Physische Geographie und Humangeographie - Spektrum der ...
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Herausgegeben von<br />
H. Gebhardt R. Glaser U. Radtke P. Reuber<br />
<strong>Geographie</strong><br />
<strong>Physische</strong> <strong>Geographie</strong> <strong>und</strong> <strong>Humangeographie</strong>
Kurzinhalt<br />
Teil I<br />
„Raum“, „Region“ <strong>und</strong> „Zeit“:<br />
Kategorien <strong>und</strong> Forschungsfel<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Geographie</strong><br />
Teil III<br />
Methoden <strong>und</strong> „Wahrheiten“<br />
in <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong><br />
1 Räumliche Maßstäbe <strong>und</strong> Glie<strong>der</strong>ungen –<br />
von global bis lokal<br />
2 Raum <strong>und</strong> Zeit<br />
Teil II<br />
Geographische Wissenschaft<br />
5 Wissenschaftliches Arbeiten in <strong>der</strong><br />
<strong>Geographie</strong> – einführende Gedanken<br />
6 Was können wir wissen? – Kritischer Rationalismus<br />
<strong>und</strong> naturwissenschaftlich orientierte<br />
Verfahren<br />
7 Was können wir erzählen? – Hermeneutische<br />
<strong>und</strong> poststrukturalistische Verfahren<br />
Teil IV<br />
Teilgebiete <strong>der</strong> <strong>Physische</strong>n<br />
<strong>Geographie</strong><br />
3 <strong>Geographie</strong> – verschiedene Antworten auf die<br />
Frage nach <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong><br />
4 Das Drei-Säulen-Modell <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong>
8 Klimageographie<br />
9 Geomorphologie<br />
10 Bodengeographie<br />
11 Biogeographie<br />
12 Hydrogeographie<br />
13 Geoökologie, Landschaftsökologie,<br />
Stadtökologie<br />
14 Aktuelle Forschungsfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Physische</strong>n<br />
<strong>Geographie</strong> als intra- <strong>und</strong> interdisziplinäre<br />
Querschnittsaufgaben<br />
Teil V<br />
<strong>Humangeographie</strong><br />
21 Verkehrsgeographie<br />
22 Politische <strong>Geographie</strong><br />
23 Bevölkerungsgeographie<br />
24 Geographische Entwicklungsforschung<br />
25 Historische <strong>Geographie</strong> <strong>und</strong> Kulturlandschaftsforschung<br />
26 Aktuelle Forschungsfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Humangeographie</strong><br />
als intra- <strong>und</strong> interdisziplinäre<br />
Querschnittsaufgaben<br />
Teil VI<br />
Natur <strong>und</strong> Gesellschaft:<br />
Schnittfel<strong>der</strong> von <strong>Physische</strong>r<br />
<strong>Geographie</strong> <strong>und</strong> <strong>Humangeographie</strong><br />
15 Sozialgeographie<br />
16 <strong>Geographie</strong> des ländlichen Raumes<br />
17 Stadtgeographie<br />
18 Wirtschaftsgeographie<br />
19 <strong>Geographie</strong> des Handels <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
Dienstleistungen<br />
20 Freizeit- <strong>und</strong> Tourismusgeographie<br />
27 Natur <strong>und</strong> Kultur – eine Neubestimmung<br />
des Verhältnisses<br />
28 Global Change, Syndromkomplexe<br />
<strong>und</strong> globale Ressourcenkonflikte<br />
29 „Hazards“: Naturgefahren <strong>und</strong> Naturrisiken
Teil I<br />
„Raum“, „Region“ <strong>und</strong> „Zeit“:<br />
Kategorien <strong>und</strong> Forschungsfel<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Geographie</strong><br />
1 Räumliche Maßstäbe <strong>und</strong> Glie<strong>der</strong>ungen – von global bis lokal<br />
2 Raum <strong>und</strong> Zeit
Eine Katastrophe <strong>und</strong><br />
ihre geographische<br />
Relevanz<br />
Am 2. Weihnachtstag des Jahres 2004 ereignete sich in Süd- <strong>und</strong> Südostasien eine <strong>der</strong><br />
größten Naturkatastrophen <strong>der</strong> Neuzeit: Ein unterirdisches Seebeben vor Sumatra löste<br />
eine Riesenwelle, einen Tsunami aus, welcher innerhalb weniger St<strong>und</strong>en die Küstenregionen<br />
von Sri Lanka <strong>und</strong> Südindien, den Norden <strong>der</strong> Insel Sumatra, die Ferienparadiese<br />
auf <strong>der</strong> thailändischen Insel Phuket ebenso wie auf den Malediven überflutete. Über<br />
200 000 Menschen verloren ihr Leben, sehr viele mehr wurden obdachlos <strong>und</strong> verloren<br />
ihre Existenz, manche Küstenregionen werden für längere Zeit nahezu unbewohnbar sein.<br />
Ins Bewusstsein <strong>der</strong> europäischen Öffentlichkeit drang die Katastrophe – an<strong>der</strong>s als im<br />
Falle <strong>der</strong> Hunger- <strong>und</strong> Aids-Epidemien in Afrika – sehr rasch auch deshalb, weil Tausende<br />
von europäischen Urlaubern direkt davon betroffen waren <strong>und</strong> auch weil nicht wenige<br />
Menschen in Europa die überfluteten Ferienregionen aus eigener Anschauung kannten.<br />
Das räumlich Ferne wird dann emotional nah, wenn man im Fernsehen das „eigene“<br />
Ferienziel mit all seinen Zerstörungen sieht.<br />
Die große Hilfsbereitschaft <strong>der</strong> Menschen in Europa <strong>und</strong> Nordamerika, die zahllosen<br />
Spendenaktionen, hatten auch damit zu tun, dass es sich hier nicht um Folgen eines Bürgerkriegs<br />
o<strong>der</strong> einer „menschgemachten“ Katastrophe (wie bei <strong>der</strong> Aids-Epidemie) handelte,<br />
son<strong>der</strong>n um eine Naturkatastrophe, <strong>der</strong> die Menschen sozusagen „schuldlos“ ausgesetzt<br />
waren. Vielen wurde bewusst, auf welcher „geschützten“ Insel wir in Europa leben,<br />
selten behelligt von Wirbelstürmen, Flutkatastrophen, Vulkanausbrüchen <strong>und</strong> sonstigen<br />
natural Hazards. Menschen gerade in den tropischen Lebensräumen <strong>der</strong> Erde leben unter<br />
einem hohen „risk assessment“ durch Natureinflüsse <strong>und</strong> Krankheiten. Ihre häufig prekäre<br />
ökonomische Situation am Rand des Existenzminimums macht sie zusätzlich in hohem<br />
Maße „verw<strong>und</strong>bar“ gegenüber solchen Katastrophen. Die rasch einsetzende internationale<br />
Katastrophenhilfe war unverzichtbar, weil manche <strong>der</strong> betroffenen Staaten auch nur<br />
schwer in <strong>der</strong> Lage gewesen wären, diese aus eigener Kraft zu leisten.<br />
An<strong>der</strong>e Staaten wie Indien allerdings verwiesen darauf, dass sie durchaus in <strong>der</strong> Lage<br />
seien, <strong>der</strong> Katastrophe aus eigener Kraft Herr zu werden <strong>und</strong> verschleierten – relativ erfolgreich<br />
– vor <strong>der</strong> Weltöffentlichkeit die große Zahl an Opfern auf den abgelegenen Inselgruppen<br />
<strong>der</strong> Andamanen <strong>und</strong> Nikobaren. Indonesien wie<strong>der</strong>um war nicht begeistert vom in Aussicht<br />
gestellten Schuldenmoratorium, würde es doch die eben erst gewonnene Reputation<br />
des südostasiatischen Staates auf den internationalen Finanzmärkten gefährden.<br />
Einige <strong>der</strong> am schlimmsten betroffenen Regionen waren in den ersten Tagen nach <strong>der</strong><br />
Katastrophe nur schwer erreichbar, nicht zuletzt, weil es sich um „Rebellengebiete“ handelte,<br />
welche um Unabhängigkeit von <strong>der</strong> jeweiligen Zentralregierung kämpfen. Die tamilischen<br />
Gebiete auf Sri Lanka gehören ebenso dazu wie die Provinz Aceh auf Sumatra.<br />
Immerhin ruhten wenigstens in den ersten Wochen nach <strong>der</strong> Katastrophe die Waffen, <strong>und</strong><br />
die indonesische Regierung ließ – nach einigem Zögern – die ausländischen Hilfsorganisationen<br />
in die Region.<br />
Allerdings saßen die meisten Organisationen dann in <strong>der</strong> Stadt Banda Aceh fest. In die<br />
Katastrophengebiete an <strong>der</strong> Westküste zu gelangen, erwies sich als außerordentlich<br />
schwierig. Nur die vom amerikanischen Flugzeugträger USS Abraham Lincoln startenden<br />
Hubschrauber konnten Lebensmittelpakete abwerfen; dabei waren 13 000 US-Soldaten<br />
im Einsatz. Befremdend wirkte, dass die indonesische Führung ausländischen Truppen<br />
<strong>und</strong> Hilfskräften eine Frist von drei Monaten setzte <strong>und</strong> durch bewaffnete Militärs zunehmend<br />
<strong>der</strong>en Bewegungsfreiheit einschränkte. In diesem Augenblick höchster Not, so
4<br />
Einstieg<br />
sollte man meinen, müssten doch eigentlich alle an einem<br />
Strang ziehen.<br />
Gründe für die Probleme, wirksame Hilfsmaßnahmen in<br />
den Küstenregionen <strong>der</strong> Provinz Aceh umzusetzen, tauchten<br />
nach <strong>und</strong> nach in den Medien auf. Aceh ist seit 30 Jahren<br />
in einen Bürgerkrieg zwischen <strong>der</strong> muslimischen „Bewegung<br />
Freies Aceh“ (GAM) <strong>und</strong> <strong>der</strong> indonesischen Regierung<br />
verstrickt, bei dem Schätzungen zufolge inzwischen über<br />
12 000 Menschen getötet wurden. Auch nach <strong>der</strong> Weihnachtskatastrophe<br />
stellte die indonesische Armee ihre Aktivitäten<br />
nicht ein, son<strong>der</strong>n nutzte vielmehr die günstige<br />
Gelegenheit für verstärkte Angriffe. In den ersten drei<br />
Wochen nach <strong>der</strong> Katastrophe sollen bei 86 Einsätzen<br />
208 Rebellen getötet worden sein.<br />
Wo liegen die Gründe dafür? Die Provinz ist trotz ihrer<br />
Randlage für den indonesischen Staat sehr wichtig. Sie liegt<br />
an <strong>der</strong> Straße von Malakka <strong>und</strong> damit an einer <strong>der</strong> Hauptschifffahrtsrouten<br />
<strong>der</strong> Welt. Hier entlang läuft ein Großteil<br />
<strong>der</strong> Ölversorgung <strong>der</strong> Industriegiganten Japan, Südkorea<br />
<strong>und</strong> Taiwan, in Gegenrichtung verschiffen diese Staaten wie<br />
auch China ihre Exporte nach Europa. Überdies stammen<br />
ein Großteil <strong>der</strong> Erdöl- <strong>und</strong> Gasvorkommen des Landes aus<br />
Aceh; <strong>der</strong> indonesische Staat verdient allein aus <strong>der</strong> Erdgasför<strong>der</strong>ung<br />
über 1 Milliarde US-Dollar im Jahr. Neu war<br />
sicher für viele Nachrichtenhörer, dass in diesem Geschäft<br />
vor allem die amerikanische Firma Exxon Mobil Corp. engagiert<br />
ist, die quasi ein Monopol auf die För<strong>der</strong>ung hat. R<strong>und</strong><br />
5 000 Mitarbeiter beschäftigt sie in <strong>der</strong> Region, was ein<br />
etwas an<strong>der</strong>es Licht auf die große Bereitschaft <strong>der</strong> amerikanischen<br />
Militärs wirft, hier mit Hilfsmaßnahmen tätig zu<br />
werden. Die Unabhängigkeitsbestrebungen <strong>der</strong> GAM haben<br />
ganz wesentlich damit zu tun, die reichen Ressourcen <strong>der</strong><br />
Region in die eigene Verfügungsgewalt zu bekommen <strong>und</strong><br />
einen islamischen Staat errichten zu können. Die vielen Helfer<br />
in Aceh störten das indonesische Militär auch deshalb,<br />
