Stichworte und Ergänzungen zu Mathematische Methoden der Physik

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146 13 Wirkungsprinzip Bei jeder Lagrangefunktion kann man für jede gegebene infinitesimale Transformation δx i (t, x, v) nach Ausrechnen von δL leicht entscheiden, ob sie eine infinitesimalen Symmetrie ist. Die Funktion δL der Jetvariablen läßt sich genau dann als Ableitung d t K schreiben, wenn die Eulerableitung von δL verschwindet (13.57). Umgekehrt gehört gemäß (10.2) zu jeder Erhaltungsgröße eine infinitesimale Symmetrie der Wirkung! Denn eine Jetfunktion Q(t, x, v) ist eine Erhaltungsgröße, wenn ihre Zeitableitung aufgrund der Bewegungsgleichungen verschwindet, also wenn sich ihre Zeitableitung als Vielfaches der Eulerableitungen ˆ∂L ˆ∂x und eventuell von den Ableitungen der i Eulerableitungen 4 schreiben läßt d t Q + R i 0 ˆ∂L ˆ∂x i + Ri 1 d t ˆ∂L ˆ∂x i = 0 . (13.63) Die Größen R i 0 und R i 1 hängen auf nicht weiter festgelegte Art von den Jetvariablen ab. Fassen wir die Terme mit der Produktregel zusammen, so ist die Definitionsgleichung einer Erhaltungsgröße die Definition einer infinitesimalen Symmetrie (13.60) ( d t Q + R i ˆ∂L ) ( 1 + R i )ˆ∂L ˆ∂x i 0 − d t R i 1 ˆ∂x = 0 . (13.64) i Die Wirkung ist also unter der infinitesimalen Transformation δx i = R i 0 − d tR i 1 (13.65) bis auf Randterme invariant. Die Erhaltungsgröße Q stimmt auf physikalischen Bahnen mit Q überein (13.44) Q = Q + R i 1 ˆ∂L ˆ∂x i , Q ◦ ˆf phys = Q ◦ ˆf phys . (13.66) Der Zusammenhang von Symmetrien und Erhaltungsgrößen (13.60) ist von Emmy Noether 1918 formuliert worden. Noethertheorem: Zu jeder infinitesimalen Symmetrie der Wirkung gehört eine Erhaltungsgröße. Umgekehrt gehört zu jeder Erhaltungsgröße eine infinitesimale Symmetrie der Wirkung. Am Noethertheorem ist nichts zu beweisen, man muß nur erkennen, daß die Definition (13.60) einer infinitesimalen Symmetrie der Wirkung eine Erhaltungsgröße definiert und daß umgekehrt die Definition einer Erhaltungsgröße eine infinitesimale Symmetrie definiert. Das Theorem ist deshalb wichtig, weil häufig Symmetrien der Wirkung offensichtlich sind und als geometrische Eigenschaft einfach durch Ansehen gefunden werden können. Anders als bei der Herleitung der Variationsableitung kann man bei infinitesimalen Transformationen nicht unterstellen, daß sie am Rand verschwinden. So eingeschränkt definiert, würde nicht zu jeder Erhaltungsgröße eine infinitesimale Symmetrie gehören. 4 Falls höhere Ableitungen von ˆ∂L ˆ∂x i auftreten, wälzt man auch sie mit der Produktregel ab.

