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A g e n d a<br />
Deutschland und Europa –<br />
Agenda für mehr Wachstum<br />
Dr. Angela Merkel MdB,<br />
Bundeskanzlerin <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland<br />
Sehr gerne bin ich auch in diesem Jahr zur<br />
Tagung des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es gekommen,<br />
um mit Ihnen die Meinungen auszutauschen.<br />
Ich glaube, das Thema ist ausgesprochen<br />
gut gewählt: „Wettbewerb <strong>der</strong> Kontinente“, das<br />
ist das, was uns umtreibt und was uns als Bundesregierung<br />
in unserer Verantwortung <strong>der</strong><br />
EU-Präsidentschaft und auch <strong>der</strong> G8-Präsidentschaft<br />
umtreiben muss.<br />
Das Jahr 1989 war ein Schlüsseljahr – durch zwei<br />
Ereignisse: Einmal den Fall <strong>der</strong> Berliner Mauer,<br />
einhergehend mit dem Ende des Kalten Krieges,<br />
mit <strong>der</strong> Demokratisierung all <strong>der</strong> Staaten, die<br />
sich über Jahrzehnte im sowjetischen Einflussbereich<br />
befanden. Zum zweiten wurden in den<br />
80er Jahren die Grundlagen für das World- Wide-<br />
Web, also das Internet, entwickelt. Für mich besteht<br />
zwischen <strong>der</strong> Entwicklung des Internet, <strong>der</strong><br />
Informationsgesellschaft und dem Fall des Eisernen<br />
Vorhangs ein unauflöslicher Zusammenhang.<br />
Damit hat sich die Welt verän<strong>der</strong>t.<br />
Heute stehen wir vor <strong>der</strong> Aufgabe, den Wohlstand<br />
unseres Kontinentes zu sichern. Dazu<br />
müssen wir uns fragen, was wir dafür nach<br />
innen und nach außen tun müssen, um mit<br />
an<strong>der</strong>en gemeinsam einen Rahmen zu ent -<br />
wickeln, in dem Wohlstand für alle und ein<br />
möglichst nachhaltiges und dauerhaftes Wirtschaftswachstum<br />
gesichert werden können.<br />
Aus meiner Sicht ist Offenheit die einzige Möglichkeit,<br />
die Chancen <strong>der</strong> Globalisierung, die<br />
Chancen dieses weltweiten Zusammenwachsens<br />
zu nutzen. Es geht um Offenheit gegenüber<br />
Wettbewerb, niemals um Abschottung.<br />
Das heißt also: Ängste ernst nehmen, aber nicht<br />
so beantworten, dass wir uns einigeln, son<strong>der</strong>n<br />
dem Wettbewerb stellen.<br />
III/2007 trend<br />
7
A g e n d a<br />
Was heißt das für Deutschland? Wir müssen<br />
vor allen Dingen ein neugieriges Land sein. Unsere<br />
Chancen – ich habe das schon oft gesagt –<br />
liegen darin, dass wir unsere Zukunft in Innovation<br />
sehen, in Entwicklung, in Forschung, in<br />
Kreativität. Deshalb ist die Tatsache, dass sich<br />
die Bundesregierung dazu entschlossen hat,<br />
drei Prozent unseres BIP in Forschung und Entwicklung<br />
zu investieren, von entscheiden<strong>der</strong><br />
Bedeutung für die Zukunft unseres Landes. Aus<br />
dem Grund haben wir auch ein 25-Milliarden-<br />
Investitionsprogramm für diese Legislaturpe -<br />
riode beschlossen. Durch das erhebliche Wirtschaftswachstum<br />
wird das, was in die Forschung<br />
fließt, sogar noch mehr sein müssen,<br />
um den Anteil von drei Prozent zu sichern. Aber<br />
um den Beitrag <strong>der</strong> Wirtschaft auch sicherstellen<br />
zu können, müssen wir natürlich auch die<br />
entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen.<br />
Daher brauchen wir vernünftige steuerliche<br />
För<strong>der</strong>ungsbedingungen für die Forschung.<br />
Wir brauchen natürlich auch die Mitwirkung<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft. Forschung und Innovation werden<br />
für die Zukunft <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland entscheidend sein. Deshalb müssen<br />
wir gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen,<br />
um das Drei-Prozent-Ziel auch wirklich<br />
mit Leben zu füllen.<br />
Das Ganze muss natürlich auch mit einem Bekenntnis<br />
zur Exzellenz verbunden sein. Deshalb<br />
glaube ich, dass die Exzellenzinitiative, wie sie<br />
jetzt Schritt für Schritt umgesetzt wird, ein Umdenken<br />
auch über den Stellenwert von Leis -<br />
tung mit sich bringen wird. Es war richtig, in<br />
<strong>der</strong> ersten Stufe <strong>der</strong> Exzellenzinitiative die Universitäten<br />
herauszustellen, die auch die besten<br />
Leistungen erbringen. Denn es nützt nichts,<br />
wenn wir uns in die Tasche lügen und so tun,<br />
als ob alle gleich hervorragend wären. Wir müssen<br />
deshalb ein klares Bekenntnis zu Spitzenleistungen<br />
aufbringen. Das heißt eben auch,<br />
dass es Unterschiede gibt. Es heißt aber auch,<br />
dass <strong>der</strong>, <strong>der</strong> heute noch nicht so gut ist, die<br />
Chance bekommen muss, morgen besser zu<br />
sein.<br />
Wenn Deutschland weiter ein Wirtschaftswachstum<br />
haben wird, dann wird <strong>der</strong> Ruf nach<br />
mehr Fachkräften sicherlich lauter werden. In<br />
diesem Zusammenhang meine Bitte: Schaffen<br />
Sie ausreichend Ausbildungsplätze! Lassen Sie<br />
uns – und Sie tun das jetzt ja auch vermehrt –<br />
einen engen Dialog auch mit den Län<strong>der</strong>n da rü -<br />
ber führen, dass die Schüler, die die Schule verlassen,<br />
auch tatsächlich ausbildungsfähig sind.<br />
Wir können es uns nicht leisten, jungen Menschen<br />
keine Chance zu geben, nur weil sie nach<br />
<strong>der</strong> Schule nicht in <strong>der</strong> Lage sind, einen Beruf zu<br />
lernen. Es geht um jeden Einzelnen. Nur so können<br />
wir auch den Fachkräftebedarf decken.<br />
Die Bundesregierung hat auf einem weiteren<br />
Gebiet etwas in Gang gesetzt, was ich für außerordentlich<br />
wichtig halte: und zwar auf dem<br />
Gebiet <strong>der</strong> besseren Integration <strong>der</strong> Migrantinnen<br />
und Migranten. Wir sind jetzt zum ersten<br />
Mal zur parteiübergreifenden Auffassung gelangt,<br />
dass es nichts nützt, von multikulturellem<br />
Leben zu schwärmen und dabei zuzusehen,<br />
wie junge Menschen, die hier aufwachsen,<br />
nicht einmal die deutsche Sprache beherrschen.<br />
Nur wer Deutsch kann, hat auch eine<br />
Chance, in unserem Lande wirklich einen Anteil<br />
am Wohlstand zu haben. Das muss durchgesetzt<br />
werden. Deshalb ist es richtig, wenn junge<br />
Menschen die Schule nur besuchen dürfen,<br />
wenn sie auch den Lehrer verstehen.<br />
Deshalb werden wir im Juli auf unserem Integrationsgipfel<br />
einen Integrationsplan verabschieden.<br />
Integration bedeutet zweierlei: Einmal<br />
Pflichten für die, die hier bei uns leben wollen,<br />
und zum an<strong>der</strong>en die Offenheit <strong>der</strong> Menschen,<br />
die hier schon lange leben. Beides gehört<br />
zusammen und beides werden wir in dem Integrationsplan<br />
ansprechen.<br />
Meine Damen und Herren, wenn wir über ein<br />
neugieriges Deutschland sprechen, dann hat<br />
für mich das Thema lebenslanges Lernen eine<br />
entscheidende Bedeutung. Denn angesichts<br />
des demographischen Wandels werden wir es<br />
uns nicht leisten können, Spitzenkräfte, also<br />
Fachkräfte im Alter von 45, 50, 55, aus dem Berufsleben<br />
zu entlassen. Ich bin deshalb den<br />
Wirtschaftsbranchen, wie z. B. <strong>der</strong> IT-Industrie,<br />
sehr dankbar, die ganz speziell versuchen, denjenigen,<br />
die etwas älter sind, eine Fortbildungs -<br />
chance zu geben. Lebenslanges Lernen muss<br />
ein Motto des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts werden. Das ist<br />
noch nicht genug eingeübt. Die Menschlichkeit<br />
unserer Gesellschaft wird sich auch an <strong>der</strong> Frage<br />
entscheiden, ob jemand über 50 in dieser<br />
Gesellschaft noch gebraucht wird.<br />
Deutschland muss insgesamt ein attraktiver<br />
Standort sein. Ich glaube, dass wir dafür auch<br />
durch die Unternehmensteuerreform eine<br />
wichtige Voraussetzung geschaffen haben.<br />
8 trend III/2007
A g e n d a<br />
Deutschland liegt jetzt mit <strong>der</strong> Steuerbelas -<br />
tung bei unter 30 Prozent. Das ist für viele<br />
Inves toren von außen eine gute Möglichkeit,<br />
wie<strong>der</strong> in den Standort Deutschland zu inves -<br />
tieren. Wir haben versucht, obwohl das in <strong>der</strong><br />
Sache sehr schwer zu 100 Prozent zu erreichen<br />
ist, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften<br />
vergleichbare steuerliche Bedingungen<br />
zu geben. Ich denke, dass wir mit einer Gesamtentlastung<br />
von fünf Milliarden € einen<br />
Beitrag dazu leisten, dass nicht allzu viele Verwerfungen<br />
in diesem System entstehen.<br />
<strong>der</strong> Tarifautonomie gibt. Hier muss man zur<br />
Kenntnis nehmen, dass die starke tarifliche Bindung,<br />
wie wir sie über Jahrzehnte insbeson<strong>der</strong>e<br />
in den alten Bundeslän<strong>der</strong>n hatten, heute in<br />
dieser Form nicht mehr besteht und insbeson<strong>der</strong>e<br />
in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n die Situation<br />
zum Teil völlig an<strong>der</strong>s ist. Wir haben sehr unterschiedliche<br />
Bedingungen in den einzelnen<br />
Branchen. Durch die Tatsache, dass wir in einem<br />
offenen europäischen Binnenmarkt arbeiten,<br />
haben wir natürlich auch einen gewissen Lohndruck<br />
von außen.<br />
Wer einmal eine Steuerreform konzipiert hat,<br />
<strong>der</strong> merkt, dass zwischen dem Lehrbuch und<br />
den angestammten Besitzständen natürlich<br />
ein weites Feld ist. Je größer die Entlastungsmöglichkeiten<br />
sind, umso besser können Sie<br />
das überbrücken. Unsere Spielräume aber waren<br />
angesichts <strong>der</strong> Maßnahmen, die wir sonst<br />
in diesem Jahr gemacht haben, begrenzt. Doch<br />
unter dem Strich wird <strong>der</strong> Standort Deutschland<br />
mit <strong>der</strong> Unternehmensteuerreform attraktiver.<br />
Herr Lauk hat mit Recht davon gesprochen, dass<br />
wir jetzt noch die Erbschaftsteuer umsetzen<br />
müssen. Für Familienunternehmen ist es auch<br />
psychologisch ein ganz wichtiger Punkt, dass<br />
im Unternehmen einbehaltenes Kapital, wenn<br />
es dort zehn Jahre bleibt, nicht versteuert wird.<br />
Wir sind durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
zwar in keine ganz einfache Lage<br />
gekommen und müssen alles im Paket umsetzen,<br />
aber ich darf Ihnen hier sagen, dass die Erbschaftsteuerreform<br />
kommt, so wie wir es Ihnen<br />
bezüglich des betrieblichen Vermögens versprochen<br />
haben. Dazu stehen wir und daran arbeiten<br />
wir.<br />
Im Augenblick wird eine Diskussion über die so<br />
genannten Mindestlöhne geführt. Lassen Sie<br />
mich dazu an dieser Stelle noch einmal ganz<br />
deutlich sagen: Ich bin wie Sie <strong>der</strong> Meinung,<br />
dass die Tatsache, dass 20 o<strong>der</strong> mehr europäische<br />
Län<strong>der</strong> einen solchen Mindestlohn haben,<br />
noch lange nicht heißt, dass dies für Deutschland<br />
das geeignete Instrumentarium ist. Es gibt<br />
in keinem dieser Län<strong>der</strong> einen so hohen Stellenwert<br />
<strong>der</strong> Tarifautonomie wie in Deutschland.<br />
Deshalb ist die Christlich Demokratische<br />
Union gegen flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne.<br />
Ich rate uns gleichzeitig, gemeinsam zu betrachten,<br />
welche Verän<strong>der</strong>ungen es im Bereich<br />
III/2007 trend<br />
In Deutschland gibt es durch den Regelsatz von<br />
Hartz IV plus Unterkunftskosten ein gewisses<br />
gesetzliches Mindestniveau des Einkommens,<br />
abhängig von <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Familie. Es kann<br />
aber durchaus vorkommen, dass jemand durch<br />
seine Arbeit weniger verdient, als dieses Mindesteinkommen<br />
ausmachen würde. Dann ist<br />
es besser, das durch Arbeit erzielte Einkommen<br />
in einem gewissen Umfang durch so genannte<br />
Aufstockerleistungen zu unterstützen, als dass<br />
auf diesen Arbeitsplatz verzichtet wird und die<br />
betroffenen Menschen gänzlich von Transferhilfen<br />
abhängig werden.<br />
Wenn man das zur Kenntnis nimmt, dann müssen<br />
wir folgende weitere Fragen beantworten:<br />
Kommen die Tarifpartner zusammen bzw. kann<br />
man Entscheidungen treffen, die ein solches<br />
Zusammenkommen <strong>der</strong> Tarifpartner beför<strong>der</strong>n?<br />
Auch Herr Lauk hat davon gesprochen,<br />
dass beim Entsendegesetz z. B. Erweiterungen<br />
in gewissem Umfang denkbar sind, wobei wir<br />
aber ganz klar das Prinzip haben: Die Tarifautonomie<br />
ist das, was wir stützen und för<strong>der</strong>n wollen.<br />
Wir können diese Tarifautonomie durch gesetzliche<br />
Regelungen kräftigen, aber wir wollen<br />
„Wir müssen alles tun,<br />
um den Aufschwung<br />
zu stärken“<br />
9
A g e n d a<br />
nicht als Staat einen einheitlichen branchenunabhängigen<br />
gesetzlichen Mindestlohn festsetzen.<br />
Wir haben <strong>der</strong>zeit Wachstumsraten, von denen<br />
wir jahrelang geträumt haben. Die deutsche<br />
Wirtschaft hat einen großen Beitrag dazu geleis -<br />
tet, dass das so ist. 600.000 neue sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigungsverhältnisse sind<br />
zu verzeichnen. Zum ersten Mal seit langem liegt<br />
die Arbeitslosenzahl wie<strong>der</strong> unter vier Millionen.<br />
Aber, meine Damen und Herren, unter vier Millionen<br />
heißt doch noch lange nicht, dass wir die<br />
jetzt bestehenden Arbeitsplätze wie<strong>der</strong> in Gefahr<br />
bringen dürfen. Wir müssen vielmehr weiter<br />
daran arbeiten, die Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen zu<br />
senken. Dies ist die zentrale Aufgabe, an <strong>der</strong> auch<br />
die Arbeit dieser Koalition zum Schluss beurteilt<br />
wird. Deshalb werden wir alles daransetzen,<br />
mehr Menschen in Arbeit zu bringen und nicht<br />
durch irgendwelche Maßnahmen Arbeitsplätze<br />
in unserem Land zu vernichten. Das wäre verantwortungslos.<br />
wir reformieren – u. a. Unternehmensteuerreform,<br />
Rente, Gesundheit – und leisten damit einen<br />
Beitrag dazu, die Lohnzusatzkosten auf unter<br />
40 Prozent zu senken.<br />
Wir müssen alles tun, um den Aufschwung zu<br />
stärken. Deshalb dürfen wir we<strong>der</strong> falsche<br />
Schritte gehen, noch dürfen wir erlahmen bei<br />
<strong>der</strong> Frage, was noch zu tun ist. Das heißt, Stillstand<br />
kann nicht das Motto <strong>der</strong> Stunde sein,<br />
vielmehr müssen wir konsequent weitermachen.<br />
Auch wenn es natürlich manch unterschiedliche<br />
Auffassungen innerhalb <strong>der</strong> Großen<br />
Koalition gibt, so wissen wir doch um die<br />
unbedingte Notwendigkeit, das Maß an Gemeinsamkeit,<br />
was da ist, zu nutzen, um das<br />
Wirtschaftswachstum in Deutschland zu stärken<br />
und Arbeitsplätze zu schaffen.<br />
Deutschland ist die größte Volkswirtschaft in<br />
Europa. Wie es <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland<br />
wirtschaftlich geht, hat ohne Zweifel auch<br />
auf Wachstum und Entwicklung in an<strong>der</strong>en europäischen<br />
Län<strong>der</strong>n Auswirkungen. Deshalb<br />
sind wir uns unserer Verantwortung bewusst<br />
und haben im Zuge <strong>der</strong> deutschen EU-Ratspräsidentschaft<br />
eine Vielzahl von Entscheidungen<br />
getroffen, die im Ergebnis auch dem Anspruch<br />
<strong>der</strong> EU, ein wirtschaftlich starker Partner in <strong>der</strong><br />
Welt zu sein, gerecht werden.<br />
Wichtig dabei war zunächst, dass Deutschland<br />
den Stabilitäts- und Wachstumspakt wie<strong>der</strong><br />
verlässlich einhält. Wenn Deutschland versucht<br />
hätte, den Stabilitäts- und Wachstumspakt irgendwie<br />
aufzubohren o<strong>der</strong> aufzuweichen,<br />
dann hätte das keine guten Auswirkungen auf<br />
Europa gehabt.<br />
Mit einem neuen<br />
DAX-Rekord feiert die<br />
Börse den Aufschwung<br />
Die Koalition hat für eine Vielzahl von Maßnahmen<br />
eine Menge Kritik bekommen. Als wir im<br />
vorigen Jahr immer und immer wie<strong>der</strong> gesagt<br />
haben, dass wir den Dreiklang „Sanieren, Inves -<br />
tieren, Reformieren“ durchsetzen, und damit<br />
auch Maßnahmen verbunden waren, die den<br />
Menschen Härten zugemutet haben, haben<br />
viele vorhergesagt, dass wir damit das zarte<br />
Pflänzchen Aufschwung kaputt machen würden.<br />
Heute wissen alle, dass <strong>der</strong> genannte Dreiklang<br />
richtig ist. Wir haben einen Haushalt, <strong>der</strong><br />
auf Sanierungskurs ist. Zum ersten Mal ist ein<br />
ausgeglichener Haushalt in Sichtweite. Mit den<br />
Investitionen haben wir den Mittelstand und<br />
insbeson<strong>der</strong>e kleinere Betriebe gestärkt. Und<br />
Heute können wir festhalten, dass Deutschland<br />
aus dem Defizitverfahren entlassen ist, aber<br />
nicht, weil wir politischen Druck gemacht haben,<br />
son<strong>der</strong>n weil wir die Bedingungen des Stabilitäts-<br />
und Wachstumspaktes erfüllen. Das ist<br />
nach meiner Meinung auch <strong>der</strong> einzig richtige<br />
Weg. Er schafft uns auch die Voraussetzung dafür,<br />
nachdrücklich für die Unabhängigkeit <strong>der</strong><br />
Europäischen Zentralbank einzutreten. Sie darf<br />
nicht unter politischen Druck kommen. Sie ist<br />
das Fundament des Euro.<br />
Darüber hinaus muss Europa lernen, dass nicht<br />
immer nur neue Richtlinien verabschiedet werden,<br />
son<strong>der</strong>n dass auch einmal Richtlinien abgeschafft<br />
werden können und Bürokratie in<br />
Europa abgebaut werden muss. 1,5 Prozent<br />
10 trend III/2007
A g e n d a<br />
mehr Wachstum könnte freigesetzt werden,<br />
wenn bei den europäischen Richtlinien 25 Prozent<br />
Bürokratieabbau wirklich erreicht würden.<br />
Außerdem muss Europa weltweite Abkommen<br />
unterstützen. An dieser Stelle nenne ich beispielhaft<br />
die Doha-Runde. Europa muss Vorreiter eines<br />
offenen und liberalen multilateralen Handels<br />
auf <strong>der</strong> Welt sein – einmal um seinem eigenen<br />
Wertefundament gerecht zu werden, zum<br />
zweiten weil Europa und auch Deutschland immer<br />
am meisten davon profitiert haben, wenn<br />
wir für einen offenen Welthandel eintreten.<br />
Auch haben wir uns in unserer deutschen EU-<br />
Ratspräsidentschaft intensiv für die transatlantische<br />
Wirtschaftspartnerschaft eingesetzt. Das<br />
ist eine wichtige Antwort auf den gewachsenen<br />
Wettbewerb. Nichttarifäre Hemmnisse, wie wir<br />
sie vor <strong>der</strong> Einführung des Binnenmarktes in<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union hatten, binden hier zu<br />
viele Kräfte. Wenn wir zum Beispiel bei <strong>der</strong> Zulassung<br />
von Medikamenten, bei Crashtests von<br />
Autos, bei den Bilanzierungsregeln und vielem<br />
an<strong>der</strong>en mehr eine gemeinsame Kraftanstrengung<br />
schafften, dann brächte das einen großen<br />
Gewinn, den wir in Innovation, in Forschung, in<br />
Zukunft investieren könnten, was beide Kon -<br />
tinente im Übrigen dringend gebrauchen<br />
können.<br />
Wenn wir über den Wettbewerb <strong>der</strong> Kontinente,<br />
über die Entwicklung <strong>der</strong> Globalisierung<br />
sprechen, werden wir sicherlich auch in Zukunft<br />
darüber reden müssen, welche Instrumente<br />
<strong>der</strong> Finanzmärkte uns nach vorne bringen<br />
und – im Gegenzug – welche Möglichkeiten<br />
<strong>der</strong> Transparenz und <strong>der</strong> Kontrolle wir hier<br />
einfor<strong>der</strong>n müssen.<br />
Ohne Zweifel ist die Globalisierung für viele<br />
Menschen eine große Herausfor<strong>der</strong>ung. Deshalb<br />
beschäftigen wir uns zum Beispiel mit <strong>der</strong><br />
Frage, wie Transparenzregeln für Hedgefonds<br />
aussehen sollten. Nicht weil wir diese Instrumente<br />
<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Finanzpolitik einfach ablehnen,<br />
son<strong>der</strong>n weil wir sehen, dass zwischen<br />
den herkömmlichen und den neuen Instrumenten<br />
ein hohes Maß an Unterschiedlichkeit<br />
in <strong>der</strong> Transparenz herrscht. Ich bin dem Präsidenten<br />
<strong>der</strong> Europäischen Zentralbank sehr<br />
dankbar, dass er sich für einen Code of Conduct<br />
eingesetzt hat. Wenn dieser von <strong>der</strong> Industrie<br />
und <strong>der</strong> Finanzwirtschaft selber erarbeitet<br />
wird, dann ist das allemal das Beste.<br />
Deshalb meine Bitte an dieser Stelle auch an Sie<br />
für Ihre Diskussion im <strong>Wirtschaftsrat</strong>: Lassen<br />
Sie uns für das notwendige Maß an Regu lie -<br />
rung eintreten, bevor wir zum Schluss zu fal -<br />
schen Formen <strong>der</strong> Überregulierung kommen.<br />
Was also ist die Aufgabe <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union? Mit Sicherheit nicht, sich dauernd mit<br />
sich selbst zu beschäftigen. Deshalb hoffe ich,<br />
dass Europa für seine zukünftigen vertrag -<br />
lichen Grundlagen in <strong>der</strong> nächsten Woche ein<br />
Stück weiter kommen wird. Denn es gibt so viele<br />
Dinge, bei denen die Welt nicht auf Europa<br />
wartet und bei denen es darum geht, dass wir<br />
uns kraftvoll mit einer einheitlichen Stimme<br />
ein mischen. Das beginnt bei <strong>der</strong> Frage des<br />
Klima schutzes und <strong>der</strong> Energiepolitik, es geht<br />
weiter über kräftiges wirtschaftliches Wachstum,<br />
Ausbildung, Rahmenbedingungen für<br />
Arbeitsstandards bis hin zu ökologischen Standards.<br />
Ich bin <strong>der</strong> festen Überzeugung, dass wir mit<br />
unseren kulturellen Erfahrungen, Traditionen<br />
und Erfolgen <strong>der</strong> vergangenen Jahre alle Chancen<br />
haben, im globalen Wettbewerb nicht nur<br />
bestehen zu können, son<strong>der</strong>n ihn auch ganz<br />
entscheidend mitbestimmen zu können.<br />
Das können wir aber nur, wenn wir uns <strong>der</strong> realen<br />
Kräfteverhältnisse in <strong>der</strong> Welt bewusst sind.<br />
In <strong>der</strong> Europäischen Union leben zusammen fast<br />
500 Millionen Einwohner. Auf <strong>der</strong> Welt leben<br />
über sechs Milliarden Menschen, in Deutschland<br />
80 Millionen. Wer also glaubt, er könne allein<br />
mit 80 Millionen Deutschen o<strong>der</strong> knapp 500<br />
Millionen Europäern für sechs Milliarden den<br />
Takt vorgeben, <strong>der</strong> überhebt sich schlicht und<br />
einfach. Deshalb muss die Europäische Union<br />
gemeinsam handeln. Wir müssen selbstbewusst<br />
auftreten, selbstbewusst mit dem, was wir können,<br />
neugierig auf das, was zu machen ist, kraftvoll<br />
und mit Elan. Dann, so glaube ich, hat<br />
Europa, ein Kontinent, <strong>der</strong> heute ohne Krieg<br />
friedlich und demokratisch seine Zukunft gestaltet,<br />
die Chance, weltweit ein anerkannter<br />
Partner zu sein.<br />
Zurzeit findet ein großer Wettbewerb um gesellschaftliche<br />
Ordnungen statt. Deshalb ist es<br />
so wichtig, dass eine dynamische Wirtschaft<br />
mit einer mit Maß gestaltenden Politik einhergeht,<br />
um ein Ziel unserer Zeit zu erreichen: die<br />
Globalisierung menschlich zu gestalten. <br />
Rede Wirtschaftstag 2007<br />
III/2007 trend<br />
11
E u r o p a<br />
Die Europäische Union:<br />
Zukunft im internationalen<br />
Wettbewerb<br />
Toomas Hendrik Ilves,<br />
Staatspräsident <strong>der</strong> Republik Estland<br />
Toomas Hendrik Ilves stellte fest, dass man<br />
sich in einer globalisierten Welt die Frage<br />
stellen müsse, mit wem man konkurriere.<br />
Der Wettbewerb finde sowohl innerhalb <strong>der</strong><br />
EU als auch in <strong>der</strong> Welt statt. Wenn man sich<br />
aber die langfristigen Trends <strong>der</strong> Globalisierung<br />
ansehe, müsse man dankbar sein, dass<br />
die Europäer frühzeitig einen einheitlichen<br />
Binnenmarkt geschaffen hätten. Dieser habe<br />
es den europäischen Staaten erlaubt, sich auf<br />
den mit <strong>der</strong> Globalisierung einhergehenden<br />
schärferen Wettbewerb einzustellen und vorzube<br />
reiten. „Wir wären heute hinsichtlich unserer<br />
Wettbewerbsfähigkeit in einer wesentlich<br />
schlechteren Verfassung, wenn wir diesen<br />
Binnenmarkt nicht gehabt hätten“, sagte Ilves.<br />
Die Offenheit <strong>der</strong> europäischen Märkte im innereuropäischen<br />
Wettbewerb sei <strong>der</strong> Motor für<br />
die heute weltweite Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong><br />
EU-Staaten gewesen. „Aber das reicht nicht. Wir<br />
brauchen mehr Mut, mehr Visionen und eine<br />
Vorstellung davon, wohin wir in den nächsten<br />
25 Jahren wollen“, betonte <strong>der</strong> Präsident Estlands.<br />
Indien und China seien zwei mächtige<br />
Volkswirtschaften, die die Wirtschaftskraft<br />
Deutschlands in einigen Jahren übersteigen<br />
würden. Heute könnten die Europäsche Union<br />
und die USA noch mit China o<strong>der</strong> Indien konkurrieren.<br />
Dort kämen bislang nur rund acht Prozent<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung in den Genuss dessen, was<br />
man eine Mittelschicht-Existenz nennen könne.<br />
„Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite muss man aber auch sehen,<br />
dass diese acht Prozent In<strong>der</strong>, die einen europäischen<br />
Lebensstandard genießen, mehr<br />
12 trend III/2007
E u r o p a<br />
Menschen sind als Deutschland Einwohner<br />
hat“, sagte Ilves. „Und dieser Prozentsatz wird<br />
steigen. Die Frage ist, wo wir in 20 Jahren sein<br />
werden.“ Das gegenwärtige Denken in <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union darüber, wohin Europa gehen<br />
werde, sei kein Grund für Optimismus. „Aus<br />
zwei Gründen“, führte <strong>der</strong> Staatspräsident Estlands<br />
aus: „Ein Grund ist das Scheitern <strong>der</strong> EU<br />
beim Erreichen <strong>der</strong> Lissabon-Ziele, also bei <strong>der</strong><br />
Weiterentwicklung von Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit.<br />
Und zweitens entwickelt die<br />
EU einen gefährlichen Hang zu Protektionismus<br />
– und zwar nach außen und nach innen.“<br />
Ilves verdeutlichte in diesem Zusammenhang<br />
die Situation Estlands. Das Land habe mit Blick<br />
auf die eigene Infrastruktur binnen kürzester<br />
Zeit nach <strong>der</strong> Sowjetherrschaft bis Mitte <strong>der</strong><br />
Neunziger Jahre eine Infrastruktur aufgebaut,<br />
die deutlich über dem Durchschnitt <strong>der</strong> EU-<br />
Län<strong>der</strong> liege. Im Bankensektor habe Estland bis<br />
zur Jahrtausendwende sogar ein Niveau erreicht,<br />
das nur wenige Län<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union erreichten. Große Fortschritte habe<br />
Estland auch hinsichtlich <strong>der</strong> Versorgung<br />
mit Internetanschlüssen gemacht. Im kom -<br />
men den Jahr werde in jedem Winkel des Landes<br />
<strong>der</strong> Zugang zum World Wide Web möglich<br />
sein, berichtete Ilves. Aber die Fortschritte, die<br />
sein Land gemacht habe, machten nicht jeden<br />
glücklich. Die hohe Effizienz etwa im Bankensektor<br />
habe dazu geführt, dass weniger Mit -<br />
arbeiter benötigt würden. „97 Prozent aller<br />
Banktransaktionen finden bei uns inzwischen<br />
im Internet statt – natürlich braucht man dann<br />
weniger Mitarbeiter an den Bankschaltern.“<br />
Auch eine große Zahl von Arbeitern sei durch<br />
technologische Innovationen überflüssig geworden.<br />
Dies könne bei jährlichen Wachstumsraten<br />
von acht bis zehn Prozent zwar noch kompensiert<br />
werden. Das Problem <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
sei dank <strong>der</strong> hohen Wachstumsraten relativ<br />
gering ausgeprägt. „Aber nichtsdestotrotz<br />
ist dies ein Problem für Län<strong>der</strong>, die bereits eine<br />
hohe Arbeitslosigkeit haben und ihre Effizienz<br />
nicht weiter steigern wollen“, betonte Ilves.<br />
„Estland aber hat durch die starke Betonung<br />
<strong>der</strong> Informationstechnologie wirtschaftlich<br />
schneller aufholen können als ohne.<br />
funktioniere heute nicht mehr, weil <strong>der</strong> Kostenvorteil<br />
inzwischen nicht mehr so groß sei. „Wir<br />
müssen neue Technologien erfinden, wir müssen<br />
innovativ sein.“ Und um dieses Ziel zu erreichen,<br />
benötige auch Estland mehr technische<br />
Intelligenz und Wissen. „Ja, wir haben Skype erfunden.<br />
Aber mein Land fällt – wie die ganze<br />
Europäische Union – in Sachen Innovationen<br />
und Wissenschaft zurück“, mahnte Ilves. „Technische<br />
Innovationen kommen vor allem aus<br />
den Vereinigten Staaten von Amerika. Und die<br />
USA sind selbst darauf angewiesen, den Brain<br />
Drain von Europa, China und Indien zu nutzen,<br />
um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.“<br />
Ilves erinnerte daran, dass die Situation vor 150<br />
Wir müssen viele Probleme auf<br />
europäischer Ebene lösen<br />
Jahren eine völlig an<strong>der</strong>e gewesen sei. „Es war<br />
Deutschland, das die großen Physiker und Ingenieure<br />
und auch die großen Erfindungen und<br />
Innovationen hervorgebracht hat. Europa war<br />
<strong>der</strong> Innovator.“ Dies sei heute an<strong>der</strong>s. Nicht nur,<br />
weil die Europäer sich aus diesen Fel<strong>der</strong>n zurückgezogen<br />
hätten, son<strong>der</strong>n weil die jungen<br />
Wissenschaftler in die Vereinigten Staaten gingen.<br />
„Die klügsten Köpfe verlassen Europa –<br />
und zugleich sperren wir uns gegen Einwan<strong>der</strong>er“,<br />
kritisierte Ilves.<br />
Der estnische Staatspräsident machte deutlich,<br />
