<br />

(Havel zitiert Caryle Hirshberg (1995) aus dessen Buch: Unerwartete Genesung.<br />

München: Droemer Knaur)


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!


Quellen:<br />

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♦<br />

♦<br />

Amering M, Schmolke, M (2007) Recovery. Das Ende der Unheilbarkeit. Bonn:<br />

Psychiatrieverlag<br />

Benner P (1995) Stufen zur Pflegekompetenz. Bern: Hans Huber<br />

Benner P, Wrubel J (1997) Pflege, Stress und Bewältigung. Bern: Hans Huber<br />

Benner P, Tanner C, Chesla A (2000) Pflegeexperten. Bern: Hans Huber<br />

Deegan P (1995) Gesundung als Reise des Herzens.<br />

http://www.promentesana.ch/_files/<strong>Download</strong>s/Recovery/Pat_Deegan_Reise_des_He<br />

rzens.pdf, Zugriff am 24.04.2010<br />

Dorrmann W (2006) Suizid. Therapeutische Interventionen bei Selbsttötungsabsichten.<br />

Stuttgart: Klett‐Cotta<br />

Grabert A (2009) Salutogenese und Bewältigung psychischer Erkrankung. Lage: Jacobs<br />

Gränicher D (2007) Recovery. Wie die Seele gesundet – acht Frauen und Männer<br />

erzählen. Zürich: Pro Mente Sana (DVD)<br />

Lehmann P, Stastny P (Hrsg.) (2007) Statt Psychiatrie 2. Berlin: Antipsychiatrieverlag<br />

Knuf A (2006) Empowerment und psychiatrische Arbeit. Bonn: Psychiatrieverlag.<br />

Perkins R, Rinaldi M (2007) Das Leben wieder in den Griff bekommen. Ein Handbuch zur<br />

Planung Deiner eigenen Recovery. Bern: Universitäre Psychiatrische Dienste.<br />

Sauter D et al (2004) Lehrbuch psychiatrische Pflege. Bern: Hans Huber<br />

Stuart G (2004 Principles and Practice of Psychiatric Nursing. St. Louis: Mosby<br />

Watkins P (2007) Recovery – wieder genesen können. Ein Handbuch für Psychiatrie‐<br />

Praktiker. Bern: Hans Huber<br />

www.bapp.info<br />

www.promentesana.ch<br />

www.recovery‐projekt.ch

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