weil Teile <strong>der</strong> Armee am Guerillakrieg verdienen. Nur zu<br />
etwa einem Drittel, so wird geschätzt, bezieht das Militär<br />
seine Mittel aus dem Staatshaushalt, den Rest aus legalen<br />
wie illegalen Geschäften, unter an<strong>der</strong>em durch die Stellung<br />
von Wach- <strong>und</strong> Schutzdiensten für den US-Ölmulti Exxon<br />
zum Schutz gegen die Rebellen o<strong>der</strong> durch illegalen Einschlag<br />
von Edelhölzern im Norden Sumatras. Natürlich<br />
boten auch die internationalen Hilfsmaßnahmen die Chance,<br />
hier durch Korruption mitzuverdienen, doch scheint <strong>der</strong><br />
erwartbare (politische) Schaden den Nutzen überwogen zu<br />
haben. Immerhin wurde <strong>der</strong> Gouverneur von Aceh, welcher<br />
eigentlich Koordinator <strong>der</strong> Hilfsmaßnahmen hätte sein sollen,<br />
zum Jahresende 2004 seines Amtes enthoben <strong>und</strong><br />
wegen Korruption angeklagt.<br />
So in etwa sahen die Informationen aus, die ein interessierter<br />
Leser in Europa im Januar <strong>und</strong> Februar 2005 den<br />
Medien entnehmen konnte.<br />
Was hat das alles mit <strong>Geographie</strong> zu tun? <strong>Geographie</strong> ist<br />
wie keine an<strong>der</strong>e Wissenschaft dazu befähigt, die vielfach<br />
miteinan<strong>der</strong> verknüpften Problemlagen einer Katastrophe<br />
wie des Tsunamis in Süd- <strong>und</strong> Südostasien in ihren vielfältigen<br />
Facetten <strong>und</strong> Handlungsdimensionen umfassend zu<br />
verstehen: als geotektonischen Vorgang, Naturkatastrophe,<br />
medizinisches Problem, als Problem <strong>der</strong> Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
von Bevölkerungsgruppen, von religiösen Gegensätzen o<strong>der</strong><br />
politischen Konflikten, eingebettet in globale Wirtschaftsverflechtungen<br />
<strong>und</strong> so weiter.<br />
Addis<br />
Abeba<br />
Eritrea<br />
Asmara<br />
Äthiopien<br />
Kenia<br />
2/50<br />
Nairobi<br />
Tansania<br />
10/20<br />
Daressalam<br />
540<br />
510<br />
Sana<br />
Dschibuti<br />
Dschibuti<br />
480<br />
Saudi-Arabien<br />
Jemen<br />
Somalia<br />
150/5 000<br />
Mogadischu<br />
450<br />
420<br />
390<br />
Oman<br />
360<br />
Maskat<br />
Victoria<br />
Seychellen<br />
10/150<br />
Arabisches<br />
Meer<br />
330<br />
Lakkadiven<br />
(Indien)<br />
Malediven<br />
100/21 700<br />
I n d i s c h e r<br />
300<br />
270<br />
240<br />
210<br />
Indien<br />
(nur Festland)<br />
8 920/629 200<br />
Machilipatnam<br />
Male<br />
Colombo<br />
Galle<br />
Madras<br />
Cuddalore<br />
Tschagos-Inseln (G.-B.)<br />
Kalkutta<br />
Visakhapatnam<br />
Mullaittivu<br />
O z e a n<br />
180<br />
150<br />
Rangun<br />
Malaysia<br />
70/8 000<br />
Kuala<br />
Lumpur Singapur<br />
Indonesien<br />
118 500/695 000<br />
Andamanen/<br />
6,6<br />
Nikobaren<br />
(Indien)<br />
5,9<br />
7 400/<br />
17 500 7,1<br />
5,8<br />
Sri Lanka<br />
5,7<br />
36 900/<br />
5,8<br />
504 000<br />
9,0<br />
120<br />
Golf von<br />
Bengalen<br />
90<br />
60<br />
10<br />
30<br />
Äquator<br />
10<br />
Khao Lak<br />
Phuket<br />
Banda<br />
Aceh<br />
Hanoi<br />
Laos<br />
Vientiane<br />
Bangkok<br />
30<br />
Phnom Penh<br />
Thailand<br />
8 700/30 000<br />
Bangla- Myanmar<br />
desch2/–<br />
60/<br />
3 200<br />
Vietnam<br />
Kambodscha<br />
180<br />
Jakarta<br />
0 500<br />
1 000 km<br />
Plattengrenzen<br />
9,0<br />
90<br />
5,8<br />
Hauptbeben am 26.12.2004<br />
um ca. 8 Uhr Ortszeit<br />
mit Stärke auf <strong>der</strong> Richterskala<br />
Nachbeben<br />
Ausbreitung <strong>der</strong> Flutwelle<br />
in Minuten<br />
Flutwelle/Zerstörung:<br />
2 bis über 10m Höhe, sehr starke Zerstörung<br />
1 bis über 2m Höhe, starke Zerstörung<br />
bis 1m Höhe, mäßige Zerstörung<br />
8 700/30 000<br />
Todesopfer o<strong>der</strong> Vermisste/Obdachlose<br />
(Schätzungen)<br />
Abb. 1 Von <strong>der</strong> Tsunami-Welle betroffene Küstenregionen in Süd- <strong>und</strong> Südostasien (verän<strong>der</strong>t nach Geographische R<strong>und</strong>schau,<br />
Bd. 57, H. 4).
Einstieg 5<br />
Indien<br />
Golf von<br />
Mannar<br />
Indischer Ozean<br />
Sri Lanka<br />
Colombo<br />
Yala-<br />
Nationalpark<br />
Hauptsiedlungsgebiet<br />
<strong>der</strong> Tamilen<br />
100 km<br />
Abb. 2 Tamilengebiete auf Sri Lanka (verän<strong>der</strong>t nach Spiegel<br />
vom 10.1.2005).<br />
<strong>Geographie</strong> ist eine <strong>der</strong> wenigen Wissenschaften, welche<br />
naturwissenschaftliche Fragestellungen (z. B. Ursache von<br />
Naturkatastrophen) mit gesellschaftlichen Problemstellungen<br />
(unterschiedliche Folgen von Katastrophen in verschiedenen<br />
Staaten <strong>und</strong> Regionen) verknüpfen.<br />
<strong>Geographie</strong> ist eine <strong>der</strong> wenigen Wissenschaften, welche<br />
die unterschiedlichen Maßstabsebenen von global bis<br />
lokal miteinan<strong>der</strong> verknüpft, das heißt, die globale Umweltsituation<br />
<strong>und</strong> die ökologische Zukunft unseres Planeten<br />
ebenso in den Blick nimmt wie die alltägliche Armut <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong>en Bestimmungsgründe in einem Dorf <strong>der</strong> „Dritten“<br />
Welt. <strong>Geographie</strong> handelt von <strong>der</strong> Erklärung <strong>und</strong> vom Verständnis<br />
<strong>der</strong> Abhängigkeiten <strong>und</strong> Wechselbeziehungen zwischen<br />
Standorten <strong>und</strong> Räumen, sie befasst sich mit <strong>der</strong><br />
räumlichen Organisation menschlichen Handelns <strong>und</strong> den<br />
Beziehungen zwischen Gesellschaft <strong>und</strong> Umwelt.<br />
<strong>Geographie</strong> lebt damit vom Perspektivenwechsel. Geographen<br />
versetzen sich in an<strong>der</strong>e Rollen; sie dekonstruieren<br />
viele Vorurteile unseres alltäglichen „Weltbildes“, all die<br />
Vorstellungen des kulturell „Eigenen“ <strong>und</strong> des „Fremden“.<br />
Geographisches Wissen erlaubt damit eine kritische Reflexion<br />
vieler in den Medien vermittelter Vorstellungen <strong>und</strong><br />
ermöglicht politisches Engagement. Die <strong>Geographie</strong> stellt<br />
anwendungsorientiertes Wissen zum Umgang mit natürlichen<br />
wie politischen Ereignissen bereit, seien es nun<br />
Naturkatastrophen o<strong>der</strong> die politischen Großereignisse<br />
unserer Gegenwart (internationaler Terrorismus).<br />
<strong>Geographie</strong> ist eine <strong>der</strong> wenigen Wissenschaften, welche<br />
aktuelle Ereignisse mit langfristigen Entwicklungen verknüpft,<br />
beispielsweise die aktuelle Flutkatastrophe mit lang<br />
andauernden tektonischen Prozessen <strong>und</strong> Verän<strong>der</strong>ungen<br />
auf unserem Planeten (Stichwort Global Change). <strong>Geographie</strong><br />
hat auch auf <strong>der</strong> „Zeitschiene“ einen „langen Atem“,<br />
Prozesse von geographischer Relevanz reichen von kurzfristigen<br />
Ereignissen – seien dies katastrophenartige natürliche<br />
Prozesse wie Vulkanausbrüche, Lawinen, Wirbelstürme<br />
o<strong>der</strong> kurzatmige kulturelle „Events“ einer Konsum<strong>und</strong><br />
Freizeitgesellschaft – bis hin zu den langsamen Entwicklungen,<br />
beispielsweise ökonomischen Entwicklungszyklen<br />
<strong>der</strong> Menschheit, langen geschichtlichen Phasen <strong>der</strong><br />
Entwicklung von Städten, globalen klimatischen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
o<strong>der</strong> aber <strong>der</strong> Prozesse <strong>der</strong> Formung <strong>der</strong> Erdoberfläche.<br />
Eine zentrale Rolle spielt dabei <strong>der</strong> Raum. Dieser wird als<br />
genuiner Forschungsgegenstand unserer Disziplin für die<br />
Menschen <strong>und</strong> ihre Gesellschaft auf unterschiedlichen Ebenen<br />
relevant. Er ist sozusagen mehrdeutig.<br />
Raum ist einerseits <strong>und</strong> zunächst die materielle Anordnung<br />
unserer natürlichen <strong>und</strong> anthropogenen Umwelt. Auf<br />
dieser Ebene fragen Geographen danach, warum sich wo<br />
welche Dinge ereignen <strong>und</strong> interpretieren räumliche Muster,<br />
sie versuchen gleichartige o<strong>der</strong> verschiedenartige<br />
Räume voneinan<strong>der</strong> abzugrenzen. Dabei kann es sich um<br />
primär naturwissenschaftlich definierte Räume handeln<br />
(naturräumliche Glie<strong>der</strong>ung, Landschaften) o<strong>der</strong> aber um<br />
wirtschafts- <strong>und</strong> sozialräumliche Einheiten o<strong>der</strong> aber politische<br />
Räume. Die <strong>Geographie</strong> versucht dabei, die Welt o<strong>der</strong><br />
Teile von ihr in Gedanken räumlich zu ordnen, um sie übersichtlicher<br />
<strong>und</strong> verstehbarer zu machen.<br />
Der Raum ist für die <strong>Geographie</strong> aber noch mehr als eine<br />
Art strukturelle Ordnungsmatrix. Räume sind in mannigfaltiger<br />
Weise aufgeladen mit symbolischer Bedeutung, das<br />
heißt, sie haben eine Funktion, die über die physisch-materielle<br />
Struktur hinausweist. Auschwitz ist eben nicht nur ein<br />
Dorf in Südwestpolen, New York nicht nur eine große Stadt<br />
an <strong>der</strong> Ostküste <strong>der</strong> USA. Architekten <strong>und</strong> Bauherren beispielsweise<br />
haben zu allen Zeiten nicht nur gebaut, son<strong>der</strong>n<br />
in ihren Bauten Bedeutung zu evozieren <strong>und</strong> Macht zu symbolisieren<br />
versucht, angefangen von den Prachtbauten im<br />
alten Rom bis zu den monströsen Stadtplanungen eines<br />
Albert Speer im Nationalsozialismus. Auch in mittelalterlichen<br />
Domen <strong>und</strong> Kirchen o<strong>der</strong> in den „Kathedralen <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>ne“, den hoch aufstrebenden World Trade Centers<br />
o<strong>der</strong> Banktürmen in New York <strong>und</strong> Frankfurt, ist Macht<br />
kodiert. Der Streit in Berlin um den Abriss des ehemaligen<br />
Palastes <strong>der</strong> Republik <strong>und</strong> den möglichen Wie<strong>der</strong>aufbau des<br />
Berliner Stadtschlosses zeigt, wie hier Raum symbolisch<br />
„instandbesetzt“ wird. Hier geht es nicht um Sandsteinsockel,<br />
Betonqua<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Flachdächer, son<strong>der</strong>n um die<br />
symbolische Bedeutung von Raum. Raum ist mit seiner vielfältigen<br />
symbolischen Bedeutung nicht nur ein Medium<br />
sozialer Kommunikation, er ist unverzichtbarer Baustein<br />
gesellschaftlicher Strukturierung <strong>und</strong> Identität.<br />
Im Folgenden werden die beiden zentralen Kategorien<br />
<strong>der</strong> <strong>Geographie</strong>, „Raum <strong>und</strong> Zeit“, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Umgang mit<br />
ihnen etwas näher beleuchtet.
