Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) - rehmnetz.de

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Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) i.d.F. vom 2.1.2008 (BStBl. I S. 26), zuletzt geändert durch BMF-Schreiben vom 31.1.2013 (BStBl. I S. 118) Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung der Abgabenordnung Folgendes: Zu § 1 – Anwendungsbereich: 1. Der Anwendungsbereich beschränkt sich auf die Steuern einschließlich der Steuervergütungen. Die AO gilt auch für Steuererstattungen; diese sind als Umkehr der Steuerentrichtung bereits durch den Begriff der Steuer in den Anwendungsbereich mit einbezogen (§ 37 Abs. 1). 2. Für die von den Finanzbehörden verwalteten, durch Bundesrecht geregelten übrigen öffentlich-rechtlichen Abgaben, Prämien und Zulagen wird die Geltung der AO durch die jeweiligen Rechtsvorschriften bestimmt. Dies gilt insbesondere für die Wohnungsbauprämien, Eigenheimzulagen, Arbeitnehmer-Sparzulagen und die Investitionszulagen. 3. Die Vorschriften der AO sind grundsätzlich sinngemäß auch auf die steuerlichen Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4) anzuwenden. Ausgenommen sind die Bestimmungen über die Festsetzung, Außenprüfung, Steuerfahndung und Steueraufsicht in besonderen Fällen (§§ 155 bis 217), soweit sie nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt worden sind (§ 155 Abs. 3 Satz 2, § 156 Abs. 2). 4. Die AO ist auch für die Angelegenheiten anzuwenden, die nicht unmittelbar der Besteuerung dienen, aber aufgrund der Verwaltungskompetenz für diese Steuern in den Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörden fallen (z. B. Erteilung von Bescheinigungen in Steuersachen, Ausstellung von Einkommensbescheinigungen für nichtsteuerliche Zwecke). 5. Wegen der Anwendung der AO bei der Leistung von Rechts- oder Amtshilfe wird auf die §§ 111 ff. hingewiesen. Zu § 3 – Steuern, steuerliche Nebenleistungen: Steuerliche Nebenleistungen sind keine Steuern. Sie sind in § 3 Abs. 4 abschließend aufgezählt. Wegen der Anwendung der AO auf steuerliche Nebenleistungen wird auf § 1 hingewiesen. © Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620 Zu § 4 – Gesetz: Bei der Auslegung von Steuergesetzen gelten die allgemeinen Auslegungsregeln und damit auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise, so wie sie ihren Niederschlag in der Rechtsprechung gefunden hat (vgl. BVerfG vom 24.1.1962 – 1 BvR 232/60 – BStBl. 1962 I, S. 506). Zu § 5 – Ermessen: 1. Bei der Ausübung des Ermessens sind nicht nur die in einzelnen gesetzlichen Bestimmungen vorgeschriebenen Voraussetzungen, sondern auch die Grundsätze der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der Verhältnismäßigkeit der Mittel, der Erforderlichkeit, der Zumutbarkeit, der Billigkeit und von Treu und Glauben sowie das Willkürverbot und das Übermaßverbot zu beachten. Verwaltungsvorschriften, die die Ausübung des Ermessens regeln, sind für die Finanzbehörden bindend. 2. Wegen der Begründung von Ermessensentscheidungen wird auf § 121, wegen Rücknahme und Widerruf auf §§ 130 und 131 hingewiesen. Zu § 7 – Amtsträger: 1. Der Begriff des Amtsträgers ist u. a. im Zusammenhang mit dem Steuergeheimnis (§ 30), der Haftungsbeschränkung (§ 32), der Ausschließung und Ablehnung von Personen in einem Verwaltungsverfahren (§§ 82 ff.) und bei der Selbstanzeige (§ 371 Abs. 2) von Bedeutung. Die Bestimmung entspricht § 11 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StGB. 2. Die in § 7 Nrn. 1 und 2 genannten Personen sind ohne Rücksicht auf Art und Inhalt der ausgeübten Tätigkeit Amtsträger. 3. Die in § 7 Nr. 3 aufgeführten Personen sind nur Amtsträger, soweit sie Aufgaben der öffentlichen Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 1 von 235

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>)<br />

i.d.F. vom 2.1.2008 (BStBl. I S. 26),<br />

zuletzt geän<strong>de</strong>rt durch BMF-Schreiben vom 31.1.2013 (BStBl. I S. 118)<br />

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis <strong>de</strong>r Erörterungen mit <strong>de</strong>n obersten Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r gilt für die<br />

Anwendung <strong>de</strong>r <strong>Abgabenordnung</strong> Folgen<strong>de</strong>s:<br />

Zu § 1 – Anwendungsbereich:<br />

1. Der Anwendungsbereich beschränkt sich auf die Steuern einschließlich <strong>de</strong>r Steuervergütungen. Die AO gilt<br />

auch für Steuererstattungen; diese sind als Umkehr <strong>de</strong>r Steuerentrichtung bereits durch <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r<br />

Steuer in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich mit einbezogen (§ 37 Abs. 1).<br />

2. Für die von <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n verwalteten, durch Bun<strong>de</strong>srecht geregelten übrigen öffentlich-rechtlichen<br />

Abgaben, Prämien und Zulagen wird die Geltung <strong>de</strong>r AO durch die jeweiligen Rechtsvorschriften bestimmt.<br />

Dies gilt insbeson<strong>de</strong>re für die Wohnungsbauprämien, Eigenheimzulagen, Arbeitnehmer-Sparzulagen und die<br />

Investitionszulagen.<br />

3. Die Vorschriften <strong>de</strong>r AO sind grundsätzlich sinngemäß auch auf die steuerlichen Nebenleistungen (§ 3<br />

Abs. 4) anzuwen<strong>de</strong>n. Ausgenommen sind die Bestimmungen über die Festsetzung, Außenprüfung,<br />

Steuerfahndung und Steueraufsicht in beson<strong>de</strong>ren Fällen (§§ 155 bis 217), soweit sie nicht ausdrücklich für<br />

anwendbar erklärt wor<strong>de</strong>n sind (§ 155 Abs. 3 Satz 2, § 156 Abs. 2).<br />

4. Die AO ist auch für die Angelegenheiten anzuwen<strong>de</strong>n, die nicht unmittelbar <strong>de</strong>r Besteuerung dienen, aber<br />

aufgrund <strong>de</strong>r Verwaltungskompetenz für diese Steuern in <strong>de</strong>n Zuständigkeitsbereich <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

fallen (z. B. Erteilung von Bescheinigungen in Steuersachen, Ausstellung von Einkommensbescheinigungen<br />

für nichtsteuerliche Zwecke).<br />

5. Wegen <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>r AO bei <strong>de</strong>r Leistung von Rechts- o<strong>de</strong>r Amtshilfe wird auf die §§ 111 ff.<br />

hingewiesen.<br />

Zu § 3 – Steuern, steuerliche Nebenleistungen:<br />

Steuerliche Nebenleistungen sind keine Steuern. Sie sind in § 3 Abs. 4 abschließend aufgezählt. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Anwendung <strong>de</strong>r AO auf steuerliche Nebenleistungen wird auf § 1 hingewiesen.<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Zu § 4 – Gesetz:<br />

Bei <strong>de</strong>r Auslegung von Steuergesetzen gelten die allgemeinen Auslegungsregeln und damit auch die<br />

wirtschaftliche Betrachtungsweise, so wie sie ihren Nie<strong>de</strong>rschlag in <strong>de</strong>r Rechtsprechung gefun<strong>de</strong>n hat (vgl.<br />

BVerfG vom 24.1.1962 – 1 BvR 232/60 – BStBl. 1962 I, S. 506).<br />

Zu § 5 – Ermessen:<br />

1. Bei <strong>de</strong>r Ausübung <strong>de</strong>s Ermessens sind nicht nur die in einzelnen gesetzlichen Bestimmungen<br />

vorgeschriebenen Voraussetzungen, son<strong>de</strong>rn auch die Grundsätze <strong>de</strong>r Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>r Besteuerung, <strong>de</strong>r<br />

Verhältnismäßigkeit <strong>de</strong>r Mittel, <strong>de</strong>r Erfor<strong>de</strong>rlichkeit, <strong>de</strong>r Zumutbarkeit, <strong>de</strong>r Billigkeit und von Treu und<br />

Glauben sowie das Willkürverbot und das Übermaßverbot zu beachten. Verwaltungsvorschriften, die die<br />

Ausübung <strong>de</strong>s Ermessens regeln, sind für die Finanzbehör<strong>de</strong>n bin<strong>de</strong>nd.<br />

2. Wegen <strong>de</strong>r Begründung von Ermessensentscheidungen wird auf § 121, wegen Rücknahme und Wi<strong>de</strong>rruf auf<br />

§§ 130 und 131 hingewiesen.<br />

Zu § 7 – Amtsträger:<br />

1. Der Begriff <strong>de</strong>s Amtsträgers ist u. a. im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Steuergeheimnis (§ 30), <strong>de</strong>r<br />

Haftungsbeschränkung (§ 32), <strong>de</strong>r Ausschließung und Ablehnung von Personen in einem<br />

Verwaltungsverfahren (§§ 82 ff.) und bei <strong>de</strong>r Selbstanzeige (§ 371 Abs. 2) von Be<strong>de</strong>utung. Die Bestimmung<br />

entspricht § 11 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StGB.<br />

2. Die in § 7 Nrn. 1 und 2 genannten Personen sind ohne Rücksicht auf Art und Inhalt <strong>de</strong>r ausgeübten Tätigkeit<br />

Amtsträger.<br />

3. Die in § 7 Nr. 3 aufgeführten Personen sind nur Amtsträger, soweit sie Aufgaben <strong>de</strong>r öffentlichen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 1 von 235


Verwaltung wahrnehmen. Das sind Aufgaben, bei <strong>de</strong>ren Erledigung Angelegenheiten <strong>de</strong>r Gemeinwesen und<br />

ihrer Mitglie<strong>de</strong>r unmittelbar gebietend, verbietend, entschei<strong>de</strong>nd o<strong>de</strong>r sonstwie han<strong>de</strong>lnd innerhalb <strong>de</strong>r<br />

gesetzlichen Grenzen wahrgenommen wer<strong>de</strong>n. Unter § 7 Nr. 3 fallen insbeson<strong>de</strong>re Verwaltungsangestellte<br />

(z. B. Angestellte im Außenprüfungsdienst), soweit sie nicht lediglich als Hilfskräfte bei öffentlichen<br />

Aufgaben mitwirken (z. B. Registratur- und Schreibkräfte).<br />

Vor §§ 8, 9 – Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt:<br />

1. Die Begriffe <strong>de</strong>s Wohnsitzes (§ 8) bzw. <strong>de</strong>s gewöhnlichen Aufenthaltes (§ 9) haben insbeson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung<br />

für die persönliche Steuerpflicht natürlicher Personen (vgl. zu § 1 EStG, § 2 ErbStG) o<strong>de</strong>r für<br />

familienbezogene Entlastungen (z. B. Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Sie stellen allein auf die<br />

tatsächlichen Verhältnisse ab (BFH-Urteil vom 10.11.1978 – VI R 127/76 – BStBl. 1979 II, S. 335).<br />

Zwischenstaatliche Vereinbarungen enthalten dagegen z. T. Fiktionen, die <strong>de</strong>n §§ 8 und 9 vorgehen (z. B.<br />

Art. 14 <strong>de</strong>s Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaften vom 8.4.1965;<br />

Artikel X <strong>de</strong>s NATO-Truppenstatuts i. V. mit § 68 Abs. 4, § 73 <strong>de</strong>s Zusatzabkommens zum NATO-<br />

Truppenstatut). An<strong>de</strong>re Abkommen enthalten persönliche Steuerbefreiungen (z. B. Wiener Übereinkommen<br />

vom 18.4.1961 über diplomatische Beziehungen und vom 24.4.1963 über konsularische Beziehungen). Für<br />

Auslandsbedienstete gelten traditionell Son<strong>de</strong>rregelungen <strong>zur</strong> Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG). Teilweise ist<br />

auch die Höhe <strong>de</strong>r Einkünfte Anknüpfungskriterium für <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG).<br />

Der Begriff <strong>de</strong>r Ansässigkeit im Sinne <strong>de</strong>r DBA ist allein auf <strong>de</strong>ren Anwendung (insbeson<strong>de</strong>re hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>r Abkommensberechtigung und <strong>de</strong>r Zuteilung <strong>de</strong>r Besteuerungsrechte) beschränkt und hat keine<br />

Auswirkung auf die persönliche Steuerpflicht. Die <strong>de</strong>utsche unbeschränkte Steuerpflicht besteht daher auch<br />

dann, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige je eine Wohnung bzw. einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und im<br />

Ausland hat und nach <strong>de</strong>m anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n DBA im ausländischen Vertragsstaat ansässig ist (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 4.6.1975 – I R 250/73 – BStBl. II, S. 708).<br />

2. Auch wenn ein Steuerpflichtiger im Inland keinen Wohnsitz (§ 8) mehr hat, kann er hier noch seinen<br />

gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9) haben.<br />

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Zu § 8 – Wohnsitz:<br />

1. Die Frage <strong>de</strong>s Wohnsitzes ist bei Ehegatten und sonstigen Familienangehörigen für je<strong>de</strong> Person geson<strong>de</strong>rt zu<br />

prüfen. Personen können aber über einen Familienangehörigen einen Wohnsitz beibehalten. Ein Ehegatte,<br />

<strong>de</strong>r nicht dauernd getrennt lebt, hat seinen Wohnsitz grundsätzlich dort, wo seine Familie lebt (BFH-Urteil<br />

vom 6.2.1985 – I R 23/82 – BStBl. II, S. 331). Ein ausländisches Kind, das im Heimatland bei Verwandten<br />

untergebracht ist und dort die Schule besucht, hat grundsätzlich keinen Wohnsitz im Inland. Dies gilt auch<br />

dann, wenn es sich in <strong>de</strong>n Schulferien bei seinen Eltern im Inland aufhält (BFH-Urteil vom 22.4.1994 –<br />

III R 22/92 – BStBl. II, S. 887).<br />

2. Die bloße Absicht, einen Wohnsitz zu begrün<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r aufzugeben, bzw. die An- und Abmeldung bei <strong>de</strong>r<br />

Ordnungsbehör<strong>de</strong> entfalten allein keine unmittelbare steuerliche Wirkung (BFH-Urteil vom 14.11.1969 –<br />

III R 95/68 – BStBl. 1970 II, S. 153). I.d.R. stimmen <strong>de</strong>r bürgerlich-rechtliche, aufgrund einer<br />

Willenserklärung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen von ihm selbst bestimmte Wohnsitz und <strong>de</strong>r steuerlich maßgeben<strong>de</strong><br />

Wohnsitz überein. Deshalb können die An- und Abmeldung bei <strong>de</strong>r Ordnungsbehör<strong>de</strong> im Allgemeinen als<br />

Indizien dafür angesehen wer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige seinen Wohnsitz unter <strong>de</strong>r von ihm angegebenen<br />

Anschrift begrün<strong>de</strong>t bzw. aufgegeben hat.<br />

3. Mit Wohnung sind die objektiv zum Wohnen geeigneten Wohnräume gemeint. Es genügt eine beschei<strong>de</strong>ne<br />

Bleibe. Nicht erfor<strong>de</strong>rlich ist eine abgeschlossene Wohnung mit Küche und separater Waschgelegenheit im<br />

Sinne <strong>de</strong>s Bewertungsrechts.<br />

4. Der Steuerpflichtige muss die Wohnung innehaben, d. h. er muss tatsächlich über sie verfügen können und<br />

sie als Bleibe nicht nur vorübergehend benutzen (BFH-Urteile vom 24.4.1964 – VI 236/63 U – BStBl. III,<br />

S. 462 und 6.3.1968 – I 38/65 – BStBl. II, S. 439). Es genügt, dass die Wohnung z. B. über Jahre hinweg<br />

jährlich regelmäßig zweimal zu bestimmten Zeiten über einige Wochen benutzt wird (BFH-Urteil vom<br />

23.11.1988 – II R 139/87 – BStBl. 1989 II, S. 182). Anhaltspunkte dafür können die Ausstattung und<br />

Einrichtung sein; nicht erfor<strong>de</strong>rlich ist, dass sich <strong>de</strong>r Steuerpflichtige während einer Min<strong>de</strong>stanzahl von<br />

Tagen o<strong>de</strong>r Wochen im Jahr in <strong>de</strong>r Wohnung aufhält (BFH-Urteil vom 19.3.1997 – I R 69/96 – BStBl. II,<br />

S. 447). Wer eine Wohnung von vornherein in <strong>de</strong>r Absicht nimmt, sie nur vorübergehend (weniger als sechs<br />

Monate) beizubehalten und zu benutzen, begrün<strong>de</strong>t dort keinen Wohnsitz (BFH-Urteil vom 30.8.1989 –<br />

I R 215/85 – BStBl. II, S. 956). Auch gelegentliches Übernachten auf einem inländischen Betriebsgelän<strong>de</strong>, in<br />

einem Büro u. Ä. (sog. Schlafstelle) kann dort keinen Wohnsitz begrün<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 6.2.1985 –<br />

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I R 23/82 – BStBl. II, S. 331). Wer sich – auch in regelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n – in <strong>de</strong>r Wohnung eines<br />

Angehörigen o<strong>de</strong>r eines Bekannten aufhält, begrün<strong>de</strong>t dort ebenfalls keinen Wohnsitz (BFH-Urteil vom<br />

24.10.1969 – IV 290/64 – BStBl. 1970 II, S. 109), sofern es nicht wie im Fall einer Familienwohnung o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Wohnung einer Wohngemeinschaft gleichzeitig die eigene Wohnung ist.<br />

5. Wer einen Wohnsitz im Ausland begrün<strong>de</strong>t und seine Wohnung im Inland beibehält, hat auch im Inland<br />

einen Wohnsitz im Sinne von § 8 (BFH-Urteil vom 4.6.1975 – I R 250/73 – BStBl. II, S. 708). Bei einem ins<br />

Ausland versetzten Arbeitnehmer ist ein inländischer Wohnsitz wi<strong>de</strong>rlegbar zu vermuten, wenn er seine<br />

Wohnung im Inland beibehält, <strong>de</strong>ren Benutzung ihm möglich ist und die nach ihrer Ausstattung je<strong>de</strong>rzeit als<br />

Bleibe dienen kann (BFH-Urteil vom 17.5.1995 – I R 8/94 – BStBl. 1996 II, S. 2). Das Innehaben <strong>de</strong>r<br />

inländischen Wohnung kann nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalles auch dann anzunehmen sein, wenn <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige sie während eines Auslandsaufenthalts kurzfristig (bis zu sechs Monaten) vermietet o<strong>de</strong>r<br />

untervermietet, um sie alsbald nach Rückkehr im Inland wie<strong>de</strong>r zu benutzen. Zur Zuständigkeit in diesen<br />

Fällen siehe § 19 Abs. 1 Satz 2.<br />

6. Ein Wohnsitz i. S. v. § 8 besteht nicht mehr, wenn die inländische Wohnung/die inländischen Wohnungen<br />

aufgegeben wird/wer<strong>de</strong>n. Das ist z. B. <strong>de</strong>r Fall bei Kündigung und Auflösung einer Mietwohnung, bei nicht<br />

nur kurzfristiger Vermietung <strong>de</strong>r Wohnung im eigenen Haus bzw. <strong>de</strong>r Eigentumswohnung. Wird die<br />

inländische Wohnung <strong>zur</strong> bloßen Vermögensverwaltung <strong>zur</strong>ückgelassen, en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Wohnsitz mit <strong>de</strong>m<br />

Wegzug. Bloße Vermögensverwaltung liegt z. B. vor, wenn ein ins Ausland versetzter Steuerpflichtiger bzw.<br />

ein im Ausland leben<strong>de</strong>r Steuerpflichtiger seine Wohnung/sein Haus verkaufen o<strong>de</strong>r langfristig vermieten<br />

will und dies in absehbarer Zeit auch tatsächlich verwirklicht. Eine zwischenzeitliche kurze Rückkehr (<strong>zur</strong><br />

Beaufsichtigung und Verwaltung <strong>de</strong>r <strong>zur</strong>ückgelassenen Wohnung) führt nicht dazu, dass die <strong>zur</strong>ückgelassene<br />

Wohnung dadurch zum inländischen Wohnsitz wird.<br />

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Zu § 9 – Gewöhnlicher Aufenthalt:<br />

1. Sofern nicht die beson<strong>de</strong>ren Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 9 Satz 3 vorliegen, wird an <strong>de</strong>n inländischen Aufenthalt<br />

während eines zusammenhängen<strong>de</strong>n Zeitraums von mehr als sechs Monaten die unwi<strong>de</strong>rlegbare Vermutung<br />

für das Vorhan<strong>de</strong>nsein eines gewöhnlichen Aufenthalts geknüpft. Der Begriff „gewöhnlich“ ist<br />

gleichbe<strong>de</strong>utend mit „dauernd“. „Dauernd“ erfor<strong>de</strong>rt keine ununterbrochene Anwesenheit, son<strong>de</strong>rn ist im<br />

Sinne „nicht nur vorübergehend“ zu verstehen (BFH-Urteil vom 30.8.1989 – I R 215/85 – BStBl. II, S. 956).<br />

Bei Unterbrechungen <strong>de</strong>r Anwesenheit kommt es darauf an, ob noch ein einheitlicher Aufenthalt o<strong>de</strong>r<br />

mehrere getrennte Aufenthalte anzunehmen sind. Ein einheitlicher Aufenthalt ist gegeben, wenn <strong>de</strong>r<br />

Aufenthalt nach <strong>de</strong>n Verhältnissen fortgesetzt wer<strong>de</strong>n sollte und die Unterbrechung nur kurzfristig ist. Als<br />

kurzfristige Unterbrechung kommen in Betracht Familienheimfahrten, Jahresurlaub, längerer Heimaturlaub,<br />

Kur und Erholung, aber auch geschäftliche Reisen. Der Tatbestand <strong>de</strong>s gewöhnlichen Aufenthalts kann bei<br />

einem weniger als sechs Monate dauern<strong>de</strong>n Aufenthalt verwirklicht wer<strong>de</strong>n, wenn Inlandsaufenthalte<br />

nacheinan<strong>de</strong>r folgen, die sachlich miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n sind, und <strong>de</strong>r Steuerpflichtige von vornherein<br />

beabsichtigt, nicht nur vorübergehend im Inland zu verweilen (BFH-Urteile vom 27.7.1962 – VI 156/59 U –<br />

BStBl. III, S. 429, und vom 3.8.1977 – I R 210/78 – BStBl. 1978 II, S. 118).<br />

2. Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland ist zu verneinen, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige unter Benutzung einer im<br />

Ausland gelegenen Wohnung lediglich seine Tätigkeit im Inland ausübt (BFH-Urteil vom 25.5.1988 –<br />

I R 225/82 – BStBl. II, S. 944). Grenzgänger haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt grundsätzlich im<br />

Wohnsitzstaat (BFH-Urteile vom 10.5.1989 – I R 50/85 – BStBl. II, S. 755, und vom 10.7.1996 – I R 4/96 –<br />

BStBl. 1997 II, S. 15). Dasselbe gilt für Unternehmer/Freiberufler, die regelmäßig jeweils nach<br />

Geschäftsschluss zu ihrer Familienwohnung im Ausland <strong>zur</strong>ückkehren (BFH-Urteil vom 6.2.1985 –<br />

I R 23/82 – BStBl. II, S. 331). Wer allerdings regelmäßig an Arbeitstagen am Arbeits-/Geschäftsort im<br />

Inland übernachtet und sich nur am Wochenen<strong>de</strong> bzw. an Feiertagen und im Urlaub zu seiner Wohnung im<br />

Ausland begibt, hat an <strong>de</strong>m inländischen Arbeits-/Geschäftsort je<strong>de</strong>nfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt.<br />

3. Der gewöhnliche Aufenthalt kann nicht gleichzeitig an mehreren Orten bestehen. Bei fortdauern<strong>de</strong>m<br />

Schwerpunktaufenthalt im Ausland begrün<strong>de</strong>n kurzfristige Aufenthalte im Inland, z. B. Geschäfts-,<br />

Dienstreisen, Schulungen, keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Umgekehrt führen kurzfristige<br />

Auslandsaufenthalte bei fortdauern<strong>de</strong>m Schwerpunktaufenthalt im Inland nicht <strong>zur</strong> Aufgabe eines<br />

gewöhnlichen Aufenthalts im Inland.<br />

4. Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland ist aufgegeben, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige zusammenhängend mehr<br />

als sechs Monate im Ausland lebt, es sei <strong>de</strong>nn, dass beson<strong>de</strong>re Umstän<strong>de</strong> darauf schließen lassen, dass die<br />

Beziehungen zum Inland bestehen bleiben. Entschei<strong>de</strong>nd ist dabei, ob <strong>de</strong>r Steuerpflichtige <strong>de</strong>n persönlichen<br />

und geschäftlichen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt hat und ob er seinen Willen, in <strong>de</strong>n<br />

Geltungsbereich dieses Gesetzes <strong>zur</strong>ückzukehren, endgültig aufgegeben hat (BFH-Urteil vom 27.7.1962 –<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 3 von 235


VI 156/59 U – BStBl. III, S. 429). Als Kriterien dafür können die familiären, beruflichen und<br />

gesellschaftlichen Bindungen herangezogen wer<strong>de</strong>n (z. B. Wohnung <strong>de</strong>r Familienangehörigen im Inland,<br />

Sitz <strong>de</strong>s Gewerbebetriebs im Inland). Hält sich <strong>de</strong>r Steuerpflichtige zusammenhängend länger als ein Jahr im<br />

Ausland auf, ist grundsätzlich eine Aufgabe <strong>de</strong>s gewöhnlichen Aufenthalts im Inland anzunehmen.<br />

Zu § 12 – Betriebstätte:<br />

1. Die Begriffsbestimmung gilt auch für die freiberufliche Tätigkeit und Steuerpflichtige mit Einkünften aus<br />

Land- und Forstwirtschaft.<br />

2. Auch nicht sichtbare, unterirdisch verlaufen<strong>de</strong> Rohrleitungen (Pipelines) sind feste Geschäftseinrichtungen<br />

i. S. d. § 12 Satz 1 und damit Betriebstätten (BFH-Urteil vom 30.10.1996 – II R 12/96 – BStBl. 1997 II,<br />

S. 12). Zu <strong>de</strong>n Betriebstätten zählen auch bewegliche Geschäftseinrichtungen mit vorübergehend festem<br />

Standort (z. B. fahrbare Verkaufsstätten mit wechseln<strong>de</strong>m Standplatz).<br />

3. Stätten <strong>de</strong>r Erkundung von Bo<strong>de</strong>nschätzen (z. B. Versuchsbohrungen) sind als Betriebstätten anzusehen,<br />

wenn die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 12 Nr. 8 erfüllt sind.<br />

4. § 12 ist nicht anzuwen<strong>de</strong>n, soweit an<strong>de</strong>re Rechtsvorschriften (z. B. DBA, OECD-Musterabkommen, EStG)<br />

abweichen<strong>de</strong> Regelungen zum Begriff „Betriebstätte“ enthalten.<br />

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Zu § 15 – Angehörige:<br />

1. Dem Angehörigenbegriff kommt überwiegend verfahrensrechtliche Be<strong>de</strong>utung zu. Für das materielle Recht<br />

können die Einzelsteuergesetze abweichen<strong>de</strong> Regelungen treffen.<br />

2. § 15 Abs. 1 Nr. 1 (Verlobte) setzt ein wirksames Eheversprechen voraus.<br />

3. Zu <strong>de</strong>n Geschwistern i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 4 gehören auch die Halbgeschwister. Das sind die Geschwister,<br />

die einen Elternteil gemeinsam haben; darunter fallen jedoch nicht die mit in eine Ehe gebrachten Kin<strong>de</strong>r, die<br />

keinen Elternteil gemeinsam haben.<br />

4. Das Angehörigenverhältnis i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 5 besteht lediglich zu <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Geschwister<br />

(Neffen o<strong>de</strong>r Nichten), nicht jedoch zwischen <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Geschwister untereinan<strong>de</strong>r (z. B. Vettern).<br />

5. Die Ehegatten mehrer Geschwister sind im Verhältnis zueinan<strong>de</strong>r keine Angehörigen i. S. d. § 15 Abs. 1<br />

Nr. 6. Dasselbe gilt für Geschwister <strong>de</strong>r Ehegatten.<br />

6. Für die Annahme eines Pflegeverhältnisses gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 8 ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, dass das Kind<br />

außerhalb <strong>de</strong>r Pflege und Obhut seiner leiblichen Eltern lebt. Ein Pflegeverhältnis kann z. B. auch zwischen<br />

einem Mann und einem Kind begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Mann mit <strong>de</strong>r leiblichen Mutter <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s und<br />

diesem in häuslicher Gemeinschaft lebt. Die Unterhaltsgewährung ist nicht Merkmal dieses<br />

Pflegekin<strong>de</strong>rbegriffes. Soweit Bestimmungen in Einzelsteuergesetzen auch daran anknüpfen, müssen dort<br />

beson<strong>de</strong>re Regelungen getroffen sein.<br />

7. Durch die Annahme als Kind erhält ein Kind die volle rechtliche Stellung eines ehelichen Kin<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Annehmen<strong>de</strong>n. Damit wird auch die Angehörigeneigenschaft zwischen <strong>de</strong>m Kind und <strong>de</strong>n Angehörigen<br />

<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Annehmen<strong>de</strong>n nach Maßgabe <strong>de</strong>s § 15 Abs. 1 begrün<strong>de</strong>t. Dieser Grundsatz gilt entsprechend bei<br />

ähnlichen familienrechtlichen Rechtsbeziehungen ausländischen Rechts (Adoption).<br />

8. Für die in § 15 Abs. 2 genannten Personen bleibt die Angehörigeneigenschaft auch dann bestehen, wenn die<br />

Beziehung, die ursprünglich die Angehörigeneigenschaft begrün<strong>de</strong>te, nicht mehr besteht; lediglich bei<br />

Verlobten erlischt die Angehörigeneigenschaft mit Aufhebung <strong>de</strong>s Verlöbnisses.<br />

Zu § 16 – Sachliche Zuständigkeit:<br />

1. Die sachliche Zuständigkeit betrifft <strong>de</strong>n einer Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Gegenstand und <strong>de</strong>r Art nach durch Gesetz<br />

zugewiesenen Aufgabenbereich. Neben <strong>de</strong>m Aufgabenkreis, <strong>de</strong>r durch das FVG bestimmt wird, ergeben sich<br />

für die Finanzbehör<strong>de</strong>n auch Aufgabenzuweisungen aus <strong>de</strong>r AO (z. B. §§ 208, 249, 386) und an<strong>de</strong>ren<br />

Gesetzen (z. B. StBerG, InvZulG, EigZulG).<br />

2. Im Rahmen <strong>de</strong>s fö<strong>de</strong>rativen Aufbaus <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik ist die verbandsmäßige Zuständigkeit als beson<strong>de</strong>re<br />

Art <strong>de</strong>r sachlichen Zuständigkeit zu beachten. Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH ist jedoch bei <strong>de</strong>n nicht<br />

gebietsgebun<strong>de</strong>nen Steuern (z. B. Einkommensteuer) die Verwaltungskompetenz nicht auf die Finanzämter<br />

<strong>de</strong>s verbandsmäßig zuständigen Bun<strong>de</strong>slan<strong>de</strong>s beschränkt. Das Wohnsitzfinanzamt ist für die Besteuerung<br />

nach <strong>de</strong>m Einkommen auch für Besteuerungszeiträume zuständig, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Steuerpflichtige in einem<br />

an<strong>de</strong>ren Bun<strong>de</strong>sland wohnte (BFH-Urteile vom 29.10.1970 – IV R 247/69 – BStBl. 1971 II, S. 151, und vom<br />

23.11.1972 – VIII R 42/67 – BStBl. 1973 II, S. 198).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 4 von 235


3. Wegen <strong>de</strong>r Rücknahme eines Verwaltungsaktes einer sachlich unzuständigen Behör<strong>de</strong> wird auf § 130 Abs. 2<br />

Nr. 1 hingewiesen.<br />

Zu § 17 – Örtliche Zuständigkeit:<br />

1. Neben <strong>de</strong>n Vorschriften im Dritten Abschnitt bestehen Son<strong>de</strong>rregelungen über die örtliche Zuständigkeit<br />

z. B. in <strong>de</strong>n §§ 195, 367, 388 sowie in Einzelsteuergesetzen.<br />

2. Wegen <strong>de</strong>r Folgen <strong>de</strong>r Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit Hinweis auf § 125 Abs. 3<br />

Nr. 1 und § 127. Zur mehrfachen örtlichen Zuständigkeit Hinweis auf §§ 25 und 28.<br />

Zu § 18 – Geson<strong>de</strong>rte Feststellung:<br />

1. Die Zuständigkeitsvorschriften <strong>de</strong>s § 18 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 gelten für die Feststellung von Einheitswerten<br />

und Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb o<strong>de</strong>r aus selbstständiger Arbeit. Bei <strong>de</strong>n<br />

Einkünften gilt dies sowohl in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r Beteiligung mehrerer Personen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2<br />

Buchstabe a) wie auch in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Betriebsort, Ort <strong>de</strong>r Geschäftsleitung bzw. Ort <strong>de</strong>r<br />

Tätigkeit und <strong>de</strong>r Wohnsitz auseinan<strong>de</strong>r fallen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b). Wegen <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten<br />

Feststellung bei Zuständigkeit mehrerer Finanzämter in einer Gemein<strong>de</strong> vgl. zu § 19, Nr. 3.<br />

(aufgehoben)<br />

3. Die Regelung nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 bestimmt eine abweichen<strong>de</strong> Zuständigkeit für die geson<strong>de</strong>rte<br />

Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung o<strong>de</strong>r aus Kapitalvermögen; i. d. R. ist nicht das<br />

Lagefinanzamt, son<strong>de</strong>rn das Finanzamt zuständig, von <strong>de</strong>ssen Bezirk die Verwaltung ausgeht.<br />

Entsprechen<strong>de</strong>s regelt § 18 Abs. 1 Nr. 4 für die Feststellung von sonstigem Vermögen, von Schul<strong>de</strong>n und<br />

sonstigen Abzügen (§ 180 Abs. 1 Nr. 3) und für die Durchführung von Feststellungen bei<br />

Bauherrengemeinschaften usw. (V zu § 180 Abs. 2 AO).<br />

4. Aus Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n kann das Finanzamt bei <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte aus<br />

Vermietung und Verpachtung aus nur einem Grundstück davon ausgehen, dass die Verwaltung dieser<br />

Einkünfte von <strong>de</strong>m Ort ausgeht, in <strong>de</strong>m das Grundstück liegt, es sei <strong>de</strong>nn, die Steuerpflichtigen legen etwas<br />

an<strong>de</strong>res dar.<br />

5. Wird von <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten Feststellung nach § 180 Abs. 3 abgesehen (z. B. Fälle geringer Be<strong>de</strong>utung),<br />

verbleibt es bei <strong>de</strong>r für die Einzelsteuern getroffenen Zuständigkeitsregelung.<br />

6. Die Regelung in § 18 Abs. 2 hat insbeson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von ausländischen<br />

Einkünften, an <strong>de</strong>nen mehrere im Inland steuerpflichtige Personen beteiligt sind. Auf § 25 wird hingewiesen.<br />

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Zu § 19 – Steuern von Einkommen und Vermögen natürlicher Personen:<br />

1. Bei verheirateten, nicht dauernd getrennt leben<strong>de</strong>n Steuerpflichtigen ist bei mehrfachem Wohnsitz im Inland<br />

das Finanzamt <strong>de</strong>s Aufenthalts <strong>de</strong>r Familie für die Besteuerung nach <strong>de</strong>m Einkommen und Vermögen<br />

zuständig. Insoweit sind für die Bestimmung <strong>de</strong>r örtlichen Zuständigkeit die Kin<strong>de</strong>r in die Betrachtung<br />

einzubeziehen.<br />

2. Nach § 19 Abs. 3 ist das Lage-, Betriebs- o<strong>de</strong>r Tätigkeitsfinanzamt auch für die persönlichen Steuern vom<br />

Einkommen und Vermögen zuständig, wenn ein Steuerpflichtiger in einer Gemein<strong>de</strong> (Stadt) mit mehreren<br />

Finanzämtern einen land- und forstwirtschaftlichen o<strong>de</strong>r gewerblichen Betrieb unterhält bzw. eine<br />

freiberufliche Tätigkeit ausübt. In diesen Fällen ist keine geson<strong>de</strong>rte Feststellung durchzuführen (§ 180<br />

Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b).<br />

3. Wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige außerhalb <strong>de</strong>s Bezirks seines Wohnsitzfinanzamtes, aber in <strong>de</strong>n Bezirken<br />

mehrerer Finanzämter <strong>de</strong>rselben Wohnsitzgemein<strong>de</strong>, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft,<br />

Gewerbebetrieb o<strong>de</strong>r freiberuflicher Tätigkeit erzielt, so können nach § 19 Abs. 3 mehrere Finanzämter<br />

zuständig sein. In diesen Fällen ist nach § 25 zu verfahren. Geson<strong>de</strong>rte Feststellungen sind nur von <strong>de</strong>n<br />

Finanzämtern vorzunehmen, die <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen nicht <strong>zur</strong> Einkommensteuer und Vermögensteuer<br />

veranlagen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b).<br />

4. Zuständigkeitsregelungen enthalten auch § 20a i. V. m. <strong>de</strong>r Arbeitnehmer-Zuständigkeitsverordnung-Bau<br />

vom 30.8.2001 (BGBl. I, S. 2267; BStBl. I, S. 602) sowie die Einzelsteuergesetze und das FVG.<br />

5. Das Vermögen im Sinne <strong>de</strong>s § 19 Abs. 2 Satz 1 bestimmt sich nach § 121 BewG, aber abweichend von § 121<br />

Nr. 4 BewG unabhängig von <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r prozentualen Beteiligung an <strong>de</strong>r inländischen Kapitalgesellschaft.<br />

Im Fall <strong>de</strong>r Beteiligung an einer Grundbesitz verwalten<strong>de</strong>n Personengesellschaft ist für die Bestimmung <strong>de</strong>r<br />

örtlichen Zuständigkeit die Belegenheit <strong>de</strong>s Grundstücks maßgebend.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 5 von 235


Zu § 20 – Steuern vom Einkommen und Vermögen <strong>de</strong>r Körperschaften, Personenvereinigungen,<br />

Vermögensmassen:<br />

In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 20 Abs. 3 gilt Nr. 5 zu § 19 entsprechend.<br />

Zu § 20a – Steuern vom Einkommen bei Bauleistungen:<br />

1. Liegen die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 20a Abs. 1 Satz 1 vor, beschränkt sich die Zuständigkeit nicht auf <strong>de</strong>n<br />

Steuerabzug nach §§ 48 ff. EStG und auf Umsätze aus Bauleistungen; sie erfasst die gesamte Besteuerung<br />

<strong>de</strong>s Einkommens <strong>de</strong>s Unternehmers (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer). Das nach § 20a Abs. 1 Satz 1<br />

zuständige Finanzamt ist auch für die Umsatzsteuer (§ 21 Abs. 1 Satz 2) und die Realsteuern (§ 22 Abs. 1<br />

Satz 2) zuständig. Siehe auch Rz. 100 <strong>de</strong>s BMF-Schreibens vom 27.12.2002, BStBl. I, S. 1399.<br />

2. Zur Vermeidung eines erschwerten Verwaltungsvollzugs ist im Regelfall eine von <strong>de</strong>r zentralen<br />

Zuständigkeit nach § 20a Abs. 1 und 2, § 21 Abs. 1 Satz 2 und § 22 Abs. 1 Satz 2 abweichen<strong>de</strong><br />

Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 mit <strong>de</strong>m ortsnahen Finanzamt herbeizuführen, wenn<br />

– das Unternehmen nur gelegentlich Bauleistungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG erbringt,<br />

– das Unternehmen Bauleistungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG erbringt, die im Verhältnis zum<br />

Gesamtumsatz nur von untergeordneter Be<strong>de</strong>utung sind o<strong>de</strong>r<br />

– eine zentrale Zuständigkeit we<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen noch für die Finanzbehör<strong>de</strong>n zweckmäßig ist.<br />

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Zu § 21 – Umsatzsteuer:<br />

Die zentrale Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 2 gilt bereits dann, wenn auch nur ein Anknüpfungspunkt <strong>de</strong>r<br />

gesetzlichen Kriterien Wohnsitz, Sitz o<strong>de</strong>r Geschäftsleitung im Ausland gegeben ist. § 21 Abs. 1 Satz 2 hat<br />

daher Vorrang vor § 21 Abs. 1 Satz 1.<br />

Die zentrale Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. <strong>de</strong>r UStZustV ist insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n Fällen von<br />

Be<strong>de</strong>utung, in <strong>de</strong>nen ein Unternehmen vom Ausland aus betrieben wird und <strong>de</strong>r Unternehmer im Inland nicht<br />

einkommen- o<strong>de</strong>r körperschaftsteuerpflichtig ist. Sie ist aber auch zu beachten, wenn <strong>de</strong>r Unternehmer im Inland<br />

auch <strong>zur</strong> Einkommen- o<strong>de</strong>r Körperschaftsteuer zu veranlagen ist.<br />

Ein Auseinan<strong>de</strong>rfallen <strong>de</strong>r örtlichen Zuständigkeiten für die Ertrags- und Umsatzbesteuerung kann allerdings zu<br />

einem erschwerten Verwaltungsvollzug führen, z. B. bei Kapitalgesellschaften mit statutarischem Sitz im<br />

Ausland und Geschäftsleitung im Inland. Betroffen sind beispielsweise Fälle, in <strong>de</strong>nen ein bisher im Inland<br />

ansässiges Unternehmen in eine britische „private company limited by shares“ (Limited) umgewan<strong>de</strong>lt wird o<strong>de</strong>r<br />

eine Limited neu gegrün<strong>de</strong>t wird, die lediglich ihren statutarischen Sitz in Großbritannien hat, aber allein o<strong>de</strong>r<br />

überwiegend im Inland unternehmerisch tätig und unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist.<br />

In diesen Fällen ist im Regelfall eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 herbeizuführen, nach <strong>de</strong>r das für die<br />

Ertragsbesteuerung zuständige ortsnahe Finanzamt auch für die Umsatzsteuer zuständig wird (vgl. zu § 27,<br />

Nr. 3).<br />

Zu § 24 – Ersatzzuständigkeit:<br />

1. Für <strong>de</strong>n Fall, dass sich die Zuständigkeit nicht aus <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Vorschriften ableiten lässt, ist die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> zuständig, in <strong>de</strong>ren Bezirk objektiv ein Anlass für eine Amtshandlung besteht. Abgesehen<br />

von <strong>de</strong>r Zuständigkeit für Maßnahmen <strong>zur</strong> Auf<strong>de</strong>ckung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Nr. 3) ist<br />

hiernach auch die Zuständigkeit für <strong>de</strong>n Erlass von Haftungsbeschei<strong>de</strong>n (§§ 191, 192) zu bestimmen. Wegen<br />

<strong>de</strong>s Sachzusammenhangs ist mithin i. d. R. das Finanzamt <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gleichzeitig für die<br />

Heranziehung <strong>de</strong>s Haften<strong>de</strong>n örtlich zuständig.<br />

2. Kann die örtliche Zuständigkeit nicht sofort einwandfrei geklärt wer<strong>de</strong>n, ist bei unaufschiebbaren<br />

Maßnahmen die Zuständigkeit auf § 29 zu stützen.<br />

Zu § 25 – Mehrfache örtliche Zuständigkeit:<br />

Einigen sich bei mehrfacher örtlicher Zuständigkeit die Finanzbehör<strong>de</strong>n auf eine <strong>de</strong>r örtlich zuständigen<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n, so han<strong>de</strong>lt es sich hierbei nicht um eine Zuständigkeitsvereinbarung i. S. <strong>de</strong>s § 27. Der<br />

Zustimmung <strong>de</strong>s Betroffenen bedarf es nicht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 6 von 235


Zu § 26 – Zuständigkeitswechsel:<br />

1. Der Steuerpflichtige kann sich auf <strong>de</strong>n Zuständigkeitswechsel nicht berufen, solange keine <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

beteiligten Finanzbehör<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n die Zuständigkeit verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Wegen<br />

<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Zuständigkeit für die Steuerberechtigung ist die Kenntnis über die Umstän<strong>de</strong>, die die<br />

Zuständigkeit än<strong>de</strong>rn, mit Angabe <strong>de</strong>s Datums aktenkundig zu machen und unverzüglich <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> mitzuteilen.<br />

2. Die Fortführung eines bereits begonnenen Verwaltungsverfahrens durch das bisher zuständige Finanzamt ist<br />

zulässig, wenn das Finanzamt, <strong>de</strong>ssen Zuständigkeit durch die verän<strong>de</strong>rten Umstän<strong>de</strong> begrün<strong>de</strong>t wird,<br />

zustimmt. Der Steuerpflichtige soll gehört wer<strong>de</strong>n; er ist von <strong>de</strong>r Fortführung <strong>de</strong>s Verwaltungsverfahrens zu<br />

benachrichtigen.<br />

3. Bei Verlegung <strong>de</strong>s Wohnsitzes in <strong>de</strong>n Bezirk eines an<strong>de</strong>ren Finanzamtes unter gleichzeitiger Betriebsaufgabe<br />

sind von <strong>de</strong>m bisher für Personensteuern und Betriebssteuern zuständigen Finanzamt nur die<br />

Personensteuerakten abzugeben. Das bisher zuständige Finanzamt ermittelt im Wege <strong>de</strong>r Amtshilfe <strong>de</strong>n<br />

Gewinn aus <strong>de</strong>r Zeit bis <strong>zur</strong> Betriebsaufgabe und teilt ihn <strong>de</strong>m neuen Wohnsitzfinanzamt mit.<br />

Für die Betriebsteuern bleibt grundsätzlich das Betriebsfinanzamt zuständig, auch hinsichtlich <strong>de</strong>r Erhebung<br />

und etwaigen Vollstreckung. Rückstän<strong>de</strong> sind erfor<strong>de</strong>rlichenfalls im Wege <strong>de</strong>r Amtshilfe beizutreiben.<br />

Ausnahmsweise kommt eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 in Betracht, wenn sich dies als<br />

zweckmäßig erweist.<br />

4. Zu <strong>de</strong>n Auswirkungen eines Zuständigkeitswechsels auf das Rechtsbehelfsverfahren vgl. zu § 367, Nr. 1 und<br />

BMF-Schreiben vom 10.10.1995, BStBl. I, S. 664.<br />

Zu § 27 – Zuständigkeitsvereinbarung:<br />

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1. Durch Vereinbarung zwischen <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n kann auch außer in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 26 Satz 2 die<br />

Zuständigkeit einer an sich nicht zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n; Voraussetzung für diese<br />

Zuständigkeitsbegründung ist die Zustimmung <strong>de</strong>s Betroffenen. Das Zustimmungserfor<strong>de</strong>rnis ist eingefügt,<br />

um <strong>de</strong>r Verfassungsbestimmung <strong>de</strong>s Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu genügen, weil an die Zuständigkeit <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> die Zuständigkeit <strong>de</strong>s Finanzgerichts anknüpft.<br />

2. Eine bestimmte Form ist für die Zustimmung <strong>de</strong>s Betroffenen nicht vorgeschrieben. Die Zustimmung ist<br />

bedingungsfeindlich und kann nur mit Wirkung für die Zukunft wi<strong>de</strong>rrufen wer<strong>de</strong>n.<br />

3. Eine Zuständigkeitsvereinbarung ist insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n Fällen herbeizuführen, in <strong>de</strong>nen eine zentrale<br />

Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. <strong>de</strong>r UStZustV we<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen noch für die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n zweckmäßig ist.<br />

Eine Zuständigkeitsvereinbarung, nach <strong>de</strong>r das für die Ertragsbesteuerung zuständige Finanzamt auch für die<br />

Umsatzsteuer zuständig wird, ist hiernach regelmäßig herbeizuführen z. B.<br />

a) bei Steuerpflichtigen, die ihr Unternehmen als Einzelunternehmer ausschließlich o<strong>de</strong>r überwiegend im<br />

Inland betreiben und sowohl im Inland als auch im Ausland einen Wohnsitz haben;<br />

b) bei Kapitalgesellschaften mit statutarischem Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland, die allein<br />

o<strong>de</strong>r überwiegend im Inland unternehmerisch tätig sind (vgl. zu § 21).<br />

4. Zur Zuständigkeitsvereinbarung bei Unternehmen, die Bauleistungen i. S. v. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG<br />

erbringen, vgl. zu § 20a, Nr. 2.<br />

Zu § 30 – Steuergeheimnis:<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Gegenstand <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses<br />

2. Verpflichteter Personenkreis<br />

3. Befugnis <strong>zur</strong> Offenbarung<br />

4. Offenbarung <strong>zur</strong> Durchführung eines steuerlichen Verfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 1)<br />

5. Gesetzlich zugelassene Offenbarung (§ 30 Abs. 4 Nr. 2)<br />

6. Offenbarung mit Zustimmung <strong>de</strong>s Betroffenen (§ 30 Abs. 4 Nr. 3)<br />

7. Offenbarung <strong>zur</strong> Durchführung eines außersteuerlichen Strafverfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 4)<br />

8. Offenbarung aus zwingen<strong>de</strong>m öffentlichen Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5)<br />

9. Offenbarung vorsätzlich falscher Angaben (§ 30 Abs. 5)<br />

10. Auskunft über Anzeigeerstatter<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 7 von 235


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1. Gegenstand <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses<br />

1.1 Durch das Steuergeheimnis wird alles geschützt, was <strong>de</strong>m Amtsträger o<strong>de</strong>r einer ihm gleichgestellten Person<br />

in einem <strong>de</strong>r in § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bis c genannten Verfahren über <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Personen bekannt gewor<strong>de</strong>n ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Tatsachen für die Besteuerung<br />

relevant sind o<strong>de</strong>r nicht.<br />

1.2 Das Steuergeheimnis erstreckt sich auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen,<br />

öffentlichen und privaten Verhältnisse einer natürlichen o<strong>de</strong>r juristischen Person. Zu <strong>de</strong>n Verhältnissen zählen<br />

auch das Verwaltungsverfahren selbst, die Art <strong>de</strong>r Beteiligung am Verwaltungsverfahren und die Maßnahmen,<br />

die vom Beteiligten getroffen wur<strong>de</strong>n. So unterliegt z. B. auch <strong>de</strong>m Steuergeheimnis, ob und bei welcher<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> ein Beteiligter steuerlich geführt wird, ob ein Steuerfahndungsverfahren o<strong>de</strong>r eine Außenprüfung<br />

stattgefun<strong>de</strong>n hat, wer für einen Beteiligten im Verfahren aufgetreten ist und welche Anträge gestellt wor<strong>de</strong>n<br />

sind.<br />

1.3 Zum geschützten Personenkreis gehören nicht nur die Steuerpflichtigen, son<strong>de</strong>rn auch an<strong>de</strong>re Personen,<br />

<strong>de</strong>ren Verhältnisse einem Amtsträger in einem steuerlichen Verwaltungs- o<strong>de</strong>r Gerichtsverfahren bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>n sind. Ob diese Personen in einem <strong>de</strong>rartigen Verfahren auskunftspflichtig sind o<strong>de</strong>r ihre Angaben<br />

ohne rechtliche Verpflichtung abgegeben haben, ist für die Zuordnung zum geschützten Personenkreis<br />

unerheblich (BFH-Urteil vom 8.2.1994 – VII R 88/92 – BStBl. II, S. 552). Zur Information <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

über ein Auskunftsersuchen gegenüber Dritten vgl. Nr. 1.2.6 zu § 93. Gesetzliche Pflichten <strong>de</strong>s Dritten <strong>zur</strong><br />

Unterrichtung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen über eine ihn betreffen<strong>de</strong> Mitteilung an die Finanzbehör<strong>de</strong>n bleiben<br />

unberührt.<br />

1.4 Dem Steuergeheimnis unterliegt auch die I<strong>de</strong>ntität eines Anzeigeerstatters (vgl. BFH-Beschluss vom<br />

7.12.2006 – V B 163/05 – BStBl. II 2007, S. 275 m. w. N.). Nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe b und Abs. 5<br />

kann allerdings eine Durchbrechung <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses zulässig und in beson<strong>de</strong>rs gelagerten Einzelfällen<br />

sogar geboten sein (vgl. Nr. 10).<br />

2. Verpflichteter Personenkreis<br />

2.1 Das Steuergeheimnis haben Amtsträger und die in § 30 Abs. 3 genannten Personen zu wahren.<br />

2.2 Amtsträger sind die in § 7 abschließend aufgeführten Personen.<br />

2.3 Den Amtsträgern sind nach § 30 Abs. 3 gleichgestellt u. a. die für <strong>de</strong>n öffentlichen Dienst beson<strong>de</strong>rs<br />

Verpflichteten. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist dies, wer, ohne Amtsträger zu sein, bei einer Behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r bei<br />

einer sonstigen Stelle, die Aufgaben <strong>de</strong>r öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, o<strong>de</strong>r bei einem Verband o<strong>de</strong>r<br />

sonstigen Zusammenschluss, Betrieb o<strong>de</strong>r Unternehmen, die für eine Behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r für eine sonstige Stelle<br />

Aufgaben <strong>de</strong>r öffentlichen Verwaltung ausführen, beschäftigt o<strong>de</strong>r für sie tätig und auf die gewissenhafte<br />

Erfüllung seiner Obliegenheiten aufgrund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist. Rechtsgrundlage für die<br />

Verpflichtung ist das Verpflichtungsgesetz vom 2.3.1974 (BGBl. I, S. 469, 547; BStBl. I, S. 380). Für eine<br />

Verpflichtung kommen z. B. Schreib- und Registraturkräfte, ferner Mitarbeiter in Rechenzentren sowie<br />

Unternehmer und <strong>de</strong>ren Mitarbeiter, die Hilfstätigkeiten für die öffentliche Verwaltung erbringen (z. B.<br />

Datenerfassung, Versendung von Erklärungsvordrucken) in Betracht.<br />

2.4 Sachverständige stehen Amtsträgern nur dann gleich, wenn sie von einer Behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r einem Gericht<br />

hinzugezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

3. Befugnis <strong>zur</strong> Offenbarung<br />

Die Absätze 4 und 5 <strong>de</strong>s § 30 erlauben die Offenbarung <strong>de</strong>r in § 30 Abs. 2 geschützten Verhältnisse, Betriebsund<br />

Geschäftsgeheimnisse, nicht aber die Verwertung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Offenbarung<br />

ist je<strong>de</strong>s ausdrückliche o<strong>de</strong>r konklu<strong>de</strong>nte Verhalten, auf Grund <strong>de</strong>ssen Verhältnisse eines an<strong>de</strong>ren bekannt<br />

wer<strong>de</strong>n können. Eine Offenbarung kann sich aus mündlichen, schriftlichen o<strong>de</strong>r elektronischen Erklärungen,<br />

aber auch aus an<strong>de</strong>ren Handlungen (z. B. Gewährung von Akteneinsicht, Kopfnicken usw.) o<strong>de</strong>r Unterlassungen<br />

ergeben. Die Finanzbehör<strong>de</strong> ist, sofern eine <strong>de</strong>r in § 30 Abs. 4 und 5 genannten Voraussetzungen vorliegt, <strong>zur</strong><br />

Offenbarung befugt, jedoch nicht verpflichtet. Es gelten die Grundsätze <strong>de</strong>s § 5. Bei <strong>de</strong>r Entscheidung, ob <strong>de</strong>m<br />

Steuergeheimnis unterliegen<strong>de</strong> Verhältnisse offenbart wer<strong>de</strong>n sollen, ist zu berücksichtigen, dass das<br />

Steuergeheimnis auch dazu dient, die Beteiligten am Besteuerungsverfahren zu wahrheitsgemäßen Angaben zu<br />

veranlassen. Ist die Befugnis <strong>zur</strong> Offenbarung nach § 30 gegeben und besteht gleichzeitig ein<br />

Auskunftsanspruch, <strong>de</strong>r für sich allein das Steuergeheimnis nicht durchbricht, z. B. § 161 StPO, so ist die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>zur</strong> Auskunftserteilung verpflichtet.<br />

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4. Offenbarung <strong>zur</strong> Durchführung eines steuerlichen Verfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 1)<br />

4.1 § 30 Abs. 4 Nr. 1 lässt eine Offenbarung <strong>zur</strong> Durchführung eines steuerlichen Verfahrens o<strong>de</strong>r eines<br />

Steuerstraf- o<strong>de</strong>r Bußgeldverfahrens zu. Es genügt, dass das Offenbaren für die Einleitung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Fortgang<br />

dieses Verfahrens nützlich sein könnte. Die Zulässigkeit ist nicht auf die Mitteilung von Tatsachen zwischen<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n beschränkt (z. B. Mitteilungen zwischen Zollbehör<strong>de</strong>n und Steuerbehör<strong>de</strong>n, zwischen<br />

Finanzämtern und übergeordneten Finanzbehör<strong>de</strong>n). Zulässig ist auch die Mitteilung an an<strong>de</strong>re Behör<strong>de</strong>n, soweit<br />

sie unmittelbar <strong>de</strong>r Durchführung eines <strong>de</strong>r oben genannten Verfahren dient, z. B. Mitteilungen an die<br />

Denkmalschutzbehör<strong>de</strong>n im Bescheinigungsverfahren nach § 7i EStG.<br />

Sofern Verwaltungsgerichte Verfahren in Steuersachen (insbeson<strong>de</strong>re Realsteuersachen, Kirchensteuersachen)<br />

zu entschei<strong>de</strong>n haben, besteht eine Offenbarungsbefugnis wie gegenüber Finanzgerichten. Bei<br />

verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten in an<strong>de</strong>ren als steuerlichen Verfahren dürfen die Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n<br />

Gerichten Auskünfte nur dann erteilen, wenn die Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 bis 5 zugelassen ist.<br />

4.2 Auskünfte darüber, ob eine Körperschaft wegen Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger o<strong>de</strong>r kirchlicher<br />

Zwecke steuerbegünstigt ist o<strong>de</strong>r nicht, sind <strong>de</strong>m Spen<strong>de</strong>r nur dann zu erteilen, wenn<br />

– er im Besteuerungsverfahren die Berücksichtigung <strong>de</strong>r geleisteten Spen<strong>de</strong> beantragt (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V.<br />

mit Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a),<br />

– die Körperschaft ihm <strong>de</strong>n Tatsachen entsprechend mitgeteilt hat, dass sie <strong>zur</strong> Entgegennahme steuerlich<br />

abzugsfähiger Spen<strong>de</strong>n berechtigt ist,<br />

– die Körperschaft wahrheitswidrig behauptet, sie sei <strong>zur</strong> Entgegennahme steuerlich abzugsfähiger Spen<strong>de</strong>n<br />

berechtigt (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V. mit Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a, vgl. zu § 85); die Richtigstellung kann<br />

öffentlich erfolgen, wenn die Körperschaft ihre wahrheitswidrige Behauptung öffentlich verbreitet.<br />

Ansonsten ist <strong>de</strong>r Spen<strong>de</strong>r bei Anfragen stets an die Körperschaft zu verweisen, sofern keine Zustimmung <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft <strong>zur</strong> Auskunftserteilung vorliegt.<br />

4.3 Wird eine beantragte Steuerermäßigung, die von Einkommens- o<strong>de</strong>r Vermögensverhältnissen Dritter<br />

abhängt (z. B. nach §§ 32, 33a EStG), abgelehnt, weil die Einkünfte und Bezüge bzw. das Vermögen gesetzliche<br />

Betragsgrenzen übersteigen, ist dies <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen ohne Angabe <strong>de</strong>s genauen Betrags mitzuteilen. Wird<br />

ein <strong>de</strong>rartiger Ermäßigungsantrag im Hinblick auf die eigenen Einkünfte und Bezüge o<strong>de</strong>r das Vermögen <strong>de</strong>s<br />

Dritten teilweise abgelehnt, so darf <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Höhe dieser Beträge mitgeteilt wer<strong>de</strong>n.<br />

4.4 Der Erbe tritt als Gesamtrechtsnachfolger in die rechtliche Stellung <strong>de</strong>s Erblassers ein (§ 1922 BGB; § 45<br />

Abs. 1 Satz 1). Die Auskünfte, die <strong>de</strong>m Erblasser aus <strong>de</strong>n Steuerakten erteilt wer<strong>de</strong>n durften, dürfen auch <strong>de</strong>m<br />

Erben erteilt wer<strong>de</strong>n. Sind mehrere Erben vorhan<strong>de</strong>n, so ist je<strong>de</strong>r einzelne Gesamtrechtsnachfolger <strong>de</strong>s<br />

Erblassers. Zur Auskunftserteilung bedarf es nicht <strong>de</strong>r Zustimmung <strong>de</strong>r übrigen Miterben. Der<br />

auskunftssuchen<strong>de</strong> Erbe hat sich erfor<strong>de</strong>rlichenfalls durch Erbschein auszuweisen. Vermächtnisnehmer,<br />

Pflichtteilsberechtigte sowie Erbersatzanspruchsberechtigte sind keine Gesamtrechtsnachfolger. Ihnen darf daher<br />

keine Auskunft erteilt wer<strong>de</strong>n.<br />

4.5 Bei <strong>de</strong>r Schätzung von Besteuerungsgrundlagen sind ggf. die für Vergleichsbetriebe geführten Steuerakten<br />

<strong>de</strong>m Finanzgericht vorzulegen, damit das Finanzgericht überprüfen kann, ob gegen die Zahlen <strong>de</strong>r<br />

Vergleichsbetriebe Be<strong>de</strong>nken bestehen. Da <strong>de</strong>r Steuerpflichtige jedoch gem. § 78 FGO das Recht hat, die <strong>de</strong>m<br />

Finanzgericht vorgelegten Akten einzusehen, hat die Vorlage an das Finanzgericht stets in anonymisierter Form<br />

zu erfolgen (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.1984 – VIII R 195/82 – BStBl. 1986 II, S. 226). Das Finanzgericht darf<br />

die Verwertung <strong>de</strong>r vom Finanzamt eingebrachten anonymisierten Daten über Vergleichsbetriebe nicht schon im<br />

Grundsatz ablehnen (vgl. BFH-Urteil vom 17.10.2001 – I R 103/00 – BStBl. 2004 II, S. 171).<br />

4.6 Zur Auskunftserteilung bei Betriebsübernahme im Hinblick auf die Haftung nach § 75 siehe Nummer 6 zu<br />

§ 75.<br />

4.7 Anträge und Erteilung von Auskünften über die Besteuerung Dritter bei <strong>de</strong>r Anwendung drittschützen<strong>de</strong>r<br />

Normen (u. a. §§ 64 bis 68 AO und § 2 Abs. 3 UStG) sind <strong>zur</strong> Vorbereitung einer Konkurrentenklage<br />

grundsätzlich zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 5.10.2006 – VII R 24/03 – BStBl. 2007 II, S. 243). Ein solcher<br />

Auskunftsanspruch setzt allerdings voraus, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige substantiiert und glaubhaft darlegt, durch<br />

die unzutreffen<strong>de</strong> Besteuerung <strong>de</strong>s Konkurrenten konkret feststellbare und spürbare Wettbewerbsnachteile zu<br />

erlei<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>shalb gegen die Steuerbehör<strong>de</strong> mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf<br />

steuerlichen Drittschutz geltend machen zu können. Die Auskünfte sind auf das für die Rechtsverfolgung<br />

notwendige Maß zu beschränken. In <strong>de</strong>r Auskunft dürfen <strong>de</strong>shalb nur Angaben über die Art und Weise <strong>de</strong>r<br />

Besteuerung <strong>de</strong>r für die Konkurrenzsituation relevanten Umsätze <strong>de</strong>r fraglichen öffentlichen Einrichtung<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n, nicht aber über die Höhe dieser Umsätze und <strong>de</strong>r hierauf festgesetzten Steuer. Der betroffene<br />

Dritte soll gehört wer<strong>de</strong>n.<br />

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4.8 Gerichtliche Verfahren im Vollstreckungsverfahren<br />

4.8.1 Im Rahmen einer Drittwi<strong>de</strong>rspruchsklage (§ 262) darf die Vollstreckungsbehör<strong>de</strong> (§ 249 Abs. 1 Satz 3) im<br />

Prozess Verhältnisse <strong>de</strong>s Vollstreckungsschuldners und an<strong>de</strong>rer Personen nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 offenbaren,<br />

soweit dies <strong>de</strong>r Durchsetzung <strong>de</strong>r Steueransprüche gegen <strong>de</strong>n Vollstreckungsschuldner dient.<br />

4.8.2 Der Drittschuldner (vgl. § 309) ist befugt, Einwendungen gegen die Art und Weise <strong>de</strong>r<br />

Zwangsvollstreckung, wozu auch die Geltendmachung <strong>de</strong>r Unpfändbarkeit von For<strong>de</strong>rungen (vgl. § 319) gehört,<br />

mit <strong>de</strong>r Anfechtungsklage nach § 40 Abs. 1 FGO geltend zu machen. Im finanzgerichtlichen Verfahren darf die<br />

Vollstreckungsbehör<strong>de</strong> die Verhältnisse <strong>de</strong>s Vollstreckungsschuldners und an<strong>de</strong>rer Personen nach § 30 Abs. 4<br />

Nr. 1 offenbaren, soweit dies <strong>de</strong>r Durchführung <strong>de</strong>s finanzgerichtlichen Verfahrens dient.<br />

4.8.3 Leistet <strong>de</strong>r Drittschuldner (vgl. § 309) nicht, kann die Vollstreckungsbehör<strong>de</strong> zivilgerichtlich gegen ihn<br />

vorgehen. Dabei ist <strong>de</strong>m Vollstreckungsschuldner <strong>de</strong>r Streit zu verkün<strong>de</strong>n (§ 316 Abs. 3 AO i. V. m. § 841<br />

ZPO). Die Klage gegen <strong>de</strong>n Drittschuldner dient <strong>de</strong>r Durchsetzung <strong>de</strong>r Steueransprüche gegen <strong>de</strong>n<br />

Vollstreckungsschuldner. Die Vollstreckungsbehör<strong>de</strong> darf daher im Prozess Verhältnisse <strong>de</strong>s<br />

Vollstreckungsschuldners, <strong>de</strong>s Drittschuldners und an<strong>de</strong>rer Personen nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 offenbaren, soweit<br />

dies <strong>de</strong>r Durchsetzung <strong>de</strong>r Steueransprüche dient.<br />

5. Gesetzlich zugelassene Offenbarungen (§ 30 Abs. 4 Nr. 2)<br />

Auf § 30 Abs. 4 Nr. 2 kann eine Offenbarung nur gestützt wer<strong>de</strong>n, wenn die Befugnis zum Offenbaren in einem<br />

Gesetz ausdrücklich enthalten ist. Eine Bestimmung über die allgemeine Pflicht <strong>zur</strong> Amtshilfe genügt nicht. Die<br />

Befugnis kann in <strong>de</strong>r AO selbst (z. B. § 31), in an<strong>de</strong>ren Steuergesetzen o<strong>de</strong>r in außersteuerlichen Vorschriften<br />

enthalten sein.<br />

Zu <strong>de</strong>n außersteuerlichen Vorschriften gehören insbeson<strong>de</strong>re:<br />

– § 5 Abs. 3 <strong>de</strong>s Gesetzes über <strong>de</strong>n Abbau <strong>de</strong>r Fehlsubventionierung im Wohnungswesen;<br />

– § 236 Abs. 1 und § 379 Abs. 2 <strong>de</strong>s Gesetzes über Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten <strong>de</strong>r<br />

freiwilligen Gerichtsbarkeit;<br />

– § 88 Abs. 3 <strong>de</strong>s Aufenthaltsgesetzes;<br />

– § 197 Abs. 2 Satz 2 <strong>de</strong>s Baugesetzbuches;<br />

– § 49 <strong>de</strong>s Beamtenstatusgesetzes und § 115 <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sbeamtengesetzes;<br />

– § 24 Abs. 2 und 6 <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sdatenschutzgesetzes;<br />

– § 34 <strong>de</strong>s Erdölbevorratungsgesetzes;<br />

– § 17 Satz 2 <strong>de</strong>s Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen;<br />

– § 14 Abs. 4 und § 153a Abs. 1 Satz 2 <strong>de</strong>r Gewerbeordnung;<br />

– § 3 Abs. 5 <strong>de</strong>s Güterkraftverkehrsgesetzes;<br />

– § 8 Abs. 2 <strong>de</strong>s Gesetzes über das Kreditwesen;<br />

– § 4a Abs. 3 Satz 4 <strong>de</strong>s Mel<strong>de</strong>rechtsrahmengesetzes;<br />

– § 25 Abs. 3 <strong>de</strong>s Personenbeför<strong>de</strong>rungsgesetzes;<br />

– § 7 Abs. 2 <strong>de</strong>s Gesetzes über die Preisstatistik;<br />

– § 27 Abs. 1 Satz 2 <strong>de</strong>s Gesetzes <strong>zur</strong> Regelung offener Vermögensfragen;<br />

– § 21 Abs. 4 SGB X;<br />

– § 5 Abs. 2, § 10 StBerG;<br />

– § 9 <strong>de</strong>s Gesetzes über Steuerstatistiken;<br />

– § 492 Abs. 3 <strong>de</strong>r StPO i. V. m. §§ 385, 399 AO;<br />

– § 20 Abs. 4 <strong>de</strong>s Unterhaltssicherungsgesetzes;<br />

– § 3a <strong>de</strong>r Verfahrensordnung für Höfesachen;<br />

– § 32 Abs. 4 und § 35 Abs. 4 <strong>de</strong>s Wohnraumför<strong>de</strong>rungsgesetzes und § 2 <strong>de</strong>s Wohnungsbindungsgesetzes;<br />

– § 2 <strong>de</strong>s Verwaltungsdatenverwendungsgesetzes;<br />

– § 36 Abs. 2 Bun<strong>de</strong>srechtsanwaltsordnung;<br />

– § 10 Abs. 3 <strong>de</strong>s Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung;<br />

– § 18 Abs. 2 Nr. 2 <strong>de</strong>s Wohnungseigentumsgesetzes;<br />

– § 18 Abs. 3a Bun<strong>de</strong>sverfassungsschutzgesetz (vgl. auch § 51 Abs. 3 Satz 3 AO);<br />

– § 2 Abs. 4 und § 8 Bun<strong>de</strong>sarchivgesetz;<br />

– § 36a Abs. 3 Wirtschaftsprüfungsordnung;<br />

– § 64a Abs. 2 Bun<strong>de</strong>snotarordnung;<br />

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– § 34 Abs. 2 Patentanwaltsordnung;<br />

– § 54 Abs. 1 Satz 4 Gerichtskostengesetz und<br />

– § 19 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Kostenordnung, ggf. i. V. m. § 141 o<strong>de</strong>r § 159 Kostenordnung.<br />

6. Offenbarung bei Zustimmung <strong>de</strong>s Betroffenen (§ 30 Abs. 4 Nr. 3)<br />

Nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 ist die Offenbarung zulässig, soweit <strong>de</strong>r Betroffene zustimmt. Betroffener ist nicht nur<br />

<strong>de</strong>r Verfahrensbeteiligte selbst, son<strong>de</strong>rn auch je<strong>de</strong>r An<strong>de</strong>re, <strong>de</strong>ssen Verhältnisse durch § 30 geschützt wer<strong>de</strong>n<br />

(z. B. Geschäftsführer, Geschäftspartner, Arbeitnehmer, Empfänger von Zahlungen und an<strong>de</strong>ren Vorteilen). Sind<br />

mehrere Personen betroffen, so müssen alle ihre Zustimmung <strong>zur</strong> Offenbarung eines Sachverhalts erteilen.<br />

Stimmen einzelne Personen nicht zu, so dürfen die geschützten Verhältnisse <strong>de</strong>rjenigen, die ihre Zustimmung<br />

nicht erteilt haben, nicht offenbart wer<strong>de</strong>n.<br />

7. Offenbarung <strong>zur</strong> Durchführung eines außersteuerlichen Strafverfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 4)<br />

7.1 Gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe a dürfen im Steuerstrafverfahren o<strong>de</strong>r<br />

Steuerordnungswidrigkeitsverfahren gewonnene Erkenntnisse über außersteuerliche Straftaten an Gerichte und<br />

Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n für Zwecke <strong>de</strong>r Strafverfolgung weitergeleitet wer<strong>de</strong>n. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n können<br />

daher z. B. die Staatsanwaltschaft auch über sog. Zufallsfun<strong>de</strong> unterrichten. Voraussetzung ist jedoch stets, dass<br />

die Erkenntnisse im Steuerstraf- o<strong>de</strong>r Bußgeldverfahren selbst gewonnen wur<strong>de</strong>n. Kenntnisse, die bereits vorher<br />

in einem an<strong>de</strong>ren Verfahren (z. B. Veranlagungs-, Außenprüfungs- o<strong>de</strong>r Vollstreckungsverfahren) erlangt<br />

wur<strong>de</strong>n, dürfen <strong>de</strong>n Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n gegenüber nicht offenbart wer<strong>de</strong>n. Sind die Tatsachen von <strong>de</strong>m<br />

Steuerpflichtigen (§ 33) selbst o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r für ihn han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Person (§ 200 Abs. 1) <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> mitgeteilt<br />

wor<strong>de</strong>n, ist die Weitergabe <strong>zur</strong> Strafverfolgung wegen nichtsteuerlicher Straftaten nur zulässig, wenn <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Abgabe <strong>de</strong>r Mitteilung an die Finanzbehör<strong>de</strong> die Einleitung <strong>de</strong>s steuerlichen<br />

Straf- o<strong>de</strong>r Bußgeldverfahrens gekannt hat, es sei <strong>de</strong>nn, einer <strong>de</strong>r in § 30 Abs. 4 Nr. 5 o<strong>de</strong>r Abs. 5 geregelten<br />

Fälle läge vor.<br />

7.2 Gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe b ist eine Offenbarung von Kenntnissen <strong>zur</strong> Durchführung eines<br />

Strafverfahrens wegen einer nichtsteuerlichen Straftat uneingeschränkt zulässig, wenn die Tatsachen <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung o<strong>de</strong>r unter Verzicht auf ein<br />

Auskunftsverweigerungsrecht bekannt gewor<strong>de</strong>n sind. Tatsachen sind <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> ohne Bestehen einer<br />

steuerlichen Verpflichtung bekannt gewor<strong>de</strong>n, wenn die Auskunftsperson nicht zuvor durch die Finanzbehör<strong>de</strong><br />

<strong>zur</strong> Erteilung einer Auskunft aufgefor<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n ist. Ein Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht (siehe<br />

§§ 101 ff.) kann nur angenommen wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>m Berechtigten sein Auskunftsverweigerungsrecht bekannt<br />

war; dies setzt in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 101 eine Belehrung voraus.<br />

8. Offenbarung aus zwingen<strong>de</strong>m öffentlichen Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5)<br />

Eine Offenbarung ist gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 zulässig, soweit für sie ein zwingen<strong>de</strong>s öffentliches Interesse<br />

besteht. § 30 Abs. 4 Nr. 5 enthält eine beispielhafte Aufzählung von Fällen, in <strong>de</strong>nen ein zwingen<strong>de</strong>s öffentliches<br />

Interesse zu bejahen ist. Bei an<strong>de</strong>ren Sachverhalten ist ein zwingen<strong>de</strong>s öffentliches Interesse nur gegeben, wenn<br />

sie in ihrer Be<strong>de</strong>utung einem <strong>de</strong>r in § 30 Abs. 4 Nr. 5 erwähnten Fälle vergleichbar sind. Liegt ein zwingen<strong>de</strong>s<br />

öffentliches Interesse vor, macht es für die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Offenbarung keinen Unterschied, ob die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> aufgrund eigener Erkenntnisse von Amts wegen die zuständige Behör<strong>de</strong> informiert o<strong>de</strong>r ob die<br />

zuständige Behör<strong>de</strong> unter Schil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong>, die das Vorliegen eines zwingen<strong>de</strong>n öffentlichen Interesses<br />

begrün<strong>de</strong>n, die Finanzbehör<strong>de</strong> um Auskunft ersucht.<br />

8.1 Die Gewerbebehör<strong>de</strong>n können bei Vorliegen eines zwingen<strong>de</strong>n öffentlichen Interesses für Zwecke eines<br />

Gewerbeuntersagungsverfahrens über die Verletzung steuerlicher Pflichten unterrichtet wer<strong>de</strong>n, die mit <strong>de</strong>r<br />

Ausübung <strong>de</strong>s Gewerbes, das untersagt wer<strong>de</strong>n soll, im Zusammenhang stehen (vgl. im Einzelnen BMF-<br />

Schreiben vom 14.12.2010, BStBl. I S. ...).<br />

Zur Wahrung <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses gegenüber Parlamenten bzw. einem Untersuchungsausschuss <strong>de</strong>s<br />

Deutschen Bun<strong>de</strong>stages vgl. BMF-Schreiben vom 13.5.1987.<br />

8.2 Verbrechen i. S. v. § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe a sind alle Straftaten, die im Min<strong>de</strong>stmaß mit Freiheitsstrafe<br />

von einem Jahr o<strong>de</strong>r darüber bedroht sind (§ 12 Abs. 1 StGB). Als vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib<br />

und Leben o<strong>de</strong>r gegen <strong>de</strong>n Staat und seine Einrichtungen kommen nur solche Vergehen in Betracht, die eine<br />

schwerwiegen<strong>de</strong> Rechtsverletzung darstellen und <strong>de</strong>mentsprechend mit Freiheitsstrafe bedroht sind.<br />

8.3 Unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Wirtschaftsstraftat i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe b fallen Straftaten nicht schon<br />

<strong>de</strong>swegen, weil sie nach § 74c <strong>de</strong>s Gerichtsverfassungsgesetzes <strong>zur</strong> Zuständigkeit <strong>de</strong>s Landgerichts gehören. Es<br />

ist vielmehr in je<strong>de</strong>m Einzelfall unter Abwägung <strong>de</strong>r Interessen zu prüfen, ob die beson<strong>de</strong>ren Voraussetzungen<br />

<strong>de</strong>s § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe b gegeben sind.<br />

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8.4 § 6 <strong>de</strong>s Subventionsgesetzes, wonach Behör<strong>de</strong>n von Bund und Län<strong>de</strong>rn Tatsachen, die sie dienstlich<br />

erfahren und die <strong>de</strong>n Verdacht eines Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) begrün<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n<br />

mitzuteilen haben, stellt keine Ermächtigungsvorschrift i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 dar. Anzeigen an<br />

Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n wegen <strong>de</strong>s Verdachts eines Subventionsbetrugs sind daher nur zulässig, wenn ein<br />

zwingen<strong>de</strong>s öffentliches Interesse an <strong>de</strong>r Offenbarung besteht (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe b) o<strong>de</strong>r die<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 30 Abs. 5 vorliegen (vgl. Nr. 9). Betrifft <strong>de</strong>r Subventionsbetrug allerdings<br />

Investitionszulagen, so sind entsprechen<strong>de</strong> Tatsachen wie bei Steuerstraftaten <strong>de</strong>n Bußgeld- und<br />

Strafsachenstellen zu mel<strong>de</strong>n (vgl. § 14 InvZulG 2010 i. V. m. § 30 Abs. 4 Nr. 1). Nach § 31a besteht daneben<br />

eine Offenbarungsbefugnis gegenüber <strong>de</strong>n für die Bewilligung, Gewährung, Rückfor<strong>de</strong>rung, Erstattung,<br />

Weitergewährung o<strong>de</strong>r für das Belassen einer Subvention zuständigen Behör<strong>de</strong>n und Gerichten; vgl. im<br />

Einzelnen Nr. 4.3 zu § 31a.<br />

8.5 Die Weitergabe von Informationen über Verstöße gegen die Umweltschutzbestimmungen kommt<br />

insbeson<strong>de</strong>re in Betracht, wenn daran ein zwingen<strong>de</strong>s öffentliches Interesse nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 besteht. Dies<br />

ist nicht nur <strong>zur</strong> Verfolgung <strong>de</strong>r in § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstaben a und b genannten Straftaten gegeben, son<strong>de</strong>rn<br />

auch <strong>zur</strong> Verfolgung an<strong>de</strong>rer Straftaten, die wegen ihrer Schwere und ihrer Auswirkungen auf die Allgemeinheit<br />

<strong>de</strong>n genannten Regeltatbestän<strong>de</strong>n entsprechen. Bei Verdacht eines beson<strong>de</strong>rs schweren Falles einer<br />

Umweltstraftat i. S. d. § 330 StGB o<strong>de</strong>r einer schweren Gefährdung durch Freisetzung von Giften i. S. d. § 330a<br />

StGB ist ein zwingen<strong>de</strong>s öffentliches Interesse für eine Offenbarung zu bejahen. Keine Offenbarungsbefugnis<br />

besteht, wenn lediglich <strong>de</strong>r abstrakte Gefährdungstatbestand einer Umweltstraftat wie etwa § 325 StGB<br />

(Luftverunreinigung), § 325a StGB (Verursachen von Lärm, Erschütterungen und nichtionisieren<strong>de</strong>n Strahlen)<br />

bzw. § 326 StGB (umweltgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Abfallbeseitigung) erfüllt ist. Kann die Finanzbehör<strong>de</strong> nicht beurteilen,<br />

ob die vorgenannten Voraussetzungen für eine Weitergabe erfüllt sind, hat sie zunächst unter Anonymisierung<br />

<strong>de</strong>s Sachverhalts eine sachkundige Stelle <strong>zur</strong> Klärung einzuschalten. Soweit Verstöße gegen<br />

Umweltschutzbestimmungen steuerliche Auswirkungen haben, z. B. für die Anerkennung für eine<br />

Teilwertabschreibung, ergibt sich die Befugnis <strong>zur</strong> Weitergabe aus § 30 Abs. 4 Nr. 1, sofern die Weitergabe <strong>zur</strong><br />

Durchführung <strong>de</strong>s Besteuerungsverfahrens erfor<strong>de</strong>rlich ist. Sieht die Finanzbehör<strong>de</strong> die Notwendigkeit, Angaben<br />

<strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, z. B. über schadstoffbelastete Wirtschaftsgüter, zu überprüfen, kann sie <strong>de</strong>n Sachverhalt<br />

einer zuständigen Fachbehör<strong>de</strong> offenbaren. Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat dabei zu prüfen, ob es ausreicht, <strong>de</strong>n<br />

Sachverhalt <strong>de</strong>r Fachbehör<strong>de</strong> in anonymisierter Form vorzutragen. Ist die Offenbarung <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen erfor<strong>de</strong>rlich, soll sie die Fachbehör<strong>de</strong> darauf hinweisen, dass die Angaben <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c weiterhin <strong>de</strong>m Steuergeheimnis unterliegen. Die<br />

Weitergabe von Erkenntnissen über Verstöße gegen Umweltschutzbestimmungen kann gleichzeitig auf mehrere<br />

Offenbarungsgrün<strong>de</strong> gestützt wer<strong>de</strong>n. Eine Weitergabe von Erkenntnissen unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong>de</strong>s<br />

zwingen<strong>de</strong>n öffentlichen Interesses ist <strong>de</strong>shalb auch dann zulässig, wenn <strong>de</strong>r gleiche Sachverhalt bereits nach<br />

§ 30 Abs. 4 Nr. 1 offenbart wor<strong>de</strong>n ist. Die Weitergabe von Informationen über Verstöße gegen die<br />

Umweltschutzbestimmungen kann nicht auf das Umweltinformationsgesetz vom 23.8.2001 (BGBl. I S. 2218)<br />

gestützt wer<strong>de</strong>n.<br />

8.6 Zu Mitteilungen an Disziplinarstellen <strong>zur</strong> Durchführung dienstrechtlicher Maßnahmen bei Beamten und<br />

Richtern vgl. BMF-Schreiben vom 12.3.2010 – IV A 3 – S 0130/08/10006 – BStBl. I, S. 222, geän<strong>de</strong>rt durch<br />

BMF-Schreiben vom 20.6.2011 – IV A 3 – S 0130/08/10006 – BStBl. I S. ... Die Regelungen dieses BMF-<br />

Schreibens sind bei vergleichbaren Verfehlungen sonstiger Angehöriger <strong>de</strong>r Finanzverwaltung (Arbeitnehmer,<br />

die we<strong>de</strong>r Beamte noch Richter sind) entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n, soweit dies <strong>zur</strong> Ergreifung vergleichbarer<br />

arbeitsrechtlicher Maßnahmen (z. B. Abmahnung, Kündigung) führen kann. Eine Steuerhinterziehung in<br />

erheblicher Höhe ist bei einem hoheitlich tätigen Angestellten o<strong>de</strong>r Tarifbeschäftigen einer Finanzbehör<strong>de</strong> als<br />

wichtiger Grund <strong>zur</strong> fristlosen Kündigung an sich auch dann geeignet, wenn <strong>de</strong>r Angestellte bzw.<br />

Tarifbeschäftigte die Hinterziehung gemäß § 371 selbst angezeigt hat (vgl. BAG, Urteile vom 21.6.2001 –<br />

2 AZR 325/00, HFR 2003, 183, und vom 10.9.2009 – 2 AZR 257/08, juris).<br />

8.7 Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind verpflichtet, <strong>de</strong>n für die Bekämpfung terroristischer Aktivitäten zuständigen<br />

Stellen die nach § 30 geschützten Verhältnisse auf <strong>de</strong>ren Ersuchen mitzuteilen. Für die Mitteilungen an die<br />

genannten Stellen besteht in diesen Fällen ein zwingen<strong>de</strong>s öffentliches Interesse i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 5. Die<br />

ersuchen<strong>de</strong>n Stellen haben in ihrem Ersuchen zu versichern, dass die erbetenen Daten für Ermittlungen und<br />

