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Wenn nichts mehr hilft: Irreversible MAO-Hemmer - ratgeber-fitness.de

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MEDIZIN<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

Therapieresistente Depressionen<br />

<strong>Wenn</strong> <strong>nichts</strong> <strong>mehr</strong> <strong>hilft</strong>:<br />

<strong>Irreversible</strong> <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong><br />

Als Mittel <strong>de</strong>r Wahl gelten <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong>, wenn sich Depressionen nicht durch die klassische Therapie<br />

mit Anti<strong>de</strong>pressiva in <strong>de</strong>n Griff bekommen lassen. Hierbei gilt <strong>de</strong>r unselektive irreversible <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong><br />

Tranylcypromin als „schwierig“. Doch wenn man um die Probleme und <strong>de</strong>ren Lösungen weiß, kann mit<br />

dieser Substanz Patienten mit therapieresistenten o<strong>de</strong>r atypischen Depressionen geholfen wer<strong>de</strong>n.<br />

[ von Klaus Mörike und Christoph Gleiter ]<br />

➔<br />

Die Monoaminoxidase (<strong>MAO</strong>) ist in <strong>de</strong>r äußeren Mitochondrienmembran<br />

neuronaler und nicht-neuronaler<br />

Zellen lokalisiert. Sie <strong>de</strong>saminiert endogene Amine oxidativ.<br />

Die <strong>MAO</strong> ist für <strong>de</strong>n Metabolismus <strong>de</strong>r Monoamine verantwortlich<br />

und wirkt dabei mit <strong>de</strong>r Catechol-O-Methyltransferase<br />

(COMT) zusammen. Es existieren zwei funktionelle <strong>MAO</strong>-<br />

Isoenzyme, <strong>MAO</strong>-A und <strong>MAO</strong>-B, mit unterschiedlicher Substrat-<br />

und Inhibitorspezifität sowie Gewebeverteilung. Tyramin<br />

und Dopamin sind Substrate bei<strong>de</strong>r Isoenzyme. <strong>MAO</strong>-A <strong>de</strong>saminiert<br />

bevorzugt Serotonin, Noradrenalin und Adrenalin.<br />

<strong>MAO</strong>-B <strong>de</strong>saminiert bevorzugt Phenylethylamin.<br />

Monoaminoxidase-<strong>Hemmer</strong><br />

Durch <strong>MAO</strong>-Hemmung nimmt <strong>de</strong>r Gehalt <strong>de</strong>r Monoamine in<br />

<strong>de</strong>n Speichervesikeln und damit <strong>de</strong>ren Freisetzung in <strong>de</strong>n<br />

synaptischen Spalt zu. Für die anti<strong>de</strong>pressive Wirkung wird<br />

<strong>MAO</strong>-Isoenzyme<br />

Substrate <strong>de</strong>s Enzyms<br />

Organverteilung beim<br />

Menschen (% <strong>de</strong>r Gesamtaktivität)<br />

Gehirn<br />

Leber<br />

Darm<br />

Inhibitoren<br />

selektiv, reversibel<br />

nicht-selektiv,<br />

irreversibel<br />

<strong>MAO</strong>-A<br />

Serotonin, Noradrenalin,<br />

Adrenalin,<br />

Dopamin,Tyramin<br />

< 20<br />

45<br />

< 80<br />

Moclobemid<br />

<strong>MAO</strong>-B<br />

Dopamin, Tyramin,<br />

Histamin,<br />

2-Phenylethylamin<br />

> 80<br />

55<br />

> 20<br />

Selegilin<br />

Tranylcypromin<br />

die Hemmung <strong>de</strong>r <strong>MAO</strong>-A als entschei<strong>de</strong>nd angesehen. Der<br />

Mechanismus <strong>de</strong>r anti<strong>de</strong>pressiven Wirkung <strong>de</strong>r <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong><br />

ist mit <strong>de</strong>r Monoaminmangel-Hypothese <strong>de</strong>r Depression<br />

gut vereinbar.<br />

Bei Tuberkulosepatienten, die das Tuberkulostatikum Iproniazid<br />

erhielten, wur<strong>de</strong>n euphorische Zustän<strong>de</strong> festgestellt. Diese<br />

zufällige Beobachtung stellt die Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r <strong>MAO</strong>-<br />

Inhibition als anti<strong>de</strong>pressives Prinzip dar. Die ersten <strong>MAO</strong>-<br />

<strong>Hemmer</strong>, die in <strong>de</strong>r Behandlung <strong>de</strong>r Depression eingesetzt<br />

wur<strong>de</strong>n, waren Derivate von Hydrazin, einem starken Hepatotoxin.<br />

Phenelzin ist das Hydrazin-Analogon von Phenethylamin,<br />

einem <strong>MAO</strong>-Substrat. Isocarboxazid ist ein Hydrazid-<br />

Derivat, das wahrscheinlich in das entsprechen<strong>de</strong> Hydrazin<br />

umgewan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n muss, um eine lang anhalten<strong>de</strong> <strong>MAO</strong>-<br />

Hemmung zu bewirken. Später wur<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>re <strong>MAO</strong>-inhibieren<strong>de</strong><br />

Verbindungen gefun<strong>de</strong>n, die nicht von Hydrazin abgeleitet<br />

sind. Einige sind strukturell mit Amphetamin verwandt.<br />

Die Ringbildung in <strong>de</strong>r Seitenkette führte zu Tranylcypromin.<br />

Im Jahr 1961 wur<strong>de</strong> erstmals ein Tranylcypromin-Präparat als<br />

Anti<strong>de</strong>pressivum in <strong>de</strong>n USA zugelassen. Selegilin und an<strong>de</strong>re<br />

experimentelle <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong> sind Propargylamine, die<br />

eine Acetylen-Bindung enthalten. Die klassischen <strong>MAO</strong>-<br />

<strong>Hemmer</strong> blockieren irreversibel und nicht-selektiv bei<strong>de</strong><br />

<strong>MAO</strong>-Isoformen. Tranylcypromin gehört in diese Gruppe. In<br />

Deutschland befin<strong>de</strong>t sich als einziger an<strong>de</strong>rer <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong>,<br />

<strong>de</strong>r als Anti<strong>de</strong>pressivum verwen<strong>de</strong>t wird, Moclobemid<br />

auf <strong>de</strong>m Markt. Moclobemid ist ein reversibler selektiver<br />

<strong>MAO</strong>-A-<strong>Hemmer</strong>.<br />

Tranylcypromin<br />

Es existieren zwei Enantiomere, (+)-Tranylcypromin und (-)-<br />

Tranylcypromin. Das han<strong>de</strong>lsübliche Präparat enthält das<br />

Razemat, d.h. die 50:50-Mischung bei<strong>de</strong>r Enantiomere.<br />

(+)-Tranylcypromin ist ein stärkerer <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong> als das<br />

(-)-Enantiomer. (-)-Tranylcypromin ist dagegen ein stärkerer<br />

Inhibitor <strong>de</strong>r Catecholamin-Aufnahme. Tranylcypromin hat<br />

einen schnell einsetzen<strong>de</strong>n (innerhalb von 2–8 Tagen), stark<br />

antriebssteigern<strong>de</strong>n Effekt, während die stimmungsaufhellen-<br />