dass Europa sich mit Blick auf den Wettbewerb<br />
als einheitlichen Wirtschaftsraum begreifen<br />
müsse. „Da gibt es kein altes und kein neues<br />
Europa – wir konkurrieren als Europa. Und das<br />
bedeutet, dass wir viele Probleme auf europäischer<br />
Ebene lösen müssen.“ Wenn die Qualität<br />
von Dienstleistungen und Innovationen nicht in<br />
ganz Europa verbessert würde, sei dies ein Pro-<br />
In jedem Winkel<br />
des Landes Zugriff auf<br />
das World Wide Web<br />
„Aber das reicht nicht mehr“, sagte Ilves. „Wir<br />
müssen jetzt beginnen, selber Innovationen zu<br />
entwickeln, weil auch Estland nicht länger da -<br />
rauf setzen kann, einfach nur niedrigere<br />
Arbeitskosten zu haben, um wettbewerbsfähig<br />
zu bleiben.“ Was vor 15 Jahren geklappt habe,<br />
III/2007 trend<br />
13
E u r o p a<br />
Infrastruktur<br />
deutlich über dem<br />
europäischen Durchschnitt<br />
„Es gibt keine altes<br />
und kein neues Europa“<br />
blem für den ganzen Kontinent. Ilves kritisierte,<br />
dass zwar die Grenzen für Kapital geöffnet worden<br />
seien, nicht aber für Dienstleistungen.<br />
„Europa bleibt unvollendet, solange sich die<br />
Freiheit offener Grenzen nicht auf alle Bereiche<br />
bezieht. Wir aber tun alles, um die Freiheit von<br />
Dienstleistungen zu beschneiden. Wir beklagen<br />
den Mangel an Ingenieuren, aber wir tun sehr<br />
wenig, um Wissenschaft und Forschung voranzubringen.<br />
Und wenn wir Probleme haben, weichen<br />
wir schließlich in den Protektionismus aus.<br />
Das sieht nicht gut aus“, kritisierte Ilves.<br />
Beispielhaft führte <strong>der</strong> estnische Staatspräsident<br />
den Energiesektor an. „In einem <strong>der</strong> wichtigsten<br />
Sektoren für das Wirtschaftswachstum,<br />
dem Energiesektor, sind wir von einem Staat<br />
abhängig, <strong>der</strong> seine Energieressourcen gezielt<br />
für außenpolitische Ziele einsetzt.“ Europäer<br />
müssten darum in energiepolitischen Fragen<br />
zusammenarbeiten. Selbst Deutschland als<br />
größte europäische Wirtschaftsmacht sei letztlich<br />
ein kleines Land, wenn es um Verhandlungen<br />
mit Gasprom gehe. „Die Europäer müssen<br />
eine gemeinsame Energiepolitik entwickeln<br />
mit einem Kommissar, <strong>der</strong> für energiepolitische<br />
Fragen zuständig ist. Und die wichtigste<br />
Voraussetzung für ein kraftvolles gemeinsames<br />
Auftreten nach außen ist, dass die Energiemärkte<br />
im Inneren liberalisiert werden. Doch<br />
stattdessen versuchen einzelne Län<strong>der</strong> in<br />
Europa lieber, nationale Champions im Energiesektor<br />
aufzubauen und die eigenen Märkte<br />
abzuschotten“, monierte Ilves. „Das alles führt<br />
zu einem Nie<strong>der</strong>gang Europas und <strong>der</strong> europäischen<br />
Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten<br />
Welt, sofern wir nicht bald etwas tun.“<br />
Der Staatspräsident Estlands machte in diesem<br />
Zusammenhang auch auf die beson<strong>der</strong>e Bedeutung<br />
eines europäischen Verfassungsvertrages<br />
aufmerksam. „Wir alle brauchen einen Verfassungsvertrag,<br />
<strong>der</strong> nicht nur eine Festschreibung<br />
bestehen<strong>der</strong> Verträge bedeutet – son<strong>der</strong>n einen,<br />
<strong>der</strong> uns erlaubt, einen Schritt nach vorne zu<br />
gehen und den Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Globalisierung<br />
zu begegnen“, mahnte Ilves. Die Globalisierung<br />
sei eine bekannte Unbekannte. Aber es<br />
gebe auch „unbekannte Unbekannten“ – also<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen und Gefahren, die sich heute<br />
noch nicht absehen ließen. Jedoch müsse<br />
man heute alles tun, um mit den „bekannten<br />
Unbekannten“ <strong>der</strong> Globalisierung, also mit den<br />
Verän<strong>der</strong>ungen des Wettbewerbs, neuen Bildungsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
und den Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
an die Wissenschaft umzugehen. „Wir kennen<br />
die Probleme und wir kennen die Lösungen.<br />
Wir wissen, dass die Probleme sich am besten<br />
auf europäischer Ebene bewältigen lassen. Wir<br />
müssen etwas tun. Mit Mut und Entschlossenheit.<br />
Unsere Kin<strong>der</strong> werden uns nicht verzeihen,<br />
wenn wir untätig bleiben.“<br />
Aus Rede Wirtschaftstag 2007<br />
14 trend III/2007
G l o b a l i s i e r u n g<br />
Deutschland in <strong>der</strong><br />
Globalisierung:<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen für<br />
Unternehmen und Politik<br />
Jürgen R. Thumann,<br />
Präsident des Bundesverbandes <strong>der</strong> Deutschen Industrie e.V.<br />
Jürgen Thumann hob hervor, dass Globalisierung<br />
ein altes Phänomen <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />
sei. Für einige sei „Globalisierung“<br />
heute zum Synonym für die Spaltung <strong>der</strong> Welt<br />
in Arm und Reich geworden. „Für an<strong>der</strong>e ist<br />
Globalisierung in erster Linie ein gewaltiger<br />
Wachstumsmotor“, erklärte Thumann. „Gerade<br />
in Ostasien drängt sie die Armut immer weiter<br />
zurück.“ Auch aus deutscher Sicht gebe es Wi<strong>der</strong>sprüche.<br />
„Unser Land ist Exportweltmeister,<br />
zugleich erreichen uns Nachrichten von Massenentlassungen.“<br />
Die Globalisierung habe<br />
den Strukturwandel beschleunigt und gleichzeitig<br />
habe <strong>der</strong> Wettbewerb eine ganz neue Dimension<br />
erreicht. Der Wettbewerb zwischen<br />
Unternehmen und <strong>der</strong> Wettbewerb zwischen<br />
Standorten gehörten ganz eng zusammen. „Ihr<br />
Bindeglied war stets die Standortbindung <strong>der</strong><br />
Unternehmen. Diese Selbstverständlichkeit<br />
gibt es nicht mehr“, sagte Thumann.<br />
Der Industriepräsident unterstrich, dass sich<br />
<strong>der</strong> Zusammenhalt im Zuge <strong>der</strong> Globalisierung<br />
dramatisch zurückgebildet habe. „Und auch<br />
<strong>der</strong> Markt verän<strong>der</strong>te sich. Für die Mehrzahl <strong>der</strong><br />
Industrieunternehmen gilt längst: Der Weltmarkt<br />
ist <strong>der</strong> Heimatmarkt.“ Umsatzsteigerungen<br />
würden meist auf Auslandsmärkten er-<br />
III/2007 trend<br />
15
G l o b a l i s i e r u n g<br />
Thumann mahnte, sich von den guten Konjunkturdaten<br />
nicht blenden zu lassen.<br />
„Deutschland hat die Rote Laterne abgegeben,<br />
wir sind nicht mehr das europäische Wachstumsschlusslicht.<br />
Aber nach wie vor ist unser<br />
Standort von einer strukturellen Wachstumsschwäche<br />
gekennzeichnet. Trotz kräftigen<br />
Wachstums im laufenden Jahr belegt Deutschland<br />
international nur einen Platz im Mittelfeld.<br />
Vor uns liegen die osteuropäischen Län<strong>der</strong>,<br />
aber auch Finnland, Schweden, Großbritannien.<br />
Und in den USA würde unser aktueller<br />
Boom wohl eher als Wachstumsdelle bezeichnet<br />
werden“, sagte <strong>der</strong> BDI-Präsident. Das<br />
Trendwachstum sei zu schwach. „Der politische<br />
Reformprozess wurde vom unternehmerischen<br />
quasi abgehängt. Die Agenda 2010, die Politik<br />
<strong>der</strong> kleinen Schritte – es reicht ganz einfach<br />
nicht“, kritisierte <strong>der</strong> Industriepräsident.<br />
Für mittelständische<br />
Unternehmen bedeutet<br />
die Globalisierung eine<br />
große Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
zielt, betonte Thumann. „Unsere DAX-30-Unternehmen<br />
zum Beispiel erwirtschaften inzwischen<br />
über drei Viertel ihrer Umsätze im Ausland.<br />
Die Globalisierung bietet Unternehmen<br />
also viele neue Handlungsoptionen. Die deutschen<br />
Unternehmen haben diese Chancen erkannt<br />
und sie nutzen sie.“ Dabei hätten deutsche<br />
Unternehmen teils schmerzhafte Umstrukturierungsprozesse<br />
hinter sich. „Strukturen<br />
wurden schlank gemacht, Erblasten aus<br />
den 70er Jahren und den 80ern wurden beseitigt“,<br />
sagte <strong>der</strong> BDI-Präsident. „Am Weltmarkt<br />
überleben heißt eben, sich än<strong>der</strong>n.“<br />
Wirtschaftspolitik müsse stärker als bisher die<br />
Voraussetzungen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> Unternehmen im Blick<br />
haben. Angesichts <strong>der</strong> Europäisierung seien die<br />
nationalen Handlungsmöglichkeiten deutlich<br />
geschwunden. Internationale wirtschafts -<br />
politische Akteure würden immer wichtiger.<br />
„Nationale Politik verliert durch internationale<br />
Regelsetzung an Durchschlagskraft. Die Glo -<br />
balisierung hat den Handlungsspielraum <strong>der</strong><br />
Politik verän<strong>der</strong>t“, sagte Thumann. „Einige<br />
Kritiker <strong>der</strong> Globalisierung sagen sogar, dass<br />
allein <strong>der</strong> Markt die Politik bestimmt. Ich halte<br />
das für übertrieben.“<br />
Komplementäre Fertigung im Ausland eröffnet<br />
Möglichkeiten zur Stärkung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit<br />
Die komplementäre Fertigung im Ausland eröffne<br />
den Unternehmen Möglichkeiten zu Rationalisierung<br />
und Kostenreduktion. „Das<br />
nutzt unserer Wettbewerbsfähigkeit. Und so<br />
bleibt die Außenwirtschaft Deutschlands wichtigstes<br />
Konjunkturprogramm. Je<strong>der</strong> vierte<br />
deutsche Arbeitsplatz hängt von <strong>der</strong> Außenwirtschaft<br />
ab“, betonte <strong>der</strong> Industriepräsident.<br />
Diese Abhängigkeit habe sich in den vergangenen<br />
Jahren sogar noch verstärkt. Die deutsche<br />
Exportquote sei von 25 Prozent Anfang <strong>der</strong><br />
neunziger Jahre auf heute 45 Prozent gestiegen.<br />
„Internationalisierung, die Flucht nach<br />
vorn, ist also die Erfolgsformel <strong>der</strong> deutschen<br />
Industrie. Und wenn es um den Wettbewerb<br />
<strong>der</strong> Unternehmen geht, um die Performance<br />
<strong>der</strong> deutschen Unternehmen, dann können wir<br />
heute wie<strong>der</strong> stolz sein.“<br />
Tatsache sei, dass die Verschärfung des glo -<br />
balen Wettbewerbs erhebliche Anpassungsleis -<br />
tungen erfor<strong>der</strong>e. Deutschland müsse seine<br />
Standortnachteile wie hohe Arbeitskosten und<br />
Bürokratie abbauen und zugleich seine Standortstärken<br />
ausbauen.<br />
Die Globalisierung könne nur mit <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
gestaltet werden – und nicht gegen sie.<br />
Deutschland könne es mit <strong>der</strong> Globalisierung<br />
aufnehmen. „Wir sind auf dem richtigen Weg,<br />
diese Herausfor<strong>der</strong>ungen, die uns gestellt sind,<br />
zu meistern“, erklärte Thumann. „Das zeigen<br />
unsere Unternehmen, die sich stark gemacht<br />
haben für den internationalen Wettbewerb.<br />
Das zeige auch <strong>der</strong> aktuelle Aufschwung. Es<br />
geht voran. Die Unternehmen brauchen eine<br />
Politik, die dieses Tempo mithält – in Deutschland<br />
und weltweit“, for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Industriepräsident.<br />
„Der Kurs ist richtig. Aber wir müssen<br />
noch härter am Wind segeln. Nur dann kommen<br />
wir voran. Und nur dann erreichen wir<br />
neue Ufer.“<br />
<br />
Aus Rede Wirtschaftstag 2007<br />
16 trend III/2007
We t t b e w e r b<br />
Wettbewerbspolitik im<br />
Sinne Ludwig Erhards –<br />
Erfolgsmodell für<br />
Deutschland und Europa<br />
René Obermann,<br />
Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong> Deutsche Telekom AG<br />
René Obermann erklärte, die Deutsche Telekom<br />
als so genannter „Incumbent“, als<br />
ein Unternehmen, das aus einem staatlichen<br />
Monopol hervorgegangen sei, sei in beson<strong>der</strong>em<br />
Maße von staatlicher Wettbewerbsaufsicht<br />
betroffen. „Fast 60 Prozent <strong>der</strong> Umsätze<br />
in Deutschland unterliegen heute noch <strong>der</strong><br />
Preis- und Zugangskontrolle <strong>der</strong> Bundesnetzagentur.<br />
Unternehmenszukäufe im Kerngeschäft<br />
bedürfen grundsätzlich einer Genehmigung<br />
<strong>der</strong> EU-Kommission“, erläuterte Obermann.<br />
„Es gibt also kaum Entscheidungen, die<br />
wir autonom und ohne behördliche Vorgaben<br />
treffen können.“ Gleichwohl müsse die Telekom<br />
für ihre Entscheidungen geradestehen.<br />
Hier komme <strong>der</strong> inhaltliche Bezug zu Ludwig<br />
Erhard ins Spiel. Wesentliche Bausteine einer<br />
marktwirtschaftlichen Ordnung im Sinne Erhards<br />
seien die Kontrolle wirtschaftlicher<br />
Macht in Form von Monopolen und Kartellen,<br />
freie Preise und stabiles Geld. „In den maßgeblich<br />
von Erhard geprägten Düsseldorfer Leitsätzen<br />
von 1949 – so etwas wie ein Manifest <strong>der</strong><br />
Sozialen Marktwirtschaft – ist die unabhängige<br />
Monopolkontrolle im ersten und auch wich -<br />
tigs ten <strong>der</strong> 16 Leitsätze aufgeführt“, erinnerte<br />
Obermann.<br />
Freie Preise und zugleich eine unabhängige<br />
Monopolkontrolle habe Ludwig Erhard als<br />
III/2007 trend<br />
17
We t t b e w e r b<br />
„Die zunehmende<br />
Bereitschaft des Staates<br />
allerdings, in das<br />
Wirtschafts geschehen<br />
einzugreifen, hätte nicht<br />
Erhards Wohlwollen<br />
gefunden“<br />
Die Bundesagentur fungiert als<br />
eine Art oberster „Preiskommissar“<br />
Grundgesetz <strong>der</strong> Sozialen Marktwirtschaft bezeichnet.<br />
Wenn Erhard indes von <strong>der</strong> Kontrolle<br />
von Monopolen und dem Verbot von Kartellen<br />
gesprochen habe, dann habe er den Staat in seiner<br />
Rolle als Schiedsrichter vor Augen gehabt,<br />
<strong>der</strong> sich selbst aus dem Spielgeschehen fernzuhalten<br />
habe, betonte <strong>der</strong> Vorstandsvorsitzende<br />
<strong>der</strong> Deutschen Telekom. „Die zunehmende Bereitschaft<br />
des Staates allerdings, in das Wirtschaftsgeschehen<br />
einzugreifen, hätte nicht Erhards<br />
Wohlwollen gefunden. Davon bin ich<br />
überzeugt. So wohlmeinend die dahinterstehenden<br />
Erklärungen, zum Beispiel <strong>der</strong> Verbraucherschutz,<br />
auch sein mögen.“<br />
Obermann sagte, Erhard stünde nach seiner<br />
Auffassung heute für eine Wettbewerbsaufsicht,<br />
die sich nach fast zehn Jahren rasanten<br />
Umbruchs und intensiven Wettbewerbs wie<strong>der</strong><br />
auf die grundlegenden Regeln des Kartellrechts<br />
beschränken würde. Er betonte, <strong>der</strong> Telekommunikationssektor<br />
habe eine gewisse Vorreiterrolle<br />
für an<strong>der</strong>e Sektoren.<br />
„Regulierung wird nicht als Instrument eingesetzt,<br />
um mit einem geeigneten Rahmen eine<br />
freie, wohlfahrtsverbessernde Preisbildung zu<br />
för<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n erledigt die Preisbildung zum<br />
Teil gleich mit.“ Die Bundesnetzagentur fungiere<br />
als eine Art oberster „Preiskommissar“. Hinzu<br />
komme die Regulierung auf europäischer<br />
Ebene. Obermann warnte, eine Superregulierungsbehörde<br />
auf EU-Ebene sei kontraproduktiv<br />
und trage dazu bei, die regulierungsbedingten<br />
gesamtwirtschaftlichen Verluste zu erhöhen.<br />
Dies sei indes unvereinbar mit <strong>der</strong> wirtschaftspolitischen<br />
Konzeption eines Ludwig Erhard,<br />
monierte Obermann. Die gegenwärtige<br />
Regulierungspraxis wirke investitionshemmend.<br />
„Europa fällt hinsichtlich <strong>der</strong> Investitionen<br />
in die Telekommunikationsinfrastruktur<br />
deutlich hinter Nordamerika und Ostasien zurück.“<br />
Risikobehaftete Investitionen mit einer<br />
Refinanzierung über Jahrzehnte würden nicht<br />
getätigt, wenn die Gefahr einer Entwertung<br />
durch Regulierung zu groß werde.<br />
„Markt und Wettbewerb können ihre wohlfahrtssteigernde<br />
Wirkung nur entfalten, wenn<br />
man ihren selbstregulativen Kräften auch ein<br />
ausreichendes Maß an Vertrauen schenkt. Dieses<br />
Vertrauen hatte auch Erhard, als er die Preise<br />
freigab und damit den Grundstein für das<br />
deutsche Wirtschaftswun<strong>der</strong> legte“, erklärte<br />
Obermann. „Die Tatsache, dass die großen europäischen<br />
Wettbewerber <strong>der</strong> Deutschen Telekom<br />
längst in Deutschland Fuß gefasst haben<br />
und amerikanische Industrieriesen sowie Finanzinvestoren<br />
auf dem Sprung sind, lässt die<br />
Gefahr einer Remonopolisierung <strong>der</strong> Märkte<br />
bei nachlassen<strong>der</strong> Regulierung gering erscheinen.“<br />
Hinzu komme die fortschreitende Globalisierung.<br />
In <strong>der</strong> Telekommunikation sei ein „Öko -<br />
sys tem“ entstanden, das durch weltweite,<br />
wechselseitige Abhängigkeiten gekennzeichnet<br />
sei. „Auch auf den Kapitalmärkten konkurrieren<br />
die großen Unternehmen <strong>der</strong> Branche<br />
um die Gunst <strong>der</strong> Anleger. Die Europäer werden<br />
weiter an Boden verlieren, wenn sie nicht vergleichbare<br />
Rahmenbedingungen vorfinden<br />
18 trend III/2007
We t t b e w e r b<br />
wie ihre amerikanischen und asiatischen Konkurrenten“,<br />
mahnte Obermann.<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> Konsolidierung <strong>der</strong> Märkte<br />
gebe es in Europa erheblichen Nachholbedarf.<br />
„Hemmend wirkt dabei auch die restriktive Bewertung<br />
von Unternehmenszusammenschlüssen“,<br />
hob <strong>der</strong> Telekom-Chef hervor. Angesichts<br />
<strong>der</strong> Entwicklungen <strong>der</strong> letzten Jahre besteht<br />
nach seinen Worten <strong>der</strong>zeit Anlass zur Sorge,<br />
dass nationale Überregulierungen durch eine<br />
Harmonisierung auf europäischer Ebene tendenziell<br />
zementiert werden. Je<strong>der</strong> Versuch <strong>der</strong><br />
Regulierung und des staatlichen Dirigismus<br />
gehe in die Irre.<br />
„Mit Blick auf die Dynamik <strong>der</strong> Telekommunikationsindustrie<br />
und <strong>der</strong> Kapitalmärkte wäre<br />
dies aus Sicht <strong>der</strong> verbliebenen europäischen<br />
Unternehmen eine fatale Fehlentwicklung“,<br />
warnte Obermann. Die Wettbewerbspolitik im<br />
Bereich <strong>der</strong> Telekommunikation solle darum<br />
zehn Jahre nach <strong>der</strong> Liberalisierung wie<strong>der</strong><br />
stärker auf die Schiedsrichter-Rolle im Sinne<br />
Erhards zurückgedrängt werden. „Zugang zu<br />
grundlegenden wettbewerbsnotwendigen Vorleistungen,<br />
Missbrauchsaufsicht bei Verbraucherpreisen<br />
wie in an<strong>der</strong>en Versorgungsin -<br />
dustrien auch – und eine die Größenvorteile in<br />
unserer Branche berücksichtigende Fusionskontrolle“,<br />
for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Vorstandsvorsitzende<br />
<strong>der</strong> Deutschen Telekom.<br />
Wenn <strong>der</strong> Staat ein ehemaliges Monopolunternehmen<br />
wie die Telekom in die Freiheit des liberalisierten<br />
Marktes entlasse, dann solle er<br />
auch konsequenterweise seinen Macht- und<br />
Gestaltungsanspruch zurücknehmen und Eingriffe<br />
in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit<br />
unterlassen. Die Bundesrepublik habe<br />
seit mehr als 50 Jahren ein funktionierendes<br />
und bewährtes Wettbewerbsrecht mit starken<br />
Kontroll-, Korrektur- und Sanktionsmechanismen.<br />
Es bedürfe keiner Ergänzung durch neue Regulierungsvorschriften.<br />
Der deutsche Staat und<br />
die EU-Behörden sollten sich wie<strong>der</strong> stärker<br />
auf ordnungspolitische Aufgaben konzentrieren,<br />
for<strong>der</strong>te Obermann. „Das ist auch ein Thema<br />
für den europäischen Verfassungsvertrag.“<br />
Aus Rede Wirtschaftstag 2007<br />
„Hinsichtlich <strong>der</strong><br />
Konsolidierung <strong>der</strong> Märkte<br />
gibt es in Europa<br />
erheblichen Nachholbedarf“<br />
Der deutsche Staat und die EU-Behörden sollten sich wie<strong>der</strong><br />
stärker auf ordnungspolitische Aufgaben konzentrieren<br />
„Die gegenwärtige<br />
Regulierungspraxis wirkt<br />
investitionshemmend“<br />
III/2007 trend<br />
19
EU-Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
Wirtschaft, Klimawandel<br />
und Energieversorgung<br />
Peter Sutherland,<br />
Chairman BP plc und Goldman Sachs International<br />
Peter Sutherland machte deutlich, dass sich<br />
die Europäische Union (EU) nach dem<br />
Scheitern <strong>der</strong> Verfassungsreferenden in<br />
den Nie<strong>der</strong>landen und in Frankreich nach wie<br />
vor in einer fragilen Situation befinde. „Die Ergebnisse<br />
dieser Referenden wurden fälschlicherweise<br />
als Ablehnung <strong>der</strong> EU selbst interpretiert“,<br />
kritisierte Sutherland. „Das war weit<br />
von <strong>der</strong> Wahrheit entfernt.“ Nach den Worten<br />
des BP-Chairmans haben die Bürger tatsächlich<br />
eine ganze Reihe von Fragen mit „Nein“ beantwortet.<br />
Sie hätten zum Beispiel gegen die Globalisierung,<br />
gegen Migration, gegen die Türkei<br />
und gegen ihre politischen Führer votiert. Außerdem<br />
habe es für die Wähler keinen erkennbaren<br />
Preis für ihr „Nein“ gegeben. Sie hätten<br />
den Verfassungsvertrag folgenlos ablehnen<br />
können, weil die negativen Konsequenzen ihrer<br />
Ablehnung nicht erkennbar gewesen seien. Zudem<br />
hätten die Bürger über einen unverdaulichen<br />
Text mit mehr als 50.000 Wörtern abstimmen<br />
müssen, dessen genauer Inhalt den Wenigsten<br />
bekannt gewesen sein dürfte. „Die<br />
Menschen waren nicht länger inspiriert von<br />
den honorigen Idealen <strong>der</strong> EU-Gründungsväter,<br />
die die Grenzen durch eine Teilung von Hoheitsrechten<br />
einreißen wollten. Es war also letztlich<br />
wenig verwun<strong>der</strong>lich, dass die Bürger mit<br />
,Nein‘ stimmten“, bemerkte Sutherland.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e in Frankreich sei dies <strong>der</strong> Fall gewesen.<br />
Dort hätten die Politiker seit Jahrzehnten<br />
die EU für alles verantwortlich gemacht,<br />
was falsch gelaufen sei. Überdies sei die EU in<br />
Paris als Vehikel für den Neoliberalismus verunglimpft<br />
worden. „Das ist natürlich eine geschmacklose<br />
und falsche Karikatur <strong>der</strong> Wahrheit<br />
– denn wo wären wir wohl heute ohne die<br />
EU?“, fragte Sutherland.<br />
Der BP-Chairman kritisierte, dass <strong>der</strong> „Verfassungsvertrag“<br />
<strong>der</strong> EU unpassend benannt wor-<br />
20 trend III/2007
EU-Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
den sei. Es habe sich um einen Vertrag, nicht<br />
aber um eine Verfassung gehandelt. Selbst <strong>der</strong><br />
Maastricht-Vertrag o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Single European<br />
Act“ seien für Europa in ihrer Bedeutung weitreichen<strong>der</strong><br />
gewesen, und auch hier habe man<br />
nicht von einer Verfassung, son<strong>der</strong>n von Verträgen<br />
gesprochen. Nichtsdestotrotz seien die institutionellen<br />
Vorkehrungen, die <strong>der</strong> geplante<br />
Vertrag vorsieht, das absolute Minimum, betonte<br />
Sutherland. „Wenn man etwas kritisieren<br />
will, dann nicht, dass <strong>der</strong> Vertrag zu weit ginge<br />
– im Gegenteil, <strong>der</strong> Vertrag ist eher nicht weitreichend<br />
genug“, sagte <strong>der</strong> Chairman von Goldman<br />
Sachs International.<br />
Die Europäische Union müsse nun in die Zukunft<br />
schauen und die vor ihr liegenden Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
bewältigen. Man könne nicht einfach<br />
den abgelehnten Vertrag ad acta legen. Der Ablehnung<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung in den Nie<strong>der</strong>landen<br />
und in Frankreich zum Trotz benötige die Europäische<br />
Union (EU) die zentralen Regelungen des<br />
Vertrages. 18 Län<strong>der</strong> hätten überdies den Verfassungsvertrag<br />
bereits ratifiziert, sechs weitere<br />
sind nach <strong>der</strong> Auffassung Sutherlands dazu bereit,<br />
dies ohne Schwierigkeiten zu tun. „Es ist politisch<br />
nicht akzeptabel, dass sich die Geschwindigkeit<br />
bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Institutionen<br />
Europas immer nach den langsamsten und zögerlichsten<br />
Län<strong>der</strong>n richten muss“, betonte Sutherland.<br />
In <strong>der</strong> Vergangenheit sei Blockaden mit<br />
einem Europa <strong>der</strong> zwei Geschwindigkeiten begegnet<br />
worden. „In diesem Zusammenhang haben<br />
wir die Entwicklung des Schengen-Abkommens<br />
erlebt und die Einführung des Euro.“ Dennoch<br />
seien nicht alle Themen dazu geeignet, um<br />
in dieser Weise mit ihnen umzugehen. <br />
Aus Rede Wirtschaftstag 2007<br />
„Die Europäische Union<br />
muss die vor ihr liegenden<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
bewältigen“<br />
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S t a b i l i t ä t<br />
Ökonomische Integration<br />
und Anpassungsprozesse<br />
im Euro-Raum<br />
Jean-Claude Trichet,<br />
Präsident <strong>der</strong> Europäischen Zentralbank (EZB)<br />
Jean-Claude Trichet verwies auf die zentrale<br />
Bedeutung, die bereits Ludwig Erhard<br />
<strong>der</strong> Preisstabilität für die ökonomische<br />
Prosperität beigemessen habe. Ökonomische<br />
Integration, so <strong>der</strong> Präsident <strong>der</strong> Europäischen<br />
Zentralbank, sei für die Bürger Europas gerade<br />
in Zeiten <strong>der</strong> Globalisierung ein wichtiger<br />
Wohlstandsmotor. Konsumenten profitierten<br />
durch niedrigere Preise, die Arbeitslosigkeit<br />
sinke. Seit <strong>der</strong> monetären Integration Europas,<br />
also seit <strong>der</strong> Einführung des Euro Anfang 1999,<br />
seien in <strong>der</strong> EU rund zwölf Millionen neue Jobs<br />
geschaffen worden. „Ich behaupte nicht, dass<br />
die Einführung <strong>der</strong> Gemeinschaftswährung<br />
allein dieses positive Ergebnis gezeitigt hat –<br />
aber man kann kaum dem Befund wi<strong>der</strong> -<br />
sprechen, dass die Preisstabilität in Europa diese<br />
Entwicklung maßgeblich begünstigt hat“,<br />
sagte Trichet.<br />
Der EZB-Präsident machte deutlich, dass die<br />
europäische Integration zu einem bemerkenswerten<br />
Wachstum des Handels innerhalb <strong>der</strong><br />
Eurozone und auch mit Drittlän<strong>der</strong>n geführt<br />
habe. Die Eurozone sei eine offene Wirtschaft,<br />
offen auch nach außen. „Man kann also nicht<br />
behaupten, wir hätten eine Festung Europa<br />
geschaffen“, sagte Trichet. Die Staaten <strong>der</strong><br />
Eurozone profitierten vom Euro. Dies insbeson<strong>der</strong>e<br />
deshalb, weil <strong>der</strong> Euro zu einer Angleichung<br />
<strong>der</strong> Konjunkturzyklen verschiedener<br />
Staaten, zu mehr Preistransparenz und zu<br />
niedrigeren Transaktionskosten geführt habe.<br />
Aber nicht nur <strong>der</strong> Handel habe von <strong>der</strong> Einfüh-<br />
22 trend III/2007
S t a b i l i t ä t<br />
rung <strong>der</strong> Gemeinschaftswährung profitiert. Trichet<br />
verwies auch auf die monetäre Integration,<br />
die durch den Euro beflügelt worden sei.<br />
„Dadurch hat sich die Freizügigkeit für Kapital<br />
erheblich erhöht.“ Eine weitere Integration <strong>der</strong><br />
Finanzmärkte sei wichtig, um ein reibungsloses<br />
und effizientes Funktionieren <strong>der</strong> einheitlichen<br />
Geldpolitik zu gewährleisten.<br />
Kritik übte Trichet indes an <strong>der</strong> bislang weniger<br />
weit vorangeschrittenen Integration und Fle -<br />
xibilisierung <strong>der</strong> Arbeitsmärkte. Dies sei von<br />
maßgeblicher Bedeutung für Wachstum und<br />
Wohlstand. Weil <strong>der</strong> Wechselkurs als Anpassungsmechanismus<br />
für die Verarbeitung externer<br />
ökonomischer Schocks weggefallen sei,<br />
müssten die Rigiditäten auf den Faktor- und<br />
Gütermärkten abgebaut werden. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Mobilität des Faktors Arbeit sei noch<br />
nicht befriedigend. Dies habe auch mit den<br />
formalen Zugangsbeschränkungen für die<br />
Arbeitsmärkte in einigen EU-Län<strong>der</strong>n zu tun.<br />
Trichet sprach sich in diesem Zusammenhang<br />
dafür aus, für Slowenien die volle Mobilität herbeizuführen,<br />
weil das Land seit Anfang 2007<br />
Teil <strong>der</strong> Eurozone sei. „Wir müssen die Integration<br />
weiter vorantreiben, insbeson<strong>der</strong>e auf den<br />
Arbeitsmärkten und in einigen Segmenten <strong>der</strong><br />
Finanzmärkte“, betonte Trichet.<br />
Die Lissabon-Strategie sei ein probates Mittel,<br />
um die ökonomischen Rigiditäten in Europa zu<br />
beseitigen. „Hierfür ist aber nicht die EZB, son<strong>der</strong>n<br />
hierfür sind die Regierungen und die<br />
Sozialpartner in den jeweiligen Län<strong>der</strong>n verantwortlich“,<br />
sagte <strong>der</strong> Zentralbankchef. „Wir<br />
unterstützen die Regierungen so gut wie möglich<br />
bei <strong>der</strong> Umsetzung struktureller Reformen.“<br />
Trichet wies in diesem Zusammenhang<br />
auch auf die Verantwortung <strong>der</strong> Tarifpartner<br />
hin. Auch Gewerkschaften und Arbeitgeber -<br />
verbände trügen Verantwortung dafür, dass<br />
die Lohnspreizung hinreichend sei. Nur so könne<br />
gewährleistet werden, dass die Entstehung<br />
neuer Arbeitsplätze durch eine marktwidrige<br />
Verzerrung <strong>der</strong> Preise und eine schlechtere<br />
Wett bewerbsfähigkeit behin<strong>der</strong>t werde.<br />
mich bewegt, weil das ein sehr, sehr wichtiges<br />
Signal ist“, sagte Trichet. Der EZB-Präsident verwies<br />
in diesem Zusammenhang auf Ludwig<br />