Aufklärungsarbeiten im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Bekämpfung <strong>de</strong>s Terrorismus erfor<strong>de</strong>rlich sind. Eine bestimmte<br />

Form für die Auskunftsersuchen und die Erteilung <strong>de</strong>r Auskünfte ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich. Bei Zweifeln an <strong>de</strong>r<br />

I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s Auskunftsersuchen<strong>de</strong>n haben sich die Finanzbehör<strong>de</strong>n vor Auskunftserteilung über die I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s<br />

Auskunftsersuchen<strong>de</strong>n auf geeignete Weise zu vergewissern. Zur Mitteilungspflicht <strong>zur</strong> Bekämpfung <strong>de</strong>r<br />

Geldwäsche und <strong>de</strong>r Terrorismusfinanzierung vgl. § 31b.<br />

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8.8 § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe c gestattet die Offenbarung <strong>zur</strong> Richtigstellung unwahrer Tatsachen, die<br />

geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern. Diese Offenbarungsbefugnis begrün<strong>de</strong>t<br />

ein Abwehrrecht <strong>de</strong>r Verwaltung und dient damit nicht <strong>de</strong>m Aufklärungsinteresse <strong>de</strong>r Öffentlichkeit. Die<br />

Verwaltung selbst hat zu entschei<strong>de</strong>n, ob und in welchem Umfang sie richtig stellen will. Sie hat dabei <strong>de</strong>n<br />

Grundsatz <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit zu wahren und sich auf die <strong>zur</strong> Richtigstellung erfor<strong>de</strong>rliche Offenbarung zu<br />

beschränken. Eine Offenbarung <strong>zur</strong> Richtigstellung in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen gem.<br />

§ 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe c kommt nur im Ausnahmefall in Betracht.<br />

8.9 Wer<strong>de</strong>n strafrechtlich geschützte Individualrechtsgüter eines Amtsträgers o<strong>de</strong>r einer gleichgestellten Person<br />

im Sinne <strong>de</strong>s § 30 Abs. 3 verletzt, ist die Durchbrechung <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 5<br />

zulässig, soweit dies für die Verfolgung <strong>de</strong>s Deliktes erfor<strong>de</strong>rlich ist. In Betracht kommen hierbei insbeson<strong>de</strong>re:<br />

– falsche Verdächtigung (§ 164 StGB),<br />

– Beleidigung (§ 185 StGB),<br />

– üble Nachre<strong>de</strong> (§ 186 StGB),<br />

– Verleumdung (§ 187 StGB),<br />

– Körperverletzung (§§ 223, 224, 229 StGB),<br />

– Freiheitsberaubung (§ 239 StGB),<br />

– Nötigung (§ 240 StGB),<br />

– Bedrohung (§ 241 StGB).<br />

8.10 § 30 Abs. 4 Nr. 5 gestattet die Offenbarung <strong>de</strong>r Verhältnisse eines an<strong>de</strong>ren <strong>zur</strong> Verfolgung von<br />

– Wi<strong>de</strong>rstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB),<br />

– Verstrickungsbrüchen (§ 136 Abs. 1 StGB),<br />

– Siegelbrüchen (§ 136 Abs. 2 StGB) o<strong>de</strong>r<br />

– Vereitelung <strong>de</strong>r Vollstreckung (§ 288 StGB)<br />

im Besteuerungsverfahren durch die Finanzbehör<strong>de</strong>n gegenüber Gerichten o<strong>de</strong>r Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n. Das<br />

zwingen<strong>de</strong> öffentliche Interesse an <strong>de</strong>r Offenbarung folgt daraus, dass sich die strafrechtlich relevanten<br />

Handlungen gegen die Gesetzmäßigkeit <strong>de</strong>s Steuerverfahrens als Ganzes – Steuererhebung und<br />

Steuerverstrickung – richten.<br />

8.11 Liegen <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n Erkenntnisse zu Insolvenzstraftaten i. S. d. §§ 283 bis 283c StGB o<strong>de</strong>r zu<br />

Insolvenzverschleppungsstraftaten (§ 15a InsO) vor, die sie im Besteuerungsverfahren erlangt haben, so ist eine<br />

Offenbarung dieser Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 zulässig.<br />

8.12 Liegen <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n Anhaltspunkte zu Misshandlungen von Kin<strong>de</strong>rn i. S. d. § 223 StGB und<br />

Misshandlungen von Schutzbefohlenen i. S. d. § 225 StGB vor, die sie im Besteuerungs- bzw.<br />

Steuerstrafverfahren erlangt haben, ist eine Offenbarung dieser Kenntnisse an die Sozialbehör<strong>de</strong>n bzw.<br />

Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 zulässig.<br />

8.13 Soweit <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n im Besteuerungsverfahren Erkenntnisse über Verstöße gegen europäische<br />

Embargo-Verordnungen bekannt wer<strong>de</strong>n, haben sie diese <strong>de</strong>n für die Verfolgung <strong>de</strong>rartiger Verstöße<br />

zuständigen Behör<strong>de</strong>n mitzuteilen. Die Offenbarung ist nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 zulässig. Der Stand <strong>de</strong>r<br />

bestehen<strong>de</strong>n Embargos sowie eine Liste <strong>de</strong>r jeweils zuständigen Ermittlungsbehör<strong>de</strong> sind zu fin<strong>de</strong>n unter:<br />

http://www.bmwi.<strong>de</strong>/BMWi/Navigation/Aussenwirtschaft/aussenwirtschaftsrecht,did = 193616.html.<br />

9. Offenbarung vorsätzlich falscher Angaben (§ 30 Absatz 5)<br />

Die Unterrichtung <strong>de</strong>r Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n über vorsätzlich falsche Angaben <strong>de</strong>s Betroffenen gemäß § 30<br />

Abs. 5 darf nur erfolgen, wenn nach Auffassung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> durch die falschen Angaben ein<br />

Straftatbestand verwirklicht wor<strong>de</strong>n ist; die Durchführung eines Strafverfahrens wegen dieser Tat ist nicht<br />

Voraussetzung für die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Offenbarung. Der Finanzbehör<strong>de</strong> obliegt die Prüfung, ob <strong>de</strong>r Betroffene,<br />

sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht, einen Straftatbestand verwirklicht hat (BFH-Urteil vom<br />

8.2.1994 – VII R 88/92 – BStBl. II, S. 552). § 30 Abs. 5 lässt eine Offenbarung nur gegenüber <strong>de</strong>n<br />

Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n zu.<br />

10. Auskunft über Anzeigeerstatter<br />

10.1 Durch das Steuergeheimnis wird auch <strong>de</strong>r Name eines Anzeigeerstatters geschützt, wenn die Anzeige eines<br />

<strong>de</strong>r in § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a und b genannten Verfahren auslöst o<strong>de</strong>r innerhalb eines solchen Verfahrens<br />

erstattet o<strong>de</strong>r ausgewertet wird. Was für die Offenbarung <strong>de</strong>s Namens <strong>de</strong>s Anzeigeerstatters gilt, muss in<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Weise auch für die wortgetreue Offenbarung <strong>de</strong>s Inhalts <strong>de</strong>r Anzeige gelten. Häufig wird man<br />

nämlich aus <strong>de</strong>m Inhalt einer Anzeige, sei es aus einer bestimmten Wortwahl o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Gebrauch einzelner<br />

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Formulierungen, sei es aus stilistischen o<strong>de</strong>r grammatikalischen Eigenheiten, aus <strong>de</strong>r Schrift o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r<br />

Strukturierung <strong>de</strong>s gesamten Textes, mit einiger Wahrscheinlichkeit Rückschlüsse auf <strong>de</strong>n Verfasser <strong>de</strong>r Anzeige<br />

ziehen können (vgl. BFH-Beschluss vom 28.12.2006 – VII B 44/03 – BFH/NV 2007, S. 853).<br />

10.2 Hat <strong>de</strong>r Anzeigeerstatter allerdings vorsätzlich falsche Angaben gemacht, kann die Finanzbehör<strong>de</strong> dies<br />

gemäß § 30 Abs. 5 <strong>de</strong>n Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n mitteilen. Das Gleiche gilt gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 4<br />

Buchstabe b, wenn die Anzeige ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung erstattet wor<strong>de</strong>n ist und die<br />

Unterrichtung <strong>de</strong>r Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die<br />

keine Steuerstraftat ist (vgl. Nr. 7.2).<br />

10.3 Grundsätzlich besteht nur eine Befugnis, aber keine Verpflichtung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zu einer<br />

Unterrichtung <strong>de</strong>r Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n. Im Hinblick auf <strong>de</strong>n Persönlichkeitsschutz <strong>de</strong>s Verdächtigten kann<br />

sich die Offenbarungsbefugnis im Einzelfall in eine Verpflichtung <strong>zur</strong> Unterrichtung <strong>de</strong>r<br />

Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n verdichten, wenn <strong>de</strong>r Anzeigeerstatter nach Auffassung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> durch<br />

vorsätzlich falsche Angaben Straftatbestän<strong>de</strong> wie z. B. <strong>de</strong>s § 164 StGB (falsche Verdächtigung) verwirklicht hat<br />

(vgl. u. a. BFH-Urteil vom 8.2.1994 – VII R 88/92 – BStBl. II, S. 552).<br />

10.4 Eine Verpflichtung <strong>zur</strong> Auskunftserteilung besteht auch, wenn die Voraussetzungen für eine Offenbarung<br />

nach § 30 Abs. 5 o<strong>de</strong>r § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe b gegeben sind und die Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong> um<br />

Namensnennung aufgrund einer Strafanzeige <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gegen Unbekannt im Ermittlungsverfahren<br />

nach § 161 StPO ersucht. Dem betroffenen Steuerpflichtigen selbst ist in diesen Fällen keine Auskunft über die<br />

I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s Anzeigenerstatters zu erteilen; insbeson<strong>de</strong>re § 30 Abs. 5 lässt eine Offenbarung nur gegenüber <strong>de</strong>n<br />

Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n zu.<br />

10.5 Auch im Fall eines Auskunftsersuchens <strong>de</strong>r Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong> nach § 161 StPO ist die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 30 Abs. 5 nur <strong>zur</strong> Auskunftserteilung berechtigt, wenn sie nach eigener<br />

Überprüfung <strong>de</strong>r Auffassung ist, dass <strong>de</strong>r Anzeigenerstatter vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat. In diesem<br />

Fall ist die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>zur</strong> Auskunftserteilung an die Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong> verpflichtet.<br />

10.6 Beantragt <strong>de</strong>r betroffene Steuerpflichtige selbst bei <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> Auskunft über die I<strong>de</strong>ntität eines<br />

Anzeigeerstatters und liegen die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe b vor, sind im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Ermessensentscheidung das allgemeine Persönlichkeitsrecht <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gegen das allgemeine<br />

Persönlichkeitsrecht <strong>de</strong>s Anzeigeerstatters und <strong>de</strong>n Zweck <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses – die möglichst vollständige<br />

Erschließung <strong>de</strong>r Steuerquellen – abzuwägen. Dem Informantenschutz und <strong>de</strong>m Zweck <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses<br />

kommt dabei ein höheres Gewicht als <strong>de</strong>m Persönlichkeitsrecht <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zu, wenn sich die<br />

vertraulich mitgeteilten Informationen im Wesentlichen als zutreffend erweisen und zu Steuernachfor<strong>de</strong>rungen<br />

führen (vgl. BFH-Beschluss vom 7.12.2006 – V B 163/05 – BStBl. 2007 II, S. 275 m. w. N.) o<strong>de</strong>r wenn sich bei<br />

einer Vielzahl von Angaben zumin<strong>de</strong>st einige als steuerrechtlich be<strong>de</strong>utsam erweisen, wobei diese im Verhältnis<br />

zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren nicht völlig unmaßgeblich sein dürfen (vgl. BFH-Urteil vom 8.2.1994 – VII R 88/92 – BStBl. II,<br />

S. 552).<br />

Zu § 30a – Schutz von Bankkun<strong>de</strong>n:<br />

1. § 30a Abs. 3 Satz 2 verbietet nicht generell und ausnahmslos die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen<br />

anlässlich einer Bankenprüfung.<br />

§ 30a Abs. 3 gilt nur für Guthabenkonten o<strong>de</strong>r Depots, bei <strong>de</strong>ren Errichtung eine I<strong>de</strong>ntitätsprüfung nach<br />

§ 154 Abs. 2 vorgenommen wor<strong>de</strong>n ist. Guthabenkonten o<strong>de</strong>r Depots, bei <strong>de</strong>ren Errichtung keine<br />

I<strong>de</strong>ntitätsprüfung nach § 154 Abs. 2 vorgenommen wor<strong>de</strong>n ist, dürfen anlässlich <strong>de</strong>r Außenprüfung bei<br />

einem Kreditinstitut zwecks Nachprüfung <strong>de</strong>r ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt o<strong>de</strong>r<br />

abgeschrieben wer<strong>de</strong>n. Für die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen gilt in diesen Fällen § 194 Abs. 3.<br />

Zufallserkenntnisse, die <strong>de</strong>n Verdacht einer Steuerverkürzung im Einzelfall begrün<strong>de</strong>n, können auch<br />

hinsichtlich solcher Guthabenkonten o<strong>de</strong>r Depots, bei <strong>de</strong>ren Errichtung eine I<strong>de</strong>ntitätsprüfung vorgenommen<br />

wor<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>m zuständigen Finanzamt mitgeteilt wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschluss vom 2.8.2001 – VII B 290/99 –<br />

BStBl. 2001 II, S. 665). § 30a Abs. 3 entfaltet aber auch im Rahmen nicht strafrechtlich veranlasster, typisch<br />

steuerrechtlicher Ermittlungen <strong>zur</strong> Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung keine ,,Sperrwirkung“,<br />

wenn ein hinreichen<strong>de</strong>r Anlass für die Kontrollmitteilung besteht (BFH-Urteil vom 9.12.2008 – VII R<br />

47/07 – BStBl. 2009 II, S. 509). Eine Kontrollmitteilung ist dann „hinreichend veranlasst“, wenn das zu<br />

prüfen<strong>de</strong> Bankgeschäft Auffälligkeiten aufweist, die es aus <strong>de</strong>m Kreis <strong>de</strong>r alltäglichen und banküblichen<br />

Geschäfte hervorheben o<strong>de</strong>r eine für Steuerhinterziehung beson<strong>de</strong>rs anfällige Art <strong>de</strong>r Geschäftsabwicklung<br />

erkennen lassen, wenn also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung unbekannter Steuerfälle besteht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 14 von 235


Der hinreichen<strong>de</strong> Anlass für die Nachprüfung <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse muss sich anhand <strong>de</strong>r konkreten<br />

Ermittlungen im Einzelfall und <strong>de</strong>r in vergleichbaren Prüfsituationen gewonnenen<br />

verallgemeinerungsfähigen Erkenntnisse nachvollziehbar ergeben.<br />

§ 194 Abs. 3 bleibt hinsichtlich <strong>de</strong>r Kreditkonten, <strong>de</strong>r Eigenkonten und <strong>de</strong>r Konten pro Diverse durch § 30a<br />

Abs. 3 ebenfalls unberührt. Erkenntnisse aus <strong>de</strong>r Überprüfung <strong>de</strong>rartiger Konten fallen allerdings auch unter<br />

<strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>s § 30a Abs. 3, soweit die entsprechen<strong>de</strong>n Belege notwendigerweise auch zu einem<br />

legitimationsgeprüften Guthabenkonto o<strong>de</strong>r Depot gehören (BFH-Urteil vom 9.12.2008, a.a.O.).<br />

Im Übrigen steht § 30a Abs. 3 einer Außenprüfung nach § 50b EStG bei <strong>de</strong>n Kreditinstituten nicht entgegen.<br />

2. Für Auskunftsersuchen an Kreditinstitute gelten §§ 93 und 208. Ermittlungen „ins Blaue hinein“ sind<br />

unzulässig (vgl. BFH-Urteil vom 23.10.1990 – VIII R 1/86 – BStBl. 1991 II, S. 277 [278]). Auskünfte<br />

können bei hinreichen<strong>de</strong>m Anlass verlangt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 29.10.1986 – VII R 82/85 –<br />

BStBl. 1998 II, S. 359, und vom 24.3.1987 – VII R 30/86 – BStBl. II, S. 484). Unter dieser Voraussetzung<br />

sind auch Auskunftsersuchen, die sich auf eine Vielzahl von Einzelfällen beziehen<br />

(Sammelauskunftsersuchen), zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.1989 – VII R 1/87 – BStBl. 1990 II,<br />

S. 198).<br />

Hingegen sind Sammelauskunftsersuchen über Bestän<strong>de</strong> von Konten einschließlich Depotkonten sowie über<br />

Gutschriften von Kapitalerträgen nach § 30a Abs. 2 unzulässig.<br />

3. Die Anzeigepflicht <strong>de</strong>r Kreditinstitute nach § 33 ErbStG und die Auswertung <strong>de</strong>r Anzeigen auch für<br />

Einkommensteuerzwecke bleiben durch § 30a Abs. 2 unberührt (BFH-Beschluss vom 2.4.1992 –<br />

VIII B 129/91 – BStBl. II, S. 616).<br />

4. Bei Ermittlungen im Steuerstrafverfahren und im Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten<br />

fin<strong>de</strong>t § 30a keine Anwendung.<br />

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Zu § 31 – Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen:<br />

1. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind nach § 31 Abs. 2 <strong>zur</strong> Offenbarung gegenüber <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit, <strong>de</strong>r<br />

Künstlersozialkasse und <strong>de</strong>n Trägern <strong>de</strong>r gesetzlichen Sozialversicherung nur verpflichtet, soweit die<br />

Angaben für die Feststellung <strong>de</strong>r Versicherungspflicht o<strong>de</strong>r die Festsetzung von Beiträgen benötigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Träger <strong>de</strong>r Sozialversicherung, die Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit und die Künstlersozialkasse haben dies bei<br />

Anfragen zu versichern.<br />

2. Sozialleistungsträger i. S. d. § 31 Abs. 2 sind gemäß § 12 SGB I die in §§ 18 bis 29 SGB I genannten<br />

Körperschaften, Anstalten und Behör<strong>de</strong>n, die entsprechen<strong>de</strong> Dienst-, Sach- und Geldleistungen gewähren.<br />

Hierzu gehören z. B. neben <strong>de</strong>n Agenturen für Arbeit und <strong>de</strong>n sonstigen Dienststellen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für<br />

Arbeit die gesetzlichen Krankenkassen (Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, landwirtschaftliche<br />

Krankenkassen, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und die Ersatzkassen) sowie<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung die Regionalträger <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Rentenversicherung, die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Rentenversicherung<br />

Knappschaft-Bahn-See, hinsichtlich <strong>de</strong>r knappschaftlichen Rentenversicherung die Deutsche<br />

Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und hinsichtlich <strong>de</strong>r Alterssicherung <strong>de</strong>r Landwirte die<br />

landwirtschaftlichen Alterskassen.<br />

Nicht zu <strong>de</strong>n Sozialleistungsträgern i. S. d. § 31 Abs. 2 gehören private Krankenversicherungen und die<br />

Träger <strong>de</strong>r berufständischen Versorgungsleistungen (z. B. Ärzte-, Rechtsanwalts- und Architekten-<br />

Versorgungswerke).<br />

Eine ständig aktualisierte Liste <strong>de</strong>r auskunftsberechtigten Krankenkassen kann unter http://www.gkvspitzenverband.<strong>de</strong><br />

eingesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

3. Auskünfte gegenüber Krankenkassen bei freiwillig Versicherten<br />

3.1 Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind gegenüber <strong>de</strong>n gesetzlichen Krankenkassen hinsichtlich freiwillig Versicherter, die<br />

hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, grundsätzlich nicht nach § 31 Abs. 2 auskunftspflichtig. Da<br />

bei diesem Personenkreis die Beitragsbemessungsgrenze als beitragspflichtige Einnahme gilt, ist die<br />

Krankenkasse grundsätzlich nicht verpflichtet, die sozialversicherungsrelevanten Verhältnisse zu ermitteln.<br />

Der freiwillig Versicherte kann allerdings eine Beitragsreduzierung erreichen, wenn er geringere Einnahmen<br />

nachweist (§ 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Die aus <strong>de</strong>m zuletzt vorgelegten Einkommensteuerbescheid<br />

abgeleitete Beitragsbemessung bleibt dann bis <strong>zur</strong> Erteilung <strong>de</strong>s nächsten Einkommensteuerbescheids<br />

maßgebend. Erklärt ein freiwillig Versicherter seiner Krankenkasse in <strong>de</strong>rartigen Fällen auf Nachfrage, ihm<br />

sei seit mehr als 18 Monaten kein Steuerbescheid zugegangen, ist <strong>de</strong>r Krankenkasse auf Ersuchen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 15 von 235


mitzuteilen, ob innerhalb dieses Zeitraums ein Steuerbescheid erteilt wur<strong>de</strong> (unabhängig davon, welchen<br />

Veranlagungszeitraum er betrifft); bejahen<strong>de</strong>nfalls ist auch <strong>de</strong>ssen Datum und das jeweilige<br />

Veranlagungsjahr mitzuteilen.<br />

3.2 Bei an<strong>de</strong>ren freiwillig Versicherten ist die Krankenkasse verpflichtet, die sozialversicherungsrelevanten<br />

Verhältnisse zu ermitteln. Kommt <strong>de</strong>r Versicherte seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, kann die<br />

Krankenkasse die Finanzbehör<strong>de</strong>n in diesen Fällen um Auskunft ersuchen. Die nach § 31 Abs. 2 zulässige<br />

Auskunft ist auf die <strong>zur</strong> Beitragsfestsetzung unbedingt notwendigen Angaben zu beschränken (insbeson<strong>de</strong>re<br />

Höhe einzelner Einkünfte o<strong>de</strong>r Summe <strong>de</strong>r Einkünfte).<br />

3.3 Die Krankenkassen haben in ihren Ersuchen darzulegen, welches Versicherungsverhältnis besteht (Nr. 3.1<br />

o<strong>de</strong>r 3.2).<br />

4. Bei Anfragen <strong>de</strong>r Rentenversicherungsträger an die Finanzämter auf Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen<br />

nach § 31 Abs. 2 Satz 1 in Fällen <strong>de</strong>r einkommensgerechten Beitragszahlung von versicherungspflichtigen<br />

Selbstständigen (§ 165 SGB VI) ist von <strong>de</strong>r Erfor<strong>de</strong>rlichkeit <strong>de</strong>r Auskunft auszugehen, wenn <strong>de</strong>r<br />

Rentenversicherungsträger im Vordruck für Auskunftsersuchen an die Finanzämter (Vordruck V001)<br />

versichert, dass eigene Ermittlungsversuche im Umfang <strong>de</strong>r gestellten Anfrage beim Versicherten (u. a.<br />

Auffor<strong>de</strong>rung <strong>zur</strong> Vorlage <strong>de</strong>s letzten Einkommensteuerbescheids und Erinnerung hieran) erfolglos<br />

geblieben sind.<br />

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Zu § 31a – Mitteilungen <strong>zur</strong> Bekämpfung <strong>de</strong>r illegalen Beschäftigung und <strong>de</strong>s Leistungsmissbrauchs:<br />

1. Allgemeines<br />

Die Offenbarung erfolgt aufgrund einer Anfrage <strong>de</strong>r für die in § 31a genannten Verfahren zuständigen Stellen.<br />

Die zuständigen Stellen haben in <strong>de</strong>r Anfrage zu versichern, dass die Offenbarung <strong>de</strong>r Verhältnisse für ein<br />

Verfahren i. S. d. § 31a Abs. 1 erfor<strong>de</strong>rlich ist.<br />

Die Offenbarung erfolgt von Amts wegen, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong>n über konkrete Informationen verfügen, die<br />

für die zuständigen Stellen für ein Verfahren nach § 31a Abs. 1 erfor<strong>de</strong>rlich sind. Es genügt die Möglichkeit,<br />

dass die konkreten Tatsachen für die Durchführung eines Verfahrens nach § 31a Abs. 1 erfor<strong>de</strong>rlich sind, ein<br />

konkreter Tatverdacht im strafprozessualen Sinne ist nicht notwendig. Vorsorgliche Mitteilungen sind nicht<br />

vorzunehmen.<br />

Die Mitteilungspflicht <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n bezieht sich nur auf die konkret vorhan<strong>de</strong>nen Anhaltspunkte, sie sind<br />

nicht zu zusätzlichen Ermittlungen verpflichtet. Die Mitteilungspflicht <strong>de</strong>s § 31a gilt nur gegenüber <strong>de</strong>n jeweils<br />

zuständigen Stellen und schließt nicht die Befugnis <strong>zur</strong> Gewährung von Akteneinsicht o<strong>de</strong>r die Übersendung von<br />

Akten ein.<br />

Eine Mitteilungspflicht besteht nicht, soweit <strong>de</strong>ren Erfüllung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand<br />

verbun<strong>de</strong>n wäre (§ 31a Abs. 2 Satz 3). Ein unverhältnismäßiger Aufwand liegt i. d. R. dann vor, wenn <strong>de</strong>r <strong>zur</strong><br />

Erfüllung <strong>de</strong>r Mitteilungspflicht erfor<strong>de</strong>rliche sachliche, personelle o<strong>de</strong>r zeitliche Aufwand erkennbar außer<br />

Verhältnis zum angestrebten Erfolg <strong>de</strong>r Mitteilung steht.<br />

2. Bekämpfung von illegaler Beschäftigung o<strong>de</strong>r Schwarzarbeit (§ 31a Abs. 1 Nr. 1a)<br />

2.1 Illegale Beschäftigung<br />

Nach § 16 Abs. 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) liegt illegale Beschäftigung u. a. dann vor,<br />

wenn Auslän<strong>de</strong>r ohne eine erfor<strong>de</strong>rliche Genehmigung arbeiten o<strong>de</strong>r beschäftigt wer<strong>de</strong>n (illegale<br />

Arbeitnehmerbeschäftigung) o<strong>de</strong>r Arbeitnehmer von einem Arbeitgeber an einen Dritten gewerbsmäßig <strong>zur</strong><br />

Arbeitsleistung überlassen wer<strong>de</strong>n, obwohl eine erfor<strong>de</strong>rliche Erlaubnis nach <strong>de</strong>m<br />

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht vorliegt o<strong>de</strong>r die Überlassung gesetzlich nicht gestattet ist (unerlaubte<br />

Arbeitnehmerüberlassung).<br />

2.2 Schwarzarbeit<br />

Nach § 1 Abs. 2 SchwarzArbG leistet Schwarzarbeit, wer Dienst- o<strong>de</strong>r Werkleistungen erbringt o<strong>de</strong>r ausführen<br />

lässt und dabei<br />

1. als Arbeitgeber, Unternehmer o<strong>de</strong>r versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich auf Grund <strong>de</strong>r Diensto<strong>de</strong>r<br />

Werkleistungen ergeben<strong>de</strong>n sozialversicherungsrechtlichen Mel<strong>de</strong>-, Beitrags- o<strong>de</strong>r<br />

Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt,<br />

2. als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund <strong>de</strong>r Dienst- o<strong>de</strong>r Werkleistungen ergeben<strong>de</strong>n steuerlichen Pflichten<br />

nicht erfüllt,<br />

3. als Empfänger von Sozialleistungen seine sich auf Grund <strong>de</strong>r Dienst- o<strong>de</strong>r Werkleistungen ergeben<strong>de</strong>n<br />

Mitteilungspflichten gegenüber <strong>de</strong>m Sozialleistungsträger nicht erfüllt,<br />

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4. als Erbringer von Dienst- o<strong>de</strong>r Werkleistungen seiner sich daraus ergeben<strong>de</strong>n Verpflichtung <strong>zur</strong> Anzeige<br />

vom Beginn <strong>de</strong>s selbstständigen Betriebes eines stehen<strong>de</strong>n Gewerbes (§ 14 <strong>de</strong>r Gewerbeordnung) nicht<br />

nachgekommen ist o<strong>de</strong>r die erfor<strong>de</strong>rliche Reisegewerbekarte (§ 55 <strong>de</strong>r Gewerbeordnung) nicht erworben hat,<br />

5. als Erbringer von Dienst- o<strong>de</strong>r Werkleistungen ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehen<strong>de</strong>s Gewerbe<br />

selbstständig betreibt, ohne in <strong>de</strong>r Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 <strong>de</strong>r Handwerksordnung).<br />

2.3 Zuständige Stellen<br />

Zuständig für die Prüfung und Bekämpfung von illegaler Beschäftigung nach Nr. 2.1 und Schwarzarbeit nach<br />

Nr. 2.2 lfd. Nr. 1 und 2 sind die Behör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Zollverwaltung, Arbeitsbereich Finanzkontrolle Schwarzarbeit<br />

(FKS). Die FKS prüft auch, ob Verstöße gegen Mitteilungspflichten nach Nr. 2.2 lfd. Nr. 3 vorliegen, sofern<br />

diese Mitteilungspflichten Sozialleistungen nach <strong>de</strong>m SGB II, <strong>de</strong>m SGB III o<strong>de</strong>r Leistungen nach <strong>de</strong>m<br />

Altersteilzeitgesetz betreffen; für Sozialleistungen nach <strong>de</strong>m SGB I sind die jeweiligen Leistungs- bzw.<br />

Subventionsgeber zuständig (vgl. unter Nr. 4.2). Für die Verfolgung und Ahndung von Verstößen gegen die in<br />

Nr. 2.2 lfd. Nr. 4 und 5 aufgeführten Pflichten, sind die nach Lan<strong>de</strong>srecht zuständigen Behör<strong>de</strong>n zuständig (§ 2<br />

Abs. 1a SchwarzArbG). Die Prüfung <strong>de</strong>r Erfüllung steuerlicher Pflichten obliegt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2<br />

SchwarzArbG weiterhin <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n. Die FKS ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 SchwarzArbG <strong>zur</strong><br />

Mitwirkung an diesen Prüfungen berechtigt. Unabhängig davon prüft die FKS gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4<br />

SchwarzArbG <strong>zur</strong> Erfüllung ihrer Mitteilungspflichten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Nr. 4<br />

SchwarzArbG, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass steuerlichen Pflichten aus Dienst- und Werkleistungen<br />

nicht nachgekommen wur<strong>de</strong>. Ergeben sich bei <strong>de</strong>r Prüfung <strong>de</strong>r FKS Anhaltspunkte für Verstöße gegen die<br />

Steuergesetze, so unterrichtet die FKS hierüber die zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong>n (§ 6 Abs. 3 Nr. 4<br />

SchwarzArbG). Zur Durchführung <strong>de</strong>s SchwarzArbG führt die FKS eine zentrale Prüfungs- und<br />

Ermittlungsdatenbank (§ 16 SchwarzArbG). Den Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n wird auf Ersuchen Auskunft aus <strong>de</strong>r<br />

zentralen Datenbank erteilt <strong>zur</strong> Durchführung eines Steuerstraf- o<strong>de</strong>r Steuerordnungswidrigkeitenverfahrens und<br />

für die Besteuerung, soweit sie im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Erbringung von Dienst- o<strong>de</strong>r Werkleistungen steht<br />

(§ 17 Abs. 1 Nr. 4 SchwarzArbG). Soweit durch eine Auskunft die Gefährdung <strong>de</strong>s Untersuchungszwecks eines<br />

Ermittlungsverfahrens zu besorgen ist, kann die für dieses Verfahren zuständige Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zollverwaltung<br />

o<strong>de</strong>r die zuständige Staatsanwaltschaft anordnen, dass hierzu keine Auskunft erteilt wer<strong>de</strong>n darf (§ 17 Abs. 1<br />

Satz 2 SchwarzArbG). § 478 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO fin<strong>de</strong>t Anwendung, wenn die Daten Verfahren betreffen,<br />

die zu einem Strafverfahren geführt haben (§ 17 Abs. 1 Satz 3 SchwarzArbG).<br />

2.4 Mitteilungen<br />

Verfügt die Finanzbehör<strong>de</strong> über Informationen, die die FKS o<strong>de</strong>r die nach Lan<strong>de</strong>srecht zuständigen Behör<strong>de</strong>n<br />

für die Erfüllung ihrer Aufgaben <strong>zur</strong> Bekämpfung illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit benötigt, hat sie<br />

diese mitzuteilen. Anhaltspunkte für einen möglichen Verstoß reichen für eine Mitteilung aus. Ein<br />

unverhältnismäßiger Aufwand i. S. <strong>de</strong>s § 31a Abs. 2 Satz 3 liegt bei <strong>de</strong>n Mitteilungen an die FKS im Regelfall<br />

nicht vor.<br />

2.5 Verfahren FKS<br />

Sowohl die Hauptzollämter als auch die Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n haben sogenannte „Partnerstellen“ für die<br />

Zusammenarbeit <strong>de</strong>r FKS mit <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n eingerichtet. Mitteilungen sind daher nicht direkt an die FKS<br />

zu richten, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r jeweils örtlichen „Partnerstelle Steuer“ zu übermitteln. Diese leitet die Mitteilungen dann<br />

an die jeweils örtliche „Partnerstelle FKS“ weiter. In begrün<strong>de</strong>ten Einzelfällen sind ausnahmsweise auch direkte<br />

Kontakte zwischen <strong>de</strong>n Stellen <strong>de</strong>r FKS und <strong>de</strong>n Finanzämtern möglich. Hierüber sind die örtlichen<br />

Partnerstellen zeitnah zu unterrichten.<br />

3. Entscheidung über Arbeitnehmerüberlassung (§ 31a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b<br />

Doppelbuchstabe aa)<br />

3.1 Arbeitnehmerüberlassung<br />

Nach § 1 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ist eine Erlaubnis erfor<strong>de</strong>rlich, wenn ein Arbeitgeber<br />

(Verleiher) einem Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) gewerbsmäßig <strong>zur</strong> Arbeitsleistung<br />

überlassen will, ohne dass damit eine Arbeitsvermittlung nach § 1 Abs. 2 AÜG und i. S. d. §§ 35 ff. SGB III<br />

betrieben wird. Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung in Betrieben <strong>de</strong>s Baugewerbes für Arbeiten, die<br />

üblicherweise von Arbeitern verrichtet wer<strong>de</strong>n, ist zwischen Betrieben <strong>de</strong>s Baugewerbes gestattet, wenn diese<br />

Betriebe von <strong>de</strong>nselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>ren Allgemeinverbindlichkeiten<br />

erfasst wer<strong>de</strong>n; ansonsten ist sie unzulässig (§ 1b AÜG).<br />

Die Erlaubnis <strong>zur</strong> Arbeitnehmerüberlassung hängt nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s AÜG u. a. von <strong>de</strong>r Zuverlässigkeit<br />

<strong>de</strong>s Verleihers ab. Diese Erlaubnis kann aus <strong>de</strong>n in §§ 3, 4 und 5 AÜG aufgeführten Grün<strong>de</strong>n versagt,<br />

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<strong>zur</strong>ückgenommen o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rrufen wen<strong>de</strong>n. Die Zuverlässigkeitsprüfung durch die Arbeitsbehör<strong>de</strong> hat sich dabei<br />

auch auf das steuerliche Verhalten – insbeson<strong>de</strong>re die Einhaltung <strong>de</strong>r Vorschriften über die Einbehaltung und<br />

Abführung <strong>de</strong>r Lohnsteuer – zu erstrecken (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG).<br />

3.2 Zuständige Stellen<br />

Zuständig für die Durchführung <strong>de</strong>s AÜG ist die Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit (§ 17 AÜG).<br />

3.3 Mitteilungen<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong>n unterrichten die zuständigen Dienststellen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit von Amts wegen<br />

über je<strong>de</strong> Verletzung steuerlicher Pflichten eines Arbeitnehmerverleihers, die mit <strong>de</strong>r Ausübung seiner<br />

gewerblichen Tätigkeit im Zusammenhang steht, es sei <strong>de</strong>nn, es han<strong>de</strong>lt sich um Pflichtverletzungen, die nach<br />

ihrem betragsmäßigen Umfang und ihrer Be<strong>de</strong>utung als geringfügig anzusehen sind.<br />

Solche Pflichtverletzungen, die nach ihrem betragsmäßigen Umfang und ihrer Be<strong>de</strong>utung als geringfügig<br />

anzusehen sind, sind jedoch auf Anfrage <strong>de</strong>n Dienststellen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit mitzuteilen, wenn in <strong>de</strong>r<br />

Anfrage von ihnen bescheinigt wird, dass die Informationen für ein nach § 31a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b<br />

Doppelbuchstabe aa genanntes Verfahren erfor<strong>de</strong>rlich sind.<br />

Zu <strong>de</strong>n mitzuteilen<strong>de</strong>n Tatsachen gehören zum Beispiel:<br />

– Die Nichtanmeldung von Lohnsteuer,<br />

– die verspätete Abgabe von Lohnsteuer-Anmeldungen,<br />

– die verspätete Abführung o<strong>de</strong>r Nichtabführung <strong>de</strong>r einbehaltenen Steuerabzugsbeträge,<br />

– bestehen<strong>de</strong> Steuerrückstän<strong>de</strong>, soweit diese durch die gewerbliche Tätigkeit ausgelöst wur<strong>de</strong>n,<br />

– erhebliche Nachfor<strong>de</strong>rungen aus Lohnsteuer-Außenprüfungen,<br />

– wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit.<br />

3.4 Verfahren<br />

Damit die Finanzbehör<strong>de</strong>n zwischen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung (vgl. Tz. 2.1) und genehmigter<br />

Arbeitnehmerüberlassung unterschei<strong>de</strong>n und überprüfen können, ob ein Verleiher seinen steuerlichen Pflichten<br />

nachkommt, unterrichten die Dienststellen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit die Finanzbehör<strong>de</strong>n von Amts wegen<br />

über die Erteilung, Versagung, Verlängerung, Rücknahme und <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rruf sowie das Erlöschen <strong>de</strong>r Erlaubnis<br />

<strong>zur</strong> gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die Dienststellen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit unterrichten die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n ferner über je<strong>de</strong>n Antrag eines Unternehmers mit Sitz im Ausland auf Erteilung einer Erlaubnis<br />

nach <strong>de</strong>m AÜG, über Anfragen von Unternehmen mit Sitz im Ausland, ob ihre im Inland beabsichtigte Tätigkeit<br />

erlaubnispflichtig sei, und über Anfragen inländischer Unternehmer, ob einem bestimmten ausländischen<br />

Unternehmen eine Erlaubnis nach <strong>de</strong>m AÜG erteilt wur<strong>de</strong>.<br />

4. Entscheidung über Leistungen aus öffentlichen Mitteln (§ 31a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b<br />

Doppelbuchstabe bb)<br />

4.1 Leistungen aus öffentlichen Mitteln<br />

Unter <strong>de</strong>m Begriff „Leistungen aus öffentlichen Mitteln“ sind alle Leistungen <strong>de</strong>r öffentlichen Hand zu<br />

verstehen. Insbeson<strong>de</strong>re fallen darunter Sozialleistungen und Subventionen.<br />

4.1.1 Sozialleistungen<br />

Sozialleistungen sind gemäß § 11 SGB I die im SGB I vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Hierzu<br />

zählen die in §§ 18 bis 29 SGB I und die in § 68 SGB I aufgezählten Leistungen. Sozialleistungen sind danach<br />

zum Beispiel die Leistungen <strong>de</strong>r Agenturen für Arbeit, <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenkassen, <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />

Rentenversicherungsträger, <strong>de</strong>r Sozialämter und <strong>de</strong>r Unterhaltsvorschussbehör<strong>de</strong>n.<br />

4.1.2 Subventionen<br />

Subventionen sind gemäß § 1 Abs. 1 <strong>de</strong>s Gesetzes gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen<br />

(Subventionsgesetz – SubvG –) i. V. m. § 264 Abs. 7 StGB Leistungen, die aus öffentlichen Mitteln nach<br />

Bun<strong>de</strong>s- o<strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>srecht o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Recht <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaften an Betriebe o<strong>de</strong>r<br />

Unternehmen wenigstens zum Teil ohne marktübliche Gegenleistung gewährt wer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Wirtschaft dienen sollen.<br />

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Leistungsgrundlage für die Gewährung von Subventionen sind das Recht von Bund, Län<strong>de</strong>rn (zugleich auch<br />

Gemein<strong>de</strong>n) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaft, wobei es sich nicht um ein Gesetz han<strong>de</strong>ln muss, son<strong>de</strong>rn<br />

auch auf Gesetz beruhen<strong>de</strong> Haushaltsansätze genügen. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei <strong>de</strong>r Zuwendung<br />

(För<strong>de</strong>rung) um eine Subvention han<strong>de</strong>lt, ergeben sich regelmäßig aus <strong>de</strong>n Antragsunterlagen o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m<br />

Bewilligungsbescheid.<br />

4.2 Zuständige Stellen<br />

Mitteilungen sind an die jeweilig zuständigen Leistungs- bzw. Subventionsgeber zu richten, die für die<br />

Entscheidung über die Bewilligung, Gewährung, Rückfor<strong>de</strong>rung, Erstattung, Weitergewährung o<strong>de</strong>r das<br />

Belassen <strong>de</strong>r Leistung aus öffentlichen Mitteln zuständig sind.<br />

4.3 Mitteilungen<br />

Liegt eine Anfrage <strong>de</strong>r Bewilligungsbehör<strong>de</strong> nicht vor, müssen sich konkrete Anhaltspunkte aus <strong>de</strong>r<br />

Buchführung, <strong>de</strong>n Aufzeichnungen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Unterlagen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ergeben (z. B. ein entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Bewilligungsbescheid bei einer Außenprüfung). Vorsorgliche Mitteilungen aufgrund bloßer Vermutungen sind<br />

nicht vorzunehmen.<br />

Von Amts wegen hat eine Offenbarung insbeson<strong>de</strong>re zu erfolgen, wenn konkrete Anhaltspunkte es möglich<br />

erscheinen lassen, dass<br />

– aufgrund eines Verwaltungsakts Sozialleistungen zu Unrecht in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

genommen wur<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

– Sozialleistungen zu erstatten sind o<strong>de</strong>r<br />

– Tatsachen subventionserheblich i. S. <strong>de</strong>s § 264 Abs. 8 <strong>de</strong>s Strafgesetzbuches sind. Subventionserheblich sind<br />

auch Tatsachen, die sich auf die För<strong>de</strong>rung nach <strong>de</strong>r Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung <strong>de</strong>r regionalen<br />

Wirtschaftstruktur“ (GA För<strong>de</strong>rung) beziehen.<br />

Es genügt die Möglichkeit, dass die gewährten Subventionen o<strong>de</strong>r Sozialleistungen <strong>zur</strong>ückgefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n<br />

können. Ein konkreter Tatverdacht im strafprozessualen Sinne (z. B. Subventionsbetrug) ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Es ist nicht Aufgabe <strong>de</strong>s Finanzamts, <strong>zur</strong> Feststellung von Leistungsmissbräuchen über die Überprüfung<br />

steuerlicher Sachverhalte hinausgehen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r zusätzliche Ermittlungen vorzunehmen.<br />

Die Entscheidung, ob tatsächlich ein Leistungsmissbrauch vorliegt, trifft die informierte Stelle.<br />

5. Rückgewähr einer Leistung aus öffentlichen Mitteln (§ 31a Abs. 1 Nr. 2)<br />

Die Offenbarung ist zulässig, wenn sie für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Rückgewähr einer<br />

For<strong>de</strong>rung aus öffentlichen Mitteln erfor<strong>de</strong>rlich ist. Hierunter ist sowohl die Durchsetzung, insbeson<strong>de</strong>re die<br />

Vollstreckung, von nach § 31a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb bereits festgesetzten<br />

Rückfor<strong>de</strong>rungen von Leistungen aus öffentlichen Mitteln, z. B. durch die für die Vollstreckung zuständigen<br />

Hauptzollämter, als auch die privatrechtliche Rückabwicklung von Leistungen o<strong>de</strong>r Subventionen aus<br />

öffentlichen Mitteln durch die zuständigen Stellen zu verstehen. Eine Offenbarung ist insbeson<strong>de</strong>re auch zulässig<br />

für die Rückfor<strong>de</strong>rung von Zahlungen <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenkassen und Ersatzkassen gegenüber Ärzten,<br />

Zahnärzten, Apothekern und Krankenhäusern auf Grund von Abrechnungsbetrügereien. Die Mitteilungen<br />

erfolgen im Regelfall nur aufgrund einer Anfrage <strong>de</strong>r zuständigen Stelle bzw. auf Anfrage <strong>de</strong>s Betroffenen. Die<br />

Mitteilungen sind an die für die Vollstreckung zuständigen Stellen bzw. an die für die Rückgewährung <strong>de</strong>r<br />

Leistung aus öffentlichen Mitteln zuständigen Stellen (z. B. Sozialleistungsträger, Gewährer von För<strong>de</strong>rmitteln<br />

o<strong>de</strong>r Subventionsgeber) zu richten.<br />

Zu § 31b – Mitteilungen <strong>zur</strong> Bekämpfung <strong>de</strong>r Geldwäsche und <strong>de</strong>r Terrorismusfinanzierung:<br />

1. Sind <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> Tatsachen bekannt gewor<strong>de</strong>n, die darauf hin<strong>de</strong>uten, dass es sich bei<br />

Vermögenswerten, die mit einer Transaktion o<strong>de</strong>r Geschäftsbeziehung im Zusammenhang stehen, um <strong>de</strong>n<br />

Gegenstand einer Straftat nach § 261 StGB (Geldwäsche) han<strong>de</strong>lt o<strong>de</strong>r dass die Vermögenswerte im<br />

Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung stehen, hat sie diese nach § 31b Satz 2 unverzüglich <strong>de</strong>r<br />

zuständigen Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong> (z. B. Staatsanwaltschaft, Polizei) und gleichzeitig <strong>de</strong>r beim<br />

Bun<strong>de</strong>skriminalamt eingerichteten Zentralstelle für Verdachtsmeldungen (Financial Intelligence Unit –<br />

FIU –) mitzuteilen. Die maßgeblichen Fakten sollen grundsätzlich in <strong>de</strong>r Verdachtsmeldung selbst<br />

wie<strong>de</strong>rgegeben wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Verdachtsmeldung ist zu richten an:<br />

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Bun<strong>de</strong>skriminalamt<br />

Zentralstelle für Verdachtsmeldungen<br />

– Referat SO 32–<br />

65173 Wiesba<strong>de</strong>n<br />

Tel.: 06 11/55-1 86 15<br />

Fax: 06 11/55-4 53 00<br />

E-Mail: FIU@bka.bund.<strong>de</strong><br />

Die Meldung soll grundsätzlich per Fax erfolgen. Von <strong>de</strong>r Beifügung umfangreicher Anlagen ist regelmäßig<br />

abzusehen.<br />

2. Den Finanzbehör<strong>de</strong>n obliegt die Prüfung im Einzelfall, ob ein mel<strong>de</strong>pflichtiger Verdachtsfall gemäß § 31b<br />

vorliegt (Beurteilungsspielraum). Für das Vorliegen eines mel<strong>de</strong>pflichtigen Verdachts ist es ausreichend,<br />

dass objektiv erkennbare Anhaltspunkte für das Vorliegen von Tatsachen, die auf eine Geldwäsche-Straftat<br />

schließen lassen, sprechen und ein krimineller Hintergrund im Sinne <strong>de</strong>s § 261 StGB nicht ausgeschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Die <strong>zur</strong> Verdachtsmeldung verpflichtete Finanzbehör<strong>de</strong> muss nicht das Vorliegen sämtlicher<br />

Tatbestandsmerkmale <strong>de</strong>s § 261 StGB einschließlich <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Geldwäsche zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Vortat prüfen.<br />

Vielmehr ist <strong>de</strong>r Sachverhalt nach allgemeinen Erfahrungen und beruflichem Erfahrungswissen unter <strong>de</strong>m<br />

Blickwinkel seiner Ungewöhnlichkeit und Auffälligkeit im jeweiligen geschäftlichen Kontext zu würdigen.<br />

Wenn eine Geldwäsche aufgrund dieser Erfahrungen naheliegt o<strong>de</strong>r ein Sachverhalt darauf schließen lässt,<br />

besteht <strong>de</strong>mnach eine solche Mel<strong>de</strong>pflicht. Hinsichtlich <strong>de</strong>s Vortatenkatalogs reicht <strong>de</strong>r Verdacht auf die<br />

illegale Herkunft <strong>de</strong>r Gel<strong>de</strong>r schlechthin aus. Die Finanzbehör<strong>de</strong> muss vor einer Meldung nach § 31b nicht<br />

prüfen, ob eine strafrechtliche Verurteilung in Betracht kommt.<br />

Diese Grundsätze gelten bei Erkenntnissen über eine Terrorismusfinanzierung entsprechend.<br />

3. Tatsachen, die auf eine Ordnungswidrigkeit im Sinne <strong>de</strong>s § 17 GwG schließen lassen (vgl. § 31b Satz 3),<br />

sind nur mitzuteilen, wenn die Ordnungswidrigkeit nicht bereits offensichtlich verjährt ist. Die<br />

Ordnungswidrigkeiten nach § 17 GwG verjähren nach § 31 Abs. 2 Nummer 1 OWiG regelmäßig nach drei<br />

Jahren.<br />

4. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n haben bei Vorermittlungen <strong>de</strong>r Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n (einschließlich <strong>de</strong>r<br />

Zollfahndung) wegen Geldwäscheverdachts o<strong>de</strong>r Verdachts <strong>de</strong>r Terrorismusfinanzierung auf <strong>de</strong>ren Anfrage<br />

nach § 31b Satz 1 die erfor<strong>de</strong>rlichen Auskünfte zu erteilen.<br />

5. Der Betroffene ist über eine beabsichtigte o<strong>de</strong>r erstattete Meldung o<strong>de</strong>r ein daraufhin eingeleitetes<br />

Ermittlungsverfahren nicht zu informieren, da ansonsten <strong>de</strong>ssen Zweck gefähr<strong>de</strong>t wür<strong>de</strong> (analog § 12 GwG).<br />

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Zu § 32 – Haftungsbeschränkung für Amtsträger:<br />

Die Vorschrift enthält keine selbstständige Haftungsgrundlage; sie schränkt vielmehr die sich aus an<strong>de</strong>ren<br />

Bestimmungen ergeben<strong>de</strong> Haftung für Amtsträger ein. Disziplinarmaßnahmen sind keine Strafen i. S. d.<br />

Vorschrift.<br />

Zu § 33 – Steuerpflichtiger:<br />

1. Zu <strong>de</strong>n Pflichten, die nach § 33 Abs. 1 <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen auferlegt wer<strong>de</strong>n, gehören: Eine Steuer als<br />

Steuerschuldner, Haften<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r für Rechnung eines an<strong>de</strong>ren (§ 43) zu entrichten, die Verpflichtung <strong>zur</strong><br />

Abgabe einer Steuerklärung (§ 149), <strong>zur</strong> Mitwirkung und Auskunft in eigener Steuersache (§§ 90, 93, 200),<br />

<strong>zur</strong> Führung von Büchern und Aufzeichnungen (§§ 140 ff.), <strong>zur</strong> ordnungsgemäßen Kontenführung (§ 154)<br />

o<strong>de</strong>r <strong>zur</strong> Sicherheitsleistung (§ 241).<br />

2. Nicht unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen fällt (§ 33 Abs. 2), wer in einer für ihn frem<strong>de</strong>n Steuersache<br />

tätig wird o<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n soll. Das sind neben Bevollmächtigten und Beistän<strong>de</strong>n (§§ 80, 123, 183) diejenigen,<br />

die Auskunft zu erteilen (§ 93), Urkun<strong>de</strong>n (§ 97) o<strong>de</strong>r Wertsachen (§ 100) vorzulegen,<br />

Sachverständigengutachten zu erstatten (§ 96) o<strong>de</strong>r das Betreten von Grundstücken o<strong>de</strong>r Räumen zu<br />

gestatten (§ 99) o<strong>de</strong>r Steuern aufgrund vertraglicher Verpflichtung zu entrichten haben (§ 192).<br />

3. Unter Steuergesetzen sind alle Gesetze zu verstehen, die steuerrechtliche Vorschriften enthalten, auch wenn<br />

diese nur einen Teil <strong>de</strong>s Gesetzes umfassen.<br />

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Zu § 34 – Pflichten <strong>de</strong>r gesetzlichen Vertreter und <strong>de</strong>r Vermögensverwalter:<br />

1. Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen, die Geschäftsführer nichtrechtsfähiger<br />

Personenvereinigungen o<strong>de</strong>r Vermögensmassen (§ 34 Abs. 1) sowie die Vermögensverwalter im Rahmen<br />

ihrer Verwaltungsbefugnis (§ 34 Abs. 3) treten in ein unmittelbares Pflichtenverhältnis <strong>zur</strong> Finanzbehör<strong>de</strong>.<br />

Sie haben alle Pflichten zu erfüllen, die <strong>de</strong>n von ihnen Vertretenen auferlegt sind. Dazu gehören z. B. die<br />

Buchführungs-, Erklärungs-, Mitwirkungs- o<strong>de</strong>r Auskunftspflichten (§§ 140 ff., 90, 93), die Verpflichtung<br />

Steuern zu zahlen und die Vollstreckung in dieses Vermögen zu dul<strong>de</strong>n (§ 77).<br />

2. Hat eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung o<strong>de</strong>r Vermögensmasse keinen Geschäftsführer, so kann sich<br />

die Finanzbehör<strong>de</strong> unmittelbar an je<strong>de</strong>s Mitglied o<strong>de</strong>r an je<strong>de</strong>n Gesellschafter halten, ohne dass vorher in<br />

je<strong>de</strong>m Fall eine Auffor<strong>de</strong>rung <strong>zur</strong> Bestellung von Bevollmächtigten ergehen muss. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann<br />

auch mehrere Mitglie<strong>de</strong>r (Gesellschafter) zugleich <strong>zur</strong> Pflichterfüllung auffor<strong>de</strong>rn.<br />

3. Hat eine GmbH keinen Geschäftsführer (führungslose GmbH) und befin<strong>de</strong>t sie sich nicht in Liquidation o<strong>de</strong>r<br />

im Insolvenzverfahren, wird die Gesellschaft für <strong>de</strong>n Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben<br />

o<strong>de</strong>r Schriftstücke zugestellt wer<strong>de</strong>n, nach § 35 Abs. 1 GmbHG durch die Gesellschafter vertreten. Hat eine<br />

AG keinen Vorstand (führungslose AG) und befin<strong>de</strong>t sie sich nicht in Liquidation o<strong>de</strong>r im<br />

Insolvenzverfahren, wird die Gesellschaft für <strong>de</strong>n Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben<br />

o<strong>de</strong>r Schriftstücke zugestellt wer<strong>de</strong>n, nach § 78 Abs. 1 AktG durch <strong>de</strong>n Aufsichtsrat vertreten. Diese<br />

Vertretung gilt auch für die Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten (vgl. zu § 122, Nr. 2.8.1).<br />

Die beson<strong>de</strong>ren Vertreter einer führungslosen GmbH o<strong>de</strong>r AG sind allerdings nur Passivvertreter und dürfen<br />

grundsätzlich keine aktiven Handlungen vornehmen. Daher liegt keine umfassen<strong>de</strong> gesetzliche Vertretung<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft im Sinne <strong>de</strong>s § 34 Abs. 1 vor. Sobald aktive Handlungen <strong>de</strong>r Gesellschaft – wie z. B. die<br />

Begleichung einer Steuerschuld – erfor<strong>de</strong>rlich sind, müssen die beson<strong>de</strong>ren Vertreter einen Geschäftsführer<br />

bzw. Vorstand bestellen. Gegebenenfalls kann die Finanzbehör<strong>de</strong> beim Registergericht auch die Bestellung<br />

eines Notgeschäftsführers beantragen. Von dieser Möglichkeit sollte aber nur Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n,<br />

wenn kein Verfügungsberechtigter i. S. d. § 35 vorhan<strong>de</strong>n ist (vgl. zu § 35, Nr. 1), die Gesellschaft nicht<br />

vermögenslos ist und auch künftig Steuerverwaltungsakte gegenüber <strong>de</strong>r Gesellschaft zu vollziehen sind. Das<br />

Amt <strong>de</strong>s Notgeschäftsführers en<strong>de</strong>t mit <strong>de</strong>r Bestellung <strong>de</strong>s or<strong>de</strong>ntlichen Geschäftsführers, <strong>de</strong>r Erledigung <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>m Notgeschäftsführer zugewiesenen Aufgabe o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Abberufung durch das bestellen<strong>de</strong> Gericht. Zur<br />

Inanspruchnahme <strong>de</strong>s bisherigen Geschäftsführers als Haftungsschuldner vgl. zu § 69.<br />

4. Wegen <strong>de</strong>r steuerlichen Pflichten <strong>de</strong>s Insolvenzverwalters und <strong>de</strong>s „starken“ vorläufigen<br />

Insolvenzverwalters, wenn <strong>de</strong>m Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wor<strong>de</strong>n ist (§ 22<br />

Abs. 1 InsO), siehe zu Nr. 1. Wegen <strong>de</strong>r verfahrensrechtlichen Stellung <strong>de</strong>s Insolvenzverwalters siehe im<br />

Übrigen zu § 251, Nr. 4.2.<br />

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Zu § 35 – Pflichten <strong>de</strong>s Verfügungsberechtigten:<br />

1. Tatsächlich verfügungsberechtigt ist <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r wirtschaftlich über Mittel, die einem an<strong>de</strong>ren gehören,<br />

verfügen kann. Dies kann auch <strong>de</strong>r Alleingesellschafter einer GmbH ohne Geschäftsführer sein (BFH-Urteil<br />

vom 27.11.1990 – VII R 20/89 – BStBl. 1991 II, S. 284; vgl. zu § 34, Nr. 3).<br />

2. Rechtlich ist <strong>zur</strong> Erfüllung von Pflichten in <strong>de</strong>r Lage, wer im Außenverhältnis rechtswirksam han<strong>de</strong>ln kann.<br />

Auf etwaige Beschränkungen im Innenverhältnis (Auftrag, Vollmacht) kommt es nicht an. Bevollmächtigte<br />

wer<strong>de</strong>n von dieser Bestimmung nur betroffen, wenn sie tatsächlich und rechtlich verfügungsberechtigt sind.<br />

3. Der Sicherungsnehmer einer Sicherungsübereignung o<strong>de</strong>r Sicherungsabtretung ist grundsätzlich kein<br />

Verfügungsberechtigter i. S. d. Vorschrift, da er im Regelfall <strong>zur</strong> Verwertung <strong>de</strong>s Sicherungsgutes lediglich<br />

zum Zweck seiner Befriedigung befugt und insoweit einem Pfandrechtsgläubiger vergleichbar ist. Im<br />

Einzelfall kann jedoch die Rechtsstellung <strong>de</strong>s Sicherungsnehmers weitergehen, wenn er sich z. B. eigene<br />

Mitsprache- o<strong>de</strong>r Verfügungsrechte im Betrieb <strong>de</strong>s Sicherungsgebers vorbehalten hat, so dass er auch<br />

wirtschaftlich über die Mittel <strong>de</strong>s Sicherungsgebers verfügen kann. Das kann dann <strong>de</strong>r Fall sein, wenn sich<br />

ein Gläubiger <strong>zur</strong> Sicherstellung seiner Ansprüche die gesamten Kun<strong>de</strong>nfor<strong>de</strong>rungen mit <strong>de</strong>m Recht <strong>zur</strong><br />

Einziehung abtreten lässt und aus diesen For<strong>de</strong>rungen nur diejenigen Mittel freigibt, die er <strong>zur</strong><br />

Unternehmensfortführung <strong>de</strong>s Sicherungsgebers für erfor<strong>de</strong>rlich hält.<br />

Zu § 36 – Erlöschen <strong>de</strong>r Vertretungsmacht:<br />

Auch nach <strong>de</strong>m Erlöschen <strong>de</strong>r Vertretungs- o<strong>de</strong>r Verfügungsmacht, gleichgültig worauf dies beruht, hat <strong>de</strong>r<br />

gesetzliche Vertreter, Vermögensverwalter o<strong>de</strong>r Verfügungsberechtigte die nach §§ 34 und 35 bestehen<strong>de</strong>n<br />

Pflichten zu erfüllen, soweit sie vor <strong>de</strong>m Erlöschen entstan<strong>de</strong>n sind und er <strong>zur</strong> Erfüllung noch in <strong>de</strong>r Lage ist.<br />

Daraus ergibt sich u. a., dass sich <strong>de</strong>r <strong>zur</strong> Auskunft für einen Beteiligten Verpflichtete nach <strong>de</strong>m Erlöschen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 21 von 235


Vertretungs- o<strong>de</strong>r Verfügungsmacht nicht auf ein evtl. Auskunftsverweigerungsrecht (§§ 101, 103, 104) berufen<br />

kann. Auch entsteht kein Entschädigungsanspruch (§ 107).<br />

Zu § 37 – Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis:<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1)<br />

2. Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2<br />

2.1 Rückfor<strong>de</strong>rungsanspruch <strong>de</strong>s Finanzamts<br />

2.2 Erstattungsanspruch <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

2.2.1 Allgemeines<br />

2.2.2 Erstattungsanspruch bei Gesamtschuldnern<br />

2.3 Erstattungsanspruch bei <strong>de</strong>r Einkommensteuer<br />

1. Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1)<br />

§ 37 Abs. 1 enthält eine abschließen<strong>de</strong> Aufzählung <strong>de</strong>r Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis. Die<br />

Ansprüche aus Strafen und Geldbußen gehören nicht zu <strong>de</strong>n Ansprüchen aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis.<br />

2. Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2<br />

§ 37 Abs. 2 enthält eine allgemeine Umschreibung <strong>de</strong>s öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, <strong>de</strong>r einem<br />

Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r Steuergläubiger dadurch erwächst, dass eine Leistung aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis<br />

ohne rechtlichen Grund erfolgt ist o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Grund hierfür später wegfällt. Eine Zahlung ist ohne rechtlichen<br />

Grund geleistet, wenn sie <strong>de</strong>n materiell-rechtlichen Anspruch übersteigt (BFH-Urteile vom 6.2.1996 – VII R<br />

50/95 – BStBl. 1997 II, S. 112, und vom 15.10.1997 – II R 56/94 – BStBl. II, S. 796). § 37 Abs. 2 Satz 1 gilt<br />

sowohl für <strong>de</strong>n Erstattungsanspruch <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gegen das Finanzamt als auch für <strong>de</strong>n umgekehrten<br />

Fall <strong>de</strong>r Rückfor<strong>de</strong>rung einer an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r einen Dritten rechtsgrundlos geleisteten<br />

Steuererstattung durch das Finanzamt (vgl. BFH-Urteil vorn 22.3.2011 – VII R 42/10 – BStBl. II, S. 607).<br />

Ein nach materiellem Recht bestehen<strong>de</strong>r Erstattungsanspruch kann allerdings nur durchgesetzt wer<strong>de</strong>n, wenn ein<br />

entgegenstehen<strong>de</strong>r Verwaltungsakt i. S. d. § 218 Abs. 1 aufgehoben o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n ist; maßgebend ist bei<br />

mehrfacher Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r letzte Verwaltungsakt (BFH-Urteil vom 6.2.1996, a. a. O.). Im Übrigen siehe zu<br />

§ 218.<br />

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2.1 Rückfor<strong>de</strong>rungsanspruch <strong>de</strong>s Finanzamts<br />

Schuldner eines abgabenrechtlichen Rückfor<strong>de</strong>rungsanspruchs (Erstattungsverpflichteter) ist <strong>de</strong>rjenige, zu<br />

<strong>de</strong>ssen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wur<strong>de</strong> (Leistungsempfänger), die <strong>zur</strong>ückverlangt wird. In <strong>de</strong>r<br />

Regel ist dies <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>mgegenüber die Finanzbehör<strong>de</strong> ihre – vermeintliche o<strong>de</strong>r tatsächlich bestehen<strong>de</strong> –<br />

abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will.<br />

Der Empfänger <strong>de</strong>r Steuererstattung o<strong>de</strong>r Steuervergütung (Zahlungsempfänger) ist aber nicht in allen Fällen<br />

auch <strong>de</strong>r Leistungsempfänger.<br />

War ein Dritter tatsächlicher Empfänger einer Zahlung, ist er dann nicht Leistungsempfänger, wenn er lediglich<br />

als Zahlstelle, unmittelbarer Vertreter o<strong>de</strong>r Bote für <strong>de</strong>n Erstattungsberechtigten (siehe dazu Nummer 2.2)<br />

aufgetreten bzw. von diesem benannt wor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r das Finanzamt an ihn aufgrund einer Zahlungsanweisung<br />

<strong>de</strong>s Erstattungsberechtigten eine Steuererstattung ausgezahlt hat (BFH-Urteil vom 6.12.1988 – VII R 206/83 –<br />

BStBl. 1989 II, S. 223). Denn in einem solchen Fall will das Finanzamt erkennbar nicht mit befreien<strong>de</strong>r Wirkung<br />

zu <strong>de</strong>ssen Gunsten leisten, son<strong>de</strong>rn es erbringt seine Leistung mit <strong>de</strong>m Willen, eine For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s steuerlichen<br />

Rechtsinhabers zu erfüllen (vgl. BFH-Urteil vom 22.8.1980 – VI R 102/77 – BStBl. 1981 II, S. 44). Mithin ist<br />

nicht <strong>de</strong>r Zahlungsempfänger, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r nach materiellem Steuerrecht Erstattungsberechtigte als<br />

Leistungsempfänger i. S. d. § 37 Abs. 2 anzusehen (BFH-Beschluss vom 8.4.1986 – VII B 128/85 – BStBl. II,<br />

S. 511).<br />

Ungeachtet <strong>de</strong>s Willens <strong>de</strong>s Finanzamts, an <strong>de</strong>n Rechtsinhaber <strong>de</strong>r Erstattungsfor<strong>de</strong>rung eine Leistung zu<br />

erbringen, ist aber <strong>de</strong>r tatsächliche Empfänger <strong>de</strong>r Zahlung <strong>de</strong>s Finanzamts in folgen<strong>de</strong>n Fällen<br />

Leistungsempfänger und Schuldner <strong>de</strong>s Rückfor<strong>de</strong>rungsanspruchs, weil insoweit keine Leistung mit befreien<strong>de</strong>r<br />

Wirkung gegenüber <strong>de</strong>m Erstattungsberechtigten erfolgt ist:<br />

– Ein vermeintlicher Bote, Vertreter o<strong>de</strong>r Bevollmächtigter nimmt Erstattungszahlungen <strong>de</strong>s Finanzamts<br />

entgegen, obwohl keine Weisung o<strong>de</strong>r Vollmacht <strong>de</strong>s Erstattungsberechtigten besteht (vgl. BFH-Beschluss<br />

vom 27.4.1998 – VII 13 296/97 – BStBl. II, S. 499).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 22 von 235


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– Das Finanzamt nimmt an einen am Steuerschuldverhältnis nicht beteiligten Dritten eine Zahlung in <strong>de</strong>r<br />

irrigen Annahme vor, er sei von <strong>de</strong>m Erstattungsberechtigten ermächtigt, für diesen Zahlungen<br />

entgegenzunehmen, in Wahrheit besteht jedoch eine diesbezügliche Rechtsbeziehung zwischen <strong>de</strong>m<br />

Zahlungsempfänger und <strong>de</strong>m Erstattungsberechtigten nicht.<br />

– Das Finanzamt leistet ohne rechtlichen Grund an einen Dritten, weil es sich beispielsweise über die Person<br />

<strong>de</strong>s Erstattungsberechtigten irrt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Erstattungsbetrag auf ein Bankkonto überweist, <strong>de</strong>ssen Inhaber<br />

nicht <strong>de</strong>r Erstattungsberechtigte, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Dritte ist.<br />

Ein Kreditinstitut ist auch dann nur Zahlstelle und nicht Leistungsempfänger im Sinne <strong>de</strong>s § 37 Abs. 2, wenn es<br />

<strong>de</strong>n vom Finanzamt an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen überwiesenen Betrag auf ein bereits gekündigtes, aber noch nicht<br />

abgerechnetes Girokonto <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen verbucht und nach Rechnungsabschluss an <strong>de</strong>n früheren<br />

Kontoinhaber bzw. <strong>de</strong>ssen Insolvenzverwalter ausgezahlt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Überweisungsbetrag mit einem<br />

fortbestehen<strong>de</strong>n Schul<strong>de</strong>nsaldo auf <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Konto verrechnet hat. Das Kreditinstitut ist in diesen<br />

Fällen nicht <strong>zur</strong> Rückzahlung <strong>de</strong>s vom Finanzamt überwiesenen Betrages verpflichtet.<br />

Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige <strong>de</strong>m Finanzamt für die Überweisung ein an<strong>de</strong>res Konto benannt hatte<br />

(vgl. BFH-Urteile vom 10.11.2009 – VII R 6/09 – BStBl. 2010 II, S. 255 und vom 22.11.2011 – VII R 27/11 –<br />

BStBl. 2012 II, S. 167). Die Zahlung auf das unzutreffen<strong>de</strong> Konto hat gegenüber <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen zwar –<br />

an<strong>de</strong>rs, als wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige <strong>de</strong>m Finanzamt eine Kontoän<strong>de</strong>rung nicht mitgeteilt hat (BFH-Urteil vom<br />

10.11.1987 – VII R 171/84 – BStBl. 1988 II, S. 41) – unmittelbar keine Erfüllungswirkung. Das Finanzamt kann<br />

aber mit seinem Rückfor<strong>de</strong>rungsanspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 1 (gegen <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen als<br />

Leistungsempfänger) gegen <strong>de</strong>n Anspruch auf erneute Zahlung aufrechnen und letzteren somit zum Erlöschen<br />

bringen.<br />

2.2 Erstattungsanspruch <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

2.2.1 Allgemeines<br />

Erstattungsberechtigter ist <strong>de</strong>rjenige, auf <strong>de</strong>ssen Rechnung die Zahlung geleistet wor<strong>de</strong>n ist, auch wenn<br />

tatsächlich ein Dritter die Zahlung geleistet hat. Es kommt nicht darauf an, von wem o<strong>de</strong>r mit wessen Mitteln<br />

gezahlt wor<strong>de</strong>n ist. Maßgeblich ist vielmehr, wessen Steuerschuld nach <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>s Zahlen<strong>de</strong>n, wie er im<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>r Zahlung <strong>de</strong>m Finanzamt erkennbar hervorgetreten ist, getilgt wer<strong>de</strong>n sollte (BFH-Urteil vom<br />

30.9.2008 – VII R 18/08 – BStBl. 2009 II, S. 38 m. w. N.). Den Finanzbehör<strong>de</strong>n wird damit nicht zugemutet, im<br />

Einzelfall die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen <strong>de</strong>m Steuerschuldner und einem zahlen<strong>de</strong>n Dritten<br />

daraufhin zu überprüfen, wer von ihnen – im Innenverhältnis – auf die zu erstatten<strong>de</strong>n Beträge materiellrechtlich<br />

einen Anspruch hat (BFH-Urteil vom 25.7.1989 – VII R 118/87 – BStBl. 1990 II, S. 41).<br />

2.2.2 Erstattungsanspruch bei Gesamtschuldnern<br />

Personen, die gemäß § 44 Gesamtschuldner sind, sind nicht Gesamtgläubiger eines Erstattungsanspruchs nach<br />

§ 37 Abs. 2 (BFH-Urteil vom 19.10.1982 – VII R 55/80 – BStBl. 1983 II, S. 162). Erstattungsberechtigter ist <strong>de</strong>r<br />

Gesamtschuldner, auf <strong>de</strong>ssen Rechnung die Zahlung erfolgt ist.<br />

Lässt sich aus <strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Finanzamt bei Zahlung erkennbaren Umstän<strong>de</strong>n nicht entnehmen, wessen Steuerschuld<br />

<strong>de</strong>r zahlen<strong>de</strong> Gesamtschuldner begleichen wollte, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass <strong>de</strong>r Gesamtschuldner<br />

nur seine eigene Steuerschuld tilgen wollte (vgl. BFH-Urteil vom 18.2.1997 – VII R 117/95 – BFH/NV S. 482,<br />

m. w. N.). Ist eine Zahlung aber erkennbar für gemeinsame Rechnung <strong>de</strong>r Gesamtschuldner geleistet wor<strong>de</strong>n, so<br />

sind diese grundsätzlich nach Köpfen erstattungsberechtigt.<br />

2.3 Erstattungsanspruch bei <strong>de</strong>r Einkommensteuer<br />

Zu Beson<strong>de</strong>rheiten bei Bestimmung <strong>de</strong>s Einkommensteuer-Erstattungsanspruchs – insbeson<strong>de</strong>re bei Ehegatten –<br />

vgl. BMF-Schreiben vom 31.1.2013 – IV A 3 – S 0160/11/10001 – (BStBl. I S. XX).<br />

Zu § 38 – Entstehung <strong>de</strong>r Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis:<br />

1. Der Steueranspruch entsteht in <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Tatbestand verwirklicht wird, an <strong>de</strong>n das Gesetz<br />

eine bestimmte Leistungspflicht knüpft, soweit nicht im Gesetz eine abweichen<strong>de</strong> Regelung getroffen<br />

wor<strong>de</strong>n ist (z. B. § 36 Abs. 1 EStG, § 30 KStG, § 13 Abs. 1 UStG, § 18 GewStG, § 9 Abs. 2 GrStG, § 9<br />

ErbStG). Das gilt nicht nur für <strong>de</strong>n Steueranspruch, son<strong>de</strong>rn auch für <strong>de</strong>n Steuervergütungsanspruch und <strong>de</strong>n<br />

Steuererstattungsanspruch (z. B. <strong>zur</strong> Lohnsteuer vgl. zu § 46, Nr. 1). Der auf einem Verlustrücktrag nach<br />

§ 10d Abs. 1 EStG beruhen<strong>de</strong> Erstattungsanspruch entsteht erst mit Ablauf <strong>de</strong>s Veranlagungszeitraums, in<br />

<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Verlust entstan<strong>de</strong>n ist (BFH-Urteil vom 6.6.2000 – VII R 104/98 – BStBl. II, S. 491). Der<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 23 von 235


Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 entsteht in <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m die <strong>de</strong>n materiellrechtlichen<br />

Anspruch aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis übersteigen<strong>de</strong> Leistung erbracht wur<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r rechtliche Grund<br />

für die Leistung entfallen ist.<br />

2. Von <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>r Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis zu unterschei<strong>de</strong>n sind<br />

– die Festsetzung durch Steuerbescheid (§§ 155 ff.),<br />

– die Fälligkeit (§ 220) sowie<br />

– die Verwirklichung im Erhebungsverfahren (§§ 218 ff.).<br />

Zu § 39 – Zurechnung:<br />

1. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 <strong>de</strong>finiert <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s wirtschaftlichen Eigentums i. S. d. Rechtsprechung <strong>de</strong>s<br />

BFH (z. B. BFH-Urteile vom 12.9.1991 – III R 233/90 – BStBl. 1992 II, S. 182, und vom 11.6.1997 –<br />

XI R 77/96 – BStBl. II, S. 774), insbeson<strong>de</strong>re <strong>zur</strong> ertragsteuerlichen Behandlung von Leasing-Verträgen.<br />

Beispiele für die Anwendung <strong>de</strong>s Grundsatzes <strong>de</strong>s § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 enthält Satz 2. Der<br />

landwirtschaftliche Pächter ist grundsätzlich nicht als wirtschaftlicher Eigentümer zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

2. Für die anteilige Zurechnung von Wirtschaftsgütern, die mehreren <strong>zur</strong> gesamten Hand zustehen, sind die<br />

jeweiligen Steuergesetze sowie die allgemeinen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen maßgebend. Eine<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Anteile erfolgt nur, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erfor<strong>de</strong>rlich ist.<br />

Zu § 41 – Unwirksame Rechtsgeschäfte:<br />

1. Ein unwirksames o<strong>de</strong>r anfechtbares Rechtsgeschäft ist für Zwecke <strong>de</strong>r Besteuerung als gültig zu behan<strong>de</strong>ln,<br />

soweit die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis bestehen lassen. Soweit ausnahmsweise die rückwirken<strong>de</strong><br />

Aufhebung eines vollzogenen Vertrages steuerlich zu berücksichtigen ist, wird auf die in<br />

Einzelsteuergesetzen geregelten Beson<strong>de</strong>rheiten (z. B. § 17 UStG) hingewiesen; <strong>zur</strong> verfahrensmäßigen<br />

Abwicklung Hinweis auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2.<br />

2. Nach § 41 Abs. 2 sind z. B. Scheinarbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten o<strong>de</strong>r die Begründung eines<br />

Scheinwohnsitzes für die Besteuerung ohne Be<strong>de</strong>utung.<br />

3. Beteiligter ist nicht <strong>de</strong>r Beteiligte i. S. <strong>de</strong>s § 78, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r am Vertrag Beteiligte.<br />

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Zu § 42 – Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten:<br />

1. Bei Anwendung <strong>de</strong>s § 42 Abs. 1 Satz 2 ist zunächst zu prüfen, ob das im Einzelfall anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Einzelsteuergesetz für <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Sachverhalt eine Regelung enthält, die <strong>de</strong>r Verhin<strong>de</strong>rung von<br />

Steuerumgehungen dient. Ob eine Regelung in einem Einzelsteuergesetz <strong>de</strong>r Verhin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Steuerumgehung dient, ist nach <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>r Regelung und <strong>de</strong>m Sinnzusammenhang, nach <strong>de</strong>r<br />

systematischen Stellung im Gesetz sowie nach <strong>de</strong>r Entstehungsgeschichte <strong>de</strong>r Regelung zu beurteilen.<br />

Liegt danach eine Regelung vor, die <strong>de</strong>r Verhin<strong>de</strong>rung von Steuerumgehungen dient, gilt Folgen<strong>de</strong>s:<br />

– Ist <strong>de</strong>r Tatbestand <strong>de</strong>r Regelung erfüllt, bestimmen sich die Rechtsfolgen allein nach dieser Vorschrift,<br />

nicht nach § 42 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 2. In diesem Fall ist unerheblich, ob auch die<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 42 Abs. 2 vorliegen.<br />

– Ist <strong>de</strong>r Tatbestand <strong>de</strong>r Regelung dagegen nicht erfüllt, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob ein<br />

Missbrauch i. S. d. § 42 Abs. 2 vorliegt. Allein das Vorliegen einer einzelgesetzlichen Regelung, die <strong>de</strong>r<br />

Verhin<strong>de</strong>rung von Steuerumgehungen dient, schließt die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s § 42 Abs. 1 Satz 3 i. V. m.<br />

Abs. 2 damit nicht aus.<br />

2. Sofern ein Missbrauch i. S. d. § 42 Abs. 2 vorliegt, entsteht <strong>de</strong>r Steueranspruch bei allen vom Sachverhalt<br />

Betroffenen so, wie er bei einer <strong>de</strong>n wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung<br />

entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 3).<br />

2.1 Ein Missbrauch i. S. d. § 42 Abs. 2 liegt vor, wenn<br />

– eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die <strong>de</strong>n wirtschaftlichen Vorgängen nicht angemessen ist,<br />

– die gewählte Gestaltung beim Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r einem Dritten im Vergleich zu einer<br />

angemessenen Gestaltung zu einem Steuervorteil führt,<br />

– dieser Steuervorteil gesetzlich nicht vorgesehen ist und<br />

– <strong>de</strong>r Steuerpflichtige für die von ihm gewählte Gestaltung keine außersteuerlichen Grün<strong>de</strong> nachweist,<br />

die nach <strong>de</strong>m Gesamtbild <strong>de</strong>r Verhältnisse beachtlich sind.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 24 von 235


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2.2 Ob eine rechtliche Gestaltung unangemessen ist, ist für je<strong>de</strong> Steuerart geson<strong>de</strong>rt nach <strong>de</strong>n Wertungen <strong>de</strong>s<br />

Gesetzgebers, die <strong>de</strong>n jeweiligen maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrun<strong>de</strong> liegen, zu<br />

beurteilen. Das Bestreben, Steuern zu sparen, macht für sich allein eine Gestaltung noch nicht<br />

unangemessen. Eine Gestaltung ist aber insbeson<strong>de</strong>re dann auf ihre Angemessenheit zu prüfen, wenn sie<br />

ohne Berücksichtigung <strong>de</strong>r beabsichtigten steuerlichen Effekte unwirtschaftlich, umständlich,<br />

kompliziert, schwerfällig, gekünstelt, überflüssig, ineffektiv o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rsinnig erscheint. Die<br />

Ungewöhnlichkeit einer Gestaltung begrün<strong>de</strong>t allein noch keine Unangemessenheit.<br />

Indizien für die Unangemessenheit einer Gestaltung sind zum Beispiel:<br />

– die Gestaltung wäre von einem verständigen Dritten in Anbetracht <strong>de</strong>s wirtschaftlichen Sachverhalts<br />

und <strong>de</strong>r wirtschaftlichen Zielsetzung ohne <strong>de</strong>n Steuervorteil nicht gewählt wor<strong>de</strong>n;<br />

– die Vor- o<strong>de</strong>r Zwischenschaltung von Angehörigen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren nahe stehen<strong>de</strong>n Personen o<strong>de</strong>r<br />

Gesellschaften war rein steuerlich motiviert;<br />

– die Verlagerung o<strong>de</strong>r Übertragung von Einkünften o<strong>de</strong>r Wirtschaftsgütern auf an<strong>de</strong>re Rechtsträger<br />

war rein steuerlich motiviert.<br />

Bei einer grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Gestaltung ist nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH (vgl. z. B. Urteil vom<br />

12.9.2006 – Rs. C-196/04 – EuGHE I 2006, 7995) Unangemessenheit insbeson<strong>de</strong>re dann anzunehmen,<br />

wenn die gewählte Gestaltung rein künstlich ist und nur dazu dient, die Steuerentstehung im Inland zu<br />

umgehen.<br />

2.3 Bei <strong>de</strong>r Prüfung, ob die gewählte Gestaltung zu Steuervorteilen führt, sind die steuerlichen<br />

Auswirkungen <strong>de</strong>r gewählten Gestaltung mit <strong>de</strong>r hypothetischen steuerlichen Auswirkung einer<br />

angemessenen Gestaltung zu vergleichen. Dabei sind auch solche Steuervorteile zu berücksichtigen, die<br />

nicht beim han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Steuerpflichtigen selbst, son<strong>de</strong>rn bei Dritten eintreten. Dritte i. S. d. § 42 Abs. 2<br />

Satz 1 sind nur solche Personen, die in einer gewissen Nähe zum Steuerpflichtigen stehen. Dies ist<br />

insbeson<strong>de</strong>re dann anzunehmen, wenn die Beteiligten Angehörige <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen i. S. d. § 15 o<strong>de</strong>r<br />

persönlich o<strong>de</strong>r wirtschaftlich mit ihm verbun<strong>de</strong>n sind (z. B. nahe stehen<strong>de</strong> Personen i. S. v. H 36 KStH<br />

2006 o<strong>de</strong>r § 1 Abs. 2 AStG).<br />

2.4 Der in § 42 Abs. 2 verwen<strong>de</strong>te Begriff <strong>de</strong>s „gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteils“ ist nicht<br />

<strong>de</strong>ckungsgleich mit <strong>de</strong>m „nicht gerechtfertigten Steuervorteil“ i. S. d. § 370 Abs. 1. Steuervorteile i. S. d.<br />

§ 42 Abs. 2 sind daher nicht nur Steuervergütungen o<strong>de</strong>r Steuererstattungen, son<strong>de</strong>rn auch geringere<br />

Steueransprüche.<br />

2.5 Der durch die gewählte Gestaltung begrün<strong>de</strong>te Steuervorteil ist insbeson<strong>de</strong>re dann gesetzlich vorgesehen,<br />

wenn <strong>de</strong>r Tatbestand einer Norm erfüllt ist, mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten durch<br />

steuerliche Anreize för<strong>de</strong>rn wollte.<br />

2.6 § 42 Abs. 2 Satz 2 eröffnet <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die bei Vorliegen <strong>de</strong>s Tatbestands <strong>de</strong>s<br />

§ 42 Abs. 2 Satz 1 begrün<strong>de</strong>te Annahme eines Missbrauchs durch Nachweis außersteuerlicher Grün<strong>de</strong> zu<br />

entkräften. Die vom Steuerpflichtigen nachgewiesenen außersteuerlichen Grün<strong>de</strong> müssen allerdings nach<br />

<strong>de</strong>m Gesamtbild <strong>de</strong>r Verhältnisse beachtlich sein. Sind die nachgewiesenen außersteuerlichen Grün<strong>de</strong><br />

nach <strong>de</strong>m Gesamtbild <strong>de</strong>r Verhältnisse im Vergleich zum Ausmaß <strong>de</strong>r Unangemessenheit <strong>de</strong>r Gestaltung<br />

und <strong>de</strong>n vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Steuervorteilen nicht wesentlich o<strong>de</strong>r sogar nur von<br />

untergeordneter Be<strong>de</strong>utung, sind sie nicht beachtlich. In diesem Fall bleibt es bei <strong>de</strong>r Annahme eines<br />

Missbrauchs nach § 42 Abs. 2 Satz 1.<br />

3. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 ist als solcher nicht strafbar. Eine<br />

leichtfertige Steuerverkürzung o<strong>de</strong>r eine Steuerhinterziehung kann aber vorliegen, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />

pflichtwidrig unrichtige o<strong>de</strong>r unvollständige Angaben macht, um das Vorliegen einer Steuerumgehung zu<br />

verschleiern.<br />

4. § 42 in <strong>de</strong>r Fassung <strong>de</strong>s Jahressteuergesetzes 2008 ist ab <strong>de</strong>m 1.1.2008 für Kalen<strong>de</strong>rjahre, die nach <strong>de</strong>m<br />