24 Der Kassenarzt Nr. 22 | Dezember 2006


Die Autoren<br />

PD Dr. . med. Klaus Mörike<br />

Abteilung Klinische Pharmakologie,<br />

Institut für Pharmakologie und<br />

Toxikologie<br />

Universitätsklinikum Tübingen<br />

Otfried-Müller-Straße 45<br />

72076 Tübingen<br />

E-Mail: klaus.moerike@med.unituebingen.<strong>de</strong><br />

Medizinstudium in Tübingen<br />

und Newcastle upon Tyne<br />

Weiterbildung und berufli-<br />

che Tätigkeiten an <strong>de</strong>n Universitäten<br />

Tübingen (Toxikologie),<br />

Hei<strong>de</strong>lberg (Innere<br />

Medizin) sowie in Klinischer<br />

Pharmakologie am Dr. Margarete<br />

Fischer-Bosch-Institut<br />

für Klinische Pharmakologie,<br />

Stuttgart, und <strong>de</strong>r Van<strong>de</strong>rbilt<br />

University, Nashville, TN (USA)<br />

Arbeitsschwerpunkte:<br />

Arzneimitteltherapieberatung,<br />

kardiovaskuläre Pharmakotherapie,<br />

Aus- und Fortbildung<br />

in Klinischer Pharmakologie<br />

und Pharmakotherapie<br />

Prof. Dr. . med.<br />

Christoph H. Gleiter<br />

Universitätsprofessor<br />

Abteilung Klinische Pharmakologie<br />

Universität Tübingen,<br />

Geschäftsführer <strong>de</strong>r KKS-TU GmbH<br />

(Koordinierungszentrum Klinische<br />

Studien an <strong>de</strong>n Unikliniken Tübingen<br />

und Ulm)<br />

Otfried-Müller-Straße 45<br />

72076 Tübingen<br />

Studium <strong>de</strong>r Medizin an <strong>de</strong>n<br />

Universitäten Stuttgart-Hohenheim<br />

und Tübingen<br />

■ 1980 Approbation und<br />

Promotion<br />

■ 1990 Facharzt für Klinische<br />

Pharmakologie<br />

■ 1992 Habilitation für Klinische<br />

Pharmakologie in <strong>de</strong>r<br />

Medizinischen Fakultät (Theoretische<br />

Medizin), Tübingen<br />

■ 1996 Ernennung zum apl.<br />

Professor an <strong>de</strong>r Medizinischen<br />

Fakultät <strong>de</strong>r Georg-<br />

August-Universität, Göttingen<br />

■ Seit 1999 Universitätsprofessor<br />

an <strong>de</strong>r Uni Tübingen<br />

E-Mail:sekretariat.kks@kkstu.<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong> Wirkung <strong>de</strong>utlich schwächer ist und sich langsamer entwickelt<br />

(ca. 3–5 Wochen). Tranylcypromin wird nach oraler<br />

Gabe rasch und vollständig resorbiert. Die pharmakokinetische<br />

Eliminationshalbwertszeit ist mit zwei Stun<strong>de</strong>n kurz.<br />

1–5 Prozent <strong>de</strong>r Dosis wer<strong>de</strong>n innerhalb 24 Stun<strong>de</strong>n als<br />

unverän<strong>de</strong>rtes Tranylcypromin im Urin ausgeschie<strong>de</strong>n. Zum<br />

Metabolismus liegen nur wenige Informationen vor. 12 Prozent<br />

wer<strong>de</strong>n als Hippursäure ausgeschie<strong>de</strong>n. Kontrovers und<br />

letztendlich nicht geklärt ist die Frage, ob Amphetamin ein<br />

Metabolit von Tranylcypromin ist. N-Acetyl- und ringhydroxylierte<br />

Metaboliten von Tranylcypromin wur<strong>de</strong>n im Rattenhirn<br />

nach intraperitonealer Gabe berichtet. Untersuchungen<br />

zu eventuellen Unterschie<strong>de</strong>n im Metabolismus <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

Enantiomere existieren nicht. Die Plasmakonzentration <strong>de</strong>s<br />

(-)-Enantiomes übersteigt stets diejenige <strong>de</strong>s (+)-Enantiomers.<br />

Wegen <strong>de</strong>r Irreversibilität <strong>de</strong>r <strong>MAO</strong>-Inhibition durch<br />

Tranylcypromin ist die Dauer <strong>de</strong>r biologischen Wirkung<br />

erheblich länger, als aufgrund <strong>de</strong>s Verlaufs <strong>de</strong>r Plasmakonzentrationen<br />

zu erwarten wäre. Die pharmakodynamische<br />

Halbwertszeit weist eine schnelle Komponente (1–2 Tage)<br />

und eine langsame Komponente (14–21 Tage) auf. Nach einer<br />

Woche besteht noch eine 50-Prozent-<strong>MAO</strong>-Hemmung. Erst<br />

nach zwei Wochen sind etwa 80 bis 90 Prozent <strong>de</strong>r ursprünglichen<br />

<strong>MAO</strong>-Aktivität wie<strong>de</strong>r aufgebaut. Die Diät ist also<br />

nach Absetzen von Tranylcypromin noch etwa zwei Wochen<br />

lang aufrechtzuerhalten. Wird auf ein an<strong>de</strong>res Anti<strong>de</strong>pressivum<br />

umgesetzt, gelten beson<strong>de</strong>re Vorsichtsmaßnahmen.<br />

Therapeutischer Einsatz<br />

Tranylcypromin soll fachärztlich eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Diese<br />

Einschränkung ist sowohl durch die Komplexität <strong>de</strong>r zu<br />

behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Krankheitsbil<strong>de</strong>r als auch durch die Beson<strong>de</strong>rheiten<br />

<strong>de</strong>s Arzneimittels begrün<strong>de</strong>t. Das Indikationsspektrum<br />

von Tranylcypromin ist breit. Es wird bei <strong>de</strong>pressiven Syndromen<br />

verschie<strong>de</strong>ner nosologischer Genese eingesetzt. Atypische<br />

bzw. therapieresistente Depressionen stellen die Haupteinsatzgebiete<br />

für Tranylcypromin dar. Diese bei<strong>de</strong>n Zustän<strong>de</strong><br />

sollen näher erläutert wer<strong>de</strong>n:<br />

■<br />

■<br />

Die meisten Definitionen <strong>de</strong>r „atypischen“ Depression<br />

schließen <strong>de</strong>pressive Verstimmungen mit Angst, chronischen<br />

Schmerzen, umgekehrten („reversed“) vegetativen Symptomen<br />

wie Hyperphagie, ver<strong>mehr</strong>tem Schlafbedürfnis und<br />

Abendtief sowie Empfindlichkeit auf Ablehnung („rejection<br />

sensitivity“) ein. Die Hypersomnie sowie fehlen<strong>de</strong> Agitiertheit<br />

passen zum Wirkprofil von Tranylcypromin.<br />

Als therapieresistente Depression wird bezeichnet, wenn<br />

ein <strong>de</strong>pressiver Zustand trotz adäquater (d.h. ausreichend<br />

hoher und langer) Therapie mit min<strong>de</strong>stens zwei Anti<strong>de</strong>pressiva<br />

und/o<strong>de</strong>r Elektrokrampftherapie weiter besteht.<br />

Es gibt Argumente dafür, die Gabe von Tranylcypromin vor<br />

einer Elektrokrampftherapie zu testen, Berücksichtigung<br />

<strong>de</strong>s Aufwan<strong>de</strong>s sowie <strong>de</strong>r Tatsache, dass ein Wechsel von<br />

trizyklischen Anti<strong>de</strong>pressiva o<strong>de</strong>r selektiven Serontonin-<br />

Wie<strong>de</strong>raufnahmehemmern auf <strong>de</strong>n <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong> Tranylcypromineine<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s biochemischen Wirkmechanismus<br />

impliziert.<br />

Anekdotische Berichte und Fallserien (n < 20) zum erfolgreichen<br />

Einsatz von Tranylcypromin bei „recurrent brief <strong>de</strong>pression“,<br />

saisonal abhängiger Depression und wahnhafter Depression<br />

liegen vor. Zu <strong>de</strong>r Verwendung von Tranylcypromin<br />

bei an<strong>de</strong>ren psychiatrischen Störungen:<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Bor<strong>de</strong>rline-Störung: In einer doppelblin<strong>de</strong>n Vergleichsstudie<br />

an 16 Bor<strong>de</strong>rline-Patientinnen war Tranylcypromin gegenüber<br />

Placebo überlegen.<br />

Soziale Phobie: In einer offenen Studie wur<strong>de</strong> therapeutisches<br />

Ansprechen für 29 von 32 Patienten gefun<strong>de</strong>n, davon 19<br />

Patienten mit einem ausgeprägten Therapieeffekt.<br />

Schwere Zwangserkrankungen: Anekdotische Berichte<br />

existieren über Therapieerfolge mit Tranylcypromin.<br />

Nr. 22 | Dezember 2006 Der Kassenarzt 25


MEDIZIN<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

■<br />

Narkolepsie: Anekdotische Berichte existieren über Therapieerfolge<br />

mit Tranylcypromin.<br />

Der Wirkungseintritt ist unterschiedlich rasch. Dosisabhängig<br />

tritt die Wirkung innerhalb weniger Tage beziehungsweise<br />

erst nach 10–14 Tagen ein.<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Pharmakologie<br />

Pharmakologische Eigenschaften<br />

von Tranylcypromin<br />

irreversibler und nicht-selektiver Monoaminoxidase(<strong>MAO</strong>)-<br />

<strong>Hemmer</strong><br />

Erhöhung <strong>de</strong>r synaptischen Konzentration von Serotonin,<br />

Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin<br />

lange pharmakodynamische Halbwertszeit wegen eines irreversiblen<br />

Mechanismus (noch 50 Prozent <strong>MAO</strong>-Hemmung<br />

nach einer Woche)<br />

Down-Regulation von b 1 - und a 2 -Adrenozeptoren (wegen<br />

Erhöhung <strong>de</strong>r Catecholamine), erhöhte Expression <strong>de</strong>s<br />