Inversion am Rande des Oberrheingrabens. Kalte Luftmassen fließen, dem Relief folgend, in die Täler ab. Während sich in den<br />
Tieflagen unter <strong>der</strong> Wolkenschicht in <strong>der</strong> „dicken Suppe“ nach <strong>und</strong> nach aufgr<strong>und</strong> von Emissionen Schadstoffe anreichern<br />
können, herrscht über <strong>der</strong> Inversionsgrenze strahlen<strong>der</strong> Sonnenschein (Foto: S. Glaser).
Kapitel 8<br />
Klimageographie<br />
Kaum ein geographischer Themenkreis ist so im öffentlichen <strong>und</strong> politischen Meinungsbild<br />
verankert wie Klima, Klimaän<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> anthropogener Treibhauseffekt.<br />
Neben <strong>der</strong> Frage nach dem zukünftigen Trend von Temperatur <strong>und</strong> Nie<strong>der</strong>schlag<br />
interessiert vor allem die nach <strong>der</strong> Entwicklung von Extremen wie Stürmen, Überschwemmungen<br />
<strong>und</strong> Dürren, die in den letzten Jahren gehäuft aufgetreten sind. In<br />
Gremien wie dem IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) forschen<br />
Stäbe von Wissenschaftlern an Klimaszenarien <strong>und</strong> bemühen Modelle für unsere<br />
klimatische Zukunft. Wie fallen diese aus? Wie werden sich die Folgen des Klimawandels<br />
regional auswirken? Diese Fragen interessieren neben Klimatologen vor<br />
allem auch Ökonomen, Rückversicherungsgesellschaften <strong>und</strong> Politiker, die versuchen,<br />
Handlungs- <strong>und</strong> Anpassungsstrategien abzuleiten, um die möglichen Folgen<br />
bewältigen zu können. An<strong>der</strong>e Inhalte des Klimadiskurses umfassen die Wahrnehmung,<br />
den Umgang in den Medien o<strong>der</strong> aber auch die Fragen nach den technischen<br />
Pufferungsstrategien o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Risikoabschätzung. Und schließlich sind Wetter, Witterung<br />
<strong>und</strong> Klima <strong>der</strong> Stoff, aus dem Drehbücher, literarische Vorlagen <strong>und</strong> Songtexte<br />
sind, wie in den Erfolgstreifen „The Day after Tomorrow“ o<strong>der</strong> „Twister“.<br />
Was ist dabei spezifisch geographisch? Während sich die Meteorologie als Physik<br />
<strong>der</strong> Atmosphäre versteht, beschäftigt sich die Klimageographie explizit mit den<br />
Wirkungen des Klimas auf die Erdoberfläche <strong>und</strong> den Menschen sowie den räumlichen<br />
Mustern. Nicht zuletzt wegen <strong>der</strong> übergreifenden natur- <strong>und</strong> geisteswissenschaftlichen<br />
Struktur ist die <strong>Geographie</strong> daher beson<strong>der</strong>s geeignet, die heute so<br />
wichtige Facette des climatic impact inhaltlich zu füllen. Als ein Spezifikum <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong><br />
kann die regionale Perspektive angesehen werden. Dabei stellen in <strong>der</strong><br />
großräumigen globalen Betrachtung Klimaklassifikationen einen gewissen Schwerpunkt<br />
dar. Wesentlich waren <strong>und</strong> sind auch die Konzepte zur allgemeinen planetarischen<br />
Zirkulation <strong>und</strong> die heute weit verbreiteten Arbeiten zur Zirkulationsdynamik<br />
sowie zum Klimawandel. Eine weitere Spezifikation ist die Paläoklimatologie,<br />
das heißt <strong>der</strong> Rekonstruktion des Klimas auf verschiedenen zeitlichen <strong>und</strong> räumlichen<br />
Ebenen. Breiten Raum nahmen auch die Arbeiten zur Stadtklimatologie ein.<br />
Schließlich sind die noch vergleichsweise selteneren Arbeiten zur Wahrnehmung<br />
von Klimaphänomenen zu erwähnen. Alles in allem kann festgehalten werden, dass<br />
die Klimageographie wohl in einigen Bereichen eine Schnittmenge mit <strong>der</strong> Meteorologie<br />
bildet, dabei aber schon immer eigene Akzente <strong>und</strong> weiterführende Facetten<br />
entwickeln konnte.
8<br />
8<br />
8 Klimageographie<br />
8.1 Definitionen, Probleme,<br />
Forschungsfel<strong>der</strong><br />
<strong>und</strong> Aufgaben<br />
Rüdiger Glaser<br />
Dass Klima mit <strong>der</strong> Sonne bzw. mit den im Jahresverlauf<br />
wechselnden Einfallswinkeln <strong>der</strong> Sonnenstrahlen zu tun<br />
hat, war bereits prähistorischen Kulturen bekannt.<br />
Offensichtlich standen die Beobachtung <strong>der</strong> Sonnenbahn<br />
<strong>und</strong> die Kenntnisse um bestimmte Fixpunkte des Jahres<br />
bereits früh im Mittelpunkt des Interesses. Aus ihnen<br />
konnten wichtige Termine beispielsweise für das Ausbringen<br />
<strong>der</strong> Saat <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Bearbeitungsphasen bestimmt<br />
werden, was für agrare Gesellschaften überlebensnotwendig<br />
war <strong>und</strong> oft als göttliches Wissen angesehen<br />
wurde. So finden sich in Stonehenge o<strong>der</strong> in den Gräbern<br />
von Newgrange in Großbritannien ebenso wie in<br />
Casa Grande (Abb. 8.1.1) im Südwesten <strong>der</strong> USA entsprechende<br />
bauliche Einrichtungen. In Thüringen wird<br />
<strong>der</strong>zeit ein 7 000 Jahre altes Sonnenobservatorium rekonstruiert,<br />
nicht weit von dem Sensationsf<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
Himmelscheibe von Nebra, die sich ebenfalls in diese<br />
Reihe einstellen lässt. Die beson<strong>der</strong>e Bedeutung klimatologischen<br />
Wissens für die seefahrenden Nationen <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong>en imperiale Großreiche versteht sich von selbst.<br />
Von Hippokrates (460 bis 375 v. Chr.) wurde <strong>der</strong><br />
Begriff Klima aus dem Griechischen für „sich neigen“<br />
abgeleitet. Aus dem frühen antiken Klimabegriff entwickelte<br />
man nach <strong>und</strong> nach griffigere Definitionen.<br />
Alexan<strong>der</strong> von Humboldt (1767–1835) vermerkte unter<br />
Klima: „Alle Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Atmosphäre, von<br />
denen unsere Organe merklich affiziert werden […] Die<br />
Temperatur, die Feuchtigkeit, die Verän<strong>der</strong>ungen des<br />
barometrischen Druckes, <strong>der</strong> ruhige Luftzustand o<strong>der</strong><br />
die Wirkungen ungleichnamiger Winde, die Ladung<br />
o<strong>der</strong> die Größe <strong>der</strong> elektrischen Spannung, die Reinheit<br />
<strong>der</strong> Atmosphäre o<strong>der</strong> ihre Vermengung mit mehr<br />
o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> unges<strong>und</strong>en Gasaushauchungen.“ In dieser<br />
stark auf den Menschen bezogenen Definition kommen<br />
schon mehrere Aspekte zum Tragen, die auch von<br />
Schouw (1789-1852) für die Unterscheidung von Meteorologie<br />
<strong>und</strong> Klimatologie angeführt wurden. Danach<br />
versteht man unter Meteorologie „die Lehre von den<br />
Beschaffenheiten <strong>der</strong> Atmosphäre im Allgemeinen“ <strong>und</strong><br />
weist es als Teilgebiet <strong>der</strong> Geophysik aus. Unter Klimatologie<br />
wird hingegen eine „geographische Meteorologie“<br />
verstanden, die „als Lehre von den Beschaffenheiten <strong>der</strong><br />
Atmosphäre in den verschiedenen Erdteilen“ Teil <strong>der</strong><br />
<strong>Physische</strong>n <strong>Geographie</strong> ist.<br />
Im Laufe <strong>der</strong> Zeit hat sich eine ganze Kaskade von<br />
Begrifflichkeiten herausgebildet. Zu den wesentlichen<br />
zählt dabei die viel zitierte Trilogie „Wetter, Witterung<br />
<strong>und</strong> Klima“. Unter Wetter wird dabei <strong>der</strong> augenblickliche<br />
Zustand <strong>der</strong> Atmosphäre als Zusammenwirken<br />
meteorologischer Messgrößen verstanden. Im Begriff<br />
Witterung spiegelt sich <strong>der</strong> allgemeine Charakter des<br />
Wetterablaufs über eine längere Beobachtungszeit von<br />
wenigen Tagen bis Monaten. Dies kommt in umgangssprachlichen<br />
Begriffen wie „milde Frühjahrswitterung“<br />
o<strong>der</strong> „heiße Sommerwitterung“ zum Ausdruck. Dieser<br />
Begriff ist damit bereits geprägt durch einen mittleren<br />
vorherrschenden Gr<strong>und</strong>charakter über einen längeren<br />
Zeitraum. Dem gegenüber betont <strong>der</strong> Begriff Klima in<br />
<strong>der</strong> klassischen Klimatologie den mittleren Zustand<br />
<strong>und</strong> gewöhnlichen Verlauf <strong>der</strong> Witterung an einem Ort.<br />
Wladimir Köppen (1846–1940) hat bereits sinnigerweise<br />
vermerkt: „Die Witterung än<strong>der</strong>t sich, während<br />
das Klima bleibt.“ Es handelt sich also um einen Begriff,<br />
<strong>der</strong> als klassische Mittelwertsklimatologie auf einen lan-<br />
Abb. 8.1.1 Casa Grande südöstlich<br />
von Phönix in Arizona, USA. Das vier<br />
Stockwerke hohe „Große Haus“ bildet<br />
das Zentrum einer Anlage, die in die<br />
späte Hohokam-Periode (vermutlich<br />
14. Jahrh<strong>und</strong>ert) datiert wird. Wahrscheinlich<br />
diente dieses Haus als<br />
Observatorium, da seine Wände nach<br />
den Himmelsrichtungen ausgerichtet<br />
sind <strong>und</strong> verschiedene Öffnungen in<br />
den Mauern mit markanten Mond<strong>und</strong><br />
Sonnenstellungen wie dem<br />
Sommersolstitium übereinstimmen<br />
(Foto: R. Glaser).