31.12.2007 beginnen, anzuwen<strong>de</strong>n. Für Kalen<strong>de</strong>rjahre, die vor <strong>de</strong>m 1.1.2008 liegen, ist § 42 in <strong>de</strong>r am<br />

28.12.2007 gelten<strong>de</strong>n Fassung weiterhin anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 44 – Gesamtschuldner:<br />

Zur Steuerfestsetzung bei Gesamtschuldnern wird auf § 122 Abs. 6 und 7, § 155 Abs. 3 hingewiesen, <strong>zur</strong><br />

Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners auf § 219, wegen <strong>de</strong>r Vollstreckung gegen Gesamtschuldner auf<br />

§ 342 Abs. 2, wegen einer Beschränkung <strong>de</strong>r Vollstreckung in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r Zusammenveranlagung auf §§ 268<br />

bis 280, wegen <strong>de</strong>r Erstattung an Gesamtschuldner vgl. zu § 37, Nr. 2.<br />

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Zu § 45 – Gesamtrechtsnachfolge:<br />

1. Ob eine Gesamtrechtsnachfolge (<strong>de</strong>r gesetzlich angeordnete Übergang <strong>de</strong>s Vermögens) i. S. d. § 45 Abs. 1<br />

vorliegt, ist grundsätzlich nach <strong>de</strong>m Zivilrecht zu beurteilen. Eine Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1<br />

liegt daher beispielsweise vor in Fällen <strong>de</strong>r Erbfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB), <strong>de</strong>r Anwachsung <strong>de</strong>s Anteils am<br />

Gesellschaftsvermögen bei Ausschei<strong>de</strong>n eines Gesellschafters (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB; BFH-Urteile vom<br />

28.4.1965 – II 9/62 U – BStBl. III, S. 422, und vom 18.9.1980 – V R 175/74 – BStBl. 1981 II, S. 293), <strong>de</strong>r<br />

Verschmelzung von Gesellschaften (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2 ff. UmwG) und <strong>de</strong>r Vermögensübertragung im<br />

Wege <strong>de</strong>r Vollübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, § 174 Abs. 1, §§ 175, 176, 178, 180 ff. UmwG). Abweichend<br />

von <strong>de</strong>r zivilrechtlichen Betrachtung gilt aber in <strong>de</strong>n vorgenannten Fällen <strong>de</strong>r Anwachsung, <strong>de</strong>r<br />

Verschmelzung und <strong>de</strong>r Vermögensübertragung im Wege <strong>de</strong>r Vollübertragung § 45 Abs. 1 nicht in Bezug<br />

auf die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.<br />

2. Ebenfalls abweichend von <strong>de</strong>r zivilrechtlichen Betrachtung und unabhängig von <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>r §§ 15,<br />

16 und 20 ff. UmwStG liegt eine Gesamtrechtsnachfolge im Sinne <strong>de</strong>s § 45 Abs. 1 nicht vor in Fällen einer<br />

Abspaltung o<strong>de</strong>r Ausglie<strong>de</strong>rung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 123 ff. UmwG; BFH-Urteil vom 7.8.2002 – I R 99/00 –<br />

BStBl. 2003 II, S. 835) sowie einer Vermögensübertragung im Wege <strong>de</strong>r Teilübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3,<br />

§ 174 Abs. 2, §§ 175, 177, 179, 184 ff., 189 UmwG). In <strong>de</strong>n Fällen einer Aufspaltung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2,<br />

§ 123 Abs. 1 UmwG) ist jedoch § 45 Abs. 1 sinngemäß anzuwen<strong>de</strong>n; dies gilt nicht in Bezug auf die<br />

geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.<br />

3. Eine formwechseln<strong>de</strong> Umwandlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, §§ 190 ff. UmwG) führt grundsätzlich nicht zu einer<br />

Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1, da lediglich ein Wechsel <strong>de</strong>r Rechtsform eines Rechtsträgers<br />

unter Wahrung seiner rechtlichen I<strong>de</strong>ntität vorliegt (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Än<strong>de</strong>rt sich aber durch <strong>de</strong>n<br />

Formwechsel das Steuersubjekt (z. B. in Fällen <strong>de</strong>r Umwandlung einer Personengesellschaft in eine<br />

Kapitalgesellschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft), ist § 45<br />

Abs. 1 sinngemäß anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

4. Zur Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten in Fällen einer Gesamtrechtsnachfolge vgl. zu § 122,<br />

Nrn. 2.12, 2.15 und 2.16 sowie zu § 197, Nrn. 8 und 9. Zu <strong>de</strong>n ertragsteuerlichen Auswirkungen von<br />

Maßnahmen nach <strong>de</strong>m UmwG vgl. BMF-Schreiben vom 25.3.1998 (BStBl. I, S. 268).<br />

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Zu § 46 – Abtretung, Verpfändung, Pfändung:<br />

1. Der Gläubiger kann die Abtretung o<strong>de</strong>r Verpfändung <strong>de</strong>r zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> wirksam nur nach<br />

Entstehung <strong>de</strong>s Anspruchs anzeigen. Die Anzeige wirkt nicht auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Abtretungs- o<strong>de</strong>r<br />

Verpfändungsvertrages <strong>zur</strong>ück. Vor Entstehung <strong>de</strong>s Steueranspruchs sind Pfändungen wirkungslos; sie<br />

wer<strong>de</strong>n auch nicht mit Entstehung <strong>de</strong>s Anspruchs wirksam. Da z. B. <strong>de</strong>r<br />

Einkommensteuererstattungsanspruch aus überzahlter Lohnsteuer grundsätzlich mit Ablauf <strong>de</strong>s für die<br />

Steuerfestsetzung maßgeben<strong>de</strong>n Erhebungszeitraums entsteht (§ 38 AO i. V. m. § 36 Abs. 1 EStG), sind<br />

während <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Erhebungszeitraums (bis 31. 12.) angezeigte Lohnsteuer-Abtretungen bzw.<br />

Verpfändungen o<strong>de</strong>r ausgebrachte Pfändungen wirkungslos. Ein auf einem Verlustrücktrag nach § 10d<br />

Abs. 1 EStG beruhen<strong>de</strong>r Erstattungsanspruch ist nur dann wirksam abgetreten, gepfän<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r verpfän<strong>de</strong>t,<br />

wenn die Abtretung, Verpfändung o<strong>de</strong>r Pfändung erst nach Ablauf <strong>de</strong>s Verlustentstehungsjahres angezeigt<br />

bzw. ausgebracht wor<strong>de</strong>n ist (vgl. zu § 38, Nr. 1 Satz 3). Der Anspruch auf Erstattungszinsen nach § 233a<br />

entsteht erst, wenn eine Steuerfestsetzung zu einer Steuererstattung führt und die übrigen Voraussetzungen<br />

<strong>de</strong>s § 233a in diesem Zeitpunkt erfüllt sind. Eine vor <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung angezeigte Abtretung <strong>de</strong>s<br />

Anspruchs auf Erstattungszinsen ist unwirksam (BFH-Urteil vom 14.5.2002 – VII R 6/01 – BStBl. II,<br />

S. 677).<br />

2. Der geschäftsmäßige Erwerb und die geschäftsmäßige Einziehung von Erstattungs- o<strong>de</strong>r<br />

Vergütungsansprüchen ist nach § 46 Abs. 4 nur bei Sicherungsabtretungen und dabei auch nur<br />

Bankunternehmen gestattet (BFH-Urteil vom 23.10.1985 – VII R 196/82 – BStBl. II 1986, S. 124).<br />

2.1 Geschäftsmäßig i. S. v. § 46 Abs. 4 han<strong>de</strong>lt, wer die Tätigkeit – Erwerb von Erstattungs- o<strong>de</strong>r<br />

Vergütungsansprüchen – selbstständig und in Wie<strong>de</strong>rholungsabsicht ausübt. Dafür getroffene<br />

organisatorische Vorkehrungen indizieren die Wie<strong>de</strong>rholungsabsicht, sie sind in<strong>de</strong>s für <strong>de</strong>ren Annahme keine<br />

notwendige Voraussetzung (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.1994 – VII R 3/94 – BFH/NV 1995, S. 473). Eine<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Geschäftsmäßigkeit kann die Zahl <strong>de</strong>r Erwerbsfälle und <strong>de</strong>r<br />

Zeitraum ihres Vorkommens spielen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 26 von 235


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Allgemeine Festlegungen o<strong>de</strong>r Beurteilungsmaßstäbe lassen sich hierzu aber nicht aufstellen; insoweit<br />

kommt es immer auf die Verhältnisse <strong>de</strong>s Einzelfalls an (vgl. u. a. BFH-Urteile vom 13.10.1994, a.a.O., und<br />

vom 4.2.2005 – VII R 54/04 – BStBl. II 2006, S. 348 – jeweils m. w. N.). Für die Annahme <strong>de</strong>r<br />

Geschäftsmäßigkeit reicht es in<strong>de</strong>s nicht aus, dass die – vereinzelte – Abtretung im Rahmen eines<br />

Han<strong>de</strong>lsgeschäfts vorgenommen wur<strong>de</strong>.<br />

2.2 Die Abtretung eines Erstattungs- o<strong>de</strong>r Vergütungsanspruchs erfolgt nur dann <strong>zur</strong> bloßen Sicherung, wenn für<br />

bei<strong>de</strong> Beteiligten <strong>de</strong>r Sicherungszweck im Vor<strong>de</strong>rgrund steht. Eine Sicherungsabtretung ist daher<br />

grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, dass <strong>de</strong>r Abtretungsempfänger die For<strong>de</strong>rung nicht behalten darf. Er<br />

soll sie nur vorübergehend für <strong>de</strong>n Abtreten<strong>de</strong>n als Sicherheit für einen Anspruch gegen <strong>de</strong>n Abtreten<strong>de</strong>n<br />

innehaben.<br />

Deshalb kann eine Sicherungsabtretung regelmäßig nur dann vorliegen, wenn <strong>de</strong>r Inhaber <strong>de</strong>s Pfandrechts<br />

bei Fälligkeit seines Anspruchs zunächst versuchen muss, Befriedigung aus seinem Anspruch selbst zu<br />

suchen. Erst wenn dies nicht gelingt, darf er auf die Sicherheit <strong>zur</strong>ückgreifen. Eine Abtretung <strong>zur</strong> Sicherung<br />

ist dagegen nicht gegeben, wenn <strong>de</strong>r Abtreten<strong>de</strong> seine Einwirkungsmöglichkeiten auf die abgetretene<br />

For<strong>de</strong>rung weitgehend aufgibt (vgl. BFH-Urteil vom 3.2.1984 – VII R 72/82 – BStBl. II, S. 411).<br />

Haben Abtreten<strong>de</strong>r und Abtretungsempfänger eine direkte Begleichung <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

Abtretungsempfängers durch die Finanzbehör<strong>de</strong> vereinbart, liegt eine Sicherungsabtretung nur vor, wenn <strong>de</strong>r<br />

Sicherungszweck in einem solchen Maß überwiegt, dass an<strong>de</strong>re Beweggrün<strong>de</strong> für die gewählte rechtliche<br />

Gestaltung ausschei<strong>de</strong>n. Die gesamten Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Einzelfalles, unter <strong>de</strong>nen die Geschäftsbeziehung<br />

begrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n ist, sind für die Beurteilung heranzuziehen (vgl. BFH-Urteil vom 21.2.1989 – VII R 7/86 –<br />

BFH/NV S. 555 m. w. N.).<br />

2.3 Eine Sicherungsabtretung liegt nicht vor, wenn <strong>de</strong>r Abtreten<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Abtretungsempfänger ermächtigt hat,<br />

einen Steuerberater o<strong>de</strong>r Lohnsteuerhilfeverein mit <strong>de</strong>r Einlegung von Rechtsbehelfen zu beauftragen und<br />

<strong>de</strong>n Anspruch gegen <strong>de</strong>n Steuerberater bzw. Lohnsteuerhilfeverein auf Herausgabe <strong>de</strong>r Steuerunterlagen an<br />

<strong>de</strong>n Abtretungsempfänger ebenfalls abgetreten hat (vgl. BFH-Urteil v. 21.2.1989 – VII R 7/86 – a.a.O.).<br />

Gegen eine Sicherungsabtretung kann z. B. auch sprechen, dass <strong>de</strong>r Abtreten<strong>de</strong> im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Abtretung<br />

arbeitslos ist und <strong>de</strong>r Abtretungsempfänger nicht mit einer Zahlung <strong>de</strong>s Abtreten<strong>de</strong>n aus an<strong>de</strong>ren Mitteln<br />

rechnen kann.<br />

Eine Sicherungsabtretung liegt auch dann nicht vor, wenn die <strong>de</strong>r Abtretung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong><br />

Geschäftsbeziehung zwischen einem Steuerpflichtigen und einem Kreditinstitut nur zum Zweck <strong>de</strong>r<br />

Kreditgewährung begrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> und das Kreditinstitut die Erstattungsbeträge aufgrund <strong>de</strong>s<br />

Darlehensvertrages nach Eingang <strong>de</strong>r Beträge ohne Einwirkungsmöglichkeit <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

verrechnen und auf diese Weise das Darlehen tilgen darf. In diesen Fällen liegt eine Abtretung bzw.<br />

Verpfändung erfüllungshalber vor.<br />

2.4 Auskünfte darüber, inwieweit einem Unternehmen das Betreiben von Bankgeschäften nach § 32 Abs. 1<br />

KWG erlaubt wor<strong>de</strong>n ist, können bei <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) o<strong>de</strong>r auch<br />

bei <strong>de</strong>r Deutschen Bun<strong>de</strong>sbank und ihren Hauptverwaltungen eingeholt wer<strong>de</strong>n.<br />

2.5 Verstöße gegen § 46 Abs. 4 können als Steuerordnungswidrigkeit geahn<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n (§ 383).<br />

3. Auch bei einem Verstoß gegen § 46 Abs. 4 Satz 1 o<strong>de</strong>r bei sonstiger Unwirksamkeit <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Abtretung o<strong>de</strong>r<br />

Verpfändung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Rechtsgeschäfts kann die Finanzbehör<strong>de</strong> nach erfolgter Anzeige mit<br />

befreien<strong>de</strong>r Wirkung an <strong>de</strong>n Abtretungsempfänger zahlen, soweit nicht Rechte an<strong>de</strong>rer Gläubiger<br />

entgegenstehen.<br />

4. Mit <strong>de</strong>r wirksam angezeigten Abtretung o<strong>de</strong>r Verpfändung (bzw. ausgebrachten Pfändung) geht nicht die<br />

gesamte Rechtsstellung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen über (BFH-Urteile vom 21.3.1975 – VI R 238/71 – BStBl. II,<br />

S. 669, vom 15.5.1975 – V R 84/70 – BStBl. 1976 II, S. 41, vom 25.4.1978 – VII R 2/75 – BStBl. II, S. 465,<br />

und vom 27.1.1993 – II S 10/92 – BFH/NV 1993 S. 350). Übertragen wird nur <strong>de</strong>r Zahlungsanspruch. Auch<br />

nach einer Abtretung, Pfändung o<strong>de</strong>r Verpfändung ist <strong>de</strong>r Steuerbescheid nur <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen bekannt<br />

zu geben. Der neue Gläubiger <strong>de</strong>s Erstattungsanspruchs kann nicht <strong>de</strong>n Steuerbescheid anfechten. Dem<br />

neuen Gläubiger <strong>de</strong>s Erstattungsanspruchs muss nur mitgeteilt wer<strong>de</strong>n, ob und ggf. in welcher Höhe sich aus<br />

<strong>de</strong>r Veranlagung ein Erstattungsanspruch ergeben hat und ob und ggf. in welcher Höhe aufgrund <strong>de</strong>r<br />

Abtretung, Pfändung und Verpfändung an ihn zu leisten ist. Über Streitigkeiten hierüber ist durch<br />

Verwaltungsakt nach § 218 Abs. 2 zu entschei<strong>de</strong>n. Der neue Gläubiger <strong>de</strong>s Erstattungsanspruchs ist nicht<br />

befugt, einen Antrag auf Einkommensteuerveranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zu stellen (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 18.8.1998 – VII R 114/97 – BStBl. 1999 II, S. 84). Dieser Antrag ist ein von <strong>de</strong>n<br />

Rechtswirkungen <strong>de</strong>s § 46 nicht erfasstes höchstpersönliches steuerliches Gestaltungsrecht. Die vorstehen<strong>de</strong>n<br />

Sätze gelten entsprechend für Fälle einer Überleitung von Steuererstattungsansprüchen gemäß § 93 SGB XII.<br />

Für die Überleitung von Steuererstattungsansprüchen nach <strong>de</strong>m Asylbewerberleistungsgesetz ist § 93<br />

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SGB XII entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n (§ 7 Abs. 3 AsylbLG). Für Fälle <strong>de</strong>s Übergangs von<br />

Steuererstattungsansprüchen im Wege <strong>de</strong>s gesetzlichen For<strong>de</strong>rungsübergangs im Rahmen <strong>de</strong>r Leistungen <strong>zur</strong><br />

Grundsicherung für Arbeitsuchen<strong>de</strong> nach § 33 SGB II gelten die vorstehen<strong>de</strong>n Sätze entsprechend.<br />

5. Fehlt in <strong>de</strong>r Abtretungsanzeige, nach <strong>de</strong>r die Erstattungsansprüche aus <strong>de</strong>r Zusammenveranlagung abgetreten<br />

wor<strong>de</strong>n sind, die Unterschrift eines Ehegatten, so wird dadurch die Wirksamkeit <strong>de</strong>r Abtretung <strong>de</strong>s<br />

Anspruchs, soweit er auf <strong>de</strong>n Ehegatten entfällt, <strong>de</strong>r die Anzeige unterschrieben hat, nicht berührt (BFH-<br />

Urteil vom 13.3.1997 – VII R 39/96 – BStBl. II, S. 522). Zum Erstattungsanspruch bei<br />

zusammenveranlagten Ehegatten vgl. zu § 37, Nr. 2.<br />

6. Für die Anzeige <strong>de</strong>r Abtretung o<strong>de</strong>r Verpfändung eines Erstattungs- o<strong>de</strong>r Vergütungsanspruches wird <strong>de</strong>r in<br />

<strong>de</strong>r Anlage abgedruckte Vordruck bestimmt. Die bislang gelten<strong>de</strong> Fassung <strong>de</strong>s Vordrucks kann weiterhin<br />

verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, wenn in Abschnitt III Nummer 3 im Freitextfeld nach <strong>de</strong>m Wort „o<strong>de</strong>r“ eine kurze<br />

stichwortartige Kennzeichnung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Abtretung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n schuldrechtlichen<br />

Lebenssachverhaltes erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 28.9.2011 – VII R 52/10 – BStBl. 2012 II, S. 92).<br />

7. Die auf einem vollständig ausgefüllten amtlichen Vordruck erklärte, vom Abtreten<strong>de</strong>n und vom<br />

Abtretungsempfänger jeweils eigenhändig unterschriebene Abtretungsanzeige kann <strong>de</strong>r zuständigen<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> auch per Telefax übermittelt wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 8.6.2010 – VII R 39/09 –<br />

BStBl. II, S. 839). Dies gilt entsprechend, wenn eine Abtretungsanzeige im Sinne <strong>de</strong>s Satzes 1 eingescannt<br />

per E-Mail übermittelt wird. Die Anzeige <strong>de</strong>r Abtretung wird wirksam, sobald die Kenntnisnahme durch die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> möglich und nach <strong>de</strong>r Verkehrsanschauung zu erwarten ist (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies<br />

be<strong>de</strong>utet: Eintritt <strong>de</strong>r Wirksamkeit bei Übermittlung<br />

– während <strong>de</strong>r üblichen Dienststun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> im Zeitpunkt <strong>de</strong>r vollständigen Übermittlung;<br />

– außerhalb <strong>de</strong>r üblichen Dienststun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Dienstbeginns am nächsten<br />

Arbeitstag.<br />

Zu § 47 – Erlöschen:<br />

Außer in <strong>de</strong>n aufgezählten Fällen können entstan<strong>de</strong>ne Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis auch auf<br />

an<strong>de</strong>re Weise erlöschen, z. B. bei Zwangsgel<strong>de</strong>rn durch Erbfolge (§ 45 Abs. 1) o<strong>de</strong>r durch Verzicht auf<br />

Erstattung (§ 37 Abs. 2).<br />

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Zu § 48 – Leistung durch Dritte, Haftung Dritter:<br />

Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, dass alle Leistungen aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (§ 37) gegenüber<br />

<strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> auch durch Dritte bewirkt wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r sich Dritte hierzu vertraglich verpflichten können. Der<br />

Steuerpflichtige wird in diesen Fällen von seiner eigenen Leistungspflicht nicht befreit. Derartige<br />

rechtsgeschäftliche Verpflichtungsgeschäfte (z. B. Bürgschaft, Schuldversprechen o<strong>de</strong>r kumulative<br />

Schuldübernahme) können auf einem Vertrag zwischen Steuergläubiger und Schuldübernehmer o<strong>de</strong>r auf einem<br />

Vertrag zwischen Steuerschuldner und Übernehmer zugunsten <strong>de</strong>s Steuergläubigers beruhen. In bei<strong>de</strong>n Fällen<br />

sind die sich hieraus ergebenen Ansprüche <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> privatrechtlicher, nicht öffentlich-rechtlicher<br />

Natur und können gem. § 192 nur nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s bürgerlichen Rechts durchgesetzt wer<strong>de</strong>n. Diese<br />

Vorschriften gelten auch für steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4).<br />

Zu § 51 – Allgemeines:<br />

Zu § 51 Abs. 1:<br />

1. Unter Körperschaften i. S. d. § 51, für die eine Steuervergünstigung in Betracht kommen kann, sind<br />

Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i. S. d. KStG zu verstehen. Dazu gehören<br />

auch die juristischen Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts mit ihren Betrieben gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1<br />

Nr. 6, § 4 KStG), nicht aber die juristischen Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts als solche.<br />

2. Regionale Unterglie<strong>de</strong>rungen (Lan<strong>de</strong>s-, Bezirks-, Ortsverbän<strong>de</strong>) von Großvereinen sind als nicht<br />

rechtsfähige Vereine (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG) selbstständige Steuersubjekte im Sinne <strong>de</strong>s<br />

Körperschaftsteuerrechts, wenn sie<br />

a) über eigene satzungsmäßige Organe (Vorstand, Mitglie<strong>de</strong>rversammlung) verfügen und über diese auf<br />

Dauer nach außen im eigenen Namen auftreten und<br />

b) eine eigene Kassenführung haben.<br />

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Die selbstständigen regionalen Unterglie<strong>de</strong>rungen können nur dann als gemeinnützig behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n,<br />

wenn sie eine eigene Satzung haben, die <strong>de</strong>n gemeinnützigkeitsrechtlichen Anfor<strong>de</strong>rungen entspricht.<br />

Zweck, Aufgaben und Organisation <strong>de</strong>r Unterglie<strong>de</strong>rungen können sich auch aus <strong>de</strong>r Satzung <strong>de</strong>s<br />

Hauptvereins ergeben.<br />

3. Über die Befreiung von <strong>de</strong>r Körperschaftsteuer nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG wegen För<strong>de</strong>rung<br />

steuerbegünstigter Zwecke ist stets für einen bestimmten Veranlagungszeitraum zu entschei<strong>de</strong>n (Grundsatz<br />

<strong>de</strong>r Abschnittsbesteuerung). Eine Körperschaft kann nur dann nach dieser Vorschrift von <strong>de</strong>r<br />

Körperschaftsteuer befreit wer<strong>de</strong>n, wenn sie in <strong>de</strong>m zu beurteilen<strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum alle<br />

Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung erfüllt. Die spätere Erfüllung einer <strong>de</strong>r Voraussetzungen für die<br />

Steuerbegünstigung kann nicht auf frühere, abgelaufene Veranlagungszeiträume <strong>zur</strong>ückwirken.<br />

4. Wird eine bisher steuerpflichtige Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von <strong>de</strong>r Körperschaftsteuer<br />

befreit, ist eine Schlussbesteuerung nach § 13 KStG durchzuführen.<br />

5. Für die Steuerbegünstigung einer Körperschaft reichen Betätigungen aus, mit <strong>de</strong>nen die Verwirklichung <strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigten Satzungszwecke nur vorbereitet wird. Die Tätigkeiten müssen ernsthaft auf die Erfüllung<br />

eines steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks gerichtet sein. Die bloße Absicht, zu einem ungewissen<br />

Zeitpunkt einen <strong>de</strong>r Satzungszwecke zu verwirklichen, genügt nicht (BFH-Urteil vom 23.7.2003 – I R<br />

29/02 – BStBl. II, S. 930).<br />

6. Die Körperschaftsteuerbefreiung einer Körperschaft, die nach ihrer Satzung steuerbegünstigte Zwecke<br />

verfolgt, en<strong>de</strong>t, wenn die eigentliche steuerbegünstigte Tätigkeit eingestellt und über das Vermögen <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft das Konkurs- o<strong>de</strong>r Insolvenzverfahren eröffnet wird (BFH-Urteil vom 16.5.2007 – I R 14/06 –<br />

BStBl. II, S. 808).<br />

Zu § 51 Abs. 2:<br />

7. Verwirklicht die Körperschaft ihre för<strong>de</strong>rungswürdigen Zwecke nur außerhalb von Deutschland, setzt die<br />

Steuerbegünstigung – neben <strong>de</strong>n sonstigen Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 51 ff. – zusätzlich <strong>de</strong>n so genannten<br />

Inlandsbezug nach § 51 Abs. 2 i. d. F. <strong>de</strong>s Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008 (BGBl. I, S. 2794)<br />

voraus. Dieser liegt zum einen vor, wenn natürliche Personen, die ihren Wohnsitz o<strong>de</strong>r ihren gewöhnlichen<br />

Aufenthalt im Inland haben, geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Auf die Staatsangehörigkeit <strong>de</strong>r natürlichen Personen kommt<br />

es dabei nicht an.<br />

Falls durch die Tätigkeit im Ausland keine im Inland leben<strong>de</strong>n Personen geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, ist ein<br />

Inlandsbezug gegeben, wenn die Tätigkeit <strong>de</strong>r Körperschaft neben <strong>de</strong>r Verwirklichung <strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigten Zwecke auch <strong>zur</strong> Verbesserung <strong>de</strong>s Ansehens Deutschlands im Ausland beitragen kann.<br />

Dabei bedarf es keiner spürbaren o<strong>de</strong>r messbaren Auswirkung auf das Ansehen Deutschlands im Ausland.<br />

Bei im Inland ansässigen Körperschaften ist <strong>de</strong>r mögliche Beitrag zum Ansehen Deutschlands im Ausland –<br />

ohne beson<strong>de</strong>ren Nachweis – bereits dadurch erfüllt, dass sie sich personell, finanziell, planend, schöpferisch<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rweitig an <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung gemeinnütziger und mildtätiger Zwecke im Ausland beteiligen<br />

(Indizwirkung). Der Feststellung <strong>de</strong>r positiven Kenntnis aller im Ausland Begünstigten o<strong>de</strong>r aller<br />

Mitwirken<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Beteiligung <strong>de</strong>utscher Organisationen bedarf es dabei nicht.<br />

Ausländische Körperschaften können <strong>de</strong>n Inlandsbezug ebenfalls erfüllen, beispielsweise in<strong>de</strong>m sie ihre<br />

steuerbegünstigten Zwecke zum Teil auch in Deutschland verwirklichen o<strong>de</strong>r – soweit sie nur im Ausland<br />

tätig sind – auch im Inland leben<strong>de</strong> natürliche Personen för<strong>de</strong>rn, selbst wenn die Personen sich zu diesem<br />

Zweck im Ausland aufhalten. Bei <strong>de</strong>r Tatbestandsalternative <strong>de</strong>s möglichen Ansehensbeitrags zugunsten<br />

Deutschlands entfällt zwar bei ausländischen Körperschaften die Indizwirkung, die Erfüllung dieser<br />

Tatbestandsalternative durch ausländische Einrichtungen ist aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen.<br />

Der nach § 51 Abs. 2 bei Auslandsaktivitäten zusätzlich gefor<strong>de</strong>rte Inlandsbezug wirkt sich nicht auf die<br />

Auslegung <strong>de</strong>r weiteren, für die Anerkennung <strong>de</strong>r Gemeinnützigkeit notwendigen Voraussetzungen aus.<br />

Deren Vorliegen ist weiterhin unabhängig von <strong>de</strong>r Frage, ob die Tätigkeit im In- o<strong>de</strong>r Ausland ausgeübt<br />

wird, zu prüfen. Der Inlandsbezug hat somit insbeson<strong>de</strong>re keine Auswirkung auf Inhalt und Umfang <strong>de</strong>r in<br />

<strong>de</strong>n §§ 52 bis 53 beschriebenen för<strong>de</strong>rungswürdigen Zwecke. Daher können beispielsweise kirchliche<br />

Zwecke weiterhin nur zugunsten inländischer Religionsgemeinschaften, die Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts sind, verfolgt wer<strong>de</strong>n; an<strong>de</strong>rerseits kann die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Religion nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 wie<br />

bisher auch im Ausland erfolgen; auch kann wie bisher z. B. eine hilflose Person im Ausland unterstützt<br />

wer<strong>de</strong>n (§ 53 Nr. 1).<br />

Mit <strong>de</strong>r Prüfung <strong>de</strong>s Inlandsbezugs selbst ist keine zusätzliche inhaltliche Prüfung <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft verbun<strong>de</strong>n. Das heißt, es ist we<strong>de</strong>r ein weiteres Mal zu ermitteln, ob die Körperschaft<br />

gemeinnützige o<strong>de</strong>r mildtätige Zwecke i. S. d. §§ 52 und 53 för<strong>de</strong>rt, noch kommt es darauf an, ob die<br />

Tätigkeit mit <strong>de</strong>n im Ausland gelten<strong>de</strong>n Wertvorstellungen übereinstimmt und somit nach ausländischen<br />

Maßstäben ein Beitrag zum Ansehen Deutschlands geleistet wer<strong>de</strong>n kann. Falls die Verfolgung <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n<br />

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§§ 52 und 53 genannten för<strong>de</strong>rungswürdigen Zwecke zu bejahen ist, ist daher davon auszugehen, dass eine<br />

solche Tätigkeit <strong>de</strong>m Ansehen Deutschlands im Ausland nicht entgegensteht. Der Inlandsbezug wird für die<br />

Anerkennung <strong>de</strong>r Gemeinnützigkeit ab Veranlagungszeitraum 2009 vorausgesetzt.<br />

Zu § 51 Abs. 3:<br />

8. Der Ausschluss sogenannter extremistischer Körperschaften von <strong>de</strong>r Steuerbegünstigung ist nunmehr in § 51<br />

Abs. 3 gesetzlich geregelt.<br />

9. Die Ergänzung <strong>de</strong>s § 51 soll klarstellen, dass eine Körperschaft nur dann als steuerbegünstigt behan<strong>de</strong>lt<br />

wer<strong>de</strong>n kann, wenn sie we<strong>de</strong>r nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung Bestrebungen<br />

i. S. d. § 4 <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) verfolgt noch <strong>de</strong>m Gedanken <strong>de</strong>r<br />

Völkerverständigung zuwi<strong>de</strong>rhan<strong>de</strong>lt. § 4 BVerfSchG ist im Zusammenhang mit § 3 BVerfSchG zu lesen,<br />

<strong>de</strong>r die Aufgaben <strong>de</strong>r Verfassungsschutzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r und die Voraussetzungen für<br />

ein Tätigwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Verfassungsschutzes festlegt. Die Aufgabe besteht in <strong>de</strong>r Sammlung und Auswertung<br />

von Informationen über die in § 3 Abs. 1 BVerfSchG erwähnten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, die<br />

§ 4 BVerfSchG zum Teil <strong>de</strong>finiert. So beinhaltet § 4 BVerfSchG im ersten Absatz eine Legal<strong>de</strong>finition von<br />

Bestrebungen<br />

a) gegen <strong>de</strong>n Bestand <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r eines Lan<strong>de</strong>s<br />

b) gegen die Sicherheit <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r eines Lan<strong>de</strong>s<br />

c) gegen die freiheitliche <strong>de</strong>mokratische Grundordnung.<br />

Im zweiten Absatz <strong>de</strong>s § 4 BVerfSchG wer<strong>de</strong>n die grundlegen<strong>de</strong>n Prinzipien <strong>de</strong>r freiheitlichen<br />

<strong>de</strong>mokratischen Grundordnung aufgeführt.<br />

Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 ist eine Steuervergünstigung auch ausgeschlossen, wenn die Körperschaft <strong>de</strong>m<br />

Gedanken <strong>de</strong>r Völkerverständigung zuwi<strong>de</strong>rhan<strong>de</strong>lt. Diese Regelung nimmt Bezug auf § 3 Abs. 1 Nr. 4<br />

BVerfSchG, <strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rum auf Artikel 9 Abs. 2 Grundgesetz (gegen <strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>r Völkerverständigung<br />

gerichtete Bestrebungen) sowie Artikel 26 Abs. 1 Grundgesetz (Störung <strong>de</strong>s friedlichen Zusammenlebens <strong>de</strong>r<br />

Völker) verweist.<br />

10. Die Regelung <strong>de</strong>s § 51 Abs. 3 Satz 2 gilt in allen offenen Fällen. Der Tatbestand <strong>de</strong>s § 51 Abs. 3 Satz 2 ist<br />

nur bei solchen Organisationen erfüllt, die im Verfassungsschutzbericht <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r eines Lan<strong>de</strong>s für<br />

<strong>de</strong>n zu beurteilen<strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum ausdrücklich als extremistisch eingestuft wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>nen<br />

es nach einem Verfassungsschutzbericht zumin<strong>de</strong>st belegbare Hinweise für eine Einstufung als extremistisch<br />

gibt. Hat das Finanzamt die Körperschaft bisher als steuerbegünstigt behan<strong>de</strong>lt und wird später ein<br />

Verfassungsschutzbericht veröffentlicht, in <strong>de</strong>m die Körperschaft als extremistisch aufgeführt wird, kommt<br />

ggf. eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 in Betracht.<br />

11. Bei Organisationen, die nicht unter § 51 Abs. 3 Satz 2 fallen, ist eine Prüfung nach § 51 Abs. 3 Satz 1<br />

vorzunehmen (vgl. Nr. 9). Insbeson<strong>de</strong>re eine Erwähnung als „Verdachtsfall“ o<strong>de</strong>r eine nur beiläufige<br />

Erwähnung im Verfassungsschutzbericht, aber auch sonstige Erkenntnisse bieten im Einzelfall Anlass zu<br />

weitergehen<strong>de</strong>n Ermittlungen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>, z. B. auch durch Nachfragen bei <strong>de</strong>n<br />

Verfassungsschutzbehör<strong>de</strong>n.<br />

12. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind befugt und verpflichtet, <strong>de</strong>n Verfassungsschutzbehör<strong>de</strong>n Tatsachen i. S. d. § 51<br />

Abs. 3 Satz 3 unabhängig davon mitzuteilen, welchen Besteuerungszeitraum diese Tatsachen betreffen.<br />

Zu § 52 – Gemeinnützige Zwecke:<br />

1. Die Gemeinnützigkeit einer Körperschaft setzt voraus, dass ihre Tätigkeit <strong>de</strong>r Allgemeinheit zugute kommt<br />

(§ 52 Abs. 1 S. 1). Dies ist nicht gegeben, wenn <strong>de</strong>r Kreis <strong>de</strong>r geför<strong>de</strong>rten Personen infolge seiner Abgrenzung,<br />

insbeson<strong>de</strong>re nach räumlichen o<strong>de</strong>r beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann (§ 52 Abs. 1 S. 2).<br />

Hierzu gilt Folgen<strong>de</strong>s:<br />

1.1 Allgemeines<br />

Ein Verein, <strong>de</strong>ssen Tätigkeit in erster Linie seinen Mitglie<strong>de</strong>rn zugute kommt (insbeson<strong>de</strong>re Sportvereine und<br />

Vereine, die in § 52 Abs. 2 Nr. 23 genannte Freizeitbetätigungen för<strong>de</strong>rn), för<strong>de</strong>rt nicht die Allgemeinheit, wenn<br />

er <strong>de</strong>n Kreis <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r durch hohe Aufnahmegebühren o<strong>de</strong>r Mitgliedsbeiträge (einschließlich<br />

Mitgliedsumlagen) klein hält.<br />

Bei einem Verein, <strong>de</strong>ssen Tätigkeit in erster Linie seinen Mitglie<strong>de</strong>rn zugute kommt, ist eine För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Allgemeinheit im Sinne <strong>de</strong>s § 52 Abs. 1 anzunehmen, wenn<br />

a) die Mitgliedsbeiträge und Mitgliedsumlagen zusammen im Durchschnitt 1 023 € je Mitglied und Jahr und<br />

b) die Aufnahmegebühren für die im Jahr aufgenommenen Mitglie<strong>de</strong>r im Durchschnitt 1 534 € nicht<br />

übersteigen.<br />

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1.2 Investitionsumlage<br />

Es ist unschädlich für die Gemeinnützigkeit eines Vereins, <strong>de</strong>ssen Tätigkeit in erster Linie seinen Mitglie<strong>de</strong>rn<br />

zugute kommt, wenn <strong>de</strong>r Verein neben <strong>de</strong>n o. a. Aufnahmegebühren und Mitgliedsbeiträgen (einschließlich<br />

sonstiger Mitgliedsumlagen) zusätzlich eine Investitionsumlage nach folgen<strong>de</strong>r Maßgabe erhebt:<br />

Die Investitionsumlage darf höchstens 5 113 € innerhalb von 10 Jahren je Mitglied betragen. Die Mitglie<strong>de</strong>r<br />

müssen die Möglichkeit haben, die Zahlung <strong>de</strong>r Umlage auf bis zu 10 Jahresraten zu verteilen. Die Umlage darf<br />

nur für die Finanzierung konkreter Investitionsvorhaben verlangt wer<strong>de</strong>n. Unschädlich ist neben <strong>de</strong>r zeitnahen<br />

Verwendung <strong>de</strong>r Mittel für Investitionen auch die Ansparung für künftige Investitionsvorhaben im Rahmen von<br />

nach § 58 Nr. 6 zulässigen Rücklagen und die Verwendung für die Tilgung von Darlehen, die für die<br />

Finanzierung von Investitionen aufgenommen wor<strong>de</strong>n sind. Die Erhebung von Investitionsumlagen kann auf neu<br />

eintreten<strong>de</strong> Mitglie<strong>de</strong>r (und ggf. nachzahlen<strong>de</strong> Jugendliche, vgl. Nr. 1.3.1.2) beschränkt wer<strong>de</strong>n.<br />

Investitionsumlagen sind keine steuerlich abziehbaren Spen<strong>de</strong>n.<br />

1.3 Durchschnittsberechnung<br />

Der durchschnittliche Mitgliedsbeitrag und die durchschnittliche Aufnahmegebühr sind aus <strong>de</strong>m Verhältnis <strong>de</strong>r<br />

zu berücksichtigen<strong>de</strong>n Leistungen <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>r Zahl <strong>de</strong>r zu berücksichtigen<strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>r zu errechnen.<br />

1.3.1 Zu berücksichtigen<strong>de</strong> Leistungen <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r<br />

1.3.1.1 Grundsatz<br />

Zu <strong>de</strong>n maßgeblichen Aufnahmegebühren bzw. Mitgliedsbeiträgen gehören alle Geld- und geldwerten<br />

Leistungen, die ein Bürger aufwen<strong>de</strong>n muss, um in <strong>de</strong>n Verein aufgenommen zu wer<strong>de</strong>n bzw. in ihm verbleiben<br />

zu können. Umlagen, die von <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn erhoben wer<strong>de</strong>n, sind mit Ausnahme zulässiger<br />

Investitionsumlagen (vgl. Nr. 1.2) bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r durchschnittlichen Aufnahmegebühren o<strong>de</strong>r<br />

Mitgliedsbeiträge zu berücksichtigen.<br />

1.3.1.2 Son<strong>de</strong>rentgelte und Nachzahlungen<br />

So genannte Spielgeldvorauszahlungen, die im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Aufnahme in <strong>de</strong>n Verein zu entrichten<br />

sind, gehören zu <strong>de</strong>n maßgeblichen Aufnahmegebühren. Son<strong>de</strong>rumlagen und Zusatzentgelte, die Mitglie<strong>de</strong>r z. B.<br />

unter <strong>de</strong>r Bezeichnung Jahresplatzbenutzungsgebühren zahlen müssen, sind bei <strong>de</strong>r Durchschnittsberechnung als<br />

zusätzliche Mitgliedsbeiträge zu berücksichtigen.<br />

Wenn jugendliche Mitglie<strong>de</strong>r, die zunächst zu günstigeren Konditionen in <strong>de</strong>n Verein aufgenommen wor<strong>de</strong>n<br />

sind, bei Erreichen einer Altersgrenze Aufnahmegebühren nachzuentrichten haben, sind diese im Jahr <strong>de</strong>r<br />

Zahlung bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r durchschnittlichen Aufnahmegebühr zu erfassen.<br />

1.3.1.3 Auswärtige Mitglie<strong>de</strong>r<br />

Mitgliedsbeiträge und Aufnahmegebühren, die auswärtige Mitglie<strong>de</strong>r an an<strong>de</strong>re gleichartige Vereine entrichten,<br />

sind nicht in die Durchschnittsberechnungen einzubeziehen. Dies gilt auch dann, wenn die Mitgliedschaft in <strong>de</strong>m<br />

an<strong>de</strong>ren Verein Voraussetzung für die Aufnahme als auswärtiges Mitglied o<strong>de</strong>r die Spielberechtigung in <strong>de</strong>r<br />

vereinseigenen Sportanlage ist.<br />

1.3.1.4 Juristische Personen und Firmen<br />

Leistungen, die juristische Personen und Firmen in an<strong>de</strong>rer Rechtsform für die Erlangung und <strong>de</strong>n Erhalt <strong>de</strong>r<br />

eigenen Mitgliedschaft in einem Verein aufwen<strong>de</strong>n (sogenannte Firmenmitgliedschaften), sind bei <strong>de</strong>n<br />

Durchschnittsberechnungen nicht zu berücksichtigen (vgl. Nr. 1.3.2).<br />

1.3.1.5 Darlehen<br />

Darlehen, die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Verein im Zusammenhang mit ihrer Aufnahme in <strong>de</strong>n Verein gewähren, sind nicht<br />

als zusätzliche Aufnahmegebühren zu erfassen. Wird das Darlehen zinslos o<strong>de</strong>r zu einem günstigeren Zinssatz,<br />

als er auf <strong>de</strong>m Kapitalmarkt üblich ist, gewährt, ist <strong>de</strong>r jährliche Zinsverzicht als zusätzlicher Mitgliedsbeitrag zu<br />

berücksichtigen. Dabei kann typisierend ein üblicher Zinssatz von 5,5 v. H. angenommen wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil<br />

vom 13.11.1996 – I R 152/93 – BStBl. 1998 II, S. 711). Als zusätzlicher Mitgliedsbeitrag sind <strong>de</strong>mnach pro Jahr<br />

bei einem zinslosen Darlehen 5,5 v. H. <strong>de</strong>s Darlehensbetrags und bei einem zinsgünstigen Darlehen <strong>de</strong>r Betrag,<br />

<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Verein weniger als bei einer Verzinsung mit 5,5 v. H. zu zahlen hat, anzusetzen.<br />

Diese Grundsätze gelten auch, wenn Mitgliedsbeiträge o<strong>de</strong>r Mitgliedsumlagen (einschließlich<br />

Investitionsumlagen) als Darlehen geleistet wer<strong>de</strong>n.<br />

1.3.1.6 Beteiligung an Gesellschaften<br />

Kosten für <strong>de</strong>n <strong>zur</strong> Erlangung <strong>de</strong>r Spielberechtigung notwendigen Erwerb von Geschäftsanteilen an einer<br />

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Gesellschaft, die neben <strong>de</strong>m Verein besteht und die die Sportanlagen errichtet o<strong>de</strong>r betreibt, sind mit Ausnahme<br />

<strong>de</strong>s Agios nicht als zusätzliche Aufnahmegebühren zu erfassen.<br />

Ein Sportverein kann aber mangels Unmittelbarkeit dann nicht als gemeinnützig behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, wenn die<br />

Mitglie<strong>de</strong>r die Sportanlagen <strong>de</strong>s Vereins nur bei Erwerb einer Nutzungsberechtigung von einer neben <strong>de</strong>m<br />

Verein bestehen<strong>de</strong>n Gesellschaft nutzen dürfen.<br />

1.3.1.7 Spen<strong>de</strong>n<br />

Wenn Bürger im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Aufnahme in einen Sportverein als Spen<strong>de</strong>n bezeichnete Zahlungen an<br />

<strong>de</strong>n Verein leisten, ist zu prüfen, ob es sich dabei um freiwillige unentgeltliche Zuwendungen, d. h. um Spen<strong>de</strong>n,<br />

o<strong>de</strong>r um Son<strong>de</strong>rzahlungen han<strong>de</strong>lt, zu <strong>de</strong>ren Leistung die neu eintreten<strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>r verpflichtet sind.<br />

Son<strong>de</strong>rzahlungen sind in die Berechnung <strong>de</strong>r durchschnittlichen Aufnahmegebühr einzubeziehen. Dies gilt auch,<br />

wenn kein durch die Satzung o<strong>de</strong>r durch Beschluss <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>rversammlung festgelegter Rechtsanspruch <strong>de</strong>s<br />

Vereins besteht, die Aufnahme in <strong>de</strong>n Verein aber faktisch von <strong>de</strong>r Leistung einer Son<strong>de</strong>rzahlung abhängt.<br />

Eine faktische Verpflichtung ist regelmäßig anzunehmen, wenn mehr als 75 v. H. <strong>de</strong>r neu eingetretenen<br />

Mitglie<strong>de</strong>r neben <strong>de</strong>r Aufnahmegebühr eine gleich o<strong>de</strong>r ähnlich hohe Son<strong>de</strong>rzahlung leisten. Dabei bleiben<br />

passive o<strong>de</strong>r för<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>, jugendliche und auswärtige Mitglie<strong>de</strong>r sowie Firmenmitgliedschaften außer Betracht.<br />

Für die Beurteilung <strong>de</strong>r Frage, ob die Son<strong>de</strong>rzahlungen <strong>de</strong>r neu aufgenommenen Mitglie<strong>de</strong>r gleich o<strong>de</strong>r ähnlich<br />

hoch sind, sind die von <strong>de</strong>m Mitglied innerhalb von drei Jahren nach seinem Aufnahmeantrag o<strong>de</strong>r, wenn<br />

zwischen <strong>de</strong>m Aufnahmeantrag und <strong>de</strong>r Aufnahme in <strong>de</strong>n Verein ein ungewöhnlich langer Zeitraum liegt, nach<br />

seiner Aufnahme geleisteten Son<strong>de</strong>rzahlungen, soweit es sich dabei nicht um von allen Mitglie<strong>de</strong>rn erhobene<br />

Umlagen han<strong>de</strong>lt, zusammen<strong>zur</strong>echnen.<br />

Die 75 v. H.-Grenze ist eine wi<strong>de</strong>rlegbare Vermutung für das Vorliegen von Pflichtzahlungen. Maßgeblich sind<br />

die tatsächlichen Verhältnisse <strong>de</strong>s Einzelfalls. Son<strong>de</strong>rzahlungen sind <strong>de</strong>shalb auch dann als zusätzliche<br />

Aufnahmegebühren zu behan<strong>de</strong>ln, wenn sie zwar von weniger als 75 v. H. <strong>de</strong>r neu eingetretenen Mitglie<strong>de</strong>r<br />

geleistet wer<strong>de</strong>n, diese Mitglie<strong>de</strong>r aber nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalls zu <strong>de</strong>n Zahlungen nachweisbar<br />

verpflichtet sind.<br />

Die vorstehen<strong>de</strong>n Grundsätze einschließlich <strong>de</strong>r 75 v. H.-Grenze gelten für die Abgrenzung zwischen echten<br />

Spen<strong>de</strong>n und Mitgliedsumlagen entsprechend. Pflichtzahlungen sind in diesem Fall in die Berechnung <strong>de</strong>s<br />

durchschnittlichen Mitgliedsbeitrags einzubeziehen.<br />

Nicht bei <strong>de</strong>r Durchschnittsberechnung <strong>de</strong>r Aufnahmegebühren und Mitgliedsbeiträge zu berücksichtigen sind<br />

Pflichteinzahlungen in eine zulässige Investitionsumlage (vgl. Nr. 1.2).<br />

Für Leistungen, bei <strong>de</strong>nen es sich um Pflichtzahlungen (z. B. Aufnahmegebühren, Mitgliedsbeiträge,<br />

Ablösezahlungen für Arbeitsleistungen und Umlagen einschließlich Investitionsumlagen) han<strong>de</strong>lt, dürfen keine<br />

Zuwendungsbestätigungen i. S. d. § 50 EStDV ausgestellt wer<strong>de</strong>n. Die Grundsätze <strong>de</strong>s BFH-Urteils vom<br />

13.12.1978 – I R 39/78 – BStBl. 1979 II, S. 482, 488) sind nicht anzuwen<strong>de</strong>n, soweit sie mit <strong>de</strong>n vorgenannten<br />

Grundsätzen nicht übereinstimmen.<br />

1.3.2 Zu berücksichtigen<strong>de</strong> Mitglie<strong>de</strong>r<br />

Bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s durchschnittlichen Mitgliedsbeitrags ist als Divisor die Zahl <strong>de</strong>r Personen anzusetzen,<br />

die im Veranlagungszeitraum (Kalen<strong>de</strong>rjahr) Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Vereins waren. Dabei sind auch die Mitglie<strong>de</strong>r zu<br />

berücksichtigen, die im Laufe <strong>de</strong>s Jahres aus <strong>de</strong>m Verein ausgetreten o<strong>de</strong>r in ihn aufgenommen wor<strong>de</strong>n sind.<br />

Voraussetzung ist, dass eine Dauermitgliedschaft bestan<strong>de</strong>n hat bzw. die Mitgliedschaft auf Dauer angelegt ist.<br />

Divisor bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r durchschnittlichen Aufnahmegebühr ist die Zahl <strong>de</strong>r Personen, die in <strong>de</strong>m<br />

Veranlagungszeitraum auf Dauer neu in <strong>de</strong>n Verein aufgenommen wor<strong>de</strong>n sind. Bei <strong>de</strong>n Berechnungen sind<br />

grundsätzlich auch die för<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r passiven, jugendlichen und auswärtigen Mitglie<strong>de</strong>r zu berücksichtigen.<br />

Unter auswärtigen Mitglie<strong>de</strong>rn sind regelmäßig Mitglie<strong>de</strong>r zu verstehen, die ihren Wohnsitz außerhalb <strong>de</strong>s<br />

Einzugsgebiets <strong>de</strong>s Vereins haben und/o<strong>de</strong>r bereits or<strong>de</strong>ntliches Mitglied in einem gleichartigen an<strong>de</strong>ren<br />

Sportverein sind und die <strong>de</strong>shalb keine o<strong>de</strong>r geringere Mitgliedsbeiträge o<strong>de</strong>r Aufnahmegebühren zu zahlen<br />

haben. Nicht zu erfassen sind juristische Personen o<strong>de</strong>r Firmen in an<strong>de</strong>rer Rechtsform sowie die natürlichen<br />

Personen, die infolge <strong>de</strong>r Mitgliedschaft dieser Organisationen Zugang zu <strong>de</strong>m Verein haben.<br />

Die nicht aktiven Mitglie<strong>de</strong>r sind nicht zu berücksichtigen, wenn <strong>de</strong>r Verein ihre Einbeziehung in die<br />

Durchschnittsberechnung missbräuchlich ausnutzt. Dies ist z. B. anzunehmen, wenn die Zahl <strong>de</strong>r nicht aktiven<br />

Mitglie<strong>de</strong>r ungewöhnlich hoch ist o<strong>de</strong>r festgestellt wird, dass im Hinblick auf die Durchschnittsberechnung<br />

gezielt nicht aktive Mitglie<strong>de</strong>r beitragsfrei o<strong>de</strong>r gegen geringe Beiträge aufgenommen wor<strong>de</strong>n sind.<br />

Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für die Einbeziehung auswärtiger Mitglie<strong>de</strong>r in die Durchschnittsberechnung.<br />

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2. Bei § 52 Abs. 2 han<strong>de</strong>lt es sich grundsätzlich um eine abschließen<strong>de</strong> Aufzählung gemeinnütziger Zwecke.<br />

Die Allgemeinheit kann allerdings auch durch die Verfolgung von Zwecken, die hinsichtlich <strong>de</strong>r Merkmale, die<br />

ihre steuerrechtliche För<strong>de</strong>rung rechtfertigen, mit <strong>de</strong>n in § 52 Abs. 2 aufgeführten Zwecken i<strong>de</strong>ntisch sind,<br />

geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

2.1 Jugendliche i. S. d. § 52 Abs. 2 Nr. 4 bzw. <strong>de</strong>s § 68 Nr. 1 Buchstabe b sind alle Personen vor Vollendung<br />

<strong>de</strong>s 27. Lebensjahres.<br />

2.2 Die För<strong>de</strong>rung von Kunst und Kultur umfasst die Bereiche <strong>de</strong>r Musik, <strong>de</strong>r Literatur, <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n und<br />

bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kunst und schließt die För<strong>de</strong>rung von kulturellen Einrichtungen, wie Theater und Museen, sowie von<br />

kulturellen Veranstaltungen, wie Konzerte und Kunstausstellungen, ein. Zur För<strong>de</strong>rung von Kunst und Kultur<br />

gehört auch die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Pflege und Erhaltung von Kulturwerten. Kulturwerte sind Gegenstän<strong>de</strong> von<br />

künstlerischer und sonstiger kultureller Be<strong>de</strong>utung, Kunstsammlungen und künstlerische Nachlässe,<br />

Bibliotheken, Archive sowie an<strong>de</strong>re vergleichbare Einrichtungen.<br />

2.3 Die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Denkmalpflege bezieht sich auf die Erhaltung und Wie<strong>de</strong>rherstellung von Bau- und<br />

Bo<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nkmälern, die nach <strong>de</strong>n jeweiligen lan<strong>de</strong>srechtlichen Vorschriften anerkannt sind. Die Anerkennung ist<br />

durch eine Bescheinigung <strong>de</strong>r zuständigen Stelle nachzuweisen.<br />

2.4 Zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s An<strong>de</strong>nkens an Verfolgte, Kriegs- und Katastrophenopfer gehört auch die Errichtung von<br />

Ehrenmalen und Ge<strong>de</strong>nkstätten.<br />

Zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Tier- bzw. Pflanzenzucht gehört auch die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Erhaltung vom Aussterben bedrohter<br />

Nutztierrassen und Nutzpflanzen.<br />

Die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Einsatzes für nationale Min<strong>de</strong>rheiten im Sinne <strong>de</strong>s durch Deutschland ratifizierten<br />

Rahmenabkommens zum Schutz nationaler Min<strong>de</strong>rheiten und die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Einsatzes für die gemäß <strong>de</strong>r von<br />

Deutschland ratifizierten Charta <strong>de</strong>r Regional- und Min<strong>de</strong>rheitensprachen geschützten Sprachen sind – je nach<br />

Betätigung im Einzelnen – För<strong>de</strong>rung von Kunst und Kultur, För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Heimatpflege und Heimatkun<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s traditionellen Brauchtums. Bei <strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>r Charta geschützten Sprachen han<strong>de</strong>lt es sich um<br />

die Regionalsprache Nie<strong>de</strong>r<strong>de</strong>utsch sowie die Min<strong>de</strong>rheitensprachen Dänisch, Friesisch, Sorbisch und das<br />

Romanes <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sinti und Roma.<br />

2.5 Unter <strong>de</strong>m Begriff „bürgerschaftliches Engagement“ versteht man eine freiwillige, nicht auf das Erzielen<br />

eines persönlichen materiellen Gewinns gerichtete, auf die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Allgemeinheit hin orientierte,<br />

kooperative Tätigkeit. Die Anerkennung <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s bürgerschaftlichen Engagements zugunsten<br />

gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke dient <strong>de</strong>r Hervorhebung <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung, die ehrenamtlicher<br />

Einsatz für unsere Gesellschaft hat. Eine Erweiterung <strong>de</strong>r gemeinnützigen Zwecke ist damit nicht verbun<strong>de</strong>n.<br />

2.6 Durch § 52 Abs. 2 Satz 2 wird die Möglichkeit eröffnet, Zwecke auch dann als gemeinnützig anzuerkennen,<br />

wenn diese nicht unter <strong>de</strong>n Katalog <strong>de</strong>s § 52 Abs. 2 Satz 1 fallen. Die Anerkennung <strong>de</strong>r Gemeinnützigkeit<br />

solcher gesellschaftlicher Zwecke wird bun<strong>de</strong>seinheitlich abgestimmt.<br />

3. Internetvereine können wegen För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Volksbildung als gemeinnützig anerkannt wer<strong>de</strong>n, sofern ihr<br />

Zweck nicht <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r (privat betriebenen) Datenkommunikation durch Zurverfügungstellung von<br />

Zugängen zu Kommunikationsnetzwerken sowie durch <strong>de</strong>n Aufbau, die För<strong>de</strong>rung und <strong>de</strong>n Unterhalt<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Netze <strong>zur</strong> privaten und geschäftlichen Nutzung durch die Mitglie<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Personen dient.<br />

Freiwilligenagenturen können regelmäßig wegen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bildung (§ 52 Abs. 2 Nr. 7) als<br />

gemeinnützig behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, weil das Schwergewicht ihrer Tätigkeit in <strong>de</strong>r Aus- und Weiterbildung <strong>de</strong>r<br />

Freiwilligen liegt (BMF-Schreiben vom 15.9.2003, BStBl. I, S. 446).<br />

4. Bei Körperschaften, die Privatschulen betreiben o<strong>de</strong>r unterstützen, ist zwischen Ersatzschulen und<br />

Ergänzungsschulen zu unterschei<strong>de</strong>n. Die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Allgemeinheit ist bei Ersatzschulen stets anzunehmen,<br />

weil die zuständigen Lan<strong>de</strong>sbehör<strong>de</strong>n die Errichtung und <strong>de</strong>n Betrieb einer Ersatzschule nur dann genehmigen<br />

dürfen, wenn eine Son<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Schüler nach <strong>de</strong>n Besitzverhältnissen <strong>de</strong>r Eltern nicht geför<strong>de</strong>rt wird (Art. 7<br />

Abs. 4 Satz 3 GG und die Privatschulgesetze <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r). Bei Ergänzungsschulen kann eine För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Allgemeinheit dann angenommen wer<strong>de</strong>n, wenn in <strong>de</strong>r Satzung <strong>de</strong>r Körperschaft festgelegt ist, dass bei<br />

min<strong>de</strong>stens 25 v. H. <strong>de</strong>r Schüler keine Son<strong>de</strong>rung nach <strong>de</strong>n Besitzverhältnissen <strong>de</strong>r Eltern i. S. d. Art. 7 Abs. 4<br />

Satz 3 GG und <strong>de</strong>r Privatschulgesetze <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r vorgenommen wer<strong>de</strong>n darf.<br />

5. Nachbarschaftshilfevereine, Tauschringe und ähnliche Körperschaften, <strong>de</strong>ren Mitglie<strong>de</strong>r kleinere<br />

Dienstleistungen verschie<strong>de</strong>nster Art gegenüber an<strong>de</strong>ren Vereinsmitglie<strong>de</strong>rn erbringen (z. B. kleinere<br />

Reparaturen, Hausputz, Kochen, Kin<strong>de</strong>rbetreuung, Nachhilfeunterricht, häusliche Pflege) sind grundsätzlich<br />

nicht gemeinnützig, weil regelmäßig durch die gegenseitige Unterstützung in erster Linie eigenwirtschaftliche<br />

Interessen ihrer Mitglie<strong>de</strong>r geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n und damit gegen <strong>de</strong>n Grundsatz <strong>de</strong>r Selbstlosigkeit (§ 55 Abs. 1)<br />

verstoßen wird. Solche Körperschaften können jedoch gemeinnützig sein, wenn sich ihre Tätigkeit darauf<br />

beschränkt, alte und hilfsbedürftige Menschen in Verrichtungen <strong>de</strong>s täglichen Lebens zu unterstützen und damit<br />

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die Altenhilfe geför<strong>de</strong>rt bzw. mildtätige Zwecke (§ 53) verfolgt wer<strong>de</strong>n. Soweit sich <strong>de</strong>r Zweck <strong>de</strong>r<br />

Körperschaften zusätzlich auf die Erteilung von Nachhilfeunterricht und Kin<strong>de</strong>rbetreuung erstreckt, können sie<br />

auch wegen För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Jugendhilfe anerkannt wer<strong>de</strong>n. Voraussetzung für die Anerkennung <strong>de</strong>r<br />

Gemeinnützigkeit solcher Körperschaften ist, dass die aktiven Mitglie<strong>de</strong>r ihre Dienstleistungen als Hilfspersonen<br />

<strong>de</strong>r Körperschaft (§ 57 Abs. 1 Satz 2) ausüben.<br />

Vereine, <strong>de</strong>ren Zweck die För<strong>de</strong>rung esoterischer Heilslehren ist, z. B. Reiki-Vereine, können nicht wegen<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s öffentlichen Gesundheitswesens o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r öffentlichen Gesundheitspflege als gemeinnützig<br />

anerkannt wer<strong>de</strong>n.<br />

6. Ein wesentliches Element <strong>de</strong>s Sports (§ 52 Abs. 2 Nr. 21) ist die körperliche Ertüchtigung. Motorsport fällt<br />

unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Sports (BFH-Urteil vom 29.10.1997 – I R 13/97 – BStBl. 1998 II, S. 9), ebenso<br />

Ballonfahren. Dagegen sind Skat (BFH-Urteil vom 17.2.2000 – I R 108, 109/98 – BFH/NV S. 1071), Bridge,<br />

Gospiel, Gotcha, Paintball und Tipp-Kick kein Sport i. S. d. Gemeinnützigkeitsrechts. Dies gilt auch für<br />

Amateurfunk, Mo<strong>de</strong>llflug und Hun<strong>de</strong>sport, die jedoch eigenständige gemeinnützige Zwecke sind (§ 52 Abs. 2<br />

Nr. 23). Schützenvereine können auch dann als gemeinnützig anerkannt wer<strong>de</strong>n, wenn sie nach ihrer Satzung<br />

neben <strong>de</strong>m Schießsport (als Hauptzweck) auch das Schützenbrauchtum (vgl. Nr. 11) för<strong>de</strong>rn. Die Durchführung<br />

von volksfestartigen Schützenfesten ist kein gemeinnütziger Zweck.<br />

7. Die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s bezahlten Sports ist kein gemeinnütziger Zweck, weil dadurch eigenwirtschaftliche<br />

Zwecke <strong>de</strong>r bezahlten Sportler geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Sie ist aber unter bestimmten Voraussetzungen unschädlich für<br />

die Gemeinnützigkeit eines Sportvereins (s. §§ 58 Nr. 9 und 67a).<br />

8. Eine steuerbegünstigte allgemeine För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>mokratischen Staatswesens ist nur dann gegeben, wenn<br />

sich die Körperschaft umfassend mit <strong>de</strong>n <strong>de</strong>mokratischen Grundprinzipien befasst und diese objektiv und neutral<br />

würdigt. Ist hingegen Zweck <strong>de</strong>r Körperschaft die politische Bildung, <strong>de</strong>r es auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Normen und<br />

Vorstellungen einer rechtsstaatlichen Demokratie um die Schaffung und För<strong>de</strong>rung politischer<br />

Wahrnehmungsfähigkeit und politischen Verantwortungsbewusstseins geht, liegt Volksbildung vor. Diese muss<br />

nicht nur in theoretischer Unterweisung bestehen, sie kann auch durch <strong>de</strong>n Aufruf zu konkreter Handlung<br />

ergänzt wer<strong>de</strong>n. Keine politische Bildung ist <strong>de</strong>mgegenüber die einseitige Agitation, die unkritische<br />

Indoktrination o<strong>de</strong>r die parteipolitisch motivierte Einflussnahme (BFH-Urteil vom 23.9.1999 – XI R 63/98 –<br />

BStBl. 2000 II, S. 200).<br />

9. Die För<strong>de</strong>rung von Freizeitaktivitäten außerhalb <strong>de</strong>s Bereichs <strong>de</strong>s Sports ist nur dann als För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Allgemeinheit anzuerkennen, wenn die Freizeitaktivitäten hinsichtlich <strong>de</strong>r Merkmale, die ihre steuerrechtliche<br />

För<strong>de</strong>rung rechtfertigen, mit <strong>de</strong>n im Katalog <strong>de</strong>s § 52 Abs. 2 Nr. 23 genannten Freizeitgestaltungen i<strong>de</strong>ntisch<br />

sind. Es reicht nicht aus, dass die Freizeitgestaltung sinnvoll und einer <strong>de</strong>r in § 52 Abs. 2 Nr. 23 genannten<br />

ähnlich ist (BFH-Urteil vom 14.9.1994 – I R 153/93 – BStBl. 1995 II, S. 499). Die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Baus und<br />

Betriebs von Schiffs-, Auto-, Eisenbahn- und Drachenflugmo<strong>de</strong>llen ist i<strong>de</strong>ntisch im vorstehen<strong>de</strong>n Sinne mit <strong>de</strong>r<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>llflugs, die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s CB-Funkens mit <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Amateurfunkens. Diese<br />

Zwecke sind <strong>de</strong>shalb als gemeinnützig anzuerkennen. Nicht i<strong>de</strong>ntisch im vorstehen<strong>de</strong>n Sinne mit <strong>de</strong>n in § 52<br />

Abs. 2 Nr. 23 genannten Freizeitaktivitäten und <strong>de</strong>shalb nicht als eigenständige gemeinnützige Zwecke<br />

anzuerkennen sind z. B. die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Amateurfilmens und -fotografierens, <strong>de</strong>s Kochens, von Brett- und<br />

Kartenspielen und <strong>de</strong>s Sammelns von Gegenstän<strong>de</strong>n, wie Briefmarken, Münzen und Autogrammkarten, sowie<br />

die Tätigkeit von Reise- und Touristik-, Sauna-, Geselligkeits-, Kosmetik-, und Oldtimer-Vereinen. Bei<br />

Vereinen, die das Amateurfilmen und -fotografieren för<strong>de</strong>rn, und bei Oldtimer-Vereinen kann aber eine<br />

Steuerbegünstigung wegen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung von Kunst o<strong>de</strong>r (technischer) Kultur in Betracht kommen.<br />

10. Obst- und Gartenbauvereine för<strong>de</strong>rn i. d. R. die Pflanzenzucht im Sinne <strong>de</strong>s § 52 Abs. 2 Nr. 23. Die<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bonsaikunst ist Pflanzenzucht, die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Aquarien- und Terrarienkun<strong>de</strong> ist Tierzucht im<br />

Sinne <strong>de</strong>r Vorschrift.<br />

11. Historische Schützenbru<strong>de</strong>rschaften können wegen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Brauchtumspflege (vgl. Nr. 6),<br />

Freizeitwinzervereine wegen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Heimatpflege, die Teil <strong>de</strong>r Brauchtumspflege ist, als<br />

gemeinnützig behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Dies gilt auch für Junggesellen- und Burschenvereine, die das traditionelle<br />

Brauchtum einer bestimmten Region för<strong>de</strong>rn, z. B. durch das Setzen von Maibäumen (Maiclubs). Die beson<strong>de</strong>re<br />

Nennung <strong>de</strong>s traditionellen Brauchtums als gemeinnütziger Zweck in § 52 Abs. 2 Nr. 23 be<strong>de</strong>utet jedoch keine<br />

allgemeine Ausweitung <strong>de</strong>s Brauchtumsbegriffs i. S. <strong>de</strong>s Gemeinnützigkeitsrechts. Stu<strong>de</strong>ntische Verbindungen,<br />

z. B. Burschenschaften, ähnliche Vereinigungen, z. B. Landjugendvereine, Country- und Westernvereine und<br />

Vereine, <strong>de</strong>ren Hauptzweck die Veranstaltung von örtlichen Volksfesten (z. B. Kirmes, Kärwa, Schützenfest) ist,<br />

sind <strong>de</strong>shalb i. d. R. nach wie vor nicht gemeinnützig.<br />

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12. Bei Tier- und Pflanzenzuchtvereinen, Freizeitwinzervereinen sowie Junggesellen- o<strong>de</strong>r Burschenvereinen ist<br />

beson<strong>de</strong>rs auf die Selbstlosigkeit (§ 55) und die Ausschließlichkeit (§ 56) zu achten. Eine Körperschaft ist z. B.<br />

nicht selbstlos tätig, wenn sie in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke ihrer Mitglie<strong>de</strong>r för<strong>de</strong>rt. Sie verstößt<br />

z. B. gegen das Gebot <strong>de</strong>r Ausschließlichkeit, wenn die Durchführung von Festveranstaltungen (z. B.<br />

Winzerfest, Maiball) Satzungszweck ist. Bei <strong>de</strong>r Prüfung <strong>de</strong>r tatsächlichen Geschäftsführung von Freizeitwinzer-<br />

, Junggesellen- und Burschenvereinen ist außer<strong>de</strong>m beson<strong>de</strong>rs darauf zu achten, dass die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Geselligkeit nicht im Vor<strong>de</strong>rgrund <strong>de</strong>r Vereinstätigkeit steht.<br />

13. Soldaten- und Reservistenvereine verfolgen i. d. R. gemeinnützige Zwecke i. S. d. § 52 Abs. 2 Nr. 23, wenn<br />

sie aktive und ehemalige Wehrdienstleisten<strong>de</strong>, Zeit- und Berufssoldaten betreuen, z. B. über mit <strong>de</strong>m Soldatsein<br />

zusammenhängen<strong>de</strong> Fragen beraten, Möglichkeiten zu sinnvoller Freizeitgestaltung bieten o<strong>de</strong>r beim Übergang<br />

in das Zivilleben helfen. Die Pflege <strong>de</strong>r Tradition durch Soldaten- und Reservistenvereine ist we<strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigte Brauchtumspflege noch Betreuung von Soldaten und Reservisten i. S. d. § 52 Abs. 2 Nr. 23.<br />

Die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kameradschaft kann neben einem steuerbegünstigten Zweck als Vereinszweck genannt<br />

wer<strong>de</strong>n, wenn sich aus <strong>de</strong>r Satzung ergibt, dass damit lediglich eine Verbun<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Vereinsmitglie<strong>de</strong>r<br />

angestrebt wird, die aus <strong>de</strong>r gemeinnützigen Vereinstätigkeit folgt (BFH-Urteil vom 11.3.1999 – V R 57, 58/96 –<br />

BStBl. II, S. 331).<br />

14. Einrichtungen, die mit ihrer Tätigkeit auf die Erholung arbeiten<strong>de</strong>r Menschen ausgerichtet sind (z. B. <strong>de</strong>r<br />

Betrieb von Freizeiteinrichtungen wie Campingplätze o<strong>de</strong>r Bootsverleihe), können nicht als gemeinnützig<br />

anerkannt wer<strong>de</strong>n, es sei <strong>de</strong>nn, dass das Gewähren von Erholung einem beson<strong>de</strong>rs schutzwürdigen Personenkreis<br />

(z. B. Kranken o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Jugend) zugute kommt o<strong>de</strong>r in einer bestimmten Art und Weise (z. B. auf sportlicher<br />

Grundlage) vorgenommen wird (BFH-Urteile vom 22.11.1972 – I R 21/71 – BStBl. 1973 II, S. 251, und vom<br />

30.9.1981 – III R 2/80 – BStBl. 1982 II, S. 148). Wegen Erholungsheimen wird auf § 68 Nr. 1 Buchstabe a<br />

hingewiesen.<br />

15. Politische Zwecke (Beeinflussung <strong>de</strong>r politischen Meinungsbildung, För<strong>de</strong>rung politischer Parteien u.<br />

<strong>de</strong>rgl.) zählen grundsätzlich nicht zu <strong>de</strong>n gemeinnützigen Zwecken i. S. d. § 52.<br />

Eine gewisse Beeinflussung <strong>de</strong>r politischen Meinungsbildung schließt jedoch die Gemeinnützigkeit nicht aus<br />

(BFH-Urteil vom 29.8.1984 – I R 203/81 – BStBl. II, S. 844). Eine politische Tätigkeit ist danach unschädlich<br />

für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit nach <strong>de</strong>n Verhältnissen im Einzelfall zwangsläufig<br />

mit einer politischen Zielsetzung verbun<strong>de</strong>n ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und<br />

die staatliche Willensbildung gegenüber <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s gemeinnützigen Zwecks weit in <strong>de</strong>n Hintergrund<br />

tritt. Eine Körperschaft för<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>shalb auch dann ausschließlich ihren steuerbegünstigten Zweck, wenn sie<br />

gelegentlich zu tagespolitischen Themen im Rahmen ihres Satzungszwecks Stellung nimmt. Entschei<strong>de</strong>nd ist,<br />

dass die Tagespolitik nicht Mittelpunkt <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>r Körperschaft ist o<strong>de</strong>r wird, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Vermittlung <strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigten Ziele <strong>de</strong>r Körperschaft dient (BFH-Urteil vom 23.11.1988 – I R 11/88 – BStBl. 1989 II,<br />

S. 391).<br />

Dagegen ist die Gemeinnützigkeit zu versagen, wenn ein politischer Zweck als alleiniger o<strong>de</strong>r überwiegen<strong>de</strong>r<br />

Zweck in <strong>de</strong>r Satzung einer Körperschaft festgelegt ist o<strong>de</strong>r die Körperschaft tatsächlich ausschließlich o<strong>de</strong>r<br />

überwiegend einen politischen Zweck verfolgt.<br />

Zu § 53 – Mildtätige Zwecke:<br />

1. Der Begriff „mildtätige Zwecke“ umfasst auch die Unterstützung von Personen, die wegen ihres seelischen<br />

Zustands hilfsbedürftig sind. Das hat beispielsweise für die Telefonseelsorge Be<strong>de</strong>utung.<br />

2. Völlige Unentgeltlichkeit <strong>de</strong>r mildtätigen Zuwendung wird nicht verlangt. Die mildtätige Zuwendung darf<br />

nur nicht <strong>de</strong>s Entgelts wegen erfolgen.<br />

3. Eine Körperschaft, zu <strong>de</strong>ren Satzungszwecken die Unterstützung von hilfsbedürftigen Verwandten <strong>de</strong>r<br />

Mitglie<strong>de</strong>r, Gesellschafter, Genossen o<strong>de</strong>r Stifter gehört, kann nicht als steuerbegünstigt anerkannt wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei einer <strong>de</strong>rartigen Körperschaft steht nicht die För<strong>de</strong>rung mildtätiger Zwecke, son<strong>de</strong>rn die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Verwandtschaft im Vor<strong>de</strong>rgrund. Ihre Tätigkeit ist <strong>de</strong>shalb nicht, wie es § 53 verlangt, auf die selbstlose<br />

Unterstützung hilfsbedürftiger Personen gerichtet. Dem steht bei Stiftungen § 58 Nr. 5 nicht entgegen. Diese<br />

Vorschrift ist lediglich eine Ausnahme von <strong>de</strong>m Gebot <strong>de</strong>r Selbstlosigkeit (§ 55), begrün<strong>de</strong>t aber keinen<br />

eigenständigen gemeinnützigen Zweck. Bei <strong>de</strong>r tatsächlichen Geschäftsführung ist die Unterstützung von<br />

hilfsbedürftigen Angehörigen grundsätzlich nicht schädlich für die Steuerbegünstigung. Die Verwandtschaft<br />

darf jedoch kein Kriterium für die För<strong>de</strong>rleistungen <strong>de</strong>r Körperschaft sein.<br />

4. Hilfen nach § 53 Nr. 1 (Unterstützung von Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen o<strong>de</strong>r seelischen<br />

Zustands auf die Hilfe an<strong>de</strong>rer angewiesen sind) dürfen ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche<br />

Unterstützungsbedürftigkeit gewährt wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Bedürftigkeit i. S. d. § 53 Nr. 1 kommt<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 35 von 235


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es nicht darauf an, dass die Hilfsbedürftigkeit dauernd o<strong>de</strong>r für längere Zeit besteht. Hilfeleistungen wie<br />

beispielsweise „Essen auf Rä<strong>de</strong>rn“ können daher steuerbegünstigt durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Bei Personen, die<br />

das 75. Lebensjahr vollen<strong>de</strong>t haben, kann körperliche Hilfsbedürftigkeit ohne weitere Nachprüfung<br />

angenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

5. § 53 Nr. 2 legt die Grenzen <strong>de</strong>r wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit fest. Danach können ohne Verlust <strong>de</strong>r<br />

Steuerbegünstigung Personen unterstützt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Bezüge das Vierfache, beim Alleinstehen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

Haushaltsvorstand das Fünffache <strong>de</strong>s Regelsatzes <strong>de</strong>r Sozialhilfe i. S. d. § 28 SGB XII nicht übersteigen.<br />

Etwaige Mehrbedarfszuschläge zum Regelsatz sind nicht zu berücksichtigen. Leistungen für die Unterkunft<br />

wer<strong>de</strong>n nicht geson<strong>de</strong>rt berücksichtigt. Für die Begriffe „Einkünfte“ und „Bezüge“ sind die Ausführungen in<br />

H 33a.1 und H 33a.2 (Anrechnung eigener Einkünfte und Bezüge) EStH sowie in H 32.10 (Anrechnung<br />

eigener Bezüge) EStH maßgeblich.<br />

6. Zu <strong>de</strong>n Bezügen i. S. d. § 53 Nr. 2 zählen neben <strong>de</strong>n Einkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG auch alle an<strong>de</strong>ren<br />

für die Bestreitung <strong>de</strong>s Unterhalts bestimmten o<strong>de</strong>r geeigneten Bezüge aller Haushaltsangehörigen. Hierunter<br />

fallen auch solche Einnahmen, die im Rahmen <strong>de</strong>r steuerlichen Einkunftsermittlung nicht erfasst wer<strong>de</strong>n,<br />

also sowohl nicht steuerbare als auch für steuerfrei erklärte Einnahmen (BFH-Urteil vom 2.8.1974 –<br />

VI R 148/71 – BStBl. 1975 II, S. 139).<br />

Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit von unverheirateten min<strong>de</strong>rjährigen Schwangeren<br />

und min<strong>de</strong>rjährigen Müttern, die ihr leibliches Kind bis <strong>zur</strong> Vollendung seines 6. Lebensjahres betreuen, und<br />

die <strong>de</strong>m Haushalt ihrer Eltern o<strong>de</strong>r eines Elternteils angehören, sind die Bezüge und das Vermögen <strong>de</strong>r Eltern<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Elternteils nicht zu berücksichtigen. Bei allen Schwangeren o<strong>de</strong>r Müttern, die ihr leibliches Kind bis<br />

<strong>zur</strong> Vollendung seines 6. Lebensjahres betreuen – einschließlich <strong>de</strong>r volljährigen, verheirateten und nicht bei<br />

ihren Eltern leben<strong>de</strong>n Frauen – bleiben ihre Unterhaltsansprüche gegen Verwandte ersten Gra<strong>de</strong>s<br />

unberücksichtigt.<br />

7. Bei Renten zählt <strong>de</strong>r über <strong>de</strong>n von § 53 Nr. 2 Buchstabe a erfassten Anteil hinausgehen<strong>de</strong> Teil <strong>de</strong>r Rente zu<br />

<strong>de</strong>n Bezügen im Sinne <strong>de</strong>s § 53 Nr. 2 Buchstabe b.<br />

8. Bei <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r Bezüge i. S. d. § 53 Nr. 2 Buchstabe b sind aus Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n insgesamt<br />

180 € im Kalen<strong>de</strong>rjahr abzuziehen, wenn nicht höhere Aufwendungen, die in wirtschaftlichem<br />

Zusammenhang mit <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Einnahmen stehen, nachgewiesen o<strong>de</strong>r glaubhaft gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

9. Als Vermögen, das <strong>zur</strong> nachhaltigen Verbesserung <strong>de</strong>s Unterhalts ausreicht und <strong>de</strong>ssen Verwendung für <strong>de</strong>n<br />

Unterhalt zugemutet wer<strong>de</strong>n kann (§ 53 Nr. 2 Satz 2), ist i. d. R. ein Vermögen mit einem gemeinen Wert<br />

(Verkehrswert) von mehr als 15 500 € anzusehen. Dabei bleiben außer Ansatz:<br />

– Vermögensgegenstän<strong>de</strong>, <strong>de</strong>ren Veräußerung offensichtlich eine Verschleu<strong>de</strong>rung be<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r<br />

die einen beson<strong>de</strong>ren Wert, z. B. Erinnerungswert, für die unterstützte Person haben o<strong>de</strong>r zu seinem<br />

Hausrat gehören,<br />

– ein angemessenes Hausgrundstück i. S. d. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII, das die unterstützte Person allein<br />

o<strong>de</strong>r zusammen mit Angehörigen, <strong>de</strong>nen es nach <strong>de</strong>m Tod <strong>de</strong>r unterstützten Person weiter als Wohnraum<br />

dienen soll, bewohnt.<br />

Die Grenze bezieht sich auch bei einem Mehrpersonenhaushalt auf je<strong>de</strong> unterstützte Person. H 33a.1<br />

(Geringes Vermögen – „Schonvermögen“) EStH 2010 gilt entsprechend.<br />

10. Erbringt eine Körperschaft ihre Leistungen an wirtschaftlich hilfsbedürftige Personen, muss sie anhand ihrer<br />

Unterlagen nachweisen können, dass die Höhe <strong>de</strong>r Einkünfte und Bezüge sowie das Vermögen <strong>de</strong>r<br />

unterstützten Personen die Grenzen <strong>de</strong>s § 53 Nr. 2 nicht übersteigen. Eine Erklärung, in <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r<br />

unterstützten Person nur das Unterschreiten <strong>de</strong>r Grenzen <strong>de</strong>s § 53 Nr. 2 mitgeteilt wird, reicht allein nicht<br />

aus. Eine Berechnung <strong>de</strong>r maßgeblichen Einkünfte und Bezüge sowie eine Berechnung <strong>de</strong>s Vermögens sind<br />

stets beizufügen.<br />

11. Steuerbegünstigte Körperschaften, die mildtätige Zwecke nach § 53 Nr. 2 verfolgen, müssen nachweisen,<br />

dass ihre Leistungen tatsächlich an wirtschaftlich hilfsbedürftige Personen i. S. d. § 53 Nr. 2 erbracht wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Nachweis ist nach Nr. 10 <strong>de</strong>r Regelung zu § 53 in Form einer Berechnung <strong>de</strong>r maßgeblichen Einkünfte<br />

und Bezüge sowie einer Berechnung <strong>de</strong>s Vermögens zu erbringen.<br />

Aus Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n kann auf diesen Nachweis dann verzichtet wer<strong>de</strong>n, wenn die<br />

Leistungsempfänger Leistungen nach <strong>de</strong>m SGB II o<strong>de</strong>r SGB XII beziehen. Bei Beantragung dieser<br />

Sozialleistungen prüft die Sozialbehör<strong>de</strong> sowohl die Vermögens- als auch die Einkommensverhältnisse <strong>de</strong>r<br />

antragstellen<strong>de</strong>n Personen. Verfügen sie über ausreichend finanzielle Mittel (Einkommen o<strong>de</strong>r<br />

einzusetzen<strong>de</strong>s Vermögen), dann wer<strong>de</strong>n die beantragten Leistungen nicht bewilligt.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 36 von 235


Es ist also ausreichend, wenn Empfänger von Leistungen nach <strong>de</strong>m SGB II o<strong>de</strong>r SGB XII ihren für <strong>de</strong>n<br />

Empfangszeitraum maßgeblichen Leistungsbescheid o<strong>de</strong>r eine Bescheinigung <strong>de</strong>s Sozialleistungsträgers über<br />

<strong>de</strong>n Leistungsbezug bei <strong>de</strong>r Körperschaft einreichen. Die Körperschaft hat eine Ablichtung <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bestätigung aufzubewahren.<br />

Zu § 54 – Kirchliche Zwecke:<br />

Ein kirchlicher Zweck liegt nur vor, wenn die Tätigkeit darauf gerichtet ist, eine Religionsgemeinschaft <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Rechts zu för<strong>de</strong>rn. Bei Religionsgemeinschaften, die nicht Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />

sind, kann wegen För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Religion eine Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft in Betracht<br />

kommen.<br />

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Zu § 55 – Selbstlosigkeit:<br />

Zu § 55 Abs. 1 Nr. 1:<br />

1. Eine Körperschaft han<strong>de</strong>lt selbstlos, wenn sie we<strong>de</strong>r selbst noch zugunsten ihrer Mitglie<strong>de</strong>r<br />

eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. Ist die Tätigkeit einer Körperschaft in erster Linie auf Mehrung<br />

ihres eigenen Vermögens gerichtet, so han<strong>de</strong>lt sie nicht selbstlos. Eine Körperschaft verfolgt z. B. in<br />

erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke, wenn sie ausschließlich durch Darlehen ihrer<br />

Gründungsmitglie<strong>de</strong>r finanziert ist und dieses Fremdkapital satzungsgemäß tilgen und verzinsen muss<br />

(BFH-Urteile vom 13.12.1978 – I R 39/78 – BStBl. 1979 II, S. 482, vom 26.4.1989 – I R 209/85 –<br />

BStBl. II, S. 670 und vom 28.6.1989 – I R 86/85 – BStBl. 1990 II, S. 550).<br />

2. Nach § 55 Abs. 1 dürfen sämtliche Mittel <strong>de</strong>r Körperschaft nur für die satzungsmäßigen Zwecke<br />

verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n (Ausnahmen siehe § 58). Auch <strong>de</strong>r Gewinn aus Zweckbetrieben und aus <strong>de</strong>m<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64 Abs. 2) sowie <strong>de</strong>r Überschuss aus <strong>de</strong>r<br />