Wachstumsfaktors GAP-43, Verringerung stressinduzierter<br />

Hypersekretion von CRF (Corticotropin-Releasing Factor)<br />

positiv in Tiermo<strong>de</strong>llen <strong>de</strong>r Depression (Aufhebung einer<br />

Reserpin-Hypoaktivität, „behavioural <strong>de</strong>spair“, erlernte Hilflosigkeit)<br />

und Angst<br />

akute Toxizität quantitativ vergleichbar trizyklischen Anti<strong>de</strong>pressiva<br />

(TZA) bei qualitativen Unterschie<strong>de</strong>n (z.B. geringere<br />

Kardiotoxizität)<br />

Unerwünschte Wirkungen<br />

Eine orthostatische Hypotonie ist die häufigste Nebenwirkung.<br />

Sie ist beson<strong>de</strong>rs bei älteren Patienten zu beachten.<br />

Eine bedrohliche hypotone Entgleisung ist mit einer Noradrenalin-Dauerinfusion<br />

zu behan<strong>de</strong>ln; an<strong>de</strong>re Sympathomimetika<br />

sind kontraindiziert. Häufig sind ferner Schwin<strong>de</strong>l,<br />

Kopfschmerzen, Palpitationen und Übelkeit. Zu Beginn <strong>de</strong>r<br />

Therapie kommen häufig innere Unruhe und Agitiertheit,<br />

Schlafstörungen, Tremor und Hyperhidrosis vor. Es besteht<br />

die Möglichkeit abwechseln<strong>de</strong>r Unruhezustän<strong>de</strong> und plötzlicher<br />

Apathien. In Einzelfällen kommt es zu Gewichtsän<strong>de</strong>rungen,<br />

Obstipation bzw. Diarrhö, Blutbildverän<strong>de</strong>rungen<br />

(Anämie, Leuko- bzw. Thrombozytopenie), Ö<strong>de</strong>men, Syndrom<br />

<strong>de</strong>r inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH). In Ausnahmefällen<br />

sind Verwirrtheit, Halluzinationen und Krampfanfälle<br />

(bei epileptischen Patienten erhöhte Anfallsbereitschaft)<br />

berichtet wor<strong>de</strong>n.<br />

Das Risiko hypertoner Blutdruckkrisen besteht überwiegend<br />

nach Einnahme stark aminhaltiger Nahrungsmittel (beson<strong>de</strong>rs<br />

Tyramin). Hypertensive Krise infolge von Diätfehlern<br />

wer<strong>de</strong>n mit Nifedipin (sublingual) o<strong>de</strong>r Phentolamin (5 mg<br />

i.v. zu Beginn sowie nachfolgend 50 mg in isotoner Kochsalzlösung<br />

in angepasster Geschwindigkeit) behan<strong>de</strong>lt. Eine<br />

überschießen<strong>de</strong> Blutdrucksenkung ist zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

Kontraindikationen<br />

Keine ausreichen<strong>de</strong>n Erfahrungen liegen für die Verwendung<br />

von Tranylcyromin bei Kin<strong>de</strong>rn, Jugendlichen unter 16 Jahren,<br />

Schwangeren und Stillen<strong>de</strong>n vor. Nur unter beson<strong>de</strong>rer<br />

Vorsicht sollte Tranylcypromin bei Hyper- o<strong>de</strong>r Hypotonie<br />

eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Tranylcypromin ist kontraindiziert bei<br />

Phäochromozytom, maligner Hyperthermie (auch in <strong>de</strong>r Vorgeschichte),<br />

akuten Delirien, akuter Vergiftung mit zentraldämpfen<strong>de</strong>n<br />

Substanzen, vaskulären Erkrankungen <strong>de</strong>s Gehirns<br />

(z.B. Zerebralsklerose) bzw. <strong>de</strong>s Herzens, bei schweren<br />

Nieren- o<strong>de</strong>r Leberschä<strong>de</strong>n, Diabetes insipidus und Porphyrie.<br />

Wegen <strong>de</strong>s erhöhten Risikos eines zentralen Serotoninsyndroms<br />

dürfen Arzneimittel, die auf das serotonerge System<br />

wirken, nicht mit Tranylcypromin kombiniert wer<strong>de</strong>n.<br />

Wechselwirkungen<br />

Das Potenzial für die pharmakokinetische Beeinflussung an<strong>de</strong>rer<br />

Arzneimittel durch Tranylcypromin scheint aufgrund<br />

präklinischer Untersuchungen gering zu sein. Tranylcypromin<br />

inhibiert zwar das arzneistoffmetabolisieren<strong>de</strong> Cytochrom<br />

P450 2C19, allerdings nur bei sehr hohen, therapeutisch<br />

irrelevanten Dosen. Ähnlich wer<strong>de</strong>n die früheren Ergebnisse<br />

zur Hemmung <strong>de</strong>r Pethidin-Demethylierung und -hydrolyse<br />

diskutiert. CYP2D6, CYP2E1 und CYP3A4 wer<strong>de</strong>n<br />

ebenfalls nicht beeinflusst. Bei therapeutischen Dosen käme<br />

nur die Inhibition von CYP2A6 in Betracht. Dieses Enzym<br />

spielt aber zumin<strong>de</strong>st für die Metabolisierung an<strong>de</strong>rer Psychopharmaka<br />

keine Rolle. In einer neueren klinischen Untersuchung<br />

wur<strong>de</strong> dies bestätigt: Plasmaspiegel von Amitriptylin<br />

waren mit und ohne Komedikation von Tranylcypromin unverän<strong>de</strong>rt.<br />

Und schon früher wur<strong>de</strong> gezeigt, dass Tranylcypromin<br />

die Plasmaspiegel von Carbamazepin nicht beeinflusst.<br />

Eine Beson<strong>de</strong>rheit sind Triptane (z.B. Sumatriptan), die vorwiegend<br />

über <strong>MAO</strong>-A metabolisiert wer<strong>de</strong>n. In Kombination<br />

mit <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong>n wur<strong>de</strong>n folglich erhöhte Plasmakonzentrationen<br />

gefun<strong>de</strong>n. Für die an<strong>de</strong>re Richtung einer möglichen<br />

pharmakokinetischen Beeinflussung ließ sich ableiten, dass<br />

Plasmaspiegel von Tranylcypromin nicht durch Inhibition<br />

von CYP2D6 verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Wegen <strong>de</strong>r Gefahr eines<br />

zentralen Serotoninsyndroms darf Tranylcypromin nicht mit<br />

Arzneimitteln kombiniert wer<strong>de</strong>n, die auf das serotonerge<br />

System wirken. Dazu gehören z.B. selektive Serontonin-<br />

Wie<strong>de</strong>raufnahmehemmer (SSRI), Clomipramin, Venlafaxin,<br />

Duloxetin, Bupropion, Serotonin-5-HT 1 -Agonisten (Triptane)<br />

zur Migränebehandlung o<strong>de</strong>r Buspiron, Serotoninvorstufen<br />

(z.B. L-Tryptophan) und bestimmte Opioid-Analgetika.<br />

Beim Genuss tyraminhaltiger Nahrungsbestandteile drohen<br />

Blutdruckkrisen. Tyramin ist ein indirekt wirken<strong>de</strong>s Sympathomimetikum.<br />

Bei Hemmung <strong>de</strong>r <strong>MAO</strong> wird auch <strong>de</strong>r<br />

Abbau von Tyramin, das ebenfalls ein Monoamin ist, gehemmt.<br />

Daher sind ein Tag vor, während und bis 14 Tage<br />

nach einer Behandlung mit Tranylcypromin beson<strong>de</strong>re Diätvorschriften<br />

einzuhalten.<br />

Für zahnärztliche Eingriffe sind in Lokalanästhetika zumeist<br />

die direkten Sympathomimetika Adrenalin und Noradrenalin<br />

26 Der Kassenarzt Nr. 22 | Dezember 2006


MEDIZIN<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

enthalten. Da Adrenalin und Noradrenalin nicht nur durch<br />

<strong>MAO</strong> abgebaut wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn peripher auch durch Catechol-O-Methyltransferase<br />

(COMT), bleibt unter Tranylcypromin<br />

ausreichend Kapazität zum Abbau von Adrenalin und<br />

Noradrenalin erhalten. Es wur<strong>de</strong> diskutiert, dass kardiovaskuläre<br />

