F5 Food column.ES.indd - Hotel Traube Tonbach
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food kolumne<br />
TRAUMBERUF KOCH<br />
Um meiner ersten <strong>Food</strong> Kolumne für FOUR Nachdruck zu verleihen, möchte ich ein<br />
Thema ansprechen, welches in unserer blühenden deutschen Kochlandschaft leider zum<br />
Problem geworden ist, dem wir uns nun stellen müssen. Von Harald Wohlfahrt<br />
Harald Wohlfahrt hält<br />
bereits seit 1992 drei<br />
Michelin Sterne für seine<br />
Schwarzwaldstube in<br />
Baiersbronn. Viele seiner<br />
ehemaligen Schüler,<br />
darunter Kevin Fehling und<br />
Christian Bau, haben sich<br />
bereits selbst drei Michelin<br />
Sterne erkocht.<br />
deutschland steht in<br />
europa mit 10 Drei-Sterne-<br />
Restaurants gleich nach<br />
Frankreich an zweiter Stelle<br />
der Spitzengastronomie in<br />
Europa. Eine Tatsache, die<br />
meines Erachtens im Ausland<br />
zu wenig wahrgenommen wird. Die gesamte Branche<br />
denkt so: Das hat auch Michelin Ende letzten Jahres<br />
dazu veranlasst hat, eine Pressekonferenz in Berlin<br />
einzuberufen, um der deutschen Spitzengastronomie<br />
eine breitere Öffentlichkeit zu verschaffen. Die<br />
Gastroszene hat sich in den letzten 20 Jahren in diesem<br />
Lande deutlich entwickelt – sie pulsiert mit einer Vielfalt<br />
an Stilrichtungen, einem Spektrum an Produktvielfalt<br />
und einer Palette an Techniken.<br />
Alles prima, wie es aussieht. Oder etwa nicht?<br />
Wir sehen bereits jetzt einen beunruhigenden Trend:<br />
immer mehr Restaurants reduzieren ihr Angebot auf nur<br />
mehr zwei Menüs. Der Trend geht von umfangreichen<br />
zu dezimierten Speisekarten. Wo bleiben in diesem<br />
Szenario die Wünsche der Gäste? Will der Gast denn<br />
nicht ein Stück weit selbst bestimmen, was er isst?<br />
Eine Speisekarte funktioniert für mich wie eine Art<br />
Visitenkarte. Man kann sich hineinlesen und wird zu<br />
einem gewissen Genuss verführt.<br />
Die Zukunft der großen Speisekarte blickt uns<br />
etwas reizlos entgegen und der Grund dafür ist die<br />
angespannte personelle Situation. Die gesamte<br />
Gastronomie klagt über den Mangel an Jungköchen. Es<br />
wird schlichtweg weniger ausgebildet. Wo ich bisher 14<br />
Köche für 40 Gäste beschäftigt habe, bekomme ich nur<br />
noch 10 oder acht, weil der Markt nicht mehr hergibt.<br />
Wie kann ich da gegensteuern? Um die Qualität und<br />
das Niveau hoch zu halten, muss ich wohl oder übel<br />
eine konzeptionelle Umstellung vornehmen, indem ich<br />
das Angebot verringere.<br />
Der Rückgang der Nachfrage an gastronomischen<br />
Berufen ist durch den demografi schen Wandel zu<br />
erklären. Man muss verstehen, dass der Beruf des<br />
Kochs durch einen ganz andersartigen Lebensrhythmus<br />
bestimmt ist, als junge Leute es gewohnt sind –<br />
zumindest in der Spitzengastronomie. Man muss an<br />
Wochenenden arbeiten, hat Teildienste – mittags und<br />
abends bis spät in die Nacht –, man muss dem Betrieb<br />
im Prinzip den ganzen Tag zur Verfügung stehen.<br />
Da hilft auch kein Stündchen Mittagspause, denn was<br />
können die Jungköche damit anfangen, wenn sie<br />
FOUR I 17
food kolumne<br />
eine Stunde später gleich wieder im Betrieb<br />
sein müssen?<br />
Die Rahmenbedingungen, unter denen<br />
die Mitarbeiter der Spitzengastronomie<br />
arbeiten, sind definitiv unangenehm und<br />
keineswegs attraktiv. Kein Wunder also,<br />
dass das Interesse bestenfalls zögerlich ist.<br />
Vor einigen Jahren, als die Arbeitslosigkeit<br />
bei 4,5 Millionen lag, und viele auf der Straße<br />
gestanden und gar nichts bekommen haben,<br />
da hatten wir eine Vielzahl an Einsteigern zur<br />
Verfügung, die so einen Beruf sonst gar nicht<br />
gewählt hätten. Aber jetzt, wo sich die Betriebe<br />
wieder nach Auszubildenden umsehen und<br />
die Auszubildenden die Wahl haben, bleibt die<br />
Gastronomie auf der Strecke.<br />
Die Lösung? Es müssen schlicht und<br />
einfach attraktivere Arbeitszeiten eingeführt<br />
werden. Das heißt, statt zwei Schichten am<br />
Tag nur noch einen Service – mittags oder<br />
abends, je nachdem, wann das Geschäft<br />
besser läuft.<br />
Und selbstverständlich müssen<br />
attraktivere Löhne geschaffen werden. Ein<br />
auszubildender Koch verdiente letztes Jahr*<br />
€638 im Monat (und nur €505 in den neuen<br />
Bundesländern!); im Vergleich zum Gehalt<br />
eines Bürokaufmanns mit €841 ist das<br />
markant weniger. Man kann sich folglich als<br />
Koch nicht unbedingt reich verdienen. Nur<br />
wenige Köche haben es in diesem Sinn zu<br />
etwas gebracht.<br />
Zudem wünsche ich mir, dass alle<br />
Ausbildungsplätze, die zur Verfügung<br />
stehen, auch belegt werden, zumindest in<br />
den Betrieben, wo das Berufsbild qualitativ<br />
hochwertig ist.<br />
Jetzt sind die Unternehmen gefordert:<br />
Schafft bessere Anreize, damit wir wieder<br />
positiv in die Zukunft blicken und gut<br />
ausgebildete Köche bekommen können!<br />
Wenn nicht bald etwas passiert, um<br />
wieder junge Talente in die Küchen zu holen,<br />
dann wird die Vielfalt unserer Speisekarten,<br />
und womöglich auch die Qualität und<br />
Kreativität hierzulande, verlustreich werden.<br />
Womit kann ich nun also schließen, nach<br />
solch scheinbar trostlosen Gegenwartsund<br />
Zukunftsszenarien? Ich finde, der<br />
Beruf Koch ist einer der schönsten, die<br />
man sich vorstellen kann. Die meisten<br />
gastronomischen Betriebe sind heutzutage<br />
mit modernsten Geräten ausgestattet,<br />
deren Handhabung fast spielerisch Spaß<br />
macht. Andererseits sind Restaurants oft<br />
in Kulturstätten angesiedelt, wo schon<br />
das Ambiente und der Arbeitsplatz an sich<br />
einen Reiz vermitteln. Außerdem arbeitet<br />
man mit Menschen – teils ambitioniert, teils<br />
fantasievoll – aber immer im Team. Und nicht<br />
zuletzt kann man seiner eigenen Kreativität<br />
freien Lauf lassen und die Veredelung von<br />
Produkten neu erfinden.<br />
Was gibt es folglich Schöneres und<br />
Außerordentlicheres als den Beruf des<br />
Kochs?<br />
* Datenbank Ausbildungsvergütungen<br />
2012, Bundesinstitut für Berufsbildung<br />
© Liesa Johanssen<br />
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