Vermögensverwaltung dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Dies schließt die<br />

Bildung von Rücklagen im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und im Bereich <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung<br />

nicht aus. Die Rücklagen müssen bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begrün<strong>de</strong>t<br />

sein (entsprechend § 14 Abs. 1 Nr. 4 KStG). Für die Bildung einer Rücklage im wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb muss ein konkreter Anlass gegeben sein, <strong>de</strong>r auch aus objektiver unternehmerischer<br />

Sicht die Bildung <strong>de</strong>r Rücklage rechtfertigt (z. B. eine geplante Betriebsverlegung, Werkserneuerung<br />

o<strong>de</strong>r Kapazitätsausweitung). Eine fast vollständige Zuführung <strong>de</strong>s Gewinns zu einer Rücklage im<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist nur dann unschädlich für die Steuerbegünstigung, wenn die<br />

Körperschaft nachweist, dass die betriebliche Mittelverwendung <strong>zur</strong> Sicherung ihrer Existenz geboten<br />

war (BFH-Urteil vom 15.7.1998 – I R 156/94 – BStBl. 2002 II, S. 162). Im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Vermögensverwaltung dürfen außerhalb <strong>de</strong>r Regelung <strong>de</strong>s § 58 Nr. 7 Rücklagen nur für die<br />

Durchführung konkreter Reparatur- o<strong>de</strong>r Erhaltungsmaßnahmen an Vermögensgegenstän<strong>de</strong>n im Sinne<br />

<strong>de</strong>s § 21 EStG gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Die Maßnahmen, für <strong>de</strong>ren Durchführung die Rücklage gebil<strong>de</strong>t wird,<br />

müssen notwendig sein, um <strong>de</strong>n ordnungsgemäßen Zustand <strong>de</strong>s Vermögensgegenstan<strong>de</strong>s zu erhalten o<strong>de</strong>r<br />

wie<strong>de</strong>rherzustellen, und in einem angemessenen Zeitraum durchgeführt wer<strong>de</strong>n können (z. B. geplante<br />

Erneuerung eines undichten Daches).<br />

3. Es ist grundsätzlich nicht zulässig, Mittel <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs (insbeson<strong>de</strong>re Mitgliedsbeiträge,<br />

Spen<strong>de</strong>n, Zuschüsse, Rücklagen), Gewinne aus Zweckbetrieben, Erträge aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung<br />

und das entsprechen<strong>de</strong> Vermögen für einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu<br />

verwen<strong>de</strong>n, z. B. zum Ausgleich eines Verlustes. Für das Vorliegen eines Verlustes ist das Ergebnis <strong>de</strong>s<br />

einheitlichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 64 Abs. 2) maßgeblich. Eine<br />

Verwendung von Mitteln <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs für <strong>de</strong>n Ausgleich <strong>de</strong>s Verlustes eines einzelnen<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs liegt <strong>de</strong>shalb nicht vor, soweit <strong>de</strong>r Verlust bereits im Entstehungsjahr<br />

mit Gewinnen an<strong>de</strong>rer steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe verrechnet wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Verbleibt danach ein Verlust, ist keine Verwendung von Mitteln <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs für <strong>de</strong>ssen<br />

Ausgleich anzunehmen, wenn <strong>de</strong>m i<strong>de</strong>ellen Bereich in <strong>de</strong>n sechs vorangegangenen Jahren Gewinne <strong>de</strong>s<br />

einheitlichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs in min<strong>de</strong>stens gleicher Höhe zugeführt<br />

wor<strong>de</strong>n sind. Insoweit ist <strong>de</strong>r Verlustausgleich im Entstehungsjahr als Rückgabe früherer, durch das<br />

Gemeinnützigkeitsrecht vorgeschriebener Gewinnabführungen anzusehen.<br />

4. Ein nach ertragsteuerlichen Grundsätzen ermittelter Verlust eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetriebs ist unschädlich für die Steuerbegünstigung <strong>de</strong>r Körperschaft, wenn er ausschließlich<br />

durch die Berücksichtigung von anteiligen Abschreibungen auf gemischt genutzte Wirtschaftsgüter<br />

entstan<strong>de</strong>n ist und wenn die folgen<strong>de</strong>n Voraussetzungen erfüllt sind:<br />

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– Das Wirtschaftsgut wur<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>ellen Bereich angeschafft o<strong>de</strong>r hergestellt und wird nur <strong>zur</strong><br />

besseren Kapazitätsauslastung und Mittelbeschaffung teil- o<strong>de</strong>r zeitweise für <strong>de</strong>n steuerpflichtigen<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb genutzt. Die Körperschaft darf nicht schon im Hinblick auf eine<br />

zeit- o<strong>de</strong>r teilweise Nutzung für <strong>de</strong>n steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ein größeres<br />

Wirtschaftsgut angeschafft o<strong>de</strong>r hergestellt haben, als es für die i<strong>de</strong>elle Tätigkeit notwendig war.<br />

– Die Körperschaft verlangt für die Leistungen <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs<br />

marktübliche Preise.<br />

– Der steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetrieb bil<strong>de</strong>t keinen eigenständigen Sektor eines<br />

Gebäu<strong>de</strong>s (z. B. Gaststättenbetrieb in einer Sporthalle).<br />

Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Berücksichtigung an<strong>de</strong>rer gemischter Aufwendungen (z. B.<br />

zeitweiser Einsatz von Personal <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb) bei <strong>de</strong>r gemeinnützigkeitsrechtlichen Beurteilung von Verlusten.<br />

5. Der Ausgleich <strong>de</strong>s Verlustes eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs mit Mitteln <strong>de</strong>s<br />

i<strong>de</strong>ellen Bereichs ist außer<strong>de</strong>m unschädlich für die Steuerbegünstigung, wenn<br />

– <strong>de</strong>r Verlust auf einer Fehlkalkulation beruht,<br />

– die Körperschaft innerhalb von 12 Monaten nach En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Wirtschaftsjahres, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Verlust<br />

entstan<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>m i<strong>de</strong>ellen Tätigkeitsbereich wie<strong>de</strong>r Mittel in entsprechen<strong>de</strong>r Höhe zuführt und<br />

– die zugeführten Mittel nicht aus Zweckbetrieben, aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r steuerbegünstigten<br />

Vermögensverwaltung, aus Beiträgen o<strong>de</strong>r aus an<strong>de</strong>ren Zuwendungen, die <strong>zur</strong> För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigten Zwecke <strong>de</strong>r Körperschaft bestimmt sind, stammen (BFH-Urteil vom 13.11.1996 –<br />

I R 152/93 – BStBl. 1998 II, S. 711).<br />

Die Zuführungen zu <strong>de</strong>m i<strong>de</strong>ellen Bereich können <strong>de</strong>mnach aus <strong>de</strong>m Gewinn <strong>de</strong>s (einheitlichen)<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>m Jahr nach <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>s Verlustes<br />

erzielt wird, geleistet wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m dürfen für <strong>de</strong>n Ausgleich <strong>de</strong>s Verlustes Umlagen und<br />

Zuschüsse, die dafür bestimmt sind, verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Derartige Zuwendungen sind jedoch keine<br />

steuerbegünstigten Spen<strong>de</strong>n.<br />

6. Eine für die Steuerbegünstigung schädliche Verwendung von Mitteln für <strong>de</strong>n Ausgleich von Verlusten<br />

<strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs liegt auch dann nicht vor, wenn <strong>de</strong>m Betrieb die<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen Mittel durch die Aufnahme eines betrieblichen Darlehens zugeführt wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r bereits in<br />

<strong>de</strong>m Betrieb verwen<strong>de</strong>te i<strong>de</strong>elle Mittel mittels eines Darlehens, das <strong>de</strong>m Betrieb zugeordnet wird,<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Frist von 12 Monaten nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Verlustentstehungsjahres an <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>ellen Bereich<br />

<strong>de</strong>r Körperschaft <strong>zur</strong>ückgegeben wer<strong>de</strong>n. Voraussetzung für die Unschädlichkeit ist, dass Tilgung und<br />

Zinsen für das Darlehen ausschließlich aus Mitteln <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetriebs geleistet wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Belastung von Vermögen <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs mit einer Sicherheit für ein betriebliches Darlehen<br />

(z. B. Grundschuld auf einer Sporthalle) führt grundsätzlich zu keiner an<strong>de</strong>ren Beurteilung. Die<br />

Eintragung einer Grundschuld be<strong>de</strong>utet noch keine Verwendung <strong>de</strong>s belasteten Vermögens für <strong>de</strong>n<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.<br />

7. Steuerbegünstigte Körperschaften unterhalten steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe<br />

regelmäßig nur, um dadurch zusätzliche Mittel für die Verwirklichung <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Zwecke zu<br />

beschaffen. Es kann <strong>de</strong>shalb unterstellt wer<strong>de</strong>n, dass etwaige Verluste bei Betrieben, die schon längere<br />

Zeit bestehen, auf einer Fehlkalkulation beruhen. Bei <strong>de</strong>m Aufbau eines neuen Betriebs ist eine<br />

Verwendung von Mitteln <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs für <strong>de</strong>n Ausgleich von Verlusten auch dann unschädlich<br />

für die Steuerbegünstigung, wenn mit Anlaufverlusten zu rechnen war. Auch in diesem Fall muss die<br />

Körperschaft aber in <strong>de</strong>r Regel innerhalb von 3 Jahren nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Entstehungsjahres <strong>de</strong>s<br />

Verlustes <strong>de</strong>m i<strong>de</strong>ellen Bereich wie<strong>de</strong>r Mittel, die gemeinnützigkeitsunschädlich dafür verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n<br />

dürfen, zuführen.<br />

8. Die Regelungen in Nummern 3 bis 7 gelten entsprechend für die Vermögensverwaltung.<br />

9. Mitglie<strong>de</strong>r dürfen keine Zuwendungen aus Mitteln <strong>de</strong>r Körperschaft erhalten. Dies gilt nicht, soweit es<br />

sich um Annehmlichkeiten han<strong>de</strong>lt, wie sie im Rahmen <strong>de</strong>r Betreuung von Mitglie<strong>de</strong>rn allgemein üblich<br />

und nach allgemeiner Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen sind.<br />

10. Keine Zuwendung i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 liegt vor, wenn <strong>de</strong>r Leistung <strong>de</strong>r Körperschaft eine<br />

Gegenleistung <strong>de</strong>s Empfängers gegenübersteht (z. B. bei Kauf-, Dienst- und Werkverträgen) und die<br />

Werte von Leistung und Gegenleistung nach wirtschaftlichen Grundsätzen gegeneinan<strong>de</strong>r abgewogen<br />

sind.<br />

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11. Ist einer Körperschaft zugewen<strong>de</strong>tes Vermögen mit vor <strong>de</strong>r Übertragung wirksam begrün<strong>de</strong>ten<br />

Ansprüchen (z. B. Nießbrauch, Grund- o<strong>de</strong>r Rentenschul<strong>de</strong>n, Vermächtnisse aufgrund testamentarischer<br />

Bestimmungen <strong>de</strong>s Zuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n) belastet, <strong>de</strong>ren Erfüllung durch die Körperschaft keine nach<br />

wirtschaftlichen Grundsätzen abgewogene Gegenleistung für die Übertragung <strong>de</strong>s Vermögens darstellt,<br />

min<strong>de</strong>rn die Ansprüche das übertragene Vermögen bereits im Zeitpunkt <strong>de</strong>s Übergangs. Wirtschaftlich<br />

betrachtet wird <strong>de</strong>r Körperschaft nur das nach <strong>de</strong>r Erfüllung <strong>de</strong>r Ansprüche verbleiben<strong>de</strong> Vermögen<br />

zugewen<strong>de</strong>t. Die Erfüllung <strong>de</strong>r Ansprüche aus <strong>de</strong>m zugewen<strong>de</strong>ten Vermögen ist <strong>de</strong>shalb keine<br />

Zuwendung i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1. Dies gilt auch, wenn die Körperschaft die Ansprüche aus ihrem<br />

an<strong>de</strong>ren zulässigen Vermögen einschließlich <strong>de</strong>r Rücklage nach § 58 Nr. 7 Buchstabe a erfüllt.<br />

12. Soweit die vorhan<strong>de</strong>nen flüssigen Vermögensmittel nicht für die Erfüllung <strong>de</strong>r Ansprüche ausreichen,<br />

darf die Körperschaft dafür auch Erträge verwen<strong>de</strong>n. Ihr müssen jedoch ausreichen<strong>de</strong> Mittel für die<br />

Verwirklichung ihrer steuerbegünstigten Zwecke verbleiben. Diese Voraussetzung ist als erfüllt<br />

anzusehen, wenn für die Erfüllung <strong>de</strong>r Verbindlichkeiten höchstens ein Drittel <strong>de</strong>s Einkommens <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft verwen<strong>de</strong>t wird. Die Ein-Drittel-Grenze umfasst bei Rentenverpflichtungen nicht nur die<br />

über <strong>de</strong>n Barwert hinausgehen<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn die gesamten Zahlungen. Sie bezieht sich auf <strong>de</strong>n<br />

Veranlagungszeitraum.<br />

13. § 58 Nr. 5 enthält eine Ausnahmeregelung zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 für Stiftungen. Diese ist nur anzuwen<strong>de</strong>n,<br />

wenn eine Stiftung Leistungen erbringt, die <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 verstoßen, also<br />

z. B. freiwillige Zuwendungen an <strong>de</strong>n in § 58 Nr. 5 genannten Personenkreis leistet o<strong>de</strong>r für die Erfüllung<br />

von Ansprüchen dieses Personenkreises aus <strong>de</strong>r Übertragung von Vermögen nicht das belastete o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>res zulässiges Vermögen, son<strong>de</strong>rn Erträge einsetzt. Im Unterschied zu an<strong>de</strong>ren Körperschaften kann<br />

eine Stiftung unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 58 Nr. 5 auch dann einen Teil ihres Einkommens für die<br />

Erfüllung solcher Ansprüche verwen<strong>de</strong>n, wenn ihr dafür ausreichen<strong>de</strong> flüssige Vermögensmittel <strong>zur</strong><br />

Verfügung stehen. Der Grundsatz, dass <strong>de</strong>r wesentliche Teil <strong>de</strong>s Einkommens für die Verwirklichung <strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigten Zwecke verbleiben muss, gilt aber auch für Stiftungen. Daraus folgt, dass eine<br />

Stiftung insgesamt höchstens ein Drittel ihres Einkommens für unter § 58 Nr. 5 fallen<strong>de</strong> Leistungen und<br />

für die Erfüllung von an<strong>de</strong>ren durch die Übertragung von belastetem Vermögen begrün<strong>de</strong>ten Ansprüchen<br />

verwen<strong>de</strong>n darf.<br />

14. Die Vergabe von Darlehen aus Mitteln, die zeitnah für die steuerbegünstigten Zwecke zu verwen<strong>de</strong>n<br />

sind, ist unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn die Körperschaft damit selbst unmittelbar ihre<br />

steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwirklicht. Dies kann z. B. <strong>de</strong>r Fall sein, wenn die<br />

Körperschaft im Rahmen ihrer jeweiligen steuerbegünstigten Zwecke Darlehen im Zusammenhang mit<br />

einer Schuldnerberatung <strong>zur</strong> Ablösung von Bankschul<strong>de</strong>n, Darlehen an Nachwuchskünstler für die<br />

Anschaffung von Instrumenten o<strong>de</strong>r Stipendien für eine wissenschaftliche Ausbildung teilweise als<br />

Darlehen vergibt. Voraussetzung ist, dass sich die Darlehensvergabe von einer gewerbsmäßigen<br />

Kreditvergabe dadurch unterschei<strong>de</strong>t, dass sie zu günstigeren Bedingungen erfolgt als zu <strong>de</strong>n allgemeinen<br />

Bedingungen am Kapitalmarkt (z. B. Zinslosigkeit, Zinsverbilligung).<br />

Die Vergabe von Darlehen aus zeitnah für die steuerbegünstigten Zwecke zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mitteln an<br />

an<strong>de</strong>re steuerbegünstigte Körperschaften ist im Rahmen <strong>de</strong>s § 58 Nrn. 1 und 2 zulässig (mittelbare<br />

Zweckverwirklichung), wenn die an<strong>de</strong>re Körperschaft die darlehensweise erhaltenen Mittel unmittelbar<br />

für steuerbegünstigte Zwecke innerhalb <strong>de</strong>r für eine zeitnahe Mittelverwendung vorgeschriebenen Frist<br />

verwen<strong>de</strong>t.<br />

Darlehen, die <strong>zur</strong> unmittelbaren Verwirklichung <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Zwecke vergeben wer<strong>de</strong>n, sind<br />

im Rechnungswesen entsprechend kenntlich zu machen. Es muss sichergestellt und für die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> nachprüfbar sein, dass die Rückflüsse, d. h. Tilgung und Zinsen, wie<strong>de</strong>r zeitnah für die<br />

steuerbegünstigten Zwecke verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

15. Aus Mitteln, die nicht <strong>de</strong>m Gebot <strong>de</strong>r zeitnahen Mittelverwendung unterliegen (Vermögen einschließlich<br />

<strong>de</strong>r zulässigen Zuführungen und <strong>de</strong>r zulässig gebil<strong>de</strong>ten Rücklagen), darf die Körperschaft Darlehen nach<br />

folgen<strong>de</strong>r Maßgabe vergeben:<br />

Die Zinsen müssen sich in <strong>de</strong>m auf <strong>de</strong>m Kapitalmarkt üblichen Rahmen halten, es sei <strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r Verzicht<br />

auf die üblichen Zinsen ist eine nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s Gemeinnützigkeitsrechts und <strong>de</strong>r Satzung <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft zulässige Zuwendung (z. B. Darlehen an eine ebenfalls steuerbegünstigte<br />

Mitgliedsorganisation o<strong>de</strong>r eine hilfsbedürftige Person). Bei Darlehen an Arbeitnehmer aus <strong>de</strong>m<br />

Vermögen kann <strong>de</strong>r (teilweise) Verzicht auf eine übliche Verzinsung als Bestandteil <strong>de</strong>s Arbeitslohns<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n, wenn dieser insgesamt, also einschließlich <strong>de</strong>s Zinsvorteils, angemessen ist und <strong>de</strong>r<br />

Zinsverzicht auch von <strong>de</strong>r Körperschaft als Arbeitslohn behan<strong>de</strong>lt wird (z. B. Abführung von Lohnsteuer<br />

und Sozialversicherungsbeiträgen).<br />

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Maßnahmen, für die eine Rücklage nach § 58 Nr. 6 gebil<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n ist, dürfen sich durch die Gewährung<br />

von Darlehen nicht verzögern.<br />

16. Die Vergabe von Darlehen ist als solche kein steuerbegünstigter Zweck. Sie darf <strong>de</strong>shalb nicht<br />

Satzungszweck einer steuerbegünstigten Körperschaft sein. Es ist jedoch unschädlich für die<br />

Steuerbegünstigung, wenn die Vergabe von zinsgünstigen o<strong>de</strong>r zinslosen Darlehen nicht als Zweck,<br />

son<strong>de</strong>rn als Mittel <strong>zur</strong> Verwirklichung <strong>de</strong>s steuerbegünstigten Zwecks in <strong>de</strong>r Satzung <strong>de</strong>r Körperschaft<br />

aufgeführt ist.<br />

17. Eine Körperschaft kann nicht als steuerbegünstigt behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, wenn ihre Ausgaben für die<br />

allgemeine Verwaltung einschließlich <strong>de</strong>r Werbung um Spen<strong>de</strong>n einen angemessenen Rahmen<br />

übersteigen (§ 55 Abs. 1 Nrn. 1 und 3). Dieser Rahmen ist in je<strong>de</strong>m Fall überschritten, wenn eine<br />

Körperschaft, die sich weitgehend durch Geldspen<strong>de</strong>n finanziert, diese – nach einer Aufbauphase –<br />

überwiegend <strong>zur</strong> Bestreitung von Ausgaben für Verwaltung und Spen<strong>de</strong>nwerbung statt für die<br />

Verwirklichung <strong>de</strong>r steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwen<strong>de</strong>t (BFH-Beschluss vom<br />

23.9.1998 – I B 82/98 – BStBl. 2000 II, S. 320). Die Verwaltungsausgaben einschließlich<br />

Spen<strong>de</strong>nwerbung sind bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>r Anteile ins Verhältnis zu <strong>de</strong>n gesamten vereinnahmten<br />

Mitteln (Spen<strong>de</strong>n, Mitgliedsbeiträge, Zuschüsse, Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben usw.)<br />

zu setzen.<br />

Für die Frage <strong>de</strong>r Angemessenheit <strong>de</strong>r Verwaltungsausgaben kommt es entschei<strong>de</strong>nd auf die Umstän<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s jeweiligen Einzelfalls an. Eine für die Steuerbegünstigung schädliche Mittelverwendung kann<br />

<strong>de</strong>shalb auch schon dann vorliegen, wenn <strong>de</strong>r prozentuale Anteil <strong>de</strong>r Verwaltungsausgaben einschließlich<br />

<strong>de</strong>r Spen<strong>de</strong>nwerbung <strong>de</strong>utlich geringer als 50 v. H. ist.<br />

18. Während <strong>de</strong>r Gründungs- o<strong>de</strong>r Aufbauphase einer Körperschaft kann auch eine überwiegen<strong>de</strong><br />

Verwendung <strong>de</strong>r Mittel für Verwaltungsausgaben und Spen<strong>de</strong>nwerbung unschädlich für die<br />

Steuerbegünstigung sein. Die Dauer <strong>de</strong>r Gründungs- o<strong>de</strong>r Aufbauphase, während <strong>de</strong>r dies möglich ist,<br />

hängt von <strong>de</strong>n Verhältnissen <strong>de</strong>s Einzelfalls ab.<br />

Der in <strong>de</strong>m BFH-Beschluss vom 23.9.1998 – I B 82/98 – BStBl. 2000 II, S. 320 zugestan<strong>de</strong>ne Zeitraum<br />

von 4 Jahren für die Aufbauphase, in <strong>de</strong>r höhere anteilige Ausgaben für Verwaltung und<br />

Spen<strong>de</strong>nwerbung zulässig sind, ist durch die Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s entschie<strong>de</strong>nen Falles begrün<strong>de</strong>t<br />

(insbeson<strong>de</strong>re 2. Aufbauphase nach Aberkennung <strong>de</strong>r Steuerbegünstigung). Er ist <strong>de</strong>shalb als Obergrenze<br />

zu verstehen. I. d. R. ist von einer kürzeren Aufbauphase auszugehen.<br />

19. Die Steuerbegünstigung ist auch dann zu versagen, wenn das Verhältnis <strong>de</strong>r Verwaltungsausgaben zu <strong>de</strong>n<br />

Ausgaben für die steuerbegünstigten Zwecke zwar insgesamt nicht zu beanstan<strong>de</strong>n, eine einzelne<br />

Verwaltungsausgabe (z. B. das Gehalt <strong>de</strong>s Geschäftsführers o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Aufwand für die Mitglie<strong>de</strong>r- und<br />

Spen<strong>de</strong>nwerbung) aber nicht angemessen ist (§ 55 Abs. 1 Nr. 3).<br />

20. Bei <strong>de</strong>n Kosten für die Beschäftigung eines Geschäftsführers han<strong>de</strong>lt es sich grundsätzlich um<br />

Verwaltungsausgaben. Eine Zuordnung dieser Kosten zu <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Tätigkeit ist nur insoweit<br />

möglich, als <strong>de</strong>r Geschäftsführer unmittelbar bei steuerbegünstigten Projekten mitarbeitet.<br />

Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für die Zuordnung von Reisekosten.<br />

21. Eine Unternehmergesellschaft i. S. d. § 5a Abs. 1 GmbHG i. d. F. <strong>de</strong>s Gesetzes <strong>zur</strong> Mo<strong>de</strong>rnisierung <strong>de</strong>s<br />

GmbH-Rechts und <strong>zur</strong> Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I, S. 2026) ist<br />

nach § 5a Abs. 3 GmbHG i. d. F. <strong>de</strong>s MoMiG gesetzlich verpflichtet, von ihrem um einen Verlustvortrag<br />

aus <strong>de</strong>m Vorjahr gemin<strong>de</strong>rten Jahresüberschuss bis zum Erreichen <strong>de</strong>s Stammkapitals von 25 000 €<br />

min<strong>de</strong>stens 25 % in eine gesetzliche Rücklage einzustellen. Mit <strong>de</strong>r Bildung dieser Rücklage verstößt die<br />

Unternehmergesellschaft grundsätzlich nicht gegen das Gebot <strong>de</strong>r zeitnahen Mittelverwendung.<br />

Zu § 55 Abs. 1 Nrn. 2 und 4:<br />

22. Die in § 55 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 genannten Sacheinlagen sind Einlagen i. S. d. Han<strong>de</strong>lsrechts, für die <strong>de</strong>m<br />

Mitglied Gesellschaftsrechte eingeräumt wor<strong>de</strong>n sind. Insoweit sind also nur Kapitalgesellschaften, nicht<br />

aber Vereine angesprochen. Unentgeltlich <strong>zur</strong> Verfügung gestellte Vermögensgegenstän<strong>de</strong>, für die keine<br />

Gesellschaftsrechte eingeräumt sind (Leihgaben, Sachspen<strong>de</strong>n) fallen nicht unter § 55 Abs. 1 Nrn. 2<br />

und 4. Soweit Kapitalanteile und Sacheinlagen von <strong>de</strong>r Vermögensbindung ausgenommen wer<strong>de</strong>n, kann<br />

von <strong>de</strong>m Gesellschafter nicht die Spen<strong>de</strong>nbegünstigung <strong>de</strong>s § 10b EStG (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG) in<br />

Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n. Eingezahlte Kapitalanteile i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 und 4 liegen nicht vor,<br />

soweit für die Kapitalerhöhung Gesellschaftsmittel verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n (z. B. nach § 57c GmbHG).<br />

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Zu § 55 Abs. 1 Nr. 3:<br />

23. Bei Vorstandsmitglie<strong>de</strong>rn von Vereinen sind Tätigkeitsvergütungen gemeinnützigkeitsrechtlich nur zulässig,<br />

wenn eine entsprechen<strong>de</strong> Satzungsregelung besteht. Zu Einzelheiten bei Zahlungen an <strong>de</strong>n Vorstand<br />

steuerbegünstigter Vereine siehe BMF-Schreiben vom 14.10.2009 – IV C 4 – S 2121/07/0010 – BStBl. I,<br />

S. 1318.<br />

Diese Regelung gilt für Stiftungen entsprechend.<br />

Zu § 55 Abs. 1 Nr. 4:<br />

24. Eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme <strong>de</strong>r Selbstlosigkeit bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Grundsatz <strong>de</strong>r<br />

Vermögensbindung für steuerbegünstigte Zwecke im Falle <strong>de</strong>r Beendigung <strong>de</strong>s Bestehens <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Wegfalles <strong>de</strong>s bisherigen Zwecks (§ 55 Abs. 1 Nr. 4).<br />

Hiermit soll verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, dass Vermögen, das sich aufgrund <strong>de</strong>r Steuervergünstigungen gebil<strong>de</strong>t<br />

hat, später zu nicht begünstigten Zwecken verwen<strong>de</strong>t wird. Die satzungsmäßigen Anfor<strong>de</strong>rungen an die<br />

Vermögensbindung sind in § 61 geregelt.<br />

25. Eine Körperschaft ist nur dann steuerbegünstigt i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, wenn sie nach § 5 Abs. 1<br />

Nr. 9 KStG von <strong>de</strong>r Körperschaftsteuer befreit ist. Als Empfänger <strong>de</strong>s Vermögens <strong>de</strong>r Körperschaft<br />

kommen neben inländischen Körperschaften auch die in § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG aufgeführten<br />

Körperschaften in Betracht.<br />

Zu § 55 Abs. 1 Nr. 5:<br />

26. Die Körperschaft muss ihre Mittel grundsätzlich zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen<br />

Zwecke verwen<strong>de</strong>n. Verwendung in diesem Sinne ist auch die Verwendung <strong>de</strong>r Mittel für die<br />

Anschaffung o<strong>de</strong>r Herstellung von Vermögensgegenstän<strong>de</strong>n, die satzungsmäßigen Zwecken dienen (z. B.<br />

Bau eines Altenheims, Kauf von Sportgeräten o<strong>de</strong>r medizinischen Geräten).<br />

Die Bildung von Rücklagen ist nur unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 58 Nrn. 6 und 7 zulässig. Davon<br />

unberührt bleiben Rücklagen in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und Rücklagen<br />

im Bereich <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung (vgl. Nr. 3). Die Verwendung von Mitteln, die zeitnah für die<br />

steuerbegünstigten Zwecke zu verwen<strong>de</strong>n sind, für die Ausstattung einer Körperschaft mit Vermögen ist<br />

ein Verstoß gegen das Gebot <strong>de</strong>r zeitnahen Mittelverwendung, es sei <strong>de</strong>nn, die Mittel wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r<br />

empfangen<strong>de</strong>n Körperschaft zeitnah für satzungsmäßige Zwecke verwen<strong>de</strong>t, z. B. für die Errichtung<br />

eines Altenheims.<br />

27. Eine zeitnahe Mittelverwendung ist gegeben, wenn die Mittel spätestens in <strong>de</strong>m auf <strong>de</strong>n Zufluss<br />

folgen<strong>de</strong>n Kalen<strong>de</strong>r- o<strong>de</strong>r Wirtschaftsjahr für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>r- o<strong>de</strong>r Wirtschaftsjahres noch vorhan<strong>de</strong>ne Mittel müssen in <strong>de</strong>r Bilanz<br />

o<strong>de</strong>r Vermögensaufstellung <strong>de</strong>r Körperschaft zulässigerweise <strong>de</strong>m Vermögen o<strong>de</strong>r einer zulässigen<br />

Rücklage zugeordnet o<strong>de</strong>r als im <strong>zur</strong>ückliegen<strong>de</strong>n Jahr zugeflossene Mittel, die im folgen<strong>de</strong>n Jahr für die<br />

steuerbegünstigten Zwecke zu verwen<strong>de</strong>n sind, ausgewiesen sein. Soweit Mittel nicht schon im Jahr <strong>de</strong>s<br />

Zuflusses für die steuerbegünstigten Zwecke verwen<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r zulässigerweise <strong>de</strong>m Vermögen zugeführt<br />

wer<strong>de</strong>n, ist ihre zeitnahe Verwendung nachzuweisen, zweckmäßigerweise durch eine Nebenrechnung<br />

(Mittelverwendungsrechnung).<br />

28. Nicht <strong>de</strong>m Gebot <strong>de</strong>r zeitnahen Mittelverwendung unterliegt das Vermögen <strong>de</strong>r Körperschaften, auch<br />

soweit es durch Umschichtungen innerhalb <strong>de</strong>s Bereichs <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung entstan<strong>de</strong>n ist (z. B.<br />

Verkauf eines zum Vermögen gehören<strong>de</strong>n Grundstücks einschließlich <strong>de</strong>s <strong>de</strong>n Buchwert übersteigen<strong>de</strong>n<br />

Teils <strong>de</strong>s Preises). Außer<strong>de</strong>m kann eine Körperschaft die in § 58 Nrn. 11 und 12 bezeichneten Mittel<br />

ohne für die Gemeinnützigkeit schädliche Folgen ihrem Vermögen zuführen.<br />

Zu § 55 Abs. 2:<br />

29. Wertsteigerungen bleiben für steuerbegünstigte Zwecke gebun<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r Rückgabe <strong>de</strong>s Wirtschaftsguts<br />

selbst hat <strong>de</strong>r Empfänger die Differenz in Geld auszugleichen.<br />

Zu § 55 Abs. 3:<br />

30. Die Regelung, nach <strong>de</strong>r sich die Vermögensbindung nicht auf die eingezahlten Kapitalanteile <strong>de</strong>r<br />

Mitglie<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>n gemeinen Wert <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn geleisteten Sacheinlagen erstreckt, gilt bei<br />

Stiftungen für die Stifter und ihre Erben sinngemäß (§ 55 Abs. 3 erster Halbsatz). Es ist also zulässig, das<br />

Stiftungskapital und die Zustiftungen von <strong>de</strong>r Vermögensbindung auszunehmen und im Falle <strong>de</strong>s<br />

Erlöschens <strong>de</strong>r Stiftung an <strong>de</strong>n Stifter o<strong>de</strong>r seine Erben <strong>zur</strong>ückfallen zu lassen. Für solche Stiftungen und<br />

Zustiftungen kann aber vom Stifter nicht die Spen<strong>de</strong>nvergünstigung nach § 10b EStG (§ 9 Abs. 1 Nr. 2<br />

KStG) in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n.<br />

31. Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 55 Abs. 3 zweiter Halbsatz, die sich nur auf Stiftungen und Körperschaften <strong>de</strong>s<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 41 von 235


öffentlichen Rechts bezieht, berücksichtigt die Regelung im EStG, wonach die Entnahme eines<br />

Wirtschaftsgutes mit <strong>de</strong>m Buchwert angesetzt wer<strong>de</strong>n kann, wenn das Wirtschaftsgut <strong>de</strong>n in § 6 Abs. 1<br />

Nr. 4 Satz 4 EStG genannten Körperschaften unentgeltlich überlassen wird. Dies hat <strong>zur</strong> Folge, dass <strong>de</strong>r<br />

Zuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Stiftung nicht <strong>de</strong>n gemeinen Wert <strong>de</strong>r Zuwendung, son<strong>de</strong>rn nur <strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>m ursprünglichen Buchwert entsprechen<strong>de</strong>n Betrag <strong>zur</strong>ückerhält. Stille Reserven und<br />

Wertsteigerungen bleiben hiernach für steuerbegünstigte Zwecke gebun<strong>de</strong>n. Bei Rückgabe <strong>de</strong>s<br />

Wirtschaftsgutes selbst hat <strong>de</strong>r Empfänger die Differenz in Geld auszugleichen.<br />

Zu § 56 – Ausschließlichkeit:<br />

1. Das Ausschließlichkeitsgebot <strong>de</strong>s § 56 besagt, dass eine Körperschaft nicht steuerbegünstigt ist, wenn sie<br />

neben ihrer steuerbegünstigten Zielsetzung weitere Zwecke verfolgt und diese Zwecke nicht steuerbegünstigt<br />

sind. Im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung und wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die Nicht-<br />

Zweckbetriebe sind, folgt daraus, dass <strong>de</strong>ren Unterhaltung <strong>de</strong>r Steuerbegünstigung einer Körperschaft<br />

entgegensteht, wenn sie in <strong>de</strong>r Gesamtschau zum Selbstzweck wird und in diesem Sinne neben die<br />

Verfolgung <strong>de</strong>s steuerbegünstigten Zwecks <strong>de</strong>r Körperschaft tritt. Die Vermögensverwaltung sowie die<br />

Unterhaltung eines Nicht-Zweckbetriebs sind aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Gemeinnützigkeitsrechts nur dann<br />

unschädlich, wenn sie um <strong>de</strong>s steuerbegünstigten Zwecks willen erfolgen, in<strong>de</strong>m sie z. B. <strong>de</strong>r Beschaffung<br />

von Mitteln <strong>zur</strong> Erfüllung <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Aufgabe dienen. Ist die Vermögensverwaltung bzw. <strong>de</strong>r<br />

wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dagegen nicht <strong>de</strong>m steuerbegünstigten Zweck untergeordnet, son<strong>de</strong>rn ein<br />

davon losgelöster Zweck o<strong>de</strong>r gar Hauptzweck <strong>de</strong>r Betätigung <strong>de</strong>r Körperschaft, so scheitert <strong>de</strong>ren<br />

Steuerbegünstigung an § 56. In einem solchen Fall kann die Betätigung <strong>de</strong>r Körperschaft nicht in einen<br />

steuerfreien und in einen steuerpflichtigen Teil aufgeteilt wer<strong>de</strong>n; vielmehr ist dann die Körperschaft<br />

insgesamt als steuerpflichtig zu behan<strong>de</strong>ln. Bei steuerbegünstigten Körperschaften, insbeson<strong>de</strong>re<br />

Mittelbeschaffungskörperschaften, die sich im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung an die in ihrer<br />

Satzung enthaltene Pflicht <strong>zur</strong> Verwendung sämtlicher Mittel für die satzungsmäßigen Zwecke halten, ist das<br />

Ausschließlichkeitsgebot selbst dann als erfüllt anzusehen, wenn sie sich vollständig aus Mitteln eines<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung finanzieren. Auf das<br />

BFH-Urteil vom 4.4.2007 – I R 76/05 – BStBl. II, S. 63, wird hingewiesen.<br />

2. Eine Körperschaft darf mehrere steuerbegünstigte Zwecke nebeneinan<strong>de</strong>r verfolgen, ohne dass dadurch die<br />

Ausschließlichkeit verletzt wird. Die verwirklichten steuerbegünstigten Zwecke müssen jedoch sämtlich<br />

satzungsmäßige Zwecke sein. Will <strong>de</strong>mnach eine Körperschaft steuerbegünstigte Zwecke, die nicht in die<br />

Satzung aufgenommen sind, för<strong>de</strong>rn, so ist eine Satzungsän<strong>de</strong>rung erfor<strong>de</strong>rlich, die <strong>de</strong>n Erfor<strong>de</strong>rnissen <strong>de</strong>s<br />

§ 60 entsprechen muss.<br />

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Zu § 57 – Unmittelbarkeit:<br />

1. Die Vorschrift stellt in Absatz 1 klar, dass die Körperschaft die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke<br />

selbst verwirklichen muss, damit Unmittelbarkeit gegeben ist (wegen <strong>de</strong>r Ausnahmen Hinweis auf § 58).<br />

2. Das Gebot <strong>de</strong>r Unmittelbarkeit ist gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 auch dann erfüllt, wenn sich die<br />

steuerbegünstigte Körperschaft einer Hilfsperson bedient. Hierfür ist es erfor<strong>de</strong>rlich, dass nach <strong>de</strong>n<br />

Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Falles, insbeson<strong>de</strong>re nach <strong>de</strong>n rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen, die zwischen <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft und <strong>de</strong>r Hilfsperson bestehen, das Wirken <strong>de</strong>r Hilfsperson wie eigenes Wirken <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft anzusehen ist, d. h. die Hilfsperson nach <strong>de</strong>n Weisungen <strong>de</strong>r Körperschaft einen konkreten<br />

Auftrag ausführt. Hilfsperson kann eine natürliche Person, Personenvereinigung o<strong>de</strong>r juristische Person sein.<br />

Die Körperschaft hat durch Vorlage entsprechen<strong>de</strong>r Vereinbarungen nachzuweisen, dass sie <strong>de</strong>n Inhalt und<br />

<strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>r Hilfsperson im Innenverhältnis bestimmen kann. Die Tätigkeit <strong>de</strong>r Hilfsperson<br />

muss <strong>de</strong>n Satzungsbestimmungen <strong>de</strong>r Körperschaft entsprechen. Diese hat nachzuweisen, dass sie die<br />

Hilfsperson überwacht. Die weisungsgemäße Verwendung <strong>de</strong>r Mittel ist von ihr sicherzustellen.<br />

Die Steuerbegünstigung einer Körperschaft, die nur über eine Hilfsperson das Merkmal <strong>de</strong>r Unmittelbarkeit<br />

erfüllt (§ 57 Abs. 1 Satz 2), ist unabhängig davon zu gewähren, wie die Hilfsperson<br />

gemeinnützigkeitsrechtlich behan<strong>de</strong>lt wird.<br />

Die Steuerbegünstigung einer Hilfsperson ist nicht ausgeschlossen, wenn die Körperschaft mit ihrer<br />

Hilfspersonentätigkeit nicht nur die steuerbegünstigte Tätigkeit einer an<strong>de</strong>ren Körperschaft unterstützt,<br />

son<strong>de</strong>rn zugleich eigene steuerbegünstigte Satzungszwecke verfolgt. Keine Hilfspersonentätigkeit, son<strong>de</strong>rn<br />

eine eigene unmittelbare Tätigkeit liegt auch dann vor, wenn <strong>de</strong>r auftraggeben<strong>de</strong>n Person dadurch nicht nach<br />

§ 57 Abs. 1 Satz 2 die Gemeinnützigkeit vermittelt wird, z. B. Tätigkeiten im Auftrag von juristischen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 42 von 235


Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts (Hoheitsbereich), voll steuerpflichtigen Körperschaften o<strong>de</strong>r natürlichen<br />

Personen. Ein Han<strong>de</strong>ln als Hilfsperson nach § 57 Abs. 1 Satz 2 begrün<strong>de</strong>t keine eigene steuerbegünstigte<br />

Tätigkeit (BFH-Urteil vom 7.3.2007 – I R 90/04 – BStBl. II S. 628).<br />

3. Ein Zusammenschluss i. S. d. § 57 Abs. 2 AO ist gegeben, wenn die Einrichtung ausschließlich allgemeine,<br />

aus <strong>de</strong>r Tätigkeit und Aufgabenstellung <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>rkörperschaften erwachsene Interessen wahrnimmt.<br />

Nach Absatz 2 wird eine Körperschaft, in <strong>de</strong>r steuerbegünstigte Körperschaften zusammengefasst sind, einer<br />

Körperschaft gleichgestellt, die unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgt. Voraussetzung ist, dass je<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r zusammengefassten Körperschaften sämtliche Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung erfüllt.<br />

Verfolgt eine solche Körperschaft selbst unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke, ist die bloße Mitgliedschaft<br />

einer nicht steuerbegünstigten Organisation für die Steuerbegünstigung unschädlich. Die Körperschaft darf<br />

die nicht steuerbegünstigte Organisation aber nicht mit Rat und Tat för<strong>de</strong>rn (z. B. Zuweisung von Mitteln,<br />

Rechtsberatung).<br />

Zu § 58 – Steuerlich unschädliche Beschäftigungen:<br />

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Zu § 58 Nr. 1:<br />

1. Diese Ausnahmeregelung ermöglicht es, Körperschaften als begünstigt anzuerkennen, die an<strong>de</strong>re<br />

Körperschaften för<strong>de</strong>rn und dafür Spen<strong>de</strong>n sammeln o<strong>de</strong>r auf an<strong>de</strong>re Art Mittel beschaffen<br />

(Mittelbeschaffungskörperschaften). Die Beschaffung von Mitteln muss als Satzungszweck festgelegt<br />

sein. Ein steuerbegünstigter Zweck, für <strong>de</strong>n Mittel beschafft wer<strong>de</strong>n sollen, muss in <strong>de</strong>r Satzung<br />

angegeben sein. Es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, die Körperschaften, für die Mittel beschafft wer<strong>de</strong>n sollen, in<br />

<strong>de</strong>r Satzung aufzuführen. Die Körperschaft, für die Mittel beschafft wer<strong>de</strong>n, muss nur dann selbst<br />

steuerbegünstigt sein, wenn sie eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft <strong>de</strong>s privaten Rechts ist.<br />

Wer<strong>de</strong>n Mittel für nicht unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften beschafft, muss die Verwendung<br />

<strong>de</strong>r Mittel für die steuerbegünstigten Zwecke ausreichend nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 58 Nr. 2:<br />

2. Die teilweise (nicht überwiegen<strong>de</strong>) Weitergabe eigener Mittel (auch Sachmittel) ist unschädlich. Als<br />

Mittelempfänger kommen in Betracht:<br />

– inländische steuerbegünstigte Körperschaften,<br />

– die in § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG aufgeführten Körperschaften,<br />

– juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts.<br />

Ausschüttungen und sonstige Zuwendungen einer steuerbegünstigten Körperschaft sind unschädlich,<br />

wenn die Gesellschafter o<strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r als Begünstigte ausschließlich steuerbegünstigte Körperschaften<br />

sind. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für Ausschüttungen und sonstige Zuwendungen an juristische Personen <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Rechts, die die Mittel für steuerbegünstigte Zwecke verwen<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 58 Nr. 3:<br />

3. Eine steuerlich unschädliche Betätigung liegt auch dann vor, wenn nicht nur Arbeitskräfte, son<strong>de</strong>rn<br />

zugleich Arbeitsmittel (z. B. Krankenwagen) <strong>zur</strong> Verfügung gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 58 Nr. 4:<br />

4. Zu <strong>de</strong>n „Räumen“ i. S. d. Nr. 4 gehören beispielsweise auch Sportstätten, Sportanlagen und Freibä<strong>de</strong>r.<br />

Zu § 58 Nr. 5:<br />

5. Eine Stiftung darf einen Teil ihres Einkommens – höchstens ein Drittel – dazu verwen<strong>de</strong>n, die Gräber <strong>de</strong>s<br />

Stifters und seiner nächsten Angehörigen zu pflegen und <strong>de</strong>ren An<strong>de</strong>nken zu ehren. In diesem Rahmen<br />

ist auch gestattet, <strong>de</strong>m Stifter und seinen nächsten Angehörigen Unterhalt zu gewähren.<br />

Unter Einkommen ist die Summe <strong>de</strong>r Einkünfte aus <strong>de</strong>n einzelnen Einkunftsarten <strong>de</strong>s § 2 Abs. 1 EStG zu<br />

verstehen, unabhängig davon, ob die Einkünfte steuerpflichtig sind o<strong>de</strong>r nicht. Positive und negative<br />

Einkünfte sind zu saldieren. Die Verlustverrechnungsbeschränkungen nach § 2 Abs. 3 EStG sind dabei<br />

unbeachtlich. Bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>r Einkünfte sind von <strong>de</strong>n Einnahmen die damit zusammenhängen<strong>de</strong>n<br />

Aufwendungen einschließlich <strong>de</strong>r Abschreibungsbeträge abzuziehen.<br />

Zur steuerrechtlichen Beurteilung von Ausgaben für die Erfüllung von Verbindlichkeiten, die durch die<br />

Übertragung von belastetem Vermögen begrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n sind, wird auf die Nrn. 12 bis 14 zu § 55<br />

hingewiesen.<br />

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6. Der Begriff <strong>de</strong>s nächsten Angehörigen ist enger als <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>s Angehörigen nach § 15. Er umfasst:<br />

– Ehegatten,<br />

– Eltern, Großeltern, Kin<strong>de</strong>r, Enkel (auch falls durch Adoption verbun<strong>de</strong>n),<br />

– Geschwister,<br />

– Pflegeeltern, Pflegekin<strong>de</strong>r.<br />

7. Unterhalt, Grabpflege und Ehrung <strong>de</strong>s An<strong>de</strong>nkens müssen sich in angemessenem Rahmen halten. Damit<br />

ist neben <strong>de</strong>r relativen Grenze von einem Drittel <strong>de</strong>s Einkommens eine gewisse absolute Grenze<br />

festgelegt. Maßstab für die Angemessenheit <strong>de</strong>s Unterhalts ist <strong>de</strong>r Lebensstandard <strong>de</strong>s<br />

Zuwendungsempfängers.<br />

8. § 58 Nr. 5 enthält lediglich eine Ausnahmeregelung zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 für Stiftungen (vgl. zu § 55,<br />

Nr. 14), begrün<strong>de</strong>t jedoch keinen eigenständigen steuerbegünstigten Zweck. Eine Stiftung, zu <strong>de</strong>ren<br />

Satzungszwecken die Unterstützung von hilfsbedürftigen Verwandten <strong>de</strong>s Stifters gehört, kann daher<br />

nicht unter Hinweis auf § 58 Nr. 5 als steuerbegünstigt behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 58 Nr. 6:<br />

9. Bei <strong>de</strong>r Bildung <strong>de</strong>r Rücklage nach § 58 Nr. 6 kommt es nicht auf die Herkunft <strong>de</strong>r Mittel an. Der<br />

Rücklage dürfen also auch zeitnah zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Mittel wie z. B. Spen<strong>de</strong>n zugeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

10. Voraussetzung für die Bildung einer Rücklage nach § 58 Nr. 6 ist in je<strong>de</strong>m Fall, dass ohne sie die<br />

steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke nachhaltig nicht erfüllt wer<strong>de</strong>n können. Das Bestreben,<br />

ganz allgemein die Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>r Körperschaft zu erhalten, reicht für eine steuerlich<br />

unschädliche Rücklagenbildung nach dieser Vorschrift nicht aus (hierfür können nur freie Rücklagen<br />

nach § 58 Nr. 7 gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, vgl. Nrn. 13 bis 17). Vielmehr müssen die Mittel für bestimmte – die<br />

steuerbegünstigten Satzungszwecke verwirklichen<strong>de</strong> – Vorhaben angesammelt wer<strong>de</strong>n, für <strong>de</strong>ren<br />

Durchführung bereits konkrete Zeitvorstellungen bestehen. Besteht noch keine konkrete Zeitvorstellung,<br />

ist eine Rücklagenbildung zulässig, wenn die Durchführung <strong>de</strong>s Vorhabens glaubhaft und bei <strong>de</strong>n<br />

finanziellen Verhältnissen <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Körperschaft in einem angemessenen Zeitraum<br />

möglich ist. Die Bildung von Rücklagen für periodisch wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong> Ausgaben (z. B. Löhne, Gehälter,<br />

Mieten) in Höhe <strong>de</strong>s Mittelbedarfs für eine angemessene Zeitperio<strong>de</strong> ist zulässig (so genannte<br />

Betriebsmittelrücklage). Ebenfalls unschädlich ist die vorsorgliche Bildung einer Rücklage <strong>zur</strong><br />

Bezahlung von Steuern außerhalb eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, solange<br />

Unklarheit darüber besteht, ob die Körperschaft insoweit in Anspruch genommen wird.<br />

Unter diesen Voraussetzungen ist auch eine Wie<strong>de</strong>rbeschaffungsrücklage für Grundstücke, Fahrzeuge<br />

und an<strong>de</strong>re Wirtschaftsgüter, für <strong>de</strong>ren Anschaffung die laufen<strong>de</strong>n Einnahmen nicht ausreichen, zulässig.<br />

Daraus folgt aber nicht, dass Mittel in Höhe <strong>de</strong>r Abschreibungen generell einer Rücklage nach § 58 Nr. 6<br />

zugeführt wer<strong>de</strong>n dürfen. Vielmehr ist es erfor<strong>de</strong>rlich, dass tatsächlich eine Neuanschaffung <strong>de</strong>s<br />

einzelnen Wirtschaftsguts geplant und in einem angemessenen Zeitraum möglich ist. Eine Einstellung<br />

von Mitteln in Höhe <strong>de</strong>r Abschreibungen in die Rücklage wäre z. B. dann nicht gerechtfertigt, wenn ein<br />

Fuhrpark verkleinert o<strong>de</strong>r ein Gebäu<strong>de</strong> während unabsehbar langer Zeit nicht durch einen Neubau ersetzt<br />

wer<strong>de</strong>n soll. Die Zuführung von Mitteln in Höhe <strong>de</strong>r Abschreibungen dürfte z. B. dann nicht ausreichen,<br />

wenn das vorhan<strong>de</strong>ne Wirtschaftsgut entwe<strong>de</strong>r frühzeitig o<strong>de</strong>r durch ein besseres, größeres und teureres<br />

Wirtschaftsgut ersetzt wer<strong>de</strong>n soll. Die Zuführung dürfte z. B. dann überhöht sein, wenn die steuerlich<br />

zulässigen (Son<strong>de</strong>r-)Abschreibungen nicht mit <strong>de</strong>m tatsächlichen Wertverlust übereinstimmen.<br />

Die Bildung einer Rücklage kann nicht damit begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, dass die Überlegungen <strong>zur</strong> Verwendung<br />

<strong>de</strong>r Mittel noch nicht abgeschlossen sind.<br />

11. Die vorstehen<strong>de</strong>n Grundsätze zu § 58 Nr. 6 gelten auch für Mittelbeschaffungskörperschaften i. S. d. § 58<br />

Nr. 1 (BFH-Urteil vom 13.9.1989 – I R 19/85 – BStBl. 1990 II, S. 28). Voraussetzung ist jedoch, dass die<br />

Rücklagenbildung <strong>de</strong>m Zweck <strong>de</strong>r Beschaffung von Mitteln für die steuerbegünstigten Zwecke einer<br />

an<strong>de</strong>ren Körperschaft entspricht. Diese Voraussetzung ist zum Beispiel erfüllt, wenn die<br />

Mittelbeschaffungskörperschaft wegen Verzögerung <strong>de</strong>r von ihr zu finanzieren<strong>de</strong>n steuerbegünstigten<br />

Maßnahmen gezwungen ist, die beschafften Mittel zunächst zu thesaurieren.<br />

12. Unterhält eine steuerbegünstigte Körperschaft einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb,<br />

so können <strong>de</strong>ssen Erträge <strong>de</strong>r Rücklage erst nach Versteuerung zugeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 58 Nr. 7:<br />

13. Der freien Rücklage (§ 58 Nr. 7 Buchstabe a) darf jährlich höchstens ein Drittel <strong>de</strong>s Überschusses <strong>de</strong>r<br />

Einnahmen über die Unkosten aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung zugeführt wer<strong>de</strong>n. Unter Unkosten sind<br />

Aufwendungen zu verstehen, die <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach Werbungskosten sind.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 44 von 235


14. Darüber hinaus kann die Körperschaft höchstens 10 v. H. ihrer sonstigen nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 zeitnah<br />

zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mittel einer freien Rücklage zuführen. Mittel im Sinne dieser Vorschrift sind die<br />

Überschüsse bzw. Gewinne aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben und<br />

Zweckbetrieben sowie die Bruttoeinnahmen aus <strong>de</strong>m i<strong>de</strong>ellen Bereich. Bei Anwendung <strong>de</strong>r Regelungen<br />

<strong>de</strong>s § 64 Abs. 5 und 6 können in die Bemessungsgrundlage <strong>zur</strong> Ermittlung <strong>de</strong>r Rücklage statt <strong>de</strong>r<br />

geschätzten bzw. pauschal ermittelten Gewinne die tatsächlichen Gewinne einbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Verluste aus Zweckbetrieben sind mit entsprechen<strong>de</strong>n Überschüssen zu verrechnen; darüber<br />

hinausgehen<strong>de</strong> Verluste min<strong>de</strong>rn die Bemessungsgrundlage nicht. Das gilt entsprechend für Verluste aus<br />

<strong>de</strong>m einheitlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Ein Überschuss aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung ist –<br />

unabhängig davon, inwieweit er in eine Rücklage eingestellt wur<strong>de</strong> – nicht in die Bemessungsgrundlage<br />

für die Zuführung aus <strong>de</strong>n sonstigen zeitnah zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mitteln einzubeziehen. Ein Verlust aus <strong>de</strong>r<br />

Vermögensverwaltung min<strong>de</strong>rt die Bemessungsgrundlage nicht.<br />

15. Wird die Höchstgrenze nach <strong>de</strong>n Nrn. 13 und 14 nicht voll ausgeschöpft, so ist eine Nachholung in<br />

späteren Jahren nicht zulässig. Die steuerbegünstigte Körperschaft braucht die freie Rücklage während<br />

<strong>de</strong>r Dauer ihres Bestehens nicht aufzulösen. Die in die Rücklage eingestellten Mittel können auch <strong>de</strong>m<br />

Vermögen zugeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

16. Die Ansammlung und Verwendung von Mitteln zum Erwerb von Gesellschaftsrechten <strong>zur</strong> Erhaltung <strong>de</strong>r<br />

prozentualen Beteiligung an Kapitalgesellschaften schließen die Steuervergünstigungen nicht aus (§ 58<br />

Nr. 7 Buchstabe b). Die Herkunft <strong>de</strong>r Mittel ist dabei ohne Be<strong>de</strong>utung. § 58 Nr. 7 Buchstabe b ist nicht<br />

auf <strong>de</strong>n erstmaligen Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften anzuwen<strong>de</strong>n. Hierfür können u. a.<br />

freie Rücklagen nach § 58 Nr. 7 Buchstabe a eingesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

17. Die Höchstgrenze für die Zuführung zu <strong>de</strong>r freien Rücklage min<strong>de</strong>rt sich um <strong>de</strong>n Betrag, <strong>de</strong>n die<br />

Körperschaft zum Erwerb von Gesellschaftsrechten <strong>zur</strong> Erhaltung <strong>de</strong>r prozentualen Beteiligung an<br />

Kapitalgesellschaften ausgibt o<strong>de</strong>r bereitstellt. Übersteigt <strong>de</strong>r für die Erhaltung <strong>de</strong>r Beteiligungsquote<br />

verwen<strong>de</strong>te o<strong>de</strong>r bereitgestellte Betrag die Höchstgrenze, ist auch in <strong>de</strong>n Folgejahren eine Zuführung zu<br />

<strong>de</strong>r freien Rücklage erst wie<strong>de</strong>r möglich, wenn die für eine freie Rücklage verwendbaren Mittel<br />

insgesamt die für die Erhaltung <strong>de</strong>r Beteiligungsquote verwen<strong>de</strong>ten o<strong>de</strong>r bereitgestellten Mittel<br />

übersteigen. Die Zuführung von Mitteln zu Rücklagen nach § 58 Nr. 6 berührt die Höchstgrenze für die<br />

Bildung freier Rücklagen dagegen nicht.<br />

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<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 45 von 235


Beispiel:<br />

Freie Rücklage<br />

(§ 58 Nr. 7<br />

Buchstabe a)<br />

Euro Euro Euro<br />

Jahr 01<br />

Zuführung <strong>zur</strong> freien Rücklage 25 000<br />

Jahr 02<br />

Höchstbetrag für die Zuführung <strong>zur</strong> freien<br />

Rücklage:<br />

⅓ von 15 000 € = 5 000<br />

10 v. H. von 50 000 € = 5 000<br />

Ergibt 10 000<br />

Verwendung von Mitteln <strong>zur</strong> Erhaltung <strong>de</strong>r<br />

Beteiligungsquote<br />

25 000 25 000<br />

übersteigen<strong>de</strong>r Betrag ./. 15 000<br />

Zuführung <strong>zur</strong> freien Rücklage 0<br />

Jahr 03<br />

Höchstbetrag für die Zuführung <strong>zur</strong> freien<br />

Rücklage:<br />

⅓ von 30 000 € = 10 000<br />

10 v. H. von 100 000 € = 10 000<br />

Ergibt 20 000<br />

Übersteigen<strong>de</strong>r Betrag aus <strong>de</strong>m Jahr 02 ./. 15 000<br />

Verbleiben<strong>de</strong>r Betrag 5 000<br />

Zuführung <strong>zur</strong> freien Rücklage 5 000<br />

Verwendung von Mitteln<br />

<strong>zur</strong> Erhaltung <strong>de</strong>r<br />

Beteiligungsquote<br />

(§ 58 Nr. 7 Buchstabe b)<br />

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Zu § 58 Nrn. 6 und 7:<br />

18. Ob die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage gegeben sind, hat die steuerbegünstigte<br />

Körperschaft <strong>de</strong>m zuständigen Finanzamt im Einzelnen darzulegen. Weiterhin muss sie die Rücklagen<br />

nach § 58 Nrn. 6 und 7 in ihrer Rechnungslegung – ggf. in einer Nebenrechnung – geson<strong>de</strong>rt ausweisen,<br />

damit eine Kontrolle je<strong>de</strong>rzeit und ohne beson<strong>de</strong>ren Aufwand möglich ist (BFH-Urteil vom 20.12.1978 –<br />

I R 21/76 – BStBl. 1979 II, S. 496).<br />

Zu § 58 Nr. 8:<br />

19. Gesellige Zusammenkünfte, die im Vergleich <strong>zur</strong> steuerbegünstigten Tätigkeit nicht von untergeordneter<br />

Be<strong>de</strong>utung sind, schließen die Steuervergünstigung aus.<br />

Zu § 58 Nr. 10:<br />

20. Diese Ausnahmeregelung ermöglicht es <strong>de</strong>n ausschließlich von einer o<strong>de</strong>r mehreren<br />

Gebietskörperschaften errichteten rechtsfähigen und nichtrechtsfähigen Stiftungen, die Erfüllung ihrer<br />

steuerbegünstigten Zwecke mittelbar durch Zuschüsse an Wirtschaftsunternehmen zu verwirklichen.<br />

Diese mittelbare Zweckverwirklichung muss in <strong>de</strong>r Satzung festgelegt sein. Die Verwendung <strong>de</strong>r<br />

Zuschüsse für steuerbegünstigte Satzungszwecke muss nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 58 Nr. 11:<br />

21. Bei <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Vorschrift genannten Zuwendungen ist es ausnahmsweise zulässig, grundsätzlich zeitnah<br />

zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Mittel <strong>de</strong>m zulässigen Vermögen zuzuführen. Die Aufzählung ist abschließend. Unter<br />

Sachzuwendungen, die ihrer Natur nach zum Vermögen gehören, sind Wirtschaftsgüter zu verstehen, die<br />

ihrer Art nach von <strong>de</strong>r Körperschaft im i<strong>de</strong>ellen Bereich, im Rahmen <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung o<strong>de</strong>r im<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb genutzt wer<strong>de</strong>n können.<br />

Wer<strong>de</strong>n Mittel nach dieser Vorschrift <strong>de</strong>m Vermögen zugeführt, sind sie aus <strong>de</strong>r Bemessungsgrundlage<br />

für Zuführungen von sonstigen zeitnah zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mitteln nach § 58 Nr. 7 Buchstabe a<br />

heraus<strong>zur</strong>echnen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 46 von 235


Zu § 58 Nr. 12:<br />

22. Stiftungen dürfen im Jahr ihrer Errichtung und in <strong>de</strong>n zwei folgen<strong>de</strong>n Kalen<strong>de</strong>rjahren Überschüsse und<br />

Gewinne aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung, aus Zweckbetrieb und aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieben ganz o<strong>de</strong>r teilweise ihrem Vermögen zuführen. Für sonstige Mittel, z. B.<br />

Zuwendungen und Zuschüsse, gilt diese Regelung dagegen nicht.<br />

Liegen in einem Kalen<strong>de</strong>rjahr positive und negative Ergebnisse aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung, aus <strong>de</strong>n<br />

Zweckbetrieben und <strong>de</strong>m einheitlichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb vor, ist eine<br />

Zuführung zum Vermögen auf <strong>de</strong>n positiven Betrag begrenzt, <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r Verrechnung <strong>de</strong>r Ergebnisse<br />

verbleibt.<br />

Zu § 58 Nrn. 2 bis 12:<br />

23. Die in § 58 Nrn. 2 bis 9, 11 und 12 genannten Ausnahmetatbestän<strong>de</strong> können auch ohne entsprechen<strong>de</strong><br />

Satzungsbestimmung verwirklicht wer<strong>de</strong>n. Entgeltliche Tätigkeiten nach § 58 Nrn. 3, 4 o<strong>de</strong>r 8 begrün<strong>de</strong>n<br />

einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb o<strong>de</strong>r Vermögensverwaltung (z. B.<br />

Raumüberlassung). Bei <strong>de</strong>n Regelungen <strong>de</strong>s § 58 Nrn. 5, 10 und 12 kommt es jeweils nicht auf die<br />

Bezeichnung <strong>de</strong>r Körperschaft als Stiftung, son<strong>de</strong>rn auf die tatsächliche Rechtsform an. Dabei ist es<br />

unmaßgeblich, ob es sich um eine rechtsfähige o<strong>de</strong>r nichtrechtsfähige Stiftung han<strong>de</strong>lt.<br />

Zu § 59 – Voraussetzung <strong>de</strong>r Steuervergünstigung:<br />

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1. Die Vorschrift bestimmt u. a., dass die Steuervergünstigung nur gewährt wird, wenn ein<br />

steuerbegünstigter Zweck (§§ 52 bis 54), die Selbstlosigkeit (§ 55) und die ausschließliche und<br />

unmittelbare Zweckverfolgung (§§ 56, 57) durch die Körperschaft aus <strong>de</strong>r Satzung direkt hervorgehen.<br />

Eine weitere satzungsmäßige Voraussetzung in diesem Sinn ist die in § 61 gefor<strong>de</strong>rte<br />

Vermögensbindung. Das Unterhalten wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe (§ 14 Sätze 1 und 2 und § 64),<br />

die keine Zweckbetriebe (§§ 65 bis 68) sind, und die Vermögensverwaltung (§ 14 Satz 3) dürfen nicht<br />

Satzungszweck sein. Die Erlaubnis <strong>zur</strong> Unterhaltung eines Nichtzweckbetriebs und die<br />

Vermögensverwaltung in <strong>de</strong>r Satzung können zulässig sein (BFH-Urteil vom 18.12.2002 – I R 15/02 –<br />

BStBl. 2003 II, S. 384). Bei Körperschaften, die ausschließlich Mittel für an<strong>de</strong>re Körperschaften o<strong>de</strong>r<br />

Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts beschaffen (§ 58 Nr. 1), kann in <strong>de</strong>r Satzung auf das Gebot <strong>de</strong>r<br />

Unmittelbarkeit verzichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Bei mehreren Betrieben gewerblicher Art einer juristischen Person <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts ist für je<strong>de</strong>n<br />

Betrieb gewerblicher Art eine eigene Satzung erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

3. Ein beson<strong>de</strong>res Anerkennungsverfahren ist im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht nicht vorgesehen. Ob<br />

eine Körperschaft steuerbegünstigt ist, entschei<strong>de</strong>t das Finanzamt im Veranlagungsverfahren durch<br />

Steuerbescheid (ggf. Freistellungsbescheid). Dabei hat es von Amts wegen die tatsächlichen und<br />

rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung <strong>de</strong>r Steuer<br />

wesentlich sind. Eine Körperschaft, bei <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Ergebnis dieser Prüfung die gesetzlichen<br />

Voraussetzungen für die steuerliche Behandlung als steuerbegünstigte Körperschaft vorliegen, muss<br />

<strong>de</strong>shalb auch als solche behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ein entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Antrag gestellt wor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r nicht. Ein Verzicht auf die Behandlung als steuerbegünstigte<br />

Körperschaft ist somit für das Steuerrecht unbeachtlich.<br />

4. Auf Antrag einer neu gegrün<strong>de</strong>ten Körperschaft, bei <strong>de</strong>r die Voraussetzungen <strong>de</strong>r Steuervergünstigung<br />

noch nicht im Veranlagungsverfahren festgestellt wor<strong>de</strong>n sind, bescheinigt das zuständige Finanzamt<br />

vorläufig, z. B. für <strong>de</strong>n Empfang steuerbegünstigter Spen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r für eine Gebührenbefreiung, dass bei<br />

ihm die Körperschaft steuerlich erfasst ist und die eingereichte Satzung alle nach § 59 Satz 1, §§ 60<br />

und 61 gefor<strong>de</strong>rten Voraussetzungen erfüllt, welche u. a. für die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9<br />

KStG vorliegen müssen. Eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit darf erst ausgestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, wenn eine Satzung vorliegt, die <strong>de</strong>n gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften entspricht.<br />

5. Die vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit stellt keinen Verwaltungsakt, son<strong>de</strong>rn lediglich<br />

eine Auskunft über <strong>de</strong>n gekennzeichneten Teilbereich <strong>de</strong>r für die Steuervergünstigung erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Voraussetzungen dar. Sie sagt z. B. nichts über die Übereinstimmung von Satzung und tatsächlicher<br />

Geschäftsführung aus. Sie ist befristet zu erteilen und ist frei wi<strong>de</strong>rruflich (BFH-Beschluss vom<br />

7.5.1986 – I B 58/85 – BStBl. II, S. 677). Die Geltungsdauer sollte 18 Monate nicht überschreiten.<br />

6. Die Erteilung einer vorläufigen Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit kann auch in Betracht<br />

kommen, wenn eine Körperschaft schon längere Zeit existiert und die Gemeinnützigkeit im<br />

Veranlagungsverfahren versagt wur<strong>de</strong> (BFH-Beschluss vom 23.9.1998 – I B 82/98 – BStBl. 2000 II,<br />

S. 320).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 47 von 235


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6.1 Eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit ist in diesen Fällen auf Antrag zu erteilen,<br />

wenn die Körperschaft die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit im gesamten<br />

Veranlagungszeitraum, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Zeitraum <strong>de</strong>r Nichtgewährung folgt, voraussichtlich erfüllen wird. Ihre<br />

Geltungsdauer sollte 18 Monate nicht überschreiten.<br />

6.2 Darüber hinaus kann die Erteilung einer vorläufigen Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit auch dann<br />

geboten sein, wenn die Körperschaft nach Auffassung <strong>de</strong>s Finanzamts nicht gemeinnützig ist. In diesen<br />

Fällen darf die Bescheinigung nur erteilt wer<strong>de</strong>n, wenn die folgen<strong>de</strong>n Voraussetzungen erfüllt sind:<br />

6.2.1 Die Körperschaft muss gegen eine Entscheidung <strong>de</strong>s Finanzamts, mit <strong>de</strong>r die Erteilung einer vorläufigen<br />

Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit abgelehnt wur<strong>de</strong>, beim zuständigen Finanzgericht<br />

Rechtsschutz begehrt haben.<br />

6.2.2 Es müssen ernstliche Zweifel bestehen, ob die Ablehnung <strong>de</strong>r Gemeinnützigkeit im Klageverfahren<br />

bestätigt wird. Dies erfor<strong>de</strong>rt, dass die Körperschaft schlüssig darlegt und glaubhaft macht, dass sie die<br />

Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit nach ihrer Satzung und bei <strong>de</strong>r tatsächlichen<br />

Geschäftsführung erfüllt.<br />

6.2.3 Die wirtschaftliche Existenz <strong>de</strong>r Körperschaft muss in Folge <strong>de</strong>r Nichterteilung <strong>de</strong>r vorläufigen<br />

Bescheinigung gefähr<strong>de</strong>t sein. Für die Beurteilung sind die Verhältnisses im jeweiligen Einzelfall<br />

maßgeblich. Eine Existenzgefährdung kann nicht allein <strong>de</strong>shalb unterstellt wer<strong>de</strong>n, weil sich die<br />

Körperschaft bisher zu einem wesentlichen Teil aus Spen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r steuerlich abziehbaren<br />

Mitgliedsbeiträgen finanziert hat und wegen <strong>de</strong>r Nichtgewährung <strong>de</strong>r Steuervergünstigungen ein<br />

erheblicher Rückgang dieser Einnahmen zu erwarten ist. Sie liegt z. B. auch dann nicht vor, wenn die<br />

Körperschaft über ausreichen<strong>de</strong>s verwertbares Vermögen verfügt o<strong>de</strong>r sich ausreichen<strong>de</strong> Kredite<br />

verschaffen kann. Die Körperschaft muss als Antragsgrund die Existenzgefährdung schlüssig darlegen<br />

und glaubhaft machen.<br />

Die vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit nach Nr. 6.2 ist ggf. formlos zu erteilen. Sie<br />

muss die Körperschaft in die Lage versetzen, unter Hinweis auf die steuerliche Abzugsfähigkeit um<br />

Zuwendungen zu werben. Ihre Geltungsdauer ist bis zum rechtskräftigen Abschluss <strong>de</strong>s gerichtlichen<br />

Verfahrens zu befristen. Ob Auflagen, wie sie <strong>de</strong>r BFH in <strong>de</strong>m entschie<strong>de</strong>nen Fall beschlossen hat (u. a.<br />

vierteljährliche Einreichung von Aufstellungen über die Einnahmen und Ausgaben), sinnvoll und<br />

erfor<strong>de</strong>rlich sind, hängt von <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalls ab.<br />

7. Die vorläufige Bescheinigung wird durch <strong>de</strong>n Steuerbescheid (ggf. Freistellungsbescheid) ersetzt. Die<br />

Steuerbefreiung soll spätestens alle drei Jahre überprüft wer<strong>de</strong>n.<br />

8. Die Satzung einer Körperschaft ist vor <strong>de</strong>r Erteilung einer erstmaligen vorläufigen Bescheinigung über<br />

die Steuerbegünstigung o<strong>de</strong>r eines Freistellungsbescheids <strong>zur</strong> Körperschaft- und Gewerbesteuer<br />

sorgfältig zu prüfen. Wird eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit erteilt o<strong>de</strong>r die<br />

Steuerbegünstigung anerkannt, bei einer späteren Überprüfung <strong>de</strong>r Körperschaft aber festgestellt, dass die<br />

Satzung doch nicht <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Gemeinnützigkeitsrechts genügt, dürfen aus<br />

Vertrauensschutzgrün<strong>de</strong>n hieraus keine nachteiligen Folgerungen für die Vergangenheit gezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Körperschaft ist trotz <strong>de</strong>r fehlerhaften Satzung für abgelaufene Veranlagungszeiträume und für das<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr, in <strong>de</strong>m die Satzung beanstan<strong>de</strong>t wird, als steuerbegünstigt zu behan<strong>de</strong>ln. Dies gilt nicht,<br />

wenn bei <strong>de</strong>r tatsächlichen Geschäftsführung gegen Vorschriften <strong>de</strong>s Gemeinnützigkeitsrechts verstoßen<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Die Vertreter <strong>de</strong>r Körperschaft sind aufzufor<strong>de</strong>rn, die zu beanstan<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Teile <strong>de</strong>r Satzung so zu än<strong>de</strong>rn,<br />

dass die Körperschaft die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung erfüllt. Hierfür<br />

ist eine angemessene Frist zu setzen. Vereinen soll dabei in <strong>de</strong>r Regel eine Beschlussfassung in <strong>de</strong>r<br />

nächsten or<strong>de</strong>ntlichen Mitglie<strong>de</strong>rversammlung ermöglicht wer<strong>de</strong>n. Wird die Satzung innerhalb <strong>de</strong>r<br />

gesetzten Frist entsprechend <strong>de</strong>n Vorgaben <strong>de</strong>s Finanzamts geän<strong>de</strong>rt, ist die Steuervergünstigung für das<br />

<strong>de</strong>r Beanstandung <strong>de</strong>r Satzung folgen<strong>de</strong> Kalen<strong>de</strong>rjahr auch dann anzuerkennen, wenn zu Beginn <strong>de</strong>s<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahres noch keine ausreichen<strong>de</strong> Satzung vorgelegen hat.<br />

Die vorstehen<strong>de</strong>n Grundsätze gelten nicht, wenn die Körperschaft die Satzung geän<strong>de</strong>rt hat und eine<br />

geän<strong>de</strong>rte Satzungsvorschrift zu beanstan<strong>de</strong>n ist. In diesen Fällen fehlt es an einer Grundlage für die<br />

Gewährung von Vertrauensschutz.<br />

Zu § 60 – Anfor<strong>de</strong>rungen an die Satzung:<br />

1. Die Satzung muss so präzise gefasst sein, dass aus ihr unmittelbar entnommen wer<strong>de</strong>n kann, ob die<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>r Steuerbegünstigung vorliegen (formelle Satzungsmäßigkeit). Die bloße Bezugnahme<br />

auf Satzungen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Regelungen Dritter genügt nicht (BFH-Urteil vom 19.4.1989 – I R 3/88 –<br />

BStBl. II, S. 595).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 48 von 235


2. Die Satzung muss die in <strong>de</strong>r Mustersatzung bezeichneten Festlegungen enthalten, soweit sie für die jeweilige<br />

Körperschaft im Einzelfall einschlägig sind.<br />

Unter an<strong>de</strong>rem sind in folgen<strong>de</strong>n Fällen Abweichungen vom Wortlaut <strong>de</strong>r Mustersatzung möglich:<br />

a) Bei Mittelbeschaffungskörperschaften (§ 58 Nr. 1) kann entgegen § 1 <strong>de</strong>r Mustersatzung auf das Gebot<br />

<strong>de</strong>r Unmittelbarkeit verzichtet wer<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 1 zu § 59).<br />

b) Insbeson<strong>de</strong>re bei Stiftungen ist <strong>de</strong>r in § 3 <strong>de</strong>r Mustersatzung verwen<strong>de</strong>te Begriff „Mitglie<strong>de</strong>r“ durch eine<br />

an<strong>de</strong>re geeignete Formulierung zu ersetzen (vgl. § 55 Abs. 3).<br />

c) Körperschaften, <strong>de</strong>ren Gesellschafter o<strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r steuerbegünstigte Körperschaften sind und/o<strong>de</strong>r<br />

juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts, die die Mittel für steuerbegünstigte Zwecke verwen<strong>de</strong>n,<br />

können auf die Regelung in § 3 Satz 2 <strong>de</strong>r Mustersatzung verzichten.<br />

d) § 5 <strong>de</strong>r Mustersatzung kann in Satzungen von Vereinen ohne die Formulierung „Aufhebung“ verwen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Derselbe Aufbau und dieselbe Reihenfolge <strong>de</strong>r Bestimmungen wie in <strong>de</strong>r Mustersatzung wer<strong>de</strong>n nicht<br />

verlangt.<br />

3. Die Bestimmung, dass die Satzung die in <strong>de</strong>r Mustersatzung bezeichneten Festlegungen enthalten muss (§ 60<br />

Abs. 1 Satz 2), gilt für Körperschaften, die nach <strong>de</strong>m 31.12.2008 gegrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die ihre Satzung mit<br />

Wirkung nach diesem Zeitpunkt än<strong>de</strong>rn. Die Satzung einer Körperschaft, die bereits vor <strong>de</strong>m 1.1.2009<br />

bestan<strong>de</strong>n hat, braucht nicht allein <strong>zur</strong> Anpassung an die Festlegungen in <strong>de</strong>r Mustersatzung geän<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

4. Eine Satzung braucht nicht allein <strong>de</strong>swegen geän<strong>de</strong>rt zu wer<strong>de</strong>n, weil in ihr auf Vorschriften <strong>de</strong>s StAnpG<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r GemV verwiesen o<strong>de</strong>r das Wort „selbstlos“ nicht verwandt wird.<br />

5. Or<strong>de</strong>nsgemeinschaften haben eine <strong>de</strong>n Or<strong>de</strong>nsstatuten entsprechen<strong>de</strong> zusätzliche Erklärung nach <strong>de</strong>m Muster<br />

<strong>de</strong>r Anlage zu Nr. 5 zu § 60 abzugeben, die die zuständigen Organe <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>n bin<strong>de</strong>t.<br />

6. Die tatsächliche Geschäftsführung (vgl. § 63) muss mit <strong>de</strong>r Satzung übereinstimmen.<br />

7. Die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Anerkennung <strong>de</strong>r Steuerbegünstigung müssen<br />

– bei <strong>de</strong>r Körperschaftsteuer vom Beginn bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Veranlagungszeitraums,<br />

– bei <strong>de</strong>r Gewerbesteuer vom Beginn bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Erhebungszeitraums,<br />

– bei <strong>de</strong>r Grundsteuer zum Beginn <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, für das über die Steuerpflicht zu entschei<strong>de</strong>n ist (§ 9<br />

Abs. 2 GrStG),<br />

– bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuer zu <strong>de</strong>n sich aus § 13 Abs. 1 UStG ergeben<strong>de</strong>n Zeitpunkten,<br />

– bei <strong>de</strong>r Erbschaftsteuer zu <strong>de</strong>n sich aus § 9 ErbStG ergeben<strong>de</strong>n Zeitpunkten,<br />

erfüllt sein.<br />

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Zu § 61 – Satzungsmäßige Vermögensbindung:<br />

1. Die Vorschrift stellt klar, dass die zu <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r Selbstlosigkeit zählen<strong>de</strong> Bindung <strong>de</strong>s<br />

Vermögens für steuerbegünstigte Zwecke vor allem im Falle <strong>de</strong>r Auflösung <strong>de</strong>r Körperschaft aus <strong>de</strong>r<br />

Satzung genau hervorgehen muss (Mustersatzung, § 5). Als Empfänger <strong>de</strong>s Vermögens kommen in Betracht:<br />

– inländische steuerbegünstigte Körperschaften,<br />

– die in § 5 Abs. 2 Nummer 2 KStG aufgeführten Körperschaften,<br />

– juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts.<br />

2. Nach <strong>de</strong>m aufgehobenen § 61 Abs. 2 durfte bei Vorliegen zwingen<strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Satzung bestimmt<br />

wer<strong>de</strong>n, dass über die Verwendung <strong>de</strong>s Vermögens zu steuerbegünstigten Zwecken nach Auflösung o<strong>de</strong>r<br />

Aufhebung <strong>de</strong>r Körperschaft o<strong>de</strong>r bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke erst nach Einwilligung <strong>de</strong>s<br />

Finanzamts bestimmt wird. Eine Satzung braucht nicht allein <strong>de</strong>swegen geän<strong>de</strong>rt zu wer<strong>de</strong>n, weil sie eine vor<br />

<strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>s § 61 Abs. 2 zulässige Bestimmung über die Vermögensbindung enthält.<br />

3. Wird die satzungsmäßige Vermögensbindung aufgehoben, gilt sie von Anfang an als steuerlich nicht<br />

ausreichend. Die Regelung greift auch ein, wenn die Bestimmung über die Vermögensbindung erst zu einem<br />

Zeitpunkt geän<strong>de</strong>rt wird, in <strong>de</strong>m die Körperschaft nicht mehr als steuerbegünstigt anerkannt ist. Die<br />

entsprechen<strong>de</strong>n steuerlichen Folgerungen sind durch Steuerfestsetzung rückwirkend zu ziehen.<br />

4. Bei Verstößen gegen <strong>de</strong>n Grundsatz <strong>de</strong>r Vermögensbindung bil<strong>de</strong>t die Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff.)<br />

keine Grenze. Vielmehr können nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 auch Steuerbeschei<strong>de</strong> noch geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />

die Steuern betreffen, die innerhalb von zehn Jahren vor <strong>de</strong>r erstmaligen Verletzung <strong>de</strong>r<br />

Vermögensbindungsregelung entstan<strong>de</strong>n sind. Es kann <strong>de</strong>mnach auch dann noch zugegriffen wer<strong>de</strong>n, wenn<br />

zwischen <strong>de</strong>m steuerfreien Bezug <strong>de</strong>r Erträge und <strong>de</strong>m Wegfall <strong>de</strong>r Steuerbegünstigung ein Zeitraum von<br />

mehr als fünf Jahren liegt, selbst wenn in <strong>de</strong>r Zwischenzeit keine Erträge mehr zugeflossen sind.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 49 von 235


Beispiel:<br />

Eine gemeinnützige Körperschaft hat in <strong>de</strong>n Jahren 01 bis 11 steuerfreie Einnahmen aus einem Zweckbetrieb<br />

bezogen und diese teils für gemeinnützige Zwecke ausgegeben und zum Teil in eine Rücklage eingestellt.<br />

Eine in 11 vollzogene Satzungsän<strong>de</strong>rung sieht jetzt vor, dass bei Auflösung <strong>de</strong>s Vereins das Vermögen an<br />

die Mitglie<strong>de</strong>r ausgekehrt wird. In diesem Fall muss das Finanzamt für die Veranlagungszeiträume 01 ff.<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong> erlassen, welche die Nachversteuerung aller genannten Einnahmen vorsehen, wobei es<br />

unerheblich ist, ob die Einnahmen noch im Vereinsvermögen vorhan<strong>de</strong>n sind.<br />

5. Verstöße gegen § 55 Abs. 1 bis 3 begrün<strong>de</strong>n die Möglichkeit einer Nachversteuerung im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist.<br />

6. Die Nachversteuerung gem. § 61 Abs. 3 greift nicht nur bei gemeinnützigkeitsschädlichen Än<strong>de</strong>rungen<br />

satzungsrechtlicher Bestimmungen über die Vermögensbindung ein, son<strong>de</strong>rn erfasst auch die Fälle, in <strong>de</strong>nen<br />

die tatsächliche Geschäftsführung gegen die von § 61 gefor<strong>de</strong>rte Vermögensbindung verstößt (§ 63 Abs. 2).<br />

Beispiel:<br />

Eine gemeinnützige Körperschaft verwen<strong>de</strong>t bei ihrer Auflösung o<strong>de</strong>r bei Aufgabe ihres begünstigten<br />

Satzungszweckes ihr Vermögen entgegen <strong>de</strong>r Vermögensbindungsbestimmung in <strong>de</strong>r Satzung nicht für<br />

begünstigte Zwecke.<br />

7. Verstöße <strong>de</strong>r tatsächlichen Geschäftsführung gegen § 55 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 können so schwerwiegend sein,<br />

dass sie einer Verwendung <strong>de</strong>s gesamten Vermögens für satzungsfrem<strong>de</strong> Zwecke gleichkommen. Auch in<br />

diesen Fällen ist eine Nachversteuerung nach § 61 Abs. 3 möglich.<br />

8. Bei <strong>de</strong>r nachträglichen Besteuerung ist so zu verfahren, als ob die Körperschaft von Anfang an<br />

uneingeschränkt steuerpflichtig gewesen wäre. § 13 Abs. 3 KStG ist nicht anwendbar.<br />

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Zu § 63 – Anfor<strong>de</strong>rungen an die tatsächliche Geschäftsführung:<br />

1. Den Nachweis, dass die tatsächliche Geschäftsführung <strong>de</strong>n notwendigen Erfor<strong>de</strong>rnissen entspricht, hat die<br />

Körperschaft durch ordnungsmäßige Aufzeichnungen, insbeson<strong>de</strong>re Aufstellung <strong>de</strong>r Einnahmen und<br />

Ausgaben, Tätigkeitsbericht, Vermögensübersicht mit Nachweisen über die Bildung und Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Rücklagen) zu führen. Die Vorschriften <strong>de</strong>r AO über die Führung von Büchern und Aufzeichnungen<br />