Nebenwirkungen (Tachykardie und Extrasystolie) in diesem<br />

Fall wenig zu erwarten sind und die Autoren bestätigten<br />

dies in Tests an gesun<strong>de</strong>n Proban<strong>de</strong>n und Patienten. Aus <strong>de</strong>n<br />

Ergebnissen einer Studie zur i.v. Gabe von Phenylephrin,<br />

Noradrenalin, Adrenalin und Isoprenalin nach <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong>n<br />

(Phenelzin, Tranylcypromin) und Imipramin an gesun<strong>de</strong>n<br />

Proban<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> schon früher gefolgert, dass kein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>s<br />

klinisches Extrarisiko durch Adrenalin und Noradrenalin<br />

in Lokalanästhetika bei gleichzeitigen <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong>n besteht,<br />

sofern <strong>de</strong>r Patient kardiovaskulär gesund ist. Bei empfindlichen<br />

Patienten ist eine niedrigere Dosis von Adrenalin<br />

und Noradrenalin im Lokalanästhetikum zu wählen. Alternativ<br />

kann auf ein Lokalanästhetikum mit <strong>de</strong>m vasokonstriktiven<br />

Zusatz Octapressin ausgewichen wer<strong>de</strong>n (Xylonest ® drei<br />

Prozent mit Octapressin). Die Lokalanästhetika selbst stellen<br />

kein Problem dar, z.B. kann Lidocain gefahrlos gegeben<br />

wer<strong>de</strong>n. Cocain ist wegen Serotonin-Wie<strong>de</strong>raufnahmehemmung<br />

als sekundäre pharmakologische Wirkung das einzige<br />

zu vermei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Lokalanästhetikum. Patienten müssen <strong>de</strong>n<br />

Zahnarzt auf die Einnahme <strong>de</strong>s <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong>s hinweisen<br />

und sollten immer zum gleichen Zahnarzt gehen, <strong>de</strong>r dann<br />

Wechselwirkungen<br />

mit Tranylcypromin<br />

Arzneimittel<br />

SSRI, Clomipramin, Venlafaxin,<br />

Duloxetin<br />

Serotoninagonisten (Triptane,<br />

Buspiron)<br />

Serotoninvorstufen<br />

(L-Tryptophan)<br />

an<strong>de</strong>re überwiegend serotonerge<br />

TZA, insbeson<strong>de</strong>re Imipramin<br />

Insulin, orale Antidiabetika<br />

Bupropion<br />

Levodopa ohne Decarboxylala-<br />

sehemmer<br />

β-Blocker<br />

Disulfiram<br />

indirekte Sympathomimetika<br />

Pethidin, Tilidin<br />

ilidin, Tramadol<br />

Barbiturate (Anästhesie)<br />

Ether<br />

Dextromethorphan<br />

Guanethidin, Methyldopa<br />

Symptome<br />

Serotoninsyndrom<br />

(die fett hervorgehobenen Arzneimittel sind streng kontraindiziert)<br />

Serotoninsyndrom, Hypertension<br />

Serotoninsyndrom<br />

Serotoninsyndrom<br />

Wirkungsverstärkung<br />

verstärkte UAW (Agitiertheit)<br />

peripheres Dopamin +<br />

Bradykardie<br />

toxisch<br />

Hypertonie<br />

Serotoninsyndrom<br />

toxisch<br />

Psychosen, bizarres Verhalten<br />

Störung <strong>de</strong>r Blutdruckregulation<br />

schon mit dieser beson<strong>de</strong>ren Situation beim speziellen Patienten<br />

Erfahrung hat.<br />

Für Tranylcypromin sind eine Reihe von mechanistisch bedingten<br />

Wechselwirkungen bekannt, die entsprechend Berücksichtigung<br />

fin<strong>de</strong>n müssen.<br />

Diätvorschriften<br />

In Darmschleimhaut und Leber enthaltene <strong>MAO</strong> baut mit <strong>de</strong>r<br />

Nahrung aufgenommene Monoamine ab und schützt <strong>de</strong>n<br />

Organismus vor ihnen. Tranylcypromin hemmt nicht nur die<br />

zentrale <strong>MAO</strong>, was im Sinne eines Psychopharmakons gewünscht<br />

ist, son<strong>de</strong>rn auch die in <strong>de</strong>r Darmschleimhaut und<br />

<strong>de</strong>r Leber enthaltene <strong>MAO</strong>. Monoamine wie Tyramin und<br />

Histamin gelangen also ungefiltert in <strong>de</strong>n Kreislauf und<br />

können zu Unverträglichkeiten wie starken Kopfschmerzen,<br />

Übelkeit und Bluthochdruckkrisen führen. In <strong>de</strong>n Anfangszeiten<br />

<strong>de</strong>r Therapie mit Tranylcypromin, als dieses Problem<br />

noch nicht erkannt war, traten darüber hinaus seltene Fälle<br />

von Hirnblutungen bis hin zu einem fatalen Ausgang auf.<br />

Hinsichtlich <strong>de</strong>r Entstehung lassen sich folgen<strong>de</strong> Gruppen<br />

von Nahrungsmitteln mit erhöhtem Gehalt von Monoaminen<br />

unterschei<strong>de</strong>n:<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

durch Ver<strong>de</strong>rbnis insbeson<strong>de</strong>re proteinhaltige Nahrungsmittel<br />

(z.B. verdorbener Fisch und Fleisch, zu alter und<br />

verdorbener Wein),<br />

durch Fermentierung gewonnene, verfeinerte o<strong>de</strong>r haltbar<br />

gemachte Nahrungsmittel (stark gereifte Käsesorten, ausgereifte<br />

Salami, bestimmte Hefeprodukte, Fassbier, Rotwein,<br />

Tofu) – ein gewisser Grad an Fermentierung wird in<br />

Kauf genommen (Matjeshering, Trockenfisch, kalt geräucherter<br />

Fisch wie Räucherlachs),<br />

in einigen tierischen Produkten physiologisch enthalten<br />

(Rin<strong>de</strong>r-, Geflügel- und Dorschleber, Nieren),<br />

in einigen Pflanzen physiologisch enthalten (Bananenschale<br />

und sehr reife Bananen, Kakao je nach Anbaubedingungen,<br />

Walnüsse, hochreife Birnen, hochreife Avocados).<br />

Zu mei<strong>de</strong>n sind: Käse, Fischhalbkonserven, Hefeextrakte und<br />

-hydrolysate, Pilze, Soja und -produkte, Saubohnen, Biere,<br />

schwere Rot- und Süßweine. Es wird möglichst Alkoholkarenz<br />

empfohlen.<br />

Alle Nahrungsmittel sind so frisch wie möglich zu verwen<strong>de</strong>n<br />

und Speisen am Tag <strong>de</strong>r Zubereitung zu verzehren. Geöffnete<br />

Halb- o<strong>de</strong>r Vollkonserven sowie aufgetaute Feinfrosterzeugnisse<br />

sind unverzüglich zu verbrauchen. Angebrochene Konserven<br />

sind bei 4 o C im Kühlschrank maximal 48 Stun<strong>de</strong>n bis zum<br />

Verzehr aufzubewahren. Für Erwachsene ohne <strong>MAO</strong>-Hemmung<br />

sind z.B. etwa 50 bis 500 mg Tyramin pro Mahlzeit<br />

zumeist noch verträglich. Trotz<strong>de</strong>m kommen nahrungsmittelbedingte<br />

Vergiftungen immer wie<strong>de</strong>r vor, im Einzelfall bei<br />

beson<strong>de</strong>rs empfindlichen Menschen, aber auch en<strong>de</strong>misch z.B.<br />

durch unerwartete Belastungen bei Meeresfrüchten in Gebieten<br />

mit entsprechend hohem Verbrauch. Nach 14-tägiger Behandlung<br />

von gesun<strong>de</strong>n Proban<strong>de</strong>n mit Tranylcypromin reichen<br />

bereits 20 bis 50 mg Tyramin aus, um <strong>de</strong>n Blutdruck für etwa<br />

zwei Stun<strong>de</strong>n um 30 mm Hg zu erhöhen. Das entspricht einer<br />

Tyramindosis, die in Ausnahmefällen mit einer normalen<br />

Mahlzeit eingenommen wer<strong>de</strong>n kann. Aufgrund <strong>de</strong>r großen<br />

interindividuellen Differenzen wird allgemein ein niedrigerer<br />

Bild- und Quellennachweis: aus Gleiter & Volz 1995, Birmes et al. 2003 nach Radomski et al.<br />

28 Der Kassenarzt Nr. 22 | Dezember 2006


Wert von 6 mg Tyramin pro Mahlzeit als sichere Grenze<br />

während Tranylcypromin-Behandlung angenommen.<br />

Eine <strong>de</strong>taillierte Liste enthält die Fach- bzw. Gebrauchsinformation.<br />