Erhard. Dieser habe schon früh erkannt, dass es<br />
ein großer Fehler sei, wenn ein Staat glaube,<br />
dass er mit einer auf Inflation ausgerichteten<br />
Politik Positives erreichen könne, ohne die negativen<br />
Folgen zu tragen. Dies entspreche<br />
gleichsam dem Irrglauben, man könne sich<br />
selbst an seinen eigenen Schnürsenkeln nach<br />
oben ziehen. Es sei vielmehr von entscheiden<strong>der</strong><br />
Bedeutung, sich auf das Gegenteil, auf die<br />
Preisstabilität, zu konzentrieren. Hierzu müssten<br />
alle Anstrengungen unternommen werden.<br />
„Und lassen Sie mich anfügen: Das beste<br />
Instrument, um eine stabile Währung zu gewährleisten,<br />
ist eine unabhängige Zentralbank“,<br />
betonte Trichet. Dies trage maßgeblich<br />
zu Wachstum und <strong>der</strong> Entstehung von Arbeitsplätzen<br />
bei.<br />
Die Europäische<br />
Zentralbank ist ...<br />
... dem Primat <strong>der</strong><br />
Preisstabilität verpflichtet<br />
Trichet betonte, dass sich die Europäische Zentralbank<br />
ohne jede Einschränkung dem Primat<br />
<strong>der</strong> Preisstabilität verpflichtet fühle. Er dankte<br />
<strong>der</strong> deutschen Bundeskanzlerin, weil Angela<br />
Merkel <strong>der</strong> EZB in ihrer Rede auf dem Wirtschaftstag<br />
zugesichert hat, für die Unab -<br />
hängigkeit <strong>der</strong> europäischen Geldpolitik von<br />
politischem Einfluss einzustehen. „Das hat<br />
III/2007 trend<br />
23
S t a b i l i t ä t<br />
<strong>Wirtschaftsrat</strong> ehrt Jean-Claude Trichet<br />
Schon in Ihrer Zeit als französischer Notenbank präsident galten Sie als Vater<br />
des Franc fort, des starken Franc. Und als ein entschiedener Verfechter gesun<strong>der</strong><br />
Staatsfinanzen. Dabei scheuten Sie keine Konfrontation mit <strong>der</strong> Regierung,<br />
egal welcher Couleur. Die französische Bevöl<br />
kerung hatten Sie dagegen stets mit bis zu 70<br />
Prozent Zustimmung hinter sich.<br />
Und noch etwas eint uns: <strong>der</strong> Kampf gegen die<br />
Renaissance des Protektionismus. Nationale Abschottung<br />
ist <strong>der</strong> stärkste Feind von Wachstum<br />
und Wohlstand in Europa. Erst kürzlich haben Sie<br />
den Protektionismus als Risiko Nummer eins für<br />
die weltwirtschaftliche Lage gegeißelt.<br />
Gedenkmünze Ludwig Erhard in Gold<br />
für den Präsidenten <strong>der</strong> Europäischen Zentralbank<br />
„Sie führen die Europäische Zentralbank in <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> Deutschen Bundesbank.<br />
Das tut uns beson<strong>der</strong>s gut!“ So begann Prof. Dr. Kurt J. Lauk seine<br />
Laudatio auf Jean-Claude Trichet, den <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong> mit <strong>der</strong> Verleihung<br />
<strong>der</strong> Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold ehrte.<br />
Der Präsident des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es weiter: „Bei Ihrer Amtsübernahme über -<br />
titelte das Handelsblatt: „Einer <strong>der</strong> Väter des Euro wird Wahrer <strong>der</strong> Gemeinschaftswährung.“<br />
Sie waren es, <strong>der</strong> gemeinsam mit unserem heutigen Bundespräsidenten Horst<br />
Köhler maßgeblich die europäische Währungsverfassung und den Stabilitätspakt<br />
mitgestaltet hat. Von Anfang an waren Sie Mitglied im EZB-Rat, zunächst<br />
als Gouverneur <strong>der</strong> Bank de France und jetzt als Präsident.<br />
Die Wahl des diesjährigen Preisträgers fiel uns nicht schwer. Mit <strong>der</strong> Gedenkmünze<br />
Ludwig- Erhard in Gold ehren wir Sie, lieber Herr Trichet, für hervor -<br />
ragende Verdienste um die Soziale Marktwirtschaft in Europa.<br />
Für uns sind Sie ein ordnungspolitischer Partner erster Güte. Sie verteidigen die<br />
Unabhängigkeit <strong>der</strong> Zentralbank gegen jegliche Versuche politischer Einflussnahme,<br />
so auch gegen die immer wie<strong>der</strong> aufkommenden Vorschläge einer<br />
europäischen Wirtschaftsregierung.<br />
Alleiniger Maßstab Ihrer Politik ist und bleibt die Sicherung <strong>der</strong> Preisstabilität.<br />
Sie werden nicht müde, die Regierungen Europas zu mehr Strukturreformen<br />
und Flexibilisierung <strong>der</strong> verkrusteten Systeme aufzufor<strong>der</strong>n. Nur so können<br />
die Schocks, die in <strong>der</strong> Weltwirtschaft über uns hereinbrechen können, aufgefangen<br />
und absorbiert werden. Zugleich appellieren Sie immer wie<strong>der</strong> an die<br />
Tarifpartner, ihre Verantwortung für Wachstum und Beschäftigung wahrzunehmen.<br />
Auch den Kampf gegen eine ausufernde Staatsverschuldung haben<br />
Sie sich auf die Fahnen geschrieben.<br />
Ihr Selbstverständnis an <strong>der</strong> Spitze einer euro -<br />
päischen Institution haben Sie unmissverständlich<br />
klar gemacht. Ich zitiere: ,Als Präsident <strong>der</strong><br />
Europäischen Zentralbank bin ich kein Franzose.<br />
Ich werde keine Nationen mehr ken nen, nur<br />
noch Europäer.‘ Wie Sie sich zuvor in vielen hohen<br />
Positionen in den Dienst Frankreichs gestellt<br />
haben, stehen Sie nun ganz im Dienst des Euro<br />
und Europas. Hierfür zollen wir Ihnen unseren<br />
Respekt, unseren Dank und heute Abend unsere<br />
Anerkennung.“<br />
Der Präsident <strong>der</strong> Europäischen Zentralbank bedankte<br />
sich: „Es ist mir eine große Ehre, als Ehrengast<br />
zu dieser Veranstaltung eingeladen worden<br />
zu sein. Nicht nur Deutschland, son<strong>der</strong>n<br />
ganz Europa ist Ludwig Erhard zu Dank verpflichtet<br />
für seine mutige, auf den Prinzipien von<br />
freiem Wettbewerb, flexiblen Preisen und offenen<br />
Märkten beruhende Politik und insbeson<strong>der</strong>e<br />
für seine Ideen zum Konzept <strong>der</strong> Sozialen<br />
Marktwirtschaft. Er hat überdies auf die Bedeutung<br />
<strong>der</strong> Preisstabilität hingewiesen, welche er<br />
als menschliches Grundrecht aufgefasst hat. Ich<br />
bin sehr bewegt und ergriffen. Ich bin stolz, Franzose<br />
und Europäer zu sein, ich bin sehr stolz, mit<br />
meinen Kollegen die Verantwortung zu tragen<br />
für alle Entscheidungen des Rates <strong>der</strong> EZB als Hüterin<br />
<strong>der</strong> Währung für Deutschland und all die<br />
an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>, die Teil dieser immensen kontinentalen<br />
Wirtschaft mit 318 Millionen Menschen<br />
sind. Wir haben heute Ludwig Erhard zu danken<br />
für sein Werk, das er geleistet hat unter aufregenden<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen in einer einmaligen<br />
historischen Entwicklung. Ich erinnere an viele<br />
kritische Stimmen, Vorurteile und Behauptungen,<br />
es würde unmöglich sein, eine einzige Geldpolitik<br />
und eine einzige Währung in Europa zu<br />
schaffen. Es war eine außergewöhn liche Anstrengung,<br />
den Euro zu schaffen. Wir sollten nie<br />
die Bedeutung einer einheitlichen, stabilen Währung<br />
für 318 Millionen Menschen aus den Augen<br />
verlieren.“<br />
24 trend III/2007
S t a b i l i t ä t<br />
Mit Blick auf die Gütermärkte erklärte Trichet,<br />
dass ein uneingeschränkter einheitlicher Binnenmarkt<br />
verwirklicht werden müsse. „Eine<br />
noch tiefer gehende Integration <strong>der</strong> Märkte<br />
würde die Preisflexibilität durch mehr Wettbewerb<br />
weiter verbessern. Dies wie<strong>der</strong>um würde<br />
zu niedrigeren Preisen für die Verbraucher führen“,<br />
unterstrich <strong>der</strong> EZB-Präsident. „Nichts ist<br />
unmöglich für Europa, solange wir die rich -<br />
tigen Entscheidungen treffen.“ Die nationalen<br />
Regierungen könnten einen großen Beitrag dazu<br />
leisten, die Anpassungsmechanismen innerhalb<br />
<strong>der</strong> Eurozone zu stärken. So könnten sie<br />
nicht nur die Flexibilität <strong>der</strong> Arbeits-, Güterund<br />
Finanzmärkte verbessern – son<strong>der</strong>n auch<br />
eine vernünftige Finanzpolitik verfolgen.<br />
„Den besten Beitrag, den die nationalen Fi -<br />
nanz politiken zum Funktionieren <strong>der</strong> Wäh -<br />
rungs union beitragen können, ist eine nachhaltige<br />
und mittelfristig orientierte Politik, die<br />
sich nach den Erfor<strong>der</strong>nissen des Europäischen<br />
Stabilitäts- und Wachstumspakts richtet“, unterstrich<br />
Trichet. Ferner könne die Finanzpolitik<br />
auch dazu beitragen, unerwünschte Wachstumsunterschiede<br />
zwischen den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
Eurozone durch sinnvolle Staatsausgaben und<br />
eine vernünftige Steuerpolitik zu min<strong>der</strong>n.<br />
Trichet begrüßte in diesem Zusammenhang<br />
ausdrücklich, dass sich die Finanzminister <strong>der</strong><br />
Eurozone darauf verständigt haben, den Konjunkturaufschwung<br />
in Europa nicht für eine<br />
pro zyklische Finanzpolitik und höhere Staatsausgaben<br />
zu nutzen, son<strong>der</strong>n stattdessen die<br />
Staatshaushalte zu konsolidieren und die Erfor<strong>der</strong>nisse<br />
des EU-Stabilitätspakts einzuhalten.<br />
Zum Abschluss betonte <strong>der</strong> Preisträger, <strong>der</strong> einheitliche<br />
Währungsraum Europas sei ein beeindrucken<strong>der</strong><br />
Erfolg. „Wahrscheinlich ist <strong>der</strong> Euro<br />
<strong>der</strong> größte Erfolg seit <strong>der</strong> Unterzeichnung <strong>der</strong><br />
Verträge von Rom vor fünfzig Jahren, wenn man<br />
den Fall des Eisernen Vorhangs einmal beiseite<br />
lässt“, sagte <strong>der</strong> Präsident <strong>der</strong> Europäischen<br />
Zentralbank. Der Erfolg des einheitlichen europäischen<br />
Währungsraums müsse von allen Verantwortlichen<br />
in den kommenden Jahren gefes -<br />
tigt werden. „318 Millionen Bürger Europas können<br />
auf den Euro und die Euro päische Zentralbank<br />
zählen – sie sind ein Garant für die Preisstabilität<br />
in Europa“, betonte Trichet. „Das ist eine<br />
Voraussetzung für Wachstum und Arbeitsplätze<br />
– und Ludwig Erhard war ein Pionier, <strong>der</strong><br />
verstanden hat, welche Bedeutung stabile und<br />
freie Preise, flexible Märkte und <strong>der</strong> Wettbewerb<br />
für wirtschaftlichen Fortschritt und die Schaffung<br />
von Arbeitsplätzen haben.“<br />
Aus Rede Wirtschaftstag 2007<br />
Der Euro wird immer mehr<br />
zur Erfolgsgeschichte<br />
Die Hoffnungen wurden<br />
sogar übertroffen<br />
III/2007 trend<br />
25
H a n d e l s p o l i t i k<br />
Nicht in die alten Reflexe des<br />
Protektionismus zurückfallen<br />
Dr. Lars H. Thunell,<br />
Executive Vice President, International Finance Corporation (IFC), Weltbank-Gruppe<br />
Lars Thunell, Executive Vice President <strong>der</strong> International<br />
Finance Corporation (IFC) bei<br />
<strong>der</strong> Weltbank, erklärte, die Investitionen<br />
<strong>der</strong> IFC in Öl-, Gas- und Finanzgesellschaften<br />
hätten in den vergangenen 50 Jahren mehr als<br />
50.000 Arbeitsplätze in Schwellenlän<strong>der</strong>n geschaffen.<br />
Zudem seien diesen Län<strong>der</strong>n nach<br />
den Worten Thunells durch die privaten Inves -<br />
titionen und das daraus resultierende Wirtschaftswachstum<br />
in dieser Zeit mehr als vier<br />
Milliarden Dollar Steuereinnahmen zugeflossen,<br />
führte <strong>der</strong> Executive Vice President <strong>der</strong><br />
Weltbankorganisation aus.<br />
„Aber die Projekte <strong>der</strong> IFC müssen sehr umsichtig<br />
gemanagt werden“, erläuterte Thunell. Für<br />
viele Schwellenlän<strong>der</strong> sei ihr Reichtum an Bodenschätzen<br />
und Energieressourcen wegen<br />
Korruption und Nepotismus in <strong>der</strong> Tat ein<br />
Fluch, wie <strong>der</strong> US-Ökonom Geoffrey Sachs einmal<br />
geschrieben habe. Transparenz sei ein<br />
wichtiges Instrument, um diese Situation zu<br />
verbessern, betonte Thunell.<br />
Eine weitere Antwort auf <strong>der</strong>artige Probleme<br />
sei das freiwillige Rahmenwerk von Banken für<br />
das Management von sozialen Risiken und Umweltproblemen.<br />
„Heute werden schon 90 Prozent<br />
aller grenzüberschreitenden Finanzierungsprojekte<br />
von diesen Prinzipien abgedeckt“,<br />
erläuterte Thunell. Die Finanzierungsprojekte<br />
basierten auf den IFC-eigenen Umwelt-<br />
und Sozialstandards. „In diesem Jahr wird<br />
ferner die Exportfinanzierung in dieses System<br />
aufgenommen“, kündigte <strong>der</strong> IFC Executive<br />
Vice President an. Mit <strong>der</strong>artigen Regelwerken<br />
bei <strong>der</strong> Kreditvergabe ließe sich sozialen Verwerfungen<br />
und Umweltproblemen effektiv zu<br />
Leibe rücken.<br />
Im Folgenden ging Thunell auf die Ergebnisse<br />
des G8-Gipfels im Juni in Heiligendamm an <strong>der</strong><br />
26 trend III/2007
H a n d e l s p o l i t i k<br />
Ostsee ein. Die Verabredungen zum Klimaschutz<br />
auf dem G8-Gipfel hält Lars Thunell für<br />
einen wichtigen Schritt nach vorn. Der Klimawandel<br />
und <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> Umwelt müsse unter<br />
dem Dach <strong>der</strong> Vereinten Nationen diskutiert<br />
werden, for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Executive Vice President<br />
<strong>der</strong> International Finance Corporation IFC. In<br />
dieser Hinsicht, also mit Blick auf weitere Klimaschutzbemühungen<br />
unter dem Dach <strong>der</strong> UN, sei<br />
auf dem G8-Treffen in Heiligendamm ein bemerkenswerter<br />
Fortschritt erzielt worden. Die<br />
internationale Klimapolitik müsse auch die Verän<strong>der</strong>ungen<br />
auf den globalen Märkten berücksichtigen.<br />
Ohne den Fokus auf Indien, China und<br />
an<strong>der</strong>e aufstrebende Schwellenlän<strong>der</strong> sei internationale<br />
Klimapolitik wenig sinnvoll, sagte <strong>der</strong><br />
IFC Executive Vice President.<br />
Lars Thunell betonte ferner, dass Investitionen<br />
in umweltfreundliche Technologien als Gelegenheit<br />
gesehen werden müssten, um Geschäfte<br />
zu machen.<br />
führte Lars Thunell weiter aus. „Dieses Ziel wird<br />
von unseren Anteilseignern sehr deutlich unterstützt.“<br />
Folge dieses Trends sei ein bereits zunehmen<strong>der</strong><br />
Austausch von Direktinvestitionen<br />
von Entwicklungs- und Schwellenlän<strong>der</strong>n untereinan<strong>der</strong>.<br />
„Es ist sehr interessant, wenn man<br />
heute bereits feststellen kann, dass schon 58<br />
<strong>der</strong> 500 größten globalen Unternehmen aus<br />
Schwellenlän<strong>der</strong>n kommen.“ Indes seien auch<br />
diese so genannten „South-to-South-Investments“<br />
nicht frei von Kontroversen, berichtete<br />
Thunell. Sie schürten Ängste und Befürchtungen<br />
in etablierten Industriestaaten und in Entwicklungslän<strong>der</strong>n.<br />
Doch sei dies ein natürlicher<br />
Prozess. Die Verschiebung ökonomischer<br />
Machtzentren in <strong>der</strong> Welt bringe Konflikte und<br />
Friktionen mit sich. Nicht mehr allein die USA,<br />
Japan und Europa seien die ökonomischen<br />
Machtzentren. China, Indien und an<strong>der</strong>e große<br />
Schwellenlän<strong>der</strong> sorgten dafür, dass sich das<br />
Machtgefüge deutlich verschiebe.<br />
„... wir dürfen nicht<br />
in die alten Reflexe<br />
des Protektionismus<br />
zurückfallen“<br />
Ferner machte <strong>der</strong> Executive Vice President <strong>der</strong><br />
International Finance Corporation deutlich,<br />
dass in <strong>der</strong> Handelspolitik und <strong>der</strong> Liberalisierung<br />
des Welthandels im Rahmen <strong>der</strong> World<br />
Trade Organization (WTO) dringend weitere<br />
Fortschritte gemacht werden müssten. Auch<br />
unter dem Dach <strong>der</strong> WTO gehe es darum, die<br />
Interessen <strong>der</strong> Schwellenlän<strong>der</strong> und <strong>der</strong> etablierten<br />
Industriestaaten in Einklang zu bringen.<br />
Nach dem Stocken <strong>der</strong> Doha-Runde brauche<br />
die Welt einen Durchbruch. Eine weitere Libera<br />
lisierung des Welthandels sei für das<br />
Wachstum <strong>der</strong> Weltwirtschaft von maßgeb -<br />
licher Bedeutung, erklärte <strong>der</strong> IFC-Chef.<br />
„In <strong>der</strong> Zwischenzeit ist es sehr wichtig, weiter<br />
eine Freihandelsagenda zu verfolgen“, unterstrich<br />
Lars Thunell. Die IFC versuche, mit <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />
privater Investitionen das Thema Handelsbeschränkungen<br />
in Schwellenlän<strong>der</strong>n anzugehen.<br />
„Ich denke dabei vor allem an Investitionen<br />
in Infrastruktur, die für den Handel wichtig<br />
ist: Straßen, Häfen o<strong>der</strong> auch Logistik-Unternehmen.“<br />
In diesem Zusammenhang berichtete<br />
Lars Thunell von einem Netzwerk von rund hun<strong>der</strong>t<br />
Banken, die für diesen Zweck zusammenarbeiteten.<br />
Der Auf- und Ausbau <strong>der</strong> handelsrelevanten<br />
Infrastruktur sei die beste Voraussetzung,<br />
um die Handelsbeziehungen zwischen<br />
Län<strong>der</strong>n voranzubringen, erklärte Thunell.<br />
„Unser Ziel ist auch, die Zusammenarbeit <strong>der</strong><br />
Schwellenlän<strong>der</strong> untereinan<strong>der</strong> zu stärken“,<br />
III/2007 trend<br />
Abschließend mahnte Thunell, dass die Kritik<br />
an <strong>der</strong> Globalisierung Ernst genommen werden<br />
müsse. „Wir müssen uns aber konstruktiv<br />
damit auseinan<strong>der</strong>setzen – und wir dürfen<br />
nicht in die alten Reflexe des Protektionismus<br />
zurückfallen“, warnte <strong>der</strong> IFC Vice President.<br />
„Multilaterale Zusammenarbeit ist meines Erachtens<br />
hier von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung.<br />
Die multilateralen Werkzeuge und Institu -<br />
tionen, die wir benötigen, um die Heraus -<br />
for<strong>der</strong>ungen zu bewältigen, sind vorhanden.“<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen seien das eine, die Globa -<br />
lisierung biete auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite aber auch<br />
große Chancen, sagte Thunell.<br />
<br />
Aus Rede Internationaler Abend 2007<br />
27
Hightech-Gründungen<br />
Innovationen von heute<br />
sind Wohlstand von morgen<br />
Achim Berg,<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geschäftsführung Microsoft Deutschland<br />
Achim Berg erklärte, Microsoft sei ein international<br />
agierendes Unternehmen, das<br />
auf nationalen Märkten aktiv sei, dort<br />
Mitarbeiter beschäftige und somit nicht nur<br />
wirtschaftlich, son<strong>der</strong>n auch gesellschaftliches<br />
Engagement und Interesse zeige. „Ich spreche also<br />
als Deutschland-Chef eines mittelständischen<br />
Unternehmens, das 1983 in Deutschland als<br />
GmbH gegründet wurde und mittlerweile rund<br />
2.200 Beschäftigte hat“, sagte Berg. Darüber hi -<br />
naus arbeite Microsoft allein in Deutschland mit<br />
33.000 Partnern zusammen. „Das bedeutet zusammengerechnet<br />
mehr als 100.000 Arbeitsplätze<br />
für und mit Microsoft in Deutschland.“<br />
Microsofts Partner seien unabhängige, meist<br />
kleine und mittelständische Unternehmen, die<br />
auf Microsoft-Technologien basierte Produkte,<br />
Lösungen und Dienstleistungen anböten. „Als<br />
Microsoft Deutschland haben wir also ein vitales<br />
Interesse an <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Zukunft am<br />
Standort Deutschland“, betonte Berg.<br />
Das gelte beson<strong>der</strong>s auch für die Informationstechnik<br />
und Telekommunikation. „In Deutschland<br />
beschäftigen ITK-Unternehmen insgesamt<br />
etwa 800.000 Mitarbeiter“, erläuterte <strong>der</strong> Microsoft-Deutschland-Chef.<br />
Der Umsatz <strong>der</strong> ITK-<br />
Branche habe 2006 bei rund 136 Milliarden €<br />
gelegen. „Ist diese Branche in Deutschland für<br />
die Zukunft gut aufgestellt?“, fragte Berg. „Ist<br />
sie fit für den Wettbewerb <strong>der</strong> Kontinente?“<br />
Man müsse genau hinschauen. Eine wichtige<br />
Frage sei, ob es hier und auch in an<strong>der</strong>en<br />
Hightech-Branchen einen gemeinsamen<br />
Schwachpunkt gebe. Nach den Worten Bergs ist<br />
dies die Zahl <strong>der</strong> Existenzgrün<strong>der</strong> im Hightech-<br />
Bereich. Existenzgrün<strong>der</strong> im Hightech-Bereich<br />
seien für die Zukunft Deutschlands sehr wichtig.<br />
„Sie sind ein entscheiden<strong>der</strong> Motivationsmotor,<br />
dem allerdings noch häufig <strong>der</strong> Transmissionsriemen<br />
fehlt, um die innovative Stärke auf den<br />
harten Boden des Wettbewerbs zu übertragen.“<br />
28 trend III/2007
Hightech-Gründungen<br />
Vieles falle den Hightech-Firmen schwer, manches<br />
werde ihnen aber auch schwer gemacht.<br />
„Hightech-Gründungen haben in wissensbasierten<br />
Volkswirtschaften wie unserer eine beson<strong>der</strong>e<br />
Bedeutung“, betonte Berg. „In kaum einer<br />
Darstellung und Diskussion zu den Perspektiven<br />
des Hightech-Standorts Deutschland<br />
fehlt heute <strong>der</strong> Verweis auf die Heilsbringer<br />
Hightech-Gründungen. Sie sind als junge, innovative<br />
Unternehmen in den Bereichen <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
tätig. Gleichzeitig ist jedoch wenig bekannt,<br />
ob Hightech-Gründungen auch tatsächlich<br />
den Hoffnungen, die in sie gesetzt werden,<br />
gerecht werden können, denn die Hoffnung<br />
nährt sich primär durch Erfolgsbeispiele aus<br />
den USA.“ Microsoft sei ein Beispiel, Google<br />
ebenfalls. „Und im Silicon Valley finden Sie genügend<br />
florierende Unternehmen, die als Beleg<br />
dienen könnten“, führte Berg aus.<br />
Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung<br />
(ZEW) in Mannheim habe<br />
deshalb deutlich machen wollen, wie Hightech-<br />
Gründungen in Deutschland besser unterstützt<br />
werden könnten. „Die gute Nachricht<br />
vorweg: Bei unserer ersten Studie für 2005 waren<br />
Hightech-Gründungen in Deutschland<br />
noch um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken.<br />
Dieser Trend ist gestoppt. Im vergangenen<br />
Jahr hat sich die Zahl <strong>der</strong> Unternehmensgründungen<br />
stabilisiert. 2006 waren dies etwa<br />
17.700 Gründungen. Demnach konnte <strong>der</strong> seit<br />
Jahren anhaltende Rückgang <strong>der</strong> Hightech-<br />
Gründungen im Jahr 2006 zum ersten Mal gestoppt<br />
werden“, erläuterte Berg. „Damit entwickelt<br />
sich die Hightech-Branche entgegen<br />
dem allgemeinen Trend.“ Denn die Zahl <strong>der</strong> Unternehmens-Gründungen<br />
aller Wirtschaftszweige<br />
sei im vergangenen Jahr um etwa vier<br />
Prozent gesunken. Diese Konsolidierung lasse<br />
sich nach Einschätzung des ZEW vor allem<br />
durch die anziehende Konjunktur in Deutschland<br />
erklären. „Hightech-Gründungen fühlen<br />
sich tendenziell durch eine anziehende Konjunktur<br />
zur Existenzgründung ermutigt. In an<strong>der</strong>en<br />
Wirtschaftszweigen wird dagegen <strong>der</strong><br />
sichere Arbeitsplatz als Angestellter dem rauen<br />
Wind <strong>der</strong> Selbstständigkeit vorgezogen.“<br />
Der Stopp des Abwärtstrends bei den Hightech-<br />
Gründungen dürfe allerdings nicht darüber<br />
hinweg täuschen, dass das Niveau des Gründungsgeschehens<br />
im Hightech-Sektor noch<br />
sehr niedrig sei. „Mit 17.700 Hightech-Gründungen<br />
liegen wir <strong>der</strong>zeit nur auf einem Niveau<br />
von 80 Prozent im Vergleich zu 1985 – also einem<br />
Zeitpunkt noch weit vor dem Platzen <strong>der</strong><br />
Internetblase“, bemerkte Berg. Die ZEW-Studie<br />
zeige auch ganz deutlich, dass <strong>der</strong> Fachkräf -<br />
temangel und Finanzierungsprobleme weiterhin<br />
ernstzunehmende Hin<strong>der</strong>nisse für die<br />
Hightech-Grün<strong>der</strong> seien. „Die Finanzierung von<br />
jungen Start-ups bleibt ein Hauptstolperstein.<br />
Nur rund fünf Prozent aller Hightech-Start-ups<br />
haben seit 2005 Eigenkapital von Dritten, also<br />
Privatinvestoren, Business-Angles und Venture-Capital-Gebern<br />
bekommen.“ Die nach wie<br />
vor wichtigste Finanzierungsquelle junger<br />
Grün<strong>der</strong> sei <strong>der</strong> eigene Geldbeutel. „Neben den<br />
Eigenmitteln wird mit zunehmendem Alter des<br />
Unternehmens <strong>der</strong> Cashflow vermehrt zur Finanzierung<br />
genutzt.“ Die Studie zeige aber<br />
auch, dass Start-ups, die Finanzmittel von Dritten<br />
erhalten hätten, sich deutlich von den<br />
an<strong>der</strong>en innovativen Jungunternehmen unterschieden.<br />
„Sie sind größer, wachsen schneller,<br />
sind innovativer und lagern häufiger Forschungs-<br />
und Entwicklungstätigkeiten aus“,<br />
erklärte Berg. „Der Anteil <strong>der</strong> Spin-offs, also <strong>der</strong><br />
Ausgründungen aus Hochschulen unter ihnen<br />
ist beson<strong>der</strong>s hoch.“<br />
Dies sei erfreulich, aber nur eine Seite <strong>der</strong> Medaille.<br />
„Denn insgesamt ist gerade bei den<br />
Hochschulausgründungen ein Rückgang zu<br />
verzeichnen“, berichtete Berg. Ihr Anteil an den<br />
Start-Ups nehme seit dem Jahr 2003 stetig ab.<br />
„Im Jahr 2005 und Jahr 2006 betrug er in den<br />
forschungsintensiven Wirtschaftszweigen nur<br />
noch rund zwölf Prozent.“ Eine mögliche Erklärung<br />
sei <strong>der</strong> Fachkräftemangel. Denn Spin-offs<br />
würden vor allem von Naturwissenschaftlern<br />
und Ingenieuren gegründet. Für den Studienbereich<br />
Informatik hätten sich 2006 zum sechs -<br />
ten Mal in Folge weniger Erstsemester einge-<br />
Der dramatische<br />
Rückgang <strong>der</strong> Hochschul -<br />
ausgründungen gefährdet<br />
den Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland<br />
III/2007 trend<br />
29
Hightech-Gründungen<br />
schrieben als im Vorjahr. Gleichzeitig seien zu<br />
Jahresbeginn 2007 rund 20.000 Stellen in <strong>der</strong><br />
Branche nicht besetzt gewesen. „Berufsaussichten<br />
und Berufswahl driften in Deutschland<br />
auseinan<strong>der</strong>, während an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> gigantische<br />
Kapazitäten aufbauen“, kritisierte <strong>der</strong> Microsoft-Chef.<br />
„Deutschlands Hochschulen entlassen jährlich<br />
rund 14.000 Informatikstudenten auf den Arbeitsmarkt.<br />
In Indien sind es etwa zwanzigmal so<br />
viele.“ Diese Entwicklung werde ihre Spuren<br />
auch in <strong>der</strong> Gesamtwirtschaft hinterlassen, denn<br />
die Hochschul-Spin-offs nutzten deutlich häufiger<br />
eigene Patente und betrieben wesentlich<br />
mehr Forschung und Entwicklung als an<strong>der</strong>e<br />
Start-ups. „So bleiben wichtige Impulse für Wissenstransfer<br />
und Innovation aus. Obwohl deutsche<br />
Hochschulen exzellente Forschung betreiben,<br />
landen schon heute zu viele Ergebnisse in<br />
den Schubladen, ohne sie wirtschaftlich zu nutzen.<br />
Dieser dramatische Rückgang an Hochschulausgründungen<br />
gefährdet den Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland. Innovationen von heute<br />
sind <strong>der</strong> Wohlstand von morgen“, betonte Berg.<br />
Der Weg von <strong>der</strong> technischen Idee zur Innova -<br />
tion müsse stärker begleitet werden, sowohl<br />
von politischer wie von unternehmerischer<br />
Seite, for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Microsoft-Chef. „Damit<br />
Deutschlands Innovationsstandard Nummer<br />
eins bleibt, benötigen wir dringend ein neues<br />
Private-Equity-Gesetz, das private Investments<br />
wie<strong>der</strong> stärker för<strong>der</strong>t als behin<strong>der</strong>t.“ Diese For<strong>der</strong>ung<br />
sei zwar nicht neu. Das Thema müsse<br />
aber jetzt vorangetrieben werden. „Dass es hier<br />
Probleme gibt, zeigt ein europäischer Vergleich:<br />
Deutschland liegt bei <strong>der</strong> absoluten Höhe von<br />
Venture Capital auf dem vierten Platz hinter<br />
England, Frankreich und Israel. Wir haben aber<br />
nur ein Viertel des Investmentvolumens von<br />
England und nur die Hälfte <strong>der</strong> VC-Investi -<br />
tionen von Frankreich.“<br />
Beziehe man die Zahlen auf die Bevölkerungszahlen,<br />
dann liege die Bundesrepublik im europaweiten<br />
Vergleich nur auf Platz 14. „Lei<strong>der</strong> haben<br />
wir in Deutschland auch noch keine nennenswerte<br />
Business-Angels-Kultur wie in den<br />
USA“, monierte Berg. „Dabei sind Business Angels<br />
bei <strong>der</strong> lebendigen Grün<strong>der</strong>szene von unschätzbarem<br />
Wert. Dies merken wir immer<br />
wie<strong>der</strong> im Gespräch mit jungen Grün<strong>der</strong>n.“<br />
Auch die genannte ZEW-Studie habe dies bestätigt.<br />
„Diese Gespräche und Kontakte sind<br />
wichtig, denn die Unterstützung von Hightech-<br />
Grün<strong>der</strong>n ist nicht nur eine Aufgabe <strong>der</strong> Politik.<br />
Auch die Wirtschaft selbst kann hier einen<br />
Beitrag leisten.“<br />
Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Probleme für Grün<strong>der</strong><br />
im Hightech-Sektor habe Microsoft 2005<br />
gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Politik die Grün<strong>der</strong>initiative<br />
„Unternimm was“ ins Leben gerufen. Deren<br />
Ziel sei es, junge Grün<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Hightech-<br />
Branche auf dem Weg zu einem erfolgreichen<br />
Unternehmen zu begleiten. Unterschieden<br />
werde dabei zwischen <strong>der</strong> Breiten- und <strong>der</strong> Tiefenför<strong>der</strong>ungsinitiative.<br />