(§§ 140 ff.) sind zu beachten. Die Vorschriften <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lsrechts einschließlich <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Buchführungsvorschriften gelten nur, sofern sich dies aus <strong>de</strong>r Rechtsform <strong>de</strong>r Körperschaft o<strong>de</strong>r aus ihrer<br />

wirtschaftlichen Tätigkeit ergibt. Bei <strong>de</strong>r Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke im Ausland besteht eine<br />

erhöhte Nachweispflicht (§ 90 Abs. 2).<br />

2. Die tatsächliche Geschäftsführung umfasst auch die Ausstellung steuerlicher Zuwendungsbestätigungen. Bei<br />

Missbräuchen auf diesem Gebiet, z. B. durch die Ausstellung von Gefälligkeitsbestätigungen, ist die<br />

Steuerbegünstigung zu versagen.<br />

3. Die tatsächliche Geschäftsführung muss sich im Rahmen <strong>de</strong>r verfassungsmäßigen Ordnung halten, da die<br />

Rechtsordnung als selbstverständlich das gesetzestreue Verhalten aller Rechtsunterworfenen voraussetzt. Als<br />

Verstoß gegen die Rechtsordnung, <strong>de</strong>r die Steuerbegünstigung ausschließt, kommt auch eine<br />

Steuerverkürzung in Betracht (BFH-Urteil vom 27.9.2001 – V R 17/99 – BStBl. 2002 II, S. 169). Die<br />

verfassungsmäßige Ordnung wird schon durch die Nichtbefolgung von polizeilichen Anordnungen<br />

durchbrochen (BFH-Urteil vom 29.8.1984, BStBl. 1985 II, S. 106). Gewaltfreier Wi<strong>de</strong>rstand, z. B.<br />

Sitzblocka<strong>de</strong>n, gegen geplante Maßnahmen <strong>de</strong>s Staates verstößt grundsätzlich nicht gegen die<br />

verfassungsmäßige Ordnung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 10.1.1995 – 1 BvR 718/89, 1 BvR 719/89, 1 BvR<br />

722/89, 1 BvR 723/89 – BVerfGE 92, 1 bis 25).<br />

Zu § 64 – Steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe:<br />

Zu § 64 Abs. 1:<br />

1. Als Gesetz, das die Steuervergünstigung teilweise, nämlich für <strong>de</strong>n wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb<br />

(§ 14 Sätze 1 und 2), ausschließt, ist das jeweilige Steuergesetz zu verstehen, also § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG,<br />

§ 3 Nr. 6 GewStG, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 UStG, § 3 Abs. 1 Nr. 3b GrStG i. V. m. A 12 Abs. 4 GrStR.<br />

2. Wegen <strong>de</strong>s Begriffs „Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb“ wird auf § 14 hingewiesen. Zum Begriff <strong>de</strong>r<br />

„Nachhaltigkeit“ bei wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben siehe BFH-Urteil vom 21.8.1985 – I R 60/80 –<br />

BStBl. 1986 II, S. 88). Danach ist eine Tätigkeit grundsätzlich nachhaltig, wenn sie auf Wie<strong>de</strong>rholung<br />

angelegt ist. Es genügt, wenn bei <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>r allgemeine Wille besteht, gleichartige o<strong>de</strong>r ähnliche<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 50 von 235


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Handlungen bei sich bieten<strong>de</strong>r Gelegenheit zu wie<strong>de</strong>rholen. Wie<strong>de</strong>rholte Tätigkeiten liegen auch vor,<br />

wenn <strong>de</strong>r Grund zum Tätigwer<strong>de</strong>n auf einem einmaligen Entschluss beruht, die Erledigung aber mehrere<br />

(Einzel-)Tätigkeiten erfor<strong>de</strong>rt. Die Einnahmen aus <strong>de</strong>r Verpachtung eines vorher selbst betriebenen<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs unterliegen solange <strong>de</strong>r Körperschaft- und Gewerbesteuer, bis die<br />

Körperschaft die Betriebsaufgabe erklärt (BFH-Urteil vom 4.4.2007 – I R 55/06 – BStBl. II, S. 725).<br />

3. Ob eine an einer Personengesellschaft o<strong>de</strong>r Gemeinschaft beteiligte steuerbegünstigte Körperschaft<br />

gewerbliche Einkünfte bezieht und damit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 Sätze 1 und 2)<br />

unterhält, wird im einheitlichen und geson<strong>de</strong>rten Gewinnfeststellungsbescheid <strong>de</strong>r Personengesellschaft<br />

bin<strong>de</strong>nd festgestellt (BFH-Urteil vom 27.7.1988 – I R 113/84 – BStBl. 1989 II, S. 134). Ob <strong>de</strong>r<br />

wirtschaftliche Geschäftsbetrieb steuerpflichtig ist o<strong>de</strong>r ein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68) vorliegt, ist<br />

dagegen bei <strong>de</strong>r Körperschaftsteuerveranlagung <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Körperschaft zu entschei<strong>de</strong>n. Die<br />

Beteiligung einer steuerbegünstigten Körperschaft an einer Kapitalgesellschaft ist grundsätzlich<br />

Vermögensverwaltung (§ 14 Satz 3). Sie stellt jedoch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar, wenn<br />

mit ihr tatsächlich ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Einfluss auf die laufen<strong>de</strong> Geschäftsführung <strong>de</strong>r Kapitalgesellschaft<br />

ausgeübt wird o<strong>de</strong>r ein Fall <strong>de</strong>r Betriebsaufspaltung vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 30.6.1971 –<br />

I R 57/70 – BStBl. II, S. 753; H 15.7 Abs. 4 bis 6 EStH). Besteht die Beteiligung an einer<br />

Kapitalgesellschaft, die selbst ausschließlich <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung dient, so liegt auch bei<br />

Einflussnahme auf die Geschäftsführung kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor (vgl. R 16 Abs. 5<br />

KStR). Dies gilt auch bei Beteiligung an einer steuerbegünstigten Kapitalgesellschaft. Die Grundsätze<br />

<strong>de</strong>r Betriebsaufspaltung sind nicht anzuwen<strong>de</strong>n, wenn sowohl das Betriebs- als auch das<br />

Besitzunternehmen steuerbegünstigt sind. Dies gilt aber nur insoweit, als die überlassenen wesentlichen<br />

Betriebsgrundlagen bei <strong>de</strong>m Betriebsunternehmen nicht in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb eingesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

4. Bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s Gewinns aus <strong>de</strong>m wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sind die Betriebsausgaben zu<br />

berücksichtigen, die durch <strong>de</strong>n Betrieb veranlasst sind. Dazu gehören Ausgaben, die <strong>de</strong>m Betrieb<br />

unmittelbar zuzuordnen sind, weil sie ohne <strong>de</strong>n Betrieb nicht o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st nicht in dieser Höhe<br />

angefallen wären.<br />

5. Bei so genannten gemischt veranlassten Kosten, die sowohl durch die steuerfreie als auch durch die<br />

steuerpflichtige Tätigkeit veranlasst sind, schei<strong>de</strong>t eine Berücksichtigung als Betriebsausgaben <strong>de</strong>s<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs grundsätzlich aus, wenn sie ihren primären Anlass<br />

im steuerfreien Bereich haben. Wer<strong>de</strong>n z. B. Werbemaßnahmen bei sportlichen o<strong>de</strong>r kulturellen<br />

Veranstaltungen durchgeführt, sind die Veranstaltungskosten, soweit sie auch ohne die Werbung<br />

entstan<strong>de</strong>n wären, keine Betriebsausgaben <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs<br />

„Werbung“ (BFH-Urteil vom 27.3.1991 – I R 31/89 – BStBl. 1992 II, S. 103; <strong>zur</strong> pauschalen<br />

Gewinnermittlung bei Werbung im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Tätigkeit einschließlich<br />

Zweckbetrieben vgl. Nrn. 28 ff.).<br />

6. Unabhängig von ihrer primären Veranlassung ist eine anteilige Berücksichtigung von gemischt<br />

veranlassten Aufwendungen (einschließlich Absetzung für Abnutzung) als Betriebsausgaben <strong>de</strong>s<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs dann zulässig, wenn ein objektiver Maßstab für die<br />

Aufteilung <strong>de</strong>r Aufwendungen (z. B. nach zeitlichen Gesichtspunkten) auf <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>ellen Bereich<br />

einschließlich <strong>de</strong>r Zweckbetriebe und <strong>de</strong>n steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb besteht.<br />

Danach ist z. B. bei <strong>de</strong>r Gewinnermittlung für <strong>de</strong>n steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb<br />

„Greenfee“ von steuerbegünstigten Golfvereinen – abweichend von <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>s BFH-Urteils<br />

vom 27.3.1991 – I R 31/89 – BStBl. 1992 II, S. 103) – wegen <strong>de</strong>r Abgrenzbarkeit nach objektiven<br />

Maßstäben (z. B. im Verhältnis <strong>de</strong>r Nutzung <strong>de</strong>r Golfanlage durch vereinsfrem<strong>de</strong> Spieler zu <strong>de</strong>n Golf<br />

spielen<strong>de</strong>n Vereinsmitglie<strong>de</strong>rn im Kalen<strong>de</strong>rjahr) trotz primärer Veranlassung durch <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>ellen Bereich<br />

<strong>de</strong>s Golfvereins ein anteiliger Betriebsausgabenabzug <strong>de</strong>r Aufwendungen (z. B. für Golfplatz- und<br />

Personalkosten) zulässig. Bei gemeinnützigen Musikvereinen sind Aufwendungen, die zu einem Teil mit<br />

Auftritten ihrer Musikgruppen bei eigenen steuerpflichtigen Festveranstaltungen zusammenhängen,<br />

anteilig als Betriebsausgaben <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs abzuziehen.<br />

Derartige Aufwendungen sind z. B. Kosten für Notenmaterial, Uniformen und Verstärkeranlagen, die<br />

sowohl bei Auftritten, die unentgeltlich erfolgen o<strong>de</strong>r Zweckbetriebe sind, als auch bei Auftritten im<br />

Rahmen eines eigenen steuerpflichtigen Betriebs eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Als Maßstab für die Aufteilung<br />

kommt die Zahl <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>n, die einschließlich <strong>de</strong>r Proben auf die jeweiligen Bereiche entfallen, in<br />

Betracht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 51 von 235


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Auch die Personal- und Sachkosten für die allgemeine Verwaltung können grundsätzlich im<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb abgezogen wer<strong>de</strong>n, soweit sie bei einer Aufteilung nach objektiven<br />

Maßstäben teilweise darauf entfallen. Bei Kosten für die Errichtung und Unterhaltung von<br />

Vereinsheimen gibt es i. d. R. keinen objektiven Aufteilungsmaßstab.<br />

7. Unter Sponsoring wird üblicherweise die Gewährung von Geld o<strong>de</strong>r geldwerten Vorteilen durch<br />

Unternehmen <strong>zur</strong> För<strong>de</strong>rung von Personen, Gruppen und/o<strong>de</strong>r Organisationen in sportlichen, kulturellen,<br />

kirchlichen, wissenschaftlichen, sozialen, ökologischen o<strong>de</strong>r ähnlich be<strong>de</strong>utsamen<br />

gesellschaftspolitischen Bereichen verstan<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>r regelmäßig auch eigene unternehmensbezogene<br />

Ziele <strong>de</strong>r Werbung o<strong>de</strong>r Öffentlichkeitsarbeit verfolgt wer<strong>de</strong>n. Leistungen eines Sponsors beruhen häufig<br />

auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen <strong>de</strong>m Sponsor und <strong>de</strong>m Empfänger <strong>de</strong>r Leistungen<br />

(Sponsoring-Vertrag), in <strong>de</strong>m Art und Umfang <strong>de</strong>r Leistungen <strong>de</strong>s Sponsors und <strong>de</strong>s Empfängers geregelt<br />

sind.<br />

8. Die im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Sponsoring erhaltenen Leistungen können bei einer steuerbegünstigten<br />

Körperschaft steuerfreie Einnahmen im i<strong>de</strong>ellen Bereich, steuerfreie Einnahmen aus <strong>de</strong>r<br />

Vermögensverwaltung o<strong>de</strong>r Einnahmen eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs sein.<br />

Die steuerliche Behandlung <strong>de</strong>r Leistungen beim Empfänger hängt grundsätzlich nicht davon ab, wie die<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Aufwendungen beim leisten<strong>de</strong>n Unternehmen behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Für die Abgrenzung<br />

gelten die allgemeinen Grundsätze.<br />

9. Danach liegt kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor, wenn die steuerbegünstigte Körperschaft <strong>de</strong>m<br />

Sponsor nur die Nutzung ihres Namens zu Werbezwecken in <strong>de</strong>r Weise gestattet, dass <strong>de</strong>r Sponsor selbst<br />

zu Werbezwecken o<strong>de</strong>r <strong>zur</strong> Imagepflege auf seine Leistungen an die Körperschaft hinweist.<br />

Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb liegt auch dann nicht vor, wenn <strong>de</strong>r Empfänger <strong>de</strong>r Leistungen z. B.<br />

auf Plakaten, Veranstaltungshinweisen, in Ausstellungskatalogen o<strong>de</strong>r in an<strong>de</strong>rer Weise auf die<br />

Unterstützung durch einen Sponsor lediglich hinweist. Dieser Hinweis kann unter Verwendung <strong>de</strong>s<br />

Namens, Emblems o<strong>de</strong>r Logos <strong>de</strong>s Sponsors, jedoch ohne beson<strong>de</strong>re Hervorhebung, erfolgen.<br />

Entsprechen<strong>de</strong> Sponsoringeinnahmen sind nicht als Einnahmen aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung<br />

anzusehen. Eine Zuführung <strong>zur</strong> freien Rücklage nach § 58 Nr. 7 Buchstabe a ist daher lediglich i. H. v.<br />

10 v. H. <strong>de</strong>r Einnahmen, nicht aber i. H. v. einem Drittel <strong>de</strong>s daraus erzielten Überschusses möglich.<br />

10. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb liegt dagegen vor, wenn die Körperschaft an <strong>de</strong>n<br />

Werbemaßnahmen mitwirkt. Dies ist z. B. <strong>de</strong>r Fall, wenn die Körperschaft <strong>de</strong>m Sponsor das Recht<br />

einräumt, in einem von ihr herausgegebenen Publikationsorgan Werbeanzeigen zu schalten, einschlägige<br />

sponsorbezogene Themen darzustellen und bei Veranstaltungen <strong>de</strong>r Körperschaft <strong>de</strong>ren Mitglie<strong>de</strong>r über<br />

diese Themen zu informieren und dafür zu werben (vgl. BFH-Urteil vom 7.11.2007 – I R 42/06 – BStBl.<br />

2008 II, S. 949). Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kann kein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68) sein. Soweit<br />

Sponsoringeinnahmen unmittelbar in einem aus an<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb anfallen, sind sie diesem zu<strong>zur</strong>echnen.<br />

Zu § 64 Abs. 2:<br />

11. Die Regelung, dass bei steuerbegünstigten Körperschaften mehrere steuerpflichtige wirtschaftliche<br />

Geschäftsbetriebe als ein Betrieb zu behan<strong>de</strong>ln sind, gilt auch für die Ermittlung <strong>de</strong>s steuerpflichtigen<br />

Einkommens <strong>de</strong>r Körperschaft und für die Beurteilung <strong>de</strong>r Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 1. Für<br />

die Frage, ob die Grenzen für die Buchführungspflicht überschritten sind, kommt es also auf die Werte<br />

(Einnahmen, Überschuss) <strong>de</strong>s Gesamtbetriebs an.<br />

12. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 3 gilt auch für <strong>de</strong>n steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.<br />

Das be<strong>de</strong>utet u. a., dass Verluste und Gewinnmin<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>n einzelnen steuerpflichtigen<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben nicht durch Zuwendungen an Mitglie<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r durch<br />

unverhältnismäßig hohe Vergütungen entstan<strong>de</strong>n sein dürfen.<br />

13. Bei einer Körperschaft, die mehrere steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhält, ist für<br />

die Frage, ob gemeinnützigkeitsschädliche Verluste vorliegen, nicht auf das Ergebnis <strong>de</strong>s einzelnen<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, son<strong>de</strong>rn auf das zusammengefasste Ergebnis aller<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe abzustellen. Danach ist die Gemeinnützigkeit einer<br />

Körperschaft gefähr<strong>de</strong>t, wenn die steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe insgesamt Verluste<br />

erwirtschaften (vgl. zu § 55, Nrn. 4 ff.).<br />

In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 64 Abs. 5 und 6 ist nicht <strong>de</strong>r geschätzte bzw. pauschal ermittelte Gewinn, son<strong>de</strong>rn das<br />

Ergebnis zu berücksichtigen, das sich bei einer Ermittlung nach <strong>de</strong>n allgemeinen Regelungen ergeben<br />

wür<strong>de</strong> (vgl. Nrn. 4 bis 6).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 52 von 235


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Zu § 64 Abs. 3:<br />

14. Die Höhe <strong>de</strong>r Einnahmen aus <strong>de</strong>n steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben bestimmt sich<br />

nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>r steuerlichen Gewinnermittlung. Bei steuerbegünstigten Körperschaften, die<br />

<strong>de</strong>n Gewinn nach § 4 Abs. 1 o<strong>de</strong>r § 5 EStG ermitteln, kommt es <strong>de</strong>shalb nicht auf <strong>de</strong>n Zufluss i. S. d.<br />

§ 11 EStG an, so dass auch For<strong>de</strong>rungszugänge als Einnahmen zu erfassen sind. Bei an<strong>de</strong>ren<br />

steuerbegünstigten Körperschaften sind die im Kalen<strong>de</strong>rjahr zugeflossenen Einnahmen (§ 11 EStG)<br />

maßgeblich. Ob die Einnahmen die Besteuerungsgrenze übersteigen, ist für je<strong>de</strong>s Jahr geson<strong>de</strong>rt zu<br />

prüfen. Nicht leistungsbezogene Einnahmen sind nicht <strong>de</strong>n für die Besteuerungsgrenze maßgeblichen<br />

Einnahmen zu<strong>zur</strong>echnen (vgl. Nr. 16).<br />

15. Zu <strong>de</strong>n Einnahmen i. S. d. § 64 Abs. 3 gehören leistungsbezogene Einnahmen einschließlich<br />

Umsatzsteuer aus <strong>de</strong>m laufen<strong>de</strong>n Geschäft, wie Einnahmen aus <strong>de</strong>m Verkauf von Speisen und Getränken.<br />

Dazu zählen auch erhaltene Anzahlungen.<br />

16. Zu <strong>de</strong>n leistungsbezogenen Einnahmen i. S. d. Nr. 15 gehören z. B. nicht<br />

a) <strong>de</strong>r Erlös aus <strong>de</strong>r Veräußerung von Wirtschaftsgütern <strong>de</strong>s Anlagevermögens <strong>de</strong>s steuerpflichtigen<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs;<br />

b) Betriebskostenzuschüsse sowie Zuschüsse für die Anschaffung o<strong>de</strong>r Herstellung von<br />

Wirtschaftsgütern <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs;<br />

c) Investitionszulagen;<br />

d) <strong>de</strong>r Zufluss von Darlehen;<br />

e) Entnahmen i. S. d. § 4 Abs. 1 EStG;<br />

f) die Auflösung von Rücklagen;<br />

g) erstattete Betriebsausgaben, z. B. Gewerbe- o<strong>de</strong>r Umsatzsteuer;<br />

h) Versicherungsleistungen mit Ausnahme <strong>de</strong>s Ersatzes von leistungsbezogenen Einnahmen.<br />

17. Ist eine steuerbegünstigte Körperschaft an einer Personengesellschaft o<strong>de</strong>r Gemeinschaft beteiligt, sind<br />

für die Beurteilung, ob die Besteuerungsgrenze überschritten wird, die anteiligen (Brutto-)Einnahmen aus<br />

<strong>de</strong>r Beteiligung – nicht aber <strong>de</strong>r Gewinnanteil – maßgeblich. Bei Beteiligung einer steuerbegünstigten<br />

Körperschaft an einer Kapitalgesellschaft sind die Bezüge i. S. d. § 8b Abs. 1 KStG und die Erlöse aus<br />

<strong>de</strong>r Veräußerung von Anteilen i. S. d. § 8b Abs. 2 KStG als Einnahmen i. S. d. § 64 Abs. 3 zu erfassen,<br />

wenn die Beteiligung einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellt (vgl. Nr. 3) o<strong>de</strong>r<br />

in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gehalten wird.<br />

18. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 64 Abs. 5 und 6 sind für die Prüfung, ob die Besteuerungsgrenze i. S. d. § 64 Abs. 3<br />

überschritten wird, die tatsächlichen Einnahmen anzusetzen.<br />

19. Einnahmen aus sportlichen Veranstaltungen, die nach § 67a Abs. 1 Satz 1 o<strong>de</strong>r – bei einer Option –<br />

Abs. 3 kein Zweckbetrieb sind, gehören zu <strong>de</strong>n Einnahmen i. S. d. § 64 Abs. 3.<br />

Beispiel:<br />

Ein Sportverein, <strong>de</strong>r auf die Anwendung <strong>de</strong>s § 67a Abs. 1 Satz 1 (Zweckbetriebsgrenze) verzichtet hat,<br />

erzielt im Jahr 01 folgen<strong>de</strong> Einnahmen aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben:<br />

Sportliche Veranstaltungen, an <strong>de</strong>nen kein bezahlter<br />

40 000 €<br />

Sportler teilgenommen hat:<br />

Sportliche Veranstaltungen, an <strong>de</strong>nen bezahlte Sportler<br />

20 000 €<br />

<strong>de</strong>s Vereins teilgenommen haben:<br />

Verkauf von Speisen und Getränken: 5 000 €<br />

Die Einnahmen aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die keine Zweckbetriebe sind, betragen<br />

25 000 € (20 000 € + 5 000 €). Die Besteuerungsgrenze von 35 000 € wird nicht überschritten.<br />

20. Eine wirtschaftliche Betätigung verliert durch das Unterschreiten <strong>de</strong>r Besteuerungsgrenze nicht <strong>de</strong>n<br />

Charakter <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Das be<strong>de</strong>utet, dass kein Beginn einer<br />

teilweisen Steuerbefreiung i. S. d. § 13 Abs. 5 KStG vorliegt und <strong>de</strong>mentsprechend keine<br />

Schlussbesteuerung durchzuführen ist, wenn Körperschaft- und Gewerbesteuer wegen § 64 Abs. 3 nicht<br />

mehr erhoben wer<strong>de</strong>n.<br />

21. Bei Körperschaften mit einem vom Kalen<strong>de</strong>rjahr abweichen<strong>de</strong>n Wirtschaftsjahr sind für die Frage, ob die<br />

Besteuerungsgrenze überschritten wird, die in <strong>de</strong>m Wirtschaftsjahr erzielten Einnahmen maßgeblich.<br />

22. Der allgemeine Grundsatz <strong>de</strong>s Gemeinnützigkeitsrechts, dass für die steuerbegünstigten Zwecke<br />

gebun<strong>de</strong>ne Mittel nicht für <strong>de</strong>n Ausgleich von Verlusten aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieben verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n dürfen, wird durch § 64 Abs. 3 nicht aufgehoben. Unter diesem<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 53 von 235


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Gesichtspunkt braucht jedoch bei Unterschreiten <strong>de</strong>r Besteuerungsgrenze <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r<br />

Mittelverwendung nicht nachgegangen zu wer<strong>de</strong>n, wenn bei überschlägiger Prüfung <strong>de</strong>r Aufzeichnungen<br />

erkennbar ist, dass in <strong>de</strong>m steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64 Abs. 2) keine<br />

Verluste entstan<strong>de</strong>n sind.<br />

23. Verluste und Gewinne aus Jahren, in <strong>de</strong>nen die maßgeblichen Einnahmen die Besteuerungsgrenze nicht<br />

übersteigen, bleiben bei <strong>de</strong>m Verlustabzug (§ 10d EStG) außer Ansatz. Ein rück- und vortragbarer<br />

Verlust kann danach nur in Jahren entstehen, in <strong>de</strong>nen die Einnahmen die Besteuerungsgrenze<br />

übersteigen. Dieser Verlust wird nicht für Jahre verbraucht, in <strong>de</strong>nen die Einnahmen die<br />

Besteuerungsgrenze von 35 000 € nicht übersteigen.<br />

Zu § 64 Abs. 4:<br />

24. § 64 Abs. 4 gilt nicht für regionale Unterglie<strong>de</strong>rungen (Lan<strong>de</strong>s-, Bezirks-, Ortsverbän<strong>de</strong>)<br />

steuerbegünstigter Körperschaften.<br />

Zu § 64 Abs. 5:<br />

25. § 64 Abs. 5 gilt nur für Altmaterialsammlungen (Sammlung und Verwertung von Lumpen, Altpapier,<br />

Schrott). Die Regelung gilt nicht für <strong>de</strong>n Einzelverkauf gebrauchter Sachen (Gebrauchtwarenhan<strong>de</strong>l).<br />

Basare und ähnliche Einrichtungen sind <strong>de</strong>shalb nicht begünstigt (vgl. BFH-Urteil vom 11.2.2009 – I R<br />

73/08 – BStBl. II, S. 516).<br />

26. § 64 Abs. 5 ist nur anzuwen<strong>de</strong>n, wenn die Körperschaft dies beantragt (Wahlrecht).<br />

27. Der branchenübliche Reingewinn ist bei <strong>de</strong>r Verwertung von Altpapier mit 5 v. H. und bei <strong>de</strong>r<br />

Verwertung von an<strong>de</strong>rem Altmaterial mit 20 v. H. <strong>de</strong>r Einnahmen anzusetzen.<br />

Zu § 64 Abs. 6:<br />

28. Bei <strong>de</strong>n genannten steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ist <strong>de</strong>r Besteuerung auf Antrag<br />

<strong>de</strong>r Körperschaft ein Gewinn von 15 v. H. <strong>de</strong>r Einnahmen zugrun<strong>de</strong> zu legen. Der Antrag gilt jeweils für<br />

alle gleichartigen Tätigkeiten in <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum. Er entfaltet keine<br />

Bindungswirkung für folgen<strong>de</strong> Veranlagungszeiträume.<br />

29. Nach § 64 Abs. 6 Nr. 1 kann <strong>de</strong>r Gewinn aus Werbemaßnahmen pauschal ermittelt wer<strong>de</strong>n, wenn sie im<br />

Zusammenhang mit <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Tätigkeit einschließlich Zweckbetrieben stattfin<strong>de</strong>n. Beispiele<br />

für <strong>de</strong>rartige Werbemaßnahmen sind die Trikot- o<strong>de</strong>r Ban<strong>de</strong>nwerbung bei Sportveranstaltungen, die ein<br />

Zweckbetrieb sind, o<strong>de</strong>r die aktive Werbung in Programmheften o<strong>de</strong>r auf Plakaten bei kulturellen<br />

Veranstaltungen. Dies gilt auch für Sponsoring i. S. v. Nr. 10.<br />

30. Soweit Werbeeinnahmen nicht im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ellen steuerbegünstigten Tätigkeit o<strong>de</strong>r<br />

einem Zweckbetrieb erzielt wer<strong>de</strong>n, z. B. Werbemaßnahmen bei einem Vereinsfest o<strong>de</strong>r bei sportlichen<br />

Veranstaltungen, die wegen Überschreitens <strong>de</strong>r Zweckbetriebsgrenze <strong>de</strong>s § 67a Abs. 1 o<strong>de</strong>r wegen <strong>de</strong>s<br />

Einsatzes bezahlter Sportler ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sind, ist § 64 Abs. 6<br />

nicht anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

31. Nach § 64 Abs. 6 Nr. 2 kann auch <strong>de</strong>r Gewinn aus <strong>de</strong>m Totalisatorbetrieb <strong>de</strong>r Pfer<strong>de</strong>rennvereine mit<br />

15 v. H. <strong>de</strong>r Einnahmen angesetzt wer<strong>de</strong>n. Die maßgeblichen Einnahmen ermitteln sich wie folgt:<br />

Wetteinnahmen<br />

abzgl. Rennwettsteuer (Totalisatorsteuer)<br />

abzgl. Auszahlungen an die Wetter.<br />

Zu § 64 Abs. 5 und 6:<br />

32. Wird in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 64 Abs. 5 o<strong>de</strong>r 6 kein Antrag auf Schätzung <strong>de</strong>s Überschusses o<strong>de</strong>r auf<br />

pauschale Gewinnermittlung gestellt, ist <strong>de</strong>r Gewinn nach <strong>de</strong>n allgemeinen Regeln durch<br />

Gegenüberstellung <strong>de</strong>r Betriebseinnahmen und <strong>de</strong>r Betriebsausgaben zu ermitteln (vgl. Nrn. 4 bis 6).<br />

33. Wird <strong>de</strong>r Überschuss nach § 64 Abs. 5 geschätzt o<strong>de</strong>r nach § 64 Abs. 6 pauschal ermittelt, sind dadurch<br />

auch die damit zusammenhängen<strong>de</strong>n tatsächlichen Aufwendungen <strong>de</strong>r Körperschaft abgegolten; sie<br />

können nicht zusätzlich abgezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

34. Wird <strong>de</strong>r Überschuss nach § 64 Abs. 5 geschätzt o<strong>de</strong>r nach § 64 Abs. 6 pauschal ermittelt, muss die<br />

Körperschaft die mit diesen Einnahmen im Zusammenhang stehen<strong>de</strong>n Einnahmen und Ausgaben<br />

geson<strong>de</strong>rt aufzeichnen. Die genaue Höhe <strong>de</strong>r Einnahmen wird <strong>zur</strong> Ermittlung <strong>de</strong>s Gewinns nach § 64<br />

Abs. 5 bzw. 6 benötigt. Die mit diesen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben<br />

zusammenhängen<strong>de</strong>n Ausgaben dürfen das Ergebnis <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetriebe nicht min<strong>de</strong>rn.<br />

35. Die in <strong>de</strong>n Bruttoeinnahmen ggf. enthaltene Umsatzsteuer gehört nicht zu <strong>de</strong>n maßgeblichen Einnahmen<br />

i. S. d. § 64 Abs. 5 und 6.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 54 von 235


Zu § 65 – Zweckbetrieb:<br />

1. Der Zweckbetrieb ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i. S. v. § 14. Jedoch wird ein wirtschaftlicher<br />

Geschäftsbetrieb unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich <strong>de</strong>m begünstigten Bereich <strong>de</strong>r Körperschaft<br />

zugerechnet.<br />

2. Ein Zweckbetrieb muss tatsächlich und unmittelbar satzungsmäßige Zwecke <strong>de</strong>r Körperschaft verwirklichen,<br />

die ihn betreibt. Es genügt nicht, wenn er begünstigte Zwecke verfolgt, die nicht satzungsmäßige Zwecke <strong>de</strong>r<br />

ihn tragen<strong>de</strong>n Körperschaft sind. Ebenso wenig genügt es, wenn er <strong>de</strong>r Verwirklichung begünstigter Zwecke<br />

nur mittelbar dient, z. B. durch Abführung seiner Erträge (BFH-Urteil vom 21.8.1985 – I R 60/80 –<br />

BStBl. 1986 II, S. 88). Ein Zweckbetrieb muss <strong>de</strong>shalb in seiner Gesamtrichtung mit <strong>de</strong>n ihn begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Tätigkeiten und nicht nur mit <strong>de</strong>n durch ihn erzielten Einnahmen <strong>de</strong>n steuerbegünstigten Zwecken dienen<br />

(BFH-Urteil vom 26.4.1995 – I R 35/93 – BStBl. II, S. 767).<br />

3. Weitere Voraussetzung eines Zweckbetriebes ist, dass die Zwecke <strong>de</strong>r Körperschaft nur durch ihn erreicht<br />

wer<strong>de</strong>n können. Die Körperschaft muss <strong>de</strong>n Zweckbetrieb <strong>zur</strong> Verwirklichung ihrer satzungsmäßigen<br />

Zwecke unbedingt und unmittelbar benötigen. Dies ist z. B. nicht <strong>de</strong>r Fall beim Betrieb einer<br />

Beschaffungsstelle (zentraler Ein- und Verkauf von Ausrüstungsgegenstän<strong>de</strong>n, Auftragsbeschaffung etc.), da<br />

dieser we<strong>de</strong>r unentbehrlich noch das einzige Mittel <strong>zur</strong> Erreichung <strong>de</strong>s steuerbegünstigten Zwecks ist.<br />

4. Der Wettbewerb eines Zweckbetriebes zu nicht begünstigten Betrieben <strong>de</strong>rselben o<strong>de</strong>r ähnlicher Art muss<br />

auf das <strong>zur</strong> Erfüllung <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbare Maß begrenzt sein. Wettbewerb i. S. d.<br />

§ 65 Nr. 3 setzt nicht voraus, dass die Körperschaft auf einem Gebiet tätig ist, in <strong>de</strong>r sie tatsächlich in<br />

Konkurrenz zu steuerpflichtigen Betrieben <strong>de</strong>rselben o<strong>de</strong>r ähnlicher Art tritt. Der Sinn und Zweck <strong>de</strong>s § 65<br />

Nr. 3 liegt in einem umfänglichen Schutz <strong>de</strong>s Wettbewerbs, <strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>n potentiellen Wettbewerb umfasst<br />

(vgl. BFH-Urteile vom 27.10.1993 – I R 60/91 – BStBl. 1994 II, S. 573 und vom 29.1.2009 – V R 46/06 –<br />

BStBl. II, S. 560). Ein Zweckbetrieb ist daher – entgegen <strong>de</strong>m BFH-Urteil vom 30.3.2000 – V R 30/99 –<br />

BStBl. II, S. 705) – bereits dann nicht gegeben, wenn ein Wettbewerb mit steuerpflichtigen Unternehmen<br />

lediglich möglich wäre, ohne dass es auf die tatsächliche Wettbewerbssituation vor Ort ankommt.<br />

Unschädlich ist dagegen <strong>de</strong>r uneingeschränkte Wettbewerb zwischen Zweckbetrieben, die <strong>de</strong>mselben<br />

steuerbegünstigten Zweck dienen und ihn in <strong>de</strong>r gleichen o<strong>de</strong>r in ähnlicher Form verwirklichen.<br />

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Zu § 66 – Wohlfahrtspflege:<br />

1. Die Bestimmung enthält eine Son<strong>de</strong>rregelung für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die sich mit <strong>de</strong>r<br />

Wohlfahrtspflege befassen.<br />

2. Die Wohlfahrtspflege darf nicht <strong>de</strong>s Erwerbs wegen ausgeführt wer<strong>de</strong>n. Damit ist keine Einschränkung<br />

gegenüber <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r Selbstlosigkeit gegeben, wie sie in § 55 bestimmt sind.<br />

3. Die Tätigkeit muss auf die Sorge für notlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r gefähr<strong>de</strong>te Menschen gerichtet sein. Notlei<strong>de</strong>nd bzw.<br />

gefähr<strong>de</strong>t sind Menschen, die eine o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong> <strong>de</strong>r in § 53 Nrn. 1 und 2 genannten Voraussetzungen erfüllen.<br />

Es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, dass die gesamte Tätigkeit auf die För<strong>de</strong>rung notlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r bzw. gefähr<strong>de</strong>ter<br />

Menschen gerichtet ist. Es genügt, wenn zwei Drittel <strong>de</strong>r Leistungen einer Einrichtung notlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n bzw.<br />

gefähr<strong>de</strong>ten Menschen zugute kommen. Auf das Zahlenverhältnis von gefähr<strong>de</strong>ten bzw. notlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n und<br />

übrigen geför<strong>de</strong>rten Menschen kommt es nicht an.<br />

4. Eine Einrichtung <strong>de</strong>r Wohlfahrtspflege liegt regelmäßig vor bei häuslichen Pflegeleistungen durch eine<br />

steuerbegünstigte Körperschaft im Rahmen <strong>de</strong>s Siebten o<strong>de</strong>r Elften Buches Sozialgesetzbuch, <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>ssozialhilfegesetzes o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sversorgungsgesetzes.<br />

5. Die Belieferung von Stu<strong>de</strong>ntinnen und Stu<strong>de</strong>nten mit Speisen und Getränken in Mensa- und Cafeteria-<br />

Betrieben von Stu<strong>de</strong>ntenwerken ist als Zweckbetrieb zu beurteilen. Der Verkauf von alkoholischen<br />

Getränken, Tabakwaren und sonstigen Han<strong>de</strong>lswaren darf jedoch nicht mehr als 5 v. H. <strong>de</strong>s Gesamtumsatzes<br />

ausmachen. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für die Grundversorgung von Schülerinnen und Schülern mit Speisen und<br />

Getränken an Schulen.<br />

6. Der Krankentransport von Personen, für die während <strong>de</strong>r Fahrt eine fachliche Betreuung bzw. <strong>de</strong>r Einsatz<br />

beson<strong>de</strong>rer Einrichtungen eines Krankentransport- o<strong>de</strong>r Rettungswagens erfor<strong>de</strong>rlich ist o<strong>de</strong>r möglicherweise<br />

notwendig wird, ist als Zweckbetrieb zu beurteilen. Die steuerbegünstigten Körperschaften üben ihren<br />

Rettungsdienst und Krankentransport entgegen <strong>de</strong>r Annahme <strong>de</strong>s BFH in seinem Beschluss vom 18.9.2007 –<br />

I R 30/06 – BStBl. 2009 II, S. 126 regelmäßig nicht <strong>de</strong>s Erwerbs wegen und <strong>zur</strong> Beschaffung zusätzlicher<br />

Mittel aus, son<strong>de</strong>rn verfolgen damit ihren satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zweck <strong>de</strong>r Sorge für Not<br />

lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r gefähr<strong>de</strong>te Menschen. Sind die übrigen Voraussetzungen erfüllt, können <strong>de</strong>shalb auch<br />

Leistungen wie <strong>de</strong>r Krankentransport und <strong>de</strong>r Rettungsdienst, die Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>nselben<br />

Bedingungen wie private gewerbliche Unternehmen anbieten, begünstigte Einrichtungen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 55 von 235


Wohlfahrtspflege sein. Dagegen erfüllt die bloße Beför<strong>de</strong>rung von Personen, für die <strong>de</strong>r Arzt eine<br />

Krankenfahrt (Beför<strong>de</strong>rung in Pkws, Taxen o<strong>de</strong>r Mietwagen) verordnet hat, nicht die Kriterien nach § 66<br />

Abs. 2.<br />

7. Wer<strong>de</strong>n die Leistungen unter gleichen Bedingungen sowohl gegenüber hilfsbedürftigen als auch nicht<br />

hilfsbedürftigen Personen erbracht, ist ein einheitlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb „Einrichtung <strong>de</strong>r<br />

Wohlfahrtspflege“ anzunehmen. Dieser ist als Zweckbetrieb zu behan<strong>de</strong>ln, wenn die ⅔-Grenze <strong>de</strong>s § 66<br />

erfüllt wird.<br />

8. Gesellige Veranstaltungen sind als steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

Veranstaltungen, bei <strong>de</strong>nen zwar auch die Geselligkeit gepflegt wird, die aber in erster Linie <strong>zur</strong> Betreuung<br />

behin<strong>de</strong>rter Personen durchgeführt wer<strong>de</strong>n, können unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 65, 66 Zweckbetrieb<br />

sein.<br />

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Zu § 67a – Sportliche Veranstaltungen:<br />

Allgemeines<br />

1. Sportliche Veranstaltungen eines Sportvereins sind grundsätzlich ein Zweckbetrieb, wenn die Einnahmen<br />

einschließlich <strong>de</strong>r Umsatzsteuer aus allen sportlichen Veranstaltungen <strong>de</strong>s Vereins die<br />

Zweckbetriebsgrenze von 35 000 € im Jahr nicht übersteigen (§ 67a Abs. 1 Satz 1). Übersteigen die<br />

Einnahmen die Zweckbetriebsgrenze von 35 000 €, liegt grundsätzlich ein steuerpflichtiger<br />

wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor.<br />

Der Verein kann auf die Anwendung <strong>de</strong>r Zweckbetriebsgrenze verzichten (§ 67a Abs. 2). Die steuerliche<br />

Behandlung seiner sportlichen Veranstaltungen richtet sich dann nach § 67a Abs. 3.<br />

2. Unter Sportvereinen i. S. <strong>de</strong>r Vorschrift sind alle gemeinnützigen Körperschaften zu verstehen, bei <strong>de</strong>nen<br />

die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Sports (§ 52 Abs. 2 Nr. 21) Satzungszweck ist; die tatsächliche Geschäftsführung<br />

muss diesem Satzungszweck entsprechen (§ 59). § 67a gilt also z B. auch für Sportverbän<strong>de</strong>. Sie gilt<br />

auch für Sportvereine, die Fußballveranstaltungen unter Einsatz ihrer Lizenzspieler nach <strong>de</strong>r<br />

„Lizenzordnung Spieler“ <strong>de</strong>r Organisation „Die Liga-Fußballverband e. V. – Ligaverband“ durchführen.<br />

3. Als sportliche Veranstaltung ist die organisatorische Maßnahme eines Sportvereins anzusehen, die es<br />

aktiven Sportlern (die nicht Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Vereins zu sein brauchen) ermöglicht, Sport zu treiben (BFH-<br />

Urteil vom 25.7.1996 – V R 7/95 – BStBl. 1997 II, S. 154). Eine sportliche Veranstaltung liegt auch dann<br />

vor, wenn ein Sportverein in Erfüllung seiner Satzungszwecke im Rahmen einer Veranstaltung einer<br />

an<strong>de</strong>ren Person o<strong>de</strong>r Körperschaft eine sportliche Darbietung erbringt. Die Veranstaltung, bei <strong>de</strong>r die<br />

sportliche Darbietung präsentiert wird, braucht keine steuerbegünstigte Veranstaltung zu sein (BFH-<br />

Urteil vom 4.5.1994 – XI R 109/90 – BStBl. II, S. 886).<br />

4. Sportreisen sind als sportliche Veranstaltungen anzusehen, wenn die sportliche Betätigung wesentlicher<br />

und notwendiger Bestandteil <strong>de</strong>r Reise ist (z. B. Reise zum Wettkampfort). Reisen, bei <strong>de</strong>nen die<br />

Erholung <strong>de</strong>r Teilnehmer im Vor<strong>de</strong>rgrund steht (Touristikreisen), zählen dagegen nicht zu <strong>de</strong>n<br />

sportlichen Veranstaltungen, selbst wenn anlässlich <strong>de</strong>r Reise auch Sport getrieben wird.<br />

5. Die Ausbildung und Fortbildung in sportlichen Fertigkeiten gehört zu <strong>de</strong>n typischen und wesentlichen<br />

Tätigkeiten eines Sportvereins. Sportkurse und Sportlehrgänge für Mitglie<strong>de</strong>r und Nichtmitglie<strong>de</strong>r von<br />

Sportvereinen (Sportunterricht) sind daher als „sportliche Veranstaltungen“ zu beurteilen. Es ist<br />

unschädlich für die Zweckbetriebseigenschaft, dass <strong>de</strong>r Verein mit <strong>de</strong>m Sportunterricht in Konkurrenz zu<br />

gewerblichen Sportlehrern (z. B. Reitlehrer, Skilehrer, Tennislehrer, Schwimmlehrer) tritt, weil § 67a als<br />

die speziellere Vorschrift <strong>de</strong>m § 65 vorgeht. Die Beurteilung <strong>de</strong>s Sportunterrichts als sportliche<br />

Veranstaltung hängt nicht davon ab, ob <strong>de</strong>r Unterricht durch Beiträge, Son<strong>de</strong>rbeiträge o<strong>de</strong>r<br />

Son<strong>de</strong>rentgelte abgegolten wird.<br />

6. Der Verkauf von Speisen und Getränken – auch an Wettkampfteilnehmer, Schiedsrichter, Kampfrichter,<br />

Sanitäter usw. – und die Werbung gehören nicht zu <strong>de</strong>n sportlichen Veranstaltungen. Diese Tätigkeiten<br />

sind geson<strong>de</strong>rte steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe. Nach § 64 Abs. 2 ist es jedoch<br />

möglich, Überschüsse aus diesen Betrieben mit Verlusten aus sportlichen Veranstaltungen, die<br />

steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sind, zu verrechnen.<br />

7. Wird für <strong>de</strong>n Besuch einer sportlichen Veranstaltung, die Zweckbetrieb ist, mit Bewirtung ein<br />

einheitlicher Eintrittspreis bezahlt, so ist dieser – ggf. im Wege <strong>de</strong>r Schätzung – in einen Entgeltsanteil<br />

für <strong>de</strong>n Besuch <strong>de</strong>r sportlichen Veranstaltung und in einen Entgeltsanteil für die Bewirtungsleistungen<br />

aufzuteilen.<br />

8. Zur Zulässigkeit einer pauschalen Gewinnermittlung beim steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb „Werbung“ wird auf Nrn. 28 bis 35 zu § 64 hingewiesen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 56 von 235


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9. Die entgeltliche Übertragung <strong>de</strong>s Rechts <strong>zur</strong> Nutzung von Werbeflächen in vereinseigenen o<strong>de</strong>r<br />

gemieteten Sportstätten (z. B. an <strong>de</strong>r Ban<strong>de</strong>) sowie von Lautsprecheranlagen an Werbeunternehmer ist als<br />

steuerfreie Vermögensverwaltung (§ 14 Satz 3) zu beurteilen. Voraussetzung ist jedoch, dass <strong>de</strong>m<br />

Pächter (Werbeunternehmer) ein angemessener Gewinn verbleibt. Es ist ohne Be<strong>de</strong>utung, ob die<br />

sportlichen Veranstaltungen, bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Werbeunternehmer das erworbene Recht nutzt, Zweckbetrieb<br />

o<strong>de</strong>r wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sind.<br />

Die entgeltliche Übertragung <strong>de</strong>s Rechts <strong>zur</strong> Nutzung von Werbeflächen auf <strong>de</strong>r Sportkleidung (z. B. auf<br />

Trikots, Sportschuhen, Helmen) und auf Sportgeräten ist stets als steuerpflichtiger wirtschaftlicher<br />

Geschäftsbetrieb zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

10. Die Unterhaltung von Club-Häusern, Kantinen, Vereinsheimen o<strong>de</strong>r Vereinsgaststätten ist keine<br />

„sportliche Veranstaltung“, auch wenn diese Einrichtungen ihr Angebot nur an Mitglie<strong>de</strong>r richten.<br />

11. Bei Vermietung von Sportstätten einschließlich <strong>de</strong>r Betriebsvorrichtungen für sportliche Zwecke ist<br />

zwischen <strong>de</strong>r Vermietung auf längere Dauer und <strong>de</strong>r Vermietung auf kurze Dauer (z. B. stun<strong>de</strong>nweise<br />

Vermietung, auch wenn die Stun<strong>de</strong>n für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegt wer<strong>de</strong>n) zu<br />

unterschei<strong>de</strong>n. Zur Vermietung öffentlicher Schwimmbä<strong>de</strong>r an Schwimmvereine und <strong>zur</strong> Nutzung durch<br />

Schulen für <strong>de</strong>n Schwimmunterricht siehe Nr. 13.<br />

12. Die Vermietung auf längere Dauer ist <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r steuerfreien Vermögensverwaltung zuzuordnen,<br />

so dass sich die Frage <strong>de</strong>r Behandlung als „sportliche Veranstaltung“ i. S. d. § 67a dort nicht stellt.<br />

Die Vermietung von Sportstätten und Betriebsvorrichtungen auf kurze Dauer schafft lediglich die<br />

Voraussetzungen für sportliche Veranstaltungen. Sie ist jedoch selbst keine „sportliche Veranstaltung“,<br />

son<strong>de</strong>rn ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eigener Art. Dieser ist als Zweckbetrieb i. S. d. § 65<br />

anzusehen, wenn es sich bei <strong>de</strong>n Mietern um Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Vereins han<strong>de</strong>lt. Bei <strong>de</strong>r Vermietung auf<br />

kurze Dauer an Nichtmitglie<strong>de</strong>r tritt <strong>de</strong>r Verein dagegen in größerem Umfang in Wettbewerb zu nicht<br />

begünstigten Vermietern, als es bei Erfüllung seiner steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65<br />

Nr. 3). Diese Art <strong>de</strong>r Vermietung ist <strong>de</strong>shalb als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu<br />

behan<strong>de</strong>ln.<br />

13. Durch <strong>de</strong>n Betrieb eines öffentlichen Schwimmba<strong>de</strong>s wer<strong>de</strong>n gemeinnützige Zwecke (öffentliche<br />

Gesundheitspflege und Sport) unabhängig davon geför<strong>de</strong>rt, ob das Schwimmbad von einem Verein o<strong>de</strong>r<br />

von einer juristischen Person <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts als Betrieb gewerblicher Art unterhalten wird.<br />

Die verschie<strong>de</strong>nen Tätigkeiten eines gemeinnützigen Schwimmvereins sind wie folgt zu beurteilen:<br />

a) Schulschwimmen<br />

Die Vermietung <strong>de</strong>s Schwimmbads auf längere Dauer an die Träger <strong>de</strong>r Schulen ist als<br />

Vermögensverwaltung anzusehen. Eine Vermietung auf längere Dauer ist in Anlehnung an<br />

Abschnitt 4.12.3 Absatz 2 UStAE bei stun<strong>de</strong>nweiser Nutzungsmöglichkeit <strong>de</strong>s Schwimmbads durch<br />

die Schulen anzunehmen, wenn die Nutzung mehr als ein Schulhalbjahr (min<strong>de</strong>stens sechs Monate)<br />

erfolgt. Unselbständige Nebenleistungen <strong>de</strong>s Vereins, wie Reinigung <strong>de</strong>s Schwimmbads, gehören mit<br />

<strong>zur</strong> Vermögensverwaltung.<br />

b) Vereinsschwimmen<br />

Das Vereinsschwimmen und die Durchführung von Schwimmkursen sind nach Maßgabe <strong>de</strong>s § 67a<br />

Zweckbetriebe (sportliche Veranstaltungen). Dabei ist es ohne Be<strong>de</strong>utung, ob die Teilnehmer an <strong>de</strong>n<br />

Schwimmkursen Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Vereins o<strong>de</strong>r Vereinsfrem<strong>de</strong> sind.<br />

c) Je<strong>de</strong>rmannschwimmen<br />

Das Je<strong>de</strong>rmannschwimmen ist insgesamt als Zweckbetrieb i. S. d. § 65 anzusehen, wenn die nicht<br />

unmittelbar <strong>de</strong>m Schwimmen dienen<strong>de</strong>n Angebote (zum Beispiel Sauna, Solarium) von<br />

untergeordneter Be<strong>de</strong>utung sind. Schwimmbä<strong>de</strong>r, die danach als Zweckbetriebe begünstigt sind,<br />

stehen in keinem schädlichen Wettbewerb zu steuerpflichtigen Schwimmbä<strong>de</strong>rn (§ 65 Nr. 3), weil sie<br />

i. d. R. an<strong>de</strong>rs strukturiert sind (so genannte Spaßbä<strong>de</strong>r) und sich ihre Angebote erheblich von <strong>de</strong>m<br />

im Wesentlichen auf das Schwimmen begrenzten Angebot <strong>de</strong>r Vereinsschwimmbä<strong>de</strong>r unterschei<strong>de</strong>n.<br />

14. Wer<strong>de</strong>n im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Vermietung von Sportstätten und Betriebsvorrichtungen auch<br />

bewegliche Gegenstän<strong>de</strong>, z. B. Tennisschläger o<strong>de</strong>r Golfschläger überlassen, stellt die entgeltliche<br />

Überlassung dieser Gegenstän<strong>de</strong> ein Hilfsgeschäft dar, das das steuerliche Schicksal <strong>de</strong>r Hauptleistung<br />

teilt (BFH-Urteil vom 30.3.2000 – V R 30/99 – BStBl. II, S. 705). Bei <strong>de</strong>r alleinigen Überlassung von<br />

Sportgeräten, z. B. eines Flugzeugs, bestimmt sich die Zweckbetriebseigenschaft danach, ob die<br />

Sportgeräte Mitglie<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Nichtmitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Vereins überlassen wer<strong>de</strong>n.<br />

15. § 3 Nr. 26 EStG gilt nicht für Einnahmen, die ein nebenberuflicher Übungsleiter etc. für eine Tätigkeit in<br />

einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „sportliche Veranstaltungen“ erhält.<br />

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16. Wer<strong>de</strong>n sportliche Veranstaltungen, die im vorangegangenen Veranlagungszeitraum Zweckbetrieb<br />

waren, zu einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb o<strong>de</strong>r umgekehrt, ist grundsätzlich<br />

§ 13 Abs. 5 KStG anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 67a Abs. 1:<br />

17. Bei <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>r Zweckbetriebsgrenze von 35 000 € sind alle Einnahmen <strong>de</strong>r Veranstaltungen<br />

zusammen<strong>zur</strong>echnen, die in <strong>de</strong>m maßgeblichen Jahr nach <strong>de</strong>n Regelungen <strong>de</strong>r Nrn. 1 bis 15 als sportliche<br />

Veranstaltungen anzusehen sind. Zu diesen Einnahmen gehören insbeson<strong>de</strong>re Eintrittsgel<strong>de</strong>r, Startgel<strong>de</strong>r,<br />

Zahlungen für die Übertragung sportlicher Veranstaltungen in Rundfunk und Fernsehen,<br />

Lehrgangsgebühren und Ablösezahlungen. Zum allgemeinen Einnahmebegriff wird auf die Nrn. 15<br />

und 16 zu § 64 hingewiesen.<br />

18. Die Bezahlung von Sportlern in einem Zweckbetrieb i. S. d. § 67a Abs. 1 Satz 1 ist zulässig (§ 58 Nr. 9).<br />

Dabei ist die Herkunft <strong>de</strong>r Mittel, mit <strong>de</strong>nen die Sportler bezahlt wer<strong>de</strong>n, ohne Be<strong>de</strong>utung.<br />

19. Die Zahlung von Ablösesummen ist in einem Zweckbetrieb i. S. d. § 67a Abs. 1 Satz 1 uneingeschränkt<br />

zulässig.<br />

20. Bei Spielgemeinschaften von Sportvereinen ist – unabhängig von <strong>de</strong>r Qualifizierung <strong>de</strong>r Einkünfte im<br />

Feststellungsbescheid für die Gemeinschaft – bei <strong>de</strong>r Körperschaftsteuerveranlagung <strong>de</strong>r beteiligten<br />

Sportvereine zu entschei<strong>de</strong>n, ob ein Zweckbetrieb o<strong>de</strong>r ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher<br />

Geschäftsbetrieb gegeben ist. Dabei ist für die Beurteilung <strong>de</strong>r Frage, ob die Zweckbetriebsgrenze <strong>de</strong>s<br />

§ 67a Abs. 1 Satz 1 überschritten wird, die Höhe <strong>de</strong>r anteiligen Einnahmen (nicht <strong>de</strong>s anteiligen<br />

Gewinns) maßgeblich.<br />

Zu § 67a Abs. 2:<br />

21. Ein Verzicht auf die Anwendung <strong>de</strong>s § 67a Abs. 1 Satz 1 ist auch dann möglich, wenn die Einnahmen<br />

aus <strong>de</strong>n sportlichen Veranstaltungen die Zweckbetriebsgrenze von 35 000 € nicht übersteigen.<br />

22. Die Option nach § 67a Abs. 2 kann bis <strong>zur</strong> Unanfechtbarkeit <strong>de</strong>s Körperschaftsteuerbescheids wi<strong>de</strong>rrufen<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Regelungen in Abschnitt 247 Abs. 2 und 6 UStR sind entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n. Der<br />

Wi<strong>de</strong>rruf ist – auch nach Ablauf <strong>de</strong>r Bindungsfrist – nur mit Wirkung ab <strong>de</strong>m Beginn eines Kalen<strong>de</strong>ro<strong>de</strong>r<br />

Wirtschaftsjahres zulässig.<br />

Zu § 67a Abs. 3:<br />

23. Verzichtet ein Sportverein gem. § 67a Abs. 2 auf die Anwendung <strong>de</strong>r Zweckbetriebsgrenze (§ 67a Abs. 1<br />

Satz 1), sind sportliche Veranstaltungen ein Zweckbetrieb, wenn an ihnen kein bezahlter Sportler <strong>de</strong>s<br />

Vereins teilnimmt und <strong>de</strong>r Verein keinen vereinsfrem<strong>de</strong>n Sportler selbst o<strong>de</strong>r im Zusammenwirken mit<br />

einem Dritten bezahlt. Auf die Höhe <strong>de</strong>r Einnahmen o<strong>de</strong>r Überschüsse dieser sportlichen<br />

Veranstaltungen kommt es bei Anwendung <strong>de</strong>s § 67a Abs. 3 nicht an. Sportliche Veranstaltungen, an<br />

<strong>de</strong>nen ein o<strong>de</strong>r mehrere Sportler teilnehmen, die nach § 67a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 o<strong>de</strong>r 2 als bezahlte<br />

Sportler anzusehen sind, sind steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe. Es kommt nach <strong>de</strong>m<br />

Gesetz nicht darauf an, ob ein Verein eine Veranstaltung von vornherein als steuerpflichtigen<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb angesehen o<strong>de</strong>r ob er – aus welchen Grün<strong>de</strong>n auch immer – zunächst<br />

irrtümlich einen Zweckbetrieb angenommen hat.<br />

24. Unter Veranstaltungen i. S. <strong>de</strong>s § 67a Abs. 3 sind bei allen Sportarten grundsätzlich die einzelnen<br />

Wettbewerbe zu verstehen, die in engem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang durchgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei einer Mannschaftssportart ist also nicht die gesamte Meisterschaftsrun<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn je<strong>de</strong>s einzelne<br />

Meisterschaftsspiel die zu beurteilen<strong>de</strong> sportliche Veranstaltung. Bei einem Turnier hängt es von <strong>de</strong>r<br />

Gestaltung im Einzelfall ab, ob das gesamte Turnier o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>s einzelne Spiel als eine sportliche<br />

Veranstaltung anzusehen ist. Dabei ist von wesentlicher Be<strong>de</strong>utung, ob für je<strong>de</strong>s Spiel geson<strong>de</strong>rt Eintritt<br />

erhoben wird und ob die Einnahmen und Ausgaben für je<strong>de</strong>s Spiel geson<strong>de</strong>rt ermittelt wer<strong>de</strong>n.<br />

25. Sportkurse und Sportlehrgänge für Mitglie<strong>de</strong>r und Nichtmitglie<strong>de</strong>r von Sportvereinen sind bei<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 67a Abs. 3 als Zweckbetrieb zu behan<strong>de</strong>ln, wenn kein Sportler als Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />

teilnimmt, <strong>de</strong>r wegen seiner Betätigung in dieser Sportart als bezahlter Sportler i. S. d. § 67a Abs. 3<br />

anzusehen ist. Die Bezahlung von Ausbil<strong>de</strong>rn berührt die Zweckbetriebseigenschaft nicht.<br />

26. Ist ein Sportler in einem Kalen<strong>de</strong>rjahr als bezahlter Sportler anzusehen, sind alle in <strong>de</strong>m Kalen<strong>de</strong>rjahr<br />

durchgeführten sportlichen Veranstaltungen <strong>de</strong>s Vereins, an <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Sportler teilnimmt, ein<br />

steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Bei einem vom Kalen<strong>de</strong>rjahr abweichen<strong>de</strong>n<br />

Wirtschaftsjahr ist das abweichen<strong>de</strong> Wirtschaftsjahr zugrun<strong>de</strong> zu legen. Es kommt nicht darauf an, ob <strong>de</strong>r<br />

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Sportler die Merkmale <strong>de</strong>s bezahlten Sportlers erst nach Beendigung <strong>de</strong>r sportlichen Veranstaltung<br />

erfüllt. Die Teilnahme unbezahlter Sportler an einer Veranstaltung, an <strong>de</strong>r auch bezahlte Sportler<br />

teilnehmen, hat keinen Einfluss auf die Behandlung <strong>de</strong>r Veranstaltung als steuerpflichtiger<br />

wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb.<br />

27. Die Vergütungen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Vorteile müssen in vollem Umfang aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieben o<strong>de</strong>r von Dritten geleistet wer<strong>de</strong>n (§ 67a Abs. 3 Satz 3). Eine Aufteilung <strong>de</strong>r<br />

Vergütungen ist nicht zulässig. Es ist also z. B. steuerlich nicht zulässig, Vergütungen an bezahlte<br />

Sportler bis zu 400 € im Monat als Ausgaben <strong>de</strong>s steuerbegünstigten Bereichs und nur die 400 €<br />

übersteigen<strong>de</strong>n Vergütungen als Ausgaben <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs<br />

„sportliche Veranstaltungen“ zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

28. Auch die an<strong>de</strong>ren Kosten müssen aus <strong>de</strong>m steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „sportliche<br />

Veranstaltungen“, an<strong>de</strong>ren steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben o<strong>de</strong>r von Dritten<br />

geleistet wer<strong>de</strong>n. Dies gilt auch dann, wenn an <strong>de</strong>r Veranstaltung neben bezahlten Sportlern auch<br />

unbezahlte Sportler teilnehmen. Die Kosten eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs<br />

„sportliche Veranstaltungen“ sind also nicht danach aufzuteilen, ob sie auf bezahlte o<strong>de</strong>r auf unbezahlte<br />

Sportler entfallen. Etwaiger Aufwandsersatz an unbezahlte Sportler für die Teilnahme an einer<br />

Veranstaltung mit bezahlten Sportlern ist als eine Ausgabe dieser Veranstaltung zu behan<strong>de</strong>ln. Aus<br />

Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n ist es aber nicht zu beanstan<strong>de</strong>n, wenn die Aufwandspauschale (vgl. Nr. 32) an<br />

unbezahlte Sportler nicht als Betriebsausgabe <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs<br />

behan<strong>de</strong>lt, son<strong>de</strong>rn aus Mitteln <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs abge<strong>de</strong>ckt wird.<br />

29. Trainingskosten (z. B. Vergütungen an Trainer), die sowohl unbezahlte als auch bezahlte Sportler<br />

betreffen, sind nach <strong>de</strong>n im Einzelfall gegebenen Abgrenzungsmöglichkeiten aufzuteilen. Als solche<br />

kommen beispielsweise in Betracht <strong>de</strong>r jeweilige Zeitaufwand o<strong>de</strong>r – bei gleichzeitigem Training<br />

unbezahlter und bezahlter Sportler – die Zahl <strong>de</strong>r trainierten Sportler o<strong>de</strong>r Mannschaften. Soweit eine<br />

Abgrenzung an<strong>de</strong>rs nicht möglich ist, sind die auf das Training unbezahlter und bezahlter Sportler<br />

entfallen<strong>de</strong>n Kosten im Wege <strong>de</strong>r Schätzung zu ermitteln.<br />

30. Wer<strong>de</strong>n bezahlte und unbezahlte Sportler einer Mannschaft gleichzeitig für eine Veranstaltung trainiert,<br />

die als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu beurteilen ist, sind die gesamten<br />

Trainingskosten dafür Ausgaben <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Die<br />

Vereinfachungsregelung in Nr. 28 letzter Satz gilt entsprechend.<br />

31. Sportler <strong>de</strong>s Vereins i. S. d. § 67a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 sind nicht nur die (aktiven) Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Vereins,<br />

son<strong>de</strong>rn alle Sportler, die für <strong>de</strong>n Verein auftreten, z. B. in einer Mannschaft <strong>de</strong>s Vereins mitwirken. Für<br />

Verbän<strong>de</strong> gilt Nr. 38.<br />

32. Zahlungen an einen Sportler <strong>de</strong>s Vereins bis zu insgesamt 400 € je Monat im Jahresdurchschnitt sind für<br />

die Beurteilung <strong>de</strong>r Zweckbetriebseigenschaft <strong>de</strong>r sportlichen Veranstaltungen – nicht aber bei <strong>de</strong>r<br />

Besteuerung <strong>de</strong>s Sportlers – ohne Einzelnachweis als Aufwandsentschädigung anzusehen. Wer<strong>de</strong>n<br />

höhere Aufwendungen erstattet, sind die gesamten Aufwendungen im Einzelnen nachzuweisen. Dabei<br />

muss es sich um Aufwendungen persönlicher o<strong>de</strong>r sachlicher Art han<strong>de</strong>ln, die <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach<br />

Werbungskosten o<strong>de</strong>r Betriebsausgaben sein können.<br />

Die Regelung gilt für alle Sportarten.<br />

33. Die Regelung über die Unschädlichkeit pauschaler Aufwandsentschädigungen bis zu 400 € je Monat im<br />

Jahresdurchschnitt gilt nur für Sportler <strong>de</strong>s Vereins, nicht aber für Zahlungen an an<strong>de</strong>re Sportler. Einem<br />

an<strong>de</strong>ren Sportler, <strong>de</strong>r in einem Jahr nur an einer Veranstaltung <strong>de</strong>s Vereins teilnimmt, kann also nicht ein<br />

Betrag bis zu 4 800 € als pauschaler Aufwandsersatz dafür gezahlt wer<strong>de</strong>n. Vielmehr führt in <strong>de</strong>n Fällen<br />

<strong>de</strong>s § 67a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 je<strong>de</strong> Zahlung an einen Sportler, die über eine Erstattung <strong>de</strong>s tatsächlichen<br />

Aufwands hinausgeht, zum Verlust <strong>de</strong>r Zweckbetriebseigenschaft <strong>de</strong>r Veranstaltung.<br />

34. Zuwendungen <strong>de</strong>r Stiftung Deutsche Sporthilfe, Frankfurt, und vergleichbarer Einrichtungen <strong>de</strong>r<br />

Sporthilfe an Spitzensportler sind i. d. R. als Ersatz von beson<strong>de</strong>ren Aufwendungen <strong>de</strong>r Spitzensportler<br />

für ihren Sport anzusehen. Sie sind <strong>de</strong>shalb nicht auf die zulässige Aufwandspauschale von 400 € je<br />

Monat im Jahresdurchschnitt an<strong>zur</strong>echnen. Weisen Sportler die tatsächlichen Aufwendungen nach, so<br />

muss sich <strong>de</strong>r Nachweis auch auf die Aufwendungen erstrecken, die <strong>de</strong>n Zuwendungen <strong>de</strong>r Stiftung<br />

Deutsche Sporthilfe und vergleichbarer Einrichtungen gegenüberstehen.<br />

35. Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Zweckbetriebseigenschaft einer Sportveranstaltung nach § 67a Abs. 3 ist nicht zu<br />

unterschei<strong>de</strong>n, ob Vergütungen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Vorteile an einen Sportler für die Teilnahme an sich o<strong>de</strong>r für<br />

die erfolgreiche Teilnahme gewährt wer<strong>de</strong>n. Entschei<strong>de</strong>nd ist, dass <strong>de</strong>r Sportler aufgrund seiner<br />

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Teilnahme Vorteile hat, die er ohne seine Teilnahme nicht erhalten hätte. Auch die Zahlung eines<br />

Preisgel<strong>de</strong>s, das über eine Aufwandsentschädigung hinausgeht, begrün<strong>de</strong>t <strong>de</strong>mnach einen<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.<br />

36. Bei einem so genannten Spielertrainer ist zu unterschei<strong>de</strong>n, ob er für die Trainertätigkeit o<strong>de</strong>r für die<br />

Ausübung <strong>de</strong>s Sports Vergütungen erhält. Wird er nur für die Trainertätigkeit bezahlt o<strong>de</strong>r erhält er für<br />

die Tätigkeit als Spieler nicht mehr als <strong>de</strong>n Ersatz seiner Aufwendungen (vgl. Nr. 32), ist seine<br />

Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen unschädlich für die Zweckbetriebseigenschaft.<br />

37. Unbezahlte Sportler wer<strong>de</strong>n wegen <strong>de</strong>r Teilnahme an Veranstaltungen mit bezahlten Sportlern nicht<br />

selbst zu bezahlten Sportlern. Die Ausbildung dieser Sportler gehört nach wie vor zu <strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigten Tätigkeit eines Sportvereins, es sei <strong>de</strong>nn, sie wer<strong>de</strong>n zusammen mit bezahlten<br />

Sportlern für eine Veranstaltung trainiert, die ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist<br />

(vgl. Nr. 30).<br />

38. Sportler, die einem bestimmten Sportverein angehören und die nicht selbst unmittelbar Mitglie<strong>de</strong>r eines<br />

Sportverban<strong>de</strong>s sind, wer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Zweckbetriebseigenschaft von Veranstaltungen <strong>de</strong>s<br />

Verban<strong>de</strong>s als an<strong>de</strong>re Sportler i. S. d. § 67a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 angesehen. Zahlungen <strong>de</strong>r Vereine an<br />

Sportler im Zusammenhang mit sportlichen Veranstaltungen <strong>de</strong>r Verbän<strong>de</strong> (z. B. Län<strong>de</strong>rwettkämpfe)<br />

sind in diesen Fällen als „Zahlungen von Dritten im Zusammenwirken mit <strong>de</strong>m Verein“ (hier: Verband)<br />

zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

39. Ablösezahlungen, die einem steuerbegünstigten Sportverein für die Freigabe von Sportlern zufließen,<br />

beeinträchtigen seine Gemeinnützigkeit nicht. Die erhaltenen Beträge zählen zu <strong>de</strong>n Einnahmen aus <strong>de</strong>m<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „sportliche Veranstaltungen“, wenn <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Verein<br />

wechseln<strong>de</strong> Sportler in <strong>de</strong>n letzten zwölf Monaten vor seiner Freigabe bezahlter Sportler i. S. d. § 67a<br />

Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 war. Ansonsten gehören sie zu <strong>de</strong>n Einnahmen aus <strong>de</strong>m Zweckbetrieb „sportliche<br />

Veranstaltungen“.<br />

40. Zahlungen eines steuerbegünstigten Sportvereins an einen an<strong>de</strong>ren (abgeben<strong>de</strong>n) Verein für die<br />

Übernahme eines Sportlers sind unschädlich für die Gemeinnützigkeit <strong>de</strong>s zahlen<strong>de</strong>n Vereins, wenn sie<br />

aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben für die Übernahme eines Sportlers gezahlt<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r beim aufnehmen<strong>de</strong>n Verein in <strong>de</strong>n ersten zwölf Monaten nach <strong>de</strong>m Vereinswechsel als<br />

bezahlter Sportler i. S. d. § 67a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 anzusehen ist. Zahlungen für einen Sportler, <strong>de</strong>r beim<br />

aufnehmen<strong>de</strong>n Verein nicht als bezahlter Sportler anzusehen ist, sind bei Anwendung <strong>de</strong>s § 67a Abs. 3<br />

nur dann unschädlich für die Gemeinnützigkeit <strong>de</strong>s zahlen<strong>de</strong>n Vereins, wenn lediglich die<br />

Ausbildungskosten für <strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Verein wechseln<strong>de</strong>n Sportler erstattet wer<strong>de</strong>n. Eine <strong>de</strong>rartige<br />

Kostenerstattung kann bei Zahlungen bis <strong>zur</strong> Höhe von 2 557 € je Sportler ohne weiteres angenommen<br />

wer<strong>de</strong>n. Bei höheren Kostenerstattungen sind sämtliche Ausbildungskosten im Einzelfall nachzuweisen.<br />

Die Zahlungen min<strong>de</strong>rn nicht <strong>de</strong>n Überschuss <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs<br />

„sportliche Veranstaltungen“.<br />

Zur steuerlichen Behandlung von Ablösezahlungen bei Anwendung <strong>de</strong>r Zweckbetriebsgrenze <strong>de</strong>s § 67a<br />

Abs. 1 Satz 1 vgl. Nrn. 17 und 19.<br />

Zu § 68 – Einzelne Zweckbetriebe:<br />

Allgemeines<br />

1. § 68 enthält einen gesetzlichen Katalog einzelner Zweckbetriebe und geht als spezielle Norm <strong>de</strong>r<br />

Regelung <strong>de</strong>s § 65 vor (BFH-Urteil vom 4.6.2003 – I R 25/02 – BStBl. 2004 II, S. 660). Die beispielhafte<br />

Aufzählung von Betrieben, die ihrer Art nach Zweckbetriebe sein können, gibt wichtige Anhaltspunkte<br />

für die Auslegung <strong>de</strong>r Begriffe Zweckbetrieb (§ 65) im Allgemeinen und Einrichtungen <strong>de</strong>r<br />

Wohlfahrtspflege (§ 66) im Beson<strong>de</strong>ren.<br />

Zu § 68 Nr. 1:<br />

2. Wegen <strong>de</strong>r Begriffe „Alten-, Altenwohn- und Pflegeheime“ Hinweis auf § 1 <strong>de</strong>s Heimgesetzes. Eine für<br />

die Allgemeinheit zugängliche Cafeteria ist ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb.<br />

Soweit eine steuerbegünstigte Körperschaft Leistungen im Rahmen <strong>de</strong>r häuslichen Pflege erbringt, liegt<br />

i. d. R. ein Zweckbetrieb nach § 66 vor (vgl. zu § 66, Nr. 4).<br />

3. Bei Kin<strong>de</strong>rgärten, Kin<strong>de</strong>r-, Jugend- und Stu<strong>de</strong>ntenheimen sowie bei Schullandheimen und<br />

Jugendherbergen müssen die geför<strong>de</strong>rten Personen die Voraussetzungen nach § 53 nicht erfüllen.<br />

Jugendherbergen verlieren ihre Zweckbetriebseigenschaft nicht, wenn außerhalb ihres satzungsmäßigen<br />

Zwecks <strong>de</strong>r Umfang <strong>de</strong>r Beherbergung alleinreisen<strong>de</strong>r Erwachsener 10 v. H. <strong>de</strong>r Gesamtbeherbergungen<br />

nicht übersteigt (BFH-Urteil vom 18.1.1995 – V R 139-142/92 – BStBl. II, S. 446).<br />

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Zu § 68 Nr. 2:<br />

4. Von § 68 Nr. 2 Buchstabe b wer<strong>de</strong>n nur solche Selbstversorgungseinrichtungen umfasst, die <strong>de</strong>n darin<br />

genannten Handwerksbetrieben vergleichbar sind. Wer<strong>de</strong>n auch Leistungen gegenüber Außenstehen<strong>de</strong>n<br />

erbracht, sind nur solche Einrichtungen <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Körperschaft begünstigt, die nicht<br />

regelmäßig ausgelastet sind und <strong>de</strong>shalb gelegentlich auch Leistungen an Außenstehen<strong>de</strong> erbringen, nicht<br />

aber solche, die über Jahre hinweg Leistungen an Außenstehen<strong>de</strong> ausführen und hierfür auch personell<br />

entsprechend ausgestattet sind (vgl. BFH-Urteil vom 29.1.2009 – V R 46/06 – BStBl. II, S. 560 und<br />

BMF-Schreiben vom 12.4.2011 – IV C 4 – S 0187/09/10005 :001 – BStBl. I, S. 538). Außenstehen<strong>de</strong> im<br />

Sinne dieser Regelung sind auch Arbeitnehmer <strong>de</strong>r Körperschaft. Bei Lieferungen und Leistungen an<br />

Außenstehen<strong>de</strong> tritt die Körperschaft mit Dritten in Leistungsbeziehung. Solange <strong>de</strong>r Umfang dieser<br />

Geschäfte an Dritte, hierzu gehören auch Leistungsempfänger, die selbst eine steuerbegünstigte<br />

Körperschaft i. S. d. § 68 Nr. 2 sind (BFH-Urteil vom 18.10.1990 – V R 35/85 – BStBl. 1991 II, S. 157),<br />

nicht mehr als 20 v. H. <strong>de</strong>r gesamten Lieferungen und Leistungen <strong>de</strong>r begünstigten Körperschaft<br />

ausmachen, bleibt die Zweckbetriebseigenschaft erhalten.<br />

Zu § 68 Nr. 3:<br />

5. Der Begriff „Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen“ bestimmt sich nach § 136 Sozialgesetzbuch – Neuntes<br />

Buch – (SGB IX). Werkstätten für behin<strong>de</strong>rte Menschen bedürfen <strong>de</strong>r förmlichen Anerkennung.<br />

Anerkennungsbehör<strong>de</strong> ist die Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit, die im Einvernehmen mit <strong>de</strong>m überörtlichen<br />

Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe über die Anerkennung einer Einrichtung als Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen<br />

durch Anerkennungsbescheid entschei<strong>de</strong>t (§ 142 SGB IX).<br />

Lä<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Verkaufsstellen von Werkstätten für behin<strong>de</strong>rte Menschen sind grundsätzlich als<br />

Zweckbetriebe zu behan<strong>de</strong>ln, wenn dort Produkte verkauft wer<strong>de</strong>n, die von <strong>de</strong>r – <strong>de</strong>n La<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die<br />

Verkaufsstelle betreiben<strong>de</strong>n – Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen o<strong>de</strong>r einer an<strong>de</strong>ren Werkstatt für<br />

behin<strong>de</strong>rte Menschen i. S. d. § 68 Nr. 3a hergestellt wor<strong>de</strong>n sind. Wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>m La<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Verkaufsstelle <strong>de</strong>r Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen auch zugekaufte Waren, die nicht von ihr o<strong>de</strong>r von<br />

an<strong>de</strong>ren Werkstätten für behin<strong>de</strong>rte Menschen hergestellt wor<strong>de</strong>n sind, weiterverkauft, liegt insoweit ein<br />

geson<strong>de</strong>rter steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor.<br />

Zu <strong>de</strong>n Zweckbetrieben gehören auch die von <strong>de</strong>n Trägern <strong>de</strong>r Werkstätten für behin<strong>de</strong>rte Menschen<br />

betriebenen Kantinen, weil die beson<strong>de</strong>re Situation <strong>de</strong>r behin<strong>de</strong>rten Menschen auch während <strong>de</strong>r<br />

Mahlzeiten eine Betreuung erfor<strong>de</strong>rt.<br />

6. Integrationsprojekte i. S. d. § 132 SGB IX sind rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Unternehmen<br />

(Integrationsunternehmen) o<strong>de</strong>r unternehmensinterne o<strong>de</strong>r von öffentlichen Arbeitgebern i. S. d. § 73<br />

Abs. 3 SGB IX geführte Betriebe (Integrationsbetriebe) o<strong>de</strong>r Abteilungen (Integrationsabteilungen) <strong>zur</strong><br />

Beschäftigung schwerbehin<strong>de</strong>rter Menschen, <strong>de</strong>ren Teilhabe an einer sonstigen Beschäftigung auf <strong>de</strong>m<br />

allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund von Art o<strong>de</strong>r Schwere <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r wegen sonstiger<br />

Umstän<strong>de</strong> voraussichtlich auf beson<strong>de</strong>re Schwierigkeiten stößt. Während Integrationsprojekte i. S. d.<br />

§ 132 SGB IX min<strong>de</strong>stens 25 % und höchstens 50 % beson<strong>de</strong>rs betroffene schwerbehin<strong>de</strong>rte Menschen<br />

beschäftigen sollen, um sozialrechtlich als Integrationsprojekt anerkannt wer<strong>de</strong>n zu können, bedarf es für<br />

die steuerliche Eignung als Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 3 Buchstabe c einer Beschäftigungsquote von<br />

min<strong>de</strong>stens 40 % dieser Personengruppe. Für Integrationsprojekte wird an<strong>de</strong>rs als bei Werkstätten für<br />

behin<strong>de</strong>rte Menschen kein förmliches Anerkennungsverfahren durchgeführt. Als Nachweis für die<br />

Eigenschaft als Integrationsprojekt dient <strong>de</strong>r Bescheid <strong>de</strong>s zuständigen Integrationsamtes über erbrachte<br />

Leistungen nach § 134 SGB IX (Leistungsbescheid). Zusätzlich ist für die steuerliche Beurteilung als<br />

Integrationsprojekt nach § 68 Nr. 3 Buchstabe c eine Beschäftigungsquote von min<strong>de</strong>stens 40 % <strong>de</strong>r o. g.<br />

Personengruppe nachzuweisen. Die Beschäftigungsquote wird nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>s § 75 SGB IX<br />

berechnet. Es wer<strong>de</strong>n also grundsätzlich nur die Beschäftigten <strong>de</strong>s Integrationsprojektes berücksichtigt,<br />

die auf Arbeitsplätzen im Sinne <strong>de</strong>s § 73 SGB IX beschäftigt sind (siehe § 75 Abs. 1 SGB IX).<br />

Teilzeitbeschäftigte, die mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 18 Stun<strong>de</strong>n beschäftigt sind,<br />

sind damit nicht berücksichtigungsfähig. Ein über diese Grenze hinausgehend Teilzeitbeschäftigter wird<br />

voll angerechnet. Verfügt ein Integrationsprojekt über wenigstens 20 Arbeitsplätze und ist damit<br />

beschäftigungspflichtig (vgl. § 71 Abs. 1 SGB IX), kann das Vorliegen <strong>de</strong>r Voraussetzungen <strong>de</strong>r 40 %-<br />

Quote über die Anzeige nach § 80 Abs. 2 SGB IX geführt wer<strong>de</strong>n.<br />

7. Zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für (schwer-)behin<strong>de</strong>rte Menschen schaffen Han<strong>de</strong>lsbetriebe,<br />

die als wohnortnahe Einzelhan<strong>de</strong>lsgeschäfte beispielsweise mit einem Lebensmittelvollsortiment und<br />

entsprechen<strong>de</strong>m Einsatz von Fachpersonal betrieben wer<strong>de</strong>n. Mit dieser Beschäftigungsform soll<br />

behin<strong>de</strong>rten Menschen eine Möglichkeit <strong>zur</strong> Teilhabe am Arbeitsleben auf <strong>de</strong>m allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt auch außerhalb von Werkstätten für behin<strong>de</strong>rte Menschen geboten wer<strong>de</strong>n.<br />

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Han<strong>de</strong>lsbetriebe, die keine Lä<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Verkaufsstellen von Werkstätten für behin<strong>de</strong>rte Menschen i. S. d.<br />

Nr. 5 darstellen, können als Integrationsprojekt (vgl. Nr. 6) o<strong>de</strong>r als zusätzlicher Arbeitsbereich,<br />

zusätzlicher Betriebsteil o<strong>de</strong>r zusätzliche Betriebsstätte einer (anerkannten) Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte<br />

Menschen gegrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Im letzteren Fall muss die Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen bei <strong>de</strong>n<br />

Anerkennungsbehör<strong>de</strong>n (§ 142 SGB IX) die Erweiterung <strong>de</strong>r anerkannten Werkstatt um <strong>de</strong>n zusätzlichen<br />

Arbeitsbereich, <strong>de</strong>n Betriebsteil o<strong>de</strong>r die zusätzliche Betriebsstätte „Han<strong>de</strong>lsbetrieb“ anzeigen und um<br />

<strong>de</strong>ren Einbeziehung in die Anerkennung nach § 142 SGB IX ersuchen. Die Anerkennungsbehör<strong>de</strong>n<br />

prüfen, ob die anerkannte Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen auch mit einer solchen Erweiterung<br />

insgesamt noch die Anerkennungsvoraussetzungen als Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen nach § 142<br />

SGB IX erfüllt.<br />

Han<strong>de</strong>lsbetriebe, die von <strong>de</strong>n Sozialbehör<strong>de</strong>n als Integrationsprojekte geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, stellen<br />

grundsätzlich einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 3 Buchstabe c dar, wenn die<br />

Beschäftigungsquote von 40 % <strong>de</strong>r Personengruppe erreicht ist.<br />

Die von <strong>de</strong>n Sozialbehör<strong>de</strong>n vorgenommene sozialrechtliche Einordnung dieser Han<strong>de</strong>lsbetriebe als Teil<br />

einer Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen (§ 68 Nr. 3 Buchstabe a) o<strong>de</strong>r als Integrationsprojekt (§ 68 Nr. 3<br />

Buchstabe c) soll von <strong>de</strong>r zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> regelmäßig übernommen wer<strong>de</strong>n. Dem zuständigen<br />

Finanzamt obliegt aber die abschließen<strong>de</strong> rechtsverbindliche Entscheidung im Einzelfall. Dabei kommt<br />

<strong>de</strong>n Beschei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Sozialbehör<strong>de</strong>n (Anerkennungsbescheid nach § 142 SGB IX bzw. Bescheid über<br />

erbrachte Leistungen nach § 134 SGB IX) grundsätzlich Tatbestandswirkung zu. Die Beschei<strong>de</strong> stellen<br />

aber keine Grundlagenbeschei<strong>de</strong> i. S. v. § 171 Abs. 10 dar.<br />

8. Einrichtungen für Beschäftigungs- und Arbeitstherapie, die <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rung von behin<strong>de</strong>rten Menschen<br />

dienen, sind beson<strong>de</strong>re Einrichtungen, in <strong>de</strong>nen eine Behandlung von behin<strong>de</strong>rten Menschen aufgrund<br />

ärztlicher Indikationen erfolgt. Während eine Beschäftigungstherapie ganz allgemein das Ziel hat,<br />

körperliche o<strong>de</strong>r psychische Grundfunktionen zum Zwecke <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>reinglie<strong>de</strong>rung in das Alltagsleben<br />

wie<strong>de</strong>rherzustellen, zielt die Arbeitstherapie darauf ab, die beson<strong>de</strong>ren Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

auszubil<strong>de</strong>n, zu för<strong>de</strong>rn und zu trainieren, die für eine Teilnahme am Arbeitsleben erfor<strong>de</strong>rlich sind.<br />

Beschäftigungs- und Arbeitstherapie sind vom medizinischen Behandlungszweck geprägt und erfolgen<br />

regelmäßig außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses zum Träger <strong>de</strong>r Therapieeinrichtung. Ob eine<br />

entsprechen<strong>de</strong> Einrichtung vorliegt, ergibt sich aufgrund <strong>de</strong>r Vereinbarungen über Art und Umfang <strong>de</strong>r<br />

Heilbehandlung und Rehabilitation zwischen <strong>de</strong>m Träger <strong>de</strong>r Einrichtung und <strong>de</strong>n Leistungsträgern.<br />

Zu § 68 Nr. 4:<br />

9. Begünstigte Einrichtungen sind insbeson<strong>de</strong>re Werkstätten, die <strong>zur</strong> Fürsorge von blin<strong>de</strong>n und<br />

körperbehin<strong>de</strong>rten Menschen unterhalten wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 68 Nr. 6:<br />