8.1 Definitionen, Probleme, Forschungsfel<strong>der</strong> <strong>und</strong> Aufgaben 9<br />
8<br />
gen Zeitraum von so genannten Standardperioden von<br />
30 Jahren, zum Beispiel 1951 bis 1980, abhebt.<br />
Neben dieser Mittelwertsklimatologie wird auch von<br />
einer synoptischen Klimatologie gesprochen. Darunter<br />
versteht man die Abfolge typischer Witterungslagen<br />
während eines längeren Zeitraums. Als synoptische<br />
Gr<strong>und</strong>einheiten werden Luftmassen, Fronten, Druckgebilde<br />
<strong>und</strong> Großwetterlagen herangezogen.<br />
Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> numerischen Behandlung<br />
wird auch von „klimatischen Gegebenheiten“ (climatic<br />
state) gesprochen. Klimatische Größen werden<br />
dabei in definierten Zeiteinheiten innerhalb eines langfristigen<br />
Bezugsrahmens mit Größen wie Streuung,<br />
Häufigkeitsverteilung, Extremwerten aber auch Sturmfluten<br />
<strong>und</strong> Hochwässern in Beziehung gebracht.<br />
Zu den heute zentralen Begriffen <strong>der</strong> Klimaschwankungen<br />
<strong>und</strong> Klimaän<strong>der</strong>ungen lieferte bereits Conrad<br />
(1936) folgende Definition: „Unter Klima verstehen wir<br />
den mittleren Zustand <strong>der</strong> Atmosphäre über einem<br />
bestimmten Erdort, bezogen auf eine bestimmte Zeitepoche<br />
mit Rücksicht auf die mittleren <strong>und</strong> extremen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen, denen die zeitlich <strong>und</strong> örtlich definierten<br />
atmosphärischen Zustände unterworfen sind.“ Oft<br />
werden die Klimaschwankungen <strong>und</strong> Klimaän<strong>der</strong>ungen<br />
mit Normal- <strong>und</strong> Standardperioden in Beziehung<br />
gesetzt. Überschreiten die beobachteten Werte definierte<br />
Grenzwerte dieser Bezugsperioden, beispielsweise mehrfache<br />
Standardabweichungen, dann wird von einer Klimaän<strong>der</strong>ung<br />
gesprochen.<br />
Die Klimatologie lässt sich auch nach verschiedenen<br />
Arbeitsgebieten beschreiben. So unterscheidet man<br />
neben einer allgemeinen eine spezielle <strong>und</strong> eine regionale<br />
(Abb. 8.1.2). Während in <strong>der</strong> allgemeinen Klimatologie<br />
Klima als statische Größe behandelt wird mit <strong>der</strong><br />
separativen (d. h. getrennten) Behandlung <strong>der</strong> Einzelelemente,<br />
finden sich in <strong>der</strong> speziellen Klimatologie<br />
viele angewandte Bereiche, etwa die Bio- o<strong>der</strong> Agrarklimatologie<br />
sowie eine synoptische <strong>und</strong> dynamische<br />
Sicht des Klimas. Die regionale Klimatologie thematisiert<br />
hingegen individuelle Erdräume <strong>und</strong> die regionale<br />
Differenzierung globaler Prozesse <strong>und</strong> Phänomene.<br />
Auch die räumlichen Dimensionen finden sich in verschiedenen<br />
Begrifflichkeiten wie<strong>der</strong>. Im Rahmen <strong>der</strong><br />
Mikroklimatologie werden kleinräumige Wirkungen an<br />
<strong>der</strong> Erdoberfläche analysiert, wobei vor allem das Klima<br />
<strong>der</strong> bodennahen Luftschicht von beson<strong>der</strong>em Interesse<br />
ist (Geiger 1961). Demgegenüber behandelt die Mesoklimatologie<br />
Hang- <strong>und</strong> Talwindsysteme, Land-Seewind-Systeme<br />
sowie das Stadtklima. Letztlich Vorgänge<br />
<strong>und</strong> Erscheinungsformen, die stark von <strong>der</strong> Geländetopographie<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> Beschaffenheit <strong>der</strong> Erdoberfläche<br />
geprägt sind. Die Makroklimatologie hat hingegen<br />
großräumige Bewegungsvorgänge in <strong>der</strong> Atmosphäre<br />
zum Gegenstand. Hier sind vor allem die allgemeine Zirkulation<br />
sowie globale <strong>und</strong> zonale Betrachtungsweisen<br />
angesiedelt (Abb. 8.1.3).<br />
Als Klimaelemente werden die physikalisch messbaren<br />
Erscheinungen <strong>der</strong> Atmosphäre wie Temperatur,<br />
Luftdruck o<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schlag bezeichnet, während Klimafaktoren<br />
das Klima beeinflussende Größen sind, wie<br />
die Erdbahnparameter, Solarstrahlung, aber auch die<br />
Höhenlage o<strong>der</strong> Luv- <strong>und</strong> Leelagenwirkungen.<br />
Klimatologie<br />
allgemeine Klimatologie spezielle Klimatologie regionale Klimatologie<br />
separative Klimatologie<br />
Gr<strong>und</strong>lagen <strong>der</strong> synoptischen<br />
<strong>und</strong> dynamischen Klimatologie<br />
synoptische <strong>und</strong> dynamische<br />
Klimatologie<br />
natürliche Klimaschwankungen,<br />
anthropogene Klimamodifikationen<br />
Klimatologie individueller<br />
Erdräume<br />
regionale Differenzierung<br />
globaler Prozesse <strong>und</strong> Phänomene<br />
angewandte Klimatologie<br />
Klima als statische Größe;<br />
separative Behandlung <strong>der</strong><br />
Einzelelemente<br />
etwa Bio- <strong>und</strong> Agrarklimatologie,<br />
Hydroklimatologie<br />
Zusammenhang <strong>der</strong> Einzelelemente<br />
in typischer Kombination in<br />
dynamischen Systemen;<br />
synoptische Gr<strong>und</strong>einheiten<br />
(Luftmassen, Fronten, Druckgebilde,<br />
Großwetterlagen)<br />
Abb. 8.1.2 Arbeitsgebiete <strong>der</strong> Klimatologie.
8<br />
10<br />
8 Klimageographie<br />
80°<br />
Purga<br />
60°<br />
Santa Ana<br />
Chinook<br />
Mistral<br />
Föhn Bora<br />
Ghibli<br />
Bora Chamsin<br />
Cape Doctor<br />
Haboob<br />
Shamal<br />
Belat<br />
Bat Hiddan<br />
Afghanetz<br />
Hurrikane<br />
40°<br />
Chubasco<br />
Chubasco<br />
Blizzards<br />
Marajos<br />
Zonda Pampero<br />
40°<br />
20°<br />
Taifune<br />
Cordonasos<br />
Friagem<br />
Bengalenzyklone<br />
Äquator<br />
Mauritius-Orkane<br />
60°<br />
160°W 120°<br />
80°<br />
40°<br />
0°<br />
40° 80° 120° 160°E<br />
Risiko tropischer Wirbelstürme<br />
(Windstärke ≥8 (Beaufort-Skala)<br />
0,1 bis 2 pro Jahr<br />
Hagelschwerpunkt<br />
Hauptwindrichtung <strong>und</strong> Bezeichnung<br />
regionaler Stürme<br />
Monsunsturmhäufigkeit<br />
Gewittertage >100 pro Jahr<br />
El Niño-Folgen<br />
Starknie<strong>der</strong>schlag, Überschwemmung<br />
Trockenheit, Dürre<br />
Erwärmung <strong>der</strong> Meeresoberfläche 1–2°C<br />
Erwärmung <strong>der</strong> Meeresoberfläche >2°C<br />
Außertropische Stürme/Winterstürme<br />
erhöhte Gefährdung durch außertropische<br />
Stürme, überwiegend im Winter<br />
Hauptzugbahnen außertropischer Stürme<br />
Klimawandel<br />
<strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Naturgefahren<br />
kritischer Meeresspiegelanstieg<br />
Packeis<br />
Grenze <strong>der</strong> Eisbergvorstöße<br />
Abb. 8.10.4 Weltkarte atmosphärischer Gefahren (verän<strong>der</strong>t nach Münchener Rückversicherung 1998).
