02.02.2014 Aufrufe

Claudia Thurner Moor, 31.10.2008 PDF - Oekotoxzentrum

Claudia Thurner Moor, 31.10.2008 PDF - Oekotoxzentrum

Claudia Thurner Moor, 31.10.2008 PDF - Oekotoxzentrum

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Eröffnung des Ökotoxzentrums:<br />

Angewandte, unabhängige Toxikologie-Forschung startet durch<br />

Risiken von Chemikalien sollen in der Schweiz besser erforscht werden. Mit dem gestern neu<br />

eröffneten Zentrum für angewandte Ökotoxikologie in Dübendorf wird der vom Parlament<br />

geforderten unabhängigen Toxikologieforschung in der Schweiz Rechnung getragen. Weitere<br />

Schwerpunkte im Bereich Toxikologie bilden die Beratung, Ausbildung und Vernetzung. Das<br />

Zentrum, welches vom Wasserforschungsinstitut EAWAG und der Eidgenössisch Technischen<br />

Hochschule Lausanne EPFL getragen und in den kommenden vier Jahren vom Bund finanziert<br />

wird, widmete sich am Eröffnungsanlass dem Fachthema der Nanopartikel.<br />

Text: <strong>Claudia</strong> <strong>Thurner</strong> <strong>Moor</strong><br />

Umweltkatastrophen – wie jene von Seveso oder Bhopal – verursacht durch unsachgemässe<br />

Handhabung von Chemikalien lassen uns beim Erinnern noch immer erschauern. Doch wie steht es<br />

mit den unzähligen synthetischen Substanzen, wie beispielsweise Fungizide, Düngemittel, Altlasten<br />

aus Deponien, synthetisch hergestellten Nanopartikeln oder auch Medikamenten, die täglich, teilweise<br />

in kleinsten Mengen, freigesetzt werden und damit unsere Umwelt und somit auch unsere Gesundheit<br />

beeinflussen? Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD schätzt,<br />

dass die Produktionszunahme der chemischen Industrie von 400 Millionen Tonnen im Jahr 2002 bis<br />

zum Jahre 2020 um 85 Prozent zunimmt. Es sollen rund 80'000 bis 100'000 Substanzen in der<br />

Umwelt zirkulieren, deren Toxizität bezüglich neu erkannter Wirkungen nachuntersucht werden<br />

müssen – durch unabhängige Instanzen wohlgemerkt, so dass objektive Resultate erhalten werden<br />

können.<br />

Eröffnung des neuen Ökotoxzentrums in Dübendorf<br />

Dass ein Zentrum mit „unabhängiger Kompetenz, Quelle für Forschung, Beratung und Weiterbildung<br />

in Ökotoxikologie“ innerhalb von sechs Jahren neu gegründet werden konnte, schreibt Georg<br />

Karlaganis vom Bundesamt für Umwelt BAFU einer ganzen Reihe von Zufällen zu. Er wünscht dem<br />

neueröffneten Ökotoxzentrum – nach einer wechselvollen Geschichte der Toxikologieforschung in der<br />

Schweiz – einen schwungvollen Start und langes Bestehen: „Was lange währt wird endlich gut!“<br />

Mit ihrer Motion „unabhängige Toxikologieforschung in der Schweiz“ im Jahr 2002 hat Nationalrätin<br />

Maya Graf wesentlich zum Gelingen der Zentrumsgründung beigetragen. Ihr Hinweis auf die Lücken<br />

in der Toxikologieforschung und –ausbildung gab den politischen Anstoss zur Gründung: “Das neue<br />

Zentrum ist enorm wichtig und kommt in Anbetracht der heutigen Situation keinen Tag zu früh”, ist sie<br />

überzeugt. Eine unabhängige Forschungsstelle sei von ausserordentlicher Wichtigkeit, nicht zuletzt für<br />

den Vollzug durch den Bund und die Kantonsbehörden – ist doch das „Vorsorgeprinzip Umwelt und<br />

Gesundheit“ in der Bundesverfassung verankert.<br />

Das Ökotoxikologiezentrum, welches von der Eidgenössisch Technischen Hochschule Lausanne<br />

EPFL und dem Wasserforschungsinstitut des Bundes EAWAG in Dübendorf getragen und in letzterem<br />

angesiedelt ist, wird in den kommenden vier Jahren mit acht Millionen Franken vom Bund finanziert.<br />

Die seit Juni dieses Jahres amtierende Geschäftsführerin Almut Gerhardt ist zuversichtlich, dass das<br />

Zentrum seinem Ziel, eine „Antennen- und Adlerfunktion“ einzunehmen, gerecht werden wird: „Durch<br />

Kooperationen zur Früherkennung und der Lösung praktischer Probleme, wollen wir Risiken mit<br />

Chemikalien in der Umwelt früh erkennen, beurteilen und dazu beitragen, diese zu minimieren.“<br />

Neben dem Wissenstransfer und der Aus- und Weiterbildung von Fachleuten nimmt die Forschung<br />

und Entwicklung in angewandter Ökotoxikologie einen wichtigen Platz ein. Bereits in den ersten<br />