10. Lotterien und Ausspielungen sind ein Zweckbetrieb, wenn sie von <strong>de</strong>n zuständigen Behör<strong>de</strong>n genehmigt<br />

sind o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>n jeweiligen lan<strong>de</strong>srechtlichen Bestimmungen wegen <strong>de</strong>s geringen Umfangs <strong>de</strong>r<br />

Ausspielung o<strong>de</strong>r Lotterieveranstaltung per Verwaltungserlass pauschal als genehmigt gelten. Die<br />

sachlichen Voraussetzungen und die Zuständigkeit für die Genehmigung bestimmen sich nach <strong>de</strong>n<br />

lotterierechtlichen Verordnungen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r. Der Gesetzeswortlaut lässt es offen, in welchem Umfang<br />

solche Lotterien veranstaltet wer<strong>de</strong>n dürfen. Da eine beson<strong>de</strong>re Einschränkung fehlt, ist auch eine<br />

umfangreiche Tätigkeit so lange unschädlich, als die allgemein durch das Gesetz gezogenen Grenzen<br />

nicht überschritten wer<strong>de</strong>n. Die jährliche Organisation einer Tombola durch eine<br />

Mittelbeschaffungskörperschaft ist im Rahmen <strong>de</strong>r Gesamtbetrachtung selbst dann als steuerbegünstigter<br />

Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 6 zu beurteilen, wenn die Körperschaft die Mittel überwiegend aus <strong>de</strong>r<br />

Ausrichtung <strong>de</strong>r Tombola erzielt.<br />

11. Zur Ermittlung <strong>de</strong>s Reinertrags dürfen <strong>de</strong>n Einnahmen aus <strong>de</strong>r Lotterieveranstaltung o<strong>de</strong>r Ausspielung<br />

nur die unmittelbar damit zusammenhängen<strong>de</strong>n Ausgaben gegenübergestellt wer<strong>de</strong>n. Führt eine<br />

steuerbegünstigte Körperschaft eine Lotterieveranstaltung durch, die nach <strong>de</strong>m Rennwett- und<br />

Lotteriegesetz nicht genehmigungsfähig ist, z. B. eine Ausspielung anlässlich einer geselligen<br />

Veranstaltung, han<strong>de</strong>lt es sich insoweit nicht um einen Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 6.<br />

Zu § 68 Nr. 7:<br />

12. Wegen <strong>de</strong>r Breite <strong>de</strong>s Spektrums, die die För<strong>de</strong>rung von Kunst und Kultur umfasst, ist die im Gesetz<br />

enthaltene Aufzählung <strong>de</strong>r kulturellen Einrichtungen nicht abschließend.<br />

13. Kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen i. S. d. § 68 Nr. 7 können nur vorliegen, wenn die<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kultur Satzungszweck <strong>de</strong>r Körperschaft ist. Sie sind stets als Zweckbetrieb zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

Das BFH-Urteil vom 4.5.1994 – XI R 109/90 – BStBl. II, S. 886) zu sportlichen Darbietungen eines<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 62 von 235


Sportvereins (vgl. zu § 67a, Nr. 3) gilt für kulturelle Darbietungen entsprechend. Demnach liegt auch<br />

dann eine kulturelle Veranstaltung <strong>de</strong>r Körperschaft vor, wenn diese eine Darbietung kultureller Art im<br />

Rahmen einer Veranstaltung präsentiert, die nicht von <strong>de</strong>r Körperschaft selbst organisiert wird und die<br />

ihrerseits keine kulturelle Veranstaltung i. S. d. § 68 Nr. 7 darstellt. Wenn z. B. ein steuerbegünstigter<br />

Musikverein, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r volkstümlichen Musik dient, gegen Entgelt im Festzelt einer<br />

Brauerei ein volkstümliches Musikkonzert darbietet, gehört <strong>de</strong>r Auftritt <strong>de</strong>s Musikvereins als kulturelle<br />

Veranstaltung zum Zweckbetrieb.<br />

14. Der Verkauf von Speisen und Getränken und die Werbung bei kulturellen Veranstaltungen gehören nicht<br />

zu <strong>de</strong>m Zweckbetrieb. Diese Tätigkeiten sind geson<strong>de</strong>rte wirtschaftliche Geschäftsbetriebe. Wird für <strong>de</strong>n<br />

Besuch einer kulturellen Veranstaltung mit Bewirtung ein einheitliches Entgelt entrichtet, so ist dieses –<br />

ggf. im Wege <strong>de</strong>r Schätzung – in einen Entgeltsanteil für <strong>de</strong>n Besuch <strong>de</strong>r Veranstaltung (Zweckbetrieb)<br />

und für die Bewirtungsleistungen (wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb) aufzuteilen.<br />

Zu § 68 Nr. 9:<br />

15. Auf das BMF-Schreiben vom 22.9.1999 (BStBl. I, S. 944) wird verwiesen. Abweichend von Tz. I.5<br />

letzter Satz <strong>de</strong>s genannten BMF-Schreibens kann bei einer Forschungseinrichtung, auf die § 68 Nr. 9<br />

anzuwen<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>ren Träger die Finanzierungsvoraussetzungen <strong>de</strong>r Vorschrift jedoch nicht erfüllt, nicht<br />

zwingend davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, dass sie in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt.<br />

Nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>s BFH-Urteils vom 4.4.2007 – I R 76/05 – BStBl. II, S. 631 ist unter<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>r gesamten Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Einzelfalls zu prüfen, ob sich die Auftragsforschung von<br />

<strong>de</strong>r steuerbegünstigten Tätigkeit trennen lässt. Ist in diesem Fall die Auftragsforschung von<br />

untergeordneter Be<strong>de</strong>utung, kann <strong>de</strong>r Träger <strong>de</strong>r Einrichtung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG gleichwohl<br />

steuerbefreit sein und die Auftragsforschung lediglich einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb (§ 64) darstellen. Die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG geht nur dann<br />

verloren, wenn die Auftragsforschung als eigenständiger Zweck neben die Eigenforschung<br />

(Grundlagenforschung) tritt und somit gegen das Gebot <strong>de</strong>r Ausschließlichkeit <strong>de</strong>s § 56 verstoßen wird.<br />

Zu § 69 – Haftung <strong>de</strong>r Vertreter:<br />

1. Bevollmächtigte, Beistän<strong>de</strong> und Vertreter (§§ 80 und 81) haften nur, wenn sie gleichzeitig Vertreter o<strong>de</strong>r<br />

Verfügungsberechtigte i. S. d. §§ 34 und 35 (z. B. Vermögensverwalter, Konkursverwalter,<br />

Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker) sind.<br />

2. Die Haftung wird durch Erlass eines Haftungsbescheids gem. § 191 geltend gemacht. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Einwendungen <strong>de</strong>s Haften<strong>de</strong>n gegen <strong>de</strong>n ursprünglichen Steuerbescheid Hinweis auf § 166, wegen <strong>de</strong>s<br />

Leistungsgebots vgl. zu § 219; wegen <strong>de</strong>r Verpflichtung <strong>zur</strong> Anhörung <strong>de</strong>r zuständigen Berufskammern vgl.<br />

zu § 191.<br />

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Zu § 70 – Haftung <strong>de</strong>s Vertretenen:<br />

Die Vorschrift hat vor allem Be<strong>de</strong>utung auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Zoll- und Verbrauchsteuerrechts, im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Besitz- und Verkehrsteuern kommt ihre Anwendung insbeson<strong>de</strong>re bei Abzugsteuern in Betracht. Für<br />

Handlungen eines Arbeitnehmers wird nur gehaftet, wenn dieser zu <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>n §§ 34 und 35 genannten<br />

Personenkreis gehört.<br />

Zu § 71 – Haftung <strong>de</strong>s Steuerhinterziehers und <strong>de</strong>s Steuerhehlers:<br />

Die für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Haftungsbeschei<strong>de</strong>s zuständige Stelle <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> hat im Einvernehmen mit <strong>de</strong>r für<br />

Straf- und Bußgeldsachen zuständigen Stelle zu prüfen, ob <strong>de</strong>r objektive o<strong>de</strong>r subjektive Tatbestand <strong>de</strong>r<br />

einschlägigen Strafvorschrift gegeben ist. Eine vorherige strafgerichtliche Verurteilung ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Ebenso wenig sind Selbstanzeige (§ 371), Eintritt <strong>de</strong>r Strafverfolgungsverjährung o<strong>de</strong>r sonstige<br />

Verfahrenshin<strong>de</strong>rnisse von Be<strong>de</strong>utung. An Entscheidungen im strafgerichtlichen Verfahren ist die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> nicht gebun<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 10.10.1972 – VII R 117/69 – BStBl. 1973 II, S. 68).<br />

Zu § 73 – Haftung bei Organschaft:<br />

1. Die Haftung bezieht sich auf die Steuern, für die die Organschaft gilt. Besteht z. B. nur hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

Umsatzsteuer Organschaft, so erstreckt sich die Haftung <strong>de</strong>r Tochtergesellschaft nicht auch auf die<br />

Körperschaftsteuer o<strong>de</strong>r Gewerbesteuer <strong>de</strong>r Muttergesellschaft.<br />

2. Ob eine Organschaft vorliegt, richtet sich nach <strong>de</strong>m jeweiligen Steuergesetz, das für die einzelne Steuer von<br />

Be<strong>de</strong>utung ist (z. B. § 14 KStG; § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG; § 2 Abs. 2 GewStG).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 63 von 235


Zu § 74 – Haftung <strong>de</strong>s Eigentümers von Gegenstän<strong>de</strong>n:<br />

1. Der Eigentümer <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> haftet persönlich, aber beschränkt auf die <strong>de</strong>m Unternehmen <strong>zur</strong><br />

Verfügung gestellten Gegenstän<strong>de</strong>. Das Haftungsobjekt ist dabei nicht auf <strong>de</strong>n (im Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Haftungsinanspruchnahme noch) im Eigentum <strong>de</strong>s Beteiligten stehen<strong>de</strong>n Gegenstand beschränkt, son<strong>de</strong>rn<br />

umfasst auch ein dafür ggf. erhaltenes Surrogat (Veräußerungserlös, Scha<strong>de</strong>nersatz, Tauschgegenstand<br />

o. Ä.), wenn <strong>de</strong>r Gegenstand im Zeitraum <strong>de</strong>r Steuerschul<strong>de</strong>ntstehung <strong>de</strong>m Unternehmen gedient hat (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 22.11.2011 – VII R 63/10 – BStBl. 2012 II, S. 223). Gegenstand <strong>de</strong>r Haftung können auch<br />

immaterielle Wirtschaftsgüter sein, wenn in dieses Vermögen vollstreckt wer<strong>de</strong>n kann (BFH-Urteil vom<br />

23.5.2012 – VII R 28/10 – BStBl. II, S. 763).<br />

Zur Haftung, wenn <strong>de</strong>r Gegenstand nicht im Eigentum <strong>de</strong>s Haften<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn im Eigentum einer<br />

Gesellschaft steht, an <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Haften<strong>de</strong> beteiligt ist, siehe BFH-Urteile vom 10.11.1983 – V R 18/79 – BStBl.<br />

1984 II, S. 127 (GbR) und vom 23.5.2012 – VII R 28/10 – BStBl. 2012 II, S. 763 (KG).<br />

2. Der Eigentümer haftet für die Steuern und Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen, bei <strong>de</strong>nen sich<br />

die Steuerpflicht auf <strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>s Unternehmens grün<strong>de</strong>t und die während <strong>de</strong>s Bestehens <strong>de</strong>r wesentlichen<br />

Beteiligung entstan<strong>de</strong>n sind; auf die Fälligkeit kommt es nicht an. Hierzu gehören die Steuern bzw.<br />

Ansprüche, für die <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Einzelsteuergesetzen bezeichnete Tatbestand an <strong>de</strong>n Betrieb eines<br />

Unternehmens geknüpft ist (z. B. Umsatzsteuer – auch bei Eigenverbrauch –, Gewerbesteuer,<br />

Verbrauchsteuer bei Herstellungsbetrieben, Rückfor<strong>de</strong>rung von Investitionszulage), nicht dagegen z. B.<br />

Personensteuern (z. B. Einkommen-, Körperschaft- und Erbschaftsteuer), Zölle, Abschöpfungen o<strong>de</strong>r<br />

Steuerabzugsbeträge (z. B. Lohnsteuer). Die Haftung erstreckt sich nicht auf die steuerlichen<br />

Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4).<br />

3. Eine wesentliche Beteiligung liegt auch dann vor, wenn <strong>de</strong>r betroffene Eigentümer nur mittelbar, z. B. über<br />

eine Tochtergesellschaft o<strong>de</strong>r einen Treuhän<strong>de</strong>r, beteiligt ist.<br />

4. Einer wesentlichen Beteiligung steht es gleich, wenn jemand ohne entsprechen<strong>de</strong> Vermögensbeteiligung auf<br />

das Unternehmen einen beherrschen<strong>de</strong>n Einfluss tatsächlich und in einer Weise ausübt, die dazu beiträgt,<br />

dass fällige Betriebsteuern nicht entrichtet wer<strong>de</strong>n; es genügt nicht, wenn eine Person nur die Möglichkeit<br />

hat, beherrschen<strong>de</strong>n Einfluss auszuüben.<br />

Zu § 75 – Haftung <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers:<br />

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Inhaltsübersicht<br />

1. Art <strong>de</strong>r Haftung<br />

2. Haftungsschuldner<br />

3. Haftungstatbestand<br />

3.1 Übereignung eines Unternehmens o<strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rt geführten Betriebs<br />

3.2 Übereignung <strong>de</strong>r wesentlichen Betriebsgrundlagen<br />

3.3 Leben<strong>de</strong>s Unternehmen<br />

3.4 Haftungsausschluss für Erwerbe aus einer Insolvenzmasse und im Vollstreckungsverfahren<br />

4. Umfang <strong>de</strong>r Haftung<br />

4.1 Sachliche Beschränkung<br />

4.2 Zeitliche Beschränkung<br />

4.3 Gegenständliche Beschränkung <strong>de</strong>r Haftung<br />

5. Verjährung<br />

6. Auskunftserteilung bei Betriebsübernahme<br />

1. Art <strong>de</strong>r Haftung<br />

§ 75 begrün<strong>de</strong>t eine persönliche, keine dingliche Haftung, die jedoch ihrem Gegenstand nach auf <strong>de</strong>m Bestand<br />

<strong>de</strong>s übereigneten Unternehmens bzw. Teilbetriebes beschränkt ist.<br />

2. Haftungsschuldner<br />

Haftungsschuldner ist <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Geschäftsveräußerung beteiligte Erwerber. Als Erwerber kommt je<strong>de</strong>r in<br />

Betracht, <strong>de</strong>r Träger von Rechten und Pflichten sein kann.<br />

3. Haftungstatbestand<br />

Haftungstatbestand ist die Übereignung eines Unternehmens o<strong>de</strong>r eines in <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rung eines Unternehmens<br />

geson<strong>de</strong>rt geführten Betriebes im Ganzen.<br />

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3.1 Übereignung eines Unternehmens o<strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rt geführten Betriebes<br />

Unternehmen ist je<strong>de</strong> wirtschaftliche Einheit o<strong>de</strong>r organisatorische Zusammenfassung persönlicher o<strong>de</strong>r<br />

sachlicher Mittel <strong>zur</strong> Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke, d. h. ein Unternehmen im Sinne <strong>de</strong>s § 2 Abs. 1 UStG<br />

(BFH-Urteile vom 14.5.1970 – V R 117/96 – BStBl. II, S. 676, vom 28.11.1973 – I R 129/71 – BStBl. 1974 II,<br />

S. 145, vom 27.11.1979 – VII R 12/79 – BStBl. 1980 II, S. 258, vom 11.5.1993 – VII R 86/92 – BStBl. II,<br />

S. 700, und vom 7.3.1996 – VII B 242/95 – BFH/NV S. 726).<br />

Ein geson<strong>de</strong>rt geführter Betrieb im Sinne <strong>de</strong>s § 75 ist ein mit gewisser Selbstständigkeit ausgestatteter, organisch<br />

geschlossener Teil eines Gesamtbetriebes, <strong>de</strong>r für sich allein lebensfähig ist. Fehlt es hieran, so kommt eine<br />

Haftung – ohne Rücksicht auf <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r übernommenen Wirtschaftsgüter – nicht in Betracht (BFH-<br />

Urteile vom 15.3.1984 – IV R 189/81 – BStBl. II, S. 486, vom 3.12.1985 – VII R 186/83 – BFH/NV 1986<br />

S. 315, und vom 29.4.1993 – IV R 88/92 – BFH/NV 1994 S. 694). Ob ein Betriebsteil die für die Annahme eines<br />

geson<strong>de</strong>rt geführten Betriebes erfor<strong>de</strong>rliche Selbstständigkeit besitzt, ist nach <strong>de</strong>m Gesamtbild <strong>de</strong>r Verhältnisse<br />

zu entschei<strong>de</strong>n. Als Abgrenzungsmerkmale sind u. a. von Be<strong>de</strong>utung: Räumliche Trennung vom Hauptbetrieb,<br />

geson<strong>de</strong>rte Buchführung, eigenes Personal, eigene Verwaltung, selbstständige Organisation, eigenes<br />

Anlagevermögen, ungleichartige betriebliche Tätigkeit und eigener Kun<strong>de</strong>nstamm. Diese Merkmale, die nicht<br />

sämtlich vorliegen müssen, haben unterschiedliches Gewicht, je nach<strong>de</strong>m, ob es sich um einen Han<strong>de</strong>ls-,<br />

Dienstleistungs- o<strong>de</strong>r Fertigungsbetrieb han<strong>de</strong>lt (vgl. BFH-Urteile vom 23.11.1988 – X R 1/86 – BStBl. 1989 II,<br />

S. 376, und vom 29.4.1993 – IV R 88/92 – a.a.O.). Bei Einzelhan<strong>de</strong>lsfilialen reicht es für die Annahme eines<br />

geson<strong>de</strong>rt geführten Betriebes regelmäßig nicht aus, dass die Filiale vom Hauptbetrieb räumlich getrennt ist und<br />

über eigenes Personal, eine selbstständige Kassenführung und einen eigenen Kun<strong>de</strong>nkreis verfügt. Es muss<br />

hinzukommen, dass die Filiale über selbstständige Wareneinkaufsbeziehungen und eine selbstständige<br />

Preisgestaltung verfügt (BFH-Urteile vom 12.9.1979 – I R 146/76 – BStBl. 1980 II, S. 51, vom 12.2.1992 –<br />

XI R 21/90 – BFH/NV S. 516, und vom 29.4.1993, a.a.O.).<br />

3.2 Übereignung <strong>de</strong>r wesentlichen Betriebsgrundlagen<br />

Die Übereignung <strong>de</strong>s Unternehmens im Ganzen setzt voraus, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen von<br />

<strong>de</strong>m Veräußerer auf <strong>de</strong>n Erwerber <strong>de</strong>rgestalt übergehen, dass dieser in <strong>de</strong>r Lage ist, wirtschaftlich wie ein<br />

Eigentümer darüber zu verfügen und so das Unternehmen fortzuführen (BFH-Urteile vom 18.3.1986 –<br />

VII R 146/81 – BStBl. II, S. 589 und vom 10.12.1991 – VII R 57/89 – BFH/NV 1992 S. 712). Welche<br />

Wirtschaftsgüter wesentliche Betriebsgrundlage sind, hängt letztendlich von <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>s Betriebes ab und ist<br />

nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalles zu entschei<strong>de</strong>n; in Betracht kommen z. B. Geschäftsgrundstücke, -räume<br />

und -einrichtung, das Warenlager, Maschinen, Nutzungs- und Gebrauchsrechte o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>nstamm.<br />

Maßgeblich ist das tatsächliche Ergebnis <strong>de</strong>r Übertragung, nicht etwa vertraglich getroffene Vereinbarungen<br />

(BFH-Urteil vom 23.10.1985 – VII R 142/81 – BFH/NV 1986 S. 381). Eine Haftung kommt nicht in Betracht,<br />

sofern <strong>de</strong>r frühere Betriebsinhaber eine wesentliche Betriebsgrundlage <strong>zur</strong>ückbehält und später übereignet (BFH-<br />

Urteil vom 6.8.1985 – VII R 142/81 – BStBl. II, S. 651).<br />

Eine Betriebsübereignung im Sinne <strong>de</strong>s § 75 setzt bei Grundstücken die zu <strong>de</strong>n wesentlichen Grundlagen <strong>de</strong>s<br />

Unternehmens gehören und im Eigentum <strong>de</strong>s Betriebsinhabers stehen, voraus, dass sie nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s<br />

BGB an <strong>de</strong>n Erwerber übereignet wer<strong>de</strong>n. Die Vermietung o<strong>de</strong>r Verpachtung eines solchen Grundstücks durch<br />

<strong>de</strong>n früheren Betriebsinhaber an <strong>de</strong>n fortführen<strong>de</strong>n Unternehmer vermag die Haftung nicht zu begrün<strong>de</strong>n (BFH-<br />

Urteile vom 18.3.1986 – VII R 146/81 – BStBl. II, S. 589 und vom 29.10.1985 – VII R 194/82 – BFH/NV 1987<br />

S. 358). Das Gleiche gilt, wenn <strong>de</strong>r frühere Unternehmer <strong>de</strong>n ihm gehören<strong>de</strong>n Hälfteanteil <strong>de</strong>s<br />

Betriebsgrundstücks als wesentliche Grundlage <strong>de</strong>s Betriebes nicht an die als Haftungsschuldner in Betracht<br />

kommen<strong>de</strong> GmbH, son<strong>de</strong>rn an <strong>de</strong>ren Alleingesellschafter und alleinigen Geschäftsführer übereignet (BFH-Urteil<br />

vom 16.3.1982 – VII R 105/79 – BStBl. II, S. 483).<br />

Umfassen die wesentlichen Betriebsgrundlagen Wirtschaftsgüter, die nicht im bürgerlich-rechtlichen Sinne<br />

übereignet wer<strong>de</strong>n können (z. B. Erfahrungen, Geheimnisse, Beziehungen zu Kun<strong>de</strong>n, Lieferanten und<br />

Mitarbeitern) genügt es, wenn diese lediglich im wirtschaftlichen Sinne übereignet wer<strong>de</strong>n, so dass <strong>de</strong>r Erwerber<br />

ein eigentümerähnliches Herrschaftsverhältnis erlangt (BFH-Urteile vom 27.11.1979 – VII R 12/79 –<br />

BStBl. 1980 II, S. 258, vom 16.3.1982 – VII R 105/79 – BStBl. II, S. 483, und vom 3.5.1994 – VII B 265/93 –<br />

BFH/NV S. 762).<br />

Gehören zu <strong>de</strong>n wesentlichen Betriebsgrundlagen auch Nutzungsrechte, z. B. Miet- o<strong>de</strong>r Pachtrechte, die nicht<br />

nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen übereignet wer<strong>de</strong>n können, so reicht es für die Übertragung solcher<br />

Rechte aus, dass <strong>de</strong>r Betriebsübernehmer unter Mitwirkung <strong>de</strong>s bisherigen Betriebsinhabers mit <strong>de</strong>m Vermieter<br />

o<strong>de</strong>r Verpächter einen entsprechen<strong>de</strong>n Nutzungsvertrag abschließt. Für die Mitwirkung <strong>de</strong>s bisherigen<br />

Betriebsinhabers ist es ausreichend, wenn dieser in irgen<strong>de</strong>iner tatsächlichen Art und Weise in <strong>de</strong>n Abschluss<br />

<strong>de</strong>s neuen Nutzungsvertrages eingeschaltet war, sei es, dass er <strong>de</strong>n Eintritt <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers in <strong>de</strong>n alten<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 65 von 235


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Vertrag o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Neuabschluss <strong>de</strong>s Nutzungsvertrages initiierte, vermittelte, befürwortete o<strong>de</strong>r auch nur billigte<br />

(BFH-Urteil vom 21.2.1989 – VII R 164/85 – BFH/NV S. 671 und BFH-Beschluss vom 19.5.1998 –<br />

VII B 281/97 – BFH/NV 1999 S. 4).<br />

Ein auf frem<strong>de</strong>m Grundstück unterhaltener Betrieb ist erst dann übereignet, wenn <strong>de</strong>r Pachtvertrag mit <strong>de</strong>m<br />

Grundstückseigentümer auf <strong>de</strong>n Erwerber übergeleitet ist. Dies gilt auch dann, wenn an<strong>de</strong>re Betriebsgrundlagen<br />

bereits vorher auf <strong>de</strong>n Erwerber übergegangen sind (BFH-Urteil vom 17.2.1988 – VII R 97/88 – BFH/NV<br />

S. 755).<br />

Für die Haftung <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers kommt es nur darauf an, dass das wirtschaftliche Eigentum an <strong>de</strong>n<br />

wesentlichen Betriebsgrundlagen, d. h. die Möglichkeit, über <strong>de</strong>n Einsatz <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> allein entschei<strong>de</strong>n zu<br />

können, vom bisherigen Unternehmer auf <strong>de</strong>n Erwerber übergeht. Die Haftung <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers kommt<br />

daher auch dann in Betracht, wenn <strong>de</strong>r Erwerber das wirtschaftliche Herrschaftsverhältnis über im frem<strong>de</strong>n<br />

Sicherungseigentum stehen<strong>de</strong>s Betriebsvermögen durch Vereinbarung mit <strong>de</strong>m bisherigen Unternehmer erlangt<br />

(BFH-Urteil vom 22.9.1992 – VII R 73–74/91 – BFH/NV 1993 S. 215). Eine Haftung <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers<br />

schei<strong>de</strong>t dagegen aus, wenn <strong>de</strong>r Erwerber das (wirtschaftliche) Eigentum durch Erwerb vom Sicherungsnehmer<br />

erlangt, ohne dass <strong>de</strong>r frühere Betreiber <strong>de</strong>s Unternehmens an <strong>de</strong>m Geschäft in irgen<strong>de</strong>iner Weise beteiligt war<br />

(BFH-Urteil vom 19.1.1988 – VII R 74/85 – BFH/NV S. 479, und BFH-Beschluss vom 3.5.1994 –<br />

VII B 265/93 – BFH/NV S. 762).<br />

Eine Übertragung in mehreren Teilakten ist eine Übertragung im Ganzen, wenn die einzelnen Teile im<br />

wirtschaftlichen Zusammenhang stehen und <strong>de</strong>r Wille auf Erwerb <strong>de</strong>s Unternehmens gerichtet ist (BFH-Urteile<br />

vom 16.3.1982 – VII R 105/79 – BStBl. II, S. 483, vom 17.2.1988 – VII R 74/85 – BFH/NV S. 755, und vom<br />

3.5.1994 – VII B 265/93 – BFH/NV S. 762).<br />

3.3 Leben<strong>de</strong>s Unternehmen<br />

Der Haftung <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers stehen Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenzreife <strong>de</strong>s<br />

bisherigen Unternehmens nicht entgegen. Die Haftung <strong>de</strong>s Erwerbers ist davon abhängig, dass er ein leben<strong>de</strong>s<br />

Unternehmen erwirbt. Dazu ist es erfor<strong>de</strong>rlich, dass <strong>de</strong>r Erwerber das Unternehmen ohne nennenswerte<br />

finanzielle Aufwendungen fortführen o<strong>de</strong>r, sofern <strong>de</strong>r Betrieb <strong>de</strong>s Unternehmens vor <strong>de</strong>m Erwerb bereits<br />

eingestellt war, ohne großen Aufwand wie<strong>de</strong>r in Gang setzen kann (BFH-Urteile vom 18.3.1986 –<br />

VII R 146/81 – BStBl. II, S. 589, vom 11.5.1993 – VII R 86/92 – BStBl. II, S. 700, und vom 10.12.1991 –<br />

VII R 57/89 – BFH/NV 1992 S. 712).<br />

Die Haftung <strong>de</strong>s Erwerbers wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass dieser <strong>de</strong>n Betrieb nur dann in <strong>de</strong>r<br />

bisherigen Weise fortführen kann, wenn er an die Stelle <strong>de</strong>s Veräußerers in das Vertragsnetz eines an<strong>de</strong>ren<br />

Unternehmens eintritt (BFH-Urteil vom 27.5.1986 – VII R 183/83 – BStBl. II, S. 654).<br />

Die Abweisung <strong>de</strong>s Antrags <strong>de</strong>s bisherigen Betriebsinhabers auf Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens mangels<br />

Masse kann ein Indiz dafür sein, dass ein leben<strong>de</strong>s Unternehmen nicht mehr vorhan<strong>de</strong>n ist; sie ist aber kein<br />

Kriterium, das eine Haftung <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers generell ausschließt (vgl. BFH-Urteile vom 22.9.1992 –<br />

VII R 73–74/91 – BFH/NV 1993 S. 215).<br />

3.4 Haftungsausschluss für Erwerbe aus einer Insolvenzmasse und im Vollstreckungsverfahren<br />

Für Erwerbe aus einer Insolvenzmasse und im Vollstreckungsverfahren schei<strong>de</strong>t eine Haftung <strong>de</strong>s<br />

Betriebsübernehmers aus (§ 75 Abs. 2). Aus einer Insolvenzmasse wird ein Unternehmen erworben, wenn <strong>de</strong>r<br />

Erwerb nach Eröffnung und vor Einstellung o<strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens getätigt wird. Ist die<br />

Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wor<strong>de</strong>n, so greift <strong>de</strong>r Haftungsausschluss nach<br />

§ 75 Abs. 2 nicht ein (vgl. BFH-Urteil vom 23.7.1998 – VII R 143/97 – BStBl. II, S. 765).<br />

Ein Erwerb im Vollstreckungsverfahren liegt vor, wenn dieser im Rahmen <strong>de</strong>r Verwertung, also <strong>de</strong>r<br />

Zwangsversteigerung (§ 17 ZVG), <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Verwertung (§ 65 ZVG), <strong>de</strong>r Versteigerung (§ 814 ZPO), <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>rweitigen Verwertung (§ 825 ZPO) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verwertung nach <strong>de</strong>n §§ 296, 305 erfolgt.<br />

Einen darüber hinausgehen<strong>de</strong>n Haftungsausschluss durch private Vereinbarung, etwa vergleichbar <strong>de</strong>s § 25<br />

Abs. 2 HGB, lässt die öffentlich-rechtliche Natur <strong>de</strong>r Haftung nach § 75 nicht zu.<br />

4. Umfang <strong>de</strong>r Haftung<br />

4.1 Sachliche Beschränkung<br />

Der Übernehmer eines Unternehmens o<strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rt geführten Betriebes haftet nur<br />

– für die im Betrieb begrün<strong>de</strong>ten Steuern (z. B. Umsatzsteuer – ausschließlich <strong>de</strong>r Einfuhrumsatzsteuer gemäß<br />

§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG und <strong>de</strong>r Umsatzsteuer wegen unberechtigten Steuerausweises gemäß § 14c Abs. 2<br />

UStG –, pauschalierte Lohnsteuer, Gewerbesteuer); er haftet dagegen insbeson<strong>de</strong>re nicht für<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 66 von 235


© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Erbschaftsteuer, Grundsteuer, Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer und<br />

Kraftfahrzeugsteuer;<br />

– für Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen sowie Prämien und Zulagen, auf die die Vorschriften<br />

für Steuervergütungen entsprechend anwendbar sind, wobei <strong>de</strong>r Erstattungsanspruch aus einer<br />

betriebsbedingten Steuervergütung bzw. Prämie o<strong>de</strong>r Zulage resultieren muss (insbeson<strong>de</strong>re Rückfor<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Investitionszulage);<br />

– für Steuerabzugsbeträge, insbeson<strong>de</strong>re Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer, Abzugsbeträge nach §§ 48, 50a<br />

EStG.<br />

Nach <strong>de</strong>m BFH-Urteil vom 28.1.1982 – V S 13/81 – BStBl. II, S. 490, umfasst die Haftung auch die durch die<br />

Unternehmensveräußerung entstan<strong>de</strong>ne Umsatzsteuerschuld. Zwar unterliegt eine Unternehmensveräußerung<br />

gemäß § 1 Abs. 1a UStG nicht mehr <strong>de</strong>r Umsatzsteuer. Die Haftung umfasst aber auch die in diesen Fällen<br />

unberechtigt ausgewiesene nach § 14c Abs. 1 UStG geschul<strong>de</strong>te Umsatzsteuer.<br />

Steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4) sind von <strong>de</strong>r Haftung ausgenommen.<br />

4.2 Zeitliche Beschränkung<br />

Voraussetzung für die Haftung ist, dass die Steuern und Erstattungsansprüche seit <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>s letzten vor<br />

<strong>de</strong>r wirtschaftlichen Übereignung liegen<strong>de</strong>n Kalen<strong>de</strong>rjahres entstan<strong>de</strong>n (§ 38) sind und innerhalb eines Jahres<br />

nach Abmeldung (§ 138) <strong>de</strong>s Betriebes bei <strong>de</strong>r zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Erwerber festgesetzt o<strong>de</strong>r<br />

angemel<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n sind. Die Jahresfrist beginnt frühestens mit <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Betriebsübernahme. Die<br />

Fälligkeit <strong>de</strong>r Ansprüche ist unerheblich.<br />

Es reicht aus, wenn die Steuern gegenüber <strong>de</strong>m Veräußerer innerhalb <strong>de</strong>r Jahresfrist festgesetzt wor<strong>de</strong>n sind, <strong>de</strong>r<br />

Haftungsbescheid kann später erlassen wer<strong>de</strong>n.<br />

4.3 Gegenständliche Beschränkung <strong>de</strong>r Haftung<br />

Die Haftung beschränkt sich auf das übernommene Vermögen (einschließlich Surrogate). Darunter ist das<br />

übernommene Aktivvermögen zu verstehen; Schul<strong>de</strong>n sind nicht abzuziehen. Der Haftungsschuldner haftet nicht<br />

in Höhe <strong>de</strong>s Wertes <strong>de</strong>s übernommenen Vermögens, son<strong>de</strong>rn mit diesem Vermögen.<br />

Der Umfang <strong>de</strong>r Haftung ist ausreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1), wenn im Haftungsbescheid <strong>de</strong>r<br />

Vermögenswert angegeben wird, auf <strong>de</strong>n die Haftung beschränkt ist (BFH-Urteil vom 22.9.1992 – VII R 73–<br />

74/91 – BFH/NV 1993 S. 215). Alternativ können die einzelnen übernommenen Gegenstän<strong>de</strong> aufgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n. Han<strong>de</strong>lt es sich um eine größere Anzahl von Gegenstän<strong>de</strong>n, könne diese in einer beson<strong>de</strong>ren Anlage<br />

zum Haftungsbescheid angegeben wer<strong>de</strong>n. Es genügt jedoch auch, im Haftungsbescheid auf <strong>de</strong>n<br />

Übergabevertrag Bezug zu nehmen, sofern sich aus diesem die übernommenen Gegenstän<strong>de</strong> in ein<strong>de</strong>utig<br />

abgrenzbarer Weise ergeben.<br />

5. Verjährung<br />

Die Festsetzungsverjährung beträgt 4 Jahre (§ 191 Abs. 3 Satz 2).<br />

6. Auskunftserteilung bei Betriebsübernahme<br />

Ersucht ein Kaufinteressent das Finanzamt um Auskunft über Rückstän<strong>de</strong> an Betriebssteuern und<br />

Steuerabzugsbeträgen, für die eine Haftung in Frage kommt, so kann diese Auskunft nur erteilt wer<strong>de</strong>n, wenn<br />

<strong>de</strong>r Betriebsinhaber zustimmt (§ 30 Abs. 4 Nr. 3). Der anfragen<strong>de</strong> Kaufinteressent ist ggf. auf die erfor<strong>de</strong>rliche<br />

Zustimmung sowie darauf hinzuweisen, dass <strong>de</strong>r Erwerber auch dann nach § 75 Abs. 1 haftet, wenn ihm bei <strong>de</strong>r<br />

Übereignung die Steuerschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Veräußerers nicht bekannt sind.<br />

Der haftungsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Tatbestand ist mit <strong>de</strong>r Eigentumsübertragung verwirklicht. Da Steuerschuldner und<br />

Haften<strong>de</strong>r nach § 44 Abs. 1 Gesamtschuldner sind, darf <strong>de</strong>m Erwerber nach erfolgter Eigentumsübertragung eine<br />

Auskunft über etwaige bekannte Steuerrückstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Veräußerers insoweit erteilt wer<strong>de</strong>n, als eine Haftung<br />

nach § 75 Abs. 1 in Betracht kommt. Es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, dass gegen <strong>de</strong>n Erwerber bereits ein<br />

Haftungsbescheid ergangen ist.<br />

Zu § 77 – Duldungspflicht:<br />

1. Eine Duldungspflicht kommt vor allem bei <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n §§ 34 und 35 genannten Personen in Betracht. Als<br />

öffentliche Last ruht auf <strong>de</strong>m Grundbesitz die Grundsteuer (§ 12 GrStG).<br />

2. Zum Erlass eines Duldungsbeschei<strong>de</strong>s wird auf § 191 hingewiesen, wegen weiterer Vorschriften über die<br />

Duldung <strong>de</strong>r Zwangsvollstreckung auf die §§ 262, 264 und 265.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 67 von 235


Zu § 78 – Beteiligte:<br />

Unter Beteiligten sind i. d. R. die Steuerpflichtigen (§ 33 Abs. 1) zu verstehen. Der Beteiligtenbegriff <strong>de</strong>s § 78<br />

gilt nicht im Zerlegungs- und Einspruchsverfahren (§§ 186, 359; vgl. BFH-Beschluss vom 28.3.1979, BStBl. II,<br />

S. 538).<br />

Zu § 80 – Bevollmächtigte und Beistän<strong>de</strong>:<br />

1. Die Finanzbehör<strong>de</strong> soll <strong>de</strong>n schriftlichen Nachweis einer Vollmacht nur verlangen, wenn begrün<strong>de</strong>te Zweifel<br />

an <strong>de</strong>r Vertretungsmacht bestehen; dieser Nachweis kann auch in elektronischer Form (§ 87a Abs. 3)<br />

erbracht wer<strong>de</strong>n. Bei Angehörigen <strong>de</strong>r steuerberaten<strong>de</strong>n Berufe, die für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen han<strong>de</strong>ln, wird<br />

eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung vermutet.<br />

2. Eine Vollmacht ermächtigt zwar nicht zum Empfang von Erstattungen o<strong>de</strong>r Vergütungen. Der<br />

Bevollmächtigte kann jedoch in an<strong>de</strong>rer Weise über das Guthaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen verfügen, in<strong>de</strong>m er<br />

z. B. namens <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gegenüber <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> aufrechnet (§ 226). Erstattungen an<br />

Bevollmächtigte o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Personen sind zulässig, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige eine entsprechen<strong>de</strong><br />

Zahlungsanweisung erteilt; die Finanzbehör<strong>de</strong> ist jedoch nicht <strong>zur</strong> Zahlung an sie verpflichtet.<br />

3. Bei <strong>de</strong>r Unterzeichnung von Steuererklärungen ist, wenn die Einzelsteuergesetze die eigenhändige<br />

Unterschrift vorsehen, eine Vertretung durch Bevollmächtigte nur unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 150<br />

Abs. 3 zulässig.<br />

4. Der Schriftwechsel und die Verhandlungen im Besteuerungsverfahren sind mit <strong>de</strong>m Bevollmächtigten zu<br />

führen. Nur bei Vorliegen beson<strong>de</strong>rer Grün<strong>de</strong> soll sich die Finanzbehör<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n Beteiligten selbst wen<strong>de</strong>n,<br />

z. B. um ihn um Auskünfte zu bitten, die nur er selbst als Wissensträger geben kann. In diesem Fall ist <strong>de</strong>r<br />

Bevollmächtigte zu unterrichten. Inwieweit Verwaltungsakte, insbeson<strong>de</strong>re Steuerbeschei<strong>de</strong>, gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Bevollmächtigten bekannt zu geben sind, richtet sich nach § 122.<br />

5. Mit <strong>de</strong>r Bestellung eines Bevollmächtigten verliert <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nicht die Möglichkeit, selbst<br />

rechtswirksame Erklärungen gegenüber <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> abzugeben. Er kann z. B. auch einen von <strong>de</strong>m<br />

Bevollmächtigten eingelegten Einspruch <strong>zur</strong>ücknehmen.<br />

6. Verfahrenshandlungen, die ein Bevollmächtigter o<strong>de</strong>r Beistand vor seiner Zurückweisung vorgenommen hat,<br />

sind wirksam.<br />

Zu § 81 – Bestellung eines Vertreters von Amts wegen:<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong>n haben im Allgemeinen keinen Anlass, die Bestellung eines Vertreters von Amts wegen zu<br />

beantragen. Wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe von Verwaltungsakten an Beteiligte im Ausland vgl. zu § 122, Nr. 1.8.4.<br />

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Zu § 82 – Ausgeschlossene Personen:<br />

1. Wegen <strong>de</strong>r Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen diese Vorschrift wird auf §§ 125 und 127 hingewiesen.<br />

2. Hilfe in Steuersachen i. S. von § 82 Abs. 1 Nr. 4 leisten nicht nur diejenigen, die nach <strong>de</strong>m StBerG<br />

ausdrücklich dazu befugt sind, son<strong>de</strong>rn auch sonstige Personen, die ohne gesetzliche Befugnis Hilfe in<br />

Steuersachen leisten. Zur Hilfe in Steuersachen zählen auch die nicht <strong>de</strong>m Erlaubnisvorbehalt <strong>de</strong>s § 2 StBerG<br />

unterliegen<strong>de</strong>n mechanischen Buchführungsarbeiten und die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten (§ 6<br />

StBerG).<br />

3. Zum Begriff <strong>de</strong>s Amtsträgers Hinweis auf § 7.<br />

Zu § 83 – Besorgnis <strong>de</strong>r Befangenheit:<br />

1. Das in § 83 vorgeschriebene Verfahren ist nicht nur dann durchzuführen, wenn <strong>de</strong>r Amtsträger tatsächlich<br />

befangen ist o<strong>de</strong>r sich für befangen hält, son<strong>de</strong>rn schon dann, wenn ein vernünftiger Grund vorliegt, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Beteiligten von seinem Standpunkt aus befürchten lassen könnte, dass <strong>de</strong>r Amtsträger nicht unparteiisch<br />

sachlich entschei<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>.<br />

2. Die Entscheidung, ob sich ein Amtsträger <strong>de</strong>r Mitwirkung an einem Verwaltungsverfahren zu enthalten hat,<br />

trifft <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>nleiter bzw. <strong>de</strong>r von ihm Beauftragte o<strong>de</strong>r die Aufsichtsbehör<strong>de</strong>. Über die Zulässigkeit <strong>de</strong>r<br />

Mitwirkung <strong>de</strong>s Amtsträgers im Verwaltungsverfahren ist ggf. im Rechtsbehelfsverfahren über <strong>de</strong>n<br />

Verwaltungsakt zu entschei<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 68 von 235


Zu § 85 – Besteuerungsgrundsätze:<br />

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1. Das Gesetz unterschei<strong>de</strong>t nicht zwischen <strong>de</strong>m Steuerermittlungsverfahren, das <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer<br />

gegenüber einem bestimmten Steuerpflichtigen dient, und <strong>de</strong>m Steueraufsichtsverfahren, in <strong>de</strong>m die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n gegenüber allen Steuerpflichtigen darüber wachen, dass die Steuern nicht verkürzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong>n können sich sowohl bei Ermittlungen, die sich gegen einen bestimmten<br />

Steuerpflichtigen richten, als auch bei <strong>de</strong>r Erforschung unbekannter Steuerfälle <strong>de</strong>r Beweismittel <strong>de</strong>s § 92<br />

bedienen. Sie können mit <strong>de</strong>r Auf<strong>de</strong>ckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle auch die Steuerfahndung<br />

beauftragen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3).<br />

2. Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat die Grundlagen <strong>de</strong>r Besteuerung bei je<strong>de</strong>r Veranlagung ohne Rücksicht auf die<br />

Behandlung <strong>de</strong>sselben Sachverhalts in Vorjahren selbstständig festzustellen und die Rechtslage neu zu<br />

beurteilen. Sie ist an die Sach- o<strong>de</strong>r Rechtsbehandlung in früheren Veranlagungszeiträumen nicht gebun<strong>de</strong>n.<br />

Etwas an<strong>de</strong>res gilt nur dann, wenn <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen wirksam eine bestimmte Behandlung zugesagt<br />

wor<strong>de</strong>n ist (vgl. § 89 Abs. 2 und §§ 204 ff.) o<strong>de</strong>r die Finanzbehör<strong>de</strong> durch ihr früheres Verhalten außerhalb<br />

einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 30. 9. l.997 – IX R 80/94 –<br />

BStBl. 1998 II, S. 771, m. w. N.). Fehlt es hieran, gebieten es die Grundsätze <strong>de</strong>r Gesetzmäßigkeit <strong>de</strong>r<br />

Verwaltung und <strong>de</strong>r Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>r Besteuerung, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> eine als falsch erkannte<br />

Auffassung vom frühestmöglichen Zeitpunkt an aufgibt, auch wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige auf sie vertraut<br />

haben sollte. Diese Verpflichtung besteht auch, wenn die fehlerhafte Auffassung in einem Prüfungsbericht<br />

nie<strong>de</strong>rgelegt wor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat. Die Finanzbehör<strong>de</strong> ist selbst dann nicht an eine bei einer<br />

früheren Veranlagung zugrun<strong>de</strong> gelegte Auffassung gebun<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige im Vertrauen<br />

darauf disponiert hat (vgl. BFH-Urteil vom 21. l.0. 1992 – X R 99/88 – BStBl. 1993 II, S. 289, m. w. N.).<br />

3. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann nach pflichtgemäßem Ermessen „betriebsnahe Veranlagungen“ durchführen. Die<br />

betriebsnahen Veranlagungen gehören zum Steuerfestsetzungsverfahren, wenn sie ohne Prüfungsanordnung<br />

mit Einverständnis <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen an Ort und Stelle durchgeführt wer<strong>de</strong>n; es gelten die allgemeinen<br />

Verfahrensvorschriften über Besteuerungsgrundsätze und Beweismittel (§§ 85, 88 und 90 ff.). Eine<br />

betriebsnahe Veranlagung bewirkt keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 (BFH-Urteil vom 6.7. l.999 –<br />

VIII R 1.7/97 – BStBl. 2000 II, S. 306).<br />

4. Der gesetzliche Auftrag „sicherzustellen“, dass Steuern nicht verkürzt wer<strong>de</strong>n usw., weist auf die Befugnis<br />

zu Maßnahmen außerhalb eines konkreten Besteuerungsverfahrens hin. So sind <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

allgemeine Hinweise an die Öffentlichkeit o<strong>de</strong>r ähnliche vorbeugen<strong>de</strong> Maßnahmen gegenüber Einzelnen <strong>zur</strong><br />

Erfüllung <strong>de</strong>s gesetzlichen Auftrags gestattet. Auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s § 85 können auch im Wege <strong>de</strong>r<br />

Amtshilfe an<strong>de</strong>re Behör<strong>de</strong>n ersucht wer<strong>de</strong>n, Aufträge nur zu erteilen, wenn eine von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong><br />

erteilte Bescheinigung in Steuersachen die Bewertung ermöglicht, dass <strong>de</strong>r Bewerber seinen steuerlichen<br />

Pflichten im Wesentlichen nachkommt. Wegen <strong>de</strong>r allgemeinen Mitteilungspflicht von Behör<strong>de</strong>n und<br />

Rundfunkanstalten wird auf die Mitteilungsverordnung hingewiesen.<br />

Zu § 87 – Amtssprache:<br />

1. Bei Eingaben in frem<strong>de</strong>r Sprache soll die Finanzbehör<strong>de</strong> zunächst prüfen, ob eine <strong>zur</strong> Bearbeitung<br />

ausreichen<strong>de</strong> Übersetzung durch eigene Bedienstete o<strong>de</strong>r im Wege <strong>de</strong>r Amtshilfe ohne Schwierigkeiten<br />

beschafft wer<strong>de</strong>n kann. Übersetzungen sind nur im Rahmen <strong>de</strong>s Notwendigen, nicht aus Prinzip anzufor<strong>de</strong>rn.<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann auch Schriftstücke in frem<strong>de</strong>r Sprache entgegennehmen und in einer frem<strong>de</strong>n<br />

Sprache verhan<strong>de</strong>ln, wenn <strong>de</strong>r Amtsträger über entsprechen<strong>de</strong> Sprachkenntnisse verfügt. Anträge, die ein<br />

Verwaltungsverfahren auslösen, und fristwahren<strong>de</strong> Eingaben sollen in ihren wesentlichen Teilen in <strong>de</strong>utscher<br />

Sprache aktenkundig gemacht wer<strong>de</strong>n. Verwaltungsakte sind grundsätzlich in <strong>de</strong>utscher Sprache bekannt zu<br />

geben.<br />

2. Wegen <strong>de</strong>r Führung von Büchern in einer frem<strong>de</strong>n Sprache Hinweis auf § 146 Abs. 3.<br />

Zu § 87a – Elektronische Kommunikation:<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Zugangseröffnung<br />

2. Zugang<br />

3. Elektronisch signierte Dokumente<br />

4. Beweis durch elektronische Dokumente<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 69 von 235


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1. Zugangseröffnung<br />

Die Übermittlung elektronischer Dokumente an die Finanzbehör<strong>de</strong>n und an die Steuerpflichtigen ist zulässig,<br />

soweit <strong>de</strong>r Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet (§ 87a Abs. 1 Satz 1). Die Zugangseröffnung kann durch<br />

ausdrückliche Erklärung o<strong>de</strong>r konklu<strong>de</strong>nt sowie generell o<strong>de</strong>r nur für bestimmte Fälle erfolgen. Vorbehaltlich<br />

einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung besteht we<strong>de</strong>r für die Steuerpflichtigen noch für die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n ein Zwang <strong>zur</strong> Übermittlung elektronischer Dokumente.<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n, die eine E-Mail-Adresse angeben, erklären damit ihre Bereitschaft <strong>zur</strong> Entgegennahme<br />

elektronischer Dokumente; für die Übermittlung elektronisch signierter Dokumente (vgl. Nr. 3) muss <strong>de</strong>r Zugang<br />

geson<strong>de</strong>rt eröffnet wer<strong>de</strong>n. Wegen <strong>de</strong>r elektronischen Übermittlung von Steuererklärungsdaten Hinweis auf<br />

§ 150 Abs. 1 Satz 2 und die Steuerdaten-Übermittlungsverordnung.<br />

Bei natürlichen o<strong>de</strong>r juristischen Personen, die eine gewerbliche o<strong>de</strong>r berufliche Tätigkeit selbstständig ausüben<br />

und die auf einem im Verkehr mit <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> verwen<strong>de</strong>ten Briefkopf, in einer Steuererklärung o<strong>de</strong>r in<br />

einem Antrag an die Finanzbehör<strong>de</strong> ihre E-Mail-Adresse angegeben o<strong>de</strong>r sich per E-Mail an die Finanzbehör<strong>de</strong><br />

gewandt haben, kann in <strong>de</strong>r Regel davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, dass sie damit konklu<strong>de</strong>nt ihre Bereitschaft <strong>zur</strong><br />

Entgegennahme elektronischer Dokumente erklärt haben. Bei Steuerpflichtigen, die keine gewerbliche o<strong>de</strong>r<br />

berufliche Tätigkeit selbstständig ausüben (z. B. Arbeitnehmer), ist dagegen <strong>de</strong>rzeit nur bei Vorliegen einer<br />

ausdrücklichen, aber nicht formgebun<strong>de</strong>nen Einverständniserklärung von einer Zugangseröffnung im Sinne <strong>de</strong>s<br />

§ 87a Abs. 1 Satz 1 auszugehen.<br />

2. Zugang<br />

Ein elektronisches Dokument ist zugegangen, sobald die für <strong>de</strong>n Empfang bestimmte Einrichtung es in für <strong>de</strong>n<br />

Empfänger bearbeitbarer Weise aufgezeichnet hat (§ 87a Abs. 1 Satz 2). Ob und wann <strong>de</strong>r Empfänger das<br />

bearbeitbare Dokument tatsächlich <strong>zur</strong> Kenntnis nimmt, ist für <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Zugangs unbeachtlich. Zur<br />

wi<strong>de</strong>rlegbaren Vermutung <strong>de</strong>s Tags <strong>de</strong>s Zugangs elektronischer Verwaltungsakte vgl. § 122 Abs. 2a und § 123<br />

Sätze 2 und 3. Ein für <strong>de</strong>n Empfänger nicht bearbeitbares Dokument ist nicht im Sinne <strong>de</strong>s § 87a Abs. 1 Satz 2<br />

zugegangen und löst somit noch keine Rechtsfolgen (z. B. die Wahrung einer Antrags- o<strong>de</strong>r Rechtsbehelfsfrist<br />

o<strong>de</strong>r das Wirksamwer<strong>de</strong>n eines Verwaltungsakts) aus. Zum Verfahren nach Übermittlung eines nicht<br />

bearbeitbaren elektronischen Dokuments vgl. § 87a Abs. 2.<br />

3. Elektronisch signierte Dokumente<br />

Soweit durch Gesetz die Schriftform vorgeschrieben ist, kann dieser Form grundsätzlich auch durch<br />

Übermittlung in elektronischer Form entsprochen wer<strong>de</strong>n. Hierbei muss das Dokument mit einer qualifizierten<br />

elektronischen Signatur im Sinne <strong>de</strong>s § 2 Nr. 3 <strong>de</strong>s Signaturgesetzes (BStBl. 2001, I S. 351) versehen sein (§ 87a<br />

Abs. 3 und 4).<br />

§ 87a Abs. 3 gilt auch, wenn eine eigenhändige Unterschrift gesetzlich vorgeschrieben ist. In diesem Fall ist das<br />

Dokument von <strong>de</strong>rjenigen Person elektronisch zu signieren, die <strong>zur</strong> eigenhändigen Unterschrift verpflichtet ist,<br />

bzw. in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 150 Abs. 3 von <strong>de</strong>r bevollmächtigten Person.<br />

Elektronische Dokumente, die mit einem Wahlnamen signiert wor<strong>de</strong>n sind, <strong>de</strong>m die Funktion <strong>de</strong>s bürgerlichen<br />

Namens zukommt, sind von <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n nicht unter Berufung auf § 87a Abs. 3 Satz 3 <strong>zur</strong>ückzuweisen.<br />

4. Beweis durch elektronische Dokumente<br />

Ist ein elektronisches Dokument Gegenstand eines Beweises, wird <strong>de</strong>r Beweis durch Vorlegung o<strong>de</strong>r<br />

Übermittlung <strong>de</strong>r Datei angetreten. Befin<strong>de</strong>t sich das vorzulegen<strong>de</strong> elektronische Dokument we<strong>de</strong>r im Besitz <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen noch im Besitz <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>, gilt hinsichtlich <strong>de</strong>r Vorlage- bzw. Übermittlungspflicht<br />

Dritter § 97 Abs. 1 und 3 entsprechend (§ 87a Abs. 5 Satz 1). Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat bei ihrem<br />

Herausgabeverlangen anzugeben, dass das elektronische Dokument für die Besteuerung einer an<strong>de</strong>ren Person<br />

benötigt wird (§ 97 Abs. 1 Satz 2). Sie kann das elektronische Dokument an Amtsstelle o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>m Dritten<br />

einsehen, wenn dieser damit einverstan<strong>de</strong>n ist (§ 97 Abs. 3 Satz 1). Der Dritte hat ggf. auf seine Kosten<br />

diejenigen Hilfsmittel <strong>zur</strong> Verfügung zu stellen, die erfor<strong>de</strong>rlich sind, um das Dokument lesbar zu machen (§ 97<br />

Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 147 Abs. 5).<br />

Der Anschein <strong>de</strong>r Echtheit eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach <strong>de</strong>m Signaturgesetz<br />

übermittelten Dokuments, <strong>de</strong>r sich aufgrund <strong>de</strong>r Prüfung nach <strong>de</strong>m Signaturgesetz ergibt, kann nur durch<br />

Tatsachen erschüttert wer<strong>de</strong>n, die ernstliche Zweifel daran begrün<strong>de</strong>n, dass das Dokument mit <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>s<br />

Signaturschlüssel-Inhabers übermittelt wur<strong>de</strong> (§ 87a Abs. 5 Satz 2). Für die Beurteilung <strong>de</strong>r Frage, wann<br />

„ernstliche Zweifel“ vorliegen, können die Auslegungsgrundsätze zu § 361 Abs. 2 Satz 2 (vgl. zu § 361, Nr. 2.5)<br />

herangezogen wer<strong>de</strong>n. Für die Wi<strong>de</strong>rlegung <strong>de</strong>r Echtheitsvermutung ist daher erfor<strong>de</strong>rlich, dass die<br />

vorgetragenen Tatsachen ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das Dokument nicht mit <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>s<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 70 von 235


Signaturschlüssel-Inhabers übermittelt wor<strong>de</strong>n ist, zumin<strong>de</strong>st ebenso hoch ist wie die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

das übermittelte Dokument <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>s Signaturschlüssel-Inhabers entspricht.<br />

Die Vermutung <strong>de</strong>s § 87a Abs. 5 Satz 2 gilt nicht, wenn das übermittelte elektronische Dokument mit einer<br />

„einfachen“ elektronischen Signatur (§ 2 Nr. 1 <strong>de</strong>s Signaturgesetzes), mit einer „fortgeschrittenen elektronischen<br />

Signatur“ (§ 2 Nr. 2 <strong>de</strong>s Signaturgesetzes) o<strong>de</strong>r mit einer Signatur im Sinne <strong>de</strong>s § 87a Abs. 6 versehen wor<strong>de</strong>n<br />

ist.<br />

Zu § 88 – Untersuchungsgrundsatz:<br />

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1. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n haben alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die entscheidungserheblichen<br />

Tatsachen aufzuklären. Sie bestimmen Art und Umfang <strong>de</strong>r Ermittlungen nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Einzelfalles. Der Grundsatz <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit ist zu beachten. Die Ermittlungshandlungen dürfen<br />

danach zu <strong>de</strong>m angestrebten Erfolg nicht erkennbar außer Verhältnis stehen. Sie sollen so gewählt wer<strong>de</strong>n,<br />

dass damit unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r Verhältnisse <strong>de</strong>s Einzelfalles ein möglichst geringer Eingriff in die<br />

Rechtssphäre <strong>de</strong>s Beteiligten o<strong>de</strong>r Dritter verbun<strong>de</strong>n ist. Der Gewährung rechtlichen Gehörs kommt<br />

beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu.<br />

Trotz <strong>de</strong>s in § 85 festgelegten Legalitätsprinzips können bei <strong>de</strong>n Entscheidungen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

Erwägungen einbezogen wer<strong>de</strong>n, die im Ergebnis Zweckmäßigkeitserwägungen gleichzustellen sind<br />

(BVerfG vom 20.6.1973 – 1 BvL 9/71, 1 BvL 10/71 – BStBl. II, S. 720). Für die Anfor<strong>de</strong>rungen, die an die<br />

Aufklärungspflicht <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n zu stellen sind, darf die Erwägung eine Rolle spielen, dass die<br />

Aufklärung einen nicht mehr vertretbaren Zeitaufwand erfor<strong>de</strong>rt. Dabei kann auf das Verhältnis zwischen<br />

voraussichtlichem Arbeitsaufwand und steuerlichem Erfolg abgestellt wer<strong>de</strong>n. Die Finanzämter dürfen auch<br />

berücksichtigen, in welchem Maße sie durch ein zu erwarten<strong>de</strong>s finanzgerichtliches Verfahren belastet<br />

wer<strong>de</strong>n, sofern sie bei vorhan<strong>de</strong>nen tatsächlichen o<strong>de</strong>r rechtlichen Zweifeln <strong>de</strong>m Begehren <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen nicht entsprechen und zu seinem Nachteil entschei<strong>de</strong>n. In Fällen erschwerter<br />

Sachverhaltsermittlung dient es unter bestimmten Voraussetzungen <strong>de</strong>r Effektivität <strong>de</strong>r Besteuerung und<br />

allgemein <strong>de</strong>m Rechtsfrie<strong>de</strong>n, wenn sich die Beteiligten über die Annahme eines bestimmten Sachverhalts<br />

und über eine bestimmte Sachbehandlung einigen können (BFH-Urteil vom 11.12.1984 – VIII R 131/76 –<br />

BStBl. 1985 II, S. 354). Vgl. hierzu BMF-Schreiben vom 30.7.2008, BStBl. I, S. 831.<br />

2. Die Aufklärungspflicht <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n wird durch die Mitwirkungspflicht <strong>de</strong>r Beteiligten (§ 90)<br />

begrenzt. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind nicht verpflichtet, <strong>de</strong>n Sachverhalt auf alle möglichen Fallgestaltungen zu<br />

erforschen. Für <strong>de</strong>n Regelfall kann davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, dass die Angaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen in<br />

<strong>de</strong>r Steuererklärung vollständig und richtig sind (BFH-Urteil vom 17.4.1969 – V R 21/66 – BStBl. II,<br />

S. 474). Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann <strong>de</strong>n Angaben eines Steuerpflichtigen Glauben schenken, wenn nicht<br />

greifbare Umstän<strong>de</strong> vorliegen, die darauf hin<strong>de</strong>uten, dass seine Angaben falsch o<strong>de</strong>r unvollständig sind<br />

(BFH-Urteil vom 11.7.1978 – VIII R 120/75 – BStBl. 1979 II, S. 57). Sie verletzt ihre Aufklärungspflicht<br />

nur, wenn sie Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel außer Acht lässt und offenkundigen Zweifelsfragen nicht<br />

nachgeht, die sich ihr <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n nach ohne weiteres aufdrängen mussten (BFH-Urteile vom<br />

16.1.1964 – V 94/61 – BStBl. III, S. 149, und vom 13.11.1985 – II R 202/82 – BStBl. 1986 II, S. 241).<br />

3. Im Rahmen <strong>de</strong>r Prüfung zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen muss die Finanzbehör<strong>de</strong> ihrer Pflicht <strong>zur</strong> Fürsorge<br />

für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen (§ 89) gerecht wer<strong>de</strong>n. So ist auch die Verjährung von Amts wegen zu<br />

berücksichtigen.<br />

Zu § 89 – Beratung, Auskunft:<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Beratung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

2. Auskünfte nach § 89 Abs. 1 Satz 2<br />

3. Verbindliche Auskünfte nach § 89 Abs. 2<br />

3.1 Allgemeines<br />

3.2 Antragsteller<br />

3.3 Zuständigkeit für die Erteilung verbindlicher Auskünfte<br />

3.4 Form, Inhalt und Voraussetzungen <strong>de</strong>s Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft<br />

3.5 Erteilung einer verbindlichen Auskunft<br />

3.6 Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft<br />

3.7 Rechtsbehelfsmöglichkeiten<br />

4. Gebühren für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft (§ 89 Abs. 3 bis 7)<br />

4.1 Gebührenpflicht<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 71 von 235


4.2 Gegenstandswert<br />

4.3 Zeitgebühr<br />

4.4 Gebührenfestsetzung<br />

4.5 Ermäßigung <strong>de</strong>r Gebühr<br />

5. Anwendung <strong>de</strong>r StAuskV<br />

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1. Beratung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

1.1 In § 89 Abs. 1 Satz 1 sind Erklärungen und Anträge gemeint, die sich bei <strong>de</strong>m gegebenen Sachverhalt<br />

aufdrängen. Im Übrigen ist es Sache <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, sich über die Antragsmöglichkeiten zu unterrichten,<br />

ggf. durch Rückfrage beim Finanzamt (§ 89 Abs. 1 Satz 2). Die Finanzämter wären überfor<strong>de</strong>rt, wenn sie darauf<br />

zu achten hätten, ob <strong>de</strong>r Steuerpflichtige je<strong>de</strong> sich ihm bieten<strong>de</strong> Möglichkeit, Steuern zu sparen, ausgenutzt hat<br />

(BFH-Urteil vom 22.1.1960 – VI 175/59 U – BStBl. III, S. 178).<br />

1.2 Kann bei einem ein<strong>de</strong>utigen Verstoß <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n gegen die Fürsorgepflicht nach § 89 Abs. 1 Satz 1<br />

<strong>de</strong>m Steuerpflichtigen nicht durch Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand (§ 110) o<strong>de</strong>r durch Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

bestandskräftigen Steuerbeschei<strong>de</strong>s nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 geholfen wer<strong>de</strong>n, so kann es geboten sein, die zu<br />

Unrecht festgesetzte Steuer wegen sachlicher Unbilligkeit (§ 227) zu erlassen.<br />

2. Auskünfte nach § 89 Abs. 1 Satz 2<br />

In § 89 Abs. 1 Satz 2 sind Auskünfte über das Verfahren (z. B. Fristberechnung, Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n<br />

vorigen Stand, Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung) gemeint. Die Erteilung von Auskünften materieller Art ist <strong>de</strong>n<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n gestattet; hierauf besteht jedoch kein Anspruch.<br />

3. Verbindliche Auskünfte nach § 89 Abs. 2<br />

3.1 Allgemeines<br />

Die Finanzämter und das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern können unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2<br />

Satz 1 und <strong>de</strong>r StAuskV auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau<br />

bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen<br />

steuerlichen Auswirkungen ein beson<strong>de</strong>res Interesse besteht.<br />

3.2 Antragsteller<br />

3.2.1 Antragsteller einer verbindlichen Auskunft im Sinne <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 (und zugleich Gebührenschuldner im<br />

Sinne <strong>de</strong>s § 89 Abs. 3 bis 5) ist <strong>de</strong>rjenige, in <strong>de</strong>ssen Namen <strong>de</strong>r Antrag gestellt wird. Zur Antragstellung durch<br />

Personenmehrheiten vgl. § 1 Abs. 2 StAuskV. Antragsteller und Steuerpflichtiger müssen nicht i<strong>de</strong>ntisch sein.<br />

3.2.2 Antragsteller und Steuerpflichtiger sind in <strong>de</strong>r Regel i<strong>de</strong>ntisch, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige, <strong>de</strong>ssen künftige<br />

Besteuerung Gegenstand <strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft sein soll, bei Antragstellung bereits existiert. Eine dritte<br />

Person hat in diesen Fällen im Regelfall kein eigenes berechtigtes Interesse an einer Auskunftserteilung<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r Besteuerung eines an<strong>de</strong>ren, bereits existieren<strong>de</strong>n Steuerpflichtigen.<br />

3.2.3 Existiert <strong>de</strong>r Steuerpflichtige bei Antragstellung noch nicht, kann bei berechtigtem Interesse auch ein<br />

Dritter Antragsteller sein (§ 1 Abs. 3 StAuskV). Berechtigte/r Antragsteller einer verbindlichen Auskunft über<br />

die künftige Besteuerung einer noch nicht existieren<strong>de</strong>n Kapitalgesellschaft kann die Person/können die<br />

Personen gemeinsam sein, die diese Kapitalgesellschaft grün<strong>de</strong>n und dann (gemeinsam) zu min<strong>de</strong>stens 50 % an<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft beteiligt sein will/wollen. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für Auskunftsanträge einer<br />

Vorgründungsgesellschaft. Die einem Dritten wegen seines berechtigten Interesses erteilte verbindliche<br />

Auskunft entfaltet gegenüber <strong>de</strong>m künftigen Steuerpflichtigen auch dann Bindungswirkung, wenn die<br />

tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse bei Verwirklichung <strong>de</strong>s Sachverhalts von <strong>de</strong>n bei Antragstellung<br />

geplanten Beteiligungsverhältnissen abweichen, soweit die Beteiligungsverhältnisse für die steuerrechtliche<br />

Beurteilung ohne Be<strong>de</strong>utung sind.<br />

3.2.4 § 1 Abs. 3 StAuskV geht <strong>de</strong>r Regelung in § 1 Abs. 2 StAuskV als lex specialis vor. Deshalb muss ein<br />

Auskunftsantrag für eine noch zu grün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kapitalgesellschaft o<strong>de</strong>r Personengesellschaft nicht von allen<br />

künftigen Gesellschaftern gemeinsam gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

3.3 Zuständigkeit für die Erteilung verbindlicher Auskünfte<br />

Nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ist das Finanzamt für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft zuständig, das bei<br />

Verwirklichung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>m Antrag zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Sachverhalts für die Besteuerung örtlich zuständig sein<br />

wür<strong>de</strong>. Abweichend hiervon ist allerdings bei Antragstellern, für die im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Antragstellung nach §§ 18<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 72 von 235


is 21 kein Finanzamt zuständig ist, auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Steuern, die von <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n im Auftrag<br />

<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s verwaltet wer<strong>de</strong>n, nach § 89 Abs. 2 Satz 3 das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern für die<br />

Auskunftserteilung zuständig.<br />

3.3.1 Zuständigkeit <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>szentralamts für Steuern nach § 89 Abs. 2 Satz 3 AO<br />

3.3.1.1 Die Son<strong>de</strong>rregelung <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 Satz 3 geht <strong>de</strong>r allgemeinen Regelung in § 89 Abs. 2 Satz 2 vor. Sie<br />

gilt allerdings nur für Steuern, die von <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n im Auftrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s verwaltet wer<strong>de</strong>n. Für<br />

an<strong>de</strong>re von <strong>de</strong>n Finanzämtern verwaltete Steuern sowie für die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung kann das<br />

Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern auch dann keine verbindliche Auskunft erteilen, wenn im Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Antragstellung nach §§ 18 bis 21 kein Finanzamt für die Besteuerung <strong>de</strong>s Antragstellers zuständig ist.<br />

3.3.1.2 § 89 Abs. 2 Satz 3 stellt auf die aktuellen Verhältnisse <strong>de</strong>s Antragstellers im Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Antragstellung ab, während § 89 Abs. 2 Satz 2 auf künftige (geplante) Verhältnisse <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen (d. h.<br />

<strong>de</strong>r Person, <strong>de</strong>ren künftige Besteuerung Gegenstand <strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft ist) abstellt.<br />

3.3.1.3 § 89 Abs. 2 Satz 3 ist für je<strong>de</strong> Steuerart geson<strong>de</strong>rt anzuwen<strong>de</strong>n. Bei einem Antragsteller, für <strong>de</strong>n im<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>r Antragstellung ein Finanzamt für eine von <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n im Auftrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />

verwaltete Steuer zuständig ist, ist das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern für die Auskunftserteilung nur hinsichtlich<br />

solcher von <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n im Auftrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s verwalteten Steuern zuständig, für die im<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>r Antragstellung noch kein Finanzamt zuständig ist.<br />

3.3.1.4<br />

Beispiel:<br />

Die im Ausland ansässige natürliche Person A unterliegt im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Antragstellung im Inland nur <strong>de</strong>r<br />

Umsatzsteuer. Für die Umsatzbesteuerung <strong>de</strong>s A ist in diesem Zeitpunkt nach § 21 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. <strong>de</strong>r<br />

UStZustV das Finanzamt U zuständig. A beantragt eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 Satz 1 über<br />

Einkommen- und Umsatzsteuer.<br />

– Für die verbindliche Auskunft über Einkommensteuer ist nach § 89 Abs. 2 Satz 3 das Bun<strong>de</strong>szentralamt für<br />

Steuern zuständig.<br />

– Für die verbindliche Auskunft über Umsatzsteuer ist nach § 89 Abs. 2 Satz 2 das Finanzamt zuständig, das<br />

bei Verwirklichung <strong>de</strong>s vorgetragenen Sachverhalts nach § 21 (ggf. i. V. m. <strong>de</strong>r UStZustV) für die<br />

Umsatzbesteuerung <strong>de</strong>s A örtlich zuständig sein wür<strong>de</strong>.<br />

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3.3.1.5 Bei Anwendung <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 Satz 3 kommt es nicht darauf an, ob <strong>de</strong>r Antragsteller im Inland bereits<br />

bei einem Finanzamt geführt wird. Entschei<strong>de</strong>nd ist, ob nach <strong>de</strong>n Verhältnissen zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Antragstellung ein Finanzamt örtlich zuständig ist, d. h. ob vom Antragsteller bereits steuerrelevante<br />

Sachverhalte im Inland verwirklicht wur<strong>de</strong>n. Unerheblich ist, ob das örtlich zuständige Finanzamt hiervon<br />

bereits Kenntnis hat bzw. ob es bereits ein Besteuerungsverfahren durchgeführt hat.<br />

3.3.1.6 Das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern kann unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 Satz 3 auch dann<br />

eine verbindliche Auskunft erteilen, wenn <strong>de</strong>r Ort, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r vorgetragene Sachverhalt im Inland verwirklicht<br />

wer<strong>de</strong>n soll, noch nicht feststeht.<br />

3.3.1.7 Betrifft eine verbindliche Auskunft mehrere Steuerarten und sind hierfür zum Teil das Bun<strong>de</strong>szentralamt<br />

für Steuern und im Übrigen ein o<strong>de</strong>r mehrere Finanzämter zuständig, sollen sich die beteiligten Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

untereinan<strong>de</strong>r abstimmen, um wi<strong>de</strong>rsprüchliche verbindliche Auskünfte zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

3.3.2 Zuständigkeit eines Finanzamts nach § 89 Abs. 2 Satz 2<br />

3.3.2.1 Die Zuständigkeitsregelung <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 Satz 2 gilt bei <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n im<br />

Auftrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s verwalteten Steuern nur, soweit nicht das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern nach § 89 Abs. 2<br />

Satz 3 zuständig ist (vgl. Nr. 3.3.1). Für an<strong>de</strong>re von <strong>de</strong>n Finanzämtern verwaltete Steuern sowie für die<br />

Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung richtet sich die Zuständigkeit für die Erteilung einer verbindlichen<br />

Auskunft immer nach § 89 Abs. 2 Satz 2.<br />

3.3.2.2 Die Zuständigkeit nach § 89 Abs. 2 Satz 2 knüpft an die künftigen steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen bei Verwirklichung <strong>de</strong>s Sachverhaltes an. Das hiernach für die Auskunftserteilung zuständige<br />

Finanzamt muss nicht mit <strong>de</strong>m Finanzamt i<strong>de</strong>ntisch sein, das zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Antragstellung für die<br />

Besteuerung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zuständig ist. Wird eine verbindliche Auskunft berechtigterweise durch einen<br />

Dritten beantragt (vgl. Nr. 3.2.3), ist ebenso unerheblich, welches Finanzamt für seine Besteuerung zuständig ist.<br />

3.3.2.3 Betrifft eine verbindliche Auskunft mehrere Steuerarten und sind hierfür jeweils unterschiedliche<br />

Finanzämter nach § 89 Abs. 2 Satz 2 zuständig, soll eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 herbeigeführt<br />

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wer<strong>de</strong>n, wenn die unterschiedliche Zuständigkeit we<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen noch für die Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

zweckmäßig ist. Eine <strong>de</strong>rartige Zuständigkeitsvereinbarung kann auch schon vor Verwirklichung <strong>de</strong>s geplanten<br />

Sachverhaltes getroffen wer<strong>de</strong>n. Sofern keine Zuständigkeitsvereinbarung herbeigeführt wer<strong>de</strong>n kann, sollen<br />

sich die beteiligten Finanzämter untereinan<strong>de</strong>r abstimmen, um wi<strong>de</strong>rsprüchliche verbindliche Auskünfte zu<br />

vermei<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 3.3.1.7).<br />

3.4 Form, Inhalt und Voraussetzungen <strong>de</strong>s Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft<br />

3.4.1 Der Antrag muss schriftlich gestellt wer<strong>de</strong>n und die in § 1 Abs. 1 StAuskV bezeichneten Angaben<br />

enthalten. Zusätzlich soll <strong>de</strong>r Antragsteller nach § 89 Abs. 4 Satz 2 Angaben zum Gegenstandswert <strong>de</strong>r Auskunft<br />

machen.<br />

3.4.2 Im Auskunftsantrag ist <strong>de</strong>r ernsthaft geplante und zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Antragstellung noch nicht<br />

verwirklichte Sachverhalt ausführlich und vollständig darzulegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 StAuskV). Es ist<br />

unschädlich, wenn bereits mit vorbereiten<strong>de</strong>n Maßnahmen begonnen wur<strong>de</strong>, solange <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Auskunftsantrag<br />

zugrun<strong>de</strong> gelegte Sachverhalt im Wesentlichen noch nicht verwirklicht wur<strong>de</strong> und noch an<strong>de</strong>rweitige<br />

Dispositionen möglich sind.<br />

3.4.3 Der Antragsteller muss sein eigenes steuerliches Interesse darlegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 StAuskV). Außer in<br />

<strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 1 Abs. 3 StAuskV ist ein Auskunftsantrag mit Wirkung für Dritte nicht zulässig. Denn eine<br />

dritte Person hat kein eigenes berechtigtes Interesse an einer Auskunftserteilung hinsichtlich <strong>de</strong>r Besteuerung<br />

eines an<strong>de</strong>ren, bereits existieren<strong>de</strong>n Steuerpflichtigen.<br />

3.4.4 Im Auskunftsantrag sind konkrete Rechtsfragen darzulegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 StAuskV). Es reicht nicht<br />

aus, allgemeine Fragen zu <strong>de</strong>n bei Verwirklichung <strong>de</strong>s geplanten Sachverhalts eintreten<strong>de</strong>n steuerlichen<br />

Rechtsfragen darzulegen.<br />

3.5 Erteilung einer verbindlichen Auskunft<br />

3.5.1 Der Auskunft ist <strong>de</strong>r vom Antragsteller vorgetragene Sachverhalt zugrun<strong>de</strong> zu legen. Das Finanzamt ist<br />

nicht verpflichtet, eigens für die zu erteilen<strong>de</strong> Auskunft Ermittlungen durchzuführen, es soll aber <strong>de</strong>m<br />

Antragsteller Gelegenheit zum ergänzen<strong>de</strong>n Sachvortrag geben, wenn dadurch eine Entscheidung in <strong>de</strong>r Sache<br />

ermöglicht wer<strong>de</strong>n kann. Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft für alternative Gestaltungsvarianten ist<br />

nicht zulässig.<br />

3.5.2 Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist ausgeschlossen, wenn <strong>de</strong>r Sachverhalt im Wesentlichen<br />

bereits verwirklicht ist. Über Rechtsfragen, die sich aus einem bereits abgeschlossenen Sachverhalt ergeben, ist<br />

ausschließlich im Rahmen <strong>de</strong>s Veranlagungs- o<strong>de</strong>r Feststellungsverfahrens zu entschei<strong>de</strong>n. Das gilt auch, wenn<br />

<strong>de</strong>r Sachverhalt zwar erst nach Antragstellung, aber vor <strong>de</strong>r Entscheidung über <strong>de</strong>n Antrag verwirklicht wird.<br />

3.5.3 Eine Auskunft kann auch erteilt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Antragsteller eine Auskunft für die ernsthaft geplante<br />

Umgestaltung eines bereits vorliegen<strong>de</strong>n Sachverhalts begehrt. Das gilt insbeson<strong>de</strong>re bei Sachverhalten, die<br />

wesentliche Auswirkungen in die Zukunft haben (z. B. Dauersachverhalte). Bei Dauersachverhalten richtet sich<br />

das zeitliche Ausmaß <strong>de</strong>r Bindungswirkung nach <strong>de</strong>m Auskunftsantrag, soweit die Finanzbehör<strong>de</strong> nicht aus<br />

materiellrechtlichen Grün<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n zeitlichen Vorstellungen <strong>de</strong>s Antragstellers abweicht (z. B. wegen<br />

Verlängerung o<strong>de</strong>r Verkürzung <strong>de</strong>s Abschreibungszeitraumes) und <strong>de</strong>shalb ihre Auskunft für einen an<strong>de</strong>ren<br />

Zeitraum erteilt.<br />

3.5.4 Verbindliche Auskünfte sollen nicht erteilt wer<strong>de</strong>n in Angelegenheiten, bei <strong>de</strong>nen die Erzielung eines<br />

Steuervorteils im Vor<strong>de</strong>rgrund steht (z. B. Prüfung von Steuersparmo<strong>de</strong>llen, Feststellung <strong>de</strong>r Grenzpunkte für<br />

das Han<strong>de</strong>ln eines or<strong>de</strong>ntlichen Geschäftsleiters). Die Befugnis, nach pflichtgemäßem Ermessen auch in an<strong>de</strong>ren<br />

Fällen die Erteilung verbindlicher Auskünfte abzulehnen, bleibt unberührt (z. B. wenn zu <strong>de</strong>m Rechtsproblem<br />

eine gesetzliche Regelung, eine höchstrichterliche Entscheidung o<strong>de</strong>r eine Verwaltungsanweisung in absehbarer<br />

Zeit zu erwarten ist).<br />

3.5.5 An<strong>de</strong>rs als die frühere Auskunft mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben ist die verbindliche<br />

Auskunft nach § 89 Abs. 2 ein Verwaltungsakt. Die verbindliche Auskunft (auch wenn sie nicht <strong>de</strong>r<br />

Rechtsauffassung <strong>de</strong>s Antragstellers entspricht) und die Ablehnung <strong>de</strong>r Erteilung einer verbindlichen Auskunft<br />

sind schriftlich zu erteilen und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen. Die Bekanntgabe richtet sich nach<br />

§ 122 und <strong>de</strong>n Regelungen zu § 122. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 1 Abs. 2 StAuskV ist die Auskunft allen Beteiligten<br />

gegenüber einheitlich zu erteilen und <strong>de</strong>m von ihnen bestellten Empfangsbevollmächtigten bekannt zu geben.<br />

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3.5.6 Die verbindliche Auskunft hat zu enthalten<br />

– <strong>de</strong>n ihr zugrun<strong>de</strong> gelegten Sachverhalt; dabei kann auf <strong>de</strong>n im Antrag dargestellten Sachverhalt Bezug<br />

genommen wer<strong>de</strong>n,<br />

– die Entscheidung über <strong>de</strong>n Antrag, die zugrun<strong>de</strong> gelegten Rechtsvorschriften und die dafür maßgeben<strong>de</strong>n<br />

Grün<strong>de</strong>; dabei kann auf die im Antrag dargelegten Rechtsvorschriften und Grün<strong>de</strong> Bezug genommen<br />

wer<strong>de</strong>n,<br />

– eine Angabe darüber, für welche Steuern und für welchen Zeitraum die verbindliche Auskunft gilt.<br />

3.5.7 Ist vor einer Entscheidung über die Erteilung einer verbindlichen Auskunft die Anhörung eines Beteiligten<br />

o<strong>de</strong>r die Mitwirkung einer an<strong>de</strong>ren Behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r eines Ausschusses vorgesehen, so darf die verbindliche<br />

Auskunft erst nach Anhörung <strong>de</strong>r Beteiligten o<strong>de</strong>r nach Mitwirkung dieser Behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Ausschusses erteilt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

3.6 Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft<br />

3.6.1 Die von <strong>de</strong>r nach § 89 Abs. 2 Satz 2 und 3 zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> erteilte verbindliche Auskunft ist<br />

für die Besteuerung <strong>de</strong>s Antragstellers nur dann bin<strong>de</strong>nd, wenn <strong>de</strong>r später verwirklichte Sachverhalt von <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

Auskunft zugrun<strong>de</strong> gelegten Sachverhalt nicht o<strong>de</strong>r nur unwesentlich abweicht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV). Die<br />

Bindungswirkung tritt daher nicht ein, wenn <strong>de</strong>r tatsächlich verwirklichte Sachverhalt mit <strong>de</strong>m bei <strong>de</strong>r<br />

Beantragung <strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft vorgetragenen Sachverhalt in wesentlichen Punkten nicht<br />

übereinstimmt Eine vom Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern nach § 89 Abs. 2 Satz 3 rechtmäßig erteilte verbindliche<br />

Auskunft bin<strong>de</strong>t auch das Finanzamt, das bei Verwirklichung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Auskunft zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Sachverhalts<br />

zuständig ist.<br />

3.6.2 Im Fall <strong>de</strong>r Gesamtrechtsnachfolge geht die Bindungswirkung entsprechend § 45 auf <strong>de</strong>n<br />

Rechtsnachfolger über. Bei Einzelrechtsnachfolge erlischt die Bindungswirkung. Die Bindungswirkung tritt<br />

daher nicht ein, wenn <strong>de</strong>r Sachverhalt nicht durch <strong>de</strong>n Antragsteller, son<strong>de</strong>rn durch einen Dritten verwirklicht<br />

wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r nicht Gesamtrechtsnachfolger <strong>de</strong>s Antragstellers ist.<br />

3.6.3 Ist die verbindliche Auskunft zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen rechtswidrig, tritt nach § 2 Abs. 1 Satz 2<br />

StAuskV keine Bindungswirkung ein. In diesem Fall ist die Steuer nach Maßgabe <strong>de</strong>r Gesetze und <strong>de</strong>n in diesem<br />

Zeitpunkt gelten<strong>de</strong>n Verwaltungsanweisungen zutreffend festzusetzen. Die Frage, ob sich die (rechtswidrige)<br />

verbindliche Auskunft zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auswirkt, ist durch einen Vergleich zwischen<br />

zugesagter und rechtmäßiger Behandlung zu beantworten und kann sich nur auf die konkret erteilte Auskunft<br />

beziehen.<br />

3.6.4 Die Bindungswirkung <strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft entfällt nach § 2 Abs. 2 StAuskV ohne Zutun <strong>de</strong>r<br />

zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m die Rechtsvorschriften, auf <strong>de</strong>nen die Auskunft beruht,<br />

aufgehoben o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Wird die verbindliche Auskunft in diesem Fall <strong>zur</strong> Klarstellung aufgehoben,<br />

hat dies nur <strong>de</strong>klaratorische Wirkung.<br />

3.6.5 Eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 kann unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 129 bis 131<br />

berichtigt, <strong>zur</strong>ückgenommen und wi<strong>de</strong>rrufen wer<strong>de</strong>n. Die Korrektur einer verbindlichen Auskunft mit Wirkung<br />

für die Vergangenheit kommt danach insbeson<strong>de</strong>re in Betracht, wenn<br />