8.10 Atmosphärische Gefahren 11<br />
8<br />
Exkurs 8.10.1<br />
„Katrina“ – <strong>der</strong> verheerendste Hurrikan<br />
in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> USA<br />
Abb. 1 Hurrikan „Katrina“ am 28. August 2005 um 17 Uhr<br />
UTC (Image courtesy of MODIS Rapid Response Project at<br />
NASA/GSFC).<br />
Am 29. August 2005 traf <strong>der</strong> Hurrikan „Katrina“ auf die<br />
Küste <strong>der</strong> US-Staaten Louisiana <strong>und</strong> Mississippi. Die Wasseroberflächentemperaturen<br />
von zirka 30°C im Golf von<br />
Mexiko lieferten die latente Energie für die darüber streichenden<br />
Luftmassen. Sintflutartige, tagelang anhaltende<br />
Nie<strong>der</strong>schläge, extreme Luftdruckgegensätze sowie Windgeschwindigkeiten<br />
von bis zu 230 km/h waren die Folge. Im<br />
Zentrum eines solchen Tiefdrucksystems führt <strong>der</strong> durch<br />
die Rotation zusätzlich abgesenkte Luftdruck in <strong>der</strong> Höhe<br />
zum Absinken von Luftmassen <strong>und</strong> zur Wolkenauflösung<br />
(„Auge des Zyklons“). An Küsten wird das Meereswasser<br />
durch die Orkanwinde zu mehrere Meter hohen Brechern<br />
aufgepeitscht. Bei „Katrina“ erreichte die Sturmflut bis zu<br />
7m Höhe <strong>und</strong> ließ die Dämme des nördlich von New Orleans<br />
gelegenen Pontchartrain-Sees brechen. Die unter dem Meeresniveau<br />
im Mississippi-Delta gelegene, eingedeichte Stadt<br />
wurde großflächig überflutet. Trotz <strong>der</strong> angeordneten Evakuierung<br />
entlang von „Hurricane Escape Ways“ waren über<br />
1000 Opfer zu beklagen <strong>und</strong> übertraf das Ausmaß <strong>der</strong> Katastrophe<br />
alle Vorstellungen. Ganze Ortschaften, wie beispielsweise<br />
die Stadt Biloxi, wurden durch die Gewalt <strong>der</strong><br />
Windböen o<strong>der</strong> durch Überflutungen zerstört. In <strong>der</strong> Jazzmetropole<br />
musste zur Unterbindung von Plün<strong>der</strong>ungen gar<br />
das Kriegsrecht verhängt werden. Die Beschädigung zahlreicher<br />
Bohrplattformen im Golf von Mexiko ließ den Rohölpreis<br />
innerhalb von einer Woche um 30 Prozent auf bisher<br />
unbekannte Höhen steigen.<br />
Beim Auftreffen auf die Küste war „Katrina“ bereits zu<br />
einem Hurrikan <strong>der</strong> Kategorie 4 (Tab. 1) abgeflaut. Nur<br />
wenige Wochen später, am 24. September, erreichte „Rita“<br />
als Hurrikan <strong>der</strong> Kategorie 3 westlich von New Orleans bei<br />
Port Arthur die texanische Golfküste. Erneut brachen in New<br />
Orleans die gerade geflickten Dämme; in Galveston kam es<br />
durch zerstörte Stromleitungen <strong>und</strong> Kurzschlüsse zu Großbränden.<br />
Etwa ein Viertel <strong>der</strong> US-amerikanischen Raffineriekapazität<br />
war durch vorsorgliche Schließung <strong>der</strong> Werke<br />
lahm gelegt. Voraus gegangen war die mit 3 Millionen<br />
Personen größte Evakuierungsaktion <strong>der</strong> amerikanischen<br />
Geschichte; denn „Rita“ war im Golf von Mexiko zum drittstärksten,<br />
seit 1851 beobachteten tropischen Zyklon angewachsen.<br />
Wenig später zerstörte Hurrikan „Wilma“ die mexikanische<br />
Touristenmetropole Cancún. Noch nie wurden in<br />
<strong>der</strong> Karibik so viele Hurrikane gezählt wie im Jahr 2005. Die<br />
Hurrikansaison dauerte bis in den Dezember hinein <strong>und</strong> die<br />
Anfangsbuchstaben des lateinischen Alphabets reichten für<br />
die Namensgebung nicht aus.<br />
Kategorie Maximale Wind- Druck im Zentrum Höhe <strong>der</strong><br />
geschwindigkeit des tropischen Sturmflutwelle<br />
[m/s km/h] Zyklons [hPa] [m]<br />
1 33–42 120–153 ≥980 1,0–1,7<br />
2 43–49 154–178 979–965 1,8–2,6<br />
3 50–58 179–210 964–945 2,7–3,8<br />
4 59–69 211–248 944–920 3,9–5,6<br />
5 >69 >248 5,6<br />
Tab. 1 Windstärken ab<br />
20 m/sec werden als Sturm, ab<br />
33 m/sec (ca. 120 km/h) als<br />
Orkan bezeichnet. Zur weiteren<br />
Kategorisierung <strong>der</strong> Intensität<br />
von tropischen Zyklonen dient<br />
die Saffir-Simpson-Hurrikanskala.
24<br />
12<br />
24 Geographische Entwicklungsforschung<br />
24.1 Ein neues Paradigma<br />
entsteht: von <strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>geographie<br />
zur Geographischen<br />
Entwicklungsforschung<br />
Geographische Entwicklungsforschung bezeichnet ein<br />
neues Teilgebiet <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong>, das darauf abzielt,<br />
gesellschaftliche Entwicklungsprozesse <strong>und</strong> Entwicklungsprobleme<br />
in ihren räumlichen Dimensionen <strong>und</strong><br />
Strukturen zu erfassen <strong>und</strong> zu erklären. Damit stehen<br />
nicht nur, wie bei <strong>der</strong> herkömmlichen Entwicklungslän<strong>der</strong>geographie,<br />
Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> Regionen an sich, nicht<br />
mehr geographische Forschungen in o<strong>der</strong> über Entwicklungslän<strong>der</strong><br />
im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> des Forschungsinteresses,<br />
son<strong>der</strong>n die räumliche Artikulation <strong>und</strong> Relevanz von<br />
Entwicklung <strong>und</strong> Unterentwicklung (Scholz 2004). Als<br />
wissenschaftliches Programm wurde <strong>der</strong> Ansatz einer<br />
Geographischen Entwicklungsforschung 1979 von Jürgen<br />
Blenck in die <strong>Geographie</strong> eingeführt. Ironischerweise<br />
erschien sein gr<strong>und</strong>legen<strong>der</strong> Aufsatz „Geographische<br />
Entwicklungsforschung“ in einem Themenheft mit<br />
dem Titel „Geographische Beiträge zur Entwicklungslän<strong>der</strong>forschung“.<br />
Dieses Themenheft enthielt eine erste<br />
Dokumentation des von Fred Scholz 1976 in Göttingen<br />
gegründeten „Geographischen Arbeitskreises Entwicklungstheorien“.<br />
Dieser Arbeitskreis markiert den eigentlichen<br />
Beginn <strong>der</strong> Geographischen Entwicklungsforschung<br />
(Leng & Taubmann 1988).<br />
In seinem programmatischen Aufsatz „Geographische<br />
Entwicklungsforschung“ ging Jürgen Blenck (1979)<br />
davon aus, Wissenschaft sei ein von <strong>der</strong> Gesellschaft für<br />
die Gesellschaft finanziertes Unternehmen. Daher habe<br />
sie die Aufgabe, problemorientiert zu arbeiten <strong>und</strong> sich<br />
mit gesellschaftlichen Problemlösungsansätzen zu befassen.<br />
Im Zentrum <strong>der</strong> Geographischen Entwicklungsforschung<br />
steht Blenck zufolge die These, es gäbe keine<br />
„geographischen“ Probleme an sich, <strong>der</strong> Raum habe also<br />
keine Probleme, son<strong>der</strong>n nur Menschen, menschliche<br />
Gruppen <strong>und</strong> Gesellschaften, die sich mit ihrer geographischen<br />
Umwelt auseinan<strong>der</strong> zu setzen haben.<br />
Genau hier müsse die geographische Beschäftigung mit<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong>n ansetzen. Der wissenschaftliche<br />
Gegenstand sei dem zufolge nicht länger das Entwicklungsland<br />
selbst, son<strong>der</strong>n Entwicklung bzw. Unterentwicklung<br />
rücken in das Zentrum des Interesses. Entwicklung,<br />
nicht <strong>der</strong> geographische Raum, wird so zur<br />
erklärenden Variablen. Wenn dieser Ansatz ernst genommen<br />
wird, so beschäftigt sich Geographische Entwicklungsforschung<br />
in erster Linie mit den gesellschaftlichen<br />
Problemen <strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>. <strong>Geographie</strong> könne<br />
daher auch nicht wertneutral <strong>und</strong> unpolitisch vorgehen,<br />
son<strong>der</strong>n es sei erfor<strong>der</strong>lich, den entwicklungstheoretischen<br />
bzw. gesellschaftlichen Standort des Wissenschaftlers<br />
in seinem Verhältnis zu Entwicklungsfragen<br />
offen zu legen. In <strong>der</strong> Geographischen Entwicklungsforschung<br />
werde insofern <strong>der</strong> Schritt weg von <strong>der</strong> strikten<br />
Raumwissenschaft hin zur Gesellschaftswissenschaft<br />
vollzogen. Wollte man allerdings gesellschaftliche Probleme<br />
von Entwicklung bzw. Unterentwicklung erklären,<br />
so sei es unabdingbar, auch sozialwissenschaftliche<br />
Entwicklungstheorien in die Analyse einzubeziehen.<br />
Genau dies war das Anliegen des oben erwähnten „Geographischen<br />
Arbeitskreises Entwicklungstheorien“.<br />
Dieser Arbeitskreis verfolgt bis heute das Ziel, die<br />
Geographische Entwicklungsforschung „nach innen“ an<br />
die interdisziplinäre Theoriediskussion heranzuführen<br />
<strong>und</strong> „nach außen“ die Bedeutung des Räumlichen mithilfe<br />
empirisch f<strong>und</strong>ierter Regionalstudien in den sozialwissenschaftlichen<br />
Entwicklungsdiskurs einzubringen<br />
(Scholz 1988).<br />
Erst allmählich fand dieses neue Paradigma bei <strong>der</strong><br />
Beschäftigung mit Entwicklungslän<strong>der</strong>n Eingang in den<br />
Mainstream <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong>, nicht zuletzt auch als verspätete<br />
Reaktion auf die f<strong>und</strong>amentale fachinterne Kritik<br />
an <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Landschaftsk<strong>und</strong>e Ende <strong>der</strong><br />
1960er-Jahre (Scholz 2004). Der gr<strong>und</strong>legende Aufsatz<br />
von Fred Scholz über „Position <strong>und</strong> Perspektiven Geographischer<br />
Entwicklungsforschung“ (1988) sowie die<br />
dreiteilige Dokumentation über Stand <strong>und</strong> Trends Geographischer<br />
Entwicklungsforschung im R<strong>und</strong>brief <strong>Geographie</strong><br />
(Scholz & Koop 1998) gaben dem neuen Ansatz<br />
weiteren Auftrieb. Die Gründung <strong>der</strong> ersten wissenschaftlichen<br />
Reihe zur Geographischen Entwicklungsforschung<br />
durch Hans-Georg Bohle 1993 (Freiburger<br />
Studien zur Geographischen Entwicklungsforschung;<br />
ab 2001 Studien zur Geographischen Entwicklungsforschung,<br />
herausgegeben von H.-G. Bohle <strong>und</strong> T. Krings)<br />
war ein weiterer Schritt bei <strong>der</strong> Etablierung <strong>der</strong> neuen<br />
Teildisziplin. Zwischenzeitlich ist auch <strong>der</strong> wertbeladene<br />
(weil nachholende Entwicklung implizierende) Terminus<br />
„Entwicklungslän<strong>der</strong>“ in die Kritik geraten <strong>und</strong> allmählich<br />
durch den neutraleren Begriff „Län<strong>der</strong> des<br />
Südens“ (Scholz 2000) ersetzt worden. Erst das 2004<br />
erschienene wegweisende Lehrbuch von Fred Scholz<br />
über „Geographische Entwicklungsforschung. Methoden<br />
<strong>und</strong> Theorien“ dürfte dem neuen Paradigma einer<br />
problemorientierten, theoriegeleiteten <strong>und</strong> auf den<br />
Menschen bezogenen Geographischen Entwicklungsforschung<br />
wirklich zum Durchbruch verholfen haben.<br />
Im Folgenden sollen drei Leitfragen angesprochen<br />
werden:<br />
• Wie erklärt Geographische Entwicklungsforschung<br />
Entwicklung bzw. Unterentwicklung?<br />
• Welche Dimensionen von Entwicklung verknüpfen<br />
die Geographische Entwicklungsforschung mit neuen<br />
Ansätzen <strong>der</strong> Sozialwissenschaften <strong>und</strong> speziell den<br />
humangeographischen Teildisziplinen?