Im Gesamtüberblick sind für <strong>de</strong>n normalen Speiseplan<br />

unter <strong>de</strong>r Voraussetzung, dass nur frische und einwandfrei<br />

hergestellte Nahrungsmittel betrachtet wer<strong>de</strong>n, nur wenige<br />

Einschränkungen erfor<strong>de</strong>rlich. Der Arzt muss <strong>de</strong>n Patienten<br />

mündlich und am besten auch in schriftlicher Form<br />

(Merkzettel) über die Diät aufklären. Die Packungsbeilagen<br />

und Fachinformationen enthalten darüber hinaus <strong>de</strong>taillierte<br />

Hinweise mit Listen über „verbotene“ und „nur in geringen<br />

Mengen erlaubte“ Lebensmittel. Es ist zu be<strong>de</strong>nken, dass<br />

nicht je<strong>de</strong>r Patient kognitiv zur Einhaltung <strong>de</strong>r Tranylcypromin-Diät<br />

in <strong>de</strong>r Lage ist.<br />

Die Empfindlichkeit für Tyramin ist bei verschie<strong>de</strong>nen Menschen<br />

sehr unterschiedlich. Zu Beginn einer Behandlung mit<br />

Tranylcypromin sollte man <strong>de</strong>shalb aus Vorsicht davon ausgehen,<br />

dass <strong>de</strong>r Patient zu <strong>de</strong>n sehr empfindlichen Menschen<br />

gehört. Die umfangreichen Listen <strong>de</strong>r verbotenen Lebensund<br />

Genussmittel <strong>de</strong>r Packungsbeilagen sind maßgebend.<br />

Nach und nach sollten Lebensmittel <strong>de</strong>r Rubriken „in geringen<br />

Mengen erlaubt“ in zunehmen<strong>de</strong>n Mengen, aber nicht<br />

über die Mengen einer normalen Mahlzeit hinaus, probiert<br />

wer<strong>de</strong>n. Bei Auftreten von Unverträglichkeitsreaktionen<br />

(Übelkeit, Kopfschmerzen, Palpitationen) sollten in Zukunft<br />

wie<strong>de</strong>r geringere Mengen eingenommen und die Liste streng<br />

befolgt wer<strong>de</strong>n. <strong>Wenn</strong> die Lebensmittel <strong>de</strong>r Rubrik „in geringen<br />

Mengen erlaubt“ verträglich sind, kann eine vereinfachte<br />

Diät befolgt wer<strong>de</strong>n. Weißwein und in Flaschen o<strong>de</strong>r Dosen<br />

abgefülltes Bier wer<strong>de</strong>n in mo<strong>de</strong>raten Mengen als möglich<br />

angegeben. Restriktionen für Produkte wie Avocado, frisches<br />

Bananenfruchtfleisch, mo<strong>de</strong>rate Mengen von Schokola<strong>de</strong>,<br />

Frischkäsesorten, frische Sojamilch u.a. wer<strong>de</strong>n als überzogen<br />

betrachtet.<br />

Die Notwendigkeit, die Diätvorschriften einzuhalten, ist unabhängig<br />

von <strong>de</strong>r Tranylcypromin-Dosis. Sie besteht bei<br />

niedriger und hoher Dosis gleichermaßen. Mit <strong>de</strong>r Diät sollte<br />

schon einen Tag vor Beginn <strong>de</strong>r Behandlung mit Tranylcypromin<br />

begonnen wer<strong>de</strong>n. Das ist mit einer gewissen Verweilzeit<br />

<strong>de</strong>r biogenen Amine im Körper zu begrün<strong>de</strong>n, auch wenn<br />

diese in <strong>de</strong>n meisten Fällen wohl nicht 24 Stun<strong>de</strong>n beträgt.<br />

Für die Frage <strong>de</strong>r Beibehaltung <strong>de</strong>r Diät nach Absetzen von<br />

Tranylcypromin ist die pharmakodynamische Halbwertszeit<br />

von Tranylcypromin relevant. Die Diät ist also nach Absetzen<br />

von Tranylcypromin noch etwa zwei Wochen lang aufrechtzuerhalten.<br />

Dosierung<br />

Die Tagesgesamtdosis beträgt 10 bis 30 mg/d. In vielen<br />

Fällen reicht eine Erhaltungsdosis von 10 mg/d morgens aus.<br />

Das allgemeine Aufdosierungsschema ist 10 mg/d in <strong>de</strong>r<br />

ersten Woche und danach eine wöchentliche Erhöhung um 10<br />

mg/d. Bei großem Lei<strong>de</strong>nsdruck kann in Abhängigkeit von<br />

<strong>de</strong>r individuellen Reaktionslage eine schnellere Aufdosierung<br />

erwogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Zieldosis <strong>de</strong>r Akuttherapie ist 20 bis 60 mg/d unter Berücksichtigung<br />

<strong>de</strong>s individuellen Ansprechens. Die Erhaltungsdosis<br />

ist gleich <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Akutbehandlung gefun<strong>de</strong>nen optimalen<br />

Dosis. Früher wur<strong>de</strong>n dafür etwa 10 bis 30 mg/d angegeben.<br />

Die klinische Erfahrung zeigt, dass manche Patienten in<br />

<strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong> und Tyramin<br />

Interaktion von <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong>n mit Tyramin aus <strong>de</strong>r Nahrung<br />

(Blutdruckkrise, „cheese effect“)<br />

<strong>de</strong>r Akutbehandlung erst bei Dosen bis 60 mg/d ein zufrie<strong>de</strong>n<br />

stellen<strong>de</strong>s Therapieansprechen zeigen. In einzelnen Ausnahmefällen<br />

ist, wie in Fallserien berichtet wird, Tranylcypromin<br />

in höheren als <strong>de</strong>n sonst therapeutisch verwen<strong>de</strong>ten Dosierungen,<br />

d.h. bei 80 bis 200 mg/d, verwen<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n. Diese<br />

ungewöhnlich hohen Dosierungen bedürfen stets einer geson<strong>de</strong>rten<br />

Entscheidung und Rechtfertigung durch <strong>de</strong>n behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />

Arzt. Vielfach wird die Einstellung auf Tranylcypromin<br />

stationär vorgenommen.<br />

Umstellung auf Tranylcypromin<br />

Das Risiko besteht in einer serotonergen Überstimulation<br />

und akuter Ausbildung eines zentralen Serotoninsyndroms.<br />

Größere Vorsicht ist also bei serotonerger Vormedikation<br />

angezeigt.<br />

Da noradrenerge Anti<strong>de</strong>pressiva auch in Kombination mit<br />

Tranylcypromin gegeben wer<strong>de</strong>n können, entsteht bei <strong>de</strong>r<br />

Umstellung kein Extrarisiko. Bei vorheriger Einnahme von<br />

selektiven Serotonin-Wie<strong>de</strong>raufnahmehemmern (SSRI) ist<br />

ein Sicherheitsabstand von etwa fünf Halbwertszeiten einzuhalten.<br />

Das entspricht für die meisten Substanzen etwa<br />

fünf Tage bis eine Woche. Ausnahme ist Fluoxetin wegen<br />

<strong>de</strong>r langen Eliminationshalbwertszeit <strong>de</strong>s aktiven Metaboliten<br />

Norfluoxetin von 72 Stun<strong>de</strong>n. Der Sicherheitsabstand<br />

beträgt für Fluoxetin also 14 Tage. Bei Clomipramin, Imipramin,<br />

Venlafaxin bzw. Duloxetin ist ein Abstand von fünf<br />

Tagen bis zu einer Woche einzuhalten.<br />

Nr. 22 | Dezember 2006 Der Kassenarzt 29


MEDIZIN<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

Diagnose bei Serotoninsyndrom<br />

1. Hinzufügen eines serotonergen Mittels zu einer bereits etablierten Therapie (o<strong>de</strong>r Dosiserhöhung) und Manifestation von min<strong>de</strong>stens<br />