– die Auskunft durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Drohung o<strong>de</strong>r Bestechung erwirkt wor<strong>de</strong>n ist<br />

o<strong>de</strong>r<br />

– die Rechtswidrigkeit <strong>de</strong>r Auskunft <strong>de</strong>m Begünstigten bekannt o<strong>de</strong>r infolge grober Fahrlässigkeit nicht<br />

bekannt war.<br />

Ist die verbindliche Auskunft von einer sachlich o<strong>de</strong>r örtlich unzuständigen Behör<strong>de</strong> erlassen wor<strong>de</strong>n, entfaltet<br />

sie von vornherein keine Bindungswirkung.<br />

3.6.6 Über die Fälle <strong>de</strong>r §§ 129 bis 131 hinaus kann eine verbindliche Auskunft nach § 2 Abs. 3 StAuskV auch<br />

mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wenn sich herausstellt, dass die erteilte Auskunft<br />

unrichtig war.<br />

Eine verbindliche Auskunft ist materiell rechtswidrig und damit rechtswidrig im Sinne <strong>de</strong>s § 2 Abs. 3 StAuskV,<br />

wenn sie ohne Rechtsgrundlage o<strong>de</strong>r unter Verstoß gegen materielle Rechtsnormen erlassen wur<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r<br />

ermessensfehlerhaft ist. Für die Beurteilung <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit o<strong>de</strong>r Rechtswidrigkeit kommt es auf <strong>de</strong>n<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>s Wirksamwer<strong>de</strong>ns, also <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft an.<br />

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Eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rechtsprechung stellt keine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rechtslage dar, weil sie die bisherige<br />

Rechtsauffassung nur richtig stellt, also die von Anfang an bestehen<strong>de</strong> Rechtslage klarstellt. Daher ist eine<br />

verbindliche Auskunft von vornherein unrichtig im Sinne <strong>de</strong>s § 2 Abs. 3 StAuskV, wenn sie von einem nach<br />

ihrer Bekanntgabe ergangenen FG- o<strong>de</strong>r BFH-Urteil o<strong>de</strong>r einer später ergangenen Verwaltungsanweisung<br />

abweicht. Sie ist nicht unrichtig gewor<strong>de</strong>n, ihre Unrichtigkeit wur<strong>de</strong> lediglich erst nachträglich erkannt.<br />

Die Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung nach § 2 Abs. 3 StAuskV steht im Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>. Eine Aufhebung<br />

o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung mit Wirkung für die Zukunft ist z. B. sachgerecht, wenn sich die steuerrechtliche Beurteilung <strong>de</strong>s<br />

<strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft zugrun<strong>de</strong> gelegten Sachverhalts durch die Rechtsprechung o<strong>de</strong>r durch eine<br />

Verwaltungsanweisung zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt hat.<br />

Dem Vertrauensschutz wird dadurch Rechnung getragen, dass die Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung nur mit Wirkung<br />

für die Zukunft erfolgen darf. War <strong>de</strong>r Sachverhalt im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>r Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung<br />

bereits im Wesentlichen verwirklicht, bleibt die Bindungswirkung bestehen, wenn <strong>de</strong>r später verwirklichte<br />

Sachverhalt von <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Auskunft zugrun<strong>de</strong> gelegten Sachverhalt nicht o<strong>de</strong>r nur unwesentlich abweicht.<br />

3.6.7 Der Steuerpflichtige ist vor einer Korrektur <strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft zu hören (§ 91 Abs. 1).<br />

3.6.8 Im Einzelfall kann es aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n gerechtfertigt sein, von einem Wi<strong>de</strong>rruf <strong>de</strong>r verbindlichen<br />

Auskunft abzusehen o<strong>de</strong>r die Wirkung <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs zu einem späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen. Eine<br />

solche Billigkeitsmaßnahme wird in <strong>de</strong>r Regel jedoch nur dann geboten sein, wenn sich <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />

nicht mehr ohne erheblichen Aufwand bzw. unter beträchtlichen Schwierigkeiten von <strong>de</strong>n im Vertrauen auf die<br />

Auskunft getroffenen Dispositionen o<strong>de</strong>r eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen zu lösen vermag.<br />

3.6.9 Die Regelungen in Nrn. 3.6.1 bis 3.6.8 gelten in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 1 Abs. 3 StAuskV für die Person,<br />

Personenvereinigung o<strong>de</strong>r Vermögensmasse, die <strong>de</strong>n Sachverhalt verwirklicht hat, entsprechend.<br />

3.7 Rechtsbehelfsmöglichkeiten<br />

Gegen die erteilte verbindliche Auskunft wie auch gegen die Ablehnung <strong>de</strong>r Erteilung einer verbindlichen<br />

Auskunft ist <strong>de</strong>r Einspruch gegeben (§ 347).<br />

4. Gebühren für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft (§ 89<br />

Abs. 3 bis 5)<br />

4.1 Gebührenpflicht<br />

4.1.1 § 89 Abs. 3 bis 7 i. d. F. <strong>de</strong>s Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1.11.2011 (BGBl. I, S. 2131) ist<br />

erstmals auf Anträge anzuwen<strong>de</strong>n, die nach <strong>de</strong>m 4.11.2011 bei <strong>de</strong>r zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> eingegangen sind<br />

(Art. 97 § 25 EGAO). Für Anträge, die nach <strong>de</strong>m 18.12.2006 und vor <strong>de</strong>m 5.11.2011 bei <strong>de</strong>r zuständigen<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> eingegangen sind, richtet sich die Gebührenerhebung nach § 89 Abs. 3 bis 5 i. d. F. <strong>de</strong>s<br />

Jahressteuergesetzes 2007 vom 13.12.2006 (BGBl. I, S. 2878).<br />

4.1.2 Gebühren sind nicht nur zu erheben, wenn die beantragte Auskunft erteilt wird. § 89 Abs. 3 Satz 1 ordnet<br />

eine Gebührenpflicht für die Bearbeitung eines Auskunftsantrags an. Gebühren sind daher grundsätzlich auch<br />

dann zu entrichten, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> in ihrer verbindlichen Auskunft eine an<strong>de</strong>re Rechtsauffassung als<br />

<strong>de</strong>r Antragsteller vertritt, wenn sie die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ablehnt o<strong>de</strong>r wenn <strong>de</strong>r Antrag<br />

<strong>zur</strong>ückgenommen wird. Zur Möglichkeit einer Gebührenermäßigung siehe Nr. 4.5.<br />

4.1.3 Die Gebühr wird für je<strong>de</strong>n Antrag auf verbindliche Auskunft festgesetzt. Es han<strong>de</strong>lt sich jeweils um einen<br />

Antrag, soweit sich die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts auf einen Steuerpflichtigen bezieht. Dieser<br />

Sachverhalt kann sich auf mehrere Steuerarten auswirken. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 1 Abs. 2 StAuskV gelten die<br />

Gesellschafter und die Gesellschaft bei <strong>de</strong>r Gebührenberechnung als ein Steuerpflichtiger. In<br />

Umwandlungsfällen ist je<strong>de</strong>r abgeben<strong>de</strong>, übernehmen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r entstehen<strong>de</strong> Rechtsträger eigenständig zu<br />

beurteilen.<br />

4.1.4 Die Gebührenpflicht gilt nicht für Anträge auf verbindliche Zusagen auf Grund einer Außenprüfung nach<br />

§§ 204 ff. o<strong>de</strong>r für Lohnsteueranrufungsauskünfte nach § 42e EStG. Sie gilt auch nicht für Anfragen, die keine<br />

verbindliche Auskunft <strong>de</strong>s Finanzamts im Sinne <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 zum Ziel haben.<br />

4.2 Gegenstandswert<br />

4.2.1 Die Gebühr richtet sich grundsätzlich nach <strong>de</strong>m Wert, <strong>de</strong>n die Auskunft für <strong>de</strong>n Antragsteller hat<br />

(Gegenstandswert; § 89 Abs. 4 Satz 1).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 76 von 235


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4.2.2 Maßgebend für die Bestimmung <strong>de</strong>s Gegenstandswerts ist die steuerliche Auswirkung <strong>de</strong>s vom<br />

Antragsteller dargelegten Sachverhalts. Die steuerliche Auswirkung ist in <strong>de</strong>r Weise zu ermitteln, dass <strong>de</strong>r<br />

Steuerbetrag, <strong>de</strong>r bei Anwendung <strong>de</strong>r vom Antragsteller vorgetragenen Rechtsauffassung entstehen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>m<br />

Steuerbetrag gegenüberzustellen ist, <strong>de</strong>r entstehen wür<strong>de</strong>, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> eine entgegengesetzte<br />

Rechtsauffassung vertreten wür<strong>de</strong>.<br />

4.2.3 Bei Dauersachverhalten ist auf die durchschnittliche steuerliche Auswirkung eines Jahres abzustellen (vgl.<br />

auch Nr. 3.5.3).<br />

4.2.4 Der Gegenstandswert ist in entsprechen<strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s § 39 Abs. 2 GKG auf 30 Mio. € begrenzt<br />

(§ 89 Abs. 5 Satz 2). Die Gebühr beträgt damit höchstens 91 456 €. Beträgt <strong>de</strong>r Gegenstandswert weniger als<br />

10 000 €, wird keine Gebühr erhoben (§ 89 Abs. 5 Satz 3).<br />

4.2.5 Der Antragsteller soll <strong>de</strong>n Gegenstandswert und die für seine Bestimmung maßgeblichen Umstän<strong>de</strong><br />

bereits in seinem Auskunftsantrag darlegen (§ 89 Abs. 4 Satz 2). Diese Darlegung erfor<strong>de</strong>rt schlüssige und<br />

nachvollziehbare Angaben; fehlen <strong>de</strong>rartige Angaben o<strong>de</strong>r sind sie un<strong>zur</strong>eichend, ist <strong>de</strong>r Antragsteller hierauf<br />

hinzuweisen und um entsprechen<strong>de</strong> Ergänzung seines Antrags o<strong>de</strong>r um Erläuterung zu bitten, warum er keine<br />

Angaben machen kann.<br />

4.2.6 Den Angaben <strong>de</strong>s Antragstellers ist im Regelfall zu folgen. Eine Ermittlung <strong>de</strong>s Gegenstandswerts durch<br />

das Finanzamt ist nur dann geboten, wenn <strong>de</strong>r Antragsteller keine Angaben machen kann o<strong>de</strong>r wenn seine<br />

Angaben zu einem offensichtlich unzutreffen<strong>de</strong>n Ergebnis führen wür<strong>de</strong>n (§ 89 Abs. 4 Satz 3).<br />

4.2.7 Will das Finanzamt von <strong>de</strong>m erklärten Gegenstandswert abweichen o<strong>de</strong>r konnte <strong>de</strong>r Antragsteller keine<br />

Angaben zum Gegenstandswert machen, ist <strong>de</strong>m Antragsteller vor Erlass <strong>de</strong>s Gebührenbescheids rechtliches<br />

Gehör (§ 91) zu gewähren. Die Bearbeitung <strong>de</strong>s Auskunftsantrags soll bis zum Eingang <strong>de</strong>r Stellungnahme <strong>de</strong>s<br />

Antragstellers, höchstens aber bis zum Ablauf <strong>de</strong>r (regelmäßig einmonatigen) Frist <strong>zur</strong> Stellungnahme<br />

<strong>zur</strong>ückgestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

4.3 Zeitgebühr<br />

4.3.1 Beziffert <strong>de</strong>r Antragsteller <strong>de</strong>n Gegenstandswert nicht und ist <strong>de</strong>r Gegenstandswert auch nicht durch<br />

Schätzung bestimmbar, ist eine Zeitgebühr zu berechnen (§ 89 Abs. 6 Satz 1 1. Halbsatz). Die Zeitgebühr beträgt<br />

50 € je angefangene halbe Stun<strong>de</strong> Bearbeitungszeit (§ 89 Abs. 6 Satz 1 2. Halbsatz). Beträgt bei <strong>de</strong>r<br />

Gebührenbemessung nach <strong>de</strong>m Zeitwert die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stun<strong>de</strong>n, wird keine Gebühr<br />

erhoben (§ 89 Abs. 6 Satz 2).<br />

4.3.2 Wird eine solche Zeitgebühr erhoben, ist <strong>de</strong>r zeitliche Aufwand für die Bearbeitung <strong>de</strong>s Antrags auf<br />

verbindliche Auskunft zu dokumentieren. Zur Bearbeitungszeit rechnen nur die Zeiten, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r<br />

vorgetragene Sachverhalt ermittelt und <strong>de</strong>ssen rechtliche Würdigung geprüft wur<strong>de</strong>. Waren vorgesetzte<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n wegen <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Einzelfalls o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r grundsätzlichen Be<strong>de</strong>utung<br />

entscheidungserheblicher Rechtsfragen hinzuzuziehen, ist die dortige Bearbeitungszeit ebenfalls zu<br />

berücksichtigen, soweit sie <strong>de</strong>m konkreten Auskunftsantrag individuell zuzuordnen ist.<br />

4.4 Gebührenfestsetzung<br />

4.4.1 Die Gebühr ist durch schriftlichen Bescheid gegenüber <strong>de</strong>m Antragsteller festzusetzen;<br />

Bekanntgabevollmachten sind zu beachten. Der Antragsteller hat die Gebühr innerhalb eines Monats nach<br />

Bekanntgabe dieses Bescheids zu entrichten (§ 89 Abs. 3 Satz 2).<br />

Auf die Gebühr sind die Vorschriften <strong>de</strong>r AO grundsätzlich sinngemäß anzuwen<strong>de</strong>n (vgl. im Einzelnen Nr. 3 <strong>de</strong>s<br />

<strong>AEAO</strong> zu § 1). Die Gebührenfestsetzung kann nach §§ 129 bis 131 korrigiert wer<strong>de</strong>n. Gegen die<br />

Gebührenfestsetzung ist <strong>de</strong>r Einspruch gegeben (§ 347).<br />

4.4.2 Die Entscheidung über <strong>de</strong>n Antrag auf verbindliche Auskunft soll bis <strong>zur</strong> Zahlung <strong>de</strong>r Gebühr<br />

<strong>zur</strong>ückgestellt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Zahlungseingang nicht gesichert erscheint. In <strong>de</strong>rartigen Fällen ist im<br />

Gebührenbescheid darauf hinzuweisen, dass über <strong>de</strong>n Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft erst<br />

nach Zahlungseingang entschie<strong>de</strong>n wird.<br />

4.5 Ermäßigung <strong>de</strong>r Gebühr<br />

4.5.1 Die Gebühr nach § 89 Abs. 3 bis 6 entsteht auch für die Bearbeitung eines Antrags auf verbindliche<br />

Auskunft, <strong>de</strong>r die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt (Beispiel: <strong>de</strong>r Antrag beinhaltet keine ausführliche<br />

Darlegung <strong>de</strong>s Rechtsproblems o<strong>de</strong>r keine eingehen<strong>de</strong> Begründung <strong>de</strong>s Rechtsstandpunkts <strong>de</strong>s Antragstellers).<br />

Vor einer Ablehnung eines Antrags aus formalen Grün<strong>de</strong>n hat die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Antragsteller auf diese<br />

Mängel und auf die Möglichkeit <strong>de</strong>r Ergänzung o<strong>de</strong>r Rücknahme <strong>de</strong>s Antrags hinzuweisen.<br />

4.5.2 Wird ein Antrag vor Bekanntgabe <strong>de</strong>r Entscheidung über <strong>de</strong>n Antrag auf verbindliche Auskunft<br />

<strong>zur</strong>ückgenommen, kann die Gebühr ermäßigt wer<strong>de</strong>n (§ 89 Abs. 7 Satz 2). Hierbei ist wie folgt zu verfahren:<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 77 von 235


– Hat die Finanzbehör<strong>de</strong> noch nicht mit <strong>de</strong>r Bearbeitung <strong>de</strong>s Antrags begonnen, ist die Gebühr auf Null zu<br />

ermäßigen. In diesem Fall kann aus Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n bereits von <strong>de</strong>r Erteilung eines<br />

Gebührenbeschei<strong>de</strong>s abgesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

– Hat die Finanzbehör<strong>de</strong> bereits mit <strong>de</strong>r Bearbeitung <strong>de</strong>s Antrags begonnen, ist <strong>de</strong>r bis <strong>zur</strong> Rücknahme <strong>de</strong>s<br />

Antrags angefallene Bearbeitungsaufwand angemessen zu berücksichtigen und die Gebühr anteilig zu<br />

ermäßigen.<br />

5. Anwendung <strong>de</strong>r StAuskV<br />

Die StAuskV gilt für alle verbindlichen Auskünfte, die ab Inkrafttreten <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 (12.9.2006) erteilt<br />

wor<strong>de</strong>n sind. Für Auskünfte mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben, die bis zum 11.9.2006 erteilt wor<strong>de</strong>n<br />

sind, sind die Regelungen in Nummer 4 und 5 <strong>de</strong>s BMF-Schreibens vom 29.12.2003 – IV A 4 – S 0430 – 7/03 –<br />

(BStBl. 2003 I, S. 742) weiter anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 90 – Mitwirkungspflichten <strong>de</strong>r Beteiligten:<br />

1. Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Pflichten gem. § 90 Abs. 2 und ist <strong>de</strong>r Sachverhalt nicht an<strong>de</strong>rweitig<br />

aufklärbar, so kann zu seinem Nachteil von einem Sachverhalt ausgegangen wer<strong>de</strong>n, für <strong>de</strong>n unter<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>r Beweisnähe <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung <strong>de</strong>s<br />

Sachverhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Insbeson<strong>de</strong>re dann, wenn die Mitwirkungspflicht sich<br />

auf Tatsachen und Beweismittel aus <strong>de</strong>m alleinigen Verantwortungsbereich <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bezieht,<br />

können aus seiner Pflichtverletzung für ihn nachteilige Schlussfolgerungen gezogen wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschluss<br />

vom 17.3.1997 – I B 123/95 – BFH/NV 1997 S. 730).<br />

2. Zu <strong>de</strong>n Folgen <strong>de</strong>r Verletzung <strong>de</strong>r Aufzeichnungs- und Vorlagepflicht nach § 90 Abs. 3 vgl. § 162 Abs. 3<br />

und 4.<br />

3. Zu <strong>de</strong>n Grundsätzen für die Prüfung <strong>de</strong>r Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehen<strong>de</strong>n Personen mit<br />

grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Geschäftsbeziehungen in Bezug auf Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten,<br />

Berichtigungen sowie auf Verständigungs- und EU-Schiedsverfahren (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren)<br />

vgl. BMF-Schreiben vom 12.4.2005, BStBl. I, S. 570.<br />

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Zu § 91 – Anhörung Beteiligter:<br />

1. Im Besteuerungsverfahren äußert sich <strong>de</strong>r Beteiligte zu <strong>de</strong>n für die Entscheidung erheblichen Tatsachen<br />

regelmäßig in <strong>de</strong>r Steuererklärung. Will die Finanzbehör<strong>de</strong> von <strong>de</strong>m erklärten Sachverhalt zu Ungunsten <strong>de</strong>s<br />

Beteiligten wesentlich abweichen, so muss sie <strong>de</strong>n Beteiligten hiervon vor Erlass <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r<br />

sonstigen Verwaltungsaktes unterrichten. Der persönlichen (ggf. fernmündlichen) Kontaktaufnahme mit <strong>de</strong>m<br />

Steuerpflichtigen kommt hierbei beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu. Sind die steuerlichen Auswirkungen <strong>de</strong>r<br />

Abweichung nur gering, so genügt es, die Abweichung im Steuerbescheid zu erläutern.<br />

2. Eine versehentlich unterbliebene Anhörung <strong>de</strong>r Beteiligten kann nach Erlass <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s<br />

nachgeholt und die Fehlerhaftigkeit <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s dadurch geheilt wer<strong>de</strong>n (§ 126 Abs. 1 Nr. 3).<br />

3. Ist die erfor<strong>de</strong>rliche Anhörung eines Beteiligten unterblieben und dadurch die rechtzeitige Anfechtung <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsaktes versäumt wor<strong>de</strong>n, so ist Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand zu gewähren (§ 126<br />

Abs. 3 i. V. m. § 110). Die unterlassene Anhörung ist im Allgemeinen nur dann für die Versäumung <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsfrist ursächlich, wenn die notwendigen Erläuterungen auch im Verwaltungsakt selbst unterblieben<br />

sind (BFH-Urteil vom 13.12.1984 – VIII R 19/81 – BStBl. 1985 II, S. 601).<br />

4. Zur Erteilung von Auskünften über zu einer Person gespeicherte Daten einschließlich <strong>de</strong>r Akteneinsicht im<br />

Steuerfestsetzungsverfahren vgl. BMF-Schreiben vom 17.12.2008 – IV A 3 – S 0030/08/10001 –<br />

BStBl. 2009 I, S. 6.<br />

5. Wegen <strong>de</strong>s zwingen<strong>de</strong>n öffentlichen Interesses (§ 91 Abs. 3) Hinweis auf § 30 Abs. 4 Nr. 5 und § 106, <strong>de</strong>ren<br />

Grundsätze entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n sind.<br />

Zu § 92 – Beweismittel:<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind verpflichtet, die Steuern nach Maßgabe <strong>de</strong>r Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu<br />

erheben (§ 85). Sie müssen dazu <strong>de</strong>n steuererheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufklären (§ 88). Hierbei<br />

sind sie auf die gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkung <strong>de</strong>r Beteiligten (§ 90) angewiesen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 78 von 235


Es besteht dabei zwar keine Verpflichtung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n, in je<strong>de</strong>m Fall alle Angaben <strong>de</strong>s Beteiligten auf<br />

Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen (vgl. zu § 88); soweit die Finanzbehör<strong>de</strong> im Einzelfall jedoch Anlass<br />

dazu sieht, hat sie die Angaben <strong>de</strong>s Beteiligten zu überprüfen. An<strong>de</strong>renfalls ergäbe sich eine Steuerbelastung, die<br />

nahezu allein auf <strong>de</strong>r Erklärungsbereitschaft und <strong>de</strong>r Ehrlichkeit <strong>de</strong>s einzelnen Beteiligten beruhte (vgl. BVerfG-<br />

Urteil vom 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89 – BStBl. II, S. 654).<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann sich <strong>zur</strong> Ermittlung <strong>de</strong>s steuerrelevanten Sachverhalts aller Beweismittel bedienen, die<br />

sie nach pflichtgemäßem Ermessen <strong>zur</strong> Ermittlung <strong>de</strong>s Sachverhalts für erfor<strong>de</strong>rlich hält (§ 92). Die<br />

Erfor<strong>de</strong>rlichkeit <strong>de</strong>r Beweiserhebung ist von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s jeweiligen Einzelfalles<br />

im Wege <strong>de</strong>r Prognose zu beurteilen.<br />

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Zu § 93 – Auskunftspflicht <strong>de</strong>r Beteiligten und an<strong>de</strong>rer Personen:<br />

1. Auskunftsersuchen nach § 93 Absatz 1 Satz 1<br />

Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 sind im gesamten Besteuerungsverfahren, d. h. auch im<br />

Rechtsbehelfsverfahren o<strong>de</strong>r im Vollstreckungsverfahren (§ 249 Abs. 2 Satz 1; BFH-Urteil vom 22.2.2000 – VII<br />

R 73/98 – BStBl. II, S. 366), möglich. Im Rahmen <strong>de</strong>r Außenprüfung und <strong>de</strong>r Steuerfahndung sind die<br />

Regelungen in §§ 200, 208, 210 und 211 zu beachten. Im Steuerstraf- und -bußgeldverfahren gelten nach § 385<br />

Abs. 1 und § 410 Abs. 1 die Vorschriften <strong>de</strong>r StPO und <strong>de</strong>s OWiG.<br />

1.1 Allgemeines/Voraussetzungen<br />

1.1.1 Voraussetzung für ein Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 ist, dass die Heranziehung eines<br />

Auskunftspflichtigen im Einzelfall aufgrund hinreichen<strong>de</strong>r konkreter Umstän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r aufgrund allgemeiner<br />

Erfahrungen geboten ist (vgl. BFH-Urteile vom 29.10.1986 – VII R 82/85 – BStBl. 1988 II, S. 359, und vom<br />

18.3.1987 – II R 35/86 – BStBl. II, S. 419). Unter dieser Voraussetzung sind grundsätzlich auch<br />

Sammelauskunftsersuchen zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.1989 – VII R 1/87 – BStBl. 1990 II, S. 198).<br />

Unzulässig sind Auskunftsersuchen „ins Blaue hinein“ (vgl. BFH-Urteil vom 23.10.1990 – VIII R 1/86 – BStBl.<br />

1991 II, S. 277). Darüber hinaus müssen die Auskunft <strong>zur</strong> Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die<br />

Pflichterfüllung für <strong>de</strong>n Betroffenen möglich und <strong>de</strong>ssen Inanspruchnahme geeignet, erfor<strong>de</strong>rlich und zumutbar<br />

sein (vgl. BFH-Urteile vom 29.10.1986 und vom 24.10.1989, jeweils a.a.O.). Die Erfor<strong>de</strong>rlichkeit eines<br />

Auskunftsersuchens ist von <strong>de</strong>r zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalles und unter<br />

Berücksichtigung allgemeiner Erfahrungen im Wege <strong>de</strong>r Prognose zu beurteilen. Die Erfor<strong>de</strong>rlichkeit setzt<br />

keinen begrün<strong>de</strong>ten Verdacht voraus, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten vorliegen; es genügt, wenn<br />

aufgrund konkreter Momente o<strong>de</strong>r aufgrund allgemeiner Erfahrungen ein Auskunftsersuchen angezeigt ist (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 17.3.1992 – VII R 122/91 – BFH/NV S. 791).<br />

1.1.2 Die Finanzämter können Auskunftsersuchen an die Beteiligten (§ 78), aber auch an an<strong>de</strong>re Personen<br />

richten, wenn das Ersuchen <strong>zur</strong> Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erfor<strong>de</strong>rlich ist.<br />

1.1.3 Im Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskunft erteilt wer<strong>de</strong>n soll und für die Besteuerung<br />

welcher Person die Auskunft angefor<strong>de</strong>rt wird (§ 93 Abs. 2 Satz 1). Zur Begründung <strong>de</strong>s Ersuchens reicht im<br />

Allgemeinen die Angabe <strong>de</strong>r Rechtsgrundlage sowie bei einem Auskunftsersuchen an einen Dritten <strong>de</strong>r Hinweis<br />

aus, dass die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziele geführt hat o<strong>de</strong>r keinen Erfolg<br />

verspricht. Eine Begründung <strong>de</strong>s Auskunftsersuchens hinsichtlich <strong>de</strong>r Frage, warum die Finanzbehör<strong>de</strong> einen<br />

bestimmten Auskunftspflichtigen vor einem an<strong>de</strong>ren Auskunftsverpflichteten in Anspruch nimmt, ist nur<br />

erfor<strong>de</strong>rlich, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re vorrangig in Anspruch zu nehmen<br />

sein könnte (BFH-Urteil vom 22.2.2000 – VII R 73/98 – BStBl. II, S. 366).<br />

1.1.4 Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 sind Verwaltungsakte i. S. d. § 118. Für Auskunftsersuchen ist<br />

keine bestimmte Form vorgesehen (§ 119 Abs. 2). Regelmäßig ist jedoch Schriftform angebracht (vgl. § 93<br />

Abs. 2 Satz 2). Im Auskunftsersuchen ist eine angemessene Frist <strong>zur</strong> Auskunftserteilung zu bestimmen sowie<br />

anzugeben, in welcher Form die Auskunft erteilt wer<strong>de</strong>n soll (vgl. § 93 Abs. 4).<br />

1.2 Zulässigkeit von Auskunftsersuchen an Dritte<br />

1.2.1 Die Auskunftspflicht an<strong>de</strong>rer Personen ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine<br />

Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich unbe<strong>de</strong>nklich (vgl. BFH-Urteil vom 22.2.2000 – VII R 73/98 –<br />

BStBl. II, S. 366, und Beschluss <strong>de</strong>s BVerfG vom 15.11.2000 – 1 BvR 1213/00 – BStBl. 2002 II, S. 142). Eine<br />

Auskunftspflicht besteht nicht, soweit <strong>de</strong>m Dritten ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht (vgl. §§ 101–103).<br />

Zu Auskunftsersuchen gegenüber Telekommunikationsdienstleistern siehe Nummer 1.2.7.<br />

1.2.2 An Dritte soll mit Auskunftsersuchen erst herangetreten wer<strong>de</strong>n, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch<br />

die Beteiligten selbst nicht zum Ziel führt o<strong>de</strong>r keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 1 Satz 3). Unerheblich ist<br />

dabei, worauf dies <strong>zur</strong>ückzuführen ist. Ob die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 93 Abs. 1 Satz 3 vorliegen, entschei<strong>de</strong>t die<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 79 von 235


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Finanzbehör<strong>de</strong> im Einzelfall anhand einer Prognoseentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 22.2.2000, a.a.O.).<br />

Die Sachaufklärung durch die Beteiligten hat nicht zum Ziel geführt, wenn sie zwar versucht wor<strong>de</strong>n ist, aber<br />

letztlich nicht gelungen ist. Unerheblich ist dabei insbeson<strong>de</strong>re, ob die Beteiligten <strong>de</strong>n Sachverhalt nicht<br />

aufklären konnten o<strong>de</strong>r wollten.<br />

Die Sachaufklärung durch die Beteiligten verspricht keinen Erfolg, wenn sie nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Einzelfalles o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>n bisherigen Erfahrungen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>n Beteiligten nicht zu erwarten ist.<br />

1.2.3 Auskunftsersuchen an Dritte können insbeson<strong>de</strong>re geboten sein, wenn die Beteiligten keine eigenen<br />

Kenntnisse über <strong>de</strong>n relevanten Sachverhalt besitzen und eine Auskunft daher ohne Hinzuziehung Dritter nicht<br />

erteilt wer<strong>de</strong>n kann; in diesem Fall ist das Auskunftsersuchen unmittelbar an <strong>de</strong>njenigen zu richten, <strong>de</strong>r über die<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Kenntnisse verfügt. Ein Auskunftsersuchen an einen Dritten kann aber auch geboten sein, wenn<br />

eine Auskunft <strong>de</strong>s Beteiligten aufgrund konkreter Umstän<strong>de</strong> von vorneherein als unwahr zu werten wäre.<br />

1.2.4 Auskunftsbegehren dürfen auch dann an Dritte gerichtet wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige unbekannt ist<br />

und ein hinreichen<strong>de</strong>r Anlass aufgrund konkreter Umstän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r allgemeiner, auch branchenspezifischer,<br />

Erfahrungen besteht (BFH-Urteil vom 4.10.2006 – VIII R 53/04 – BStBl 2007 II, S. 227). § 93 Abs. 1 ist nicht<br />

auf die Fälle beschränkt, in <strong>de</strong>nen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise<br />

eine Steuerschuld entstan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die Steuer verkürzt wor<strong>de</strong>n ist. Nur wenn klar und ein<strong>de</strong>utig jeglicher<br />

Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist ein Auskunftsverlangen unzulässig (vgl. BFH-Urteil vom<br />

23.10.1990 – VIII R 1/86 – BStBl. 1991 II, S. 277).<br />

1.2.5 Ein Dritter kann sich seinen Auskunftspflichten nicht mit <strong>de</strong>m Hinweis auf die Möglichkeit entziehen,<br />

auch an<strong>de</strong>re seien <strong>zur</strong> gewünschten Auskunft in <strong>de</strong>r Lage. § 93 Abs. 1 Satz 3 sieht keine Rangfolge vor, welche<br />

von mehreren – möglicherweise – als Auskunftspflichtige in Betracht kommen<strong>de</strong>n Personen in Anspruch zu<br />

nehmen ist (vgl. BFH-Urteil vom 22.2.2000, a.a.O.).<br />

Die Auswahl hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen. Dabei ist auch eine Interessenabwägung zwischen<br />

<strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren Belastungen, <strong>de</strong>nen ein Auskunftsverpflichteter ausgesetzt ist, und <strong>de</strong>m Interesse <strong>de</strong>r<br />

Allgemeinheit an <strong>de</strong>r möglichst gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung <strong>de</strong>r Steueransprüche vorzunehmen.<br />

Die Beantwortung eines Auskunftsersuchens ist i. d. R. auch dann zumutbar, wenn mit <strong>de</strong>ssen Befolgung eine<br />

nicht unverhältnismäßige Beeinträchtigung eigenwirtschaftlicher Interessen verbun<strong>de</strong>n ist (vgl. BVerfG-<br />

Beschluss vom 15.11.2000, a.a.O.).<br />

1.2.6 Vor Befragung eines Dritten soll <strong>de</strong>r Beteiligte, falls <strong>de</strong>r Ermittlungszweck nicht gefähr<strong>de</strong>t wird, über die<br />

Möglichkeit eines Auskunftsersuchens gegenüber Dritten informiert wer<strong>de</strong>n, um es gegebenenfalls abwen<strong>de</strong>n zu<br />

können und damit zu verhin<strong>de</strong>rn, dass seine steuerlichen Verhältnisse Dritten bekannt wer<strong>de</strong>n. Falls <strong>de</strong>r<br />

Ermittlungszweck nicht gefähr<strong>de</strong>t wird, ist <strong>de</strong>r Beteiligte über das Auskunftsersuchen zu informieren.<br />

1.2.7 Bestandsdaten gemäß § 3 Nr. 3 <strong>de</strong>s Telekommunikationsgesetzes (TKG) wie Name, Anschrift,<br />

Bankverbindung und Rufnummer <strong>de</strong>s Anschlussinhabers unterliegen – im Gegensatz zu Verbindungsdaten –<br />

nicht <strong>de</strong>m Fernmel<strong>de</strong>geheimnis nach § 88 TKG. § 88 Abs. 3 Satz 3 TKG steht daher einer Auskunftserteilung<br />

aufgrund von Auskunftsersuchen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n nicht entgegen.<br />

Richten die Finanzbehör<strong>de</strong>n im Besteuerungsverfahren <strong>de</strong>rartige Auskunftsersuchen an Unternehmen und<br />

Personen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Erbringung solcher Dienste<br />

mitwirken, sind diese Unternehmen daher <strong>zur</strong> Auskunftserteilung verpflichtet. Art und Umfang <strong>de</strong>r<br />

Auskunftserteilung bestimmt sich dabei ausschließlich nach § 93 (ggf. i. V. m. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und<br />

Satz 3). Entgegenstehen<strong>de</strong> Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen <strong>de</strong>r o.g. Unternehmen und<br />

Personen treten <strong>de</strong>mgegenüber <strong>zur</strong>ück.<br />

1.2.8 Können Bank- und Depotverbindungen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen sowohl durch einen Kontenabruf als auch<br />

durch ein Auskunftsersuchen an Dritte ermittelt wer<strong>de</strong>n, ist bei <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>s Ermittlungsinstruments auch zu<br />

berücksichtigen, dass ein Kontenabruf <strong>de</strong>n Betroffenen im Einzelfall weniger beeinträchtigen kann als<br />

Auskunftsersuchen gegenüber Dritten. Denn an<strong>de</strong>rs als bei Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 erfährt bei<br />

Kontenabrufen kein Dritter von <strong>de</strong>n steuerlichen Verhältnissen <strong>de</strong>s Betroffenen, insbeson<strong>de</strong>re vom Vorliegen<br />

von Steuerrückstän<strong>de</strong>n. Die Kreditinstitute dürfen von <strong>de</strong>r Durchführung eines Kontenabrufs keine Kenntnis<br />

erlangen (§ 93b Abs. 4 AO i. V. m. § 24c Abs. 1 Satz 6 KWG). Daher kann ein Kontenabruf auch nicht zu<br />

negativen Folgen für einen Bankkun<strong>de</strong>n führen.<br />

1.2.9 § 30a steht einem Auskunftsersuchen an Kreditinstitute nicht entgegen (§ 30a Abs. 5; vgl. zu § 30a, Nr. 2).<br />

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2. Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 in <strong>de</strong>r ab <strong>de</strong>m 1.1.2009 gelten<strong>de</strong>n Fassung<br />

2.1 Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 93 Abs. 7 bei <strong>de</strong>n Kreditinstituten über das<br />

Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern folgen<strong>de</strong> Bestandsdaten zu Konten- und Depotverbindungen abrufen:<br />

– die Nummer eines Kontos, das <strong>de</strong>r Verpflichtung <strong>zur</strong> Legitimationsprüfung i. S. d. § 154 Abs. 2 Satz 1<br />

unterliegt, o<strong>de</strong>r eines Depots,<br />

– <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Errichtung und <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Auflösung <strong>de</strong>s Kontos o<strong>de</strong>r Depots,<br />

– <strong>de</strong>r Name sowie bei natürlichen Personen <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Geburt <strong>de</strong>s Inhabers und eines Verfügungsberechtigten<br />

sowie<br />

– <strong>de</strong>r Name und die Anschrift eines abweichend wirtschaftlich Berechtigten (§ 1 Abs. 6 GwG).<br />

Kontenbewegungen und Kontenstän<strong>de</strong> können auf diesem Weg nicht ermittelt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Verpflichtung <strong>de</strong>r Kreditinstitute, Daten für einen Kontenabruf durch das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern<br />

bereitzuhalten, ergibt sich unmittelbar aus § 93b AO i. V. m. § 24c KWG und bedarf daher keines<br />

Verwaltungsaktes.<br />

2.2 Ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 ist nur in <strong>de</strong>n gesetzlich abschließend aufgezählten Fällen möglich.<br />

2.2.1 Steuerpflichtige, <strong>de</strong>ren persönlicher Steuersatz niedriger ist als <strong>de</strong>r Abgeltungsteuersatz, können nach<br />

§ 32d Abs. 6 EStG beantragen, dass ihre Einkünfte nach § 20 EStG im Rahmen einer<br />

Einkommensteuerveranlagung ihrem individuellen niedrigeren Steuersatz unterworfen wer<strong>de</strong>n<br />

(Günstigerprüfung). In diesem Fall muss <strong>de</strong>r Steuerpflichtige sämtliche Kapitalerträge erklären (§ 32d Abs. 6<br />

Satz 2 und 3 EStG). Die Finanzbehör<strong>de</strong>n müssen daher prüfen können, ob neben <strong>de</strong>n erklärten Einkünften noch<br />

an<strong>de</strong>re Einkünfte nach § 20 EStG vorliegen (vgl. § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1).<br />

2.2.2 In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 2 Abs. 5b Satz 2 EStG ist die Kenntnis aller vom Steuerpflichtigen erzielten<br />

Kapitalerträge i. S. d. § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG erfor<strong>de</strong>rlich. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n müssen <strong>de</strong>shalb<br />

prüfen können, ob neben erklärten Einnahmen bisher nicht erklärte Kapitalerträge vorliegen (vgl. § 93 Abs. 7<br />

Satz 1 Nr. 2).<br />

2.2.3 § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 dient <strong>de</strong>r Verifikation von Einkünften nach § 20 und § 23 Abs. 1 EStG für die<br />

Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2008.<br />

2.2.4 Nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 ist ein Kontenabruf zulässig, wenn er <strong>zur</strong> Erhebung (einschließlich <strong>de</strong>r<br />

Vollstreckung) von bun<strong>de</strong>sgesetzlich geregelten Steuern, mithin auch von Lan<strong>de</strong>ssteuern, die durch<br />

Bun<strong>de</strong>sgesetz geregelt sind, erfor<strong>de</strong>rlich ist (<strong>zur</strong> Erfor<strong>de</strong>rlichkeit vgl. Nr. 2.3). Bei <strong>de</strong>r Geltendmachung von<br />

Haftungsansprüchen ist ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 nur <strong>zur</strong> Erhebung (einschließlich <strong>de</strong>r<br />

Vollstreckung) von Haftungsansprüchen zulässig, nicht <strong>zur</strong> Vorbereitung <strong>de</strong>r Festsetzung eines<br />

Haftungsanspruchs.<br />

2.2.5 In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r Nrn. 2.2.1 bis 2.2.3 ist ein Kontenabruf nur zulässig, wenn er im Einzelfall <strong>zur</strong><br />

Festsetzung <strong>de</strong>r Einkommensteuer erfor<strong>de</strong>rlich ist (vgl. dazu Nr. 2.3). Des Weiteren darf in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r<br />

Nrn. 2.2.1 bis 2.2.4 ein Abrufersuchen nur dann erfolgen, wenn ein Auskunftsersuchen an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen<br />

nicht zum Ziel geführt hat o<strong>de</strong>r keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 7 Satz 2). Da im Vollstreckungsverfahren<br />

eine Gefährdung <strong>de</strong>r Ermittlungszwecke zu befürchten ist, wenn <strong>de</strong>r säumige Steuerschuldner vor einem<br />

Kontenabruf individuell informiert wür<strong>de</strong>, muss eine Information <strong>de</strong>s Betroffenen vor Durchführung eines<br />

Kontenabrufs nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 unterbleiben (vgl. § 93 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1). Es reicht aus, dass<br />

säumige Steuerschuldner in <strong>de</strong>r Zahlungserinnerung auf die Möglichkeiten <strong>de</strong>r Zwangsvollstreckung<br />

(einschließlich <strong>de</strong>r Möglichkeit eines Kontenabrufs) hingewiesen wer<strong>de</strong>n (§ 93 Abs. 9 Satz 1 zweiter Halbsatz).<br />

2.2.6 Darüber hinaus ist ein Kontenabruf nur mit Zustimmung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zulässig (§ 93 Abs. 7 Satz 1<br />

Nr. 5). Der Steuerpflichtige kann seine Zustimmung zu einem Kontenabruf auf Auffor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Finanzverwaltung o<strong>de</strong>r unaufgefor<strong>de</strong>rt erteilen.<br />

Wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> eine Überprüfung <strong>de</strong>r Angaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen mittels eines Kontenabrufs für<br />

erfor<strong>de</strong>rlich hält, weil sie Zweifel daran hat, ob die Angaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen vollständig und richtig sind,<br />

kann sie ihn nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 auffor<strong>de</strong>rn, <strong>zur</strong> Aufklärung <strong>de</strong>s Sachverhalts einem Kontenabruf<br />

zuzustimmen.<br />

In Betracht kommen insbeson<strong>de</strong>re Fälle, in <strong>de</strong>nen aufgeklärt wer<strong>de</strong>n soll, ob <strong>de</strong>r Steuerpflichtige betriebliche<br />

Erlöse zutreffend in seiner Buchführung erfasst hat o<strong>de</strong>r ob steuerpflichtige Einnahmen auf „private“ Konten<br />

geflossen sind. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n können <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen auch dann <strong>zur</strong> Zustimmung zu einem<br />

Kontenabruf auffor<strong>de</strong>rn, wenn noch kein strafrechtlicher Anfangsverdacht vorliegt.<br />

Erteilt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige trotz Auffor<strong>de</strong>rung die Zustimmung zu einem Kontenabruf nicht und bestehen<br />

tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit o<strong>de</strong>r Unvollständigkeit <strong>de</strong>r vom Steuerpflichtigen gemachten<br />

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Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen o<strong>de</strong>r Betriebsvermögensmehrungen, sind die Besteuerungsgrundlagen<br />

nach § 162 Abs. 2 Satz 2 zu schätzen (vgl. auch zu § 162, Nr. 6).<br />

2.2.7 Für Besteuerungsverfahren, auf die die AO nach § 1 nicht unmittelbar anwendbar ist, ist ein Kontenabruf<br />

nach § 93 Abs. 7 nicht zulässig. Für strafrechtliche Zwecke kann ein Kontenabruf nur nach § 24c KWG erfolgen.<br />

Der Kontenabruf entspricht einer elektronischen Einnahme <strong>de</strong>s Augenscheins und stellt einen Realakt dar.<br />

2.3 Ein Kontenabruf steht im Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> und kann nur anlassbezogen und zielgerichtet<br />

erfolgen und muss sich auf eine ein<strong>de</strong>utig bestimmte Person beziehen. Bei <strong>de</strong>r Ausübung <strong>de</strong>s Ermessens sind die<br />

Grundsätze <strong>de</strong>r Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>r Besteuerung, <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit <strong>de</strong>r Mittel, <strong>de</strong>r Erfor<strong>de</strong>rlichkeit, <strong>de</strong>r<br />

Zumutbarkeit, <strong>de</strong>r Billigkeit und von Treu und Glauben sowie das Willkürverbot und das Übermaßverbot zu<br />

beachten (vgl. zu § 5, Nr. 1).<br />

Die Erfor<strong>de</strong>rlichkeit, die von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> im Einzelfall im Wege einer Prognose zu beurteilen ist, setzt<br />

keinen begrün<strong>de</strong>ten Verdacht dafür voraus, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten vorliegen. Es genügt<br />

vielmehr, wenn aufgrund konkreter Momente o<strong>de</strong>r aufgrund allgemeiner Erfahrungen ein Kontenabruf angezeigt<br />

ist (vgl. BVerfG-Beschluss vom 13.6.2007 – 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05 – BStBl. II, S. 896).<br />

2.4 Die Verantwortung für die Zulässigkeit <strong>de</strong>s Datenabrufs und <strong>de</strong>r Datenübermittlung trägt die ersuchen<strong>de</strong><br />

Finanzbehör<strong>de</strong> (§ 93b Abs. 3). Das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern darf lediglich prüfen, ob das Ersuchen<br />

plausibel ist.<br />

2.5 Ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 ist auch zulässig, um Konten o<strong>de</strong>r Depots zu ermitteln, hinsichtlich <strong>de</strong>rer<br />

<strong>de</strong>r Steuerpflichtige zwar nicht Verfügungsberechtigter, aber wirtschaftlich Berechtigter ist. Dies gilt auch dann,<br />

wenn <strong>de</strong>r Verfügungsberechtigte nach § 102 die Auskunft verweigern könnte (z. B. im Fall von An<strong>de</strong>rkonten<br />

von Anwälten). Denn ein Kontenabruf erfolgt bei <strong>de</strong>m Kreditinstitut und nicht bei <strong>de</strong>m Berufsgeheimnisträger.<br />

Das Kreditinstitut hat aber kein Auskunftsverweigerungsrecht und muss daher auch nach § 93 Abs. 1 Satz 1<br />

Auskunft geben darüber, ob bei festgestellten Konten eines Berufsgeheimnisträgers eine an<strong>de</strong>re Person<br />

wirtschaftlich Berechtigter ist. Das Vertrauensverhältnis zwischen <strong>de</strong>m Berufsgeheimnisträger und seinem<br />

Mandanten bleibt dadurch unberührt.<br />

Ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 ist auch im Besteuerungsverfahren eines Berufsgeheimnisträgers i. S. d. § 102<br />

grundsätzlich zulässig. Bei <strong>de</strong>r gebotenen Ermessensentscheidung (vgl. Nr. 2.3) ist in diesem Fall zusätzlich eine<br />

Güterabwägung zwischen <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Verschwiegenheitspflicht <strong>de</strong>s Berufsgeheimnisträgers<br />

und <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>r Besteuerung unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

Verhältnismäßigkeitsprinzips vorzunehmen (vgl. BVerfG-Urteil vom 30.3.2004 – 2 BvR 1520/01, 2 BvR<br />

1521/01 – BVerfGE 110, 226, und BFH-Urteil vom 26.2.2004 – IV R 50/01 – BStBl. II, S. 502). Über<br />

An<strong>de</strong>rkonten eines Berufsgeheimnisträgers i. S. d. § 102, die durch einen Kontenabruf im Besteuerungsverfahren<br />

<strong>de</strong>s Berufsgeheimnisträgers festgestellt wer<strong>de</strong>n, sind keine Kontrollmitteilungen zu fertigen.<br />

2.6 Ob die Sachaufklärung durch <strong>de</strong>n Beteiligten zum Ziel führt o<strong>de</strong>r Erfolg verspricht o<strong>de</strong>r ob dies nicht<br />

zutrifft, ist eine Frage <strong>de</strong>r Beweiswürdigung (vgl. Nr. 1.4). Diese Beweiswürdigung obliegt <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>.<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong> soll zunächst <strong>de</strong>m Beteiligten Gelegenheit geben, Auskunft über seine Konten und Depots zu<br />

erteilen und ggf. entsprechen<strong>de</strong> Unterlagen (z. B. Konto- o<strong>de</strong>r Depotauszüge) vorzulegen, es sei <strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r<br />

Ermittlungszweck wür<strong>de</strong> dadurch gefähr<strong>de</strong>t. Hierbei soll auch bereits darauf hingewiesen wer<strong>de</strong>n, dass die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 93 Abs. 7 einen Kontenabruf durchführen lassen o<strong>de</strong>r bei<br />

Verweigerung <strong>de</strong>r Zustimmung zu einem Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 die<br />

Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 2 Satz 2 schätzen kann, wenn die Sachaufklärung durch <strong>de</strong>n<br />

Beteiligten nicht zum Ziel führt.<br />

2.7 Hat sich durch einen Kontenabruf herausgestellt, dass Konten o<strong>de</strong>r Depots vorhan<strong>de</strong>n sind, die <strong>de</strong>r Beteiligte<br />

auf Nachfrage (vgl. Nr. 2.6) nicht angegeben hat, ist er über das Ergebnis <strong>de</strong>s Kontenabrufs zu informieren (§ 93<br />

Abs. 9 Satz 2). Hierbei ist <strong>de</strong>r Beteiligte darauf hinzuweisen, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> das betroffene<br />

Kreditinstitut nach § 93 Abs. 1 Satz 1 um Auskunft ersuchen kann, wenn ihre Zweifel durch die Auskunft <strong>de</strong>s<br />

Beteiligten nicht ausgeräumt wer<strong>de</strong>n.<br />

Wür<strong>de</strong> durch eine vorhergehen<strong>de</strong> Information <strong>de</strong>s Beteiligten <strong>de</strong>r Ermittlungszweck gefähr<strong>de</strong>t (§ 93 Abs. 9<br />

Satz 3 Nr. 1) o<strong>de</strong>r ergibt sich aus <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalles, dass eine Aufklärung durch <strong>de</strong>n Beteiligten<br />

selbst nicht zu erwarten ist, kann sich die Finanzbehör<strong>de</strong> nach § 93 Abs. 1 Satz 1 unmittelbar an die betreffen<strong>de</strong>n<br />

Kreditinstitute wen<strong>de</strong>n (vgl. Nrn. 1.4 und 1.7) bzw. an<strong>de</strong>re erfor<strong>de</strong>rliche Maßnahmen ergreifen. In diesen Fällen<br />

ist <strong>de</strong>r Beteiligte nachträglich über die Durchführung <strong>de</strong>s Kontenabrufs zu informieren.<br />

2.8 Wur<strong>de</strong>n die Angaben <strong>de</strong>s Beteiligten durch einen Kontenabruf bestätigt, ist <strong>de</strong>r Beteiligte gleichwohl über<br />

die Durchführung <strong>de</strong>s Kontenabrufs zu informieren, z. B. durch eine Erläuterung im Steuerbescheid: „Es wur<strong>de</strong><br />

ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 durchgeführt.“<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 82 von 235


2.9 Die Rechtmäßigkeit eines Kontenabrufs nach § 93 Abs. 7 kann vom Finanzgericht im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Überprüfung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r eines an<strong>de</strong>ren Verwaltungsaktes, zu <strong>de</strong>ssen Vorbereitung <strong>de</strong>r<br />

Kontenabruf vorgenommen wur<strong>de</strong>, o<strong>de</strong>r isoliert im Wege <strong>de</strong>r Leistungs- o<strong>de</strong>r (Fortsetzungs-)Feststellungsklage<br />

überprüft wer<strong>de</strong>n (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4.2.2005 – 2 BvR 308/04 – NJW 2005, 1637, unter Absatz-<br />

Nr. 19).<br />

Zu § 93a – Allgemeine Mitteilungspflichten:<br />

Wegen <strong>de</strong>r allgemeinen Mitteilungspflichten (Kontrollmitteilungen) <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Rundfunkanstalten an<br />

die Finanzbehör<strong>de</strong>n Hinweis auf die Mitteilungsverordnung. Die Verpflichtung <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r<br />

Rundfunkanstalten zu Mitteilungen, Auskünften (insbeson<strong>de</strong>re Einzelauskünften nach § 93), Anzeigen (z. B.<br />

gem. § 116) und <strong>zur</strong> Amtshilfe (§§ 111 ff.) aufgrund an<strong>de</strong>rer Vorschriften bleibt unberührt. Mitteilungspflichten,<br />

die sich aus Verträgen o<strong>de</strong>r Auflagen in Verwaltungsakten ergeben (z. B. beson<strong>de</strong>re Bedingungen in<br />

Zuwendungsbeschei<strong>de</strong>n nach Maßgabe <strong>de</strong>s Haushaltsrechts) bleiben ebenfalls unberührt.<br />

Die Mitteilungspflichten für Zwecke <strong>de</strong>r Feststellung von Einheitswerten <strong>de</strong>s Grundbesitzes sowie für Zwecke<br />

<strong>de</strong>r Grundsteuer sind in § 29 Abs. 3 BewG geregelt.<br />

Zu § 95 – Versicherung an Ei<strong>de</strong>s statt:<br />

Aus <strong>de</strong>r Weigerung eines Steuerpflichtigen, eine Tatsachenbehauptung durch ei<strong>de</strong>sstattliche Versicherung zu<br />

bekräftigen, können für ihn nachteilige Folgerungen gezogen wer<strong>de</strong>n. Im Übrigen wird auf § 162 hingewiesen.<br />

Zu § 99 – Betreten von Grundstücken und Räumen:<br />

Es dürfen auch Grundstücke, Räume usw. betreten wer<strong>de</strong>n, die nicht <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen gehören, son<strong>de</strong>rn im<br />

Eigentum o<strong>de</strong>r Besitz einer an<strong>de</strong>ren Person stehen. Von <strong>de</strong>r Besichtigung „betroffene“ Personen sind alle, die an<br />

<strong>de</strong>m Grundstück usw. entwe<strong>de</strong>r Besitzrechte haben, sie tatsächlich nutzen o<strong>de</strong>r eine sonstige tatsächliche<br />

Verfügungsbefugnis haben. Wohnräume dürfen im Besteuerungsverfahren nicht gegen <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s Inhabers<br />

betreten wer<strong>de</strong>n (siehe aber § 210 Abs. 2 und § 287).<br />

Zu § 101 – Auskunfts- und Ei<strong>de</strong>sverweigerungsrecht <strong>de</strong>r Angehörigen:<br />

1. Der Beteiligte (Steuerpflichtige) selbst hat kein Auskunftsverweigerungsrecht; § 393 Abs. 1 ist zu beachten.<br />

2. Ist die nach § 101 Abs. 1 Satz 2 erfor<strong>de</strong>rliche Belehrung unterblieben, dürfen die auf <strong>de</strong>r Aussage <strong>de</strong>s<br />

Angehörigen beruhen<strong>de</strong>n Kenntnisse nicht verwertet wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 31.10.1990 – II R 180/87 –<br />

BStBl. 1991 II, S. 204), es sei <strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r Angehörige stimmt nachträglich zu o<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rholt nach Belehrung<br />

seine Aussage (vgl. auch BFH-Urteil von 7.11.1985 – IV R 6/85 – BStBl. 1986 II, S. 435).<br />

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Zu § 104 – Verweigerung <strong>de</strong>r Erstattung eines Gutachtens und <strong>de</strong>r Vorlage von Urkun<strong>de</strong>n:<br />

Trotz ihres Auskunftsverweigerungsrechts sind die Angehörigen <strong>de</strong>r steuerberaten<strong>de</strong>n Berufe verpflichtet, alle<br />

Urkun<strong>de</strong>n und Wertsachen, insbeson<strong>de</strong>re Geschäftsbücher und sonstige Aufzeichnungen, die sie für <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen aufbewahren o<strong>de</strong>r führen, auf Verlangen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>n gleichen<br />

Voraussetzungen vorzulegen wie <strong>de</strong>r Steuerpflichtige selbst.<br />

Zu § 107 – Entschädigung <strong>de</strong>r Auskunftspflichtigen und Sachverständigen:<br />

1. Die Entschädigungspflicht wird nur ausgelöst, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> Auskunftspflichtige und<br />

Sachverständige durch Verwaltungsakt zu Beweiszwecken herangezogen hat. Freiwillig vorgelegte<br />

Auskünfte und Sachverständigengutachten führen selbst dann nicht zu einer Entschädigung, wenn die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> sie verwertet.<br />

2. Vorlagepflichtige, die aufzubewahren<strong>de</strong> Unterlagen nur in <strong>de</strong>r Form einer Wie<strong>de</strong>rgabe auf einem Bildträger<br />

o<strong>de</strong>r auf an<strong>de</strong>ren Datenträgern vorlegen können (§ 97 Abs. 3 Satz 2), erhalten keine Entschädigung für<br />

Kosten, die dadurch entstehen, dass sie Hilfsmittel <strong>zur</strong> Verfügung stellen müssen, um die Unterlagen lesbar<br />

zu machen (§ 147 Abs. 5). Das Gleiche gilt für die Kosten, die <strong>de</strong>r Ausdruck <strong>de</strong>r Unterlagen o<strong>de</strong>r die<br />

Fertigung von lesbaren Reproduktionen verursacht.<br />

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3. Für die Vorlage von Urkun<strong>de</strong>n (§ 97) und für die Duldung <strong>de</strong>r Einnahme <strong>de</strong>s Augenscheins (§ 98) besteht<br />

kein Anspruch auf eine Entschädigung nach § 107. Bei einem kombinierten Auskunfts- und Vorlageersuchen<br />

hat <strong>de</strong>r ersuchte Dritte dagegen Anspruch auf Ersatz aller seiner mit <strong>de</strong>m Ersuchen zusammenhängen<strong>de</strong>n<br />

Aufwendungen, d. h. auch jener, die ihm im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Vorlage von Urkun<strong>de</strong>n entstan<strong>de</strong>n sind<br />

(BFH-Urteil vom 24.3.1987 – VII R 113/84 – BStBl. 1988 II, S. 163).<br />

Ein (reines) Vorlageverlangen i. S. d. § 97, das keinen Kostenerstattungsanspruch auslöst, liegt vor, wenn die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> die vorzulegen<strong>de</strong>n Unterlagen so konkret und ein<strong>de</strong>utig benennt, dass sich die gefor<strong>de</strong>rte<br />

Tätigkeit <strong>de</strong>s Vorlageverpflichteten auf rein mechanische Hilfstätigkeiten wie das Heraussuchen und<br />

Lesbarmachen <strong>de</strong>r angefor<strong>de</strong>rten Unterlagen beschränkt. Das setzt bei <strong>de</strong>r Anfor<strong>de</strong>rung von Bankunterlagen<br />

voraus, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> die Konten- und Depotnummern benennt o<strong>de</strong>r vergleichbar konkrete<br />

Angaben zu sonstigen Bankverbindungen macht (BFH-Urteil vom 8.8.2006 – VII R 29/05 – BStBl. 2007 II,<br />

S. 80).<br />

Ein Vorlageverlangen i. S. d. § 97 gegenüber Dritten ist im Regelfall nur zulässig, wenn<br />

– <strong>de</strong>r Dritte eine von ihm zuvor gefor<strong>de</strong>rte Auskunft nicht erteilt hat,<br />

– die Auskunft <strong>de</strong>s Dritten un<strong>zur</strong>eichend ist,<br />

– Be<strong>de</strong>nken gegen die Richtigkeit <strong>de</strong>r Auskunft bestehen o<strong>de</strong>r<br />

– das Vorliegen steuerrelevanter Tatsachen nur durch die Vorlage eines Schriftstückes beweisbar bzw. eine<br />

Auskunft <strong>zur</strong> Wahrheitsfindung untauglich ist<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 24.2.2010 – II R 57/08 – BStBl. 2011 II, S. ...).<br />

Zu § 108 – Fristen und Termine:<br />

1. Fristen sind abgegrenzte, bestimmte o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>nfalls bestimmbare Zeiträume (BFH-Urteil vom 14.10.2003 –<br />

IX R 68/98 – BStBl. II, S. 898). Termine sind bestimmte Zeitpunkte, an <strong>de</strong>nen etwas geschehen soll o<strong>de</strong>r zu<br />

<strong>de</strong>nen eine Wirkung eintritt. „Fälligkeitstermine“ geben das En<strong>de</strong> einer Frist an.<br />

2. § 108 Abs. 3 gilt auch für die Dreitage-Regelungen (§ 122 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2a, § 123 Satz 2; § 4 Abs. 1<br />

VwZG), die Monats-Regelungen (§ 122 Abs. 2 Nr. 2, § 123 Satz 2) und die Zweiwochen-Regelung (§ 122<br />

Abs. 4 Satz 3) zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes (BFH-Urteil vom 14.10.2003 –<br />

IX R 68/98 – BStBl. II, S. 898).<br />

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Zu § 110 – Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand:<br />

1. § 110 Abs. 1 erfasst nur verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Fristen, die „einzuhalten“ sind; das sind<br />

Handlungs- und Erklärungsfristen, die Beteiligte (§ 78) o<strong>de</strong>r Dritte gegenüber <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zu wahren<br />

haben. Nicht wie<strong>de</strong>reinsetzungsfähig sind dagegen die gesetzlichen Fristen, die von <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n als<br />

Verwaltungsträger im Verwaltungsverfahren zu beachten sind. So fällt unter § 110 nicht <strong>de</strong>r Ablauf von<br />

Festsetzungsfristen (BFH-Urteil vom 24.1.2008 – VII R 3/07 – BStBl. II, S. 462). Soweit das Gesetz eine<br />

Fristverlängerung vorsieht (§ 109 Abs. 1), kommt nicht Wie<strong>de</strong>reinsetzung, son<strong>de</strong>rn rückwirken<strong>de</strong><br />

Fristverlängerung in Betracht.<br />

2. Zur Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand nach unterlassener Anhörung eines Beteiligten bzw. wegen<br />

fehlen<strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes (§ 126 Abs. 3) vgl. zu § 91, Nr. 3 und zu § 121, Nr. 3. Zur<br />

Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand nach Einspruchseinlegung bei einer unzuständigen Behör<strong>de</strong> vgl. zu<br />

§ 357, Nr. 2.<br />

3. Abweichend von § 100 Abs. 2 beträgt im finanzgerichtlichen Verfahren die Frist für <strong>de</strong>n Antrag auf<br />

Wie<strong>de</strong>reinsetzung und die Nachholung <strong>de</strong>r versäumten Rechtshandlung zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 FGO).<br />

Zu § 111 – Amtshilfepflicht:<br />

1. Die §§ 111 ff. sind auch dann anzuwen<strong>de</strong>n, wenn sich Finanzbehör<strong>de</strong>n untereinan<strong>de</strong>r Amtshilfe leisten.<br />

2. Für Verbän<strong>de</strong> und berufsständische Vertretungen besteht, soweit sie nicht Behör<strong>de</strong>n sind o<strong>de</strong>r unterhalten,<br />

keine Beistandspflicht. Sie sind jedoch ebenso wie die in § 111 Abs. 3 erwähnten Institutionen im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r §§ 88, 92 ff. <strong>zur</strong> Auskunftserteilung und Vorlage von Urkun<strong>de</strong>n verpflichtet.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 84 von 235


Zu § 112 – Voraussetzungen und Grenzen <strong>de</strong>r Amtshilfe:<br />

An<strong>de</strong>re Behör<strong>de</strong>n, die von <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n im Besteuerungsverfahren um Amtshilfe ersucht wer<strong>de</strong>n, können<br />

die Amtshilfe nur unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen dieser Vorschrift ablehnen. Die Bestimmungen <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsverfahrensgesetzes und <strong>de</strong>s SGB X über die Amtshilfe sind insoweit nicht anwendbar.<br />

Zu § 117 – Zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe in Steuersachen:<br />

1. Die Voraussetzungen, unter <strong>de</strong>nen die Finanzbehör<strong>de</strong> für <strong>de</strong>utsche Besteuerungszwecke die Hilfe<br />

ausländischer Behör<strong>de</strong>n in Anspruch nehmen dürfen, richten sich nach <strong>de</strong>utschem Recht, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n<br />

§§ 85 ff.<br />

2. Gem. § 117 Abs. 2 können die Finanzbehör<strong>de</strong>n zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe leisten aufgrund<br />

a) innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen. Derartige Vereinbarungen enthalten vor<br />

allem die Doppelbesteuerungsabkommen und die Abkommen im Zollbereich. Über <strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>r<br />

Doppelbesteuerungsabkommen veröffentlicht das BMF jährlich im BStBl. Teil I eine Übersicht.<br />

b) innerstaatlich anwendbarer Rechtsakte <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaft (im Zollbereich und im Bereich<br />

<strong>de</strong>r indirekten Steuern). Als Rechtsgrundlagen kommen unmittelbar gelten<strong>de</strong> Verordnungen in Betracht.<br />

Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 <strong>de</strong>s Rates vom 7.10.2003 über die Zusammenarbeit <strong>de</strong>r<br />

Verwaltungsbehör<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Mehrwertsteuer und <strong>zur</strong> Aufhebung <strong>de</strong>r Verordnung (EWG)<br />

Nr. 218/92 (Amtsblatt Nr. L 264 vom 15.10.2003 S. 1).<br />

c) <strong>de</strong>s EG-Amtshilfe-Gesetzes und <strong>de</strong>s EU-Beitreibungsgesetzes.<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r Voraussetzungen und <strong>de</strong>r Durchführung <strong>de</strong>r zwischenstaatlichen Amtshilfe wird auf folgen<strong>de</strong><br />

Merkblätter verwiesen:<br />

– Merkblatt <strong>zur</strong> zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen (BMF-<br />

Schreiben vom 25.5.2012, BStBl. I, S. 599);<br />

– Merkblatt <strong>zur</strong> zwischenstaatlichen Amtshilfe bei <strong>de</strong>r Steuererhebung (Beitreibung) (BMF-Schreiben vom<br />

29.2.2012, BStBl. I, S. 244).<br />

Zu § 118 – Begriff <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes:<br />

Da auch die Steuerbeschei<strong>de</strong> Verwaltungsakte sind, gelten die §§ 118 ff. auch für die Steuerbeschei<strong>de</strong>, soweit in<br />

<strong>de</strong>n §§ 155 ff. nichts an<strong>de</strong>res bestimmt ist. Ausgenommen sind insbeson<strong>de</strong>re die §§ 130 und 131, die kraft<br />

ausdrücklicher Regelung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) als Rechtsgrundlage für die Aufhebung o<strong>de</strong>r<br />

Än<strong>de</strong>rung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n ausgeschlossen sind.<br />

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Zu § 120 – Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt:<br />

1. Nebenbestimmungen sind zulässig bei Verwaltungsakten, die auf einer Ermessensentscheidung <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n beruhen (z. B. Fristverlängerung, Stundung, Erlass, Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung). Bei<br />

gebun<strong>de</strong>nen Verwaltungsakten (z. B. Steuerbeschei<strong>de</strong>n) sind gesetzlich ausdrücklich zugelassene<br />

Nebenbestimmungen <strong>de</strong>r Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung (§ 164), die Vorläufigkeitserklärung (§ 165) und die<br />

Sicherheitsleistung (§ 165 Abs. 1 Satz 4).<br />

2. Nebenbestimmungen müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1). An<strong>de</strong>renfalls sind sie<br />

nichtig. Wegen <strong>de</strong>r Rechtsfolgen bei Nichtigkeit <strong>de</strong>r Nebenbestimmung Hinweis auf § 125 Abs. 4.<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r unterschiedlichen Folgen, die sich aus <strong>de</strong>r Nichterfüllung einer Nebenbestimmung ergeben<br />

können, ist die Nebenbestimmung im Verwaltungsakt genau zu bezeichnen (z. B. „unter <strong>de</strong>r aufschieben<strong>de</strong>n<br />

Bedingung“, „unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs“).<br />

4. Der Wi<strong>de</strong>rrufsvorbehalt ermöglicht <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rruf rechtmäßiger Verwaltungsakte nach § 131 Abs. 2 Nr. 1. Er<br />

ist aber für sich allein kein hinreichen<strong>de</strong>r Grund zum Wi<strong>de</strong>rruf, son<strong>de</strong>rn lässt <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rruf nur im Rahmen<br />

pflichtgemäßen Ermessens zu.<br />

Zu § 121 – Begründung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes:<br />

1. Die Vorschrift gilt für alle Verwaltungsakte einschließlich Steuerbeschei<strong>de</strong>.<br />

2. Besteht eine Pflicht, <strong>de</strong>n Verwaltungsakt zu begrün<strong>de</strong>n, so muss die Begründung nur <strong>de</strong>n Umfang haben, <strong>de</strong>r<br />

erfor<strong>de</strong>rlich ist, damit <strong>de</strong>r Adressat <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes die Grün<strong>de</strong> für die Entscheidung <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> verstehen kann. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll erkennen lassen, dass die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> ihr Ermessen ausgeübt hat und von welchen Gesichtspunkten sie bei ihrer Entscheidung<br />

ausgegangen ist.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 85 von 235


3. Das Fehlen <strong>de</strong>r vorgeschriebenen Begründung macht <strong>de</strong>n Verwaltungsakt fehlerhaft. Dieser Mangel kann<br />

nach § 126 Abs. 1 und 2 geheilt wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r gemäß § 127 unbeachtlich sein. Wur<strong>de</strong> wegen <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>n<br />

Begründung die rechtzeitige Anfechtung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes versäumt, so ist auf Antrag Wie<strong>de</strong>reinsetzung<br />

in <strong>de</strong>n vorigen Stand zu gewähren (§ 126 Abs. 3 i. V. m. § 110; vgl. auch zu § 91, Nr. 3).<br />

Zu § 122 – Bekanntgabe <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes:<br />

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Inhaltsübersicht<br />

1. Allgemeines<br />

1.1 Bekanntgabe von Verwaltungsakten<br />

1.2 Steuerbeschei<strong>de</strong><br />

1.3 Bezeichnung <strong>de</strong>s Inhaltsadressaten<br />

1.4 Bezeichnung <strong>de</strong>s Bekanntgabeadressaten<br />

1.5 Bezeichnung <strong>de</strong>s Empfängers<br />

1.6 Anschriftenfeld<br />

1.7 Übermittlung an Bevollmächtigte<br />

1.8 Form <strong>de</strong>r Bekanntgabe<br />

2. Bekanntgabe von Beschei<strong>de</strong>n<br />

2.1 Bekanntgabe von Beschei<strong>de</strong>n an Ehegatten<br />

2.2 Bekanntgabe an gesetzliche Vertreter natürlicher Personen<br />

2.3 Beschei<strong>de</strong> an Ehegatten mit Kin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Alleinstehen<strong>de</strong> mit Kin<strong>de</strong>rn<br />

2.4 Personengesellschaften (Gemeinschaften)<br />

2.5 Beschei<strong>de</strong> über geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellungen<br />

2.6 Grundsteuermessbeschei<strong>de</strong>, Grun<strong>de</strong>rwerbsteuerbeschei<strong>de</strong><br />

2.7 Personengesellschaften (Gemeinschaften) in Liquidation<br />

2.8 Bekanntgabe an juristische Personen<br />

2.9 Bekanntgabe in Insolvenzfällen<br />

2.10 Verbraucherinsolvenzverfahren<br />

2.11 Zwangsverwaltung<br />

2.12 Gesamtrechtsnachfolge (z. B. Erbfolge)<br />

2.13 Testamentsvollstreckung, Nachlassverwaltung, Nachlasspflegschaft<br />

2.14 Haften<strong>de</strong><br />

2.15 Spaltung<br />

2.16 Formwechseln<strong>de</strong> Umwandlung<br />

3. Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s Zustellungsverfahrens<br />

3.1 Zustellungsarten<br />

3.2 Zustellung an mehrere Beteiligte<br />

3.3 Zustellung an Bevollmächtigte<br />

3.4 Zustellung an Ehegatten<br />

4. Folgen von Verfahrens- und Formfehlern<br />

4.1 Unwirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes wegen inhaltlicher Mängel<br />

4.2 Wirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes trotz inhaltlicher Mängel<br />

4.3 Unwirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes wegen eines Bekanntgabemangels<br />

4.4 Wirksame Bekanntgabe<br />

4.5 Fehler bei förmlichen Zustellungen<br />

4.6 Fehlerhafte Bekanntgabe von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n<br />

4.7 Bekanntgabe von geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Feststellungen an einzelne Beteiligte<br />

1. Allgemeines<br />

1.1 Bekanntgabe von Verwaltungsakten<br />

1.1.1 Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes ist, dass er inhaltlich hinreichend bestimmt ist<br />

(§ 119 Abs. 1) und dass er <strong>de</strong>mjenigen, für <strong>de</strong>n er bestimmt ist o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r von ihm betroffen wird, bekannt gegeben<br />

wird (§ 124 Abs. 1). Deshalb ist beim Erlass eines Verwaltungsakts festzulegen,<br />

– an wen er sich richtet (Nr. 1.3 – Inhaltsadressat),<br />

– wem er bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n soll (Nr. 1.4 – Bekanntgabeadressat)<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 86 von 235


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– welcher Person er zu übermitteln ist (Nr. 1.5 – Empfänger) und<br />

– ob eine beson<strong>de</strong>re Form <strong>de</strong>r Bekanntgabe erfor<strong>de</strong>rlich o<strong>de</strong>r zweckmäßig ist (Nr. 1.8).<br />

1.1.2 Verfahrensrechtlich ist zu unterschei<strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>m Rechtsbegriff <strong>de</strong>r Bekanntgabe als<br />

Wirksamkeitsvoraussetzung, <strong>de</strong>n Formen <strong>de</strong>r Bekanntgabe (mündliche, schriftliche, elektronische o<strong>de</strong>r<br />

öffentliche Bekanntgabe o<strong>de</strong>r Bekanntgabe in an<strong>de</strong>rer Weise) und <strong>de</strong>n technischen Vorgängen bei <strong>de</strong>r<br />

Übermittlung <strong>de</strong>s Inhalts eines Verwaltungsakts. Die Bekanntgabe setzt <strong>de</strong>n Bekanntgabewillen <strong>de</strong>s für <strong>de</strong>n<br />

Erlass <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes zuständigen Bediensteten voraus (BFH-Urteile vom 27.6.1986 – VI R 23/83 –<br />

BStBl. II, S. 832, und vom 24.11.1988 – V R 123/83 – BStBl. 1989 II, S. 344). Zur Aufgabe <strong>de</strong>s<br />

Bekanntgabewillens vgl. zu § 124, Nrn. 5 und 6.<br />

1.1.3 Mit <strong>de</strong>m Rechtsbegriff „Bekanntgabe“ nicht gleichbe<strong>de</strong>utend sind die Bezeichnungen für die technischen<br />

Vorgänge bei <strong>de</strong>r Übermittlung eines verfügten Verwaltungsaktes (z. B. „Aufgabe <strong>zur</strong> Post“, „Zusendung“,<br />

„Zustellung“, „ortsübliche Bekanntmachung“, „Zugang“), auch wenn diese Begriffe zugleich eine gewisse<br />

rechtliche Be<strong>de</strong>utung haben. Die technischen Vorgänge bedürfen, soweit das Gesetz daran Rechtsfolgen knüpft,<br />

einer Dokumentation, um nachweisen zu können, dass, wann und wie die Bekanntgabe erfolgt ist.<br />

1.1.4 Die nachfolgen<strong>de</strong>n Grundsätze über die Bekanntgabe von Steuerbeschei<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 1.2) gelten<br />

entsprechend für an<strong>de</strong>re Verwaltungsakte (z. B. Haftungsbeschei<strong>de</strong>, Prüfungsanordnungen, Androhungen und<br />

Festsetzungen von Zwangsgel<strong>de</strong>rn; vgl. Nr. 1.8.1). Zur Adressierung und Bekanntgabe von<br />

Prüfungsanordnungen vgl. zu § 197, <strong>zur</strong> Adressierung und Bekanntgabe von Zwangsgeldandrohungen und<br />

Zwangsgeldfestsetzungen vgl. BFH-Urteil vom 23.11.1999 – VII R 38/99 – BStBl. 2001 II, S. 463.<br />

1.2 Steuerbeschei<strong>de</strong><br />

Steuerfestsetzungen sind nur dann eine Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus <strong>de</strong>m<br />

Steuerschuldverhältnis, wenn sie gem. § 122 Abs. 1 Satz 1 als Steuerbescheid <strong>de</strong>mjenigen Beteiligten bekannt<br />

gegeben wor<strong>de</strong>n sind, für <strong>de</strong>n sie bestimmt sind o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r von ihnen betroffen wird. Die folgen<strong>de</strong>n Grundsätze<br />

regeln, wie <strong>de</strong>r Steuerschuldner als Inhaltsadressat und ggf. <strong>de</strong>r Bekanntgabeadressat und <strong>de</strong>r Empfänger zu<br />

bezeichnen sind und wie <strong>de</strong>r Bescheid zu übermitteln ist.<br />

1.3 Bezeichnung <strong>de</strong>s Inhaltsadressaten<br />

1.3.1 Der Inhaltsadressat muss im Bescheid so ein<strong>de</strong>utig bezeichnet wer<strong>de</strong>n, dass Zweifel über seine I<strong>de</strong>ntität<br />

nicht bestehen. Inhaltsadressat eines Steuerbeschei<strong>de</strong>s ist <strong>de</strong>r Steuerschuldner.<br />

1.3.2 Im Allgemeinen wird eine natürliche Person als Inhaltsadressat durch Vornamen und Familiennamen<br />

genügend bezeichnet. Nur bei Verwechslungsmöglichkeiten, insbeson<strong>de</strong>re bei häufiger vorkommen<strong>de</strong>n Namen,<br />

sind weitere Angaben erfor<strong>de</strong>rlich (z. B. Wohnungsanschrift, Geburtsdatum, Berufsbezeichnung, Namenszusätze<br />

wie „senior“ o<strong>de</strong>r „junior“). Bei juristischen Personen und Han<strong>de</strong>lsgesellschaftern ergibt sich <strong>de</strong>r zutreffen<strong>de</strong><br />

„Name“ aus Gesetz, Satzung, Register o<strong>de</strong>r ähnlichen Quellen (bei Han<strong>de</strong>lsgesellschaften Firma gemäß § 17<br />

HGB); wegen <strong>de</strong>r Bezeichnung von Ehegatten vgl. 2.1.2, wegen <strong>de</strong>r Bezeichnung <strong>de</strong>r nichtrechtsfähigen<br />

Personenvereinigungen vgl. Nrn. 2.4, 2.4.1.2.<br />

1.4 Bezeichnung <strong>de</strong>s Bekanntgabeadressaten<br />

1.4.1 Die Person, <strong>de</strong>r ein Verwaltungsakt bekannt zu geben ist, wird als Bekanntgabeadressat bezeichnet. Bei<br />

Steuerfestsetzungen ist dies i. d. R. <strong>de</strong>r Steuerschuldner als Inhaltsadressat, weil <strong>de</strong>r Steuerbescheid seinem<br />

Inhalt nach für ihn bestimmt ist o<strong>de</strong>r er von ihm betroffen wird (§ 122 Abs. 1 Satz 1).<br />

1.4.2 Als Bekanntgabeadressat kommen jedoch auch Dritte in Betracht, wenn sie für <strong>de</strong>n Inhaltsadressaten<br />

(Steuerschuldner) steuerliche Pflichten zu erfüllen haben. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich in erster Linie um Fälle, in <strong>de</strong>nen<br />

die Bekanntgabe an <strong>de</strong>n Steuerschuldner nicht möglich o<strong>de</strong>r nicht zulässig ist (§ 79).<br />

Die Bekanntgabe ist insbeson<strong>de</strong>re an folgen<strong>de</strong> Dritte erfor<strong>de</strong>rlich:<br />

a) Eltern (§ 1629 BGB), Vormund (§ 1793 BGB), Pfleger (§§ 1909 ff. BGB) als gesetzliche Vertreter<br />

natürlicher Personen (§ 34 Abs. 1),<br />

b) Geschäftsführer von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen (z. B. Vorstän<strong>de</strong> nichtrechtsfähiger Vereine,<br />

§ 54 BGB),<br />

c) Geschäftsführer von Vermögensmassen (z. B. nichtrechtsfähige Stiftungen, §§ 86, 26 BGB),<br />

d) Vermögensverwalter i. S. v. § 34 Abs. 3 (z. B. Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter, gerichtlich bestellte<br />

Liquidatoren, Nachlassverwalter),<br />

e) Verfügungsberechtigte i. S. v. § 35,<br />

f) für das Besteuerungsverfahren bestellte Vertreter i. S. v. § 81.<br />

1.4.3 Ist <strong>de</strong>r Bekanntgabeadressat nicht mit <strong>de</strong>m Inhaltsadressaten i<strong>de</strong>ntisch (vgl. Nr. 1.4.2), so ist er zusätzlich<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 87 von 235


zu Inhaltsadressaten anzugeben. Hinsichtlich <strong>de</strong>r ein<strong>de</strong>utigen Bezeichnung gelten dieselben Grundsätze wie für<br />

die Bezeichnung <strong>de</strong>s Inhaltsadressaten (vgl. Nr. 1.3.2). Das Vertretungsverhältnis (vgl. Nr. 1.4.2) ist im Bescheid<br />

anzugeben (vgl. Nr. 1.6).<br />

1.5 Bezeichnung <strong>de</strong>s Empfängers<br />

1.5.1 Als Empfänger wird <strong>de</strong>rjenige bezeichnet, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Verwaltungsakt tatsächlich zugehen soll, damit er<br />

durch Bekanntgabe wirksam wird. In <strong>de</strong>r Regel ist <strong>de</strong>r Inhaltsadressat nicht nur Bekanntgabeadressat, son<strong>de</strong>rn<br />

auch „Empfänger“ <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes.<br />

1.5.2 Es können jedoch auch an<strong>de</strong>re Personen Empfänger sein, wenn für sie eine Empfangsvollmacht <strong>de</strong>s<br />

Bekanntgabeadressaten vorliegt o<strong>de</strong>r wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> nach ihrem Ermessen <strong>de</strong>n Verwaltungsakt einem<br />

Bevollmächtigten übermitteln will (vgl. Nr. 1.7).<br />

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Beispiel:<br />

Die gesetzlichen Vertreter (Bekanntgabeadressaten) eines Min<strong>de</strong>rjährigen (Steuerschuldner und damit<br />

Inhaltsadressat) haben einen Dritten (Empfänger) bevollmächtigt.<br />

Inhaltsadressat (Steuerschuldner):<br />

Hans Huber<br />

Bekanntgabeadressaten:<br />

Herrn Anton Huber, Frau Maria Huber<br />

als gesetzliche Vertreter <strong>de</strong>s Hans Huber, Moltkestraße 5, 12203 Berlin<br />

Empfänger (Anschriftenfeld):<br />

Herrn<br />

Steuerberater<br />

Anton Schulz<br />

Postfach 11 48<br />

80335 München<br />

Darstellung im Bescheid:<br />

(Die Angaben in Klammern wer<strong>de</strong>n im Bescheid nicht ausgedruckt. Dies gilt auch für die übrigen Beispiele.)<br />

Anschriftenfeld (Empfänger):<br />

Herrn<br />

Steuerberater<br />

Anton Schulz<br />

Postfach 11 48<br />

80335 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Für<br />

Herrn Anton Huber und Frau Maria Huber (Bekanntgabeadressaten) als gesetzliche Vertreter <strong>de</strong>s Hans Huber<br />

(Steuerschuldner und Inhaltsadressat), Moltkestraße 5, 12203 Berlin<br />

1.5.3 Eine Empfangsvollmacht ist auch erfor<strong>de</strong>rlich, wenn <strong>de</strong>r Verwaltungsakt nur namentlich benannten<br />

Geschäftsführern o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Personen (z. B. <strong>de</strong>m Steuerabteilungsleiter) zugehen soll.<br />

Beispiel:<br />

Anschriftenfeld (Empfänger):<br />

Herrn<br />

Steuerabteilungsleiter<br />

Fritz Schulz<br />

i.Hs. <strong>de</strong>r Meyer GmbH<br />

Postfach 11 01<br />

50859 Köln<br />

Bescheidkopf:<br />

Für die Meyer GmbH (Inhalts- und Bekanntgabeadressat)<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 88 von 235


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1.5.4 Zur Bekanntgabe nach § 122 Abs. 6 vgl. Nr. 2.1.3, <strong>zur</strong> Bekanntgabe an einen gemeinsamen<br />

Empfangsbevollmächtigten i. S. von § 183 Abs. 1 vgl. Nr. 2.5.2.<br />

1.6 Anschriftenfeld<br />

Der Empfänger ist im Anschriftenfeld <strong>de</strong>s Steuerbescheids mit seinem Namen und postalischer Anschrift zu<br />

bezeichnen. Es reicht nicht aus, <strong>de</strong>n Empfänger nur auf <strong>de</strong>m Briefumschlag und in <strong>de</strong>n Steuerakten anzugeben,<br />

weil sonst die ordnungsgemäße Bekanntgabe nicht einwandfrei nachgewiesen wer<strong>de</strong>n kann. Sind Inhaltsadressat<br />

(Steuerschuldner), Bekanntgabeadressat und Empfänger nicht dieselbe Person, muss je<strong>de</strong>r im Steuerbescheid<br />

benannt wer<strong>de</strong>n: Der Empfänger ist im Anschriftenfeld anzugeben, <strong>de</strong>r Inhalts- und ggf. <strong>de</strong>r<br />

Bekanntgabeadressat sowie das Vertretungsverhältnis müssen an an<strong>de</strong>rer Stelle <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s aufgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n (vgl. z. B. bei Bekanntgabe an Min<strong>de</strong>rjährige Nr. 2.2.2).<br />