24.4 Geographische Verw<strong>und</strong>barkeitsforschung 13<br />
24<br />
Abb. 24.3.5 Wochenmärkte bilden das traditionelle Versorgungssystem in vielen Entwicklungslän<strong>der</strong>n. An die Stelle <strong>der</strong> alten<br />
Märkte auf freiem Feld (links) treten in jüngerer Zeit verstärkt Märkte längs <strong>der</strong> Überlandstraßen, auf denen direkt vom LKW verkauft<br />
wird (rechts, Fotos: H. Gebhardt).<br />
Erst an <strong>der</strong> Schnittstelle zwischen Politik, Ökonomie,<br />
Kultur <strong>und</strong> Raum, so ein Fazit dieser Analyse, kann eine<br />
konfliktbezogene Geographische Entwicklungsforschung<br />
wirklich fruchtbar werden. Insofern haben zurzeit solche<br />
Ansätze Konjunktur, die verschiedene Dimensionen von<br />
Entwicklung bzw. Unterentwicklung miteinan<strong>der</strong> verknüpfen<br />
<strong>und</strong> die transdisziplinär vorgehen. Eine weit<br />
gefasste geographische Verw<strong>und</strong>barkeitsforschung ist<br />
hierfür ein gutes Beispiel.<br />
24.4 Vieldimensionale<br />
Geographische Entwicklungsforschung:<br />
das Beispiel<br />
<strong>der</strong> geographischen<br />
Verw<strong>und</strong>barkeitsforschung<br />
Ansätze von sozialer Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
Der Verw<strong>und</strong>barkeitsansatz wurde in den 1980er-Jahren<br />
sowohl im Rahmen <strong>der</strong> sozialwissenschaftlichen Entwicklungsforschung<br />
(Chambers 1989) als auch innerhalb<br />
<strong>der</strong> entwicklungsorientierten Umweltwissenschaften<br />
(Timmermann 1981) eingeführt. In den Sozialwissenschaften<br />
ging es zunächst um eine Erweiterung des<br />
Armutsbegriffes <strong>und</strong> um seine „Disaggregierung“ (Swift<br />
1989). Soziale Verw<strong>und</strong>barkeit wurde hier als eine Funktion<br />
<strong>der</strong> Risikoexposition <strong>und</strong> <strong>der</strong> Schutzlosigkeit gesellschaftlicher<br />
Gruppen sowie ihres Mangels an Bewältigungs-<br />
<strong>und</strong> Anpassungsmöglichkeiten verstanden. Diese<br />
Funktion aus Exposition einerseits <strong>und</strong> Reaktion an<strong>der</strong>erseits<br />
bildet bis heute den Kern des sozialwissenschaftlichen<br />
Verw<strong>und</strong>barkeitskonzeptes (Krüger 2003).<br />
Als Gr<strong>und</strong>gerüst gesellschaftlicher Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
haben Watts <strong>und</strong> Bohle (1993) die „Koordinaten“ von<br />
Risikoexposition, Bewältigung <strong>und</strong> Folgeschäden herausgestellt<br />
<strong>und</strong> drei Ursachenkomplexe zur Erklärung<br />
von sozialer Verw<strong>und</strong>barkeit vorgeschlagen. Soziale Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
beruht demzufolge auf gesellschaftlichen<br />
Strukturen <strong>und</strong> Beziehungen, welche die verw<strong>und</strong>baren<br />
Gruppen <strong>und</strong> Gesellschaften in ein Netzwerk aus kritischer<br />
Ressourcenbasis, mangelnden Verfügungsrechten<br />
<strong>und</strong> prekären Abhängigkeitsverhältnissen <strong>und</strong> damit<br />
in eine riskante Position <strong>der</strong> Benachteiligung rücken<br />
(Krüger 2003). Diese Risikoexposition bildet dann als<br />
„externe“ Seite von Verw<strong>und</strong>barkeit (Chambers 1989)<br />
ein Strukturgeflecht im Sinne von Giddens’ (1988)<br />
Strukturationstheorie. Innerhalb von risikobehafteten<br />
Rahmenbedingungen (structure) suchen verw<strong>und</strong>bare<br />
Gruppen <strong>und</strong> Gesellschaften aktiv nach Anpassungsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> Bewältigungsoptionen (agency), um<br />
ihr Überleben zu sichern <strong>und</strong> drohende negative Folgewirkungen<br />
abzuwehren. Auf diese „interne“ Seite von<br />
Verw<strong>und</strong>barkeit richten sich verstärkt die handlungsorientierten<br />
Ansätze <strong>der</strong> geographischen Verw<strong>und</strong>barkeitsforschung<br />
(Bohle 2001a). Auch erste Versuche einer<br />
konsequenten Operationalisierung des Verw<strong>und</strong>barkeitskonzeptes<br />
(van Dillen 2004) haben sich ganz auf die<br />
Aktivitätsmuster verw<strong>und</strong>barer Gruppen konzentriert.<br />
Aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist gesellschaftliche<br />
Verw<strong>und</strong>barkeit demzufolge immer ein relationales <strong>und</strong><br />
dynamisches Konzept, das gesellschaftliche Beziehungen<br />
<strong>und</strong> Prozesse als Bestimmungsfaktoren von Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
sieht, zum Beispiel Machtverhältnisse, verfügungsrechtliche<br />
Beziehungen, Partizipationschancen o<strong>der</strong> sich<br />
verän<strong>der</strong>nde Mensch-Umwelt-Beziehungen. Da Beziehungen<br />
von Macht <strong>und</strong> Ohnmacht, Partizipation <strong>und</strong><br />
Marginalisierung, Verfügungsrechten <strong>und</strong> Ausgrenzung
24<br />
14<br />
24 Geographische Entwicklungsforschung<br />
nationale/globale<br />
Ebene<br />
ökologische Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
regionale Ebene<br />
lokale Ebene<br />
Haushalt/<br />
Individuum<br />
soziale Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
Gruppe/<br />
Gemeinschaft<br />
Nationalstaat/<br />
globale Gesellschaft<br />
Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
gegenüber<br />
Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
gegenüber<br />
Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
gegenüber<br />
Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
gegenüber<br />
Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
gegenüber<br />
Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
gegenüber<br />
großräumigen<br />
Umweltkrisen<br />
Naturkatastrophen<br />
lokalen Ressourcenkrisen<br />
livelihood-Krisen<br />
regionalen Sozialkrisen<br />
globalen Gesellschaftskrisen<br />
• El Niño-<br />
Phänomene<br />
• globaler Klimawandel<br />
• Verlust an<br />
Biodiversität<br />
• Desertifikation<br />
etc.<br />
• Erdbeben<br />
• Flutkatastropen<br />
• Stürme<br />
• Tsunamis<br />
• Dürrekrisen<br />
• kritische Massenbewegungen<br />
etc.<br />
• Landdegradation<br />
• Wasserkrisen<br />
• Waldvernichtung<br />
• Krisen von<br />
Gemeinschaftsressourcen<br />
etc.<br />
• Hunger<br />
• Armut<br />
• Arbeitslosigkeit<br />
• Verschuldung<br />
• Krankheit<br />
etc.<br />
• Ges<strong>und</strong>heitskrisen<br />
• Nahrungskrisen<br />
• Krisen sozialer<br />
Sicherungssysteme<br />
• demographische<br />
Krisen<br />
etc.<br />
• globale Seuchen<br />
• Wirtschaftskrisen<br />
• Bürgerkriege<br />
• Mega-Urbanisierung<br />
• Globalisierung/<br />
Fragmentierung<br />
etc.<br />
Globale Umweltforschung<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die sozialwissenschaftliche<br />
Verw<strong>und</strong>barkeitsforschung gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
vieldimensional ist. Sie integriert ökonomische,<br />
politische, soziale <strong>und</strong> kulturelle Dimensionen von Entwicklung<br />
bzw. Unterentwicklung <strong>und</strong> versucht, Verw<strong>und</strong>barkeit<br />
über Ansätze <strong>der</strong> livelihood-Forschung,<br />
über verfügungsrechtliche Ansätze o<strong>der</strong> mit Hilfe von<br />
Krisen- <strong>und</strong> Konflikttheorien bzw. Theorien einer fragmentierenden<br />
Entwicklung zu erklären. Diese Gr<strong>und</strong>ansätze<br />
einer sozialwissenschaftlich orientierten Geographischen<br />
Entwicklungsforschung werden in den<br />
Exkursen 24.4.1, 24.4.2 <strong>und</strong> 24.4.3 exemplarisch vorgestellt.<br />
Hazard-<br />
Politische<br />
livelihood- Verfügungsrechtliche<br />
Ansätze + Forschung + Ökologie + Ansätze + +<br />
Theorie <strong>der</strong><br />
Fragmentierung<br />
Verw<strong>und</strong>barkeitskonzepte<br />
Ansätze <strong>der</strong> Geographischen Entwicklungsforschung<br />
Abb. 24.4.1 Ein Analyserahmen zur Verw<strong>und</strong>barkeitsforschung.<br />
immer auch politischer Natur sind, können Verw<strong>und</strong>barkeitsanalysen<br />
niemals ganz wertneutral sein. Darüber<br />
hinaus ist sozialwissenschaftliche Verw<strong>und</strong>barkeitsforschung<br />
stets gesellschaftliche Mehrebenen-Analyse,<br />
beispielsweise im Kontext von individuellen livelihood-<br />
Krisen, regionalen Sozialkrisen <strong>und</strong> umfassenden Gesellschaftskrisen<br />
(Abb. 24.4.1). Auch die gesellschaftlichen<br />
Bedrohungen sind mehrskaliger Natur <strong>und</strong> vielschichtig.<br />
Sie reichen von individueller Risikoexposition<br />
gegenüber Krankheit, Armut o<strong>der</strong> Hunger über gruppenspezifische<br />
Schutzlosigkeiten in Form von Nahrungskrisen<br />
o<strong>der</strong> Verfall sozialer Sicherungssysteme bis hin zu<br />
umfassenden Gesellschaftskrisen wie Bürgerkriegen,<br />
Megaurbanisierung o<strong>der</strong> Fragmentierung (Abb. 24.4.1).<br />
Abb. 24.4.2 Plakatwände in Vietnam (links) <strong>und</strong> Laos (rechts) zeigen, dass hier trotz Wirtschaftsliberalisierung dem Aufbau des<br />
Sozialismus gefolgt wird (Fotos: H. Gebhardt).
