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Musterlösung Arbeitsblatt 3 - Lärchenwickler - ETH Zürich

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Systemökologie: Prinzipien und Modellierung<br />

<strong>ETH</strong> Zürich, FS 2009<br />

A. Fischlin & H. Lischke<br />

Musterlösung <strong>Arbeitsblatt</strong> 3 - Lärchenwickler<br />

Der zugrunde liegende Modellansatz wurde bewusst so einfach wie möglich gewählt.<br />

Dadurch kann das Wesentliche, nämlich das Vorgehen, deutlicher in den Vordergrund treten<br />

und in seiner Allgemeingültigkeit eher verstanden werden.<br />

Fragen und Antworten<br />

1) Fragestellung<br />

Sie fragen sich: "Welche Ursachen bestimmen die charakteristische Populationsdynamik<br />

des Grauen Lärchenwicklers (Zeiraphera diniana GN.)? Inwiefern lässt<br />

sich zur Untersuchung dieser Frage ein Räuber-Beute Modell verwenden? Wie<br />

lautet das Fazit aus den Untersuchungen für eine allfällige Bekämpfung des<br />

Lärchenwicklers?"<br />

Beachten Sie die allgemeine Grundsituation (Handouts Fig. I-5) und versetzen Sie sich<br />

bitte in die Lage einer Systemanalytikerin bzw. eines Systemanalytikers. Das<br />

Populationssystem Lärchenwickler im subalpinen Alpenraum stellt das reale System dar:<br />

Wie viele experimentelle Bekämpfungsaktionen gezeigt haben, kann die Frage nach der<br />

Bekämpfbarkeit des Lärchenwicklers nur beantwortet werden, wenn die Frage nach den<br />

Regulationsmechanismen, d.h. welche ökologischen Regulationsmechanismen die Populationsschwankungen<br />

kontrollieren, zuerst beantwortet wird.<br />

1


Systemökologie: Prinzipien und Modellierung<br />

Musterlösung <strong>Arbeitsblatt</strong> A3-Lärchenwickler<br />

A. Fischlin & H. Lischke<br />

2) Überlegen Sie sich die Fragestellung und stellen Sie mögliche Lösungswege zusammen.<br />

Falls wir nun in der Lage wären, ein Modell erfolgreich zur Modellierung und Simulation<br />

des realen Lärchenwicklersystems zu verwenden, so könnten wir anhand des Modelles<br />

versuchen, erstens die Regulationsmechanismen des Lärchenwicklers zu verstehen und<br />

zweitens, eine mögliche Bekämpfungsstrategie zu entwickeln, z.B. eine Methode zu<br />

finden, bei der die Raupendichte des Lärchenwicklers unter der Schadenschwelle<br />

gehalten werden kann (Zeitpunkt der Anwendung, Intensität der Behandlung etc.).<br />

Denkbar wäre beispielsweise eine Förderung der Antagonisten (biologische Schädlingsbekämpfung)<br />

kombiniert mit einem derartigen Einsatz eines Insektizides, dass dabei<br />

bloss der Lärchenwickler und keine Nützlinge getötet werden (z.B. Nützlinge schonende,<br />

mikrobiologische Bekämpfung mittels BT 1 ).<br />

3) Notieren Sie sich die einzelnen Schritte zur Lösung der Fragestellung, indem Sie die<br />

Verwendung eines Ihnen bekannten mathematischen Modelles vorsehen (Hinweis: Versuchen<br />

Sie das klassische Modell von Lotka-Volterra mit zyklischen Populationsbewegungen<br />

zu verwenden).<br />

Das übliche Schema der Systemanalyse dient uns als Richtlinie zur Planung der<br />

