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ZAHNÄRZ TEBLATT

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nicht der berühmte Airag (vergorene Stutenmilch). Im<br />

Anschluss zeigte man uns das leere Zimmer, das unsere<br />

Praxis werden sollte. Nun hieß es: Kisten auspacken,<br />

Stühle aufbauen und uns einrichten.<br />

Wir haben in der Woche von 9 Uhr bis ca. 18 Uhr mit einer<br />

Stunde Mittagspause gearbeitet. Der Andrang war so groß,<br />

dass wir nicht jeden Patienten durchsanieren konnten.<br />

Zuerst wurden möglichst viele Füllungen gelegt und im<br />

Anschluss noch tief zerstörte und schmerzende Zähne<br />

extrahiert. Da es kein Röntgengerät gibt, können praktisch<br />

auch keine Wurzelfüllungen gemacht werden. Am<br />

schlimmsten war der Zustand der Zähne bei den Kindern.<br />

Nicht selten waren die Hälfte der Milchzähne der 4-5 jährigen<br />

Kinder tief zerstört, so dass viele Milchzähne gezogen<br />

werden mussten. Viele junge Erwachsene zeigten beträchtliche<br />

Fehlstellungen durch frühzeitigen Milchzahnverlust.<br />

Mehrmals haben wir einen kompletten Lückenschluss mit<br />

oral stehendem Prämolaren gesehen. Besonders interessant<br />

ist das häufige Vorkommen einer distolingual liegenden<br />

dritten Wurzel der unteren Molaren.<br />

Natürlich muss man sich auf andere hygienische Zustände<br />

einstellen, und nicht immer läuft alles einwandfrei. In<br />

beiden Orten gab es kein fließend Wasser auch nicht im<br />

Krankenhaus, welches mehr einer Sanitätsstation gleicht.<br />

Am ersten Tag hatten wir keine funktionierenden Multifunktionsspritzen,<br />

und nach dem zweiten Tag fiel eine<br />

Stuhllampe und die dritte Absauganlage des Prophylaxestuhls<br />

irreparabel aus. Aber mit einer sehr guten Stirnlampe<br />

konnte man trotzdem effektiv arbeiten. Auch war die Leistung<br />

des Saugers sehr viel geringer, als wir es gewohnt<br />

sind. Es ist eben Improvisationstalent gefragt. Mal wird<br />

eine Arterienklemme als Nadelhalter verwendet oder die<br />

reine Skalpellklinge als Scherenersatz benutzt. Am Ende<br />

des Tages ist häufig auch nicht mehr die richtige Zange<br />

vorhanden und man extrahiert mit der nächstbesten<br />

Zange oder nur mit dem Hebel. Daher sollte man etwas<br />

Berufserfahrung mitbringen.<br />

Unsere Gruppe hat in zwei Wochen insgesamt 400 Patienten<br />

behandelt und dabei ca. 550 Extraktionen durchgeführt<br />

und ebenso viele Füllungen gelegt. Viele litten schon seit<br />

Jahren an Zahnschmerzen. Wir konnten jedem Patienten<br />

eine Zahnbürste und Zahnpasta schenken. Außerdem ist<br />

Frau Köthe als Dentalhygienikerin mehrmals am Tag zu<br />

den wartenden Patienten auf den Flur gegangen und hat<br />

dort im Sinne einer Gruppenprophylaxe Mundhygieneunterweisungen<br />

durchgeführt. Die Patienten zeigten ihre Dankbarkeit<br />

mit kleinen Gesten. So haben wir abends in der<br />

Jurte Besuch bekommen, und man brachte uns Butter und<br />

Käse oder ein anderes Mal auch Schokolade. Ebenso<br />

wurden wir einmal vom Bürgermeister eingeladen.<br />

Trotz der Arbeit kamen die besonderen Erlebnisse nicht<br />

zu kurz, denn wann kommt man schon nach Hause und<br />

hat eine ganze Herde Pferde vor der Jurte stehen. Einmal<br />

haben wir einem älteren Herrn eine Lesebrille geschenkt.<br />

Er nahm sie, setzte sie auf und fing an zu lesen. Als er uns<br />

wieder anschaute, hatte er Tränen in den Augen, denn seit<br />

Jahren konnte er nicht mehr lesen. Manchmal kann Hilfe<br />

so einfach sein.<br />

Das Krankenhaus hat extra für uns ein kleines Volleyballtunier<br />

organisiert, in dem wir gegen das ganze Krankenhauspersonal<br />

gespielt haben. Am Wochenende wurden<br />

diverse Ausflüge mit uns unternommen. Die Ärztin und<br />

das Krankenhauspersonal haben uns ihren buddhistischen<br />

Tempel gezeigt. Über holprige Pisten ging es zu einem<br />

Picknick an eine Heilquelle. Dort kreisten bei strahlend<br />

blauem Himmel über uns die Adler. Im Sturzflug versuchten<br />

sie, kleine Fleischstücke zu fangen, die ihnen unsere<br />

Begleitung zuwarf. An einem anderen Tag haben wir mit<br />

dem Krankenhauspersonal eine Nomadenfamilie besucht.<br />

Dort wurde speziell für uns gekocht, und wir durften Ziegen<br />

melken und auf Yaks reiten. Zusammen mit ihnen haben<br />

wir gesungen und Spiele gespielt.<br />

Es war ein unvergesslicher Aufenthalt mit vielen besonderen<br />

und eindrucksvollen Erlebnissen. Und trotz aller Sprachhindernisse<br />

haben wir dort echte Freunde gefunden, so dass<br />

uns der Abschied doch recht schwer fiel.<br />

Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung bei<br />

Ivoclar Vivadent, Kaniedenta, Komet und Multident. <br />

Ein solches Projekt kann ohne Spenden nicht<br />

leben. Wenn auch Sie spenden wollen, wenden<br />

Sie sich bitte an www.dwlf.org<br />

—<br />

Dr. Cornelia Ritterhoff und Christina Köthe, Oldenburg<br />

I N T E R E S S A N T E S<br />

J A N U A R 2 0 14 | N Z B | I N T E R E S S A N T E S<br />

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