24.4 Geographische Verw<strong>und</strong>barkeitsforschung 15<br />
24<br />
Exkurs 24.4.3<br />
Die Theorie <strong>der</strong> fragmentierenden Entwicklung<br />
Lange Zeit wurde Globalisierung als ein Prozess angesehen,<br />
<strong>der</strong> alle gesellschaftlichen Bereiche gleichermaßen in einen<br />
globalen Markt einbindet <strong>und</strong> <strong>der</strong> zu einer weltweiten<br />
Homogenisierung sozialer <strong>und</strong> kultureller Werte <strong>und</strong> Präferenzen<br />
führt. Inzwischen haben Globalisierungsforscher<br />
jedoch empirisch belegt, dass Globalisierung einen zutiefst<br />
wi<strong>der</strong>sprüchlichen, heterogenen <strong>und</strong> polarisierenden Prozess<br />
darstellt (Beck 1997). Dies drückt sich in dem Nie<strong>der</strong>gang<br />
von Nationalstaaten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Entgrenzung von Staatenwelten<br />
ebenso aus wie in sich verschärfenden sozialen<br />
<strong>und</strong> regionalen Gegensätzen, in sich beschleunigenden<br />
Standortfluktuationen, in massenhafter Arbeitslosigkeit <strong>und</strong><br />
Armut, in Ausgrenzung, Migration <strong>und</strong> Flucht. Ihren räumlichen<br />
Nie<strong>der</strong>schlag finden diese Erscheinungen in dem<br />
Nebeneinan<strong>der</strong> integrieren<strong>der</strong> <strong>und</strong> bruchhaft trennen<strong>der</strong>,<br />
also fragmentieren<strong>der</strong> Prozesse. Der Sozialwissenschaftler<br />
Ulrich Menzel (1998) hat dieses Phänomen als Fragmentierung<br />
bezeichnet, in <strong>der</strong> Geographischen Entwicklungsforschung<br />
hat Fred Scholz (2002) daraus die Theorie <strong>der</strong> fragmentierenden<br />
Entwicklung konzipiert.<br />
Das Modell globaler Fragmentierung unterscheidet drei<br />
Gr<strong>und</strong>elemente, die weltweit die gesellschaftlichen <strong>und</strong><br />
räumlichen Strukturen kennzeichnen: die globalen Orte<br />
(acting global cities), die globalisierten Orte (affected global<br />
cities) <strong>und</strong> die ausgegrenzte Restwelt (new periphery). Bei<br />
den Global Cities handelt es sich um die Kommandozentralen<br />
<strong>der</strong> weltwirtschaftlich agierenden transnationalen Unternehmen,<br />
um die Schaltstellen globaler Finanzdienste, um<br />
die Hauptquartiere internationaler Organisationen <strong>und</strong> um<br />
die Standorte kultureller Einrichtungen mit Weltrang. Globalisierte<br />
Orte umfassen neben Hightech-Dienstleistungen<br />
auch freie Produktionszonen, Zentren <strong>der</strong> Rohstoffextraktion,<br />
Steuerparadiese <strong>und</strong> Zentren <strong>der</strong> globalen Tourismusindustrie.<br />
Als „Hinterhöfe“ (Scholz 2002) <strong>der</strong> Globalisierung<br />
verknüpfen sie die Global Cities mit <strong>der</strong> globalen Peripherie.<br />
Die neue Peripherie umfasst die ausgegrenzte Restwelt, die<br />
zwar von den gesellschaftlichen <strong>und</strong> kulturellen Einflüssen<br />
<strong>der</strong> Globalisierung in tief greifen<strong>der</strong> Weise passiv betroffen<br />
ist, selbst aber we<strong>der</strong> hinsichtlich ihrer Arbeitskräfte noch<br />
ihrer Konsumenten aktiv an <strong>der</strong> globalisierten Welt teilhaben<br />
kann. In diesem Lebensraum <strong>der</strong> ausgeschlossenen<br />
Mehrheit <strong>der</strong> Weltbevölkerung entwickeln sich zunehmend<br />
brisante Mischungen aus konfliktträchtigen Ethnoregionalismen,<br />
Separatismen <strong>und</strong> F<strong>und</strong>amentalismen. Fragmentierende<br />
Entwicklung dokumentiert sich hier durch die Gleichzeitigkeit<br />
<strong>und</strong> das funktionale wie räumliche Nebeneinan<strong>der</strong><br />
von exzessiver, oft krimineller Reichtumsanhäufung auf <strong>der</strong><br />
einen <strong>und</strong> verzweifelten Strategien <strong>der</strong> elementarsten Überlebenssicherung<br />
auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite (Scholz 2002).<br />
Abb. 24.4.3 Ein zentrales Problem in vielen Entwicklungslän<strong>der</strong>n ist die Verkehrsanbindung <strong>der</strong> ländlichen Regionen. Die Bil<strong>der</strong> zeigen<br />
eine abgelegene Siedlung im Hochgebirgsraum des Jemen <strong>und</strong> den Zufahrtsweg dorthin (Fotos: H. Gebhardt).
24<br />
16<br />
24 Geographische Entwicklungsforschung<br />
Ausblick<br />
Im Schlusskapitel seines Lehrbuches zur Geographischen<br />
Entwicklungsforschung hat Fred Scholz (2004) die zukünftigen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen für Geographische Entwicklungsforschung<br />
folgen<strong>der</strong>maßen formuliert:<br />
• entgrenzte Konkurrenzen<br />
• zunehmende Konflikte<br />
• bruchhafte soziale <strong>und</strong> räumliche Son<strong>der</strong>ungen<br />
• unstete Fluktuationen<br />
• transnationale Bewegungen<br />
• ersatzloser Verlust zum Beispiel von öffentlicher Sicherheit<br />
<strong>und</strong> regionaler Identität<br />
• Wettbewerbsgesteuerte Herausbildung von Netzwerkregionen<br />
• radikales Aufleben von Nationalismen <strong>und</strong> Regionalismen<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> auch im Zusammenhang mit<br />
den aufgeführten Beispielen erscheint es erfor<strong>der</strong>lich, dass<br />
die Geographische Entwicklungsforschung zunehmend als<br />
eine krisen- <strong>und</strong> konfliktorientierte Querschnittsforschung<br />
konzipiert wird. Dazu gehören beispielsweise die<br />
folgenden konzeptionellen Orientierungen:<br />
• eine Verknüpfung <strong>der</strong> Ansätze von handlungsorientierten<br />
Sozialwissenschaften mit denen von problemorientierten<br />
Umweltwissenschaften<br />
• eine Mehrebenenanalyse mit Ausrichtung auf hierarchisch<br />
verknüpfte „glokale“ Akteursbeziehungen <strong>und</strong> auf<br />
vielskalige ökologische Systemzusammenhänge <strong>und</strong><br />
Interaktionen<br />
• eine Fokussierung auf Krisenerscheinungen, Konflikte<br />
<strong>und</strong> Fragmentierungsprozesse, von <strong>der</strong> lokalen bis hin zur<br />
globalen Ebene<br />
• eine Ausrichtung auf gekoppelte Mensch-Umwelt-Systeme<br />
(Turner et al. 2003) mit einem Schwerpunkt auf<br />
nachhaltigem Krisen- <strong>und</strong> Konfliktmanagement<br />
• eine diskursive Verkoppelung <strong>der</strong> Kategorien von Raum<br />
bzw. Räumlichkeit mit konstruktivistischen Konzeptionen<br />
von Natur, Kultur <strong>und</strong> Gesellschaft<br />
In einer Geographischen Entwicklungsforschung, die sich<br />
zusätzlich zu den bisherigen Herausfor<strong>der</strong>ungen wie Armut,<br />
Hunger o<strong>der</strong> Nachhaltigkeit auch noch neuen Problemfel<strong>der</strong>n<br />
wie Krisen, Konflikten, Fragmentierungen o<strong>der</strong> Ausgrenzungen<br />
zuwendet, muss auch das Konzept von Raum<br />
bzw. Räumlichkeit neu gefasst werden. Für Geographische<br />
Entwicklungsforschung ist Raum nämlich nicht nur<br />
eine Arena von ökologischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Prozessen,<br />
Raum ist darüber hinaus in vielerlei Hinsicht auch das<br />
soziale <strong>und</strong> politische Werkzeug von Transformationen.<br />
Dabei ist Raum nicht in erster Linie „an sich“ bedeutsam,<br />
son<strong>der</strong>n als ein Produkt von Beziehungen <strong>und</strong> Interaktionen,<br />
als Quelle von Fragmentierungen <strong>und</strong> Pluralitäten, <strong>und</strong><br />
gleichzeitig als ein Konstrukt, das heißt als ein sozial, kulturell<br />
<strong>und</strong> ökologisch belegter, instrumentalisierter, interpretierter<br />
<strong>und</strong> imaginierter Raum. Erst mit einer solchen Konzeption<br />
von Räumlichkeit im Kontext gesellschaftlicher<br />
Entwicklungsprozesse <strong>und</strong> Entwicklungsprobleme ist <strong>der</strong><br />
Übergang von herkömmlicher Entwicklungslän<strong>der</strong>geographie<br />
hin zu einer zukunftsfähigen Geographischen Entwicklungsforschung<br />
vollzogen – zu einer Entwicklungsforschung,<br />
die sich den großen Zukunftsfragen <strong>der</strong> Gesellschaft im<br />
Zeitalter <strong>der</strong> Globalisierung zuwenden kann.<br />
Weiterführende Literatur<br />
Bohle HG (2001 b) Neue Ansätze <strong>der</strong> geographischen Risikoforschung.<br />
Eine Analyserahmen zur Bestimmung nachhaltiger<br />
Lebenssicherung von Armutsgruppen. In: Die Erde 132: 119-<br />
140<br />
Kreutzmann H (2003) Theorie <strong>und</strong> Praxis in <strong>der</strong> Entwicklungsforschung.<br />
Einführung zum Themenheft. In: Geographica<br />
Helvetica 58 (1): 2–10<br />
Krüger F (2003) Handlungsorientierte Entwicklungsforschung:<br />
Trends, Perspektiven, Defizite. In: Petermanns Geographische<br />
Mitteilungen 147 (1): 6–15<br />
Menzel U (1998) Globalisierung versus Fragmentierung. Suhrkamp<br />
Verlag, Frankfurt/Main<br />
Scholz F (2004) Geographische Entwicklungsforschung. Methoden<br />
<strong>und</strong> Theorien. Gebrü<strong>der</strong> Borntraeger Verlagsbuchhandlung,<br />
Berlin, Stuttgart
Autorenverzeichnis<br />
Herausgeber<br />
Prof. Dr. Hans Gebhardt, Heidelberg<br />
Prof. Dr. Rüdiger Glaser, Freiburg<br />
Prof. Dr. Ulrich Radtke, Köln<br />
Prof. Dr. Paul Reuber, Münster<br />
Redaktion<br />
Dipl.-Geogr. Christiane Martin, Köln<br />
Autoren<br />
Prof. Dr. Roland Baumhauer,<br />
Würzburg<br />