Arbeitsschritte:<br />

Problemstellung formulieren: Gesucht ist ein Modell, das die Populationsdynamik<br />

des Lärchenwicklers bezüglich der typischen, regelmässigen Fluktuation in einem Gebiet<br />

der optimalen Entwicklung (1600 – 2200 m.ü.M.) beschreibt.<br />

Erarbeiten, Erheben und Sichten experimenteller Daten, Fakten und<br />

Zusammenhänge: Wurde im Rahmen der Vorlesung gemacht<br />

Entwurf eines verbalen/qualitativen Modells: Das Systemuniversum X besteht aus<br />

dem Lärchenwickler lbm und einem abstrakten Antagonistenkomplex a:<br />

X = { lbm, a }<br />

Die Systemstruktur R abgeleitet mittels dem 2-stelligen Prädikat P(x,y) ::= "x beeinflusst<br />

die Änderungsgeschwindigkeit von y" ergibt die folgende Strukturmenge R:<br />

R = { (lbm, lbm), (lbm, a), (a, lbm), (a, a) }<br />

Begründung, warum das 2-stelligen Prädikat für jedes geordnete Paar aus der<br />

Strukturmenge R wahr wird: Der Lärchenwickler wie auch die Antagonisten vermehren<br />

sich nur in Funktion ihrer selbst (einmal ausgerottet, können sie nicht mehr neu<br />

entstehen) => (lbm, lbm). Die Vermehrung der Antagonisten ist umso besser, je mehr<br />

Lärchenwickler vorhanden sind => (lbm, a). Die negativen Auswirkungen der<br />

Antagonisten auf den Lärchenwickler nehmen auch in Funktion der Antagonistenmenge<br />

1 Bacillus thuringiensis (mikrobielle Schädlingsbekämpfung)<br />

2


Systemökologie: Prinzipien und Modellierung<br />

Musterlösung <strong>Arbeitsblatt</strong> A3-Lärchenwickler<br />

A. Fischlin & H. Lischke<br />

zu => (a, lbm). Das System ist im folgenden Relationengraphen gleichwertig zu R<br />

graphisch dargestellt:<br />

lbm<br />

a<br />

Abbildung 1: Relationengraph des autonomen „Räuber-Beute“-Systems Lärchenwickler (lbm) –<br />

Antagonisten (a).<br />

= Systemgrenze.<br />

Das System weist keine Eingänge und Ausgänge auf und ist demnach autonom, also von<br />

seiner Umwelt unabhängig. Jegliche Witterungseinflüsse oder menschliche Eingriffe<br />

werden vernachlässigt.<br />

Mathematische Modellierung:<br />

Das klassische Lotka-Volterra-Modell für eine Räuber-Beute Beziehung scheint sich<br />

anzubieten:<br />

˙ x 1 = a*x 1 - b*x 1 *x 2 (1)<br />

˙ x 2 = b'* x 1 * x 2 - c* x 2<br />

y 1 = x 1 y 2 = x 2 (2)<br />

wobei<br />

x 1 Beute da gilt: a, b, b', c > 0<br />

x 2 Räuber<br />

Das zeitkontinuierliche Gleichungssystem (1) besteht aus 2 gekoppelten, nichtlinearen<br />

Differentialgleichungen (DESS). Es erzeugt periodische Populationszyklen, wie sie beim<br />

realen Lärchenwicklersystem beobachtet werden können. Zudem gibt es Evidenz dafür,<br />

dass einige der über 100 Antagonistenarten des Lärchenwicklers ebenfalls periodisch<br />

schwanken und quantitativ ins Gewicht fallende Mortalität beim Lärchenwickler<br />

verursachen können. Daraus können wir folgern:<br />

3


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A. Fischlin & H. Lischke<br />

Symbol Bedeutung Einheit Systemtheoret.<br />

Bedeutung<br />

x 1 Dichte der Lärchenwicklerraupen #/kg LZ 2 ZV 3<br />

x 2<br />

Dichte der Antagonisten verstanden als Vertreter<br />

eines abstrakten Antagonistenkomplexes, der<br />

v.a. aus Parasitoiden wie Eulophidae (z.B.<br />

Elachertus argissa WALKER, Sympiesis<br />

punctifrons THOMPSON, Dicladocerus<br />

westwoodi WESTWOOD) und Ichneumonidae<br />

(z.B. Phytodietus griseanae KERRICH) besteht<br />

a Intrinsische, relative Wachstumsrate des<br />

Lärchenwicklers<br />

#/kg LZ<br />

ZV<br />

/a MP 4<br />

b Befallsrate kg LZ/#/a MP<br />

b'<br />

Intrinsische, relative Wachstumsrate der Antagonisten<br />

dank Verzehr von Lärchenwicklerraupen.<br />

b' ≈ 0.1*b<br />

kg LZ/#/a MP<br />

c Relative Sterberate der Antagonisten /a MP<br />

x 1 (0)<br />

Anfangswert der Dichte der Lärchenwicklerraupen<br />

#/kg LZ AW 5<br />

x 2 (0) Anfangswert der Antagonistendichte #/kg LZ AW<br />

Um das Modell jedoch in geplanter Weise einsetzen zu können, ist es erforderlich für alle<br />