147 Erhaltungsgrößen sind ausschlaggebend für die Frage, ob die Bewegungsgleichungen integrabel sind, das heißt, ob sich die Lösungen durch Rechenoperationen wie Integrieren gegebener Funktionen und Auflösen implizit gegebener Funktionen angeben lassen. Ohne die Herleitung oder auch nur die verwendeten Begriffe zu erklären, sei hier nur raunend angemerkt: Betreffen die Bewegungsgleichungen N Freiheitsgrade, so sind die Gleichungen genau dann integrabel, wenn es ebenso viele unabhängige Erhaltungsgrößen Q 1 , Q 2 . . .Q N gibt, die in Involution sind, das heißt, ihre zugehörigen infinitesimale Transformationen δ i müssen hintereinander ausgeführt, wie bei Verschiebungen, zu einem Ergebnis führen, das nicht von der Reihenfolge abhängt, δ i δ j = δ j δ i . Ändert man integrable Bewegungsgleichungen durch Zusatzterme ab, so führen solche Störungen integrabler Bewegung, selbst wenn sie klein sind, zu chaotischen Bahnen, deren Langzeitentwicklung man wegen der nur ungenau bekannten Anfangswerte und wegen der Rundungsfehler numerisch nicht bestimmen kann. Die chaotischen Bahnen haben zwar im Raum aller Bahnen nur ein kleines Maß, das heißt, sie sind vergleichsweise unwahrscheinlich. Aber sie liegen dicht: in jeder Umgebung von stabilen Bahnen gibt es chaotische Bahnen. Die Herleitung und Diskussion dieser angedeuteten Erkenntnisse füllt Bücher [2, 3, 8, 15], auf die hier nur verwiesen sei. Über die Tatsache hinaus, daß Symmetrien der Wirkung mit Erhaltungsgrößen zusammenhängen, sind Symmetrien wichtig, weil man aus einer Lösung der Bewegungsgleichungen durch Symmetrietransformationen weitere Lösungen gewinnen kann. Zum Beispiel erhält man in der Allgemeinen Relativitätstheorie das Gravitationsfeld einer gleichförmig bewegten Masse aus demjenigen der ruhenden Masse durch eine Lorentztransformation und kann daraus ohne weiteres schließen, daß die zusätzliche, kinetische Energie keinen gravitativen Kollaps verursacht. Transformationen, die Lösungen von Bewegungsgleichungen auf Lösungen abbilden, sind nicht unbedingt Symmetrien der Wirkung. Zum Beispiel werden die Lösungen f : t ↦→ f(t) = − 1 2 g t2 + v 0 t + x 0 der Bewegungsgleichung ẍ = −g eines senkrecht fallenden Teilchens durch T λ f : t ↦→ e 2λ f(e −λ t) auf Lösungen abgebildet, aber die infinitesimale Transformation δx = 2x − t v läßt die Lagrangefunktion L = 1 2 m v2 − m g x nicht invariant, δL = d t (−tL ) + 5L + 2m g x ≠ d t K . Die kinetische Energie E kin = 1 2 m⃗v2 eines nichtrelativistischen Teilchens ist invariant unter Drehungen und Verschiebungen. Sie hängt nicht davon ab, wo das sich bewegende Teilchen ist und nicht davon, in welche Richtung es sich bewegt. Besteht die Lagrangefunktion aus solch einer verschiebungsinvarianten kinetischen Energie und ist die potentielle Energie in einer Richtung c k konstant V(x k ) = V(x k + λc k ), so ist die Lagrangefunktion unter dieser Verschiebung invariant, δL = 0 . Die zur infinitesimalen Verschiebung δx k = c k gehörige Erhaltungsgröße (13.61) c k∂L ∂v k = ck p k , p k = m v k (13.67) ist definitionsgemäß der nichtrelativistische Impuls ⃗p in Richtung des Vektors ⃗c. Verschiebungsinvarianz ist die Ursache von Impulserhaltung. Eine Variable x 1 , die in der Lagrangefunktion nur mit ihrer Geschwindigkeit v 1 auftritt,

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Erhaltungsgrößen sind ausschlaggebend für die Frage, ob die Bewegungsgleichungen<br />

integrabel sind, das heißt, ob sich die Lösungen durch Rechenoperationen wie Integrieren<br />

gegebener Funktionen <strong>und</strong> Auflösen implizit gegebener Funktionen angeben lassen.<br />

Ohne die Herleitung o<strong>der</strong> auch nur die verwendeten Begriffe <strong>zu</strong> erklären, sei hier nur<br />

raunend angemerkt: Betreffen die Bewegungsgleichungen N Freiheitsgrade, so sind die<br />

Gleichungen genau dann integrabel, wenn es ebenso viele unabhängige Erhaltungsgrößen<br />

Q 1 , Q 2 . . .Q N gibt, die in Involution sind, das heißt, ihre <strong>zu</strong>gehörigen infinitesimale<br />