Mit <strong>der</strong> Breitenför<strong>der</strong>ung<br />
unterstütze „Unternimm was“ junge<br />
Grün<strong>der</strong> mit praxisorientiertem Know-how,<br />
Workshops zur Technologie, Marketing und<br />
Vertriebsthemen und dem Zugang zu einem<br />
großen Partner- und Kundennetzwerk. „Dazu<br />
hat Microsoft zusammen mit zahlreichen Partnerinitiativen<br />
regional und national ein umfassendes<br />
För<strong>der</strong>angebot aufgebaut.“ „Unternimm<br />
was“ kooperiere etwa mit <strong>der</strong> Kreditanstalt<br />
für Wie<strong>der</strong>aufbau (KfW) und dem<br />
Hightech-Grün<strong>der</strong>fonds. Mit <strong>der</strong> so genannten<br />
Tiefenför<strong>der</strong>ung würden <strong>der</strong>zeit 16 ausgewählte<br />
Grün<strong>der</strong>unternehmen mindestens ein Jahr<br />
lang im Rahmen von „Unternimm was“ beson<strong>der</strong>s<br />
intensiv unterstützt. „Je nach Bedarf erhalten<br />
sie Unterstützung bei <strong>der</strong> technischen Weiterentwicklung<br />
ihrer Produkte – o<strong>der</strong> werden in<br />
Vertriebs- und Marketingfragen von Microsoft-<br />
Spezialisten unterstützt“, erläuterte Berg.<br />
Mit „Unternimm was“ würden beson<strong>der</strong>s Institutionen<br />
geför<strong>der</strong>t, die die Zusammenarbeit<br />
von Wirtschaft und Hochschulen vorantrieben.<br />
„Die Folge: Derzeit sind neun von 16 <strong>der</strong> hoch<br />
innovativen Unternehmen in <strong>der</strong> Tiefenför -<br />
<strong>der</strong>ung von „Unternimm was“ Hochschul-Spinoffs.<br />
Im Rahmen von „Unternimm was“ würden<br />
den Unternehmen auch Kontakte zu Venture-<br />
Capital-Gebern vermittelt. „Die Patenschaft mit<br />
Microsoft kann dabei als Aushängeschild für<br />
die jungen Unternehmen gelten.“ Für die Menschen<br />
in Deutschland sei eine lebendige und<br />
innovative Wirtschaftslandschaft wichtig. „Der<br />
Hightech-Bereich nimmt hierbei eine Schlüsselposition<br />
ein. Wir haben hier einen Ansatzpunkt<br />
und einen wichtigen Hebel für das<br />
Gestalten von Zukunft. Lassen Sie uns diesen<br />
Hebel noch intensiver als bisher als gemeinsame<br />
politische und unternehmerische Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
begreifen.“<br />
<br />
Aus Rede Internationaler Abend 2007<br />
30 trend III/2007
Ru s s l a n d<br />
Wir sollten unsere Chancen<br />
endlich realisieren<br />
Grigory A. Yavlinsky,<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> Russian Democratic Party<br />
Grigory Yavlinsky wies darauf hin, dass<br />
die Bundesrepublik Deutschland einer<br />
<strong>der</strong> wichtigsten Wirtschaftspartner<br />
Russlands sei. Im Jahr 2006 habe Deutschland<br />
Waren im Wert von 23 Milliarden € nach Russland<br />
exportiert. Dies seien mehr als ein Drittel<br />
aller EU-Exporte gewesen. In die umgekehrte<br />
Richtung, von Russland nach Deutschland, seien<br />
Waren im Wert von 29 Milliarden € geflossen.<br />
Die Hälfte aller EU-Exporte seien mo<strong>der</strong>ne<br />
Technologien und Maschinen, Russlands Exporte<br />
in die EU hingegen bestünden zu zwei Dritteln<br />
aus Rohstoffen und Energielieferungen<br />
wie Öl, Gas, Kohle, Nickel und Aluminium. „In<br />
den vergangenen sechs Jahren hat die Europäische<br />
Union Waren und Dienstleistungen von<br />
insgesamt 72,5 Milliarden € nach Russland exportiert“,<br />
berichtete <strong>der</strong> russische Oppositionsführer.<br />
Diese hätten sich damit zwischen 2000<br />
und 2006 verdreifacht. Die Importe <strong>der</strong> EU aus<br />
Russland hätten sich im gleichen Zeitraum um<br />
den Faktor 2,5 erhöht. „Russland ist nach den<br />
USA und China inzwischen <strong>der</strong> drittgrößte<br />
Handelspartner <strong>der</strong> EU“, erläuterte Yavlinsky.<br />
Der russische Politiker erinnerte an die Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />
seines Landes mit <strong>der</strong> Ukraine<br />
und Weißrussland hinsichtlich <strong>der</strong> Gaslieferungen,<br />
von denen auch die EU wegen <strong>der</strong> Transitpipelines<br />
und des Druckabfalls bei den Gaslieferungen<br />
indirekt betroffen gewesen sei.<br />
Russlands Position in dem Gas-Streit sei leicht<br />
zu verstehen: Gasprom müsse in den kommenden<br />
Jahren mehrere hun<strong>der</strong>t Milliarden €<br />
inves tieren, um Gasfel<strong>der</strong> zu erschließen. Man<br />
könne es sich mithin nicht mehr leisten, Gas zu<br />
subventionierten Preisen an die früheren<br />
Sowjetrepubliken zu liefern. Russland sei zwar<br />
<strong>der</strong> weltgrößte Gas-Exporteur. Aber 28 Mil -<br />
III/2007 trend<br />
31
Ru s s l a n d<br />
Das Thema „Russisches Gas“<br />
ist längst ein Symbolthema<br />
lionen Menschen <strong>der</strong> eigenen Bevölkerung –<br />
insgesamt rund 140 Millionen – hätten selber<br />
keinen Zugang zu Gas.<br />
Das Gasthema sei symbolisch, und könne als<br />
Beispiel dafür gelten, dass die EU und Russland<br />
noch keine passende Strategie für den Umgang<br />
miteinan<strong>der</strong> gefunden hätten. Nach Auffassung<br />
Yavlinskys sind es an erster Stelle aber die<br />
Europäer, denen es an einer Strategie mangelt.<br />
„Der Fall <strong>der</strong> Berliner Mauer war zwar nicht das<br />
von Francis Fukuyama ausgerufene Ende <strong>der</strong><br />
Geschichte – aber das Ende einer über Jahrzehnte<br />
erfolgreichen Strategie“, sagte Yavlinsky. „Das<br />
Ende des Kalten Krieges, <strong>der</strong> Zusammenbruch<br />
des Warschauer Pakts und die europäische Einigung<br />
waren ein riesiger Erfolg – aber es war<br />
auch das Ende einer Strategie und Planung.“<br />
Die Frage, die nunmehr zu beantworten sei, beziehe<br />
sich darauf, wie die Europäische Union<br />
sich ihre Beziehungen zu Russland, zur Ukraine<br />
o<strong>der</strong> zu Weißrussland in 25 o<strong>der</strong> 30 Jahren vorstelle.<br />
„Das ist die wichtigste Frage – sie muss gestellt<br />
und nach Möglichkeit auch beantwortet<br />
werden“, betonte <strong>der</strong> russische Oppositionsführer.<br />
„Sonst werden die Probleme mit Gaslieferungen<br />
o<strong>der</strong> polnischem Fleisch nie gelöst.“<br />
Yavlinsky sagte, um 2050 werde es nur noch<br />
zwei wesentliche Wirtschaftsmächte in <strong>der</strong><br />
Welt geben – die USA und Süd-Ost-Asien.<br />
„Wenn Europa mit diesen beiden Wirtschaftsmächten<br />
dann noch konkurrieren will, dann<br />
gibt es nur einen Weg: Europa muss sich Gedanken<br />
darüber machen, wie es die Ressourcen<br />
des östlichen Teils Europas und des nordöst -<br />
lichen Teils Asiens integrieren will – das betrifft<br />
nicht nur Energieressourcen, son<strong>der</strong>n ebenso<br />
intellektuelle Ressourcen, militärische und geopolitische.<br />
Das ist meines Erachtens die <strong>der</strong>zeit<br />
wichtigste Frage“, sagte <strong>der</strong> Vorsitzende <strong>der</strong><br />
Russian Democratic Party.<br />
Yavlinsky machte aber zugleich deutlich, dass er<br />
nicht an einen EU-Beitritt Russlands im traditionellen<br />
Sinne denke. Er denke, wenn er über eine<br />
Annäherung Russlands an die EU spreche, ers -<br />
tens an einen Zeitraum von rund 25 bis 30 Jahren.<br />
Und zweitens passe Russland nicht in das<br />
gegenwärtige institutionelle Gefüge <strong>der</strong> EU mit<br />
Kommission und Ministerrat. Russland werde<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union nicht beitreten wie etwa<br />
Bulgarien, die Slowakei o<strong>der</strong> Slowenien dies<br />
getan hätten. „Hier muss es eine an<strong>der</strong>e Strategie<br />
geben“, hob Yavlinsky hervor. „Zunächst aber<br />
muss es überhaupt einmal eine Strategie geben.<br />
Wir brauchen eine Vision, wohin wir in den<br />
nächsten 30 Jahren wollen.“ Yavlinsky machte<br />
deutlich, dass Europa nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
auch eine Strategie verfolgt habe, um den<br />
Kontinent zu befrieden und die Län<strong>der</strong> zusammenzuführen.<br />
„Als das 1947 begann, war das gerade<br />
einmal zwei Jahre nachdem Deutsche und<br />
Franzosen sich getötet haben und halb Europa<br />
unter dem Diktat Stalins stand. Aber die europäische<br />
Strategie war dennoch erfolgreich.<br />
Darum ist es so wichtig, ein Ziel und eine Strategie<br />
zum Erreichen dieses Ziels zu formulieren“,<br />
betonte <strong>der</strong> russische Politiker.<br />
Yavlinsky erklärte zum Abschluss, er hoffe, die<br />
Europäer hätten eine Vorstellung von ihrem<br />
Verhältnis zu Russland in den kommenden zwei<br />
bis drei Dekaden. „Ich habe Ihnen mein Szenario<br />
skizziert, einen Weg, den ich für gangbar<br />
halte – vielleicht liege ich falsch. Lassen Sie uns<br />
darüber diskutieren.“ Der Vorsitzende <strong>der</strong> Russian<br />
Democratic Party kritisierte allerdings, dass<br />
es kein echtes Forum gebe, wo <strong>der</strong>artige Fragen<br />
diskutiert würden. „Niemand spricht darüber“,<br />
monierte <strong>der</strong> russische Oppositionsführer. „Gesprochen<br />
wird nur über Detailfragen <strong>der</strong> tagespolitischen<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzungen, nicht über<br />
Strategien. Es ist eine Schande, dass Deutschland,<br />
Russland und die EU sich im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
immer wie<strong>der</strong> an nachrangigen tagesaktuellen<br />
Problemen aufreiben und keine Lösung<br />
finden, weil sie keine Strategie für den langfris -<br />
tigen Umgang miteinan<strong>der</strong> haben.“ Russland<br />
sei ein Teil Europas. „Wir sollten unsere Chancen<br />
endlich realisieren“, mahnte Yavlinsky. <br />
Aus Internationaler Abend 2007<br />
32 trend III/2007
Wirtschaftstag 2007<br />
Wettbewerb<br />
<strong>der</strong> Kontinente –<br />
Deutschland und Europa<br />
gestalten Zukunft<br />
Der traditionelle Wirtschaftstag des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es wurde auch in diesem Jahr<br />
wie<strong>der</strong> zum überzeugenden Nachweis unternehmerischen Engagements. Über<br />
1.800 Mitglie<strong>der</strong> und nationale und internationale Gäste aus <strong>der</strong> Wirtschaft, <strong>der</strong><br />
Politik und <strong>der</strong> Wissenschaft waren <strong>der</strong> Einladung gefolgt und nach Berlin<br />
gereist. Nach einer harmonischen Bundesdelegiertenversammlung mit Wahlen<br />
wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel herzlich empfangen. Für ihre glänzende<br />
Rede mit einer klaren ordnungspolitischen, marktwirtschaftlichen Agenda<br />
wurde ihr mit Standing Ovations gedankt. Die Ehrungen des EZB-Präsidenten<br />
Jean-Claude Trichet sowie <strong>der</strong> verdienten ehemaligen Präsidiumsmitglie<strong>der</strong> des<br />
<strong>Wirtschaftsrat</strong>es, Rosely Schweizer und Prof. Dr. mult. Nikolaus Schweickart,<br />
waren beson<strong>der</strong>e Höhepunkte eines erfolgreichen, spannenden Tages.<br />
im Internet – Aktuelles, Archiv, Daten, Kontakte:<br />
www.wirtschaftsrat.de<br />
62 trend III/2007
Bundesdelegiertenversammlung<br />
2007<br />
Den Kern <strong>der</strong> Sozialen<br />
Marktwirtschaft verteidigen<br />
Bericht des Präsidenten Kurt J. Lauk<br />
Der Wirtschaftstag 2007 des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es<br />
steht unter drei außergewöhnlich<br />
guten Vorzeichen:<br />
Die Konjunktur brummt wie lange nicht –<br />
trotz Mehrwertsteuer-Erhöhung!<br />
Die Arbeitslosenzahlen sind im Sinkflug!<br />
Die Maastrichter Drei-Prozent-Defizitgrenze<br />
wird endlich wie<strong>der</strong> unterschritten – und<br />
zwar mit sattem Abstand!<br />
Diese Erfolge scheinen sich auf das Gemüt <strong>der</strong><br />
SPD-Anhänger zu legen. Eine aktuelle Forsa-<br />
Umfrage belegt: Zwei Drittel von ihnen sehnen<br />
sich nach <strong>der</strong> Opposition! Der <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />
wird alles tun, damit dieser Wunsch <strong>der</strong> Genossen<br />
in Erfüllung geht.<br />
Die Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong> Links-Regierung in Schweden<br />
und <strong>der</strong> überzeugende Wahlsieg von<br />
Nicolas Sarkozy in Frankreich zeigen, dass bürger<br />
liche Mehrheiten in Europa wie<strong>der</strong> auf dem<br />
Vormarsch sind.<br />
III/2007 trend 63
Unser Ziel muss es sein, dass spätestens 2009<br />
die strukturelle Linksmehrheit, die wir seit zehn<br />
Jahren in unserem Land haben, wie<strong>der</strong> ge -<br />
brochen wird. Dies ist unser Ziel! Dafür käm p -<br />
fen wir gemeinsam in den nächsten zwei<br />
Jahren.<br />
Ausbildung, Fortbildung und Unternehmertum des Einzelnen<br />
sind die richtige Antwort auf die Globalisierung<br />
Die Globalisierung ist Triebfe<strong>der</strong> – und nicht<br />
Bremse für wirtschaftliches Wachstum! Die<br />
Globalisierung hat für alle beteiligten Län<strong>der</strong><br />
mehr Vor- als Nachteile gebracht:<br />
350 Millionen Menschen wurden aus tiefster<br />
Armut befreit.<br />
Das Pro-Kopf-Einkommen in den ärmsten<br />
Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt ist innerhalb <strong>der</strong> letzten 20<br />
Jahre um 160 Prozent gestiegen.<br />
Allein in den letzten 15 Jahren ist die Wirtschaftsleistung<br />
weltweit jährlich über vier<br />
Prozent gewachsen.<br />
Es ist verantwortungslos und schadet uns allen,<br />
wenn linke Populisten die Ängste <strong>der</strong> Menschen<br />
vor Verän<strong>der</strong>ungen schüren und so den<br />
sozialen Zusammenhalt auf eine harte Probe<br />
stellen.<br />
Zu den Nachteilen gehört, dass sich weltweit<br />
die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet<br />
hat. Zwischen 2000 und 2005 ist das Pro-<br />
Kopf-Einkommen <strong>der</strong> untersten zehn Prozent<br />
<strong>der</strong> Einkommensbezieher in China um 26 Prozent<br />
gestiegen. Dies erinnert an die Zeiten des<br />
Wirtschaftswun<strong>der</strong>s unter Ludwig Erhard in<br />
Deutschland. Das Problem ist nur, dass im gleichen<br />
Zeitraum das Pro-Kopf-Einkommen <strong>der</strong><br />
oberen zehn Prozent um 133 Prozent gestiegen<br />
„Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> war noch nie so gut aufgestellt wie heute. Gemeinsam können wir auf ein überaus erfolgreiches<br />
Geschäftsjahr zurückblicken:<br />
Die Mitglie<strong>der</strong>zahl liegt mit knapp 11.000 auf einem historischen Höchststand.<br />
Der WR ist in <strong>der</strong> Öffentlichkeit stärker präsent als je zuvor.<br />
Wir haben eine wirtschaftliche Haushaltsführung. Wir konnten in den vergangenen zwei Jahren Rücklagen bilden, die in<br />
<strong>der</strong> Höhe einmalig sind in <strong>der</strong> Geschichte des WR. Unser ausdrücklicher Dank hierfür gilt dem Bundesschatzmeister<br />
Dr. Schleifer, dem Generalsekretär Henke sowie dem Hauptamt.<br />
Gleichzeitig konnten wir große Zukunfts-Investitionen tätigen.<br />
Von den hohen Investitionen profitieren vor allem die Mitglie<strong>der</strong>: Nach erfolgreicher Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> IT-Strukturen kann<br />
jetzt je<strong>der</strong> Sektionssprecher mit minimalem technischem Aufwand eigene Mitglie<strong>der</strong>-Umfragen durchführen. Die Kommunikation<br />
mit den Mitglie<strong>der</strong>n wird auf eine neue, zeitgemäße Basis gestellt. Damit wird <strong>der</strong> WR noch stärker als bisher zu<br />
einer ,lebenden‘ Organisation – zu einer ,Mitmach-Organisation‘.<br />
Die Zahl <strong>der</strong> engagierten und leistungsfähigen Sektionen hat deutlich zugenommen. Dank gilt daher allen Sektions -<br />
sprechern und -vorständen. Wir sind zuversichtlich, dass Ihnen die neue IT bei <strong>der</strong> Gestaltung Ihrer Arbeit eine innovative<br />
Unterstützung sein wird.<br />
Wir haben einen eigenständigen Marketingbereich geschaffen. Ziel ist die Verbesserung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>bindung. Beson<strong>der</strong>er<br />
Dank gilt dem Ehrenamt in den Bundeslän<strong>der</strong>n, die die Mitglie<strong>der</strong>gewinnung – wie beispielsweise in Baden-Württemberg<br />
und Schleswig-Holstein – mit beachtlichem Erfolg in eigene Hände genommen haben. Wir haben gemeinsam viel gelernt<br />
und sind gemeinsam besser geworden. Diesen Kurs setzen wir fort! Für ihren vorbildlichen persönlichen Einsatz in <strong>der</strong><br />
Marketingkommission danke ich beson<strong>der</strong>s Frau Hamker, Herrn Eckes, Herrn Dr. Zeitel und erneut Herrn Bundesschatzmeis -<br />
ter Dr. Schleifer. Mein Dank gilt zudem den übrigen Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Kommission sowie dem Hauptamt für ihr Engagement.<br />
Erstmals in seiner Geschichte hat <strong>der</strong> WR ein Leitbild verabschiedet. Unser Selbstverständnis beginnt mit <strong>der</strong> klaren Aussage:<br />
Ohne Unternehmen gibt es keine Marktwirtschaft – ohne Marktwirtschaft keinen Wohlstand! Als „Unternehmen <strong>der</strong><br />
Unternehmer“ setzen wir uns für einen klaren ordnungspolitischen Kurs in <strong>der</strong> Union ein. Unser Leitbild lässt keinen Zweifel:<br />
Unternehmen, die sich weltweit aufstellen und sich erfolgreich am Markt behaupten, sind keine vaterlandslosen Gesellen<br />
o<strong>der</strong> unpatriotisch. Nur Erfolg im globalen Wettbewerb sichert auch Arbeitsplätze in Deutschland. Deshalb ist die<br />
Renaissance des Protektionismus nach unserem Selbstverständnis die falsche Antwort auf die Globalisierung. Beson<strong>der</strong>er<br />
Dank gilt unserem Ehrenamt auf allen Ebenen, das dieses Leitbild mitentwickelt hat und wir haben damit unserem Selbstverständnis<br />
mehr Kontur gegeben.<br />
64 trend III/2007
„Die Subsidiarität als Leitprinzip <strong>der</strong> Sozialen<br />
Marktwirtschaft – ganz im Sinne Ludwig<br />
Erhards – muss wie<strong>der</strong>erweckt und weiterentwickelt<br />
werden.<br />
Wir als WR stellen uns dieser Herausfor<strong>der</strong>ung!<br />
Als ersten Beitrag werden wir in Kürze<br />
ein Buch vorstellen, das dazu einen Beitrag<br />
leistet.“<br />
ist. So eine Studie <strong>der</strong> Weltbank. Damit ist <strong>der</strong> so<br />
genannte GINI-Index – Null ist perfekte Gleichheit,<br />
100 ist vollkommene Ungleichheit – in den<br />
Jahren 1984 - 2004 von 29 auf 47 gestiegen.<br />
In Latein-Amerika – so die Weltbank weiter – ist<br />
die Schere zwischen Arm und Reich nach ökonomischer<br />
Liberalisierung in neun von zwölf<br />
Län<strong>der</strong>n angestiegen. Die Weltbank-Studie<br />
zeigt: Dies ist ein weltweiter Trend.<br />
Wie kommt es, dass Globalisierung Ungleichheit<br />
so sichtbar för<strong>der</strong>t?<br />
Die Frage ist zu neu, um schon definitiv Antworten<br />
zu haben. Aber eines ist klar: Die Einkommen<br />
<strong>der</strong> gering qualifizierten Arbeiter mögen<br />
ansteigen, aber die Einkommen <strong>der</strong> besser Ausgebildeten<br />
steigen viel steiler an.<br />
Daraus entsteht auch für uns die sozialpolitische<br />
Frage: Wie viel Ungleichheit verträgt ein<br />
Land? Wann bringt diese aufgehende Schere<br />
emotionale Feindschaft gegen den offenen<br />
Welthandel und die fortgesetzte Liberalisierung<br />
des Kapitalflusses und <strong>der</strong> Investitionen?<br />
Unsere notwendige, wenngleich noch nicht hinreichende<br />
Antwort ist: Ausbildung, Fortbildung<br />
und Unternehmertum des Einzelnen sind die<br />
richtige Antwort auf die Globalisierung. Dies ist<br />
die Ausrichtung einer neuen Sozialpolitik.<br />
Eine dynamische Weiterentwicklung und Anpassung des Leitbildes an künftige Herausfor<strong>der</strong>ungen ist selbstverständlich –<br />
Ihre Anregungen sind je<strong>der</strong>zeit willkommen. Denn: Ihr Engagement macht den Erfolg des WR aus! Herzlichen Dank dafür!<br />
Weiter so!<br />
Dieses unternehmerische Selbstverständnis des WR ist auch im neuen <strong>CDU</strong>-Grundsatzprogramm enthalten, das zuverlässig<br />
an die Leipziger Beschlüsse anknüpft. Das ist das Verdienst unseres Generalsekretärs, Henke, <strong>der</strong> sich hier durchgesetzt<br />
hat. <strong>CDU</strong>-Generalsekretär Pofalla hat Herrn Henke für seinen persönlichen Einsatz gedankt.<br />
An <strong>der</strong> Erarbeitung des Leitbildes haben viele<br />
mitgewirkt. Ich danke beson<strong>der</strong>s unseren Landesvorsitzenden<br />
mit ihren Landesvorständen<br />
(insgesamt 150), den über 150 Sektionssprechern<br />
und 800 Sektionsvorständen, den Vorsitzenden<br />
und mehr als 500 Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Bundesfachkommissionen<br />
sowie ganz herzlich Ihnen<br />
allen, den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Bundesdelegiertenversammlung.<br />
Für die langjährige prägende Mitwirkung, die<br />
nachhaltige ideelle und materielle Unterstützung<br />
unserer Arbeit, schlage ich Ihnen als Dank<br />
für den beispielhaften persönlichen Einsatz im<br />
Namen von Präsidium und Bundesvorstand<br />
vor,<br />
Rosely Schweizer und<br />
Prof. Dr. Nikolaus Schweickart<br />
die Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Silber zu verleihen und zu Ehrenmitglie<strong>der</strong>n zu berufen.<br />
Der vorbildliche Einsatz von beiden verdient unseren anerkennenden und zustimmenden Applaus.<br />
Auch dem Rechnungsprüfer des WR, Herrn Hohlfeldt, möchte ich für seine 23-jährige Prüftätigkeit beim WR herzlich danken.<br />
Beson<strong>der</strong>er Dank gilt schließlich meinen Kollegen in Präsidium und Bundesvorstand sowie <strong>der</strong> Bundesgeschäftsführung und<br />
allen Mit arbeitern auf Bundes- und Landesebene.“<br />
III/2007 trend<br />
65
„Wir sind auf das Reformkonzept <strong>der</strong> Bundeskanzlerin für die zweite<br />
Halbzeit <strong>der</strong> Großen Koalition sehr gespannt. Der heutige Wirtschaftstag<br />
findet zwischen dem zukunftsweisenden G8-Treffen und dem EU-<br />
Gipfel statt.<br />
In <strong>der</strong> G8-Runde wurden u. a. maßgebliche Weichen für den Klimaschutz<br />
und die Freiheit <strong>der</strong> internationalen Finanzmärkte gestellt. Wir sind zuversichtlich,<br />
dass Bundeskanzlerin Merkel diesen erfolgreichen Kurs auf<br />
dem EU-Gipfel fortsetzen wird. Nur ein souveränes und wirtschaftlich<br />
starkes Europa kann seiner Rolle als Mittler <strong>der</strong> Globalisierung und<br />
transatlantischer Partner gerecht werden. Wir unterstützen die Initiative<br />
von Angela Merkel zur Stärkung <strong>der</strong> transatlantischen Partnerschaft.<br />
Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> Deutschland freut sich beson<strong>der</strong>s über die Gründung<br />
des transatlantischen <strong>Wirtschaftsrat</strong>s. Diese Initiative hat eine nicht zu<br />
unterschätzende Bedeutung: Europa und die USA haben nur noch wenige<br />
Jahre Zeit, weltweite Standards bei Rechnungslegung, Corporate<br />
Governance und Korruptionsbekämpfung, Trade Rules etc. zu setzen.<br />
Anschließend werden China und Indien den Takt vorgeben.<br />
Die Bedeutung <strong>der</strong> transatlantischen Partnerschaft hat uns schon im<br />
letzten Jahr bewogen, eine eigenständige Sektion ,New York‘ zu gründen.<br />
Herr Nürnberger ist hier als Sektionssprecher die treibende Kraft.<br />
Es ist mir eine beson<strong>der</strong>e Freude, dass wir heute Jean Claude Trichet, den<br />
obersten Währungshüter Europas, als weiteren ordnungspolitischen<br />
Mitstreiter auf internationalem Parkett begrüßen dürfen. Präsident<br />
Trichet mahnt immer wie<strong>der</strong> strukturelle Reformen in den Euro-Län<strong>der</strong>n<br />
als Voraussetzung für die Absorption möglicher weltwirtschaftlicher<br />
Schocks an. Sein konsequenter Stabilitätskurs als EZB-Chef hat den Euro<br />
zur zweiten Leitwährung weltweit gemacht und mit dafür gesorgt, dass<br />
seit Euro-Einführung im Euro-Raum zwölf Millionen Arbeitsplätze entstehen<br />
konnten. O<strong>der</strong>, wie die Financial Times vom 18. Mai 2007 treffend<br />
zusammengefasst hat: „un<strong>der</strong> fire, on target“. Untergetitelt: „A vindicated<br />
Trichet continues to press for reform“. Wir unterstreichen seine ordnungs<br />
politische Gradlinigkeit und die politische Unabhängigkeit <strong>der</strong><br />
EZB. Deshalb schlagen Präsidium und Bundesvorstand vor, Jean-Claude<br />
Trichet mit <strong>der</strong> Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold auszuzeichnen.“<br />
Die Globalisierung hat weitere unbeabsichtigte<br />
Nebenwirkungen. Die Zusammenhänge sind<br />
komplex. Eines ist klar: Innen- und Außen -<br />
politik und Sicherheitspolitik lassen sich weniger<br />
denn je trennen. Wirtschafts- und Sozial -<br />
politik sind zunehmend von internationalem<br />
Druck geprägt und mitbestimmt. Wir müssen<br />
diese Zusammenhänge neu durchdenken und<br />
Lö sungs vorschläge einbringen.<br />
Dies gilt vor allem mit Blick auf das Verhältnis<br />
Deutschlands zu Europa. Ein „Europa <strong>der</strong><br />
Bürger“ wird nur gelebt, wenn:<br />
die politische Handlungsfähigkeit Europas<br />
gestärkt wird<br />
und zugleich die Beschränkung auf Kernkompetenzen<br />
gelingt.<br />
Wir waren alle geschockt, dass Franzosen und<br />
Hollän<strong>der</strong> Nein! gesagt haben zur vorgelegten<br />
EU-Verfassung. Rückblickend können wir nur<br />
froh darüber sein: Das was jetzt für den EU-Gipfel<br />
erarbeitet worden ist, ist programmatischer,<br />
auf das wirklich Notwendige begrenzt und<br />
nicht überkandidelt und überkomplex.<br />
Zudem muss gewährleistet sein, dass EU-Län<strong>der</strong>,<br />
die die weitere Integration nicht mitgehen<br />
wollen, die Union verlassen und eine rein assoziierte<br />
Partnerschaft eingehen können. Bei <strong>der</strong><br />
vorhandenen erweiterten Diskrepanz <strong>der</strong> EU<br />
sind kleine, erfolgreiche, pragmatische Schritte<br />
wichtiger, als nicht vermittelbare große Lösungen.<br />
Bereitschaft zum Risiko sowie inhaltliches Augenmaß<br />
und Zähigkeit sind Grundlage des Erfolges<br />
<strong>der</strong> Kanzlerin beim G8-Gipfel gewesen.<br />
Die gleichen Eigenschaften werden den dringend<br />
notwendigen Erfolg beim anstehenden<br />
EU-Gipfel für den neuen europäischen Vertrag<br />
von Brüssel bringen.<br />
Den Konjunkturschwung in Deutschland sollte<br />
die Große Koalition für mutige Strukturreformen<br />
in <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> Legislatur nutzen!<br />
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Beck stellt<br />
sich selbst ins Abseits, wenn er glaubt, den<br />
Menschen dürften keine weiteren Reformen<br />
mehr zugemutet werden.<br />
Man stelle sich einen solchen Rückzug in einem<br />
Fußballspiel vor, in dem die eine Hälfte <strong>der</strong><br />
Mannschaft nach <strong>der</strong> ersten Halbzeit in <strong>der</strong><br />
66 trend III/2007
Kabine bleibt: Dann ist die Partie verloren! Umso<br />
mehr gilt: Die Große Koalition muss in <strong>der</strong><br />
zweiten Halbzeit mit Druck nach vorne spielen!<br />
Lassen Sie mich jetzt in sechs Punkten die<br />
drängendsten Reformnotwendigkeiten skiz -<br />
zieren:<br />
Die öffentlichen Haushalte müssen<br />
mit Etatdisziplin und neuen<br />
Verschuldungsregeln aus <strong>der</strong><br />
Schuldenfalle befreit werden!<br />
Das avisierte Ziel – Gesamthaushalt ohne Neuverschuldung<br />
bis 2010 und ausgeglichener<br />
Bundeshaushalt bis 2011 – hätte aber aus unserer<br />
Sicht durchaus noch ambitionierter ausfallen<br />
können. Um schnellstmöglich Haushalte<br />
ohne Neuverschuldung zu erreichen, empfiehlt<br />
<strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong> ein Ausgabenmoratorium<br />
und eine Schuldenbremse nach Schweizer Vorbild!<br />
Nach <strong>der</strong> Unternehmensteuerreform<br />
ist vor <strong>der</strong> Unternehmensteuerreform –<br />
im Wettkampf um international<br />
wettbewerbsfähige Steuern muss<br />
Deutschland nochmals ins Rennen!<br />
Mit <strong>der</strong> jüngst beschlossenen Senkung des<br />
Unternehmensteuersatzes verschaffen wir uns<br />
lediglich eine Verschnaufpause im Ringen um<br />
ein international wettbewerbsfähiges Steuersystem:<br />
In <strong>der</strong> EU liegt die Unternehmensteuer -<br />
belastung bei durchschnittlich 23,5 Prozent.<br />
Wir dagegen erreichen die gesetzte Zielmarke<br />
von 30 Prozent nicht ganz!<br />
Dänemark, Großbritannien, Spanien und<br />
nun auch Frankreich haben eine weitere<br />
Steuersenkungsrunde in 2008 eingeleitet.<br />
Und als wäre das noch nicht genug, lockt die<br />
Österreichische Wirtschafts-Werbegesellschaft<br />
deutsche Unternehmen mit verführerischen<br />
Slogans in die Alpenrepublik:<br />
Lukrative Unternehmensbesteuerung<br />
Gewinnbesteuerung 25 Prozent<br />
Keine Zinsschranke<br />
Keine Gewerbesteuer!<br />
Dem haben wir momentan nichts entgegen -<br />
zusetzen!<br />
Zudem sind wichtige Themen ausgelassen<br />
worden: Der Holding-Standort Deutschland<br />
wird noch weniger attraktiv, Konzernzentralen<br />
wan<strong>der</strong>n aus, Arbeitsplätze verschwinden. Dies<br />
III/2007 trend<br />
67
muss nachgebessert werden. Machen wir uns<br />
deshalb nichts vor: Das Projekt „Unternehmensteuerreform“<br />
kann noch nicht zu den Akten.<br />
Vielmehr muss es auf Wie<strong>der</strong>vorlage in <strong>der</strong><br />
nächsten Legislaturperiode gelegt werden!<br />
„Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> hat allen Grund, selbstbewusst und tatkräftig aufzutreten.<br />