Grössen spezifische Werte zu finden. Es gilt also, das klassische Lotka-Volterra-Modell<br />

möglichst gut an das Lärchenwicklersystem anzupassen. Diese Anpassung erfolgt in den<br />

Schritten 5 „Kalibrierung“, 7 „Bestimmung der Anfangswerte, Rand- und<br />

Rahmenbedingungen“ und 10 „Modell- und Parameteridentifikation”. Sollte das<br />

gelingen, wäre gemäss unserer Fragestellung als Fernziel noch ein Regler zu entwerfen,<br />

um mindestens im Modell die Lärchenwicklerdichten unter der Schadensschwelle von ca.<br />

100 Raupen/kg LZ halten zu können. Dies ist jedoch im Rahmen diese <strong>Arbeitsblatt</strong>es<br />

nicht erforderlich, sondern wird in der Vorlesung behandelt.<br />

Kalibrierung: Auf Kalibrierung wird in strengerem Sinne verzichtet, indem<br />

angenommen wird, dass x 1 genau der Raupendichte des Lärchenwicklers und x 2<br />

derjenigen eines Antagonisten entspricht (vgl. Ausgansgleichungen (2)).<br />

4) Untersuchen Sie bitte nun das von Ihnen gewählte Modell gemäss den unter 3)<br />

beschriebenen Schritte. (Hinweise: Benutzen Sie als Anfangswert für die<br />

Lärchenwicklerpopulation im Jahre 1949 eine Dichte von 0.018 Raupen/kg<br />

2 Lärchenzweige (Frischgewicht der Zweigstichprobe)<br />

3 Zustandsvariable<br />

4 Modellparameter<br />

5 Anfangswert<br />

4


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Lärchenzweige. Verwenden Sie Easy ModelWorks zur Simulation des Modells.<br />

Benutzen Sie folgende Modellparameter: intrinsische Wachstumsrate bzw. Sterberate<br />

der Beutepopulation bzw. Räuberpopulation von 1.0/a, Predationsrate 0.5/a/Räuber,<br />

und machen Sie schliesslich die Annahme, dass beim Übergang von der einen zur<br />

anderen trophischen Stufe etwa 90% der Biomasse verloren gehen). Die Beobachtungen<br />

(1949-1986) haben folgendes Ergebnis ergeben:<br />

Abbildung 2: Beobachtete Raupendichten des Lärchenwicklers Zeiraphera diniana GN. im<br />

Oberengadin. Die Dichten sind in Raupen pro kg Lärchenzweige (Frischgewicht) dargestellt.<br />

Simulationsmodell anfertigen (Implementation des mathematischen Modells in<br />

Form eines Simulationsmodells): Für unser Modell (1) ist es sinnvoll ein<br />

Simulationsmodell zu erstellen, denn das System nichtlinearer, gekoppelter<br />

Differentialgleichungen ist analytisch nicht mehr einfach zu lösen. Hierzu soll das<br />

Modellierungs - und Simulationswerkzeug «Easy ModelWorks» eingesetzt werden und<br />

es geht lediglich noch darum, die Modellgleichungen (1) welche einem DESS 6<br />

entsprechen, gemäss der EMSL 3 Syntax von «Easy ModelWorks» zu formulieren.<br />

“Easy ModelWorks” bietet schon ein vordefiniertes Lotka-Volterra-Modell an, welches<br />

wir auch zur Simulation des Populationswachstums des Lärchenwicklers verwenden<br />

können. Dieses Beispielmodelles (‘sample model’) wird durch den Menubefehl Modelling ><br />

Sample Models > Lotka-Volterra geöffnet. In der vordefinierten Form ist es allerdings für den<br />