Prof. Dr. Ruppert Bäumler, Erlangen<br />
Dr. Christoph Beck, Offenbach<br />
Prof. Dr. Jörg Bendix, Marburg<br />
Prof. Dr. Wolf Dieter Blümel,<br />
Stuttgart<br />
Prof. Dr. Hans-Georg Bohle, Bonn<br />
Dr. Jürgen Böhner, Göttingen<br />
Prof. Dr. Michael Bollig, Köln<br />
Prof. Dr. Jürgen Breuste, Salzburg<br />
Prof. Dr. Helmut Brückner, Marburg<br />
Prof. Dr Ernst Brunotte, Köln<br />
Dr. Olaf Bubenzer, Köln<br />
Prof. Dr. Richard Dikau, Bonn<br />
Dr. Andreas Dix, Bonn<br />
Prof. Dr. Bernhard Eitel, Heidelberg<br />
Prof. Dr. Wilfried Endlicher, Berlin<br />
Prof. Dr. Heinz Fassmann, Wien<br />
Prof. Dr. Dominik Faust, Dresden<br />
Dr. Michael Flitner, Freiburg<br />
Prof. Dr. Arne Friedmann, Augsburg<br />
Prof. Dr. Manfred Frühauf, Halle<br />
(Saale)<br />
Dr. Thomas Gaiser, Stuttgart<br />
Prof. Dr. Paul Gans, Mannheim<br />
Prof. Dr. Hans Gebhardt, Heidelberg<br />
Dr. Renate Gerlach, Bonn<br />
Prof. Dr. Gerhard Gerold, Göttingen<br />
Prof. Dr. Ernst Giese, Gießen<br />
PD Dr. Thomas Glade, Bonn<br />
Prof. Dr. Rüdiger Glaser, Freiburg<br />
Dipl.-Geogr. Stephanie Glaser,<br />
Freiburg<br />
Dr. Georg Glasze, Mainz<br />
PD Dr. Stephan Glatzel, Göttingen<br />
Prof. Dr. Rainer Glawion, Freiburg<br />
Dr. Johannes Glückler, Frankfurt<br />
Prof. Dr. Ulrike Grabksi-Kieron,<br />
Münster<br />
Prof. Dr. Wilfried Haeberli, Zürich<br />
Dr. Susanne Heeg, Hamburg<br />
Prof. Dr. Heinz Heineberg, Münster<br />
Prof. Dr. Günter Heinritz, München<br />
Prof. Dr. Michael Hemmer, Münster<br />
Prof. Dr. Juergen Herget, Bonn<br />
Prof. Dr. Armin Hüttermann,<br />
Ludwigsburg<br />
Prof. Dr. Hans Hopfinger, Eichstätt<br />
Prof. Dr. Juc<strong>und</strong>us Jacobeit,<br />
Augsburg<br />
Dipl.-Geogr. Henriette Joseph,<br />
Leipzig<br />
Prof. Dr. Norbert Jürgens, Hamburg<br />
Prof. Dr. Andreas Kagermeier, Trier<br />
Prof. Dr. Dieter Kelletat, Essen<br />
Prof. Dr. Arno Kleber, Dresden<br />
Prof. Dr. Frauke Kraas, Köln<br />
Prof. Dr. Hermann Kreutzmann,<br />
Berlin<br />
Prof. Dr. Thomas Krings, Freiburg<br />
Dipl.-Geogr. Marco Lechner,<br />
Freiburg<br />
Prof. Dr. Frank Lehmkuhl, Aachen<br />
Dr. Julia Lossau, Heidelberg<br />
Dr. Valerie Louis, Heidelberg<br />
Junior-Professorin Annika Mattissek,<br />
Berlin<br />
Prof. Dr. Tim Mansfeldt, Köln<br />
Prof. Dr. Roland Mäusbacher, Jena<br />
Prof. Dr. Wolfram Mauser, München<br />
Prof. Dr. Manfred Meurer, Karlsruhe<br />
Prof. Dr. Peter Meusburger,<br />
Heidelberg<br />
Dr. Steffen Möller, Berlin<br />
Prof. Dr. Thomas Mosimann,<br />
Hannover<br />
Prof. Dr. Detlev Müller-Mahn,<br />
Bayreuth<br />
Dr. Urs Neu, Bern<br />
Prof. Dr. Josef Nipper, Köln<br />
Prof. Dr. Christian Opp, Marburg<br />
Prof. Dr. Jürgen Oßenbrügge,<br />
Hamburg<br />
Prof. Dr. Eberhard Parlow, Basel<br />
Prof. Dr. Carmella Pfaffenbach,<br />
Bayreuth<br />
Prof. Dr. Jürgen Pohl, Bonn<br />
Prof. Dr. Robert Pütz, Frankfurt<br />
Prof. Dr. Ulrich Radtke, Köln<br />
Prof. Dr. Paul Reuber, Münster<br />
Dr. Heiko Riemer, Köln<br />
Prof. Dr. Konrad Rögner, München<br />
PD Dr. Wolfgang Römer, Aachen<br />
Prof. Dr. Jürgen Runge, Frankfurt<br />
Prof. Dr. Ulrike Sailer, Trier<br />
Dipl.-Geogr. Patrick Sakdapolrak,<br />
Bonn<br />
Prof. Dr. Rainer Sauerborn,<br />
Heidelberg<br />
PD Dr. Martin Sauerwein, Halle<br />
(Saale)<br />
Dr. Helmut Saurer, Freiburg<br />
Prof. Dr. Frank Schäbitz, Köln<br />
Prof. Dr. Gerhard Schellmann,<br />
Bamberg<br />
Prof. Dr. Winfried Schenk, Bonn<br />
Prof. Dr. Karl-Heinz Schmidt,–<br />
Prof. Dr. Thomas Schmitt, Bochum<br />
PD Dr. Elisabeth Schmitt, Giessen<br />
Prof. Dr. Karl Schnei<strong>der</strong>, Köln<br />
Prof. Dr. Thomas Scholten,<br />
Tübingen<br />
Prof. Dr. Ulrich Scholz, Gießen<br />
Prof. Dr. Christian-D. Schönwiese,<br />
Frankfurt<br />
Dr. Frank Schrö<strong>der</strong>, München<br />
Prof. Dr. Lothar Schrott, Wien<br />
Prof. Dr. Achim Schulte, Berlin<br />
Prof. Dr. Brigitta Schütt, Berlin<br />
Prof. Dr. Peter Sedlacek, Jena<br />
Jennifer Sehring M. A., Gießen<br />
Prof. Dr. Dietrich Soyez, Köln<br />
PD Dr. Barbara Sponholz, Würzburg<br />
Prof. Dr. Simone Strambach, Marburg<br />
Dr. Anke Strüver, Münster<br />
Prof. Dr. Heinz Veit, Bern<br />
Prof. Dr. Jörg-Friedhelm Venzke,<br />
Bremen<br />
Dr. Hans von Storch, Geesthacht<br />
Prof. Dr. Jörg Völkel, Regensburg<br />
Dr. Ute Wardenga, Leipzig<br />
Prof. Dr. Peter Weichhart, Wien<br />
Prof. Dr. Gerd Wenzens, Herrischried<br />
Prof. Dr. Benno Werlen,Jena<br />
Dr. Franziska Whelan, Bamberg<br />
Dr. Günther Wolkersdorfer, Münster<br />
Prof. Dr. Gerald Wood, Münster<br />
Prof. Dr. Jürgen W<strong>und</strong>erlich,<br />
Frankfurt<br />
PD Dr. Klaus Zehner, Köln<br />
PD Dr. Wolfgang Zierhofer, Basel<br />
Prof. Dr. Bernd Zolitschka, Bremen<br />
Prof. Dr. Ludwig Zöller, Bayreuth
Die gesamte <strong>Geographie</strong> in einem Buch<br />
Das Lehrbuch <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong> behandelt auf etwa 1200 Seiten die gesamte <strong>Geographie</strong>, also <strong>Physische</strong> <strong>Geographie</strong> wie<br />
auch <strong>Humangeographie</strong>. Gerade in einer Phase, in <strong>der</strong> um das „Integrationsfach“ <strong>Geographie</strong> wie<strong>der</strong> heftig gerungen<br />
wird, dokumentiert das von H. Gebhardt, R. Glaser, U. Radtke <strong>und</strong> P. Reuber herausgegebene Lehrbuch, wie eine auf<br />
aktuellen methodischen Konzepten aufbauende <strong>Geographie</strong> konkret aussehen kann. Sowohl für Studierende <strong>und</strong> Dozenten/-innen<br />
des Faches als auch für jene in den Nachbarwissenschaften sowie für interessierte Wissenschaftler/-innen<br />
<strong>der</strong> Geo- <strong>und</strong> Gesellschaftswissenschaften <strong>und</strong> Lehrer/-innen wie auch Schüler/-innen wird die Bandbreite <strong>und</strong> Faszination<br />
<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen <strong>Geographie</strong> überzeugend vorgestellt.<br />
Im Lehrbuch werden nicht nur sämtliche größeren Teilgebiete <strong>der</strong> <strong>Physische</strong>n <strong>Geographie</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Humangeographie</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong>en aktuelle Forschungsfel<strong>der</strong> herausgearbeitet, son<strong>der</strong>n es wird auch ein beson<strong>der</strong>es Augenmerk auf die Schnittbereiche<br />
<strong>der</strong> beiden Teilfächer gelegt, auf das Wechselverhältnis von Natur <strong>und</strong> Gesellschaft. Hier werden integrative<br />
Ansätze wie die Humanökologie <strong>und</strong> die Politische Ökologie vorgestellt <strong>und</strong> darauf aufbauend unter an<strong>der</strong>em Syndromkomplexe<br />
von Global Change <strong>und</strong> aktuelle Ressourcenkonflikte – um Wasser o<strong>der</strong> Erdöl – sowie verschiedene Aspekte<br />
von Naturgefahren <strong>und</strong> natural and man made hazards behandelt.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Methoden, wobei die Autoren analytisch-szientistische Verfahren sowohl in<br />
<strong>der</strong> <strong>Physische</strong>n <strong>Geographie</strong> (Labormethoden) wie in <strong>der</strong> <strong>Humangeographie</strong> (Befragungen <strong>und</strong> quantitativ-statistische<br />
Analysen) beschreiben <strong>und</strong> diesen die hermeneutischen <strong>und</strong> poststrukturalistischen Verfahren (qualitative Interviews,<br />
Text- <strong>und</strong> Diskursanalysen) gegenüberstellen.<br />
Das didaktisch ausgerichtete, grafisch einheitliche, vierfarbige Werk enthält zirka 750 Abbildungen, davon etwa 500 Grafiken<br />
<strong>und</strong> Tabellen, sowie Boxen mit Exkursen, welche einzelne Aspekte beson<strong>der</strong>s hervorheben.<br />
Die Herausgeber:<br />
Hans Gebhardt (Universität Heidelberg) wie auch Paul Reuber (Universität Münster) sind Dozenten für <strong>Humangeographie</strong>.<br />
Rüdiger Glaser (Universität Freiburg) <strong>und</strong> Ulrich Radtke (Universität Köln) zeichnen für die physiogeographischen Teile<br />
verantwortlich.<br />
Die Autoren: Etwa 130 Autoren aus dem deutschsprachigen Raum haben an dem Buch mitgearbeitet.<br />
Leseprobe aus Gebhardt/Glaser/Radtke/Reuber (Hrsg.)<br />
<strong>Geographie</strong>. <strong>Physische</strong> <strong>Geographie</strong> <strong>und</strong> <strong>Humangeographie</strong><br />
Der voraussichtliche Erscheinungstermin des Lehrbuches ist November 2006<br />
Euro (D) 89,50 / Euro (A) 92,10 / sFR 138,00<br />
Ergänzend dazu:<br />
Die Bild-CD-ROM <strong>Geographie</strong> ermöglicht Dozenten/-innen <strong>und</strong> Lehrern/-innen ebenso wie Studierenden <strong>und</strong> Schülern/<br />
-innen, die circa 500 Grafiken in <strong>der</strong> Lehre einzusetzen — in PPT-Präsentationen, als Folien, Dias o<strong>der</strong> Ausdrucke.<br />
ISBN-13: 978-3-8274-1791-6/ISBN-10: 3-8274-1791-0<br />
Voraussichtlicher Erscheinungstermin: Oktober 2006<br />
Euro (D) 25,00 / Euro (A) 25,90 / sFR 38,00<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
1. Auflage 2007<br />
© Elsevier GmbH, München<br />
<strong>Spektrum</strong> Akademischer Verlag ist ein Imprint <strong>der</strong> Elsevier GmbH.<br />
ISBN-13: 978-3-8274-1543-1<br />
ISBN-10: 3-8274-1543-8<br />
Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter www.elsevier.de<br />
Werbemittel-Nr. 949906316