Transformationen δ i müssen hintereinan<strong>der</strong> ausgeführt, wie bei Verschiebungen, <strong>zu</strong> einem<br />

Ergebnis führen, das nicht von <strong>der</strong> Reihenfolge abhängt, δ i δ j = δ j δ i .<br />

Än<strong>der</strong>t man integrable Bewegungsgleichungen durch Zusatzterme ab, so führen solche<br />

Störungen integrabler Bewegung, selbst wenn sie klein sind, <strong>zu</strong> chaotischen Bahnen,<br />

<strong>der</strong>en Langzeitentwicklung man wegen <strong>der</strong> nur ungenau bekannten Anfangswerte <strong>und</strong><br />

wegen <strong>der</strong> R<strong>und</strong>ungsfehler numerisch nicht bestimmen kann. Die chaotischen Bahnen<br />

haben zwar im Raum aller Bahnen nur ein kleines Maß, das heißt, sie sind vergleichsweise<br />

unwahrscheinlich. Aber sie liegen dicht: in je<strong>der</strong> Umgebung von stabilen Bahnen gibt es<br />

chaotische Bahnen. Die Herleitung <strong>und</strong> Diskussion dieser angedeuteten Erkenntnisse füllt<br />

Bücher [2, 3, 8, 15], auf die hier nur verwiesen sei.<br />

Über die Tatsache hinaus, daß Symmetrien <strong>der</strong> Wirkung mit Erhaltungsgrößen <strong>zu</strong>sammenhängen,<br />

sind Symmetrien wichtig, weil man aus einer Lösung <strong>der</strong> Bewegungsgleichungen<br />

durch Symmetrietransformationen weitere Lösungen gewinnen kann. Zum<br />

Beispiel erhält man in <strong>der</strong> Allgemeinen Relativitätstheorie das Gravitationsfeld einer<br />

gleichförmig bewegten Masse aus demjenigen <strong>der</strong> ruhenden Masse durch eine Lorentztransformation<br />

<strong>und</strong> kann daraus ohne weiteres schließen, daß die <strong>zu</strong>sätzliche, kinetische<br />

Energie keinen gravitativen Kollaps verursacht.<br />

Transformationen, die Lösungen von Bewegungsgleichungen auf Lösungen abbilden,<br />

sind nicht unbedingt Symmetrien <strong>der</strong> Wirkung. Zum Beispiel werden die Lösungen f :<br />

t ↦→ f(t) = − 1 2 g t2 + v 0 t + x 0 <strong>der</strong> Bewegungsgleichung ẍ = −g eines senkrecht fallenden<br />

Teilchens durch T λ f : t ↦→ e 2λ f(e −λ t) auf Lösungen abgebildet, aber die infinitesimale<br />

Transformation δx = 2x − t v läßt die Lagrangefunktion L = 1 2 m v2 − m g x nicht<br />

invariant, δL = d t (−tL ) + 5L + 2m g x ≠ d t K .<br />

Die kinetische Energie E kin = 1 2 m⃗v2 eines nichtrelativistischen Teilchens ist invariant<br />

unter Drehungen <strong>und</strong> Verschiebungen. Sie hängt nicht davon ab, wo das sich bewegende<br />

Teilchen ist <strong>und</strong> nicht davon, in welche Richtung es sich bewegt. Besteht die<br />

Lagrangefunktion aus solch einer verschiebungsinvarianten kinetischen Energie <strong>und</strong> ist<br />

die potentielle Energie in einer Richtung c k konstant V(x k ) = V(x k + λc k ), so ist die<br />

Lagrangefunktion unter dieser Verschiebung invariant, δL = 0 .<br />

Die <strong>zu</strong>r infinitesimalen Verschiebung δx k = c k gehörige Erhaltungsgröße (13.61)<br />

c k∂L<br />

∂v k = ck p k , p k = m v k (13.67)<br />

ist definitionsgemäß <strong>der</strong> nichtrelativistische Impuls ⃗p in Richtung des Vektors ⃗c. Verschiebungsinvarianz<br />

ist die Ursache von Impulserhaltung.<br />

Eine Variable x 1 , die in <strong>der</strong> Lagrangefunktion nur mit ihrer Geschwindigkeit v 1 auftritt,

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