Lärchenwickler nicht verwendbar und es müssen zuerst einige Anpassungen<br />

vorgenommen werden: Zuerst wird durch Benutzung des Menübefehls Modelling > Edit model...<br />

der Selbsthemmungsterm in der ersten Differentialgleichung, welche die Populationsdynamik<br />

des Lärchenwicklers bestimmt, gelöscht (Abbildung 3).<br />

6 Akronym für Differential Equation System Specification<br />

5


Systemökologie: Prinzipien und Modellierung<br />

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Abbildung 3: Der Selbsthemmungsterm wird aus der vordefinierten Beutegleichung des<br />

Beispielmodelles „Lotka-Volterra“ im Dialogfenster, das durch den Menübefehl Modelling > Edit<br />

model... aufgerufen wird, entfernt.<br />

Die Modellgleichungen (1) besitzen statt fünf nur noch vier Parameter. Die Anzahl der<br />

Parameter kann durch den Menübefehl Modelling > Change Model type herabgesetzt<br />

werden (Abbildung 4).<br />

Abbildung 4: Dialog zum Verändern der Anzahl der Modellparameter, der durch den Menübefehl<br />

Modelling > Change Model type aufgerufen werden kann. Für unser Beispiel wird die<br />

Anzahl der Modellparameter von 5 auf 4 herabgesetzt.<br />

Um die Populationsdynamik des Lärchenwicklers mit dem Lotka-Volterra-Model<br />

überhaupt simulieren zu können, müssen wir zuerst die Modellparameter a, b, b' and c in<br />

(1) in einer lärchenwicklerspezifischen Art bestimmen. Die Parameter a, b und c sind im<br />

<strong>Arbeitsblatt</strong> vorgegeben: a ist die intrinsische Wachstumsrate der Beutepopulation = 1.0<br />

pro Jahr, b die Predationrate = 0.5 pro Jahr und pro Antagonistendichte, d.h. pro<br />

Antagonist pro kg LZ. und c stellt die Sterberate der Räuberpopulation = 1.0 dar. b' ist<br />

die intrinsische, relative Wachstumsrate des Antagonisten bezüglich des Verzehrs der<br />

Lärchenwicklerraupen. Es ist anzunehmen, dass 90% der Biomasse während des<br />

Übergangs von einer trophischen Stufe in die nächste verloren gehen. Damit ist b' = 0.1 b<br />

(10% von b) = 0.05.<br />

6


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A. Fischlin & H. Lischke<br />

Math.<br />

Symbol<br />

Bezeichner im Simulationsmodel<br />

Werteber<br />

eich<br />

t t [t 0 .. t*] a 7<br />

Einheit<br />

˙ x 1<br />

x1Dot #/kg LZ/a<br />

˙ x 2<br />

X2Dot #/kg LZ/a<br />

x 1 (0) x1.(0) 0.018 #/kg LZ<br />

x 2 (0) x2.(0) 2 #/kg LZ<br />

a a 1.0 /a<br />

b b 0.5 kg LZ/#/a<br />

b' b2 0.5*0.1=<br />

0.05<br />

c c 1.0 /a<br />

kg LZ/#/a<br />

In “Easy ModelWorks” können wir durch den Menübefehl Modeling > Edit Model... nun die<br />

Bezeichner (Namen) für die Modellparameter entsprechend abändern und auch den<br />

Namen des Simulationsmodelles selbst (Abbildung 5).<br />

Abbildung 5: Durch den Menübefehl Modeling > Edit Model... lassen sich die Bezeichner der<br />

Modellparameter und des Modelles abändern. Man beachte, es müssen in den<br />

Differentialgleichungen und bei der jeweiligen Wertzuweisung die Bezeichner in exakt<br />

übereinstimmender Weise geschrieben werden.<br />

Bestimmung der Anfangswerte, Rand- und Rahmenbedingungen:<br />

Der Anfangswert der Zustandsvariable x 1 ist mit 0.018 Raupen/kg LZ vorgegeben. Wenn<br />

wir willkürlich annehmen, dass die anfängliche Wachstumsrate der Lärchenwicklerpopulation<br />

0 ist, so können wir, alle Parameterwerte in der ersten Differentialgleichung<br />