Wir stehen für diejenigen Werte und Überzeugungen, die unser<br />
Land unter ungleich schwierigeren Bedingungen nach dem zweiten<br />
Weltkrieg wirtschaftlich stark gemacht haben.<br />
In dieser Tradition ist es uns beson<strong>der</strong>s wichtig, den Kern <strong>der</strong> Sozialen<br />
Marktwirtschaft gegen alle Wi<strong>der</strong>stände zu verteidigen und erfolgreich<br />
für das Zeitalter <strong>der</strong> Globalisierung zu erneuern.<br />
Wir haben deshalb gerne den Vorschlag unserer Mitglie<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Bundesdelegiertenversammlung<br />
aufgenommen, diesem Anliegen in einer<br />
hochkarätigen Veröffentlichung Nachdruck zu verleihen.<br />
„Was würde Ludwig Erhard heute sagen?“ Unter diesem wegweisenden<br />
Titel gibt <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong> als Aufgalopp pünktlich zur zweiten Hälfte<br />
<strong>der</strong> Legislaturperiode einen Sammelband heraus. Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> bekennt<br />
sich zur Sozialen Marktwirtschaft und zeigt Flagge bei ihrer Weiterentwicklung<br />
im Zeitalter <strong>der</strong> Globalisierung.<br />
In dem Buch melden sich hochrangigste Co-Autoren wie Bundeskanzlerin<br />
Merkel, Bundeskanzler a.D. Schüssel, Kardinal Lehmann, Bundes -<br />
verfassungsrichter Di Fabio, Nikolaus Schweickart, Berthold Leibinger,<br />
Pascal Krimmer und Bernd Raffelhüschen, Michael Hüther und Peter<br />
Gillies zur Erneuerung <strong>der</strong> sozialen Marktwirtschaft zu Wort.<br />
Wir alle können dazu beitragen, dass <strong>der</strong> Band ein Bestseller wird. Lassen<br />
Sie uns auf diese Weise gemeinsam den linken Angriffen auf die<br />
Soziale Marktwirtschaft mutig entgegentreten.<br />
Wir werden nicht nachlassen, Etatdisziplin und ein konjunkturell flexibles<br />
Neuverschuldungsverbot zu for<strong>der</strong>n.<br />
Die Unternehmensteuerreform ist <strong>der</strong> erste Schritt. Wir for<strong>der</strong>n dringend<br />
den zweiten Schritt, um den Anschluss an an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> nicht<br />
zu verlieren.<br />
Die Erbschaftsteuerreform muss kommen – ohne verkappte Steuer -<br />
erhöhung.<br />
Der Arbeitsmarkt muss flexibilisiert werden. Einen flächendeckenden<br />
gesetzlichen Mindestlohn lehnen wir ab.<br />
Klimapolitik muss vom ökologischen Kopf auf die ökonomischen Füße<br />
gestellt werden. Weg vom Kostentreiber, hin zum Innovations motor!<br />
Um Wachstum, Innovationen und Arbeitsplätze zu sichern, haben Inves<br />
titionen in Bildung und Forschung auf allen Ebenen höchste Priorität.<br />
Nur so können wir die Zukunftschancen <strong>der</strong> Menschen för<strong>der</strong>n<br />
und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken.“<br />
Die Erbschaftsteuer-Reform muss noch in diesem<br />
Jahr verabschiedet werden, ist aber Län<strong>der</strong>sache.<br />
Wettbewerb unter den Län<strong>der</strong>n begrüßen<br />
wir.<br />
Der Arbeitsmarkt ist ein Markt –<br />
und keine sozialstaatliche Wellness-<br />
Oase! Auch hier besteht dringen<strong>der</strong><br />
Reformbedarf!<br />
Ein flächendecken<strong>der</strong> gesetzlicher Mindestlohn<br />
ist kein Beitrag zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.<br />
Dies lehnen wir ab!<br />
Wir haben die Wahl: Tarifautonomie o<strong>der</strong> gesetzlicher<br />
Mindestlohn! Beides zusammen geht<br />
nicht! Kein Land <strong>der</strong> Welt hat beides. Lassen wir<br />
es bei <strong>der</strong> Tarifautonomie!<br />
Gesetzliche Mindestlöhne gefährden Arbeitsplätze<br />
und sind daher unsozial. Tarifvertraglich<br />
festgelegte Löhne können nicht sittenwidrig<br />
sein.<br />
Mit dem Modell <strong>der</strong> so genannten „Flexicurity“<br />
ist es Dänemark gelungen, die Arbeitslosenquote<br />
innerhalb <strong>der</strong> letzten zehn Jahre von<br />
zehn auf fünf Prozent zu halbieren.<br />
Der bisher in Deutschland übliche Kombilohn<br />
Arbeitslosengeld II plus Schwarzarbeit gehört<br />
entschieden bekämpft!<br />
Die Bundesagentur für Arbeit in Thüringen hat<br />
kürzlich die arbeitsuchenden Reinigungskräfte<br />
und Bauarbeiter ihrer Sektion zu einer ein -<br />
wöchigen Pflichtveranstaltung eingeladen. Die<br />
Resonanz: Die Hälfte <strong>der</strong> Kandidaten ist erst gar<br />
nicht erschienen – trotz massiver Leistungs -<br />
kürzungen. Was war ihr Problem? Ganz einfach:<br />
Die Pflichtveranstaltung fiel in ihre Kern-<br />
Schwarzarbeits-Zeit von acht bis elf Uhr morgens.<br />
Konsequenz: 50 Prozent <strong>der</strong> Angeschriebenen<br />
haben sich aus <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit abgemeldet!<br />
Der Missbrauch muss beendet werden. Der<br />
Koalitionsvertrag muss eingelöst werden –<br />
auch wenn die SPD heute nichts mehr davon<br />
wissen will.<br />
Effektive Klimaschutzpolitik erfor<strong>der</strong>t<br />
Vernunft und nicht Ideologie!<br />
Nur so kann sie vom Kostentreiber<br />
zum Innovationsmotor werden.<br />
Selbstverständlich können wir Deutschland je<strong>der</strong>zeit<br />
auch zum CO 2-freien Raum erklären –<br />
68 trend III/2007
dann haben wir allerdings bald keine Wirtschaft<br />
mehr.<br />
Richtig ist: Die Umsetzung <strong>der</strong> Klimaschutzziele<br />
wird für Unternehmen und Bürger zur Herkulesaufgabe.<br />
Wir brauchen in <strong>der</strong> EU eine faire<br />
Lastenverteilung!<br />
Herr Gabriel! Wenn dies so weitergeht, sehnen<br />
wir uns nach Herrn Trittin zurück!<br />
Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> setzt sich mit allen Kräften<br />
für mehr Effizienz und ökonomisches Bewusstsein<br />
im Klimaschutz ein. Dies erfor<strong>der</strong>t:<br />
Bisher hat Deutschland allein 75 Prozent <strong>der</strong><br />
CO 2-Reduktion in <strong>der</strong> EU getragen. Dies ist ein<br />
Hauptverdienst <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft. Mit<br />
kostspieligen Alleingängen sind globale Klimaprobleme<br />
nicht lösbar. Die USA, China und Indien<br />
sind zügig in ein globales Klimaschutzabkommen<br />
unter dem Dach <strong>der</strong> Vereinten Nationen<br />
einzubeziehen.<br />
Klimaschutz eröffnet Marktchancen! Deutschland<br />
ist weltweiter Spitzenreiter bei innova -<br />
tiven Umwelttechnologien. Unsere Vorreiterrolle<br />
werden wir nur dann behaupten, wenn<br />
wir den Klimaschutz stärker vom ökologischen<br />
Kopf auf die ökonomischen Füße stellen.<br />
Umso mehr ist es verantwortungslos, was wir<br />
<strong>der</strong>zeit in unserem Land erleben: Ausstieg aus<br />
<strong>der</strong> CO 2-freien Kernenergie, Tempolimit, Sonntagsfahr-<br />
und Glühbirnenverbot, Boykott <strong>der</strong><br />
Ferienflieger – dies ist blin<strong>der</strong> Aktionismus!<br />
Eine konsequente Orientierung an den CO2-<br />
Vermeidungskosten.<br />
Eine Stärkung <strong>der</strong> Energieforschung auf allen<br />
Fel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> CO 2-freien Energieerzeugung.<br />
„Die Sorge um die Erschöpfung <strong>der</strong> Rohstoffreserven ist uralt:<br />
Ich erinnere nur an die berühmte Prognose von Stanley Jevons aus dem Jahre 1864, dass im Jahre 1900 in England die<br />
Kohle ausgehen werde. Seine Hochrechnung für 1964, also für die damals kommenden 100 Jahre besagte, dass die Energienachfrage<br />
in England die Kohle reserven bei weitem übertreffen werde – dabei übersah Jevons an <strong>der</strong>e Energiequellen<br />
wie Öl, Elektrizität, Kernkraft und Gas.<br />
Malthus hatte angesichts einer drohenden Überbevölkerung einen dramatischen Mangel an Agrarprodukten vorhergesagt<br />
– allerdings nicht mit <strong>der</strong> Erfindung <strong>der</strong> Düngemittel gerechnet.<br />
Solange es die Ölindustrie gibt, wurde prognostiziert, dass die Ölvorräte noch 40 Jahre reichen – die erste Prognose<br />
stammt aus dem Jahr 1865. Technische Erschließungsinnovationen und neue Lagerstätten wurden nicht in Betracht gezogen.<br />
Anfang <strong>der</strong> 70er Jahre beschwor <strong>der</strong> Club of Rome die Grenzen des Wachstums. Dabei wurden die Innovationskraft unserer<br />
Wirtschaft und die Stärke <strong>der</strong> Marktmechanismen unterschätzt. Diese haben jedoch in den letzten 15 Jahren zu den<br />
höchsten Wachstumsraten <strong>der</strong> Weltwirtschaft geführt.<br />
Wer ist heute unser Club of Rome und unser Malthus? Derzeit bewerben sich sehr viele um die Nachfolge dieser Herren.<br />
Den Aposteln <strong>der</strong> Klima-Apokalypse rufen wir zu: Seien Sie beschei dener! Wichtig ist die Erkenntnis, dass aus heutiger Sicht<br />
nicht alles gewusst werden kann.<br />
Die Stimmen <strong>der</strong> Weisen, die bekennen, dass sie nicht alles wissen können, werden oft von denen übertönt, die nicht wissen,<br />
dass sie nichts wissen.“<br />
III/2007 trend<br />
69
Ein klares Bekenntnis zur Kernenergie! Lassen<br />
Sie uns den Gewinn aus <strong>der</strong> Laufzeitverlängerung<br />
folgen<strong>der</strong>maßen verteilen: 50 Prozent<br />
setzen die Energie-Unternehmen für<br />
Preissenkungen ein. Die an<strong>der</strong>en 50 Prozent<br />
gehen ausschließlich in Forschung und Entwicklung<br />
neuer CO 2-freier Energiequellen.<br />
Dies ist innovative Energiepolitik! Dann<br />
bringt uns die Kernenergie noch weitere Innovationen.<br />
Die SPD hat dagegen bis heute<br />
kein konsistentes Konzept für eine sichere<br />
und CO 2-arme Energieversorgung.<br />
Nur durch mehr Investitionen in Bildung<br />
und Forschung können die Wett -<br />
bewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Menschen und<br />
nationales Wachstum und Wohlstand<br />
auch in Zukunft gesichert werden.<br />
Für die Zukunft unserer Informationsgesellschaft<br />
ist eines klar: Rauchende Köpfe schaffen<br />
mehr Wohlstand als rauchende Schlote. Die Eliten<br />
und die Masse <strong>der</strong> gut ausgebildeten Menschen<br />
in unserem Land sind die Basis unserer<br />
Zukunft! Anerkennung und För<strong>der</strong>ung von<br />
Spitzenleistungen muss auf allen Ebenen stattfinden:<br />
in <strong>der</strong> betrieblichen Ausbildung, wie im<br />
Hochschulbereich, in <strong>der</strong> Fortbildung und in<br />
<strong>der</strong> Umschulung. Die höchste Leistungsfähigkeit<br />
unseres Bildungssystems ist gefor<strong>der</strong>t!<br />
Rauchende Köpfe schaffen mehr Wohlstand<br />
als rauchende Schlote<br />
Die Fakten sind alarmierend:<br />
Jedem vierten Schüler fehlt die notwendige<br />
Ausbildungsreife.<br />
Zwölf Prozent <strong>der</strong> Hauptschüler verlassen die<br />
Schule ohne Abschluss.<br />
Ein solches Versagen unseres Bildungssystems<br />
ist nicht akzeptabel.<br />
Über 5.000 Deutsche forschen <strong>der</strong>zeit in den<br />
USA – doch die Hälfte <strong>der</strong> akademischen Auswan<strong>der</strong>er<br />
kehrt nicht zurück! Der <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />
hat sich das Thema Hochschulbildung als<br />
Kampagnethema auf die Fahnen geschrieben<br />
und hierbei auch schon Erfolge erzielt:<br />
Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes<br />
Einführung von Studiengebühren<br />
Bei beiden Themen konnten wir unsere Kernfor<strong>der</strong>ungen<br />
durchsetzen. Dies gilt auch für<br />
Forschung und Entwicklung:<br />
Die Ausgaben des Bundes für Forschung und<br />
Entwicklung wurden im vergangenen Jahr<br />
erstmals wie<strong>der</strong> gesteigert!<br />
Das neue Grundsatzprogramm <strong>der</strong> <strong>CDU</strong> legt eine<br />
Steigerung <strong>der</strong> FuE-Gesamtausgaben bis<br />
2015 auf vier Prozent des BIP (von 75 auf über<br />
100 Milliarden Euro) fest.<br />
Die Exzellenzinitiative stellt zusätzliche 1,9<br />
Milliarden € für die Spitzenforschung an<br />
deutschen Hochschulen zur Verfügung.<br />
Wir danken Bundesministerin Schavan für diese<br />
wichtigen Fortschritte.<br />
Deutschland kann sein Wachstums po ten -<br />
zial nur dann voll ausschöpfen, wenn in<br />
Zukunft deutlich mehr inter nationales<br />
Kapital ins Land geleitet wird als bisher.<br />
Jeden Tag gehen 2.000 Milliarden Dollar um die<br />
Welt. Dieses Kapital darf nicht an Deutschland<br />
70 trend III/2007
vorbeifließen. Die SPD hat hingegen eine völlig<br />
verantwortungslose, populistische Debatte<br />
über das angeblich schädliche Treiben von<br />
Finanzinvestoren in unserem Land losgetreten.<br />
Die Wahrheit ist:<br />
In Europa wurden von 2000 bis 2004 eine<br />
Millionen Arbeitsplätze durch Private Equity<br />
geschaffen.<br />
Dazu hat <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong> einen eigenen For<strong>der</strong>ungskatalog<br />
formuliert. Kernfor<strong>der</strong>ungen<br />
sind:<br />
Die Verkleinerung <strong>der</strong> Aufsichtsrats-Größe<br />
auf maximal zwölf Sitze,<br />
In Deutschland wurden seit 1990 fast 1.200<br />
erfolgreiche Buy-Outs durchgeführt – bei nur<br />
zwei Missbrauchsfällen (Quelle BVK).<br />
Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> hat sich deshalb sowohl im<br />
Kanzleramt wie auch gegenüber Bundes -<br />
finanzminister Steinbrück dafür eingesetzt,<br />
beim Private-Equity-Gesetz Tempo zu machen.<br />
Auch das Thema Hedge Fonds ist noch akut:<br />
Viele in <strong>der</strong> SPD wissen offenbar nicht einmal,<br />
was ein Hedge Fonds eigentlich ist und tut.<br />
Weltweit gibt es hiervon etwa 9.000, wobei die<br />
größten 100 circa 80 Prozent des Volumens ausmachen.<br />
Sie stellen dem Kapitalmarkt zusätz -<br />
liche Liquidität zur Verfügung und erfüllen damit<br />
eine wichtige Funktion, die die Banken<br />
nicht mehr leisten wollen o<strong>der</strong> können.<br />
Diese neuen Finanz-Dienstleister sind dringend<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, Transparenz-Richtlinien zu<br />
erarbeiten, umzusetzen und einzuhalten. Der<br />
G8-Gipfel hat hierzu das Notwendige beschlossen!<br />
Für populistische Verteufelungen ist daher<br />
nur bei Ignoranten Platz, nicht bei uns!<br />
Mit dem Corporate-Governance-Kodex zur Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
<strong>der</strong> Unternehmensverfassung<br />
hat Deutschland gute Erfahrung gemacht.<br />
die Reduzierung <strong>der</strong> Parallel-Aufsichtsratsmandate<br />
auf maximal fünf für alle Aufsichtsräte<br />
sowie eine Karenzzeit von mindestens zwei<br />
Jahren beim Wechsel eines ehemaligen Vorstandsvorsitzenden<br />
in den Aufsichtsratsvorsitz.<br />
Finanz-Dienstleister sind aufgefor<strong>der</strong>t,Transparenz-<br />
Richtlinien zu erarbeiten, umzusetzen und einzuhalten<br />
Fakt ist: Wenn es um die Unabhängigkeit <strong>der</strong><br />
Aufsichtsräte geht, ist Deutschland Schlusslicht<br />
in Europa. Und: Wir haben viele Export-Schlager<br />
– die unternehmerische Mitbestimmung<br />
zählt aber ganz sicher nicht dazu.<br />
III/2007 trend<br />
71
Unglaublich viel<br />
Engagement,<br />
Einsatzbereitschaft und<br />
Idealismus in <strong>der</strong> Weite<br />
des Verbandes<br />
Bericht des Generalsekretärs Hans Jochen Henke<br />
Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> ist nicht irgendeine<br />
Organisation, son<strong>der</strong>n in mancherlei<br />
Hinsicht ein Solitär in Deutschlands Verbandslandschaft.<br />
Und wenn wir das mit Begrifflichkeiten<br />
wie „Unternehmen für Unternehmer“,<br />
„Ordnungspolitisches Kompetenzzentrum“<br />
und uns in <strong>der</strong> Umsetzung als „Mitmachorganisation“<br />
verstehen, dann mögen<br />
diese Begriffe schon prägende inhaltliche Vorstellungen<br />
und Strahlkraft in <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />
entfalten.<br />
Als Kompetenzzentrum getragen wird <strong>der</strong><br />
<strong>Wirtschaftsrat</strong> von <strong>der</strong> Erfahrung <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
und <strong>der</strong> Unternehmer. Wenn heute gefragt<br />
wird: Wo ist <strong>der</strong> Sachverstand in <strong>der</strong> Politik<br />
versammelt? In welcher Partei? wird deutlich,<br />
welch hoher Anspruch dem <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />
heute und in Zukunft zufällt.<br />
Wenn von 82 Millionen Menschen in Deutschland<br />
weit mehr als die Hälfte nicht mehr im<br />
aktiven Berufsleben und sozialversicherungs-<br />
72 trend III/2007
pflichtigen Beschäftigungsverhältnissen steht,<br />
kommt <strong>der</strong> kompetenten Min<strong>der</strong>heit eine beson<strong>der</strong>e<br />
Bedeutung zu. Mit ihrem wirtschaft -<br />
lichen Selbstverständnis, ihrem Mut zur Leis -<br />
tung und Risikobereitschaft und ihrem Bekenntnis<br />
zum Standort tragen sie mit gewichtiger<br />
Stimme zur Meinungsbildung und Entscheidungsfindung<br />
wie zur Weiterentwicklung<br />
unseres Welt- und Gesellschaftsbildes bei.<br />
Ein Flaggschiff des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es sind seine<br />
Veranstaltungen und Arbeitskreise. Die strategische<br />
Weiterentwicklung <strong>der</strong> Facharbeit steht<br />
im Vor<strong>der</strong>grund mit dem Ziel, in Zukunft noch<br />
enger mit gleichgelagerten Interessengruppen<br />
Sie engagieren sich für den <strong>Wirtschaftsrat</strong> in<br />
Ehrenämtern und Kommissionen. Wobei die<br />
konzeptionelle Kompetenz unserer Organisa -<br />
tion nicht in erster Linie in <strong>der</strong> Zentrale in Berlin<br />
liegt. Das Herz des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es schlägt<br />
in seinen 15 Landesverbänden und den fast 160<br />
Sektionen draußen im Land.<br />
Wie ließe sich dies eindrucksvoller unterstreichen<br />
als mit <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> Aktivitäten in Form<br />
von rund 1.200 bundesweiten Veranstaltungen<br />
allein im letzten Jahr. Die konzeptionelle Kompetenz<br />
unserer Organisation unterstützen acht<br />
Bundesfachkommissionen, die alle wichtigen<br />
Politikfel<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Steuer- bis hin zur Sozialpolitik<br />
abdecken.<br />
Mehr als 500 hochrangige Unternehmervertreter<br />
diskutieren hier mit Vertretern aus Wissenschaft<br />
und Politik. Aus dieser Arbeit heraus entstehen<br />
neue Initiativen und Ideen für unsere<br />
Kampagnen. Es gibt keinen an<strong>der</strong>en Verband,<br />
<strong>der</strong> horizontal und ver tikal in unserer fö<strong>der</strong>alen<br />
Republik und bis Brüssel in allen politisch<br />
relevanten Themen so kampagnefähig ist wie<br />
<strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong>.<br />
zusammenzuarbeiten und sich noch stärker<br />
am europäischen und internationalen Maßstab<br />
zu orientieren. Entscheidend ist dabei, unsere<br />
Kernkompetenz, die Beratung und Ein fluss -<br />
nahme auf politische Themen auf Bundes- wie<br />
Län<strong>der</strong>ebene noch weiter auszubauen.<br />
Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> hat zum ersten Mal eine<br />
Klausurtagung „Energie- und Klimaschutzpolitik<br />
aus einem Guss – Chancen für Deutschland<br />
III/2007 trend<br />
73
Rosely Schweizer und Nikolaus Schweickart<br />
mit Ludwig-Erhard-Gedenkmünze ausgezeichnet<br />
Auf Beschluss des Präsidiums und des Bundesvorstandes sowie nach Zustimmung durch<br />
die Bundesdelegiertenversammlung wurden die beiden langjährigen Präsidiumsmitglie<strong>der</strong><br />
des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es, Rosely Schweizer und Prof. Dr. mult. Nikolaus Schweickart,<br />
mit <strong>der</strong> Verleihung <strong>der</strong> „Gedenkmünze Ludwig Erhard in Silber“ sowie durch die Ernennung zu<br />
Ehrenmitglie<strong>der</strong>n ausgezeichnet.<br />
Der Präsident des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es, Prof. Dr. Kurt J. Lauk:<br />
„Liebe Rosely Schweizer, lieber Herr Schweickart! Es ist mir eine beson<strong>der</strong>e Ehre und Freude zugleich,<br />
Sie für Ihre großen Verdienste um unseren <strong>Wirtschaftsrat</strong> und die Weiterentwicklung <strong>der</strong><br />
Sozialen Marktwirtschaft zu ehren.<br />
Liebe Rosely Schweizer! Sie waren über acht Jahre, von 1996 bis 2003, Vorsitzende des größten Landesverbandes<br />
des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es Baden-Württemberg und haben seit 1997 die Arbeit im Präsidium<br />
des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es entscheidend mitgestaltet, mit geprägt. Vorbildlich haben Sie gezeigt,<br />
dass sich Unternehmer nicht nur über ihren Betrieb hinaus für das Gemeinwohl engagieren, son<strong>der</strong>n<br />
auch bereit sind, Ihren durch Lebenserfahrung gestützten Rat einzubringen. Herzlichen Dank<br />
dafür. Als Unternehmerin und langjähriges Mitglied des Landtages von Baden-Württemberg sowie<br />
insbeson<strong>der</strong>e in Ihrer Funktion als wirtschaftspolitische Sprecherin <strong>der</strong> <strong>CDU</strong>-Fraktion dort<br />
haben Sie stets beide Seiten im Blick gehabt, die Politik und die Wirtschaft. Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> hat<br />
von diesem beson<strong>der</strong>en Profil, von <strong>der</strong> Untrüglichkeit Ihres persönlichen Urteils und Ihrem hohen<br />
Maße an Zivilcourage stets profitiert. Herzlichen Dank.<br />
Lieber Professor Schweickart, seit Anfang <strong>der</strong> 70er Jahre sind Sie dem <strong>Wirtschaftsrat</strong> verbunden.<br />
Als Unternehmer haben Sie eine von allen Seiten anerkannte große unternehmerische Karriere<br />
gemacht. Als Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Altana AG waren Ihnen die Gesundheitspolitik und die zukunftsfesten<br />
sozialen Sicherungssysteme, die Investitionsfähigkeit Deutschlands und die Corporate<br />
Governance beson<strong>der</strong>s wichtig. Erst vor wenigen Monaten haben Sie vor dem Werteforum des<br />
74 trend III/2007
<strong>Wirtschaftsrat</strong>es vor <strong>der</strong> Fehlentwicklung <strong>der</strong> Sozialen Marktwirtschaft zum vormundschaftlichen<br />
Wohlfahrtsstaat gewarnt. Beson<strong>der</strong>s hat Sie bedrückt, dass die Ausweitung <strong>der</strong> Freiheit von vielen<br />
Bürgern eher als Bedrohung statt als Verheißung begriffen wird.<br />
Seit 1991 waren Sie im Bundesvorstand und haben sich ab 1997 als Präsidiumsmitglied und Vize-<br />
Präsident engagiert. Sie haben trotz Ihres hohen unternehmerischen Einsatzes und Ihres ehrenvollen<br />
Einsatzes, beispielsweise als Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Herbert-Quant-Stiftung, als Präsidiumsmitglied<br />
des Stifterverbandes für die Deutsche Wirtschaft o<strong>der</strong> als Vorsitzen<strong>der</strong> des Kurato riums <strong>der</strong> Stiftung<br />
Marktwirtschaft stets auch die Aufgaben und Ziele des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es mit großem persönlichen<br />
Einsatz geför<strong>der</strong>t. Die loyale, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ihnen als Vize-Präsident<br />
hat mir immer beson<strong>der</strong>en Spaß gemacht. Sie standen immer zur Verfügung, wenn Sie gebraucht<br />
worden sind, und waren immer mit entscheidendem Rat und Tat dabei. Sie haben sich in vorbildlichster<br />
Weise um den <strong>Wirtschaftsrat</strong> verdient gemacht. Herzlichen Dank dafür.“<br />
Rosely Schweizer bedankte sich: „Ich möchte mich bei Ihnen allen ganz herzlich bedanken für diese<br />
Ehre. Für mich ist <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong> nach wie vor die Brücke zwischen Wirtschaft und Politik.<br />
Wir können unsere Gedanken aus <strong>der</strong> Wirtschaft in <strong>der</strong> Politik einbringen und wir<br />
wissen alle, wie nötig das ist. Und wir können auch die Gedanken <strong>der</strong> Politik in die Wirtschaft einbringen.<br />
Lassen Sie uns alle gemeinsam diese Brücke je<strong>der</strong>zeit und intensiv nutzen.“<br />
Nikolaus Schweickart: „Auch ich möchte mich sehr nachdrücklich bedanken für diese ehren-volle<br />
Auszeichnung, auch für die Worte, die Sie gefunden haben. Der Wert einer Laudatio, die Qualität<br />
einer Laudatio erkennt man ja daran, ob sich <strong>der</strong> Gelobte real wie<strong>der</strong>findet. Wenn man mal das<br />
schmückende Beiwerk abstreift, ist es mir tatsächlich so vorgekommen, als habe die Person, die<br />
Herr Lauk beschrieben hat, etwas mit mir, mit meinem realen Engagement für den <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />
zu tun. Insofern ein Lob dem Laudator.<br />
Wenn man diese Medaille in den Händen hält, dann kommt es einem so vor, als würde Ludwig Erhard<br />
einem persönlich die Hand drücken. Und in <strong>der</strong> Tat, ich hatte das große Glück, vor fast 35 Jahren<br />
als junger Assistent in Bonn Ludwig Erhard persönlich begegnet zu sein. Wo? Natürlich im<br />
<strong>Wirtschaftsrat</strong>, an den seinerzeit berühmten Kaminabenden in <strong>der</strong> Ölbergstraße 13. Meine Altersgenossen<br />
werden sich erinnern, was die Ölbergstraße 13 war. Das war <strong>der</strong> frühere Sitz des <strong>Wirtschaftsrat</strong>s<br />
in Bonn. An diesem besagten Abend nahmen neben Ludwig Erhard auch Hans-Martin<br />
Schleyer, Kurt Biedenkopf, Philipp von Bismarck und an<strong>der</strong>e einflussreiche Persönlichkeiten teil.<br />
Es ging um das Thema Mitbestimmung, ein Thema, das mich persönlich über die ganzen mehr als<br />
30 Jahre sowohl in <strong>der</strong> politischen wie auch später in <strong>der</strong> unternehmerischen Sphäre begleitet<br />
hat, beschäftigt hat, bekämpft vom Bundesverfassungsgericht bis hin in <strong>der</strong> politischen Arena.<br />
Auch nun als Lehrer an <strong>der</strong> Hochschule versuche ich meinen Studenten unter dem Stichwort Corporate<br />
Governance das System <strong>der</strong> Marktwirtschaft und den deutschen Son<strong>der</strong>weg <strong>der</strong> Mitbestimmung<br />
zu vermitteln.<br />
Aber nicht nur Mitbestimmung, son<strong>der</strong>n das System <strong>der</strong> Marktwirtschaft hat mich bewegt,<br />
begleitet, engagiert hier im <strong>Wirtschaftsrat</strong> für die Entwicklung und Weiterentwicklung dieses Ordnungsprinzips<br />
zu kämpfen. Bei nüchterner Betrachtung ist in den 30 Jahren durchaus eine gewisse<br />
Erosion des marktwirtschaftlichen Denkens feststellbar. Ich bin deshalb beson<strong>der</strong>s froh, mit Dr.<br />
Eckhard Cordes einen gestandenen Unternehmer, jetzt auch mit einem Familien hintergrund, als<br />
meinen Nachfolger im Präsidium zu sehen. Es ist an <strong>der</strong> Zeit, für diese Wirtschaftsordnung zu<br />
kämpfen. Denn wenn – von Lafontaine über Beck bis hin zu Seehofer – marktwirtschaftliches Denken<br />
als Schimpfwort neoliberal denunziert wird, dann ist es Zeit, dass sich <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong> um<br />
den Kern und das System dieser Marktwirtschaft aktiv einbringt.<br />
Da ich vier Präsidenten und fünf Generalsekretäre erlebt habe, die alle dafür gestanden sind, dass<br />
dieses System den Anfeindungen nicht zum Opfer fällt, bin ich überzeugt, dass dies auch in Zukunft<br />
die richtige Institution sein wird, nach innen in die Partei wie auch nach außen in die Öffentlichkeit<br />
für dieses System zu kämpfen.“<br />
III/2007 trend<br />
75
forum. Verkehr, Mobilität und Logistik sind die<br />
ganz großen Herausfor<strong>der</strong>ungen in Mittel -<br />
europa. Die Logistik ist aufgrund unserer zentralen<br />
geographischen Lage in <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union ein wichtiger Wachstumsmarkt<br />
und Standortfaktor für Deutschland. Unsere<br />
Verkehrsinfrastruktur muss endlich wirtschaftlich,<br />
leistungs- und zukunftsfähig gemacht<br />
werden.<br />
Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> hat sich dazu die Unterstützung<br />
von 20 Verbänden aus Wirtschaft und Politik<br />
gesichert und mit dem ADAC selbst die breiteste<br />
Bewegung zu diesem Thema einbezogen.<br />
und Europa“ in Brüssel durchgeführt. Eine Folgeveranstaltung<br />
wird im Herbst 2007 mit dem<br />
Schwerpunkt Energieeffizienz in Berlin stattfinden.<br />
Eingeladen sind Abgeordnete aus Brüssel<br />
und <strong>der</strong> Bundeshauptstadt ebenso wie <strong>der</strong><br />
breite Sachverstand <strong>der</strong> Wirtschaft und Wissenschaft.<br />
Im Juli wird erstmals <strong>der</strong> vorbereitende<br />
Arbeitskreis tagen und eine sachliche Bewertung<br />
sämtlicher Energietechnologien und<br />
ihrer CO 2-Vermeidungskosten unter dem As -<br />
pekt <strong>der</strong> Effizienzoptimierung anstellen.<br />
Bereits zum dritten Mal veranstaltete unsere<br />
Organisation ein eigenständiges Verkehrs -<br />
Geplant ist darüber hinaus eine Konferenz<br />
“Europäische Verkehrspolitik“ mit dem Bundesverkehrsminister<br />
und dem Vize-Präsidenten<br />
<strong>der</strong> EU-Kommission in Brüssel zum Thema<br />
„Mehr Wettbewerb im Verkehrsbinnenmarkt“.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e sollen die Finanzierung, die Leis -<br />
tungsfähigkeit und die Europafähigkeit <strong>der</strong><br />
Verkehrsinfrastruktur beleuchtet werden.<br />
Wenn wir Brüssel als Tagungsort wählen, dann,<br />
weil wir die EU-Ebene brauchen, um die großen<br />
Probleme in Deutschland voranzubringen.<br />
Die gelungene Auftaktveranstaltung „Kompetenzzentrum<br />
Deutschland“ mit dem Schwerpunkt<br />
Innovation und Bildungspolitik im<br />
Oktober 2006 wird unter <strong>der</strong> weiteren Mitwirkung<br />
von Ministerin Annette Schavan als Innovationskampagne<br />
