"rosalux" 3/2008 - Rosa-Luxemburg-Stiftung
"rosalux" 3/2008 - Rosa-Luxemburg-Stiftung
"rosalux" 3/2008 - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Internationales<br />
Büroleiter Holger Politt mit dem Direktor des Museums in Treblinka<br />
Holger Politt<br />
Zu Gast in <strong>Rosa</strong>s Heimat<br />
Fünf Jahre politische Bildung im Zeichen der EU-Integration<br />
Als das Büro in Warschau im Mai 2003 offi -<br />
ziell seine Arbeit aufnahm, stand dem Land<br />
eine wichtige Volksabstimmung ins Haus. Es<br />
ging um den für 2004 vorgesehenen EU-Beitritt,<br />
der in Polen häufi g und emphatisch als<br />
eine Rückkehr des Landes nach Europa ins<br />
Bild gesetzt wurde. Obwohl wichtige Teile<br />
der Gesellschaft, etwa die Großstädte oder<br />
überhaupt die jüngeren Menschen, klar für<br />
den Beitritt optierten, war die Entscheidung<br />
offen. Denn Volksabstimmungen sind in Polen<br />
nur gültig, wenn mindestens 50 % aller<br />
Wahlbeteiligten daran teilnehmen. In einem<br />
Lande, in dem in der Tendenz die Wahlbeteiligung<br />
etwa bei Parlamentswahlen deutlich<br />
unter 50 % liegt, wurde ein Scheitern deshalb<br />
nicht ausgeschlossen.<br />
Und tatsächlich wurde die hohe verfassungsmäßige<br />
Hürde an zwei Abstimmungstagen<br />
nur denkbar knapp überwunden, auch wenn<br />
unter dem Strich die erwartete hohe Zustimmung<br />
zum Beitritt stehen blieb. Zusammengerechnet<br />
hatten aber jene, die sich der Abstimmung<br />
verweigerten oder aber mit Nein<br />
stimmten, zumindest zahlenmäßig ein Übergewicht.<br />
Es schien nur eine Frage der Zeit,<br />
bis dieses Potential in zählbare politische<br />
Stimmen umgewandelt werden sollte.<br />
Im Herbst 2005 machten zwei rechte Gruppierungen<br />
– die einen vor allem wirtschaftsliberal,<br />
die anderen mehr nationalkonservativ<br />
– unter sich aus, wer die Geschicke des<br />
Landes in den kommenden Jahren wesentlich<br />
bestimmen sollte. Bei den Parlamentsund<br />
bei den Präsidentschaftswahlen setzte<br />
sich jeweils jene Option knapp durch, die mit<br />
der Metapher eines »solidarischen Polens«<br />
für einen deutlichen Schlussstrich unter die<br />
Zeit von 1989/90 bis 2005 plädierte, die<br />
herausfordernd dem »liberalen Polen« zugeschlagen<br />
wurde. Damit wurde zugleich die<br />
Distanz betont, die das »richtige Polen« zum<br />
liberalen Modell einer EU-Integration haben<br />
müsse. Außerhalb Polens wurde diese politische<br />
Option schnell personifi ziert mit den<br />
Namen der Kaczyński-Brüder.<br />
»Mehr Europa«<br />
Die Abwahl der Kaczyński-Regierung im<br />
Herbst 2007 kann auch als Votum für die<br />
Fortsetzung der EU-Integration gewertet<br />
werden. Doch sollte nicht übersehen werden,<br />
dass es dem Kaczyński-Lager gelang, die eigenen<br />
Stimmen gegenüber 2005 deutlich<br />
zu erhöhen. Ein Indikator dafür, wie stark in<br />
dem weithin katholisch geprägten Land jene<br />
24<br />
<strong>Rosa</strong>Lux 3_ <strong>2008</strong>