7 a – Jahr (annus)<br />

7


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(1) eingesetzt, den noch fehlenden Anfangswert der Zustandsvariable x 2 folgendermassen<br />

bestimmen:<br />

˙ x 1 (0) = 0 = 1.0*x 1 (0) – 0.5*x 1 (0)*x 2 (0)<br />

0 = 1.0*0.018 – 0.5*0.018*x 2 (0)<br />

x 2 (0) = 2<br />

Die Anfangswerte sind nun alle beide bestimmt (s.a. Abbildung 5).<br />

Wir können den Anfangs- und den Endpunkt (1949 und 1986) und die Maximalwerte<br />

von x1 und x2 so einsetzen, dass der Verlauf der Kurve klarer ersichtlich wird. Dies wird<br />

durch den Menübefehl Simulation > Set time... (Abbildung 6) respektive Simulation > Set<br />

monitoring... (Abbildung 7) erreicht.<br />

Abbildung 6: Dialog zur Veränderung der Start- und Endzeitpunkte der Simulation, der mit dem<br />

Menübefehl Simulation > Set time... aufgerufen werden kann.<br />

Abbildung 7: Dialog zur Anpassung der Maximalwerte (max) zur graphischen Darstellung der<br />

Zustandsvariablen x 1 und x 2 .<br />

Simulation (Durchführung von Modellexperimenten):<br />

Mit all den oben angebenen Parametern ergibt sich folgendes Simulationsresultat<br />

(Abbildung 8):<br />

8


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Abbildung 8: Erste Simulationsresultate die mit dem Lärchenwicklermodell gemäss den Lotka-<br />

Volterra-Modellgleichungen erzielt wurden.<br />

5) Was können Sie von Ihren Untersuchungen lernen? Wo und warum sind besondere<br />

Schwierigkeiten aufgetreten? Wie tauglich ist das Modell, um Ihnen bei der Beantwortung<br />

der eingangs gestellten Frage behilflich zu sein?<br />

Interpretation der Simulationsresultate:<br />

Durch einen Vergleich des Lotka-Volterra-Modells (Abbildung 8) mit den<br />

Beobachtungen in der Abbildung 2 ergibt sich, dass die Simulation schlecht mit den<br />

Messresultaten übereinstimmt. Beispielsweise ist die simulierte Periodenlänge zu gross<br />

(13 statt 8.9 a). Auch die Amplitude ist etwas klein ausgefallen (200 statt 260 Raupen/kg<br />

LZ). Mit den gewählten Modellparametern ist das Lokta-Volterra-Modell offensichtlich<br />

nicht in der Lage, das reale Lärchenwicklersystem korrekt nachzubilden. Wir können<br />

versuchen, die Parameter neu zu wählen, damit das Modellverhalten den periodischen<br />

Populationszyklen des Lärchenwicklers besser angepasst ist. Das heisst wir werden im<br />

nächsten Schritt eine „manuelle“ Parameteridentifikation versuchen.<br />

Modell- und Parameteridentifikation:<br />

Wenn wir vorläufig das Modell als immer noch brauchbar betrachten, können wir davon<br />

ausgehen, dass der Lärchenwickler durch die Antagonisten in Wirklichkeit stärker<br />

kontrolliert wird, als dass wir das im Modell angenommen haben (s. Schritt 7 „<br />

Bestimmung der Anfangswerte, Rand- und Rahmenbedingungen“). Wir können deshalb<br />

vermuten, dass wir die Antagonistenwirkung durch Erhöhung der Dichte des<br />

Antagonisten steigern sollten. So könnten wir vielleicht ein realistischeres<br />

Modellverhalten erzielen. Praktisch erreichen wir das durch Erhöhung des<br />

Anfangswertes der Antagonistenpopulation (x 2 ) auf 20 mit dem Menübefehl Modelling ><br />

Edit model... (Abbildung 9):<br />

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Abbildung 9: Versuch die Wirkung der Antagonisten durch Erhöhung ihres Anfangswertes x 2 (0)<br />

auf 20 zu steigern (s. Abbildung 10).<br />

Mit diesem Versuch ergeben sich folgende Simulationsresultate (Abbildung 10):<br />

Abbildung 10: Simulationsergebnisse zum Versuch die Wirkung der Antagonisten durch<br />