in diesem Jahr fortgesetzt.<br />
76 trend III/2007
In wenigen Monaten findet unser zweites<br />
Werteforum „Grundwerte und Moral in <strong>der</strong><br />
Globalisierung und Verantwortung <strong>der</strong> Politik“<br />
zusammen mit <strong>der</strong> Konrad-Adenauer-Stiftung<br />
statt – dankenswerterweise künftig unter <strong>der</strong><br />
Fe<strong>der</strong>führung und Verantwortung von Prof. Dr.<br />
mult. Nikolaus Schweickart. Für den <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />
liegt hier eine <strong>der</strong> ganz großen<br />
gesellschaftspolitischen Verantwortungen.<br />
Unsere Organisation muss vor allen Dingen <strong>der</strong><br />
Jugend das Bild <strong>der</strong> Wirtschaft und ihr Ansehen<br />
näherbringen und bei ihr die Faszination für<br />
das Unternehmertum maßgeblich för<strong>der</strong>n und<br />
entwickeln.<br />
In Kürze nimmt die neue Arbeitsgruppe Bürokratieabbau<br />
ihre Arbeit auf: Entscheidend ist<br />
hier <strong>der</strong> strategische Gesamtansatz. Mit Vorschlägen<br />
zu einzelnen Vorschriften und Gesetzen<br />
erreichen wir nichts. Zusammen mit Johannes<br />
Ludewig, <strong>der</strong> den Normenkontrollrat <strong>der</strong><br />
Bundesregierung im Kanzleramt leitet, und<br />
dem früheren Innenstaatssekretär und Ber -<br />
liner Innensenator Eckart Werthebach sowie<br />
<strong>der</strong> uns zugesagten bewährten Unterstützung<br />
durch das Kanzleramt und an<strong>der</strong>e Verbände,<br />
möchten wir dieses Thema nicht mehr aus den<br />
Augen lassen.<br />
Weitere Arbeitskreise hat <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftsrat</strong>, in<br />
dem Verständnis ordnungspolitischer Vordenker<br />
zu sein, zu aktuellen Themen einberufen: zu<br />
einer europa- und wettbewerbsfähigen Steuerpolitik,<br />
für Wettbewerbselemente in unserem<br />
Fö<strong>der</strong>alismus und zur weiteren aktiven Begleitung<br />
<strong>der</strong> Politik im Bereich Telekommunikations-<br />
und Informationstechnologie.<br />
Die Union wird im Dezember auf ihrem Parteitag<br />
in Hannover ihr Grundsatzprogramm beschließen<br />
– nicht nur für die nächste Bundestagswahl,<br />
son<strong>der</strong>n für das nächste Jahrzehnt.<br />
Der Entwurf liegt vor. Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> war<br />
eingeladen, an diesem Programm mitzuwirken.<br />
Als Generalsekretär des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es<br />
hatte ich den Auftrag und die Ehre, den Arbeitskreis<br />
„Verantwortung für Unternehmer“ mit zu<br />
führen.<br />
Mit dem Präsidenten des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es ist es<br />
mir gelungen, erstmals in einem Grundsatzprogramm<br />
die herausragende gesellschaftsund<br />
wirtschaftspolitische Bedeutung <strong>der</strong> Unternehmer<br />
als tragende Säule <strong>der</strong> Sozialen<br />
Marktwirtschaft zu verankern.<br />
III/2007 trend<br />
Wahlen 2007<br />
Präsidium<br />
Prof Dr. Kurt J. Lauk MdEP, President Globe Capital Partners GmbH, wurde<br />
auf <strong>der</strong> Bundesdelegiertenversammlung des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es <strong>der</strong><br />
<strong>CDU</strong> e.V. in seinem Amt bestätigt. Vizepräsidenten sind: Hermann-Josef<br />
Lamberti, Mitglied des Vorstandes Deutsche Bank AG, und Dr. Eckhard<br />
Cordes, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes Franz Haniel & Cie. GmbH, als<br />
Nachfolger von Prof. Dr. h.c. mult. Nikolaus Schweickart, Vorsitzen<strong>der</strong> des<br />
Vorstandes Altana AG. Als Schatzmeister in seinem Amt bestätigt wurde<br />
Dr. Carl Hermann Schleifer, Rechtsanwalt und Staatssekretär a.D.<br />
Paul Bauwens-Adenauer, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, Bauwens<br />
GmbH & Co. KG; Peter E. Eckes, Peter Eckes Vermögensverwaltungs<br />
GmbH; Dr. Hugo Fiege, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, Fiege Gruppe;<br />
Michael Glos MdB, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie;<br />
Astrid Hamker, Geschäftsführende Gesellschafterin, Piepenbrock Unternehmensgruppe<br />
GmbH & Co. KG; Dr. Andreas Mattner MdHB, Geschäftsführer,<br />
ECE Projektmanagement G.m.b.H. & Co. KG; Dr. Michael Meister<br />
MdB, Stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>CDU</strong>/CSU-Fraktion im Deutschen<br />
Bundestag; RA Friedrich Merz MdB, Anwaltssozietät Mayer, Brown,<br />
Rowe & Maw LLP; Dr. Dieter Soltmann, Präsident, Wirtschaftsbeirat <strong>der</strong><br />
Union e.V.; Prof. Hans Helmut Schetter, Mitglied des Vorstandes, Bilfinger<br />
Berger AG; Andreas Trautvetter MdL, Minister für Bau und Verkehr des<br />
Freistaates Thüringen; Matthias Wissmann, Präsident, Verband <strong>der</strong><br />
Auto mo bilindustrie (VDA); Bettina Würth, Vorsitzende des Beirats, Adolf<br />
Würth GmbH & Co. KG.; Dr. Ulrich Zeitel, Geschäftsführer, FORUM Ins titut<br />
für Management GmbH<br />
Bundesvorstand<br />
Neben den Mitglie<strong>der</strong>n des Präsidiums gehören dem Bundesvorstand<br />
an: Werner Michael Bahlsen, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geschäftsführung, Bahlsen<br />
GmbH & Co. KG; Prof. Dr. Ulrich Bittihn, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes,<br />
Volksbank Pa<strong>der</strong>born-Höxter eG; Dr. Jens-Jürgen Böckel, Mitglied <strong>der</strong><br />
Geschäftsleitung Unternehmensgruppe Tengelmann; Dr. Christoph<br />
Matthias Brand, Managing Director, Goldman, Sachs & Co. oHG; Prof. Dr.<br />
Jörg F. Debatin, Ärztlicher Direktor, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes, Uni ver -<br />
sitätsklinikum Hamburg-Eppendorf KdÖR; Reiner Dickmann, Vorsitzen<strong>der</strong><br />
des Aufsichtsrats, PricewaterhouseCoopers AG WPG; Dr. Hanns R.<br />
Glatz, Bevollmächtigter des Vorstandes, DaimlerChrysler AG Repräsentanz<br />
für Europaangelegenheiten; Hans-Ulrich Göhringer, Leiter <strong>der</strong><br />
Nie<strong>der</strong>lassung Thüringen Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG; Chris -<br />
toph Graf von Hardenberg, Corporate Finance; Georg M. Hänsel, Un ter -<br />
nehmerberater, Hänsel CConsult; Hans Jochen Henke, General se kre tär<br />
des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es <strong>der</strong> <strong>CDU</strong> e.V.; Eldach-Christian Herfeldt, Vor sitzen -<br />
<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geschäftsleitung, Region Rheinland/Köln Dresdner Bank AG;<br />
Nils Herrmann, Geschäftsführer, Wiking Helikopter Service GmbH;<br />
Klaus Hofer, Mitglied des Vorstandes, B. Braun Melsungen AG; S.D. Karl-<br />
Friedrich Erbprinz von Hohenzollern, Generalbevollmächtigter, Unter -<br />
nehmensgruppe Fürst von Hohenzollern; Wilhelm Dietrich Karmann,<br />
Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, Wilhelm Karmann GmbH;<br />
Dr. Chris toph von Katte, Rechtsanwalt; Enno von Katte, Direktor Hypo-<br />
Vereinsbank AG; Andreas Kleffel, Mitglied des Regionalvorstandes, Commerzbank<br />
AG; Manfred Krischek, Geschäftsführer, Manesco GmbH;<br />
Fortsetzung: nächste Seite<br />
77
Fortsetzung: Bundesvorstand<br />
Heinz-Jürgen Kronberg, Geschäftsführer, business impuls GmbH; Dierk<br />
Lause, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, HTB Haustechnik GmbH; Matthias<br />
Leutke, Fachanwalt für Steuerrecht, Sozius Dr. Scheffler & Partner;<br />
Dr. Wolf-Dietrich Loose, Vorsitzen<strong>der</strong> des Aufsichtsrates, Schwarz Pharma<br />
AG; Baron Ludolf von Löwenstern, Chairman, CREATIV CONZEPT<br />
HOLDING; Dr. Henneke Lütgerath, Sprecher des Vorstandes, Bankhaus<br />
Löbbecke AG; Dr. Claus-Peter Martens, Partner Murawo Rechtsanwälte<br />
und Notare; Andreas Mau, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, MDS<br />
Möhrle Steuerberatungs GmbH; Prof. Hans-Reiner Meinel, West-Ost<br />
Unternehmensberatung; Hildegard Müller MdB, Staatsministerin im<br />
Bundeskanzleramt; Dr. Jürgen R. Neuhaus, Rechtsanwalt; Dr. Andreas M.<br />
Odefey, Geschäfts führen<strong>der</strong> Gesellschafter, BPE Private Equity G.m.b.H.;<br />
Marc Osterwald, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, geckospezial<br />
GmbH; Elard Raben, Raben'sche Forst- und Gutsverwaltung Palmzin; Dr.<br />
Lutz R. Raettig, Vorsitzen<strong>der</strong> des Aufsichtsrates, Morgan Stanley Bank AG;<br />
Prof. Dr. Heinz Riesenhuber MdB, Bundesminister a.D., <strong>CDU</strong>/CSU-Fraktion<br />
im Deutschen Bundestag; Dr. Hans Christoph von Rohr, Rechtsanwalt;<br />
Dr. André-Michael Schultz, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, Gebrü<strong>der</strong><br />
Krose GmbH & Co. KG;Wolfgang Steiger, Geschäftsführer, S-International<br />
Consulting GmbH; Dorothee Stein-Gehring, Geschäftsführende Ge sell -<br />
schafterin, Gehring GmbH & Co. KG; Matthias Stinnes, Geschäftsführen<strong>der</strong><br />
Gesellschafter, Hugo Stinnes GmbH & Co. KG; Frank Straub, Geschäftsführen<strong>der</strong><br />
Gesellschafter, Blanco GmbH & Co. KG; Johannes-Georg<br />
Voll, Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong>, ADI Innovation AG; Dr. Eberhard Weiers häu -<br />
ser, Treuhän<strong>der</strong>/Geschäftsführer; Dr. Constantin Westphal, Geschäfts -<br />
führer, Deutsche Wohnen AG; Rolf Wirth, Geschäftsführer, GEWIMAR<br />
Consulting Group GmbH; Dr. Andreas Wolf, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter,<br />
Linnig Trucktec GmbH; Thomas Wolff, Geschäftsführen<strong>der</strong><br />
Gesellschafter, wolfcraft GmbH; Dr. Reinhard Christian Zinkann, Geschäftsführen<strong>der</strong><br />
Gesellschafter, Miele & Cie. KG; Dr. Marc Zoellner,<br />
Geschäfts führen<strong>der</strong> Gesellschafter, Accumulatorenwerke Hoppecke,<br />
Carl Zoellner & Sohn GmbH<br />
Ständige Gäste des Juniorenkreises im Bundesvorstand<br />
Paul Jörg Feldhoff, Persönlich haften<strong>der</strong> Gesellschafter, FMS Consulting<br />
Group KG; Bernhard Kirschbaum, Geschäftsführer, Kirschbaum Verlag<br />
GmbH;Timo Kirstein, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, Privatgymna -<br />
sium St. Leon-Rot; René S. Spiegelberger, Anzeigenleiter BTH Heimtex,<br />
SN-Verlag; Stefan Stüdemann, Geschäftsführer, fiveandfriends; Florian<br />
Würzburg, Geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter, Content Unternehmensberatung<br />
GmbH<br />
Hamburger Anträge<br />
Auf Antrag des Landesverbandes Hamburg fasste die Bundesdelegiertenversammlung<br />
zwei Beschlüsse:<br />
Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> soll gemeinsam mit an<strong>der</strong>en thematisch befassten<br />
Wirtschafts- und Unternehmensverbänden einen neuen strategischen<br />
Gesamtansatz für einen beschleunigten Bürokratieabbau ent wickeln.<br />
Präsidium und Bundesvorstand wurden beauftragt, sich bei <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
für eine europafähige Reform des Gesundheitswesens einzusetzen<br />
und frühzeitig vor <strong>der</strong> neuen Legislaturperiode selbst ein überzeugendes<br />
Reformkonzept zu erarbeiten.<br />
In dem Entwurf, <strong>der</strong> jetzt den Gremien <strong>der</strong> Partei<br />
vorliegt, heißt es wörtlich: „Unternehmer<br />
und Unternehmensführer sind mit ihrer Kreativität<br />
und Leistungsbereitschaft eine tragende<br />
Säule <strong>der</strong> Sozialen Marktwirtschaft. Für den<br />
Erfolg unseres Landes ist es wichtig, dass Menschen<br />
bereit sind, ein Unternehmen zu gründen<br />
und Risiken zu unternehmen. Die ganze<br />
Gesellschaft profitiert von Unternehmen, die<br />
produktiv arbeiten und Gewinne erzielen. Das<br />
Streben nach Gewinn dient <strong>der</strong> Sicherung und<br />
Fortentwicklung des Unternehmens und <strong>der</strong><br />
Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben.<br />
Die <strong>CDU</strong> bekennt sich zum freiheitlichen und<br />
sozialverantwortlichen Unternehmertum. Unternehmer<br />
und Unternehmensführer schaffen<br />
zukunftsfeste Arbeitsplätze und prägen auch<br />
mit ihrem Ruf und ihrer kulturellen Identität<br />
das Ansehen Deutschlands in <strong>der</strong> Welt. Unternehmer<br />
brauchen zum erfolgreichen Handeln<br />
Freiräume und geeignete Rahmenbedingungen.<br />
Wer unternehmerisch handelt, übernimmt<br />
Verantwortung. Das gilt für die geschäftlichen<br />
und gesellschaftlichen Beziehungen, gegenüber<br />
Umwelt und zukünftigen Generationen<br />
und ganz unmittelbar gegenüber Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern und ihren Familien.<br />
Dazu gehört auch, dass Unternehmen die<br />
Gleichstellung von Mann und Frau auf allen<br />
Ebenen för<strong>der</strong>n, einschließlich <strong>der</strong> höchsten<br />
Führungspositionen. Weitblickende Unternehmen<br />
wissen, dass dies in ihrem eigenen Interesse<br />
liegt.<br />
Diese Verankerung im <strong>CDU</strong>-Grundsatzprogramm<br />
ist keine Selbstverständlichkeit in dieser<br />
Gesellschaft. Auch für die Union ist es – wie<br />
die Programmarbeit gezeigt hat – geradezu<br />
selbstverständlich, dass Unternehmer einfach<br />
da sind. Und dass es natürlicherweise Freiheit<br />
gibt. Einzig worüber sich die Politik mit <strong>der</strong><br />
Wirtschaft unterhalten müsse – so die Vorstellung<br />
– sei über Gerechtigkeit, Verantwortung<br />
und an<strong>der</strong>e Fragen, die Pflichten des Unternehmers<br />
anlangen.<br />
In dieser mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft muss nach 60<br />
Jahren teils fataler Fehlentwicklungen unserer<br />
Sozialen Marktwirtschaft ein Bewusstseinswandel<br />
einsetzen. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche,<br />
politische, aber auch in überragendem<br />
Maße eine Aufgabe für unsere Organi -<br />
sation.<br />
78 trend III/2007
Vor diesem Hintergrund sind im neuen <strong>CDU</strong>-<br />
Grundsatzprogramm positive und wegweisende<br />
Strukturen deutlich erkennbar. Deutlich in<br />
den Vor<strong>der</strong>grund gerückt ist die Freiheit, die<br />
Leistungsbereitschaft, die Verantwortung des<br />
Einzelnen sowie die Subsidiarität des Staates.<br />
Mit diesem Programm – das an manchen Stellen<br />
sicherlich weiter zu konkretisieren ist –<br />
zeigt sich eine erfreulich nahe Orientierung an<br />
den Leipziger Beschlüssen und damit eine<br />
deutliche Profilschärfung in <strong>der</strong> von uns vertretenen<br />
Richtung.<br />
Wer behauptet, dass die beiden großen Volksparteien<br />
SPD und <strong>CDU</strong> gleiche Programme hätten,<br />
<strong>der</strong> hat sie nicht gelesen. Die SPD und ihr<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> sprechen nach wie vor von demokratischem<br />
Sozialismus. Dahinter steckt ein autoritäres<br />
Staatsverständnis, während die Union,<br />
basierend auf dem christlichen Menschenbild,<br />
die Freiheit und die Selbstverantwortung<br />
des Menschen – und damit auch die des Unternehmers<br />
– in den Vor<strong>der</strong>grund stellt. Die SPD<br />
hingegen bekennt sich zum vorsorgenden<br />
Sozialstaat, während die Union auf die kapitalgedeckte<br />
Sozialversicherung, Eigenverantwortung<br />
und Leistungsanreize setzt.<br />
Unserer Verband versteht sich als aktive Mitmachorganisation<br />
und möchte seine Mitglie<strong>der</strong><br />
einladen mitzumachen. Wir müssen unsere<br />
Ziele leben, unseren Einfluss multiplizieren<br />
und auf allen Ebenen optimieren. Der <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />
versteht sich als lernende Organisation.<br />
Es gibt in <strong>der</strong> Weite des <strong>Wirtschaftsrat</strong>es<br />
unglaublich viel Engagement, Einsatzbereitschaft<br />
und Idealismus. Und viele positive Beispiele,<br />
wie aktiv diese Organisation – in ganz<br />
unterschiedlicher Form – Inhalte lebt.<br />
In Zukunft wollen wir dies noch transparenter<br />
machen und auch wie<strong>der</strong> Sektionssprecherkonferenzen<br />
veranstalten, bei denen <strong>der</strong> Austausch<br />
nach Benchmark- und Best-Practice-<br />
Strukturen in den Mittelpunkt gerückt wird,<br />
um voneinan<strong>der</strong> zu lernen.<br />
III/2007 trend<br />
79
Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> lebt, wie wir es in unserem<br />
Leitbild festgeschrieben haben, vor Ort in seinen<br />
Landesverbänden und Sektionen und<br />
durch sein engagiertes Ehrenamt. Er lebt aber<br />
auch von den Gästen und Beteiligten, die wir in<br />
unsere Facharbeit einbeziehen. Wir erleben,<br />
um unseren Wirkungsgrad weiter zu verbessern.<br />
Umgekehrt sind wir dafür offen, dass Experten<br />
aus den Bundesfachkommissionen in die Landesverbände<br />
gehen. Die Landesfachkommissionen<br />
sind in ihrer Funktion in engem Austausch<br />
mit <strong>der</strong> Bundesebene ein wichtiges Scharnier.<br />
Einen neuen Schwerpunkt sollen Metropol -<br />
regionen bilden. Auf <strong>der</strong> europäischen Ebene<br />
werden Räume nicht mehr nach traditionellen<br />
Landes- o<strong>der</strong> Län<strong>der</strong>grenzen gebietsscharf abgegrenzt,<br />
son<strong>der</strong>n nach Wirtschaftsräumen.<br />
Die Bundesrepublik versteht sich als ein Raum<br />
mit elf Metropolregionen. Der <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />
will, orientiert an den Metropolregionen, auch<br />
landesverbandsübergreifende Schwerpunkte<br />
setzen.<br />
dass sich viele Unternehmerpersönlichkeiten<br />
aktiv einbringen möchten. Deshalb sind wir dazu<br />
übergegangen, zu vielen in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
geschlossenen Kreisen – Fachgremien und<br />
Kommissionen auf Bundesebene – kompetente<br />
Gäs te aus den Landesfachkommissionen,<br />
Landesvorständen und dem Kreis <strong>der</strong> Sektionssprecher<br />
zu bestimmten Themen einzuladen,<br />
So veranstalteten die norddeutschen Landesverbände<br />
2006 unter Fe<strong>der</strong>führung des Landesverbandes<br />
Hamburg den ersten Norddeutschen<br />
Wirtschaftstag. Eine Folgeveranstaltung<br />
ist 2008 in Hannover geplant. Ein erster mitteldeutscher<br />
Wirtschaftstag wird noch in diesem<br />
September stattfinden. Wir glauben, dass das<br />
<strong>der</strong> Wahrnehmung und <strong>der</strong> Schwerpunkt -<br />
bildung und dem Zusammenwirken unserer<br />
Organisation dient.<br />
Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> macht mit vielen Veranstaltungsformen<br />
sehr positive Erfahrungen. Etwa<br />
mit dem großen, immer wie<strong>der</strong>kehrenden<br />
80 trend III/2007
Haupt stadtfrühstück im Reichstag in Berlin,<br />
auf dem Unternehmer mit führenden poli -<br />
tischen Persönlichkeiten aus allen politischen<br />
La gern, mit Ausnahme <strong>der</strong> Linken, diskutieren.<br />
O<strong>der</strong> mit Kamingesprächen traditionell in Hamburg,<br />
Bremen, dem Saarland und Sachsen-<br />
Anhalt.<br />
seiner neuen Mannschaft im Bundesvorstand<br />
eine überzeugende Garde junger Nachwuchsunternehmer<br />
zusammengestellt, in die wir<br />
große Hoffnung setzen. Wenn es dem <strong>Wirtschaftsrat</strong><br />
gelingt, mit <strong>der</strong> gleichen Begeisterung<br />
wie in <strong>der</strong> Vergangenheit Deutschlands<br />
Für junge Abgeordnete aus dem Bundestag<br />
und dem Europaparlament veranstalten wir<br />
ein Europa-Dinner zusammen mit Unternehmerpersönlichkeiten.<br />
Dies ist eine wichtige<br />
Plattform, auf <strong>der</strong> junge Abgeordnete enger<br />
und vertraulich mit <strong>der</strong> Wirtschaft zusammengeführt<br />
werden. Den Vorsitz hatte in diesem<br />
Jahr Matthias Wissmann MdB inne – jetzt hat<br />
ihn dankenswerterweise Dr. Norbert Röttgen<br />
MdB übernommen.<br />
Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> kann sich durchaus vorstellen,<br />
neben <strong>der</strong> Sektion New York weitere unselbstständige<br />
Glie<strong>der</strong>ungen – immer angebunden<br />
an unsere Satzung und Organisation –<br />
auch in an<strong>der</strong>en Kapitalen Europas zu gründen.<br />
Die satzungsmäßigen Vorkehrungen dafür<br />
sind auf <strong>der</strong> letzten Bundesdelegierten -<br />
versammlung getroffen worden.<br />
Der <strong>Wirtschaftsrat</strong> ist kompetenter Partner für<br />
junge Leistungsträger: Unsere Juniorenkreise<br />
sind dabei, sich neu zu orientieren, kompetente<br />
inhaltliche Schwerpunkte zu bilden. Sie haben<br />
mit einer Neuaufstellung in <strong>der</strong> Führung<br />
unter dem Vorsitzenden Paul Jörg Feldhoff und<br />
Zukunft mitzugestalten, können wir viel bewirken.<br />
Die Chancen in unserem Land, unserer Gesellschaft<br />
sind trotz aller Schwierigkeiten so<br />
groß wie nie.<br />
Dieser <strong>Wirtschaftsrat</strong> wird gebraucht wie nie.<br />
Wenn wir zusammenstehen – das müssen wir<br />
wollen – dann schaffen wir noch vieles.<br />
III/2007 trend<br />
81
Podium I<br />
50 Jahre Europäische<br />
Integration – Stillstand<br />
o<strong>der</strong> Durchbruch?<br />
Lars Bosse<br />
Lars Bosse, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied<br />
<strong>der</strong> Deutsch-Polnischen Indus -<br />
trie- und Handelskammer, betonte, dass<br />
Polen zu den größten Befürwortern <strong>der</strong> europäischen<br />
Erweiterung gehöre. Dies manifestiere<br />
sich etwa in <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> Ukraine<br />
durch die polnische Regierung und die Aufgeschlossenheit<br />
<strong>der</strong> polnischen Bevölkerung gegenüber<br />
<strong>der</strong> Türkei. Der Weg Polens in die EU<br />
habe viel zur Verbesserung <strong>der</strong> Beziehungen zu<br />
Deutschland beigetragen, betone Bosse. „Der<br />
damalige Bundeskanzler Helmut Kohl war Polens<br />
größter und am Ende erfolgreicher Mäzen.“<br />
Seit <strong>der</strong> Vollmitgliedschaft Polens im Mai<br />
2004 steige <strong>der</strong> EU-Optimismus. Nach einer<br />
Umfrage seien 73 Prozent <strong>der</strong> Polen zufrieden<br />
mit <strong>der</strong> Mitgliedschaft, 22 Prozentpunkte mehr<br />
als noch vor drei Jahren. Der EU-Beitritt sei ein<br />
wichtiger Impuls für die Wirtschaft Polens gewesen,<br />
betonte das Vorstandsmitglied <strong>der</strong> Polnischen<br />
Industrie- und Handelskammer. „Trotz<br />
aller positiver Effekte gibt es aber auch Konfliktpunkte<br />
– <strong>der</strong> Irak-Krieg, die geplante Ostsee-Pipeline,<br />
das Raketenabwehrsystem und<br />
nicht zuletzt die Europäische Verfassung führen<br />
zu Scharmützeln, wobei diese meistens auf<br />
Regierungsebene auftreten und nicht unbedingt<br />
die Einstellung des Normalbürgers wie<strong>der</strong>geben“,<br />
sagte Bosse. So seien zum Beispiel<br />
63 Prozent <strong>der</strong> Polen für die Ratifizierung des<br />
Europavertrags. „Wie<strong>der</strong> einmal erweist sich<br />
Deutschland als <strong>der</strong> Fels in <strong>der</strong> Brandung: Trotz<br />
Spannungen in den bilateralen Beziehungen<br />
werden die Bemühungen von Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel von <strong>der</strong> polnischen Bevölkerung<br />
sehr hoch angesehen“, sagte Bosse.<br />
Elmar Brok MdEP sagte, es gebe gute Chancen<br />
für einen erfolgreichen Abschluss des europäischen<br />
Verfassungsprozesses. „Wir haben im letzten<br />
Jahr – insbeson<strong>der</strong>e bei den Regierungen –<br />
ein zunehmendes Bewusstsein dafür bekommen,<br />
dass wir zu einem Erfolg kommen müssen<br />
– weil die Erkenntnis vorhanden ist, dass die<br />
82 trend III/2007
Podium I<br />
In das Thema: „50 Jahre Europäische Integration – Stillstand<br />
o<strong>der</strong> Durchbruch“ führten ein: Dr. Werner Langen<br />
MdEP, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>CDU</strong>/CSU-Gruppe im Euro -<br />
päischen Parlament und Peter Sutherland, Chairman BP<br />
plc und Goldmann Sachs International.<br />
Unter <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation von Dr. Michael Inacker, stell -<br />
vertreten<strong>der</strong> Chefredakteur Wirt schaftswoche, diskutier -<br />
ten: Lars Bosse, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied<br />
<strong>der</strong> Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer;<br />
Elmar Brok, MdEP; Prof. Dr. Dr. h.c. Ingolf Pernice, Geschäftsführen<strong>der</strong><br />
Direktor des Walter Hallstein Instituts<br />
für Europäisches Verfassungsrecht <strong>der</strong> Humboldt-Universität<br />
zu Berlin; Eggert Voscherau, Stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitzen<strong>der</strong><br />
des Vorstands <strong>der</strong> BASF AG; Dr. Joachim Wuermeling,<br />
Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft<br />
und Technologie.<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen so sind, dass wir ohne eine<br />
Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Rechtsgrundlagen und eine<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Entscheidungsmechanismen<br />
dies nicht bewältigen können“, sagte Brok. „Und<br />
wir sehen auch, dass wir die Legitimation von<br />
unseren Bürgern nicht bekommen, wenn wir<br />
nicht auch Werteentscheidungen haben, die etwas<br />
mit <strong>der</strong> Charta <strong>der</strong> Grundrechte zu tun haben.“<br />
Der Europaparlamentarier erklärte, dies<br />
zeigten auch die Umfragen. In den Nie<strong>der</strong>landen<br />
seien inzwischen 56 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
für die Verfassung. In Polen seien es 65 Prozent.<br />
„Das einzige Land, in dem wir noch negative<br />
Zahlen haben, ist Großbritannien“, so Brok.<br />
„Es zeigt sich, dass es eine gewisse Erfahrung gegeben<br />
hat – und dass es eine Antwort auf ein<br />
Nein geben muss.“ Nahezu alle Regierungen<br />
hätten konstruktive Beiträge dafür geleistet. Je<br />
reduzierter die Themen seien, desto besser. Brok<br />
warnte in diesem Zusammenhang indes vor einem<br />
Europa <strong>der</strong> zwei Geschwindigkeiten. „Das<br />
können wir Deutschen nicht wollen. Ich glaube,<br />
dass wir mit aller Geduld daran arbeiten müssen,<br />
dass wir über die europäische Einigung und<br />
das Verständnis, was wir darüber gegenseitig<br />
finden, mit Polen dasselbe Wun<strong>der</strong> zuwege<br />
bringen wie es mit Frankreich gelungen ist.“<br />
ein Angriff auf den sozialen Zusammenhalt,<br />
wenn man seine Chancen und Möglichkeiten<br />
aktiver Gestaltung nicht nutze. Pernice erinnerte<br />
an Walter Hallstein. Dieser habe gesagt: „Wer<br />
in europäischen Dingen nicht an Wun<strong>der</strong><br />
glaubt, ist kein Realist.“ Pernice betonte, dass es<br />
keine Alternative zur europäischen Integration<br />
gebe. „Wer heute den Prozess <strong>der</strong> schrittweisen<br />
Verfassung Europas als supranationaler Union<br />
hintertreibt, wendet sich gegen das bislang einzige<br />
tragfähige Konzept dauerhafter Sicherung<br />
von Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa<br />
– und vielleicht weltweit“, betonte Pernice.<br />
Das westfälische Modell <strong>der</strong> völkerrechtlichen<br />
Kooperation und Koordination souveräner<br />
Nationalstaaten habe hingegen als Friedensmodell<br />
versagt. Das zeige die europäische Geschichte<br />
bis 1945. „Ein Durchbruch zu einem<br />
demokratischer, bürgernäher und effizienter<br />
verfassten Europa schaffe die Strukturen, die<br />
Kraft, aber auch die Glaubwürdigkeit, die nötig<br />
sind, um unsere gemeinsamen Werte weltweit<br />
wirksam zu vertreten“, sagte Pernice. Die Welt<br />
warte gespannt, ob Europa den Durchbruch<br />
schaffe. „Es liegt an uns.“<br />
Dass <strong>der</strong> Vertrag über eine Verfassung für<br />
Europa im Oktober 2004 von allen Mitgliedstaaten<br />
unterzeichnet und bis heute von mehr<br />
als 18 Mitgliedstaaten angenommen wurde, sei<br />
bereits ein Durchbruch gewesen, betonte Pernice.<br />
Seine Ablehnung durch die Referenden in<br />
Frankreich und den Nie<strong>der</strong>landen könne man<br />
auch als Chance begreifen: „Sie hat zu einem<br />
intensiven europaweiten Diskurs geführt, zu<br />
einer Vergewisserung darüber, was uns an und<br />
in <strong>der</strong> EU wichtig ist und was nicht.“ Erst mit<br />
<strong>der</strong> Krise erlange ein politisches Projekt Aufmerksamkeit.<br />
„Europa wird zur Sache <strong>der</strong> Bürger,<br />
mit allen Risiken und Nebenwirkungen.“<br />
Elmar Brok MdEP<br />
Prof. Dr. Dr. h.c.<br />
Ingolf Pernice<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Ingolf Pernice, Geschäftsführen<strong>der</strong><br />
Direktor des Walter Hallstein-Instituts für<br />
Europäisches Verfassungsrecht <strong>der</strong> Humboldt-<br />
Universität zu Berlin, erklärte, für einen neuen<br />
Nationalismus und die damit begründete Gefahr<br />
für die Globalisierung biete die EU ein Gegenmodell:<br />
„Die Integration unter <strong>der</strong> Herrschaft<br />
des Rechts, Solidarität zwischen Menschen<br />
und Völkern, proaktive Steuerung und<br />
Gestaltung <strong>der</strong> Globalisierung im Rahmen eines<br />
rechtlich verfassten globalen Mehrebenensystems.“<br />
Die globale Wirtschaft sei nur dann<br />
III/2007 trend<br />
83
Werner Langen MdEP<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>CDU</strong>/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament<br />
wirklich angetreten worden“, kritisierte Langen.<br />
Langen führte weiter aus, Angela Merkel<br />
habe mit ihrer Formel „3 mal 20“ bei <strong>der</strong> Klimapolitik<br />
einen Durchbruch erzielt. „Weil es<br />
erstmals gelungen ist, alle Europäer auf diese<br />
