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Impressionismus & Klassische Moderne 3250 ARP, HANS (Strassburg 1888 - 1966 Basel) Fleur de rêve au museau. 1954. Polierte Bronze, grüne Patina. 4/5. Auf der Unterseite monogrammiert und nummeriert: HA 4/5, sowie dem Giessereistempel: E. Godard Fond. 46 x 15,5 x 10 cm. Gussdatum unbekannt. Provenienz: - Galerie Proarta, Zürich. - Privatbesitz Schweiz. Literatur: Hartog, Arie (Ed.)/Fischer, Kai. Hans Arp. Skulpturen - Eine Bestandesaufnahme, Ostfildern 2012, Nr. 133, S. 116, 291 (engl.). Der Weg zur Vollplastik unterliegt bei Hans Arp einer logischen Entwicklung, die u.a. auch seine Experimentierfreude zeigt. Zu Beginn beschäftigt er sich mit Collagen, die er dann weiter in Reliefs entwickelt, diese löst er dann wiederum Ende der 1920er von der Wand, um sie in den Raum zu stellen. Die konsequente Weiterentwicklung zur Vollplastik vollzieht sich dann in den 1930er Jahren. Plastiken begleiten Arps Werk ein Leben lang, aber erst mit der künstlerischen Anerkennung seines Oeuvres und der damit verbundenen, finanziellen Absicherung ab den 1950er Jahren ist es Arp möglich, zahlreiche Skulpturen zu fertigen. Schlussendlich wird Arp dann vornehmlich als Bildhauer wahrgenommen. Durch die immer wiederkehrende Verwendung bestimmter Formen wie dem Torso, der Welle oder dem Oval haben seine Werke grossen Wiedererkennungswert, gleichwohl verfügt Hans Arp über einen unerschöpflichen Fundus an Formensprache. Den grossen Erfolg erklärt sich Carola Giedion-Welcker mit der Tatsache, dass die Skulpturen von Arp, aber auch von Brancusi und Klee nicht vollkommen der Avantgarde verpflichtet sind, sondern dass ihre Kunst „Träger von archetypischen, für alle Menschen verständliche Botschaften“ ist (Hartog, Arie (Hrsg.). Hans Arp. Skulpturen - Eine Bestandsaufnahme, Ostfildern 2012, S. 28f.). In einer harmonischen Wellenbewegung strebt unsere Skulptur in die Höhe, wird in der Mitte durch einen Knick gestört und wächst dann weiter nach oben, um in zwei auseinanderstrebenden Formen zu enden. Der Künstler fordert von seinen Betrachtern ein zweites, intensives Hinsehen und eigene Vorstellungskraft, erst dann erschliesst sich uns die organische Form und schlussendlich der weibliche Torso. „Der Inhalt einer Plastik muss auf Zehenspitzen, ohne Anmassung auftreten, leicht wie die Spur des Tieres im Schnee. Die Kunst soll sich in der Natur verlieren. Sie soll sogar mit der Natur verwechselt werden. Nur darf dies nicht durch Nachahmung erreicht werden wollen, sondern durch das Gegenteil des naturalistischen Abmalens, Abbildens. Die Kunst entkleidet sich dabei immer mehr des Eigensüchtigen, des Virtuosen, des Lächerlichen ...“ (Arp, Hans in: Hans Arp. Skulpturen 1957 - 1966, Stuttgart 1968, S. IX). Den weiblichen Torso findet man in seinem umfassenden plastischen Werk immer wieder und oftmals, wie auch bei dem vorliegenden Werk, verschmolzen mit einer vegetabilen Form. Auch im Titel, die bei Arp immer von besonderer und sinngebender Bedeutung sind, sehen wir das harmonische Miteinander von Anthropomorphem und Vegetabilem: „Traumblume mit Lippen“. Der Torso ist für ihn eine vollständige Form, und so findet man in seinem plastischen Werk nur Torsi. Die Andeutung z.B. von der gebeugten Hüfte wie bei unserem Werk genügt, um unter dem Blick des Betrachters die letztendliche Vollendung der Form zu gewährleisten. Denn wir sind es, die die abstrakte Form zu einem weiblichen Torso vollenden. „Arps bildhauerische Schöpfungen gehen von der reinen, das heisst von der vorerst inhaltlosen, ungegenständlichen plastischen Form aus, wie Brancusi sie durch seine stereometrischen Stilisierungen und Glättungen bewusst gemacht und dann durch Würfel, Zylinder und ovoide Formen zu abstrakten Gebilden weitergetrieben hat. Arp nun ging den umgekehrten Weg und machte aus eigentlichen abstrakten Gestalten aus weissem Gips oder Stein beseelte, oft menschenähnliche Wesen. Die Umrisse und Wölbungen folgen einem biomorphen Gestaltungsgefühl, welches nur ein Schritt von der Darstellung etwa eines Frauentorsos entfernt ist, diesen Schritt aber nicht selber macht, sondern den Betrachter vollziehen lässt.“ (Hohl, Reinhold in: Skulptur. Die Moderne 19. und 20. Jahrhundert, Bd. IV, Köln 1996, S. 174f.). Die Skulpturen Hans Arps unterliegen dem Prozess des Werdens, der durch die Mehransichtigkeit der meisten seiner Plastiken unterstützt wird, und wir Betrachter begleiten diese Verwandlung, wie wir es auch bei „Traumblume mit Lippe“ machen. CHF 80 000.- / 120 000.- € 66 670.- / 100 000.- | 88