4 Haupt-(Major-) o<strong>de</strong>r 3 Haupt- und 2 Neben-(Minor-)Symptomen:<br />

mentale (kognitive o<strong>de</strong>r Verhaltens-)<br />

Symptome<br />

autonome Symptome<br />

neurologische Symptome<br />

Haupt-(Major-)Symptome<br />

-)Symptome<br />

Verwirrtheit, Stimmungshebung,<br />

Koma o<strong>de</strong>r Semikoma<br />

Fieber, Hyperhidrosis/Schwitzen<br />

Myoklonus, Tremor, Schüttelfrost, Rigidität,<br />

Hyperreflexie<br />

Neben-(Minor-)Symptome<br />

-)Symptome<br />

Agitiertheit und Nervosität, Schlafstörungen<br />

Tachykardie, Tachypnoe und Dyspnoe,<br />

niedriger o<strong>de</strong>r hoher Blutdruck<br />

Koordinationsstörungen, Mydriasis,<br />

Akathisie<br />

2. Diese Symptome dürfen nicht einer psychiatrischen Störung (o<strong>de</strong>r ihrer Verschlechterung) zuzuschreiben sein,<br />

die bereits vor Verwendung <strong>de</strong>s serotonergen Mittels bestand.<br />

3. Infektiöse, metabolische, endokrine o<strong>de</strong>r toxische Ursachen müssen ausgeschlossen sein.<br />

4. Eine Neuroleptika-Therapie darf nicht eingeleitet o<strong>de</strong>r in ihrer Dosis erhöht wor<strong>de</strong>n sein, bevor die Symptome auftraten.<br />

Bei trizyklischen Anti<strong>de</strong>pressiva – außer Clomipramin und<br />

Imipramin – sowie bei Mirtazapin, Mianserin, Trazodon<br />

bzw. Reboxetin kann ohne Therapiepause mit einer vorsichtigen<br />

Aufdosierung von Tranylcypromin begonnen wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei Moclobemid ist ein Abstand von fünf Tagen einzuhalten.<br />

Als Erklärung für die vorgefun<strong>de</strong>ne Interaktion beim<br />

Übergang <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong> auf Tranylcypromin wer<strong>de</strong>n plötzlich<br />

einsetzen<strong>de</strong>, schwach amphetaminartige Effekte bei<br />

bestehen<strong>de</strong>r Monoaminanreicherung in präsynaptischen<br />

Speichervesikeln diskutiert.<br />

Umstellung auf an<strong>de</strong>re Anti<strong>de</strong>pressiva<br />

Auch hier besteht das Risiko in einer serotonergen Überstimulation<br />

und akuter Ausbildung eines zentralen Serotoninsyndroms.<br />

Größere Vorsicht ist also beim Übergang auf<br />

serotonerge Anti<strong>de</strong>pressiva angezeigt. Da noradrenerge Anti<strong>de</strong>pressiva<br />

auch in Kombination mit Tranylcypromin gegeben<br />

wer<strong>de</strong>n können, entsteht bei <strong>de</strong>r Umstellung auch hier<br />

kein Extrarisiko. Beim Übergang auf einen selektiven Serotonin-Wie<strong>de</strong>raufnahmehemmer<br />

(SSRI) muss aufgrund <strong>de</strong>r<br />

langen pharmakodynamischen Halbwertszeit von Tranylcypromin<br />

14 Tage abgewartet wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Übergangszeit<br />

kann man zur Überbrückung ein noradrenerges Anti<strong>de</strong>pressivum<br />

(z.B. Nortriptylin) geben. Eventuell ist dies im Sinne<br />

eines eigenständigen Therapieversuchs auch länger auszu<strong>de</strong>hnen.<br />

Bei Clomipramin muss ein Abstand von 14 Tagen eingehalten<br />

wer<strong>de</strong>n. Bei Imipramin sollte ein Abstand von einer<br />

Woche ausreichend sein, wenn vorsichtig eindosiert wird.<br />

Bei Venlafaxin bzw. Duloxetin ist ein Abstand von 14 Tagen<br />

einzuhalten. Beim Übergang auf ein trizyklisches Anti<strong>de</strong>pressivum<br />

– außer Clomipramin und Imipramin – sowie bei<br />

Mirtazapin, Mianserin, Trazodon bzw. Reboxetin kann nach<br />

<strong>de</strong>r letzten Dosis von Tranylcypromin vorsichtig eindosiert<br />

wer<strong>de</strong>n. Bei Moclobemid ist ein Beginn erst nach einer<br />

Woche nach Absetzen von Tranylcypromin möglich.<br />

Komedikation<br />

Mit Tranylcypromin sind Anti<strong>de</strong>pressiva kombinierbar, die<br />

keine o<strong>de</strong>r nur eine geringe serotonerge Wirkkomponente<br />

besitzen bzw. partiell Serotonin-antagonistische Eigenschaften<br />

aufweisen, wie<br />

■<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Amitriptylin, Doxepin, Trimipramin, Nortriptylin (die zu<br />

<strong>de</strong>n trizyklischen Anti<strong>de</strong>pressiva [TZA] gehören),<br />

Reboxetin,<br />

Trazodon,<br />

Mianserin, Mirtazapin.<br />

Bei <strong>de</strong>n genannten TZA sowie Mianserin und Mirtazapin ist<br />

auf die richtige Reihenfolge zu achten: Tranylcypromin darf<br />

nur zu einer vorher schon begonnenen TZA-Behandlung<br />

gegeben wer<strong>de</strong>n (nicht umgekehrt) bzw. gleichzeitiges langsames<br />

Aufdosieren ist möglich. Es wird empfohlen, die<br />

Plasmaspiegel <strong>de</strong>r TZA zu kontrollieren. Bei Amitriptylin<br />

ist auch das Verhältnis von Muttersubstanz zu Metabolit zu<br />

bewerten, d.h. aufgrund theoretischer Erwägungen erscheinen<br />

Quotienten Amitriptylin/Nortriptylin über zwei als ungünstiger.<br />

<strong>Wenn</strong> eine Kombinationsbehandlung von Tranylcypromin<br />

mit einem TZA angestrebt wird, aber schon eine<br />

Therapie mit Tranylcypromin allein besteht, kommt man<br />

nicht umhin, erst auf das TZA umzustellen (siehe auch:<br />

Wechsel von Tranylcypromin auf ein an<strong>de</strong>res Anti<strong>de</strong>pressivum;<br />

TZA außer Clomipramin und Imipramin) und dann<br />

Tranylcypromin wie<strong>de</strong>r einzudosieren.<br />

Die intravenöse Gabe von Anti<strong>de</strong>pressiva (TZA) während<br />

einer Tranylcypromin-Behandlung sollte unterbleiben, da<br />

bei <strong>de</strong>r intravenösen Gabe von TZA die serotonerge Wirkkomponente<br />

erhöht ist. Durch Umgehung <strong>de</strong>s First-pass-<br />

Metabolismus wird weniger Metabolit, <strong>de</strong>r noradrenerg<br />

wirksam ist, gebil<strong>de</strong>t.<br />

Lithium kann als Augmentation gemeinsam mit Tranylcypromin<br />

gegeben wer<strong>de</strong>n.<br />

30 Der Kassenarzt Nr. 22 | Dezember 2006


MEDIZIN<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

Lebensmittel bei Tranylcypromin-Therapie<br />

VERBOTEN<br />

salzlakengereifte Hartkäse (z.B. Emmentaler Käse, Bergkäse,<br />

Parmesan und ähnliche Schnitt- und Reibekäse aus Rohmilch)<br />

E<strong>de</strong>lschimmelkäse, z.B. Roquefort, Camembert und ähnliche Sorten;<br />

Käse mit Schmierebildung, z.B. Limburger, Butterkäse, Handkäse,<br />

Harzer Käse<br />

Rin<strong>de</strong>r- und Geflügelleber, Nieren aller Schlacht- und Wildtiere,<br />

Wildfleisch mit starker Alterung und strengem Geruch<br />

Suppen- und Brühwürfel, industriell hergestellte Fertigsoßen<br />

hart ausgereifte Salami u.ä. Rohwürste, beson<strong>de</strong>rs mit E<strong>de</strong>lschimmelbelag<br />

Salzhering, Matjeshering, Salzsardinen, Anchovis, Kaviar und verwandte<br />

salzkonservierte rohe Produkte, kalt geräucherter Fisch<br />

(z.B. Lachshering, Lachsmakrele u.ä.)<br />

Trockenfisch, Stockfisch, Klippfisch, Dorschleber; Kalamare (Tintenfische),<br />

Fischsoßen, asiatische Soßen<br />

Hefeextrakte (wer<strong>de</strong>n in Großküchen zum Abrun<strong>de</strong>n von Soßen,<br />

Eintöpfen und Bratenfonds verwen<strong>de</strong>t), Hefehydrolysate, Marmite<br />

mit Hefen durch Gärung hergestellte Getränke (Bier, Wein, Sekt,<br />

Schaumwein, auch alkoholfreie Sorten), Gerstenkeimlinge (Malz)<br />

reife braune Bohnen (z.B. Kidneybohnen), Puffbohnen (auch Pfer<strong>de</strong>bohnen<br />

o<strong>de</strong>r Saubohnen), weiße Bohnen, Bohnenkeimlinge, asiatische<br />