Ziele zu verpflichten. Das ist erstmals gelungen,<br />
obwohl vorher Frankreich nicht damit<br />
einverstanden war“, bemerkte Langen. „Das<br />
haben sogar ganz erfolgreiche frühere Bundeskanzler<br />
– welcher Couleur auch immer –<br />
nicht geschafft, einen Vorschlag auf dem Gipfel<br />
mehrheitsfähig zu machen, <strong>der</strong> nicht im<br />
Vorfeld mit den Franzosen abgestimmt war.“<br />
Werner Langen sagte, in den zurückliegenden<br />
50 Jahren habe Europa immer dann Fortschritte<br />
erlebt, wenn <strong>der</strong> deutsch-französische<br />
Motor <strong>der</strong> Antrieb für europäische Integrationsfortschritte<br />
gewesen sei. Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel habe erfolgreiche Politik<br />
in Europa praktiziert. „Sie hat Deutschland<br />
wie<strong>der</strong> in das Zentrum <strong>der</strong> europäischen<br />
Politik zurückgebracht. Die Tatsache, dass die<br />
Regierung vorher die Achse Berlin, Paris und<br />
Moskau stärker gepflegt hat als die innereuropäische<br />
Zusammenarbeit, hat zu erheb -<br />
lichen Vorbehalten bei den neuen Mitgliedstaaten<br />
geführt“, sagte Langen. „Das ist zum<br />
Glück überwunden.“ Europa könne nun mit<br />
neuem deutsch-französischen Schwung in<br />
die nächste Periode gehen.<br />
Europa als größte Handelsmacht <strong>der</strong> Welt<br />
müsse zunehmend sicherheits-, verteidigungs-<br />
und außenpolitische Verantwortung<br />
geschlossen wahrnehmen. Langen sagte, er<br />
habe den Eindruck, dass <strong>der</strong> Lissabon-Prozess,<br />
also Europa zur wettbewerbsfähigsten wissensorientierten<br />
Region <strong>der</strong> Welt zu machen,<br />
noch nicht beson<strong>der</strong>s weit fortgeschritten sei.<br />
„Weil die nationalen Egoismen uns immer<br />
wie<strong>der</strong> bremsen“, erklärte <strong>der</strong> Europaparlamentarier.<br />
„Man hat die Ziele umformuliert,<br />
ohne die Ergebnisse zu verbessern. Lissabon<br />
war ein großes Ziel bis 2010. Der Koffer ist so<br />
langsam gepackt, aber die Reise ist noch nicht<br />
Doch nichtsdestotrotz stehe die Bewährungsprobe<br />
noch aus. Schwierige Fragen blieben zu<br />
beantworten. „Wer übernimmt welche Verantwortung?<br />
Wo werden Windenergie und<br />
Sonnenenergie produziert? Wer reduziert CO 2<br />
in welchem Ausmaß?“, fragte Langen. Das<br />
gegenwärtige Konzept des Emissionshandels<br />
sei deshalb zum Scheitern verurteilt, weil die<br />
Nationalstaaten für die Reduktion verantwortlich<br />
seien, sagte <strong>der</strong> Unionspolitiker. Die<br />
Nationalstaaten würden versuchen, ihre Industrien<br />
zu schützen. „Der Erfolg liegt auf<br />
dem Tisch. Es ist bisher ein Misserfolg. Erst<br />
wenn es eine sektorbezogene Verpflichtung<br />
gibt, das ist meine Überzeugung, die den<br />
Wettbewerb zwischen den Unternehmen in<br />
Europa nicht verzerrt und die Staaten nicht in<br />
die Notwendigkeit bringt, ihre eigenen Unternehmen<br />
zu schützen, dann werden wir auch<br />
auf diesem Gebiet durchgreifend Erfolg haben“,<br />
prophezeit Langen.<br />
Er kritisierte ferner, die Vollendung des Binnenmarktes<br />
stocke sehr. „Wenn ich an die Reform<br />
<strong>der</strong> Postdienste denke, da gibt es ein Hin<br />
und Her“, kritisierte Langen. „Seit 1994 bin ich<br />
im Europäischen Parlament. Wenn wir über<br />
Wettbewerb reden, stelle ich fest, dass Wettbewerb<br />
immer unbeliebter wird. Wettbewerb ja,<br />
theoretisch in Riesenerklärungen – aber sobald<br />
es an eine wirkliche Wettbewerbsrahmenordnung<br />
geht, dann fallen jedem immer<br />
wie<strong>der</strong> Argumente für die Sicherung eigener<br />
Privilegien ein. Der Wettbewerb wird proklamiert,<br />
ist aber ein ungeliebtes Kind des europäischen<br />
Einigungsprozesses“, bemängelte<br />
<strong>der</strong> Vorsitzende <strong>der</strong> <strong>CDU</strong>/CSU-Gruppe im Europäischen<br />
Parlament. Die Wettbewerbsidee<br />
84 trend III/2007
sei indes keine neue Erfindung in Europa, son<strong>der</strong>n<br />
das konstituierende Element <strong>der</strong> Römischen<br />
Verträge. „Zwar hat Ludwig Erhard auch<br />
die erste Getreidemarktordnung 1963 unterschrieben<br />
– aber es war ein deutsches Anliegen<br />
neben dem französischen Anliegen <strong>der</strong> Agrarpolitik,<br />
die Wettbewerbspolitik durchzusetzen.<br />
Und die passt nicht jedem“, sagte Langen.<br />
Bei <strong>der</strong> Liberalisierung <strong>der</strong> Energiemärkte<br />
komme die EU ebenfalls nur sehr langsam voran.<br />
„Und <strong>der</strong> Enthusiasmus, sich für den globalen<br />
Wettbewerb fit zu machen, indem wir<br />
Strukturen verän<strong>der</strong>n, dieser europäische Enthusiasmus<br />
hat in den letzten Jahren stark,<br />
stark gelitten. Das macht mir persönlich etwas<br />
Sorge.“ Ferner bereite ihm, Langen, Sorge, dass<br />
die Zustimmung <strong>der</strong> Bürger zum europäischen<br />
Projekt gesunken sei. Die Zustimmung<br />
<strong>der</strong> Bürger sei vor 50 Jahren kein Problem gewesen.<br />
„Da musste man nur auf die Friedhöfe<br />
und die Soldatenfriedhöfe in Europa gehen. Da<br />
wusste je<strong>der</strong>, warum Europa notwendig ist“,<br />
erinnerte Langen. „Heute brauchen wir eine<br />
neue Begründung in den Köpfen und Herzen<br />
<strong>der</strong> Menschen. Wir müssen den Menschen sagen:<br />
Wo ist <strong>der</strong> Mehrwert von Europa, außer<br />
<strong>der</strong> Friedenssicherung und außer <strong>der</strong> Wohlstandssicherung?“<br />
Den Bürgern müsse erklärt<br />
werden, warum Europa notwendig ist und<br />
warum Renationalisierung und Protektionismus<br />
die falschen Antworten auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Zukunft sind.<br />
„Diese Neubegründung in den Köpfen und<br />
Herzen <strong>der</strong> Menschen ist eines <strong>der</strong> wichtigs -<br />
ten Ziele – auch für die Mitglie<strong>der</strong> des Europäischen<br />
Parlaments“, betonte Langen. „Wir<br />
brauchen mehr Demokratie. Das Europäische<br />
Parlament ist <strong>der</strong> geeignete Ort, um die demokratische<br />
Kontrolle auszuüben“, sagte Langen.<br />
Europa werde indes nur Fortschritte erreichen,<br />
wenn es wirtschaftlich erfolgreich sei.<br />
„Das ist eine Voraussetzung.“ Ohne wirtschaftlichen<br />
Erfolg werde das europäische<br />
Modell gefährdet. „Ich bin davon überzeugt,<br />
Europa kann in den nächsten Jahren den<br />
Durchbruch schaffen, wenn wir uns an marktwirtschaftliche<br />
Grundsätze und an gemein -<br />
same Überzeugungen halten“, sagte Langen.<br />
Eggert Voscherau, stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitzen<strong>der</strong><br />
des Vorstands <strong>der</strong> BASF AG, machte deutlich,<br />
dass das Europa des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts vor<br />
historischen Herausfor<strong>der</strong>ungen stehe. Diese<br />
seien selbst mit den umfassenden Stichworten<br />
Erweiterung, Globalisierung, Migration o<strong>der</strong><br />
Wohlstandssicherung nur annähernd umrissen.<br />
„Ich will, dass Europa diese Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
erfolgreich meistert – und ich will vor allem<br />
auch, dass wir aufhören, diese Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
nur als Risiken zu diskutieren. Ich will, dass<br />
wir mehr die Chancen sehen und auch darüber<br />
reden“, sagte Voscherau. Über Eu ropa müsse<br />
man strategisch nachdenken. „Die Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Produktion von Industriegütern wird auf<br />
diesem Kontinent langfristig durch eine Reihe<br />
von Faktoren begrenzt, woraus abnehmende<br />
Wachstumspotenziale für uns als Zulieferer<br />
resultieren“, erklärte <strong>der</strong> BASF-Vorstand.<br />
III/2007 trend<br />
Für Deutschland gelte, dass die staatliche Kraft<br />
nicht mehr ausreiche für alle Leistungen und<br />
Aufgaben, die in <strong>der</strong> Vergangenheit selbstverständlich<br />
erschienen seien. Es müsse darum vor<br />
allem um strukturelle Reformen des ganzen<br />
Landes gehen. Ferner müsse es gelingen, die<br />
Ziele Klimaschutz und Energieversorgung global<br />
und balanciert zu erreichen. „In einer Balance,<br />
die alle drei Dimensionen beinhaltet, nämlich<br />
Verfügbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit“,<br />
sagte Voscherau.<br />
„Klimaschutz entscheidet sich mit uns Deutschen,<br />
aber nicht isoliert durch o<strong>der</strong> in Deutschland.“<br />
Erfolgreich sei ein Europa, das funktionierende,<br />
demokratische und damit handlungsfähige Institutionen<br />
habe, das äußeren und inneren<br />
Frieden und Stabilität sichere, das zum ökonomischen<br />
und damit auch sozialen und ökologischen<br />
Wohlstand seiner Bürger beitrage – „und<br />
das es damit letztlich schafft, dass die Europäer<br />
sich mit Europa identifizieren.“ Dieses Paket<br />
sei eine ambitionierte Pflicht für Europa. „Ich<br />
sehe als Kür aber noch zwei weitere Aufgaben:<br />
Das Nord-Süd-Problem ist konsequent – das<br />
heißt in <strong>der</strong> Entwicklungs- und in <strong>der</strong> Handelspolitik<br />
– anzugehen. Und Europa hat einen subs<br />
tanziellen Beitrag dazu zu leisten, den Weltfrieden<br />
zu sichern.“<br />
Dr. Joachim Wuermeling, Staatssekretär im<br />
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie,<br />
sagte, Europa könne stolz auf das sein,<br />
was es bislang erreicht habe. Europa stehe in-<br />
Eggert Voscherau<br />
Dr.<br />
Joachim Wuermeling<br />
85
des auch vor fundamentalen Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />
„Wir sehen uns heute im Zuge <strong>der</strong> Globalisierung<br />
ganz neuen Realitäten gegenüber.<br />
Europa muss hierfür fit gemacht werden“, for<strong>der</strong>te<br />
Wuermeling. Bürgerinnen und Bürger erwarteten<br />
zu Recht Antworten darauf, wie die<br />
EU den Herausfor<strong>der</strong>ungen begegne. „Nur<br />
Europa kann die Globalisierung gestalten. An<strong>der</strong>s<br />
als je<strong>der</strong> einzelne Mitgliedstaat ist die EU<br />
als Global Player hierzu in <strong>der</strong> Lage“, unterstrich<br />
<strong>der</strong> Staatssekretär. Europa werde sein Gewicht<br />
nur dann zur Geltung bringen, wenn es wirtschaftlich<br />
stark und dynamisch sei. Der Binnenmarkt<br />
sei Garant für Wachstum und Wohlstand.<br />
Auch die Herausfor<strong>der</strong>ungen in den<br />
Bereichen Energie und Klimaschutz müssten<br />
die Staaten Europas gemeinsam angehen: „Das<br />
Europa <strong>der</strong> Zukunft ist stark und schlank. Es<br />
zeigt ein humanes Gesicht in Zeiten <strong>der</strong> Glo -<br />
balisierung. Europa vertritt mit Erfolg die<br />
europäischen Interessen in <strong>der</strong> Welt“, erklärte<br />
Wuermeling.<br />
Peter Sutherland<br />
Chairman BP plc und Goldman Sachs International<br />
„Grundlegende institutionelle Strukturen<br />
können zum Beispiel nicht mit einem Europa<br />
<strong>der</strong> zwei Geschwindigkeiten reformiert werden“,<br />
sagte Sutherland. Als Beispiel nannte <strong>der</strong><br />
BP-Chairman Budgetfragen und gemeinsame<br />
Politikfel<strong>der</strong> wie die Agrarpolitik. „Auf diesen<br />
Themenfel<strong>der</strong>n müssen die Län<strong>der</strong> Europas<br />
zusammenrücken.“ Außerdem könne die große<br />
Mehrheit <strong>der</strong> europäischen Län<strong>der</strong> nicht<br />
tatenlos dabei zusehen, wie wichtige politische<br />
Fragen etwa in den Bereichen Außenpolitik,<br />
innere Sicherheit und Justiz durch eine<br />
Kooperation einzelner Regierungen zustandekämen.<br />
„Die Methode, die uns zum Erfolg gebracht<br />
hat, wie zum Beispiel beim gemeinsamen<br />
Binnenmarkt und dem Euro, ist die supranationale<br />
Herangehensweise. Hier können<br />
gemeinsame Institutionen, insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Europäische Kommission, die politischen Entscheidungen<br />
vorbereiten, die vom Ministerrat<br />
und vom Europäischen Parlament angenommen<br />
werden“, hob Suther land hervor. Wo es<br />
möglich sei, sollten auch solche politischen<br />
Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip<br />
getroffen werden. „Nicht funktioniert hat hingegen<br />
die traditionelle Kommunikation zwischen<br />
den europäischen Hauptstädten.“ Auf<br />
diese Weise erreiche man kein Zusammen -<br />
rücken, son<strong>der</strong>n provoziere im Gegenteil eine<br />
Teilung Europas. Dies gelte noch mehr für eine<br />
Europäische Union mit 27 o<strong>der</strong> 29 Mitgliedstaaten,<br />
unterstrich <strong>der</strong> BP-Manager.<br />
Sutherland machte deutlich, dass die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Zukunft nicht „weniger“, son<strong>der</strong>n<br />
„mehr“ Europa erfor<strong>der</strong>ten. Dieses zeige<br />
sich schon mit Blick auf die großen Zukunftsfragen<br />
wie den Klimawandel, Migration, Energiesicherheit<br />
und internationale Beziehungen.<br />
„Die Umfragen zeigen deutlich, dass die<br />
Bürger in dieser Hinsicht oft schon viel weiter<br />
sind als unsere Politiker. Sie wissen: Wenn<br />
Europa sein eigenes Schicksal bestimmen will,<br />
muss es zusammenstehen und zusammen<br />
handeln – und das wird nur funktionieren,<br />
wenn wir die bestehenden Institutionen nutzen<br />
und diese weiterentwickeln“, prophezeite<br />
Sutherland. „Wir können wirklich glücklich<br />
sein, im vergangenen halben Jahr eine EU-<br />
Ratspräsidentin wie Angela Merkel gehabt zu<br />
haben. Sie ist eine wirkliche europäische Führerin.“<br />
Es sei aber auch wahrscheinlich und von<br />
essenzieller Bedeutung, dass Frankreich künftig<br />
wie<strong>der</strong> eine konstruktive Rolle in <strong>der</strong> Debatte<br />
um den Verfassungsprozess einnehmen<br />
werde. „In dieser Debatte kann man nur hoffen,<br />
dass eine Krise vermieden werden kann –<br />
allerdings nicht zu jedem Preis.“ <br />
86 trend III/2007
Podium II<br />
Neuer Nationalismus,<br />
Kampf um Ressourcen –<br />
Gefahr für die Globalisierung<br />
Georg Boomgaarden, Staatssekretär im<br />
Auswärtigen Amt, machte in seinen<br />
Ausführungen deutlich, dass die global<br />
steigende Nachfrage nach Rohstoffen die Weltwirtschaft<br />
vor enorme Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
stelle. „Die Sorge um die Verfügbarkeit von Rohstoffen<br />
verän<strong>der</strong>t weltweit die Gewichte“, hob<br />
Boomgaarden hervor. Die internationalen Rohstoffmärkte<br />
seien zum Teil sehr stark von<br />
marktverzerrenden Strukturen geprägt. Produktions-<br />
und Investitionsentscheidungen<br />
würden zunehmend an politische und geopolitische<br />
Überlegungen geknüpft. „Die Außenpolitik<br />
muss sich dieser Fragen vermehrt annehmen<br />
und die sichere Versorgung unserer Wirtschaft<br />
mit Rohstoffen zu ihrem Thema machen“,<br />
for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Staatssekretär des Auswärtigen.<br />
„Wenn die Märkte mehr denn je staatlich<br />
geprägt sind, dann muss die Staatengemeinschaft<br />
auch ihren Beitrag zu <strong>der</strong>en sicherer und<br />
nachhaltiger Ausgestaltung leisten.“ Fragen<br />
<strong>der</strong> Energie- und Rohstoffsicherheit würden<br />
III/2007 trend<br />
darum auch auf lange Sicht eine Konstante <strong>der</strong><br />
Außenpolitik bleiben. Boomgarden regte für<br />
den Bereich <strong>der</strong> energetischen Rohstoffe eine<br />
Strategie an, die die Diversifizierung von Energieträgern,<br />
Lieferanten und Versorgungswegen<br />
ins Auge fasse. „Die Überwindung einer Konfrontation<br />
zwischen Produzenten- und Transitstaaten<br />
ist für uns von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung“,<br />
betonte <strong>der</strong> Staatssekretär.<br />
Dr. Uwe Franke, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstands <strong>der</strong><br />
Deutschen BP AG, erklärte, die Globalisierung<br />
bringe per Saldo mehr Menschen neue Pers -<br />
pektiven und Wohlstand. „Der Protest kommt<br />
teilweise auch aus Industrielän<strong>der</strong>n, in denen<br />
Wohlstand und Besitzstände durch die neuen<br />
Wachstumszentren herausgefor<strong>der</strong>t werden“,<br />
sagte Franke. „Die eigentliche Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
liegt in <strong>der</strong> zunehmenden Diskrepanz zwischen<br />
dem global gebotenen politischen Handlungsrahmen<br />
und den nationalen Interessen.“ Sorge<br />
um Wohlstandsverschiebungen schürten Pro-<br />
Podium II<br />
In das Thema: „Neuer Nationalismus,<br />
Kampf um Ressourcen<br />
– Gefahr für die Globalisierung“<br />
führten ein:<br />
Jür gen Hogrefe, Generalbevollmächtigter<br />
EnBW, und<br />
Dr. Lars H. Thunell, Executive<br />
Vice President, International<br />
Finance Corporation, Weltbank<br />
Gruppe.<br />
Unter <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation von<br />
Henning Krumrey, Leiter <strong>der</strong><br />
Parlamentsredaktion Focus,<br />
diskutierten: Georg Boomgaarden,<br />
Staatssekretär im<br />
Auswärtigen Amt; Dr. Uwe<br />
Franke, Vorsitzen<strong>der</strong> des<br />
Vorstands <strong>der</strong> Deutschen BP<br />
AG; Hermann-Josef Lamberti,<br />
Mitglied des Vorstands<br />
<strong>der</strong> Deutschen Bank AG;<br />
Peter Schwartz, Mitbegrün<strong>der</strong><br />
und Vorsitzen<strong>der</strong> des<br />
Global Business Network.<br />
87
Jürgen Hogrefe<br />
Generalbevollmächtigter <strong>der</strong> EnBW<br />
Nichtsdestotrotz gebe es einen globalen Kampf<br />
um Ressourcen. „Doch nicht die Verknappung<br />
<strong>der</strong> Rohstoffe ist das Problem, son<strong>der</strong>n vielmehr<br />
die schwieriger gewordenen Möglichkeiten,<br />
den gegenwärtigen und künftigen Bedarf<br />
in unseren westlichen Wirtschaften überhaupt<br />
zu decken.“ Man habe es darum nicht mit einer<br />
absoluten, son<strong>der</strong>n relativen Verknappung <strong>der</strong><br />
Rohstoffe zu tun, unterstrich <strong>der</strong> EnBW-Generalbevollmächtigte.<br />
„Das große Problem ist <strong>der</strong><br />
Zugang zu den Rohstoffen. Bei <strong>der</strong> Sicherung<br />
<strong>der</strong> Rohstoffe tritt immer sichtbarer die Konkurrenz<br />
aus Ostasien und an<strong>der</strong>en Boom-Regionen<br />
<strong>der</strong> Welt auf. Das bedeutet, dass die<br />
Konkurrenz um die Ausbeutung und den Erwerb<br />
von Rohstoffen sich erheblich verschärft<br />
hat“, erklärte Hogrefe weiter. Dies resultierte<br />
auch aus <strong>der</strong> großen Nachfrage aus Län<strong>der</strong>n<br />
wie China und Indien, die sich binnen kürzester<br />
Zeit wirtschaftlich und demographisch dramatisch<br />
entwickelt hätten.<br />
Jürgen Hogrefe bemerkte, das Thema Rohstoffsicherheit<br />
sei in jüngerer Zeit zu einem<br />
viel diskutierten Thema geworden. „Dazu<br />
trägt ganz sicher auch das zunehmende Bewusstsein<br />
darüber bei, dass manche <strong>der</strong> für<br />
unsere Volkswirtschaften unverzichtbaren<br />
Rohstoffe wie Öl und Gas in absehbarer Zeit<br />
erschöpft sein werden.“ Hogrefe betonte, dass<br />
niemand den genauen Zeithorizont kenne.<br />
Die meisten mineralischen Rohstoffe und Metalle<br />
indes seien in ausreichen<strong>der</strong> Menge vorhanden.<br />
„Die Frage nach <strong>der</strong> Reichweite von<br />
diesen Rohstoffen wird oft überdramatisiert.<br />
Platin, Diamanten, Kupfer, Zink und Zinn beispielsweise<br />
sind ausreichend da – zumal <strong>der</strong><br />
technische Fortschritt den Abbau, die Nutzung<br />
und den Einsatz von solchen Stoffen erheblich<br />
erleichtert“, sagte Hogrefe. „Die dynamische<br />
Bevölkerungsentwicklung und damit<br />
verbundene Industrieentwicklung muss nicht<br />
schrecken, weil wir erst am Beginn neuer Gewinnungstechniken<br />
stehen.“<br />
„China wird demnächst 70 Prozent seines Rohstoff-Bedarfs<br />
durch Importe decken müssen.<br />
Indien sogar 90 Prozent. Beide Län<strong>der</strong> sind<br />
zwar bevölkerungsreich, aber rohstoffarm. Beide<br />
Län<strong>der</strong> haben die Rohstoffpolitik längst<br />
zum Bestandteil ihrer Geopolitik gemacht.<br />
Dieser Umstand erhöht nicht nur tendenziell<br />
die Preise, son<strong>der</strong>n wird uns in Zukunft auch<br />
womöglich den Zugang zu einigen Ressourcen<br />
erheblich erschweren“, erläuterte Hogrefe.<br />
„Schon heute gilt: Wo immer Öl ist, sind Chinesen.<br />
Womöglich gilt in Zukunft: Hier gibt es<br />
kein Öl für uns, hier sind schon die Chinesen.“<br />
Län<strong>der</strong> wie China, Russland und Saudi Arabien<br />
hielten sich zudem nicht immer an die traditionellen<br />
Spielregeln im internationalen Marktgeschehen.<br />
So schlössen sie etwa Lieferverträge<br />
ab mit demokratisch nicht legitimierten Regierungen<br />
und unterliefen so internationale Bestrebungen<br />
<strong>der</strong> Herausbildung von Zivilgesellschaften,<br />
kritisierte Hogrefe. „Die Art, wie China<br />
im Sudan, in Nigeria und Angola sich den<br />
Zugang zu Ressourcen verschafft, wird von uns<br />
als Bedrohung wahrgenommen – nicht zuletzt<br />
wegen <strong>der</strong> daraus resultierenden sicherheitspolitischen<br />
Bedrohung.“ Eine Folge <strong>der</strong> relativen<br />
Rohstoffverknappung sei ferner, dass sich<br />
ressourcenreiche Län<strong>der</strong> eine stärkere Verhandlungsmacht<br />
verschaffen könnten. Dies<br />
helfe ihnen, Preise zu setzen o<strong>der</strong> sich ihre Kunden<br />
beliebig aussuchen zu können. „Beispielhaft<br />
ist Venezuela, das lange als Hinterhof <strong>der</strong><br />
USA galt und nun sein Öl bewusst nicht mehr<br />
in die USA liefern will“, sagte Hogrefe.<br />
Energie spiele beim Kampf um Rohstoffe hingegen<br />
„in einer völlig an<strong>der</strong>en Liga“. „Zum einen<br />
wegen <strong>der</strong> herausragenden Bedeutung<br />
88 trend III/2007
<strong>der</strong> Rohstoffe Öl, Gas, Steinkohle und Uran für<br />
unsere Industriegesellschaften“, erläuterte<br />
Hogrefe. „Zum an<strong>der</strong>en aber auch, weil sich<br />
vor dem Hintergrund <strong>der</strong> galoppierenden<br />
Globalisierung <strong>der</strong> Umgang mit Primärenergieträgern,<br />
<strong>der</strong> traditionell schon außerordentlich<br />
politisiert war, noch einmal weiter<br />
politisiert hat.“ Die Situation heute sei entscheidend<br />
an<strong>der</strong>s als die Situation im Jahr<br />
1971. Wegen <strong>der</strong> größeren Konkurrenz von Öl<br />
und Gas sei die Position <strong>der</strong> OECD-Län<strong>der</strong> auf<br />
dem Weltmarkt gravierend schwächer als Anfang<br />
<strong>der</strong> siebziger Jahre. „Wir sind nicht mehr<br />
die einzigen potenten Kunden. Es gibt eine vehemente<br />
Kundenkonkurrenz.“ So werde <strong>der</strong><br />
Anteil <strong>der</strong> OECD-Län<strong>der</strong> an <strong>der</strong> globalen Energienachfrage<br />
von 62 Prozent im Jahr 1971 auf<br />
42 Prozent im Jahr 2030 zurückgehen, berichtete<br />
<strong>der</strong> Energieexperte. Der Anteil <strong>der</strong><br />
Schwellen- und Entwicklungslän<strong>der</strong> steige<br />
hingegen von 22 Prozent auf 49 Prozent im<br />
gleichen Zeitraum. „Das ist ein qualitativer<br />
Umschwung – und zwar zu unserem Nachteil.“<br />
Ein weiterer wichtiger Unterschied sei,<br />
dass Anfang <strong>der</strong> siebziger Jahre 80 Prozent<br />
des weltweiten Öls durch multinationale<br />
westliche Konzerne geför<strong>der</strong>t worden sei,<br />
heute hingegen würden bereits 85 Prozent<br />
durch staatliche Unternehmen erschlossen.<br />
tektionismus und Nationalismus – bis hin zum<br />
Wunsch nach dem Schutz heimischer Ressourcen.<br />
Regierungen müssten hierauf Rücksicht<br />
nehmen, wollten sie nicht ihre Legitimation<br />
verlieren, sagte <strong>der</strong> BP-Manager. „Ideal scheint<br />
für die Kritiker <strong>der</strong> Globalisierung beides zu<br />
sein – die Vorteile des globalen Marktes und<br />
des heimischen Schutzes“, so Franke weiter.<br />
Der Zielkonflikt werde beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
deutlich. Die weltweite Energie-<br />
Nachfrage werde bis 2030 um rund 50 Prozent<br />
zunehmen, gerade in den Schwellen- und Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
mit China und Indien an <strong>der</strong><br />
Spitze. „Während <strong>der</strong> Wettbewerb <strong>der</strong> großen<br />
III/2007 trend<br />
Die Weltpolitik habe ein neues Zeitalter betreten,<br />
in dem Energieressourcen eine niemals<br />
zuvor gekannte strategische Bedeutung erlangen<br />
würden, bemerkte Hogrefe. Die relative<br />
Knappheit bei Energieressourcen habe zu<br />
einem Erstarken des Ressourcennationalismus<br />
geführt. „Wir müssen uns dauerhaft darauf<br />
einrichten, dass sich die Marktmacht zugunsten<br />
<strong>der</strong> Produzentenlän<strong>der</strong> verschoben<br />
hat. Die Sorge um die Versorgungssicherheit<br />
sei berechtigt. Der Ressourcennationalismus<br />
könne zu einem Hin<strong>der</strong>nis für die Versorgungssicherheit<br />
und für die Globalisierung<br />
insgesamt werden.<br />
Um die Versorgungssicherheit zu gewährleis -<br />
ten, sei ein internationales Ressourcenmanagement<br />
notwendig. „Um Konflikte o<strong>der</strong> gar<br />
Kriege zu vermeiden, um Versorgungssicherheit<br />
zu gewährleisten, um faire Handelsbeziehungen<br />
für alle Seiten zu generieren, um den<br />
für alle Seiten segensreichen Prozess einer<br />
nachhaltigen und fairen Globalisierung nicht<br />
zu behin<strong>der</strong>n“, sagte Hogrefe. Er schlug vor,<br />
für den Bereich <strong>der</strong> Energie <strong>der</strong> Internationalen<br />
Energieagentur (IEA) neue Kompetenzen<br />
zuzuweisen. „Das wäre <strong>der</strong> erste Ort, wo ich<br />
dieses Ressourcenmanagement für den Bereich<br />
Energie ansiedeln würde“, sagte Hogrefe.<br />
„Wir brauchen ferner eine Energieaußenpolitik.<br />
Der jetzige Außenminister hat auf diesem<br />
Wege erste, außerordentlich vernünftige<br />
Schritte unternommen.“<br />
Die Politik müsse auch berücksichtigen, dass<br />
<strong>der</strong> Kampf um Ressourcen starke Unternehmen<br />
<strong>der</strong> Energieindustrie brauche. „Wenn wir<br />
in Russland o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>swo als Konsumenten<br />
in <strong>der</strong> Größenordnung etwa von Stadtwerken<br />
auftreten, haben wir beim Kampf um Ressourcen<br />
international keine Chance.“ In diesem<br />
Sinne müsse Energiepolitik immer auch<br />
Industriepolitik sein. „For<strong>der</strong>ungen nach Zerschlagung<br />
von Energieversorgungsunternehmen<br />
sind vor diesem Hintergrund fahrlässig<br />
bis unverantwortlich.“<br />
Verbraucherregionen um Energieressourcen<br />
zunimmt, ringen protektionistische Tendenzen<br />
inner- und außerhalb <strong>der</strong> EU um die Einsicht in<br />
die Vorteile <strong>der</strong> Globalisierung und die richtigen<br />
Antworten.“ Die richtige Antwort bleibe<br />
selbstverständlich <strong>der</strong> globale Markt. Ohne<br />
Zweifel würde <strong>der</strong> globale Markt seiner Vorteile<br />
wegen langfristig obsiegen, erklärte Franke.<br />
Hermann-Josef Lamberti, Mitglied des Vorstands<br />
<strong>der</strong> Deutschen Bank AG, betonte, dass<br />
wirtschaftliche Offenheit und globale Vernetzung<br />
Wachstum und Beschäftigung sicherten.<br />
„Protektionistische Tendenzen und industriepolitische<br />
Ambitionen werden zunehmend zu<br />
Georg Boomgaarden<br />
Dr. Uwe Franke<br />
89
Dr. Lars H. Thunell<br />
Executive Vice President, International Finance Corporation, Weltbank-Gruppe<br />
wahrscheinlich <strong>der</strong> weltgrößte Finanzanbieter<br />
und Anbieter nachhaltiger Finanzierungen in<br />
Schwellenlän<strong>der</strong>n“, sagte Lars Thunell.<br />
Lars Thunell, Executive Vice President <strong>der</strong> International<br />
Finance Corporation (IFC) bei <strong>der</strong><br />
Weltbank-Gruppe, betonte, dass die in <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Diskussion verwendeten Schlagworte<br />
„neuer Nationalismus“, „Kampf um Ressourcen“<br />
und „Gefahren für die Globalisierung“<br />
je<strong>der</strong>mann rund um den Globus vor Augen<br />
führten, dass multilaterale Kooperationen<br />
<strong>der</strong> Staaten und Institutionen in <strong>der</strong> heutigen<br />
Welt von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung für<br />
die künftige Entwicklung seien. Nur mit multilateral<br />
ausgelegten Regelwerken und Institutionen<br />
wie zum Beispiel <strong>der</strong> Welthandelsorganisation<br />
WTO könne man den genannten<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen im Zeitalter <strong>der</strong> Globalisierung<br />
gerecht werden. Multilateralismus<br />
habe sich dem Bilateralismus noch stets überlegen<br />
erwiesen. Die internationale Gemeinschaft<br />
habe, so Lars Thunell weiter, viele Möglichkeiten<br />
für einen multilateralen Ansatz.<br />
In seinem einleitenden Vortrag zu Podium II<br />
lenkte <strong>der</strong> Executive Vice President <strong>der</strong> International<br />
Finance Corporation den Blick auf die<br />
Bedeutung des Privatsektors bei <strong>der</strong> ökono -<br />
mischen Entwicklung in aufstrebenden<br />
Schwellenlän<strong>der</strong>n. Ziel <strong>der</strong> wirtschaftlichen,<br />
sozialen und gesellschaftlichen Entwicklung<br />
in den bislang weniger wohlhabenden Län<strong>der</strong>n<br />
