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Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) - rehmnetz.de

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2.3.3 Für die Frage, ob einem Finanzamt Tatsachen, die zu einer erstmaligen Berücksichtigung o<strong>de</strong>r zu einer<br />

höheren Bewertung eines steuerpflichtigen Sachverhalts von Be<strong>de</strong>utung sind, i. S. v. § 173 Abs. 1 Nr. 1<br />

nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>n sind, kommt es grundsätzlich allein auf die Kenntnis dieses Finanzamts an.<br />

Ermittelt aber ein für die Erbschaft-/Schenkungsteuer zuständiges Finanzamt <strong>de</strong>n Wert einer Beteiligung an einer<br />

Personengesellschaft allein dadurch, dass es diesen aus einem von einem an<strong>de</strong>rem Finanzamt erteilten<br />

Feststellungsbescheid über <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>s Betriebsvermögens <strong>de</strong>r Gesellschaft auf einen vorangegangenen<br />

Bewertungsstichtag ableitet, so macht es sich damit die diesem zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Kenntnisse zu eigen (BFH-<br />

Urteil vom 14.1.1998 – II R 9/97 – BStBl. II, S. 371).<br />

2.3.4 Einmal bekannt gewor<strong>de</strong>ne Tatsachen wer<strong>de</strong>n durch <strong>de</strong>n Wechsel in <strong>de</strong>r Zuständigkeit <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r durch Wechsel <strong>de</strong>s Bearbeiters nicht wie<strong>de</strong>r unbekannt, wenn <strong>de</strong>r zunächst zuständige Bearbeiter die<br />

Tatsachen aktenkundig gemacht hat (vgl. BFH-Urteil vom 15.10.1993 – III R 74/92 – BFH/NV 1994 S. 315).<br />

2.3.5 Dem Finanzamt können auch Tatsachen bekannt sein, die sich aus älteren, bereits archivierten Akten<br />

ergeben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass <strong>zur</strong> Hinzuziehung solcher Vorgänge nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Falles, insbeson<strong>de</strong>re nach <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>r zu bearbeiten<strong>de</strong>n Steuererklärungen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r präsenten Akten, eine<br />

beson<strong>de</strong>re Veranlassung bestand (BFH-Urteil vom 11.2.1998 – I R 82/97 – BStBl. II, S. 552).<br />

2.3.6 Im Rahmen <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 Nr. 2 kann eine Tatsache nicht zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen als bereits<br />

bekannt gelten, wenn <strong>de</strong>r zuständige Bearbeiter sie lediglich hätte kennen können o<strong>de</strong>r kennen müssen; das<br />

Finanzamt kann sich in diesem Fall nicht auf sein eigenes Versäumnis o<strong>de</strong>r Verschul<strong>de</strong>n berufen (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 26.11.1996 – IX R 77/95 – BStBl. 1997 II, S. 422).<br />

2.4 Steuerbescheid i. S. v. § 173 Abs. 1 ist auch ein Bescheid, <strong>de</strong>r einen schon ergangenen Steuerbescheid<br />

inhaltlich abän<strong>de</strong>rt. Tatsachen, die zu einer höheren Besteuerung führen, kann das Finanzamt <strong>de</strong>shalb in einem<br />

weiteren Än<strong>de</strong>rungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 nur berücksichtigen, wenn sie ihm nach Erlass <strong>de</strong>s<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheids bekannt gewor<strong>de</strong>n sind. Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 ist jedoch dann nicht<br />

ausgeschlossen, wenn das Finanzamt im Hinblick auf einen nachträglich ergangenen Grundlagenbescheid<br />

zunächst lediglich eine Än<strong>de</strong>rung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 vorgenommen und dabei Tatsachen unberücksichtigt<br />

gelassen hat, die darüber hinaus eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 gerechtfertigt hätten (BFH-Urteil vom<br />

12.1.1989 – IV R 8/88 – BStBl. II, S. 438).<br />

2.5 Än<strong>de</strong>rt das Finanzamt einen bestandskräftigen Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1, so trägt es die<br />

objektive Beweislast dafür, dass die für die Än<strong>de</strong>rung erfor<strong>de</strong>rlichen tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen,<br />

insbeson<strong>de</strong>re dafür, dass diese „neu“ sind (BFH-Urteil vom 19.5.1998 – I R 140/97 – BStBl. II, S. 599).<br />

3. Rechtserheblichkeit <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel<br />

3.1 Neue Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel können die Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 nur<br />

rechtfertigen, wenn sie rechtserheblich sind. Die Rechtserheblichkeit ist zu bejahen, wenn das Finanzamt bei<br />

rechtzeitiger Kenntnis <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel schon bei <strong>de</strong>r ursprünglichen Veranlagung mit an<br />

Sicherheit grenzen<strong>de</strong>r Wahrscheinlichkeit zu einer höheren o<strong>de</strong>r niedrigeren Steuer gelangt wäre (vgl. BFH-<br />

Beschluss GrS vom 23.11.1987 – GrS 1/86 – BStBl. 1988 II, S. 180). Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 173 hat nicht <strong>de</strong>n<br />

Sinn, <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens dadurch abzunehmen, dass ihm gestattet<br />

wird, sich auf Tatsachen gegenüber <strong>de</strong>m Finanzamt erst dann zu berufen, wenn etwa durch eine spätere<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rechtsprechung eine Rechtslage eintritt, die eine bisher nicht vorgetragene Tatsache nunmehr als<br />

relevant erscheinen lässt.<br />

Ein Steuerbescheid darf daher wegen nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>ner Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel we<strong>de</strong>r<br />

zugunsten noch zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wenn das Finanzamt bei ursprünglicher<br />

Kenntnis <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel nicht an<strong>de</strong>rs entschie<strong>de</strong>n hätte. Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r<br />

Rechtserheblichkeit kommt es nicht darauf an, welche Entscheidung <strong>de</strong>r zuständige Bearbeiter subjektiv bei<br />

Erlass <strong>de</strong>s ursprünglichen Bescheids getroffen hätte. Wie das Finanzamt bei Kenntnis bestimmter Tatsachen o<strong>de</strong>r<br />

Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist vielmehr im Einzelfall<br />

aufgrund <strong>de</strong>s Gesetzes, wie es nach <strong>de</strong>r damaligen Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH auszulegen war, und <strong>de</strong>r die<br />

Finanzämter bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt <strong>de</strong>s ursprünglichen<br />

Beschei<strong>de</strong>rlasses gegolten haben (vgl. BFH-Urteile vom 11.5.1988 – I R 216/85 – BStBl. II, S. 715, vom<br />

15.1.1991 – IX R 238/87 – BStBl. II, S. 741, und vom 10.3.1999 – II R 99/97 – BStBl. II, S. 433). Subjektive<br />

Fehler <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n, wie sie sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht <strong>de</strong>nkbar sein mögen,<br />

sind unbeachtlich (BFH-Urteil vom 11.5.1988 – I R 216/85 – BStBl. II, S. 715).<br />

3.2 Die erstmalige Ausübung eines nicht fristgebun<strong>de</strong>nen Wahlrechts nach Bestandskraft <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung<br />

(vgl. vor §§ 172 bis 177, Nr. 8) ist keine neue Tatsache, sie steht einer Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 aber<br />

nicht entgegen, sofern die für die Ausübung <strong>de</strong>s Wahlrechts relevanten Tatsachen nachträglich bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>n sind (BFH-Urteile vom 28.9.1984 – VI R 48/82 – BStBl. 1985 II, S. 117, und vom 25.2.1992 –<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 143 von 235

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