Sojasoßen<br />

Schokola<strong>de</strong> in massiven Tafeln o<strong>de</strong>r in Figuren (Bitter-, Vollmilch-,<br />

weiße Schokola<strong>de</strong>), Schoko- und Nugateis, Cognacbohnen, Likörpralinen,<br />

Kakaolikör, Walnuss- o<strong>de</strong>r un<strong>de</strong>klarierter Nugat<br />

Bananen, hochreife Birnen und Avocados, rote Pflaumen, Feigen,<br />

Walnüsse; Säfte mit hohem Birnen-, Bananen- o<strong>de</strong>r Pflaumenanteil,<br />

industriell hergestelle Pampelmusensäfte; Nektare aus<br />

Zitrusfrüchten<br />

Rumtopf, Soleier<br />

rohes Sauerkraut, rohe Salzgurken, Gewürzgurken aus <strong>de</strong>m Fass,<br />

Mixed Pickles, sauer eingelegte Pilze<br />

IN GERINGER MENGE ERLAUBT<br />

halbfeste Schnittkäse aus pasteurisierter Milch (z.B. Gouda, Chester)<br />

jeweils 1 Scheibe zu 20 g<br />

Joghurt, Kefir und ihre Zubereitungen ca. 100 ml<br />

Vanille- und Fruchteis je 1 Kugel<br />

Schweineleber maximal 100 g<br />

frische Knacker maximal 100 g (noch weich!)<br />

Teewurst, Mettwurst, feine Braunschweiger bis 50 g<br />

saure Heringe, Rollmops bis 100 g<br />

Heringshappen in Mayonnaise o<strong>de</strong>r Gelee bis 100 g<br />

Thunfischkonserven bis 50 g<br />

Pralinen mit Sahne-, Frucht- o<strong>de</strong>r Marzipanfüllungen bis 20 g<br />

Haselnussnugat bis 20 g<br />

Marzipan bis 20 g<br />

Schokoriegel mit Milch-, Sahne- o<strong>de</strong>r Marzipanfüllung bis 20 g<br />

Müsliriegel mit Schokoüberzug bis 20 g<br />

Schokola<strong>de</strong> mit ganzen Haselnüssen, Cashewnüssen o<strong>de</strong>r Man<strong>de</strong>ln<br />

bis 20 g<br />

industriell hergestellte Orangensäfte bis 100 ml<br />

schwarze Johannisbeeren, grüne Birnen bis 50 g, rote Trauben bis 250 g<br />

getrocknete Früchte bis 20 g<br />

pasteurisiertes Weinsauerkraut bis 100 g<br />

pasteurisierte Gewürzgurken bis 100 g<br />

Karotten (d.h. Jungmöhren, meist kürzer und mit Laub) bis 20 g<br />

alkoholische Getränke, z.B. Bier, Wein, Sekt, Cognac, Liköre, Weinbrän<strong>de</strong>,<br />

Wiskey, Rum u.ä., auch Bier und Wein in alkoholfreier Form<br />

Bei Krampflei<strong>de</strong>n zu beachten<br />

Über Komedikation mit Valproat o<strong>de</strong>r Lamotrigin liegen<br />

bisher nur wenige Berichte in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Literatur<br />

sowie keine Mitteilungen zu Interaktionen vor. Die Produktinformationen<br />

von Valproat- und Lamotrigin-Präparaten<br />

enthalten keine Warnungen vor <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong>n.<br />

Die Situation für Carbamazepin ist unklar. Einerseits existiert<br />

eine Reihe von übereinstimmen<strong>de</strong>n Ergebnissen <strong>de</strong>r<br />

Quellennachweis: nach Fachinformationen<br />

32 Der Kassenarzt Nr. 22 | Dezember 2006


guten Verträglichkeit einer Komedikation von Tranylcypromin<br />

und Carbamazepin zu min<strong>de</strong>stens zehn Patienten, was<br />

auch in Übersichten bestätigt wur<strong>de</strong>, an<strong>de</strong>rerseits geben die<br />

Produktinformationen aller Carbamazepin-Präparate <strong>MAO</strong>-<br />

<strong>Hemmer</strong> als Kontraindikation an. Zu be<strong>de</strong>nken ist weiterhin<br />

auch, dass Tranylcypromin verglichen mit an<strong>de</strong>ren Anti<strong>de</strong>pressiva<br />

als günstig in Hinsicht eines geringen Risikos zur<br />

Senkung <strong>de</strong>r Krampfschwelle beschrieben wur<strong>de</strong>.<br />

Zur Komedikation von Benzodiazepinen mit Tranylcypromin<br />

liegen keine gezielten Untersuchungen vor. Es ist davon<br />

auszugehen, dass Benzodiazepine in <strong>de</strong>r klinischen Praxis<br />

häufig gemeinsam mit Tranylcypromin gegeben wer<strong>de</strong>n, um<br />

vorübergehend Angst, Unruhe und Schlafstörungen zu dämpfen.<br />

In einer neueren Vergleichsstudie von Tranylcypromin<br />

und Phenelzin wur<strong>de</strong>n acht von 77 Patienten (10 Prozent) 1<br />

bis 2 mg/Tag Lorazepam gegeben. Eine Anwendungsbeobachtung<br />

ergab einen übereinstimmen<strong>de</strong>n Anteil von etwa<br />

zehn Prozent Komedikation von Benzodiazepinen und Tranylcypromin.<br />

In einer randomisierten und doppelblin<strong>de</strong>n Vergleichsstudie<br />

erhielten 15 von 47 Tranylcypromin-Patienten<br />

(32 Prozent) Benzodiazepine.<br />

Auch zur Komedikation mit Neuroleptika gibt es nur spärliche<br />

publizierte Literatur. Tranylcypromin wur<strong>de</strong> früher auch<br />

in Deutschland in einer festen Kombination mit einem Neuroleptikum<br />

gegeben (10 mg Tranylcypromin mit 1 mg Trifluoperazin).<br />

Diese feste Kombination ist so heute noch in<br />

an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn verfügbar. Die gemeinsame Gabe von Tranylcypromin<br />

mit niedrigen Dosen klassischer Neuroleptika<br />

ist offensichtlich möglich.<br />

Für ältere Patienten wur<strong>de</strong> anhand von zwei Fallberichten das<br />

erhöhte Risiko eines Parkinsonoids bei <strong>de</strong>r Komedikation von<br />

Tranylcypromin und Haloperidol diskutiert. Dagegen wird<br />

z.B. über 30 chronisch schizophrene Patienten berichtet, die<br />

ambulant mit Chlorpromazin und Tranylcypromin behan<strong>de</strong>lt<br />

wor<strong>de</strong>n waren und neben <strong>de</strong>r Besserung <strong>de</strong>r Negativsymptomatik,<br />

die vor Gabe von Tranylcypromin persistierte, auch<br />

eine Verringerung parkinsonoi<strong>de</strong>r UAW zeigten.<br />

Es ist also aufgrund von Mitteilungen über klinische Studien in<br />

<strong>de</strong>r Literatur, langjähriger klinischer Erfahrungen und mechanistischer<br />

Überlegungen davon auszugehen, dass Substanzen wie<br />

Perazin, Trifluoperazin, Melperon, Prothazin, Promethazin,<br />

Chlorprothixen, Levomepromazin, Fluphenazin usw. gemeinsam<br />

mit Tranylcypromin gegeben wer<strong>de</strong>n können. Zur Komedikation<br />

von Tranylcypromin mit atypischen Neuroleptika existieren<br />

praktisch keine publizierten Erfahrungen o<strong>de</strong>r gar Studien.<br />

Opioi<strong>de</strong> können, abgesehen von <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Pethidingruppe<br />

(Phenylpiperidine: Pethidin, Tramadol, Methadon, Dextromethorphan<br />

und Propoxyphen – diese Mittel hemmen die präsynaptische<br />

Serotoninaufnahme), gegeben wer<strong>de</strong>n. Also sind<br />

z.B. Morphin, Co<strong>de</strong>in, Oxycodon und Buprenorphin sowie<br />

Fentanyl möglich. Lokalanästhetika, außer Cocain (wegen<br />

geringer Serotonin-Wie<strong>de</strong>raufnahmehemmung), können in<br />

Komedikation mit Tranylcypromin angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Das<br />

trifft so auch auf nicht-steroidale Antirheumatika und Pyrazolone<br />

wie Metamizol und Paracetamol zu.<br />

Zu <strong>de</strong>r Frage, ob Tranylcypromin zusammen mit Carbamazepin<br />

kombiniert wer<strong>de</strong>n darf, ist die Situation unklar. Einerseits<br />

existiert eine Reihe von übereinstimmen<strong>de</strong>n Ergebnissen<br />

<strong>de</strong>r guten Verträglichkeit einer Komedikation von Tranylcypromin<br />

und Carbamazepin bei min<strong>de</strong>stens zehn Patienten.<br />

An<strong>de</strong>rerseits geben die Produktinformationen aller Carbamazepin-Präparate<br />

<strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong> als Kontraindikation an. Die<br />

Dosis von Barbituraten in <strong>de</strong>r Anästhesie ist zu verringern.<br />

Levodopa ohne Decarboxylasehemmer ist wegen <strong>de</strong>s Risikos<br />

peripherer dopaminerger Überstimulation kontraindiziert.<br />

Triptane (Serotoninsyndrom, Hypertension) und Disulfiram<br />

(Toxizität): Einige Autoren fan<strong>de</strong>n zwar letztlich kein beson<strong>de</strong>res<br />

Risiko für die weniger ZNS-gängigen Triptane wie<br />

Sumatriptan, zu be<strong>de</strong>nken ist aber das zusätzliche Potenzial<br />

von pharmakokinetischen Interaktionen. Für Insulin und<br />

orale Antidiabetika ist wegen Wirkungsverstärkung das Risiko<br />

einer Hypoglykämie zu beachten. Eventuell ist die Dosis<br />

von Insulin und oralem Antidiabetikum anzupassen.<br />

Für Betablocker ist Bradykardie beschrieben wor<strong>de</strong>n. Eventuell<br />

ist die Dosis <strong>de</strong>s Betablockers anzupassen. Amphetamine<br />

und an<strong>de</strong>re indirekte Sympathomimetika (z.B. in Hustenund<br />

Grippemitteln, Appetitzüglern, Antihypotonika) sind als<br />

Komedikation zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

Die blutdrucksenken<strong>de</strong> Wirkung von Antihypertonika (z.B.<br />

Guanethidin, Methyldopa) kann durch Tranylcypromin verstärkt<br />

wer<strong>de</strong>n; in einzelnen Fällen kann eine Blutdrucksteigerung<br />

mit Erregungszustän<strong>de</strong>n ausgelöst wer<strong>de</strong>n.<br />

Routineuntersuchungen<br />

Als Routineuntersuchungen in <strong>de</strong>n ersten sechs Monaten <strong>de</strong>r<br />

Therapie wird ähnlich an<strong>de</strong>ren Anti<strong>de</strong>pressiva von verschie<strong>de</strong>nen<br />

Autoren empfohlen: Blutbild zweimal pro Monat, ab<br />

viertem Monat nur noch einmal, GOT, GPT, g-GT, Harnstoff,<br />

Kreutinin (einmal pro Monat), EEG und EKG (zu Beginn)<br />

sowie Blutdruck und Puls im Stehen und Liegen (ein- bis<br />

viermal pro Monat).<br />

Später können diese Routineuntersuchungen auf viertel- bis<br />

halbjährliche Abstän<strong>de</strong> (EEG und EKG einmal pro Jahr)<br />

reduziert wer<strong>de</strong>n. Zu achten ist auf orthostatische Dysregulation,<br />

die bei einigen Patienten auch noch Monate nach<br />

Behandlungsbeginn auftreten kann.<br />

■<br />

Literatur in <strong>de</strong>r Redaktion<br />

HAFTUNGSAUSSCHLUSS<br />

Die Darstellung erfolgt nach bestem Wissen. Verfasser und<br />

Herausgeber übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit<br />

<strong>de</strong>r Angaben. Dies gilt in beson<strong>de</strong>rem Maße für die Dosierungsangaben.<br />

Es wird auf die jeweils aktuelle Fachinformation<br />

verwiesen.<br />

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Zertifizierte Fortbildung<br />

Für die Beantwortung <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Fragen und Einsendung<br />

<strong>de</strong>s Antwortbogens – per Fax o<strong>de</strong>r postalisch – können Sie im<br />

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Bescheinigung. Bitte vergessen Sie daher nicht, Namen, Vornamen<br />

und Postanschrift vollständig und gut lesbar anzugeben.<br />

Nr. 22 | Dezember 2006 Der Kassenarzt 33


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Stichwort: „<strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong>“<br />

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Fragen zur zertifizierten Fortbildung<br />

Thema: <strong>MAO</strong>-<strong>Hemmer</strong><br />

1. Welche Aussage ist richtig? Die pharmakokinetische<br />

Eliminationshalbwertszeit von Tranylcypromin beträgt:<br />

a ca. 2 Minuten<br />

b ca. 20 Minuten<br />

c ca. 2 Stun<strong>de</strong>n<br />

d ca. 20 Stun<strong>de</strong>n<br />

e ca. 2 Tage<br />

2. Welche Aussage ist richtig? Nach Absetzen von Tranylcypromin<br />

sind 80–90 % <strong>de</strong>r <strong>MAO</strong>-Aktivität wie<strong>de</strong>r aufgebaut nach:<br />

a 2 Stun<strong>de</strong>n<br />

b 20 Stun<strong>de</strong>n<br />

c 2 Tagen<br />

d 2 Wochen<br />

e 2 Monaten<br />

3. Welche Aussage ist richtig? Tranylcypromin ist ein:<br />

a reversibler <strong>Hemmer</strong> <strong>de</strong>r <strong>MAO</strong>-A<br />

b reversibler <strong>Hemmer</strong> <strong>de</strong>r <strong>MAO</strong>-B<br />

c reversibler <strong>Hemmer</strong> <strong>de</strong>r <strong>MAO</strong>-A und <strong>MAO</strong>-B<br />

d irreversibler <strong>Hemmer</strong> <strong>de</strong>r <strong>MAO</strong>-A und <strong>MAO</strong>-B<br />

e irreversibler Aktivator <strong>de</strong>r <strong>MAO</strong>-A und <strong>MAO</strong>-B<br />

4. Welche Aussage ist richtig? Ein Tranylcypromin-Präparat<br />

wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n USA als Anti<strong>de</strong>pressivum erstmals zugelassen<br />

im Jahr:<br />

a 1941<br />

b 1961<br />

c 1981<br />

d 1991<br />

e 2001<br />

5. Welche Antwort ist falsch? Als unerwünschte Wirkung von<br />

Tranylcypromin ist zu rechnen mit:<br />

a orthostatischer Hypotonie<br />

b Schlafstörungen<br />

c Tremor<br />

d Duo<strong>de</strong>nalulcus<br />

e Kopfschmerzen<br />

Bitte kreuzen Sie die richtige Antwort an,<br />

vielen Dank.<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

6. Welche Antwort ist richtig? Als sichere Obergrenze<br />

<strong>de</strong>r pro Mahlzeit aufgenommenen Tyramin-Menge für<br />

einen Erwachsenen mit Tranylcypromin-Therapie gilt:<br />

a 0,06 mg<br />

b 6 mg<br />

c 600 mg<br />

d 6 g<br />

e 12 g<br />

7. Welche Aussage ist richtig? Nach Absetzen von Tranyl-<br />

cypromin sind die Diätvorschriften zu beachten noch für:<br />

a 1 Tag<br />

b 3 Tage<br />

c 6 Tage<br />

d 2 Wochen<br />

e 6 Wochen<br />

8. Welche Aussage ist richtig? Gleichzeitig mit Tranylcypro<br />

ranylcypromin<br />

darf oral gegeben wer<strong>de</strong>n:<br />

a Amitriptylin<br />

b Rizatriptan<br />

c Pethidin<br />

d Disulfiram<br />

e Fluoxetin<br />

9. Welche Aussage ist richtig? Nach Absetzen von Tranyl-<br />

cypromin ist bis zum Beginn einer Behandlung mit einem<br />

selektiven Serotonin-Wie<strong>de</strong>raufnahmehemmer (SSRI) ein<br />

Intervall einzuhalten von:<br />

a 1 Tag<br />

b 7 Tagen<br />

c 14 Tagen<br />

d 4 Wochen<br />

e 3 Monaten<br />

10. Welche Aussage ist falsch? Bei einem zentralen Serotonin-<br />

syndrom wird als ein Hauptsymptom beobachtet:<br />

a Bradykardie<br />

b Fieber<br />

c Hyperhidrosis<br />

d Myoklonus<br />

e Hyperreflexie<br />

34 Der Kassenarzt Nr. 22 | Dezember 2006

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