sei es, dass <strong>der</strong> Wohlstand möglichst breiten<br />
Bevölkerungsschichten zugutekomme.<br />
„Die International Finance Corporation IFC ist<br />
Die IFC wurde nach seinen Worten vor 50 Jahren<br />
gegründet. Ihre wichtigsten Werkzeuge<br />
seien, so Thunell, finanzielle Dienstleistungen,<br />
Kreditsicherungsinstrumente, Eigenkapitalinvestitionen<br />
und Beratungsleistungen.<br />
„Unsere Aufgabe ist es, Menschen Chancen<br />
und Gelegenheiten zu verschaffen, sich aus<br />
ihrer Armut zu befreien“, erläuterte Lars Thunell.<br />
„Unser Beitrag zur Entwicklungshilfe ist<br />
die Zusammenarbeit mit Banken und Indus -<br />
trieunternehmen in Schwellenlän<strong>der</strong>n“, sagte<br />
<strong>der</strong> IFC Executive Vice President. Das Geschäftsvolumen<br />
<strong>der</strong> IFC mit Blick auf Eigenkapitaldarlehen<br />
belaufe sich gegenwärtig auf<br />
rund zehn Milliarden Dollar pro Jahr. In den<br />
vergangenen 50 Jahren seien durch die IFC<br />
mehr als 56 Milliarden Dollar Investitionen in<br />
den Privatsektor geflossen. Ferner seien weitere<br />
25 Milliarden Dollar in 3.500 verschiedene<br />
Firmen geflossen, die von <strong>der</strong> International<br />
Finance Corporation auf an<strong>der</strong>e Weise unterstützt<br />
worden seien. „Wir bieten darüber hinaus<br />
viele technische Hilfen an“, erläuterte <strong>der</strong><br />
prominente Vertreter <strong>der</strong> Weltbank-Organisation.<br />
„Und alles erfolgt grundsätzlich zu kommerziellen<br />
Bedingungen“.<br />
Die Nachfrage nach den Produkten <strong>der</strong> Weltbank-Tochter<br />
habe in den vergangenen Jahren<br />
stark zugenommen. Ohne den Privatsektor<br />
lasse sich kein nennenswertes Wachstum erzeugen:<br />
„Der Privatsektor ist <strong>der</strong> stärkste Motor<br />
für Wachstum und Arbeitsplätze“, sagte<br />
Thunell. Man habe in den letzten Jahren beobachten<br />
können, dass mehr und mehr private<br />
Unternehmen jene Probleme lösten, die früher<br />
von Regierungen gelöst worden seien. Der Privatsektor<br />
sei allerorten auf dem Vormarsch.<br />
Die IFC sei daran beteiligt, hier das notwendige<br />
Kapital aufzubringen. „Ich denke an Schulen,<br />
Infrastruktur und Public-Private-Partnership-Modelle“,<br />
erläuterte Thunell. Der Executive<br />
Vice President verwies auf die enormen<br />
Wachstumsraten in Län<strong>der</strong>n wie China und Indien.<br />
Dadurch steige die Nachfrage dieser<br />
Staaten nach Rohstoffen wie Öl, Gas und Metalle.<br />
Zugleich werde diskutiert, wie die Versorgung<br />
mit Wasser und sauberer Luft in dieser<br />
90 trend III/2007
Ära <strong>der</strong> Globalisierung gesichert werden könne.<br />
„Viel steht auf dem Spiel“, sagte Thunell.<br />
Er verwies darauf, dass nach wie vor 2,7 Milliarden<br />
Menschen weltweit mit weniger als<br />
zwei Dollar am Tag auskommen müssten.<br />
„Das ist eine Tragödie für Afrika, viele Regionen<br />
in China, für Afghanistan und für viele<br />
an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong>.“ Thunell erklärte, <strong>der</strong> Abbau<br />
von Energieträgern sei eine kritische Ressource<br />
für die ökonomische Entwicklung. Hier seien<br />
große Herausfor<strong>der</strong>ungen zu bewältigen.<br />
Die Menschen in den entwickelten Staaten<br />
hätten in den vergangenen Jahren ihren Verbrauch<br />
natürlicher Ressourcen dramatisch erhöht,<br />
um ihren Wohlstand zu steigern.<br />
Stolpersteinen im Globalisierungsprozess“,<br />
monierte Lamberti. Die Abschottung nationaler<br />
Märkte helfe aber keinem Land. „Denn wenn<br />
sich die Protektionismusspirale erstmal dreht,<br />
ist sie nur noch schwer aufzuhalten.“ Dies gelte<br />
umso mehr angesichts <strong>der</strong> stark gewachsenen<br />
Handels- und Kapitalverflechtung <strong>der</strong><br />
Volkswirtschaften. Die Politik müsse weltweit<br />
durch ein globalisierungsfreundliches Umfeld<br />
dafür sorgen, dass sich diese positiven Wirkungen<br />
<strong>der</strong> Globalisierung auch in Zukunft fortsetzten.<br />
„Auch Europa ist vom protektionistischen<br />
Bazillus infiziert“, sagte Lamberti. „Der<br />
politische Wille zur Liberalisierung <strong>der</strong> Märkte<br />
sinkt, die Bereitschaft zur Intervention bei Unternehmensübernahmen<br />
o<strong>der</strong> Konsolidierungsprozessen<br />
steigt.“<br />
In dem auf gegenseitige Öffnung angelegten<br />
europäischen Binnenmarkt sei für einen Fokus<br />
auf vermeintliche Nationalinteressen indes<br />
kein Platz. „Der Binnenmarkt ist für viele Unternehmen<br />
Trainingsfeld für den globalen Wettbewerb<br />
und erfolgreiches Sprungbrett in die<br />
Welt“, hob Lamberti hervor. Europa sei auch die<br />
adäquate Antwort auf den Kampf um die natürlichen<br />
Ressourcen. „Deutschland und Europa<br />
sollten den Mut zu einer eigenständigen mo<strong>der</strong>nen<br />
Geopolitik haben, die den energiereichen<br />
Lieferlän<strong>der</strong>n mehr Aufmerksamkeit<br />
schenkt“, for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Deutsche-Bank-Vorstand.<br />
gegenwärtig Sorgen, weil dieser Weg oft zu<br />
Konflikten und schließlich womöglich militärischer<br />
Gewaltanwendung führe. Furcht und<br />
Konflikte könnten die internationalen Beziehungen<br />
dominieren, erläuterte Schwartz. „Weil<br />
keine Industrienation auf ihre Energieversorgung<br />
verzichten kann, wird bei einem Scheitern<br />
<strong>der</strong> ökonomischen Mittel immer <strong>der</strong> politische<br />
Weg gewählt, um Interessen durchzusetzen.“<br />
Damit politische und militärische Konflikte vermieden<br />
werden, müssten die Energienachfrager<br />
sicher sein, es mit transparenten, effizienten<br />
und glaubwürdigen Energiemärkten zu tun zu<br />
haben. Diese Faktoren hingen aber von mehr ab<br />
als dem guten Willen <strong>der</strong> Marktteilnehmer. „Eine<br />
gewisse Form <strong>der</strong> Marktregulierung ist geradezu<br />
zwangsläufig vonnöten – und die Welthandelsorganisation<br />
WTO ist ein Schritt in diese<br />
Richtung.“ Ein Scheitern <strong>der</strong> Globalisierung<br />
hingegen führe in eine Konfliktsituation wie zu<br />
Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. „Die Strategie je<strong>der</strong><br />
Nation muss darum den effizienten und diversifizierten<br />
Umgang mit Energieressourcen<br />
beinhalten“, hob Schwartz hervor. „Von ebenso<br />
zentraler Bedeutung sind aber auch stabile, vertrauensvolle<br />
politische Beziehungen und effektive,<br />
transparente internationale Institutionen“,<br />
hob Schwartz hervor. Doch könne letztlich auf<br />
eine militärische Unterstützung <strong>der</strong> politischen<br />
Ziele nicht verzichtet werden.<br />
Hermann-Josef<br />
Lamberti<br />
Peter Schwartz<br />
Peter Schwartz, Mitbegrün<strong>der</strong> und Vorsitzen<strong>der</strong><br />
des Global Business Network, unterstrich,<br />
dass mo<strong>der</strong>ne Industriestaaten trotz entsprechen<strong>der</strong><br />
politischer Rhetorik in <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
nicht autark sein könnten. „Alle Staaten<br />
werden darum von an<strong>der</strong>en Staaten abhängen,<br />
um ihre Energienachfrage zu befriedigen“,<br />
sagte Schwartz. Diese Energienachfrage<br />
könne grundsätzlich mit politischen, militärischen<br />
o<strong>der</strong> ökonomischen Mitteln erreicht werden.<br />
„Alle drei sind in <strong>der</strong> Geschichte bereits angewandt<br />
worden“, sagte Schwartz. Das politische<br />
Streben nach Energieressourcen bereite<br />
III/2007 trend<br />
91
Podium III<br />
Globale Wirtschaft –<br />
Angriff auf den sozialen<br />
Zusammenhalt?<br />
Dr. Eckhard Cordes<br />
Dr. Eckhard Cordes, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes<br />
<strong>der</strong> Franz Haniel & Cie. GmbH, erklärte,<br />
nach seiner Auffassung sei die globale<br />
Wirtschaft kein Angriff auf den sozialen Zusammenhalt.<br />
„Das Gegenteil trifft zu“, betonte<br />
Cordes. Die Globalisierung wirke in mehrfacher<br />
Hinsicht sozial: „Sie schafft Fortschritt und eröffnet<br />
Chancen, sie mehrt den globalen Wohlstand,<br />
sie erhöht den Lebensstandard auch in den bisherigen<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong>n, sofern sich diese<br />
<strong>der</strong> Globalisierung öffnen. Und sie wirkt in Richtung<br />
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“ Nach<br />
den Worten Cordes’ ist China eine Erfolgsgeschichte<br />
<strong>der</strong> Globalisierung. Vor 40 Jahren noch<br />
sei das Reich <strong>der</strong> Mitte im Bann von wie<strong>der</strong>kehrenden<br />
Hungersnöten gefangen gewesen, heute<br />
sei die Herausfor<strong>der</strong>ung, den Wohlstand in alle<br />
Regionen des Landes zu tragen. Die Region des<br />
Perlflussdeltas, die Großregion Shanghai und die<br />
südostchinesische Küstenregion hätten Anschluss<br />
gefunden an die industrialisierte Welt.<br />
„Milliardenschwere Entwicklungsvorhaben sollen<br />
Chinas Westen industriell erschließen und<br />
die Infrastruktur mo<strong>der</strong>nisieren“, erläuterte Cordes.<br />
„Demokratische und rechtsstaatliche Ins -<br />
titutionen werden sich weiter entwickeln“, prophezeite<br />
<strong>der</strong> Haniel-Manager. Ein Meilenstein in<br />
<strong>der</strong> Entwicklung des Landes sei <strong>der</strong> im März<br />
2007 erfolgte Beschluss des chinesischen Volkskongresses,<br />
Privateigentum zu schützen. „Unabhängige<br />
Gerichte werden nun dieses grundlegende<br />
Freiheitsrecht schützen müssen“, betonte<br />
Cordes. Globales Denken und Handeln ermög -<br />
liche erst, die hohen Standards <strong>der</strong> entwickelten<br />
Welt über politische Gremien und durch unternehmerisches<br />
Handeln weltweit zu verbreiten.<br />
Der „Global Compact“ <strong>der</strong> UN globalisiere als<br />
Netzwerk <strong>der</strong> selbstverpflichtenden Standards<br />
für nachhaltiges Handeln. Die öffentliche Aufmerksamkeit<br />
in Richtung „Corporate Social<br />
Responsibility“ veranlasse zudem immer mehr<br />
Unternehmen, Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen.<br />
92 trend III/2007
Podium III<br />
In das Thema: „Globale Wirtschaft – Angriff auf den<br />
sozialen Zusammenhalt“ führten ein: Claus Hjort Fre<strong>der</strong>iksen,<br />
Minister für Beschäftigung, Dänemark und Ronald<br />
Pofalla MdB, Generalsekretär <strong>der</strong> <strong>CDU</strong> Deutschlands.<br />
Unter <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation von Roland Tichy, Stellvertreten<strong>der</strong><br />
Chefredakteur Handelsblatt, diskutierten: Dr. Eckhard<br />
Cordes, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstandes <strong>der</strong> Franz Haniel &<br />
Cie. GmbH; Günter Dibbern, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstands<br />
<strong>der</strong> DKV und Victoria Krankenversicherung AG; Prof. Dr.<br />
Dr. h.c. Wolfgang Franz, Präsident des Zentrums für<br />
Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim;<br />
Prof. Hans Helmut Schetter, Mitglied des Vorstands <strong>der</strong><br />
Bilfinger Berger AG.<br />
Günter Dibbern, Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstands<br />
<strong>der</strong> DKV und Victoria Krankenversicherung AG,<br />
sagte, je höher die Lohnnebenkosten seien, des -<br />
to schwieriger werde es für Deutschland, sich<br />
als attraktiver Standort im Rahmen <strong>der</strong> Globalisierung<br />
durchzusetzen. „Die beschleunigte<br />
und intensivierte Internationalisierung <strong>der</strong><br />
Wirtschaftsprozesse erhöht zunehmend den<br />
Wettbewerbsdruck auf die europäischen Volkswirtschaften<br />
und auf Deutschland.“ Der damit<br />
einhergehende Standortwettbewerb drehe<br />
sich zu einem großen Teil um die Arbeitskosten,<br />
unterstrich Dibbern. „Darum sind sie bei Reformen<br />
<strong>der</strong> sozialen Sicherungssysteme und <strong>der</strong>en<br />
Auswirkungen auf die Lohnnebenkosten<br />
deutlich stärker als bisher zu berücksichtigen.“<br />
Mehr Kapitaldeckung in <strong>der</strong> Kranken- und Pflegeversicherung<br />
bedeute mehr Vorsorge für altersbedingt<br />
steigende Krankheits- und Pflegekosten.<br />
Mehr Vorsorge entlaste und stabilisiere<br />
schließlich die umlagefinanzierten Sicherungssysteme.<br />
„Der Staat soll für die Lebensrisiken<br />
des Einzelnen erst dann eintreten und ihn unterstützen,<br />
wenn er sich selbst nicht mehr helfen<br />
kann“, for<strong>der</strong>te Dibbern. „Die Freiheit und<br />
Eigenverantwortung des Einzelnen sind vorrangig<br />
gegenüber staatlichem Handeln.“<br />
„Hinter <strong>der</strong> Globalisierung stehen im Wesent -<br />
lichen zwei Triebkräfte“, erläuterte Franz. Die<br />
erste sei das Resultat einer gewollten Politikgestaltung<br />
im Hinblick auf eine Liberalisierung<br />
des Welthandels wie im Rahmen des GATT, <strong>der</strong><br />
WTO und in Form des Europäischen Binnenmarktes.<br />
„Das hat die Politik zu Recht so gewollt,<br />
selbst wenn man sich heutzutage des gegenteiligen<br />
Eindrucks mitunter nicht erwehren kann“,<br />
bemerkte <strong>der</strong> Ökonomieprofessor. „Marktmä -<br />
ßige Triebkräfte stellen die zweite Ursache dar,<br />
wie etwa <strong>der</strong> technische Fortschritt im Bereich<br />
<strong>der</strong> Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
o<strong>der</strong> die Verringerung <strong>der</strong> Transak -<br />
tionskosten auf den Finanzmärkten.“<br />
Es gebe Gewinner und Verlierer <strong>der</strong> Globalisierung.<br />
„Zu den Gewinnern gehören nicht zuletzt<br />
die Arbeitnehmer als Konsumenten, die sich<br />
einem reichhaltigen Angebot an Gütern und<br />
Dienstleistungen zu wesentlich niedrigeren<br />
Preisen als ohne Globalisierung gegenüber sehen“,<br />
hob Franz hervor. Zu den Verlierern zählten<br />
hingegen beispielsweise die gering qualifizierten<br />
Arbeitnehmer, da ihre Arbeiten sehr viel<br />
kostengünstiger im Niedriglohnausland verrichtet<br />
werden könnten und durch einen arbeitssparenden<br />
technischen Fortschritt ersetzt<br />
würden. „Die Globalisierung ist unumkehrbar“,<br />
betonte Franz. „Alle Bereiche stehen unter<br />
Wettbewerbs- und Anpassungsdruck – und das<br />
ist gut so, denn dadurch werden Fehlentwicklungen<br />
und Ineffizienzen schonungslos offengelegt“,<br />
machte <strong>der</strong> Wirtschaftsweise deutlich.<br />
Prof. Hans Helmut Schetter, Mitglied des Vorstands<br />
<strong>der</strong> Bilfinger Berger AG, sagte, die glo -<br />
Günter Dibbern<br />
Prof. Dr. Dr. h.c.<br />
Wolfgang Franz<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Franz, Präsident des<br />
Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung<br />
(ZEW) in Mannheim, betonte, dass die<br />
zunehmende Internationalisierung <strong>der</strong> Arbeits-,<br />
Güter- und Finanzmärkte tiefe Spuren<br />
hinterlasse. „Die internationale Arbeitsteilung<br />
ist für sich genommen nichts Neues – aber sie<br />
gewinnt an Dynamik, Breite und Tiefe“, erläuterte<br />
<strong>der</strong> Wirtschaftsweise. Der Welthandel mit<br />
Waren wachse zunächst überproportional im<br />
Vergleich zur Weltproduktion, industrienahe<br />
Dienstleistungen würden mehr und mehr handelbar,<br />
obwohl sie lange Zeit als standortgebunden<br />
angesehen worden seien.<br />
III/2007 trend<br />
93
Claus Hjort Fre<strong>der</strong>iksen<br />
Minister für Beschäftigung, Dänemark<br />
Mit dem Konzept <strong>der</strong> „Flexicurity“ seien sowohl<br />
Unternehmen als auch Beschäftigte gut<br />
auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Globalisierung<br />
vorbereitet. Sicherheit und Freiheit, oft<br />
als Gegensatz verstanden, würden durch das<br />
dänische Arbeitsmarktmodell in Einklang gebracht.<br />
Claus Hjort Fre<strong>der</strong>iksen erklärte, das dänische<br />
Arbeitsmarktmodell „Flexicurity“ beschreibe<br />
man am besten mit dem Bild <strong>der</strong> Triangel.<br />
„Die erste Ecke <strong>der</strong> Triangel ist ein flexibler<br />
Arbeitsmarkt, auf dem Arbeitgeber relativ<br />
frei sind, Arbeitnehmer ohne lange Kündigungsfristen<br />
anzustellen und zu entlassen.<br />
Das Ergebnis ist eine Mischung aus Wettbewerbsfähigkeit<br />
und einer niedrigen Ar beits -<br />
losen rate“, erläuterte Fre<strong>der</strong>iksen. Dies erlaube<br />
auch weniger gut ausgebildeten Arbeit -<br />
nehmern, in den Arbeitsmarkt einzutreten.<br />
„Mit an<strong>der</strong>en Worten: Flexibilität und so -<br />
ziale Sicherheit sind voneinan<strong>der</strong> unabhängig.“<br />
Die zweite Ecke <strong>der</strong> Triangel beschrieb <strong>der</strong> dänische<br />
Arbeitsminister als ein dichtes Netz an<br />
sozialer Sicherheit, welches den Dänen einen<br />
hohen Grad an Einkommenssicherheit garantiere.<br />
„Das erlaubt den dänischen Arbeitnehmern<br />
ein hohes Maß an Flexibilität – rund ein<br />
Drittel <strong>der</strong> Arbeitskräfte wechselt den Job einmal<br />
pro Jahr.“<br />
Die dritte Ecke <strong>der</strong> Triangel sei die aktive Arbeitsmarktpolitik.<br />
„Diese Politik garantiert,<br />
dass die verfügbaren Arbeitslosen gut qualifiziert<br />
werden, um die vakanten Stellen besetzen<br />
zu können. Diese aktive Arbeitsmarktpolitik<br />
ist zwar sehr teuer – aber sie zahlt sich<br />
aus“, machte Fre<strong>der</strong>iksen deutlich.<br />
„Das Flexicurity-Modell erlaubt Dänemark,<br />
das meiste aus <strong>der</strong> Globalisierung zu machen.“<br />
Dänemark stütze seine Politik auf ein<br />
ein faches, aber entscheidendes Prinzip:<br />
„Wenn an<strong>der</strong>e billiger sind, müssen wir eben<br />
besser sein.“ Seiner Erfolge wegen sei das dä -<br />
nische Modell in vielen europäischen Län<strong>der</strong>n<br />
extensiv diskutiert worden, um mit den He -<br />
rausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Globalisierung fertig zu<br />
werden. Doch Fre<strong>der</strong>iksen warnte davor, das<br />
Konzept des relativ kleinen skandinavischen<br />
Landes einfach eins zu eins zu übernehmen.<br />
„Flexicurity kann an<strong>der</strong>en als Inspiration, als<br />
Anregung dienen – aber das Konzept muss<br />
den nationalen Gegebenheiten und Institutionen<br />
in jedem Fall angepasst werden“, betonte<br />
<strong>der</strong> dänische Arbeitsminister.<br />
Im Folgenden beschäftigte sich Fre<strong>der</strong>iksen<br />
mit <strong>der</strong> Frage, wie Politiker die notwendige<br />
Unterstützung <strong>der</strong> Bevölkerung für <strong>der</strong>artige<br />
Reformen gewinnen können. „Reformkonzepte<br />
können auch in einer Kamikaze-Politik enden<br />
– versteckte, hässliche und ungestüme<br />
Reformen laufen Gefahr, niemals erfolgreich<br />
zu sein“, warnte Fre<strong>der</strong>iksen. Aus dänischer<br />
Sicht seien die wichtigsten Voraussetzungen<br />
für eine erfolgreiche Reformpolitik die gute<br />
Vorbereitung und Durchführung <strong>der</strong> Strategie<br />
gewesen. „Die dänische Regierung hat den<br />
Reformen durch eine breite öffentliche Debatte<br />
den Boden bereitet“, erläuterte <strong>der</strong> Arbeitsminister.<br />
„Die Reformpläne wurden vor <strong>der</strong><br />
Wahl offengelegt – die Bürger hatten also die<br />
Möglichkeit, sowohl die Pläne selbst als auch<br />
die Regierung beim Urnengang abzulehnen.“<br />
Die dänische Regierung sei auf diese Weise eine<br />
Art Vertrag mit <strong>der</strong> Bevölkerung eingegangen:<br />
„Wir machen das, was wir angekündigt<br />
haben – nicht mehr, aber auch nicht weniger.“<br />
Die Reform des dänischen Wohlfahrtsstaates<br />
sei schließlich von einer breiten Parlamentsmehrheit<br />
im Jahr 2006 angenommen wor-<br />
94 trend III/2007
den. Im Jahr 2003 bereits habe die dänische<br />
Regierung indes eine unabhängige „Wohlfahrtskommission“<br />
eingesetzt, die künftige<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen identifizieren, Empfehlungen<br />
machen und eine breite öffentliche<br />
Debatte anschieben sollte. „Kurz gesagt: Die<br />
Kommission hat erklärt, warum die dänische<br />
Gesellschaft vor großen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
steht“, sagte Fre<strong>der</strong>iksen.<br />
Nachdem die Kommission das „Warum“ erklärt<br />
habe, habe die Regierung Unterstützung<br />
für das „Wie“ suchen können. Dieser Prozess<br />
habe den Menschen in Dänemark gezeigt,<br />
dass die Reformen notwendig seien und nach<br />
den Regeln <strong>der</strong> Fairness umgesetzt würden.<br />
Neben <strong>der</strong> Wohlfahrtskommission habe die<br />
dänische Regierung ferner noch einen „Globalisierungsrat“<br />
eingerichtet. Auch dieser habe<br />
den Zweck verfolgt, den Boden für Reformen<br />
zu ebnen. Der Rat habe dafür gesorgt, eine<br />
breite Akzeptanz <strong>der</strong> Bevölkerung für die politische<br />
Agenda zu schaffen. „So wurde gewährleistet,<br />
dass vom Premierminister über<br />
Wirtschaftsverbände bis zu den Gewerkschaften<br />
eine breite gesellschaftliche Mehrheit hinter<br />
den Reformen steht“, erläuterte Fre<strong>der</strong>iksen.<br />
Abschließend erläuterte <strong>der</strong> Minister, dass die<br />
dänischen Reformen vor allem drei Dinge gezeigt<br />
hätten. „Erstens: Eine breite Unterstützung<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung von Reformpolitik ist<br />
möglich. Zweitens: Reformpolitik ist nicht notwendigerweise<br />
eine Kamikaze-Aktion. Und<br />
drittens zeigt <strong>der</strong> dänische Weg auch, dass eine<br />
breite öffentliche Debatte die Ängste <strong>der</strong><br />
Bevölkerung vor <strong>der</strong> Globalisierung nehmen<br />
kann. 70 Prozent <strong>der</strong> Dänen sagen, dass Dänemark<br />
von <strong>der</strong> Globalisierung profitiert.“<br />
bale Wirtschaft strapaziere den sozialen Zusammenhalt.<br />
„Es gibt gegensätzliche Wahr -<br />
nehmungen <strong>der</strong> Globalisierungschancen und<br />
-risiken in Deutschland: Manager sehen die<br />
globale Wirtschaft als Chance. Die tarifge -<br />
bundenen Mitarbeiter dagegen fürchten eher<br />
negative Konsequenzen wie Arbeitsplatzabbau,<br />
ausbleibende Reallohnsteigerungen o<strong>der</strong><br />
gar Firmenschließungen“, erklärte Schetter.<br />
Hinzu komme, dass in den Medien das Thema<br />
Globalisierung vielfach negativ besetzt sei und<br />
darüber hinaus eine Neiddebatte geschürt<br />
werde.<br />
Der Bilfinger-Berger-Manager regte an, Beschäftigte<br />
über flexible Vergütungssysteme am<br />
Erfolg zu beteiligen. „Zehn Jahre Stagnation auf<br />
<strong>der</strong> Reallohnseite haben dazu geführt, dass<br />
Deutschland wie<strong>der</strong> wettbewerbsfähig geworden<br />
ist. Um diesen Status zu halten, gibt es<br />
kaum Spielraum für Lohnerhöhungen. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
können wir es uns aus Wettbewerbsgründen<br />
nicht leisten, die Arbeitskosten zu<br />
erhöhen“, betonte Schetter. Gleichwohl hätten<br />
die Mitarbeiter die Erwartungshaltung, dass<br />
sie am Aufschwung adäquat partizipieren.<br />
„Da zu können flexible, erfolgsabhängige Vergütungskomponenten<br />
dienen, die eine rasche<br />
Anpassung an die jeweilige konjunkturelle<br />
Situation erlauben“, schlug Schetter vor.<br />
„Auch Lebensarbeitszeitkonten sind sinnvoll.<br />
Sie können konjunkturelle Schwankungen reflektieren<br />
und ermöglichen die individuelle<br />
Anpassung <strong>der</strong> Ruhestandsgrenze.“<br />
Schetter hob ferner hervor, dass Deutschland<br />
mehr Ingenieure brauche. „Der Politik <strong>der</strong> sieb -<br />
ziger Jahre haben wir zwei große Fehlentwicklungen<br />
zu verdanken: Bildungsmisere und Technikfeindlichkeit.“<br />
Vor allem seine technologische<br />
Kompetenz aber habe Deutschland zum Ex -<br />
portweltmeister gemacht. Gegenwärtig fehlten<br />
jedoch rund 20.000 Ingenieure. „Wir brauchen<br />
umgehend eine Renaissance von Naturwissenschaft<br />
und Technik“, for<strong>der</strong>te Schetter. Zukunftsfähige<br />
Arbeitsplätze erfor<strong>der</strong>ten eine Schul- und<br />
Universitätsausbildung auf hohem Niveau.<br />
Prof. Hans Helmut<br />
Schetter<br />
III/2007 trend<br />
95
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Fuchsbriefe (4); Kruppa (3, 7, 12, 15,<br />
17, 20, 22, 24, 65, 72, 74, 76, 79<br />
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63, 66, 67, 69, 70, 71, 73, 76, 79, 80,<br />
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10, 13, 14, 16, 18, 19, 21, 23, 25, 27,<br />
29, 32, 42, 45, 53, 60, 61); WR (1);<br />
H. Zeuzem (56, 57, 58).<br />
Umschlagseite:<br />
Vario-Press/Baumgarten<br />
Karikatur: Jürgen Tomicek (5)<br />
Ronald Pofalla MdB<br />
Generalsekretär <strong>der</strong> <strong>CDU</strong> Deutschlands<br />
<strong>CDU</strong>-Generalsekretär Ronald Pofalla beschäftigte<br />
sich in seinem einleitenden Vortrag zu<br />
Podium III mit <strong>der</strong> Frage, wie sozialer Zusammenhalt<br />
entstehe. „Sozialer Zusammenhalt<br />
definiert sich über unterschiedliche Faktoren,<br />
wie zum Beispiel die Integrationskraft <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />
die Verankerung des Grundgesetzes<br />
und des Wertefundaments in allen Teilen<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft, die Stärke <strong>der</strong> Familien, die<br />
Leistungsfähigkeit des Bildungssystems und<br />
<strong>der</strong> sozialen Sicherung“, erläuterte Pofalla.<br />
Sozialer Zusammenhalt sei vor allem dann<br />
gegeben, wenn sich <strong>der</strong> Einzelne in <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
aufgehoben fühle, einen Ausbildungs-<br />
o<strong>der</strong> Arbeitsplatz habe und seine<br />
Familie angemessen versorgen könne.<br />
Die Globalisierung könne den sozialen Zusammenhalt<br />
gefährden. Angst vor Arbeits -<br />
losigkeit und die Sorge vor dem Verlust <strong>der</strong><br />
sozialen Absicherung beunruhige viele Menschen,<br />
hob Pofalla hervor. Arbeitslosigkeit<br />
bleibe ein zentrales Problem in Deutschland.<br />
„Sie kann den Zusammenhalt <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
gefährden.“ Die Ursachen für die Arbeitslosigkeit<br />
in Deutschland lägen aber vor allem in<br />
hausgemachten Strukturproblemen – und<br />
nicht in <strong>der</strong> Globalisierung. Die zunehmende<br />
Vernetzung <strong>der</strong> Märkte sei vielmehr eine<br />
Chance für Deutschland. Nichtsdestotrotz<br />
stelle die Globalisierung eine zentrale Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
unserer Zeit dar. „Die <strong>CDU</strong> begreift<br />
sie aber in erster Linie als Chance“, machte<br />
Pofalla deutlich. „In zahlreichen Unternehmen<br />
und Branchen in Deutschland sind erst durch<br />
die Globalisierung neue Arbeitsplätze entstanden“,<br />
hob <strong>der</strong> Generalsekretär <strong>der</strong> <strong>CDU</strong><br />
hervor. Nach Angaben <strong>der</strong> Organisation für<br />
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(OECD) stehe Deutschland mit einem<br />
Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent im<br />
laufenden Jahr an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> G7-Län<strong>der</strong>.<br />
„Deutschland ist Exportweltmeister und<br />
braucht den globalen Handel und Austausch.“<br />
Vor diesem Hintergrund bestehe <strong>der</strong> Anspruch<br />
<strong>der</strong> <strong>CDU</strong> darin, die Globalisierung zu<br />
gestalten. „Das heißt einerseits, sich über internationale<br />
Rahmenbedingungen zu verständigen.<br />
Globalisierung zu gestalten bedeutet<br />
für die <strong>CDU</strong> an<strong>der</strong>erseits aber auch die<br />
Erneuerung <strong>der</strong> Sozialen Marktwirtschaft in<br />
Deutschland“, so Pofalla weiter. „Fehlentwicklungen<br />
und Strukturschwächen des Sozialstaats<br />
müssen korrigiert werden, die Arbeitslosigkeit<br />
weiter zurückgedrängt werden“,<br />
for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> <strong>CDU</strong>-Politiker.<br />
Pofalla erklärte weiter, aus seiner Sicht sei die<br />
Globalisierung keine Gefährdung für den sozialen<br />
Zusammenhalt, wenn es in Deutschland<br />
gelinge, die Stärken <strong>der</strong> Sozialen Marktwirtschaft<br />
auszubauen und sie zu erneuern.<br />
„Die Soziale Marktwirtschaft ermöglicht es<br />
den Menschen, frei und sicher zu leben.“ Die<br />
<strong>CDU</strong> setze auf eine Chancengesellschaft, in<br />
<strong>der</strong> sich je<strong>der</strong> seinen Fähigkeiten entsprechend<br />
entfalten könne. „Aufgabe wird es sein,<br />
das Chancenpotenzial <strong>der</strong> Globalisierung auszuschöpfen<br />
– und dabei gleichzeitig den Anspruch<br />
auf Teilhabe <strong>der</strong> bisher Ausgeschlossenen<br />
und Schwächeren zu erfüllen“, sagte <strong>der</strong><br />
<strong>CDU</strong>-Politiker. „Denn daran wird sich künftig<br />
<strong>der</strong> soziale Zusammenhalt in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
und zwischen den Menschen weltweit entscheiden.“<br />
Die <strong>CDU</strong> müsse darauf achten, dass ihre Politik<br />
wirtschaftlich vernünftig und sozial gerecht<br />
sei. „Dann ist die Globalisierung nicht<br />
das Ende des Sozialstaats und <strong>der</strong> Sozialen<br />
Marktwirtschaft, son<strong>der</strong>n kann vielmehr <strong>der</strong><br />
Beginn ihrer weltweiten Akzeptanz sein.“ <br />
96 trend III/2007