Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) - rehmnetz.de
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IX R 41/91 – BStBl. II, S. 621). Gleiches gilt, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nach Bestandskraft <strong>de</strong>r<br />
Steuerfestsetzung erstmals einen nicht fristgebun<strong>de</strong>nen Antrag auf Gewährung einer Steuervergünstigung stellt<br />
und hierzu entsprechen<strong>de</strong> (neue) Tatsachen vorträgt (BFH-Urteil vom 21.7.1989 – III R 303/84 – BStBl. II,<br />
S. 960). Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen setzt jedoch auch in diesen<br />
Fällen voraus, dass ihn am nachträglichen Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Tatsachen kein grobes<br />
Verschul<strong>de</strong>n trifft (vgl. Nr. 5).<br />
4. Ermittlungsfehler <strong>de</strong>s Finanzamts<br />
4.1 Nach <strong>de</strong>m Grundsatz von Treu und Glauben kann das Finanzamt – auch wenn es von einer<br />
rechtserheblichen Tatsache o<strong>de</strong>r einem rechtserheblichen Beweismittel nachträglich Kenntnis erhält – daran<br />
gehin<strong>de</strong>rt sein, einen Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zu än<strong>de</strong>rn<br />
(BFH-Urteil vom 13.11.1985 – II R 208/82 – BStBl. 1986 II, S. 241). Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die ihm<br />
obliegen<strong>de</strong>n Mitwirkungspflichten in zumutbarer Weise erfüllt, kommt eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1<br />
nicht in Betracht, wenn die spätere Kenntnis <strong>de</strong>r Tatsache o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Beweismittels auf einer Verletzung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />
Finanzamt obliegen<strong>de</strong>n Ermittlungspflicht beruht. Das Finanzamt braucht <strong>de</strong>n Steuerklärungen nicht mit<br />
Misstrauen zu begegnen, son<strong>de</strong>rn darf regelmäßig von <strong>de</strong>ren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen; veranlagt<br />
es aber trotz bekannter Zweifel an <strong>de</strong>r Richtigkeit <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen endgültig, so ist eine spätere<br />
Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung nach <strong>de</strong>m Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil<br />
vom 27.10.1992 – VIII R 41/89 – BStBl. 1993 II, S. 569). Zum Umfang <strong>de</strong>r Ermittlungspflicht <strong>de</strong>s Finanzamts<br />
vgl. auch zu § 88.<br />
4.1.1 Sind sowohl das Finanzamt seiner Ermittlungspflicht als auch <strong>de</strong>r Steuerpflichtige seiner<br />
Mitwirkungspflicht nicht in vollem Umfang nachgekommen, so fällt das nachträgliche Bekanntwer<strong>de</strong>n einer<br />
rechtserheblichen Tatsache o<strong>de</strong>r eines rechtserheblichen Beweismittels in <strong>de</strong>r Regel in <strong>de</strong>n<br />
Verantwortungsbereich <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen mit <strong>de</strong>r Folge, dass eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Steuerbescheids nach § 173<br />
Abs. 1 Nr. 1 zulässig ist (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.1987 – I R 108/85 – BStBl. 1988 II, S. 115). Eine<br />
entsprechen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung schei<strong>de</strong>t lediglich dann aus, wenn <strong>de</strong>r Verstoß <strong>de</strong>s Finanzamts <strong>de</strong>utlich überwiegt<br />
(BFH-Urteil vom 20.12.1988 – VIII R 121/83 – BStBl. 1989 II, S. 585).<br />
4.1.2 Än<strong>de</strong>rt das Finanzamt einen bestandskräftigen Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1, trägt <strong>de</strong>r<br />
Steuerpflichtige die objektive Beweislast, wenn er eine Verletzung <strong>de</strong>r Ermittlungspflichten durch das Finanzamt<br />
rügt (BFH-Urteil vom 19.5.1998 – I R 140/97 – BStBl. II, S. 599).<br />
4.2 Auf neue Tatsachen, die nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 eine niedrigere Steuerfestsetzung rechtfertigen, sind die in<br />
Nr. 4.1 dargestellten Grundsätze nicht anzuwen<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 13.4.1967 – V 57/65 – BStBl. III, S. 519,<br />
und vom 26.11.1996 – IX R 77/95 – BStBl. 1997 II, S. 422; vgl. Nr. 2.2). Hier ist jedoch zu prüfen, ob <strong>de</strong>n<br />
Steuerpflichtigen ein grobes Verschul<strong>de</strong>n am nachträglichen Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r neuen Tatsachen trifft (vgl.<br />
Nr. 5).<br />
Im Rahmen <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 Nr. 2 kann eine Tatsache allerdings nicht zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen als<br />
bereits bekannt gelten, wenn <strong>de</strong>r zuständige Bearbeiter sie lediglich hätte kennen können o<strong>de</strong>r kennen müssen.<br />
Das Finanzamt kann sich in diesem Fall nicht auf sein eigenes Versäumnis o<strong>de</strong>r Verschul<strong>de</strong>n berufen (vgl. BFH-<br />
Urteil vom 26.11.1996 – IX R 77/95 – BStBl. 1997 II, S. 422).<br />
5. Grobes Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />
5.1 Die Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist grundsätzlich<br />
ausgeschlossen, wenn <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen ein grobes Verschul<strong>de</strong>n daran trifft, dass die Tatsachen o<strong>de</strong>r<br />
Beweismittel <strong>de</strong>m Finanzamt erst nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>n sind. Als grobes Verschul<strong>de</strong>n hat <strong>de</strong>r<br />
Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn er<br />
die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht<br />
entschuldbarer Weise verletzt (BFH-Urteile vom 3.2.1983 – IV R 153/80 – BStBl. II, S. 324, und vom<br />
18.5.1988 – X R 57/82 – BStBl. II, S. 713). Die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass ihn kein<br />
grobes Verschul<strong>de</strong>n trifft, liegt beim Steuerpflichtigen.<br />
5.1.1 Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Schwere <strong>de</strong>r Verletzung dieser Sorgfaltspflicht sind die Gegebenheiten <strong>de</strong>s<br />
Einzelfalls und die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten <strong>de</strong>s einzelnen Steuerpflichtigen zu berücksichtigen<br />
(BFH-Urteil vom 29.6.1984 – VI R 181/80 – BStBl. 1984 II, S. 693). So kann die Unkenntnis steuerrechtlicher<br />
Bestimmungen allein <strong>de</strong>n Vorwurf groben Verschul<strong>de</strong>ns nicht begrün<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 10.8.1988 –<br />
IX R 219/84 – BStBl. 1989 II, S. 131, vom 22.5.1992 – VI R 17/91 – BStBl. 1993 II, S. 80, und vom<br />
21.9.1993 – IX R 63/90 – BFH/NV 1994 S. 100). Offensichtliche Versehen und alltägliche Irrtümer, die sich nie<br />
ganz vermei<strong>de</strong>n lassen, wie z. B. Verwechslungen, Schreib-, Rechen- o<strong>de</strong>r Übertragungsfehler, rechtfertigen<br />
ebenfalls nicht <strong>de</strong>n Vorwurf <strong>de</strong>s groben Verschul<strong>de</strong>ns; es kann aber vorliegen, wenn das Versehen auf einer<br />
vorangegangenen Verletzung steuerlicher Pflichten beruht.<br />
<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 144 von 235