Monaten des Zentrums wurden Forschungsprojekte initiiert, wie etwa die toxische Abklärung von<br />

Epoxidharzen, welche heute zur Innenbeschichtung von undichten Wasserleitungen eingesetzt<br />

werden. Ein ebenfalls bereits laufendes Projekt hat die Erfassung toxischer Effekte von Silber-<br />

Nanopartikeln zum Ziel, welche in Fassadenfarben und Wäschereiabwässern in Einsatz kommen. „Mit<br />

einer multimetrischen und modular aufgebauten Sensorplattform wollen wir eine einfach zu<br />

handhabende Ausrüstung zur chemischen, biologischen und ökotoxikologischen Bewertung der<br />

Wasserqualität mit Kooperationspartnern entwickeln“, beschreibt sie ein weiteres Projekt.


Nanopartikel in der Umwelt: Potente Zwerge oder Giftzwerge?<br />

Die Anwendungsmöglichkeiten der Nanotechnologie, der Wissenschaft, welche sich mit kleinsten<br />

Strukturen beschäftigt, sind vielversprechend. Sie reichen von schlagfesten Beschichtungen,<br />

selbstreinigenden Fenstergläsern, transparenten Sonnencremes, energieeffizienten, da leichten<br />

Materialien bis hin zu modernen Textilien. Bereits sind einige dieser „Nanotech-Produkte“ auf dem<br />

Markt erhältlich. Viele befinden sich noch in der Entwicklungsphase. Mit der zunehmenden<br />

Verbreitung von Nanopartikeln und Berichten über entsprechende Zukunftsvisionen wachsen<br />

allerdings auch die Bedenken über mögliche negative Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt.<br />

Fluch oder Segen? „Einerseits eröffnen Nanopartikel Möglichkeiten für umweltschonende<br />

Alternativen“, führt Almut Gerhardt im zweiten Teil des Eröffnungsanlasses aus. Andererseits gäbe es<br />

auch zahlreiche Hinweise auf mögliche Risiken, welche einer toxikologischen Untersuchung<br />

bedürften. Obwohl bereits einige Fakten bekannt sind – „Nanopartikel interagieren mit biologischen<br />

Molekülen, überwinden biologische Barrieren und können die Toxizität erhöhen”, wie Kristin Schirmer<br />

von der EAWAG ausführte – sind noch ausführliche Abklärungen und Untersuchungen nötig. „Nicht<br />

zuletzt deshalb wurde ein neues nationales Forschungsprojekt „Chancen und Risiken synthetischer<br />

Nanomaterialien“ NFP 64 ins Leben gerufen“, wie Christof Studer vom BAFU betonte. In<br />

Zusammenarbeit mit anderen Bundesämtern und Industrievertretern arbeitet er am Aktionsplan<br />

„Synthetische Nanomaterialien“. Dieser soll aufzeigen, wie in den nächsten Jahren eine<br />

verantwortungsbewusste Entwicklung im Bereich der synthetischen Nanomaterialien sichergestellt<br />

werden kann.<br />

Grundlage dieser Abschätzungen werden die Ergebnisse von Forschungsanstrengungen sein. „Es ist<br />

ausgesprochen schwierig, natürliche von synthetischen Nanopartikeln zu unterscheiden und in der<br />

Umwelt nachzuweisen“, führte Ralf Kägi von der EAWAG aus. In Kooperation mit der EMPA und dem<br />

neu gegründeten Ökotoxzentrum untersucht er den Weg, welche die Silbernanopartikel nach der<br />

Auswaschung aus Häuserfassaden bis hin zum Eintritt in ein Gewässer nehmen. Mit Modellierungen<br />

und Stoffflussanalysen trägt Bernd Nowack von der EMPA ebenfalls in diesem Bereich zur<br />

Risikoabschätzung bei. Zudem wies er auf die enorme Wichtigkeit der Technologiefolgenabschätzung<br />

und der Risikokommunikation hin. Dem pflichtet auch Richard Gamma Vizedirektor der<br />

Schweizerischen Gesellschaft der Chemischen Industrie SGCI bei:“ Die neuen Eigenschaften und<br />

noch vorhandene Wissenslücken sind Ursache dafür, dass in der Diskussion auf mögliche Risiken und<br />

Gefahren aufmerksam gemacht wird, wobei Fragen zu Umwelt- und Gesundheitsschutz, aber auch<br />

gesellschaftliche und ethische Fragen aufgeworfen werden.“ Die Eröffnung des<br />

Ökotoxikologiezentrums schient in der Tat keine Minute zu früh zu kommen. „Das Zentrum übernimmt<br />

die Rolle der Informationsdrehscheibe und unterstützt die Industrie bei freiwilligen Massnahmen. Es<br />

berät die Behörden bei der Entwicklung von Testvorschriften und ist aktiv in der Aufklärung der<br />

Öffentlichkeit“, schliesst Almut Gerhardt den Eröffnungsanlass.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!