Erhöhung ihres Anfangswertes x 2 (0) auf 20 zu steigern (s.a. Abbildung 9). Die Periodendauer l der<br />

Populationszyklen ist verlängert.<br />

Die Antagonisten und der Lärchenwickler erreichen eine höhere Dichte. Periodische<br />

Zyklen treten immer noch auf, doch sind sie nun weniger häufig.<br />

Wir erkennen, dass ein Erhöhen des Anfangswertes der Antagonisten eine Verlängerung<br />

der Zyklen bewirkt (mit x 2 (0) = 20 => l = 20 a; mit x 2 (0) = 10 => l = 15 a). Der<br />

durchschnittliche Populationszyklus des Lärchenwicklers liegt bei 8.9 a, so dass wir<br />

versuchen sollten, das Modell doch mit einer niedrigeren Antagonistenpopulation zu<br />

betreiben (Abbildung 11 und 12).<br />

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Abbildung 11: Versuch die Periodendauer l durch Erniedrigung des Anfangswertes x 2 (0) auf 0.01<br />

Antagonisten pro kg Lärchenzweige zu kürzen (s. Abbildung 12).<br />

Abbildung 12: Versuch die Periodendauer l durch Erniedrigung des Anfangswertes x 2 (0) auf 0.01<br />

Antagonisten pro kg Lärchenzweige zu kürzen (s. Abbildung 11).<br />

Diese Veränderung führt uns noch nicht zu dem gewünschten Ergebnis, die<br />

Periodendauer l der Populationszyklen ist immer noch zu lange. Wir müssen<br />

offensichtlich die Modellparameter weiter anpassen. Wir vermuten, dass durch eine<br />

Erhöhung von a - der intrinsischen, relativen Wachstumsrate - die Population wohl<br />

voraussichtlich ihren maximalen Wert schneller erreichen könnte, wodurch die<br />

Populationszyklen u.U. näher beieinander zu liegen kommen könnten. Durch die<br />

Erhöhung des Parameters a von 1 auf 3 erhalten wir folgendes Simulationsresultat<br />

(Abbildung 13):<br />

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Abbildung 13: Simulationsergebnisse wenn der Modellparameter a von 1 auf 3 pro a erhöht wird.<br />

Damit wurde angestrebt, die Periodendauer l zu verkürzen.<br />

Wie Abbildung 13 zeigt, ähnelt das simulierte Modellverhalten nun dem beobachteten<br />

weit mehr (Abbildung 2 (reales Lärchenwickler-System)) als dies mit den vorherigen<br />

Parameterkonstellationen der Fall war. Nur habe wir etwas zuviel des Guten getan: die<br />

einzelnen Zyklen kommen hier leider noch enger beieinander zu liegen, als dies im realen<br />

Lärchenwickler-System der Fall ist. Vielleicht könnte man versuchen, c - die relative<br />

Sterbrate der Antagonisten – etwas zu verkleinern. Eine Verringerung des Modellparameters<br />

c müsste bedeuten, dass die einzelnen Zyklen länger und damit weniger<br />

häufig auftreten. Eine Verkleinerung von c (von 1 auf 0.8) ergibt das unten aufgeführte<br />

Resultat (Abbildung 14):<br />

Abbildung 14: Versuch die Periodendauer l zu verlängern (vgl. mit Abbildung 13). Dies wurde<br />

durch Erniedrigung des Modellparameters c von 1 auf 0.8 bewerkstelligt.<br />

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Modellvalidierung:<br />

Die Lösung in Abbildung 14, mit einer Periodenlänge der Populationszyklen von<br />

ungefähr 9 Jahren, ist mit der realen Populationsbewegung der Lärchenwicklerpopulation<br />

(Abbildung 2) beinahe deckungsgleich.<br />

Die hierbei verwendeten Parameterwerte waren:<br />

Math.<br />

Symbol<br />

Wertebereich<br />

x 1 (0) 0.018<br />

x 2 (0) 0.01<br />

a 3.0<br />

b 0.5<br />

b' 0.5*0.1<br />

= 0.05<br />

c 0.8<br />

Es gilt zu beachten, dass die angeführten Simulationsresultate nur exakt reproduziert werden können, wenn die<br />

folgenden Parameter für die numerische Integration exakt eingehalten werden: Integrationsverfahren Runge-Kutta 4.<br />

