diss_wolf_theresa.pdf (2449 KB) - Ernst-Moritz-Arndt-Universität ...
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Theoretische Grundlagen 21<br />
sind ebenso die Hirnregionen, die in der Pathophysiologie der Schizophrenie von Bedeutung<br />
sind (Swerdlow, Caine, Braff & Geyer, 1992). Das PPI- Defizit ist jedoch nicht spezifisch<br />
für eine einzelne psychopathologische Ausprägung, sondern reflektiert Störungen innerhalb<br />
der kortiko- striatalen- pallido- thalamischen Schleife und konnte bspw. auch bei schizotyper<br />
Persönlichkeitsstörung, Zwangsstörungen, Huntingtonerkrankung, Enuresis, ADS, PTBS,<br />
Blepharospasmen, temporaler Epilepsie und dem Tourette- Syndrome nachgewiesen werden<br />
(Übersicht bei Braff, Geyer & Swerdlow, 2001; Light & Braff, 1999). PPI- Defizite wurden<br />
unter anderem auch bei bipolaren Störungen, unipolarer Depression, bei Alkoholabhängigkeit,<br />
bei Panikstörungen, bei Lewy- Körperchen- und Alzheimer Demenz und beim Morbus<br />
Parkinson nachgewiesen (Übersicht bei Geyer, 2006). Diese und andere Störungen bilden<br />
nach Meinung Geyers (2006) die „family of psychiatric gating disorders, which can be seen<br />
to be consonant with the broad importance of behavioral inhibition, attention, and information<br />
processing to normal behavioral function“ (S. 213).<br />
Die experimentelle Manipulation der PPI bei Ratten durch den Eingriff in die Transmitterhomöostase<br />
des corticolimbisch- striatalen Netzwerkes dient als gut etabliertes Tiermodell<br />
der Schizophrenie (Geyer, 2006; Koch, Pilz & Schnitzler, 1998; Koch, 1999 & 2002; Swerdlow<br />
et al., 1992). So ist die PPI bei Ratten durch eine experimentelle Überaktivität von Dopamin<br />
und Serotonin im mesolimbischen System und nach der Blockade von Noradrenalin<br />
(α 2 )- und Glutamatrezeptoren beeinträchtigt und kann mithilfe von atypischer Medikation,<br />
allen voran Clozapin verbessert werden (Übersichtsarbeiten von Ellenbroek, 2004, Geyer,<br />
2006 und Koch, 1999). Sicherlich wird im Tiermodell weder die Heterogenität der schizophrenen<br />
Symptomatik oder die unterschiedlichen Verlaufsformen der Erkrankung noch die<br />
Kardinalsymptome der Erkrankung (Wahn, Halluzination, Ich-Störung, formale Denkstörung<br />
wie Gedankenrasen oder –abriss) abgebildet, doch erlauben Tierexperimente die Untersuchung<br />
direkter ursächlicher Zusammenhänge zwischen Verhaltensstörung 14 und gezielter<br />
experimenteller Manipulation neuronaler Funktionen (Koch, 2002). Die Rückübertragung<br />
der psychopharmakologischen Ergebnisse auf den Humanbereich indes gestaltete sich bislang<br />
weniger eindeutig. So konnte weder einheitlich die Beeinträchtigung der PPI nach Gabe<br />
von Dopaminagonisten bei gesunden Probanden noch die Verbesserung durch Dopaminantagonisten<br />
bei gesunden und schizophrenen Probanden repliziert werden (Übersicht von<br />
Geyer, 2006). Die Gabe von psychoaktiv wirksamen Serotoninagonisten an gesunde Proban-<br />
14)<br />
Bei Ratten werden bspw. Wahl-Reaktions- und Regelwechselaufgaben im Labyrinth als Pendant zu Arbeitsgedächtnisaufgaben,<br />
instrumentelles Belohnungslernen als Abbild des Verhaltensantriebs und der Motivation<br />
und die PPI als Abbild der Filterfunktion verwendet (Koch, 2002).