Ordnung, Integrationsschritt h = 0.1/a, Beobachtungsintervall (Monitoring Intervall) h m = 0.1/a. Das verwendete<br />

Modell ist numerisch sehr heikel. Die Gründe hierfür hängen mit dem Stabilitätsverhalten zusammen (cf. Abbildung<br />

16).<br />

Modellanwendung:<br />

Aus den bisherigen Untersuchungen lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:<br />

• Es lässt sich eine ziemlich gute Übereinstimmung des Modellverhaltens mit<br />

den beobachteten Werten erzielen.<br />

• Falls das verwendete Modell tatsächlich das Verhalten des realen Systems korrekt<br />

wiederspiegelte, so liesse sich der Lärchenwickler leicht bekämpfen: Ein<br />

einmaliger Einsatz von Insektiziden zwecks Reduktion der Lärchenwicklerdichte<br />

auf ca. 15 Raupen/kg LZ genügt, wenn dies zu einem Zeitpunkt erfolgt,<br />

bei dem die Räuberdichte ca. 6 Räuber/kg LZ beträgt (Abbildung 15). Ab da<br />

würde die Schadenschwelle von 100 Raupen/kg LZ nie mehr überschritten.<br />

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Abbildung 15: Populationsdynamik des Lärchenwicklers gemäss dem Räuber-Beutemodell<br />

(Parameter s. Tabelle unter Schritt ) nach einer gelungenen Bekämpfungsaktion. Es wurde<br />

angenommen, dass die Population des Lärchenwicklers auf ca. 15 Raupen/kg LZ reduziert wurde,<br />

als ca. 6 Räuber/kg LZ vorhanden waren.<br />

Es stellt sich nun die Frage, ob das Modell dank seiner guten Übereinstimmung mit den<br />

beobachteten Daten für die Anwendung wirklich eingesetzt werden kann. Leider muss<br />

dies verneint werden. Dies aus folgenden Gründen:<br />

• Die Übereinstimmung eines Modellverhaltens mit beobachteten oder<br />

gemessenen Werten ist zwar eine notwendige Bedingung, ist aber für eine<br />

sinnvolle Modellanwendung noch nicht hinreichend.<br />

• Die gefundene Übereinstimmung (Abbildung 14) trifft auch bloss für eine<br />

Zustandsvariable, nämlich diejenige des Lärchenwicklers zu, jedoch aber<br />

nicht notwendigerweise für diejenige der Antagonisten. Hierzu müssten wir<br />

weitere Messresultate zur Verfügung haben. Zieht man die bei, so ergibt sich,<br />

dass insgesamt die Übereinstimmung mit den Beobachtungen keineswegs so<br />

befriedigend ist, wie der erste Eindruck vermuten lässt.<br />

• Weitere entscheidende Eigenschaften des Modellverhaltens, wie z.B. das<br />

Stabilitätsverhalten, stimmen mit dem beobachteten überhaupt nicht überein<br />

(Grossversuch Goms mit Insektiziden (AUER, 1974), Abbildung 15).<br />

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Abbildung 15: Phasenporträt des Lotka-Volterra Modelles (Variante Populationszyklen, s.<br />

Gleichungen (1)), das zeigt, dass dieses Modell neutral-stabil, statt wie beim Lärchenwickler in<br />

der Natur beobachtet, asymptotisch stabil ist.<br />

Aus den hier genannten und einigen weiteren Gründen, die alle in der Vorlesung näher<br />

erläutert werden, kommen wir trotz gefundener Übereinstimmung zwischen Modell und<br />

Beobachtung (Abbildung 14) zu folgender Schlussfolgerung:<br />

Die Anwendung des Lotka-Volterra-Modelles lässt sich für unsere Fragestellung,<br />

insbesondere zwecks Simulation einer Bekämpfung, nicht verantworten.<br />

Zitierte Literatur:<br />

Auer, C., 1974. Ein Feldversuch zur gezielten Veränderung zyklischer Insektenpopulationsbewegungen.<br />

Schweiz. Z. Forstwesen, 125: 333-358.<br />

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