1.7 Übermittlung an Bevollmächtigte<br />

1.7.1 Der einem Angehörigen <strong>de</strong>r steuerberaten<strong>de</strong>n Berufe erteilte Auftrag <strong>zur</strong> Erstellung und Einreichung <strong>de</strong>r<br />

Steuererklärungen schließt i. d. R. seine Bestellung als Empfangsbevollmächtigter nicht ein (BFH-Urteil vom<br />

30.7.1980 – I R 148/79 – BStBl. 1981 II, S. 3). Aus <strong>de</strong>r Mitwirkung eines Steuerberaters bei <strong>de</strong>r Steuererklärung<br />

folgt daher nicht, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> einen Steuerbescheid <strong>de</strong>m Steuerberater zu übermitteln hat. Dasselbe<br />

gilt in Bezug auf die an<strong>de</strong>ren <strong>zur</strong> Hilfe in Steuersachen befugten Personen und Vereinigungen (§§ 3, 4 StBerG).<br />

1.7.2 Es liegt im Ermessen <strong>de</strong>s Finanzamts, ob es einen Steuerbescheid an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen selbst o<strong>de</strong>r an<br />

<strong>de</strong>ssen Bevollmächtigten bekannt gibt (§ 122 Abs. 1 Satz 3). Zur Ausübung <strong>de</strong>s Ermessens gilt Folgen<strong>de</strong>s:<br />

Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige <strong>de</strong>m Finanzamt ausdrücklich mitgeteilt, dass er seinen Vertreter auch <strong>zur</strong><br />

Entgegennahme von Steuerbeschei<strong>de</strong>n ermächtigt, sind diese grundsätzlich <strong>de</strong>m Bevollmächtigten bekannt zu<br />

geben (BFH-Urteil vom 5.10.2000 – VII R 96/99 – BStBl. 2001 II, S. 86). Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige <strong>de</strong>m Finanzamt eine Vollmacht vorgelegt hat, nach <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bevollmächtigte berechtigt ist, für<br />

<strong>de</strong>n Steuerpflichtigen „rechtsverbindliche Erklärungen“ entgegenzunehmen (BFH-Urteil vom 23.11.1999 –<br />

VII R 38/99 – BStBl. 2001 II, S. 463). Nur dann, wenn im Einzelfall beson<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> gegen die Bekanntgabe<br />

<strong>de</strong>s Steuerbescheids an <strong>de</strong>n Bevollmächtigten sprechen, kann <strong>de</strong>r Steuerbescheid unmittelbar <strong>de</strong>m<br />

Steuerpflichtigen bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Derartige beson<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> können auch technischer Natur sein.<br />

Fehlt es an einer ausdrücklichen Benennung eines Empfangsbevollmächtigten, hat das Finanzamt aber bisher<br />

Verwaltungsakte <strong>de</strong>m Vertreter <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen übermittelt, so darf es sich nicht in Wi<strong>de</strong>rspruch zu seinem<br />

bisherigen Verhalten setzen und sich bei gleich liegen<strong>de</strong>n Verhältnissen ohne ersichtlichen Grund an <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen selbst wen<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteile vom 11.8.1954 – II 239/53 U – BStBl. III, S. 327, und vom<br />

13.4.1965 – I 36/64 U, I 37/64 U – BStBl. III, S. 389). In diesen Fällen ist jedoch eine schriftliche Vollmacht<br />

nachzufor<strong>de</strong>rn; <strong>de</strong>r Vollmachtnachweis kann auch in elektronischer Form (§ 87a Abs. 3) erbracht wer<strong>de</strong>n.<br />

Die im Einkommensteuererklärungsvordruck erteilte Empfangsvollmacht gilt nur für Beschei<strong>de</strong> <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n<br />

Veranlagungszeitraums. Dagegen entfaltet die im Erklärungsvordruck <strong>zur</strong> geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen<br />

Feststellung erteilte Empfangsvollmacht nicht lediglich Wirkung für das Verfahren <strong>de</strong>s entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Feststellungszeitraums, son<strong>de</strong>rn ist so lange zu beachten, bis sie durch Wi<strong>de</strong>rruf entfällt (Urteil <strong>de</strong>s FG<br />

Bran<strong>de</strong>nburg vom 17.9.1997, EFG 1998 S. 7).<br />

Ein während eines Klageverfahrens ergehen<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rungsbescheid ist i. d. R. <strong>de</strong>m Prozessbevollmächtigten<br />

bekannt zu geben (BFH-Urteile vom 5.5.1994 – VI R 98/93 – BStBl. II, S. 806, und vom 29. Oktober 1997,<br />

BStBl. 1998 II S. 266).<br />

1.7.3 Wird ein Verwaltungsakt <strong>de</strong>m betroffenen Steuerpflichtigen bekannt gegeben und hierdurch eine von ihm<br />

erteilte Bekanntgabevollmacht zu Gunsten seines Bevollmächtigten ohne beson<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> nicht beachtet, wird<br />

<strong>de</strong>r Bekanntgabemangel durch die Weiterleitung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes an <strong>de</strong>n Bevollmächtigten geheilt. Die<br />

Frist für einen außergerichtlichen Rechtsbehelf beginnt in <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Bevollmächtigte <strong>de</strong>n<br />

Verwaltungsakt nachweislich erhalten hat (BFH-Urteil vom 8.12.1988 – IV R 24/87 – BStBl. 1989 II, S. 346).<br />

1.7.4 Wegen <strong>de</strong>r Zustellung an Bevollmächtigte vgl. Nr. 3.3.<br />

1.7.5 Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige einen Bevollmächtigten benannt, bleibt die Vollmacht so lange wirksam, bis <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> ein Wi<strong>de</strong>rruf zugeht (§ 80 Abs. 1). Die Wirksamkeit einer Vollmacht ist nur dann auf einen<br />

Besteuerungszeitraum o<strong>de</strong>r einen einzelnen Bearbeitungsvorgang begrenzt, wenn dies ausdrücklich in <strong>de</strong>r<br />

Vollmacht erwähnt ist o<strong>de</strong>r sich aus <strong>de</strong>n äußeren Umstän<strong>de</strong>n ergibt (z. B. bei Einzelsteuerfestsetzungen); vgl.<br />

aber auch Nr. 1.7.2.<br />

1.7.6 Wen<strong>de</strong>t sich die Finanzbehör<strong>de</strong> aus beson<strong>de</strong>rem Grund an <strong>de</strong>n Beteiligten selbst (z. B. um ihn um<br />

Auskünfte zu bitten, die nur er selbst als Wissensträger geben kann, o<strong>de</strong>r um die Vornahme von Handlungen zu<br />

erzwingen), so soll <strong>de</strong>r Bevollmächtigte unterrichtet wer<strong>de</strong>n (§ 80 Abs. 3 Satz 3).<br />

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1.8 Form <strong>de</strong>r Bekanntgabe<br />

Schriftliche Verwaltungsakte, insbeson<strong>de</strong>re Steuerbeschei<strong>de</strong>, sind grundsätzlich durch die Post zu übermitteln<br />

(vgl. Nr. 1.8.2), sofern <strong>de</strong>r Empfänger im Inland wohnt o<strong>de</strong>r soweit <strong>de</strong>r ausländische Staat mit <strong>de</strong>r<br />

Postübermittlung einverstan<strong>de</strong>n ist (vgl. Nr. 1.8.4). Ein Verwaltungsakt kann ferner durch Telefax (vgl.<br />

Nr. 1.8.2) wirksam bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n, auch wenn für ihn die Schriftform gesetzlich vorgeschrieben ist<br />

(BFH-Urteil vom 8.7.1998 – I R 17/96 – BStBl. 1999 II, S. 48). Eine förmliche Zustellung ist nur erfor<strong>de</strong>rlich,<br />

wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist o<strong>de</strong>r die Finanzbehör<strong>de</strong> von sich aus die Zustellung anordnet (vgl.<br />

Nr. 1.8.3). Die Zustellung erfolgt nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s Verwaltungszustellungsgesetzes (vgl. Nr. 3.1).<br />

Unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 87a können Verwaltungsakte auch elektronisch übermittelt wer<strong>de</strong>n.<br />

1.8.1 Schriftform<br />

Grundsätzlich ist die schriftliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes nur erfor<strong>de</strong>rlich, wenn das Gesetz sie<br />

ausdrücklich vorsieht (für Steuerbeschei<strong>de</strong>, § 157; für die Aufhebung <strong>de</strong>s Vorbehalts <strong>de</strong>r Nachprüfung, § 164<br />

Abs. 3; für Haftungs- und Duldungsbeschei<strong>de</strong>, § 191 Abs. 1; für Prüfungsanordnungen, § 196; für verbindliche<br />

Zusagen, § 205 Abs. 1; für Pfändungsverfügungen, § 309 Abs. 2; für Androhung von Zwangsmitteln, § 332<br />

Abs. 1; für Einspruchsentscheidungen, § 366). Im Übrigen reicht die mündliche Bekanntgabe eines<br />

steuerlichen Verwaltungsaktes aus (z. B. bei Fristverlängerungen, Billigkeitsmaßnahmen, Stundungen). Aus<br />

Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rechtssicherheit sollen Verwaltungsakte aber im Allgemeinen schriftlich erteilt wer<strong>de</strong>n. Ein<br />

mündlicher Verwaltungsakt ist ggf. schriftlich zu bestätigen (§ 119 Abs. 2).<br />

1.8.2 Übermittlung durch die Post o<strong>de</strong>r durch Telefax<br />

Der in § 122 Abs. 2 verwen<strong>de</strong>te Begriff <strong>de</strong>r „Post“ ist nicht auf die Deutsche Post AG (als<br />

Nachfolgeunternehmen <strong>de</strong>r Deutschen Bun<strong>de</strong>spost) beschränkt, son<strong>de</strong>rn umfasst alle Unternehmen, soweit sie<br />

Postdienstleistungen erbringen. Wird ein schriftlicher Verwaltungsakt durch die Post übermittelt, so hängt die<br />

Wirksamkeit <strong>de</strong>r Bekanntgabe nicht davon ab, dass <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes <strong>zur</strong> Post in <strong>de</strong>n<br />

Akten vermerkt wird. Um <strong>de</strong>n Bekanntgabezeitpunkt berechnen zu können und im Hinblick auf die Regelung in<br />

§ 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ist jedoch <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>zur</strong> Post in geeigneter Weise festzuhalten.<br />

Ein durch Telefax (einschließlich Computerfax) bekannt gegebener Verwaltungsakt (vgl. Nr. 1.8) ist ein i. S. d.<br />

§ 122 Abs. 2a elektronisch übermittelter Verwaltungsakt. Er gilt somit grundsätzlich am dritten Tag nach <strong>de</strong>r<br />

Absendung als bekannt gegeben. Die für elektronische Verwaltungsakte gelten<strong>de</strong>n Regelungen <strong>de</strong>s § 87a sind<br />

auf ihn aber nicht anwendbar.<br />

1.8.3 Förmliche Bekanntgabe (Zustellung)<br />

Zuzustellen sind:<br />

– die Ladung zu <strong>de</strong>m Termin <strong>zur</strong> Abgabe <strong>de</strong>r ei<strong>de</strong>sstattlichen Versicherung (§ 284 Abs. 6),<br />

– die Verfügung über die Pfändung einer Geldfor<strong>de</strong>rung (§ 309 Abs. 2),<br />

– die Arrestanordnung (§ 324 Abs. 2, § 326 Abs. 4).<br />

Darüber hinaus kann die Finanzbehör<strong>de</strong> die Zustellung anordnen (§ 122 Abs. 5 Satz 1). Diese Anordnung stellt<br />

keinen Verwaltungsakt dar (BFH-Urteil vom 16.3.2000 – III R 19/99 –, BStBl. 2000 II, S. 520).<br />

Wegen <strong>de</strong>r Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s Zustellungsverfahrens vgl. Nr. 3; wegen <strong>de</strong>r Zustellung von<br />

Einspruchsentscheidungen vgl. zu § 366, Nr. 2.<br />

1.8.4 Bekanntgabe an Empfänger im Ausland<br />

Mit Ausnahme <strong>de</strong>r in Nr. 3.1.4.1 Satz 4 angeführten Staaten kann davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, dass an<br />

Empfänger (einschließlich <strong>de</strong>r Bevollmächtigten; BFH-Urteil vom 1.2.2000 – VII R 49/99 –, BStBl. II, S. 334)<br />

im Ausland Steuerverwaltungsakte durch einfachen Brief, durch Telefax o<strong>de</strong>r – unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s<br />

§ 87a – durch elektronische Übermittlung bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n können.<br />

Ansonsten muss nach § 123 AO, § 9 VwZG (vgl. Nr. 3.1.4) o<strong>de</strong>r § 10 VwZG (vgl. Nr. 3.1.5) verfahren wer<strong>de</strong>n,<br />

wenn ein Verwaltungsakt an einen Empfänger im Ausland bekannt zu geben ist.<br />

Welche <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Möglichkeiten einer Auslandsbekanntgabe gewählt wird, liegt im pflichtgemäßen<br />

Ermessen (§ 5) <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>. Die Auswahl ist u. a. abhängig von <strong>de</strong>n gesetzlichen Erfor<strong>de</strong>rnissen (z. B.<br />

Zustellung, vgl. Nr. 1.8.3) und von <strong>de</strong>m Erfor<strong>de</strong>rnis, im Einzelfall einen einwandfreien Nachweis <strong>de</strong>s Zugangs<br />

<strong>de</strong>s amtlichen Schreibens zu erhalten.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 90 von 235


2. Bekanntgabe von Beschei<strong>de</strong>n<br />

2.1 Bekanntgabe von Beschei<strong>de</strong>n an Ehegatten<br />

2.1.1 Allgemeines<br />

Ehegatten sind im Fall <strong>de</strong>r ESt-Zusammenveranlagung stets Gesamtschuldner (§ 44). Gemäß § 155 Abs. 3 Satz 1<br />

kann daher gegen sie ein zusammengefasster Steuerbescheid erlassen wer<strong>de</strong>n. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich formal um<br />

die Zusammenfassung zweier Beschei<strong>de</strong> zu einer – nur äußerlich gemeinsamen – Festsetzung. Dies gilt auch für<br />

die Festsetzung von Verspätungszuschlägen gegenüber zusammen veranlagten Ehegatten (BFH-Urteil vom<br />

28.8.1987 – III R 230/83 – BStBl. II, S. 836).<br />

Bei an<strong>de</strong>ren Steuerarten sind gegenüber Ehegatten zusammengefasste Steuerbeschei<strong>de</strong> nur zulässig, wenn<br />

tatsächlich Gesamtschuldnerschaft vorliegt. Gesamtschuldnerschaft liegt nicht vor, wenn es sich lediglich um<br />

gleich geartete Steuervorgänge han<strong>de</strong>lt. So liegen z. B. für die Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer zwei Steuerfälle vor, wenn<br />

Ehegatten gemeinschaftlich ein Grundstück erwerben. An je<strong>de</strong>n Ehegatten ist für <strong>de</strong>n auf ihn entfallen<strong>de</strong>n<br />

Steuerbetrag ein geson<strong>de</strong>rter Steuerbescheid zu erteilen (BFH-Urteil vom 12.10.1994 – II R 63/93 – BStBl. 1995<br />

II, S. 174).<br />

Leben Eheleute in einer konfessions- o<strong>de</strong>r einer glaubensverschie<strong>de</strong>nen Ehe, darf ein Kirchensteuerbescheid nur<br />

an <strong>de</strong>n kirchensteuerpflichtigen Ehegatten gerichtet wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 29.6.1994 – II R 63/93 –,<br />

BStBl. II, S. 510).<br />

2.1.2 Bekanntgabe nach § 122 Abs. 7<br />

Bei Zusammenveranlagung von Ehegatten reicht es für die wirksame Bekanntgabe an bei<strong>de</strong> Ehegatten aus, wenn<br />

ihnen eine Ausfertigung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s an die gemeinsame Anschrift übermittelt wird. Ebenso genügt es,<br />

wenn <strong>de</strong>r Steuerbescheid in das Postfach eines Ehegatten eingelegt wird (BFH-Urteil vom 13.10.1994 –<br />

IV R 100/93 – BStBl. 1995 II, S. 484).<br />

Es han<strong>de</strong>lt sich nicht um eine Bekanntgabe an einen <strong>de</strong>r Ehegatten mit Wirkung für und gegen <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren (vgl.<br />

hierzu Nr. 2.1.3). Bei<strong>de</strong> Ehegatten sind Empfänger <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s und daher im Anschriftenfeld<br />

aufzuführen. Diese vereinfachte Bekanntgabe ist auch möglich, wenn eine gemeinsam abzugeben<strong>de</strong> Erklärung<br />

nicht eingereicht wor<strong>de</strong>n ist (z. B. bei Schätzung von Besteuerungsgrundlagen).<br />

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Beispiel<br />

für die Bekanntgabe eines Beschei<strong>de</strong>s an Eheleute, die eine gemeinsame Anschrift haben und zusammen zu<br />

veranlagen sind:<br />

Anschriftenfeld:<br />

Herrn Adam Meier<br />

Frau Eva Meier<br />

Hauptstraße 100<br />

67433 Neustadt<br />

o<strong>de</strong>r<br />

Herrn und Frau<br />

Adam u. Eva Meier<br />

Hauptstraße 100<br />

67433 Neustadt<br />

Die Angabe von beson<strong>de</strong>ren Namensteilen eines <strong>de</strong>r Eheleute (z. B. eines aka<strong>de</strong>mischen Gra<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r eines<br />

Geburtsnamens ist namensrechtlich geboten (vgl. aber Nr. 4.2.3).<br />

Beispiel:<br />

Herrn Adam Meier<br />

Frau Dr. Eva Schulze-Meier<br />

2.1.3 Bekanntgabe nach § 122 Abs. 6<br />

Nach dieser Vorschrift ist die Übermittlung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s an einen <strong>de</strong>r Ehegatten zugleich mit Wirkung<br />

für und gegen <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ehegatten zulässig, soweit die Ehegatten einverstan<strong>de</strong>n sind.<br />

Eine Bekanntgabe nach dieser Vorschrift kommt insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n Fällen in Betracht, in <strong>de</strong>nen die<br />

Bekanntgabe nicht nach § 122 Abs. 7 erfolgen kann, weil die Ehegatten keine gemeinsame Anschrift haben.<br />

Im Bescheidkopf ist darauf hinzuweisen, dass <strong>de</strong>r Verwaltungsakt an <strong>de</strong>n einen Ehegatten zugleich mit Wirkung<br />

für und gegen <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ehegatten ergeht.<br />

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Beispiel<br />

für die Bekanntgabe an einen <strong>de</strong>r Ehegatten mit Einverständnis bei<strong>de</strong>r:<br />

Anschriftenfeld:<br />

Herrn Adam Meier<br />

Hauptstraße 100<br />

67433 Neustadt<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie zugleich mit Wirkung für und gegen Ihre Ehefrau Eva Meier.<br />

2.1.4 Einzelbekanntgabe<br />

Einzelbekanntgabe ist insbeson<strong>de</strong>re erfor<strong>de</strong>rlich, wenn<br />

– keine gemeinsame Anschrift besteht und kein Einverständnis <strong>zur</strong> Bekanntgabe nach § 122 Abs. 6 vorliegt,<br />

– bekannt ist, dass zwischen <strong>de</strong>n Ehegatten ernstliche Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten bestehen (z. B. bei<br />

offenbarer Interessenkollision <strong>de</strong>r Eheleute, bei getrennt leben<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r geschie<strong>de</strong>nen Ehegatten),<br />

– dies nach § 122 Abs. 7 Satz 2 beantragt wor<strong>de</strong>n ist.<br />

Bei Einzelbekanntgabe ist <strong>de</strong>r Empfänger in <strong>de</strong>m jeweiligen Anschriftenfeld mit seinem Vor- und<br />

Familiennamen genau zu bezeichnen. Dies gilt auch bei förmlichen Zustellungen (vgl. Nr. 3.2). Dabei ist darauf<br />

zu achten, dass nicht versehentlich eine nur für einen Ehegatten gelten<strong>de</strong> Postanschrift (z. B. Firma o<strong>de</strong>r Praxis)<br />

verwandt wird, son<strong>de</strong>rn für je<strong>de</strong>n Ehegatten seine persönliche Anschrift. Auch die kassenmäßige Abrechnung<br />

und ggf. das Leistungsgebot sind doppelt zu erteilen.<br />

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Beispiel<br />

für die Bekanntgabe an <strong>de</strong>n Ehemann:<br />

Anschriftenfeld (Empfänger und Bekanntgabeadressat):<br />

Herrn<br />

Adam Meier<br />

Hauptstraße 100<br />

67433 Neustadt<br />

Bescheidkopf (Inhaltsadressaten):<br />

Für<br />

Herrn Adam Meier und Frau Eva Meier<br />

In je<strong>de</strong> Bescheidausfertigung ist als Erläuterung aufzunehmen:<br />

„Ihrem Ehegatten wur<strong>de</strong> ein Bescheid gleichen Inhalts erteilt.“<br />

2.1.5 Son<strong>de</strong>rfälle<br />

Betreiben bei<strong>de</strong> Ehegatten gemeinsam einen Gewerbebetrieb o<strong>de</strong>r sind sie gemeinsam Unternehmer i. S. d.<br />

Umsatzsteuergesetzes, so gelten für Beschei<strong>de</strong> über Betriebsteuern die Grundsätze zu Nrn. 2.4 und 2.5. Sind<br />

Ehegatten z. B. Miteigentümer eines Grundstücks o<strong>de</strong>r eines selbstständigen Wirtschaftsguts, für das ein<br />

Einheitswert festgestellt wird, so ist nach Nr. 2.5.4 zu verfahren.<br />

Betreibt nur ein Ehegatte ein Gewerbe (o<strong>de</strong>r eine Praxis als Freiberufler usw.), so ist nur dieser Inhaltsadressat<br />

für Verwaltungsakte, die ausschließlich <strong>de</strong>n Geschäftsbetrieb betreffen.<br />

2.2 Bekanntgabe an gesetzliche Vertreter natürlicher Personen<br />

2.2.1 Ist ein Inhaltsadressat (Steuerschuldner) bei Bekanntgabe <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s geschäftsunfähig o<strong>de</strong>r<br />

beschränkt geschäftsfähig, so ist Bekanntgabeadressat <strong>de</strong>r gesetzliche Vertreter (Ausnahme vgl. Nr. 2.2.3). Das<br />

Vertretungsverhältnis muss aus <strong>de</strong>m Bescheid hervorgehen (BFH-Beschluss vom 14.5.1968 – II B 41/67 –<br />

BStBl. II, S. 503). Der Inhaltsadressat (Steuerschuldner) ist dabei in <strong>de</strong>r Regel durch Angabe seines Vor- und<br />

Familiennamens ein<strong>de</strong>utig genug bezeichnet (vgl. Nr. 1.3.2). Das Vertretungsverhältnis ist ausreichend<br />

gekennzeichnet, wenn Name und Anschrift <strong>de</strong>s Vertreters genannt wer<strong>de</strong>n und angegeben wird, dass ihm <strong>de</strong>r<br />

Bescheid „als gesetzlicher Vertreter“ für <strong>de</strong>n Inhaltsadressaten (Steuerschuldner) bekannt gegeben wird. Ist <strong>de</strong>r<br />

gesetzliche Vertreter nicht gleichzeitig auch <strong>de</strong>r Empfänger, so braucht er in <strong>de</strong>r Regel nur mit seinem Vor- und<br />

Familiennamen bezeichnet zu wer<strong>de</strong>n.<br />

2.2.2 Soweit nicht ausnahmsweise die gesetzliche Vertretung nur einem Elternteil zusteht, sind die Eltern<br />

Bekanntgabeadressaten <strong>de</strong>r Steuerbeschei<strong>de</strong>s für ihr min<strong>de</strong>rjähriges Kind. Die Bekanntgabe an einen von<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 92 von 235


ei<strong>de</strong>n reicht jedoch aus, um <strong>de</strong>n Verwaltungsakt wirksam wer<strong>de</strong>n zu lassen. Für die Zustellung von<br />

Verwaltungsakten ist es gemäß § 6 Abs. 3 VwZG ausreichend, wenn <strong>de</strong>r Verwaltungsakt einem von bei<strong>de</strong>n<br />

Ehegatten zugestellt wird (BFH-Beschluss vom 19.6.1974 – VI B 27/74 – BStBl. II, S. 640 und BFH-Urteil vom<br />

22.10.1976 – VI R 137/74 – BStBl. II, S. 762). Diese vom BFH für die förmliche Zustellung von<br />

Verwaltungsakten aufgestellten Grundsätze sind auch bei <strong>de</strong>r Bekanntgabe mit einfachem Brief anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Wenn die Eltern bereits bei<strong>de</strong> als Empfänger <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s im Anschriftenfeld aufgeführt sind, kann<br />

darauf verzichtet wer<strong>de</strong>n, sie im Text <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s noch einmal mit vollem Namen und in voller Anschrift als<br />

Bekanntgabeadressaten zu bezeichnen.<br />

Beispiel:<br />

Den Eltern Anton und Maria Huber steht gesetzlich gemeinsam die Vertretung für <strong>de</strong>n min<strong>de</strong>rjährigen<br />

Steuerschuldner Hans Huber zu. Sie sind die Bekanntgabeadressaten für <strong>de</strong>n Steuerbescheid an Hans Huber.<br />

Der Steuerbescheid ist zu übermitteln an:<br />

Anschriftenfeld (Empfänger):<br />

Herrn Anton Huber<br />

Frau Maria Huber<br />

Moltkestraße 5<br />

12203 Berlin<br />

Bescheidkopf:<br />

Als gesetzliche Vertreter (Bekanntgabeadressaten) von Hans Huber (Steuerschuldner und Inhaltsadressat)<br />

Bei Empfangsvollmacht vgl. das Beispiel bei Nr. 1.5.2<br />

2.2.3 Ermächtigt <strong>de</strong>r gesetzliche Vertreter mit Genehmigung <strong>de</strong>s Vormundschaftsgerichts <strong>de</strong>n Min<strong>de</strong>rjährigen<br />

zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, so ist <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rjährige für diejenigen Rechtsgeschäfte<br />

unbeschränkt geschäftsfähig, die <strong>de</strong>r Geschäftsbetrieb mit sich bringt (§ 112 BGB). Steuerbeschei<strong>de</strong>, die<br />

ausschließlich diesen Geschäftsbetrieb betreffen, sind daher nur <strong>de</strong>m Min<strong>de</strong>rjährigen bekannt zu geben (vgl.<br />

Nr. 1.4 – Bekanntgabeadressat –). Das Gleiche gilt bei einer Veranlagung nach § 46 EStG, wenn das<br />

Einkommen ausschließlich aus Einkünften nichtselbstständiger Arbeit besteht und <strong>de</strong>r gesetzliche Vertreter <strong>de</strong>n<br />

Min<strong>de</strong>rjährigen <strong>zur</strong> Eingehung <strong>de</strong>s Dienstverhältnisses ermächtigt hat (§ 113 BGB). Von <strong>de</strong>r Ermächtigung kann<br />

im Regelfall ausgegangen wer<strong>de</strong>n.<br />

Hat <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rjährige noch weitere Einkünfte o<strong>de</strong>r Vermögenswerte und wer<strong>de</strong>n diese in die Festsetzung<br />

einbezogen, so kann <strong>de</strong>r Steuerbescheid nicht durch Bekanntgabe gegenüber <strong>de</strong>m min<strong>de</strong>rjährigen<br />

Steuerschuldner wirksam wer<strong>de</strong>n. Bekanntgabeadressat <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s ist <strong>de</strong>r gesetzliche Vertreter.<br />

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2.3 Beschei<strong>de</strong> an Ehegatten mit Kin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Alleinstehen<strong>de</strong> mit Kin<strong>de</strong>rn<br />

2.3.1 Allgemeines<br />

Sofern Ehegatten mit ihren Kin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Alleinstehen<strong>de</strong> mit ihren Kin<strong>de</strong>rn Gesamtschuldner sind, gelten für die<br />

Bekanntgabe von Beschei<strong>de</strong>n an diese Personen die Nrn. 2.1 und 2.2 entsprechend. Insbeson<strong>de</strong>re kann auch nach<br />

§ 122 Abs. 7 (gleichzeitige Bekanntgabe; vgl. hierzu Nr. 2.1.2) und § 122 Abs. 6 (einverständliche Bekanntgabe<br />

an einen <strong>de</strong>r Beteiligten; vgl. hierzu Nr. 2.1.3) bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Hierbei sind die nachfolgen<strong>de</strong>n<br />

Beson<strong>de</strong>rheiten zu beachten.<br />

2.3.2 Bekanntgabe nach § 122 Abs. 7<br />

Hat ein Familienmitglied Einzelbekanntgabe beantragt, so ist für die übrigen Familienmitglie<strong>de</strong>r gleichwohl eine<br />

Bekanntgabe nach § 122 Abs. 7 möglich. In diesem Fall ist eine Ausfertigung <strong>de</strong>s zusammengefassten<br />

Beschei<strong>de</strong>s an <strong>de</strong>n Antragsteller und eine weitere Ausfertigung an die übrigen Familienmitglie<strong>de</strong>r bekannt zu<br />

geben. Im Bescheidkopf sind alle Steuerschuldner/Beteiligten als Inhaltsadressaten namentlich aufzuführen.<br />

2.4 Personengesellschaften (Gemeinschaften)<br />

Zu <strong>de</strong>n Personengesellschaften (Gemeinschaften) i. S. dieser Regelung zählen die Han<strong>de</strong>lsgesellschaften (vgl.<br />

Nr. 2.4.1.1) und die sonstigen nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen (vgl. Nr. 2.4.1.2).<br />

Es ist zu unterschei<strong>de</strong>n zwischen Beschei<strong>de</strong>n, die sich an die Gesellschaft richten, und Beschei<strong>de</strong>n, die sich an<br />

die Gesellschafter richten.<br />

2.4.1 Beschei<strong>de</strong> an die Gesellschaft (Gemeinschaft)<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong> und Steuermessbeschei<strong>de</strong> sind an die Gesellschaft zu richten, wenn die Gesellschaft selbst<br />

Steuerschuldner ist. Dies gilt z. B. für<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 93 von 235


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a) die Umsatzsteuer (§ 13a UStG),<br />

b) die Gewerbesteuer einschließlich <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>s Messbetrags und <strong>de</strong>r Zerlegung (§ 5 Abs. 1 Satz 3<br />

GewStG),<br />

c) die Kraftfahrzeugsteuer, wenn das Fahrzeug für die Gesellschaft zum Verkehr zugelassen ist (§ 7 KraftStG;<br />

BFH-Urteil vom 24.7.1963 – II 8/62 – HFR 1964 S. 20),<br />

d) die pauschale Lohnsteuer (§ 40 Abs. 3, § 40a Abs. 5 und § 40b Abs. 5 EStG),<br />

e) die Festsetzung <strong>de</strong>s Grundsteuermessbetrags, wenn <strong>de</strong>r Gesellschaft <strong>de</strong>r Steuergegenstand zugerechnet<br />

wor<strong>de</strong>n ist (§ 10 Abs. 1 GrStG),<br />

f) die Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer, soweit Gesamthandseigentum <strong>de</strong>r Personengesellschaft besteht (insbeson<strong>de</strong>re bei<br />

GbR, OHG, KG und ungeteilter Erbengemeinschaft; BFH-Urteile vom 28.4.1965 – II 9/62 U – BStBl. III,<br />

S. 422, vom 27.10.1970 – II 72/65 – BStBl. 1971 II, S. 278, vom 29.11.1972 – II R 28/67 – BStBl. 1973 II,<br />

S. 370, vom 11.2.1987 – II R 103/84 – BStBl. II, S. 325, und vom 12.12.1996 – II R 61/93 – BStBl. 1997 II,<br />

S. 299),<br />

g) die Körperschaftsteuer bei körperschaftsteuerpflichtigen nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen<br />

und entsprechend für<br />

h) Haftungsbeschei<strong>de</strong> für Steuerabzugsbeträge.<br />

Da eine typisch o<strong>de</strong>r atypisch stille Gesellschaft nicht selbst Steuerschuldnerin ist, sind Steuerbeschei<strong>de</strong> und<br />

Steuermessbeschei<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n Inhaber <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lsgeschäfts zu richten (BFH-Urteil vom 12.11.1985 – VIII R<br />

364/83 – BStBl. 1986 II, S. 311; R 5.1 Abs. 2 GewStR 2009). Entsprechen<strong>de</strong>s gilt bei einer ver<strong>de</strong>ckten<br />

Mitunternehmerschaft (BFH-Urteil vom 16.12.1997 – VIII R 32/90 – BStBl. 1998 II, S. 480).<br />

Eine Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) kann selbst Steuerschuldnerin sein. Dies gilt<br />

jedoch nicht für die Gewerbesteuer. Schuldner <strong>de</strong>r Gewerbesteuer sind die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Vereinigung (§ 5<br />

Abs. 1 Satz 4 GewStG), bei einer Bruchteilsgemeinschaft die Gemeinschafter; an diese sind<br />

Gewerbesteuermessbeschei<strong>de</strong> und Gewerbesteuerbeschei<strong>de</strong> zu richten.<br />

2.4.1.1 Han<strong>de</strong>lsgesellschaften<br />

Bei Han<strong>de</strong>lsgesellschaften (OHG, KG, EWIV) sind Steuerbeschei<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gesellschaft unter ihrer Firma bekannt<br />

zu geben, wenn sie Steuerschuldner und damit Inhaltsadressat ist. Die Han<strong>de</strong>lsgesellschaft kann im<br />

Wirtschaftsleben mit ihrer Firma ein<strong>de</strong>utig bezeichnet wer<strong>de</strong>n; bei Zweifeln über die zutreffen<strong>de</strong> Bezeichnung<br />

ist das Han<strong>de</strong>lsregister maßgebend. Ist eine Han<strong>de</strong>lsgesellschaft Steuerschuldner und damit Inhaltsadressat,<br />

genügt <strong>de</strong>shalb <strong>zur</strong> Bezeichnung <strong>de</strong>s Inhaltsadressaten die Angabe <strong>de</strong>r Firma im Steuerbescheid (BFH-Urteil<br />

vom 16.12.1997 – VIII R 32/90 – BStBl. 1998 II, S. 480). Ein zusätzlicher Hinweis auf Vertretungsbefugnisse<br />

o<strong>de</strong>r einzelne Gesellschafter (z. B. „zu Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschäftsführers Meier“) ist <strong>zur</strong> Kennzeichnung <strong>de</strong>s<br />

Inhaltsadressaten nicht erfor<strong>de</strong>rlich; wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe an namentlich benannte Geschäftsführer usw. vgl.<br />

Nrn. 1.5.2 und 1.5.3.<br />

Beispiel:<br />

Ein Umsatzsteuerbescheid für die Firma Schmitz & Söhne KG muss folgen<strong>de</strong> Angaben enthalten:<br />

Steuerschuldner und Inhaltsadressat (zugleich Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Firma<br />

Schmitz & Söhne KG<br />

Postfach 11 47<br />

50853 Köln<br />

Zur Bekanntgabe von Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n vgl. Nr. 2.5.<br />

2.4.1.2 Sonstige nicht rechtsfähige Personenvereinigungen<br />

Zu <strong>de</strong>n sonstigen nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen gehören insbeson<strong>de</strong>re die nicht eingetragenen<br />

Vereine, Gesellschaften bürgerlichen Rechts, Partnerschaftsgesellschaften, Arbeitsgemeinschaften,<br />

Erbengemeinschaften (vgl. Nr. 2.12.6) und Bruchteilsgemeinschaften. Sie haben formal keinen eigenen Namen<br />

und keine gesetzliche Vertretung, können aber ggf. durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und<br />

Pflichten begrün<strong>de</strong>n (BGH-Urteil vom 29.1.2001 – II ZR 331/00 – DB S. 423; BFH-Beschluss vom 19.8.2004 –<br />

II B 22/03 – BFH/NV 2005 S. 156). In diesen Fällen ist bei Steuerbeschei<strong>de</strong>n, die an Personenvereinigungen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 94 von 235


gerichtet wer<strong>de</strong>n, die I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s Inhaltsadressaten (Steuerschuldners) durch Angabe <strong>de</strong>s geschäftsüblichen<br />

Namens, unter <strong>de</strong>m sie am Rechtsverkehr teilnehmen, ausreichend gekennzeichnet (BFH-Urteile vom<br />

21.5.1971 – II R 103/84 – BStBl. II, S. 540, und vom 11.2.1987 – V R 117/67 – BStBl. II, S. 325). Ein solcher<br />

Bescheid reicht nach § 267 <strong>zur</strong> Vollstreckung in das Vermögen <strong>de</strong>r Personenvereinigung aus.<br />

Beispiel:<br />

Ein Umsatzsteuerbescheid für die Brennstoffhandlung Josef Müller Erben GbR muss folgen<strong>de</strong> Angaben<br />

enthalten:<br />

Steuerschuldner und Inhaltsadressat (zugleich Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Brennstoffhandlung<br />

Josef Müller Erben GbR<br />

Postfach 11 11<br />

54290 Trier<br />

Hat die nicht rechtsfähige Personenvereinigung keine Geschäftsadresse, ist als Empfänger eine natürliche Person<br />

anzugeben (vgl. Nr. 2.4.1.3).<br />

Ein Umsatzsteuerbescheid hat sich bei Arbeitsgemeinschaften (ARGE) an diese als eine umsatzsteuerlich<br />

rechtsfähige Personenvereinigung (Unternehmer) zu richten. Es ist ausreichend und zweckmäßig, wenn <strong>de</strong>r<br />

Bescheid <strong>de</strong>r geschäftsführen<strong>de</strong>n Firma als <strong>de</strong>r Bevollmächtigten übermittelt wird (BFH-Urteil vom 21.5.1971 –<br />

V R 117/67 – BStBl. II, S. 540).<br />

Beispiel:<br />

Anschriftenfeld (Empfänger):<br />

Firma<br />

Rheinische Betonbau GmbH & Co. KG<br />

Postfach 90 11<br />

50890 Köln<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Bescheidkopf:<br />

Für<br />

ARGE Rheinbrücke Bonn (Inhalts- und Bekanntgabeadressat)<br />

2.4.1.3 Soweit bei Steuerbeschei<strong>de</strong>n an Personenvereinigungen kein geschäftsüblicher Name vorhan<strong>de</strong>n ist, sind<br />

die Beschei<strong>de</strong> an alle Mitglie<strong>de</strong>r (Gemeinschafter, Gesellschafter) zu richten (BFH-Urteil vom 17.3.1970 –<br />

II 65/63 – BStBl. II, S. 598; <strong>zur</strong> Erbengemeinschaft: BFH-Urteil vom 29.11.1972 – II R 42/67 – BStBl. 1973 II,<br />

S. 372). Ist die Bezeichnung <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r nicht rechtsfähigen Personenvereinigung durch die Aufzählung<br />

aller Namen im Kopf <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s aus technischen Grün<strong>de</strong>n nicht möglich, kann so verfahren wer<strong>de</strong>n, dass<br />

neben einer Kurzbezeichnung im Bescheidkopf (Beispiel: „Erbengemeinschaft Max Meier“,<br />

„Bruchteilsgemeinschaft Goethestraße 100“, „GbR Peter Müller unter an<strong>de</strong>rem“, „Kegelclub Alle Neune“) die<br />

einzelnen Mitglie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Beschei<strong>de</strong>rläuterungen o<strong>de</strong>r in einer Anlage zum Bescheid aufgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Beschei<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n durch Bekanntgabe an ein vertretungsberechtigtes Mitglied gegenüber <strong>de</strong>r<br />

Personenvereinigung wirksam. Bei mehreren vertretungsberechtigten Mitglie<strong>de</strong>rn reicht die Bekanntgabe an<br />

eines von ihnen (BFH-Urteile vom 11.2.1987 – II R 103/84 – BStBl. II, S. 325, vom 27.4.1993 – VIII R 27/92 –<br />

BStBl. 1994 II, S. 3, und vom 8.11.1995 – V R 64/94 – BStBl. 1996 II, S. 256). Es genügt, wenn <strong>de</strong>m<br />

Bekanntgabeadressaten eine Ausfertigung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s zugeht. Ausfertigungen für alle Mitglie<strong>de</strong>r sind<br />

i. d. R. nicht erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Als Bekanntgabeadressat kommen vor allem <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn bestellte Geschäftsführer (§ 34 Abs. 1)<br />

o<strong>de</strong>r die als Verfügungsberechtigter auftreten<strong>de</strong> Person (§ 35) in Betracht. Hat eine nicht rechtsfähige<br />

Personenvereinigung keinen Geschäftsführer, kann <strong>de</strong>r Bescheid einem <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r nach Wahl <strong>de</strong>s<br />

Finanzamts bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n (§ 34 Abs. 2). In <strong>de</strong>n Bescheid ist folgen<strong>de</strong>r Erläuterungstext aufzunehmen:<br />

„Der Bescheid ergeht an Sie als Mitglied <strong>de</strong>r Gemeinschaft/Gesellschaft mit Wirkung für und gegen die<br />

Gemeinschaft/Gesellschaft“.<br />

Im Bescheid ist zum Ausdruck zu bringen, dass er dieser Person als Vertreter <strong>de</strong>r Personenvereinigung bzw.<br />

ihrer Mitglie<strong>de</strong>r zugeht (§§ 34, 35). Der Bekanntgabeadressat muss sich dabei aus <strong>de</strong>m Bescheid selbst ergeben,<br />

die Angabe auf <strong>de</strong>m Briefumschlag <strong>de</strong>r Postsendung reicht nicht aus (BFH-Urteil vom 8.2.1974 – III R 27/73 –<br />

BStBl. II, S. 367).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 95 von 235


Beispiel:<br />

Bekanntgabeadressat:<br />

a) Herrn Peter Meier<br />

als Geschäftsführer <strong>de</strong>r<br />

Erbengemeinschaft Max Meier<br />

b) Herrn Emil Krause<br />

für die Bruchteilsgemeinschaft<br />

Goethestraße 100<br />

c) Herrn Karl Huber<br />

für die Grundstücksgemeinschaft Karl und Maria Huber<br />

d) Herrn Hans Schmidt<br />

als Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

Kegelclubs „Alle Neune“<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Ist für die Mitglie<strong>de</strong>r einer Personenvereinigung kein gemeinsamer Bekanntgabeadressat vorhan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r wird<br />

von <strong>de</strong>r Bestimmung eines Bekanntgabeadressaten abgesehen, so ist je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r eine Ausfertigung <strong>de</strong>s<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong>s bekannt zu geben. Soll auch in das Vermögen einzelner Mitglie<strong>de</strong>r vollstreckt wer<strong>de</strong>n, vgl.<br />

Abschn. 33 VollstrA.<br />

2.4.2 Beschei<strong>de</strong> an Gesellschafter (Mitglie<strong>de</strong>r)<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong> und Feststellungsbeschei<strong>de</strong> sind an die Gesellschafter (Mitglie<strong>de</strong>r, Gemeinschafter) zu richten,<br />

wenn die einzelnen Beteiligten unmittelbar aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n<br />

sollen o<strong>de</strong>r ihnen <strong>de</strong>r Gegenstand <strong>de</strong>r Feststellung zugerechnet wird (vgl. Nrn. 2.5 und 2.6).<br />

2.5 Beschei<strong>de</strong> über geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellungen<br />

2.5.1 Beschei<strong>de</strong> über geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellungen richten sich nicht an die Personengesellschaft<br />

als solche, son<strong>de</strong>rn an die einzelnen Gesellschafter (Mitglie<strong>de</strong>r), die <strong>de</strong>n Gegenstand <strong>de</strong>r Feststellung (z. B.<br />

Vermögenswerte als Einheitswert o<strong>de</strong>r Einkünfte) anteilig zu versteuern haben und <strong>de</strong>nen er <strong>de</strong>shalb<br />

insbeson<strong>de</strong>re bei Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchstabe a und Abs. 2 zu<strong>zur</strong>echnen ist (§ 179<br />

Abs. 2).<br />

Es genügt i. d. R., wenn im Bescheidkopf die Personengesellschaft als solche bezeichnet wird<br />

(Sammelbezeichnung) und sich alle Gesellschafter ein<strong>de</strong>utig als Betroffene (Inhaltsadressaten) aus <strong>de</strong>m für die<br />

Verteilung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen vorgesehenen Teil <strong>de</strong>s Bescheids ergeben (BFH-Urteil vom 7.4.1987 –<br />

VIII R 259/84 – BStBl. II, S. 766). Aus einem kombinierten positiv-negativen Feststellungsbescheid muss<br />

ein<strong>de</strong>utig hervorgehen, welchen Beteiligten Besteuerungsgrundlagen zugerechnet wer<strong>de</strong>n und für welche<br />

Beteiligte eine Feststellung abgelehnt wird (BFH-Urteil vom 7.4.1987, a.a.O.).<br />

Der einheitliche Feststellungsbescheid erlangt volle Wirksamkeit, wenn er allen Feststellungsbeteiligten bekannt<br />

gegeben wird. Mit seiner Bekanntgabe an einzelne Feststellungsbeteiligte entfaltet er nur diesen gegenüber<br />

Wirksamkeit (BFH-Urteile vom 7.4.1987 – VIII R 259/84 – BStBl. II, S. 766, vom 25.11.1987 – II R 227/84 –<br />

BStBl. 1988 II, S. 410, und vom 23.6.1988 – IV R 33/86 – BStBl. II, S. 979). Eine unterlassene o<strong>de</strong>r<br />

unwirksame Bekanntgabe gegenüber einzelnen Feststellungsbeteiligten kann noch im Klageverfahren nachgeholt<br />

wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 19.5.1983 – IV R 125/82 – BStBl. 1984 II, S. 15). Der Bescheid ist diesen mit<br />

unverän<strong>de</strong>rtem Inhalt bekannt zu geben (vgl. Nr. 4.7.1).<br />

2.5.2 Gemeinsame Empfangsbevollmächtigte<br />

Alle Feststellungsbeteiligten sollen einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellen, <strong>de</strong>r ermächtigt<br />

ist, <strong>de</strong>n an sämtliche Gesellschafter (Gemeinschafter) gerichteten Feststellungsbescheid, sonstige<br />

Verwaltungsakte und das Feststellungsverfahren betreffen<strong>de</strong> Mitteilungen in Empfang zu nehmen (§ 183 Abs. 1<br />

Satz 1). Das Finanzamt kann aber im Einzelfall zulassen, dass ein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter nur<br />

durch einen Teil <strong>de</strong>r Feststellungsbeteiligten bestellt wird. In diesem Fall ist <strong>de</strong>r Feststellungsbescheid <strong>de</strong>n<br />

übrigen Feststellungsbeteiligten einzeln bekannt zu geben.<br />

Die Empfangsvollmacht nach § 183 Abs. 1 Satz 1 gilt fort auch bei Ausschei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Beteiligten aus <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft o<strong>de</strong>r bei ernstlichen Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten, bis sie gegenüber <strong>de</strong>m Finanzamt wi<strong>de</strong>rrufen wird<br />

(§ 183 Abs. 3).<br />

Ist kein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter bestellt, so gilt ein <strong>zur</strong> Vertretung <strong>de</strong>r Gesellschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Feststellungsbeteiligten o<strong>de</strong>r ein <strong>zur</strong> Verwaltung <strong>de</strong>s Gegenstan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Feststellung Berechtigter, z. B. <strong>de</strong>r<br />

vertraglich <strong>zur</strong> Vertretung berufene Geschäftsführer einer Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaft, als<br />

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Empfangsbevollmächtigter (§ 183 Abs. 1 Satz 2). Bei einer Gesellschaft <strong>de</strong>s bürgerlichen Rechts ist nach § 183<br />

Abs. 1 Satz 2 je<strong>de</strong>r Gesellschafter <strong>zur</strong> Vertretung <strong>de</strong>r Feststellungsbeteiligten und damit zum Empfang von<br />

Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n berechtigt, sofern sich aus einem <strong>de</strong>m Finanzamt vorliegen<strong>de</strong>n Gesellschaftsvertrag<br />

nichts an<strong>de</strong>rs ergibt (BFH-Urteil vom 23.6.1988 – IV R 33/86 – BStBl. II, S. 979). Die Son<strong>de</strong>rregelung <strong>de</strong>s<br />

§ 183 Abs. 3 gilt in diesen Fällen nicht.<br />

In <strong>de</strong>r Liquidationsphase einer Personengesellschaft ist <strong>de</strong>r Liquidator Empfangsbevollmächtigter i. S. d. § 183<br />

Abs. 1 Satz 2. Nach Abschluss <strong>de</strong>r gesellschaftsrechtlichen Liquidation (vgl. hierzu Nr. 2.7.1) kann von dieser<br />

Bekanntgabemöglichkeit nicht mehr Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 26.10.1989 – IV R 23/89 –<br />

BStBl. 1990 II, S. 333).<br />

Bei <strong>de</strong>r Bekanntgabe an einen Empfangsbevollmächtigten ist nach § 183 Abs. 1 Satz 5 in <strong>de</strong>m<br />

Feststellungsbescheid stets darauf hinzuweisen, dass die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen alle<br />

Feststellungsbeteiligten erfolgt (BFH-Urteile vom 29.8.1982 – IV R 31/82 – BStBl. 1983 II, S. 23 und vom<br />

23.7.1985 – VIII R 315/82 – BStBl. 1986 II, S. 123).<br />

Zur Zustellung an einen Empfangsbevollmächtigten vgl. Nr. 3.3.3.<br />

2.5.3 Ist ein Empfangsbevollmächtigter i. S. d. Nr. 2.5.2 nicht vorhan<strong>de</strong>n, kann das Finanzamt die Beteiligten<br />

<strong>zur</strong> Benennung eines Empfangsbevollmächtigten auffor<strong>de</strong>rn. Die Auffor<strong>de</strong>rung ist an je<strong>de</strong>n Beteiligten zu<br />

richten. Mit <strong>de</strong>r Auffor<strong>de</strong>rung ist gleichzeitig ein Beteiligter als Empfangsbevollmächtigter vorzuschlagen und<br />

darauf hinzuweisen, dass diesem künftig Verwaltungsakte mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten bekannt<br />

gegeben wer<strong>de</strong>n, soweit nicht ein an<strong>de</strong>rer Empfangsbevollmächtigter benannt wird (§ 183 Abs. 1 Satz 4). Die<br />

Son<strong>de</strong>rregelung <strong>de</strong>s § 183 Abs. 3 gilt in diesen Fällen nicht.<br />

Bei <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>s Feststellungsbescheids ist § 183 Abs. 1 Satz 5 zu beachten (vgl. Nr. 2.5.2 vorletzter<br />

Absatz).<br />

2.5.4 Einheitswertbeschei<strong>de</strong> an Eheleute, Eltern mit Kin<strong>de</strong>rn und Alleinstehen<strong>de</strong> mit Kin<strong>de</strong>rn<br />

Bei <strong>de</strong>r Bekanntgabe eines Beschei<strong>de</strong>s über Einheitswerte <strong>de</strong>s Grundbesitzes an Eheleute, die gemeinsam<br />

Eigentümer sind, sind die Eheleute einzeln als Beteiligte anzugeben (vgl. Nr. 2.5.1). Haben die Eheleute eine<br />

gemeinsame Anschrift und haben sie keinen Empfangsbevollmächtigten benannt, kann <strong>de</strong>r Einheitswertbescheid<br />

bei<strong>de</strong>n in einer Ausfertigung bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n (§ 183 Abs. 4 i. V. m. § 122 Abs. 7).<br />

Haben die Eheleute gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 einen Empfangsbevollmächtigten benannt, ist <strong>de</strong>r Bescheid an<br />

diesen bekannt zu geben. Im Bescheid ist darauf hinzuweisen, dass die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen<br />

bei<strong>de</strong> Ehegatten erfolgt.<br />

In <strong>de</strong>n übrigen Fällen ist <strong>de</strong>r Bescheid an bei<strong>de</strong> Ehegatten getrennt bekannt zu geben.<br />

Dies gilt für Eheleute mit Kin<strong>de</strong>rn und Alleinstehen<strong>de</strong> mit Kin<strong>de</strong>rn entsprechend.<br />

2.5.5 Ausnahmen von <strong>de</strong>r Bekanntgabe an Empfangsbevollmächtigte<br />

Die in § 183 Abs. 1 zugelassene Vereinfachung darf nicht so weit gehen, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige in seinen<br />

Rechten eingeschränkt wird. Diese Art <strong>de</strong>r Bekanntgabe ist daher gemäß § 183 Abs. 2 unzulässig, soweit<br />

a) ein Gesellschafter (Gemeinschafter) im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>s Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s bereits<br />

ausgeschie<strong>de</strong>n und dies <strong>de</strong>m für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s zuständigen Finanzamt bekannt ist<br />

o<strong>de</strong>r wegen einer entsprechen<strong>de</strong>n Eintragung im Han<strong>de</strong>lsregister als bekannt gelten muss (BFH-Urteil vom<br />

14.12.1978 – IV R 221/75 – BStBl. 1979 II, S. 503);<br />

b) die Zusendung eines Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s an einen Erben erfor<strong>de</strong>rlich wird, <strong>de</strong>r nicht in die<br />

Gesellschafterstellung <strong>de</strong>s Rechtsvorgängers eintritt (BFH-Urteil vom 23.5.1973 – I R 121/71 – BStBl. II,<br />

S. 746); vgl. auch Nr. 2.12;<br />

c) die Gesellschaft (Gemeinschaft) im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Zusendung <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s nicht mehr besteht (BFH-Urteil<br />

vom 30.3.1978 – IV R 72/74 – BStBl. II, S. 503);<br />

d) über das Vermögen <strong>de</strong>r Gesellschaft, aber nicht ihrer Gesellschafter, das Insolvenzverfahren eröffnet wor<strong>de</strong>n<br />

ist (siehe zu § 251, Nr. 4.4);<br />

e) zwischen <strong>de</strong>n Gesellschaftern (Gemeinschaftern) erkennbar ernstliche Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten bestehen;<br />

f) durch einen Bescheid das Bestehen o<strong>de</strong>r Nichtbestehen einer Gesellschaft (Gemeinschaft) erstmals mit<br />

steuerlicher Wirkung festgestellt wird und die Gesellschafter noch keinen Empfangsbevollmächtigten i. S. d.<br />

§ 183 Abs. 1 benannt haben.<br />

In <strong>de</strong>n Fällen a) und b) ist auch <strong>de</strong>m ausgeschie<strong>de</strong>nen Gesellschafter (Gemeinschafter) bzw. <strong>de</strong>m Erben, in <strong>de</strong>n<br />

übrigen Fällen je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gesellschafter (Gemeinschafter) ein Bescheid bekannt zu geben.<br />

In <strong>de</strong>n Fällen a), c), d) und e) wirkt eine von <strong>de</strong>n Beteiligten nach § 183 Abs. 1 Satz 1 erteilte Vollmacht bis zum<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 97 von 235


© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Wi<strong>de</strong>rruf fort (§ 183 Abs. 3; vgl. BFH-Urteil vom 7.2.1995 – IX R 3/93 – BStBl. II, S. 357). Der Wi<strong>de</strong>rruf wird<br />

<strong>de</strong>m Finanzamt gegenüber erst mit seinem Zugang wirksam.<br />

2.5.6 Soweit nach § 183 Abs. 2 Satz 1 Einzelbekanntgabe erfor<strong>de</strong>rlich wird, ist grundsätzlich ein verkürzter<br />

Feststellungsbescheid bekannt zu geben (§ 183 Abs. 2 Satz 2). Bei berechtigtem Interesse ist <strong>de</strong>n Beteiligten<br />

allerdings <strong>de</strong>r gesamte Inhalt <strong>de</strong>s Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s mitzuteilen (§ 183 Abs. 2 Satz 3).<br />

2.6 Grundsteuermessbeschei<strong>de</strong>, Grun<strong>de</strong>rwerbsteuerbeschei<strong>de</strong><br />

2.6.1 Grundsteuermessbeschei<strong>de</strong> sind in gleicher Weise bekannt zu geben wie Feststellungsbeschei<strong>de</strong> über<br />

Einheitswerte <strong>de</strong>s Grundbesitzes (§ 184 Abs. 1); vgl. aber auch Nr. 2.4.1 Buchstabe e.<br />

2.6.2 Zur Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer, soweit Bruchteilseigentum besteht (z. B. geteilte Erbengemeinschaft), vgl.<br />

Nr. 2.1.1; <strong>zur</strong> Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer, soweit Gesamthandseigentum besteht, vgl. Nr. 2.4.1, Buchstabe f.<br />

2.7 Personengesellschaften (Gemeinschaften) in Liquidation<br />

2.7.1 Bei <strong>de</strong>r Liquidation einer Personengesellschaft ist zwischen <strong>de</strong>r gesellschaftsrechtlichen und <strong>de</strong>r<br />

steuerrechtlichen Liquidation zu unterschei<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r gesellschaftsrechtlichen Liquidation ist die<br />

Personengesellschaft vollständig abgewickelt mit <strong>de</strong>r Realisierung <strong>de</strong>s Gesellschaftsvermögens (= Verteilung an<br />

die Gläubiger und Ausschüttung <strong>de</strong>s Restes an die Gesellschafter). Bei <strong>de</strong>r steuerrechtlichen Liquidation ist die<br />

Personengesellschaft erst dann vollständig abgewickelt, wenn alle gemeinsamen Rechtsbeziehungen, also auch<br />

die Rechtsbeziehungen zwischen Personengesellschaft und Finanzamt, unter <strong>de</strong>n Gesellschaftern beseitigt sind<br />

(BFH-Urteil vom 1.10.1992 – IV R 60/91 – BStBl. 1993 II, S. 82).<br />

2.7.2 Befin<strong>de</strong>t sich eine Han<strong>de</strong>lsgesellschaft (OHG, KG) in <strong>de</strong>r gesellschaftsrechtlichen Liquidation, so ist <strong>de</strong>r<br />

Liquidator das einzige <strong>zur</strong> Geschäftsführung und Vertretung befugte Organ <strong>de</strong>r Abwicklungsgesellschaft. Die<br />

Löschung im Han<strong>de</strong>lsregister wirkt nur <strong>de</strong>klaratorisch (BFH-Urteil vom 22.1.1985 – VIII R 37/84 – BStBl. II,<br />

S. 501). Verwaltungsakte sind <strong>de</strong>m Liquidator unter Angabe <strong>de</strong>s Vertretungsverhältnisses bekannt zu geben (vgl.<br />

Nr. 1.4; BFH-Urteile vom 16.6.1961 – III R 329/58 U – BStBl. III, S. 349, und vom 24.3.1987 – X R 28/80 –<br />

BStBl. 1988 II, S. 316). Bei mehreren Liquidatoren genügt die Bekanntgabe an einen von ihnen (BFH-Urteil<br />

vom 8.11.1995 – V R 64/94 – BStBl. 1996 II, S. 256; siehe auch § 6 Abs. 3 VwZG). Sind gegenüber einer<br />

GmbH & Co. KG nach Löschung im Han<strong>de</strong>lsregister Verwaltungsakte zu erlassen, ist die Bestellung eines<br />

Nachlassliquidators für die bereits im Han<strong>de</strong>lsregister gelöschte GmbH entbehrlich. Die ehemaligen<br />

Kommanditisten vertreten hier als gesetzliche Liquidatoren die KG (§ 161 Abs. 2 HGB i. V. m. § 146 Abs. 1<br />

Satz 1 HGB). Auch insoweit genügt die Bekanntgabe an einen <strong>de</strong>r Liquidatoren (§ 150 Abs. 2 Satz 2 HGB<br />

i. V. m. § 125 Abs. 2 Satz 3 HGB).<br />

Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts steht mit <strong>de</strong>r Auflösung <strong>de</strong>r Gesellschaft die Geschäftsführung<br />

grundsätzlich allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu (§ 730 Abs. 2 BGB).<br />

2.7.3 Nach Beendigung <strong>de</strong>r gesellschaftsrechtlichen Liquidation (vollständige Abwicklung) ist es in <strong>de</strong>r Regel<br />

unzweckmäßig, Verwaltungsakte noch gegenüber <strong>de</strong>r Gesellschaft zu erlassen (z. B.<br />

Gewerbesteuermessbeschei<strong>de</strong>). In diesen Fällen sind Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis gegenüber<br />

je<strong>de</strong>m einzelnen Gesellschafter (Gemeinschafter) durch Haftungsbescheid geltend zu machen.<br />

2.7.4 Wird eine Personengesellschaft ohne Liquidation durch Ausschei<strong>de</strong>n ihres vorletzten Gesellschafters und<br />

Anwachsung <strong>de</strong>s Anteils am Gesamthandsvermögen bei <strong>de</strong>m übernehmen<strong>de</strong>n Gesellschafter been<strong>de</strong>t, gehen in<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft entstan<strong>de</strong>ne Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (z. B. Umsatzsteuer, Gewerbesteuer)<br />

auf <strong>de</strong>n Gesamtrechtsnachfolger über (vgl. Nr. 2.12.2). In Bezug auf die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung<br />

von Besteuerungsgrundlagen (vgl. Nr. 2.5) tritt jedoch keine Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1 ein (vgl.<br />

zu § 45, Nr. 1).<br />

2.8 Bekanntgabe an juristische Personen<br />

2.8.1<br />

2.8.1.1 Der Steuerbescheid ist an die juristische Person zu richten und ihr unter ihrer Geschäftsanschrift bekannt<br />

zu geben. Die Angabe <strong>de</strong>s gesetzlichen Vertreters als Bekanntgabeadressat ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich (BFH-Beschluss<br />

vom 7.8.1970 – VI R 24/67 – BStBl. II, S. 814).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 98 von 235


Beispiel:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Müller GmbH<br />

Postfach 67 00<br />

40210 Düsseldorf<br />

(Angaben wie „z. H. <strong>de</strong>s Geschäftsführers Müller“ o. Ä. sind nicht erfor<strong>de</strong>rlich.)<br />

Zur Bekanntgabe an namentlich genannte Vertreter vgl. Nrn. 1.5.2 und 1.5.3.<br />

2.8.1.2 Eine führungslose GmbH, die sich nicht in Liquidation o<strong>de</strong>r im Insolvenzverfahren befin<strong>de</strong>t, wird nach<br />

§ 35 Abs. 1 GmbHG durch ihre Gesellschafter vertreten, soweit ihr gegenüber u. a. Steuerverwaltungsakte<br />

bekannt gegeben o<strong>de</strong>r zugestellt wer<strong>de</strong>n. Eine führungslose AG, die sich nicht in Liquidation o<strong>de</strong>r im<br />

Insolvenzverfahren befin<strong>de</strong>t, wird nach § 78 Abs. 1 AktG durch ihren Aufsichtsrat vertreten, soweit ihr<br />

gegenüber u. a. Steuerverwaltungsakte bekannt gegeben o<strong>de</strong>r zugestellt wer<strong>de</strong>n. Vgl. zu § 34, Nr. 3. Solange die<br />

führungslose Gesellschaft über eine Geschäftsadresse verfügt, können ihr Steuerbeschei<strong>de</strong> weiterhin unter dieser<br />

Anschrift bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Ein Hinweis auf die beson<strong>de</strong>re gesetzliche Vertretung <strong>de</strong>r Gesellschaft durch<br />

die Gesellschafter bzw. <strong>de</strong>n Vorstand ist nur erfor<strong>de</strong>rlich, wenn keine Geschäftsanschrift mehr besteht und die<br />

Bekanntgabe an die Gesellschafter bzw. die Aufsichtsratsmitglie<strong>de</strong>r unter ihrer persönlichen Anschrift erfolgen<br />

soll.<br />

2.8.2 Bekanntgabe an juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />

Die Grundsätze zu Nr. 2.8.1 gelten auch für die Bekanntgabe von Steuerbeschei<strong>de</strong>n an Körperschaften <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Rechts (BFH-Urteil vom 18.8.1988 – V R 194/83 – BStBl. II, S. 932).<br />

Juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts sind wegen je<strong>de</strong>s einzelnen von ihnen unterhaltenen Betriebs<br />

gewerblicher Art o<strong>de</strong>r mehrerer zusammengefasster Betriebe gewerblicher Art Körperschaftsteuersubjekt (BFH-<br />

Urteile vom 13.3.1974 – I R 7/71 – BStBl. II, S. 391, und vom 8.11.1989 – I R 187/85 – BStBl. 1990 II, S. 242).<br />

Gegenstand <strong>de</strong>r Gewerbesteuer ist gemäß § 2 Abs. 1 GewStG i. V. m. § 2 Abs. 1 GewStDV <strong>de</strong>r einzelne Betrieb<br />

gewerblicher Art, sofern er einen Gewerbebetrieb im Sinne <strong>de</strong>s Einkommensteuergesetzes darstellt;<br />

Steuerschuldner ist die juristische Person <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts (§ 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG). Im<br />

Gegensatz <strong>zur</strong> Umsatzsteuer sind daher für je<strong>de</strong>n Betrieb gewerblicher Art geson<strong>de</strong>rte Körperschaftsteuer- und<br />

Gewerbesteuer(mess)beschei<strong>de</strong> erfor<strong>de</strong>rlich. Damit eine entsprechen<strong>de</strong> Zuordnung erleichtert wird, ist es<br />

zweckmäßig, aber nicht erfor<strong>de</strong>rlich, im Anschriftenfeld <strong>de</strong>r Körperschaftsteuer- und<br />

Gewerbesteuer(mess)beschei<strong>de</strong> einen Hinweis auf <strong>de</strong>n jeweils betroffenen Betrieb gewerblicher Art<br />

anzubringen.<br />

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Beispiel:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Gemein<strong>de</strong> Mainwiesen<br />

– Friedhofsgärtnerei –<br />

Postfach 12 34<br />

61116 Mainwiesen<br />

Der Hinweis auf <strong>de</strong>n betroffenen Betrieb gewerblicher Art kann auch in <strong>de</strong>n Erläuterungen zum<br />

Steuer(mess)bescheid angebracht wer<strong>de</strong>n.<br />

2.8.3 Juristische Personen in und nach Liquidation (Abwicklung)<br />

2.8.3.1 Bei einer in Liquidation (bei Aktiengesellschaften: Abwicklung) befindlichen Gesellschaft ist <strong>de</strong>r<br />

Steuerbescheid <strong>de</strong>r Gesellschaft, z.H. <strong>de</strong>s Liquidators (Abwicklers), bekannt zu geben.<br />

Beispiel:<br />

Für die in Liquidation befindliche Müller GmbH (Inhaltsadressat) ist <strong>de</strong>r Steuerberater Hans Schmidt als<br />

Liquidator (Bekanntgabeadressat) bestellt wor<strong>de</strong>n.<br />

Anschriftenfeld:<br />

Müller GmbH i.L.<br />

z.H. <strong>de</strong>s Liquidators<br />

Herrn Steuerberater Hans Schmidt<br />

. . .<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 99 von 235


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2.8.3.2 Steuerrechtlich wird auch eine im Han<strong>de</strong>lsregister bereits gelöschte juristische Person so lange als<br />

fortbestehend angesehen, wie sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat (BFH-Urteil vom 1.10.1992 –<br />

IV R 60/91 – BStBl. 1993 II, S. 82). Zu ihrer steuerlichen Vertretung bedarf es eines Liquidators, <strong>de</strong>r insoweit<br />

auch die steuerlichen Pflichten zu erfüllen hat (§ 34 Abs. 3). Ein Liquidator kann auch nur zum Zweck <strong>de</strong>r<br />

Entgegennahme eines Steuerbescheids für die gelöschte GmbH bestellt wer<strong>de</strong>n (BayObLG-Beschluss vom<br />

2.2.1984 – BReg 3 Z 192/83 – DB S. 870). Das Finanzamt hat ggf. die Neubestellung eines Liquidators beim<br />

Registergericht zu beantragen, weil mit <strong>de</strong>m Erlöschen <strong>de</strong>r Firma auch das Amt <strong>de</strong>s zunächst bestellten<br />

Liquidators en<strong>de</strong>t (BFH-Urteile vom 2.7.1969 – I R 190/67 – BStBl. II, S. 656, und vom 6.5.1977 –<br />

III R 19/75 – BStBl. II, S. 783). Die Neubestellung eines Liquidators ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, wenn eine gelöschte<br />

Kapitalgesellschaft durch einen Bevollmächtigten vertreten wird, <strong>de</strong>r bereits vor Löschung bestellt wur<strong>de</strong> und<br />

<strong>de</strong>ssen Bevollmächtigung die Entgegennahme von Entscheidungen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> umfasst. Eine vor<br />

Löschung erteilte Vollmacht wirkt insoweit fort (§ 80 Abs. 2; vgl. BFH-Urteil vom 27.4.2000 – I R 65/98 –<br />

BStBl. II, S. 500 zu § 86 ZPO). Wegen § 80 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz ist jedoch für etwaige Zahlungen an<br />

die im Han<strong>de</strong>lsregister gelöschte Gesellschaft die nachträgliche Bestellung eines Liquidators erfor<strong>de</strong>rlich, wenn<br />

nicht <strong>de</strong>r Bevollmächtigte bereits vor Löschung ausdrücklich <strong>zur</strong> Entgegennahme von Zahlungen für die<br />

Gesellschaft ermächtigt wor<strong>de</strong>n ist (vgl. zu § 80, Nr. 2).<br />

2.9 Bekanntgabe in Insolvenzfällen<br />

Wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe von Verwaltungsakten in Insolvenzfällen siehe zu § 251, Nrn. 4.3, 4.4, 6.1, 13.2<br />

und 15.1.<br />

2.10 Verbraucherinsolvenzverfahren<br />

Wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe von Verwaltungsakten im Verbraucherinsolvenzverfahren siehe zu § 251, Nrn. 12.2<br />

und 12.3.<br />

2.11 Zwangsverwaltung<br />

Mit Anordnung <strong>de</strong>r Zwangsverwaltung verliert <strong>de</strong>r Grundstückseigentümer (Schuldner) die Befugnis, über das<br />

beschlagnahmte Grundstück zu verfügen. Bekanntgabeadressat von Verwaltungsakten, die das beschlagnahmte<br />

Grundstück betreffen (Grundsteuermessbescheid, Grundsteuerbescheid, Umsatzsteuerbescheid), ist daher <strong>de</strong>r<br />

Zwangsverwalter. Der <strong>de</strong>m Zwangsverwalter bekannt zu geben<strong>de</strong> Verwaltungsakt muss neben <strong>de</strong>r Bezeichnung<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Zwangsverwaltung unterliegen<strong>de</strong>n Grundstücke auch die Person <strong>de</strong>s Grundstückseigentümers<br />

(Inhaltsadressat) angeben (BFH-Urteil vom 23.6.1988 – V R 203/83 – BStBl. II, S. 920).<br />

Soweit die Wirkung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n über die Zwangsverwaltung hinausgeht, sind sie auch <strong>de</strong>m<br />

Grundstückseigentümer (Inhaltsadressat) bekannt zu geben. Einheitswertbeschei<strong>de</strong> über zwangsverwaltete<br />

Grundstücke sind sowohl <strong>de</strong>m Zwangsverwalter als auch <strong>de</strong>m Grundstückseigentümer (Inhaltsadressat) bekannt<br />

zu geben (RFH-Urteil vom 1.9.1939, RStBl. S. 1007).<br />

Beispiel<br />

für die Bekanntgabe eines Einheitswertbeschei<strong>de</strong>s:<br />

Bekanntgabeadressaten sind<br />

sowohl <strong>de</strong>r<br />

Schuldner<br />

Anschriftenfeld (Empfänger):<br />

Herrn<br />

Josef Meier<br />

Sophienstraße 20<br />

80799 München<br />

als auch <strong>de</strong>r<br />

Zwangsverwalter<br />

Herrn<br />

Rechtsanwalt Helmut Müller<br />

Schellingstraße 40<br />

80799 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Als Zwangsverwalter <strong>de</strong>s Grundstücks<br />

Sophienstraße 20<br />

(Grundstückseigentümer Josef Meier)<br />

2.12 Gesamtrechtsnachfolge (z. B. Erbfolge)<br />

2.12.1 Zur Frage, wann eine Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1 vorliegt, vgl. zu § 45. Beschei<strong>de</strong>, die<br />

bereits vor Eintritt <strong>de</strong>r Gesamtrechtsnachfolge an <strong>de</strong>n Rechtsvorgänger gerichtet und ihm zugegangen waren,<br />

wirken auch gegen <strong>de</strong>n Gesamtrechtsnachfolger. Er kann nur innerhalb <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Rechtsvorgänger<br />

maßgeblichen Rechtsbehelfsfrist Einspruch einlegen. § 353 schreibt dies für Beschei<strong>de</strong> mit dinglicher Wirkung<br />

ausdrücklich auch vor, soweit es sich um Einzelrechtsnachfolge han<strong>de</strong>lt. Die Regelung in § 166, wonach<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 100 von 235


unanfechtbare Steuerfestsetzungen auch gegenüber einem Gesamtrechtsnachfolger gelten, be<strong>de</strong>utet nicht, dass<br />

gegenüber einem Gesamtrechtsnachfolger die Bekanntgabe zu wie<strong>de</strong>rholen ist o<strong>de</strong>r dass eine neue<br />

Rechtsbehelfsfrist läuft. Hat <strong>de</strong>r Rechtsvorgänger zwar <strong>de</strong>n Steuertatbestand verwirklicht, wur<strong>de</strong> ihm aber <strong>de</strong>r<br />

Bescheid vor Eintritt <strong>de</strong>r Rechtsnachfolge nicht mehr bekannt gegeben, so ist <strong>de</strong>r Bescheid an <strong>de</strong>n<br />

Gesamtrechtsnachfolger zu richten (BFH-Urteil vom 16.1.1974 – I R 254/70 – BStBl. II, S. 388).<br />

2.12.2 Bei einer Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1 geht die Steuerschuld <strong>de</strong>s Rechtsvorgängers auf <strong>de</strong>n<br />

Rechtsnachfolger über. In <strong>de</strong>n Bescheidkopf ist <strong>de</strong>r Hinweis aufzunehmen, dass <strong>de</strong>r Steuerschuldner zugleich<br />

aufgrund eines eigenen Steuerschuldverhältnisses und als Gesamtrechtsnachfolger in Anspruch genommen wird.<br />

Beispiel:<br />

Der Ehemann ist 08 verstorben. Die Ehefrau ist Alleinerbin. Für <strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum 07 soll ein<br />

zusammengefasster ESt-Bescheid bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n.<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Frau<br />

Eva Meier<br />

Hauptstraße 101<br />

67433 Neustadt<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Steuerbescheid ergeht an Sie zugleich als Alleinerbin nach Ihrem Ehemann.<br />

Beispiel:<br />

Die Meier-OHG mit <strong>de</strong>n Gesellschaftern Max und Emil Meier ist durch Austritt <strong>de</strong>s Gesellschafters Emil Meier<br />

aus <strong>de</strong>r OHG und gleichzeitige Übernahme <strong>de</strong>s Gesamthandsvermögens durch Max Meier ohne Liquidation<br />

erloschen (vollbeen<strong>de</strong>t). Nach <strong>de</strong>m Ausschei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s vorletzten Gesellschafters soll ein Umsatzsteuerbescheid für<br />

einen Zeitraum vor <strong>de</strong>m Ausschei<strong>de</strong>n für die erloschene OHG ergehen.<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Herrn<br />

Max Meier<br />

Hauptstraße 101<br />

67433 Neustadt<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie zugleich als Gesamtrechtsnachfolger <strong>de</strong>r Meier-OHG.<br />

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Beispiel:<br />

Die A-GmbH ist unter Auflösung ohne Abwicklung auf die B-GmbH verschmolzen wor<strong>de</strong>n.<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

B-GmbH<br />

Hauptstraße 101<br />

67433 Neustadt<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie als Gesamtrechtsnachfolgerin <strong>de</strong>r A-GmbH.<br />

2.12.3 Das Finanzamt kann gegen Gesamtrechtsnachfolger (z. B. mehrere Erben) Einzelbeschei<strong>de</strong> nach § 155<br />

Abs. 1 o<strong>de</strong>r einen nach § 155 Abs. 3 zusammengefassten Steuerbescheid erlassen (BFH-Urteile vom<br />

24.11.1967 – III 2/63 – BStBl. 1968 II, S. 163, und vom 28.3.1973 – I R 100/71 – BStBl. II, S. 544).<br />

Grundsätzlich ist ein zusammengefasster Bescheid zu erlassen, <strong>de</strong>r an die Gesamtrechtsnachfolger als<br />

Gesamtschuldner zu richten und je<strong>de</strong>m von ihnen bekannt zu geben ist, soweit nicht nach § 122 Abs. 6 (vgl.<br />

Nr. 2.1.3) verfahren wer<strong>de</strong>n kann (§ 122 Abs. 1 und BFH-Urteil vom 24.3.1970 – I R 141/69 – BStBl. II,<br />

S. 501). Der Steuerbescheid ist nur wirksam, wenn die Gesamtrechtsnachfolger, an die sich <strong>de</strong>r Bescheid richtet,<br />

namentlich als Inhaltsadressaten aufgeführt sind.<br />

Im Einzelfall können sich die Gesamtrechtsnachfolger, gegen die sich <strong>de</strong>r Bescheid als Inhaltsadressaten richtet,<br />

auch durch Auslegung <strong>de</strong>s Bescheids ergeben, z. B. durch die Bezugnahme auf einen <strong>de</strong>n Betroffenen bekannten<br />

Betriebsprüfungsbericht (BFH-Urteil vom 17.11.2005 – III R 8/03 – BStBl. 2006 II, S. 287). Die Ermittlung <strong>de</strong>s<br />

Inhaltsadressaten durch Auslegung kann jedoch einen Mangel <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>n Bestimmtheit <strong>de</strong>s Steuerschuldners<br />

nicht heilen. Für eine Auslegung, an wen <strong>de</strong>r Steuerbescheid sich richtet, ist z. B. dann kein Raum, wenn in<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 101 von 235


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einem Einkommensteuerbescheid ohne namentliche Anführung <strong>de</strong>r Beteiligten eine Erbengemeinschaft als<br />

Inhaltsadressat benannt (z. B. „Erbengemeinschaft nach Herrn Adam Meier“) und zugleich <strong>de</strong>r Hinweis auf die<br />

Gesamtrechtsnachfolge unterblieben ist (vgl. Nr. 2.12.2). Die Angabe, wer die Steuer schul<strong>de</strong>t (§ 157 Abs. 1<br />

Satz 2), fehlt hier, <strong>de</strong>nn eine Erbengemeinschaft kann nicht Schuldnerin <strong>de</strong>r Einkommensteuer sein.<br />

Aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rechtsklarheit sind die Inhaltsadressaten grundsätzlich namentlich aufzuführen (vgl. auch die<br />

Beispiele zu Nr. 2.12.4); von <strong>de</strong>m Verweis auf für die Betroffenen bekannte Umstän<strong>de</strong> ist nur ausnahmsweise<br />

Gebrauch zu machen.<br />

Es ist unschädlich, nur einen o<strong>de</strong>r mehrere aus einer größeren Zahl von Gesamtrechtsnachfolgern auszuwählen,<br />

weil es nicht zwingend erfor<strong>de</strong>rlich ist, einen Steuerbescheid an alle Gesamtrechtsnachfolger zu richten (vgl.<br />

Nr. 4.4.5). Betrifft <strong>de</strong>r zusammengefasste Bescheid Eheleute, Eheleute mit Kin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Alleinstehen<strong>de</strong> mit<br />

Kin<strong>de</strong>rn, kann auch von <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rregelung <strong>de</strong>s § 122 Abs. 7 (vgl. Nr. 2.1.2) Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

2.12.4 Beispiele:<br />

1.1 Der Steuerschuldner Adam Meier ist im Jahr 08 verstorben.<br />

Erben sind seine Kin<strong>de</strong>r Konrad, Ludwig und Martha Meier zu gleichen Teilen. Die Steuerbeschei<strong>de</strong> für<br />

das Jahr 07 (ESt, USt, GewSt) können erst im Jahr 09, d. h. nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Adam Meier ergehen.<br />

Die Erben Konrad, Ludwig und Martha Meier sind durch Gesamtrechtsnachfolge Steuerschuldner<br />

(Inhaltsadressaten) gewor<strong>de</strong>n (§ 45 Abs. 1); sie haben je<strong>de</strong>r für sich für die gesamte Steuerschuld<br />

einzustehen (§ 45 Abs. 2, § 44 Abs. 1).<br />

Gegen die Miterben können zusammengefasste Beschei<strong>de</strong> nach § 155 Abs. 3 ergehen. Je<strong>de</strong>m Erben ist<br />

eine Ausfertigung <strong>de</strong>s zusammengefassten Beschei<strong>de</strong>s an die Wohnanschrift zu übermitteln. Die<br />

Bekanntgabe an einen Erben mit Wirkung für und gegen alle an<strong>de</strong>ren Erben ist in diesem Fall nur unter<br />

<strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 122 Abs. 6 (vgl. Beispiel 1.2) möglich. Der Bescheid wird gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Erben, <strong>de</strong>m er bekannt gegeben wur<strong>de</strong>, auch wirksam, wenn er <strong>de</strong>m o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Miterben nicht<br />

bekannt gegeben wur<strong>de</strong>. Um eine Zwangsvollstreckung in <strong>de</strong>n ungeteilten Nachlass zu ermöglichen, ist<br />

aber die Bekanntgabe <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s an je<strong>de</strong>n einzelnen Miterben notwendig (§ 265 AO i. V. m. § 747<br />

ZPO).<br />

Anschriftenfeld (jeweils in geson<strong>de</strong>rten Ausfertigungen):<br />

Herrn<br />

Konrad Meier<br />

Sternstraße 15<br />

53111 Bonn<br />

Herrn<br />

Ludwig Meier<br />

Königinstraße 200<br />

40212 Düsseldorf<br />

Frau<br />

Martha Meier<br />

Sophienstraße 3<br />

80333 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Für Konrad, Ludwig und Martha Meier als Miterben nach Adam Meier. Den an<strong>de</strong>ren Miterben wur<strong>de</strong> ein<br />

Bescheid gleichen Inhalts erteilt. Die Erben sind Gesamtschuldner (§ 44 AO).<br />

1.2 Wie Beispiel 1.1, jedoch ist Konrad Meier mit Einverständnis von Ludwig und Martha Meier Empfänger<br />

<strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s (einverständliche Bekanntgabe nach § 122 Abs. 6).<br />

Anschriftenfeld:<br />

Herrn<br />

Konrad Meier<br />

Sternstraße 15<br />

53111 Bonn<br />

Bescheidkopf:<br />

Der Steuerbescheid ergeht an Sie als Miterben nach Adam Meier zugleich mit Wirkung für und gegen die<br />

Miterben Ludwig und Martha Meier. Die Erben sind Gesamtschuldner (§ 44 AO).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 102 von 235


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1.3 Wie Beispiel 1.1, jedoch sind die Erben Eheleute o<strong>de</strong>r nahe Familienangehörige unter gemeinschaftlicher<br />

Anschrift i. S. <strong>de</strong>s § 122 Abs. 7. Es genügt die Bekanntgabe einer Ausfertigung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s an<br />

die gemeinsame Anschrift.<br />

Anschriftenfeld:<br />

Konrad Meier<br />

Ludwig Meier<br />

Martha Meier<br />

Sternstraße 15<br />

53111 Bonn<br />

Bescheidkopf:<br />

Der Steuerbescheid ergeht an Sie als Miterben nach Adam Meier. Die Erben sind Gesamtschuldner (§ 44<br />

AO).<br />

2.1 Der Steuerschuldner Herbert Müller ist im Jahr 08 verstorben. Erben sind seine Ehefrau Anna Müller und<br />

die gemeinsamen Kin<strong>de</strong>r Eva Müller und Thomas Müller. Der ESt-Bescheid für das Jahr 07 kann erst<br />

nach <strong>de</strong>m Tod <strong>de</strong>s Herbert Müller ergehen. Herbert und Anna Müller sind zusammen zu veranlagen.<br />

Anna Müller ist Gesamtschuldner zunächst als zusammenveranlagter Ehegatte (§ 26b EStG i. V. m. § 44<br />

AO) sowie gemeinsam mit <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Eva und Thomas Müller als Erben <strong>de</strong>s verstorbenen Herbert<br />

Müller (§ 45 Abs. 1). Sie haben je<strong>de</strong>r für sich für die gesamte Steuerschuld einzustehen (§ 45 Abs. 2,<br />

§ 44 Abs. 1).<br />

Gegen die Beteiligten Anna Müller, Eva Müller und Thomas Müller können zusammengefasste<br />

Beschei<strong>de</strong> nach § 155 Abs. 3 ergehen. Je<strong>de</strong>m Beteiligten ist eine Ausfertigung <strong>de</strong>s zusammengefassten<br />

Beschei<strong>de</strong>s an seine Wohnanschrift zu übermitteln. Der Bescheid wird gegen einen Beteiligten, <strong>de</strong>m er<br />

bekannt gegeben wur<strong>de</strong>, auch wirksam, wenn er einem o<strong>de</strong>r mehreren an<strong>de</strong>ren Beteiligten nicht bekannt<br />

gegeben wur<strong>de</strong> (siehe aber § 265 AO i. V. m. § 747 ZPO, vgl. Beispiel 1.1).<br />

Anschriftenfeld (jeweils in geson<strong>de</strong>rten Ausfertigungen):<br />

Frau<br />

Anna Müller<br />

Hohe Straße 27<br />

50667 Köln<br />

Frau<br />

Eva Müller<br />

Wilhelmstraße 19<br />

53111 Bonn<br />

Herrn<br />

Thomas Müller<br />

Sophienstraße 35<br />

80333 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Für Anna Müller und die Erben nach Herbert Müller: Anna Müller, Eva Müller und Thomas Müller. Alle<br />

Beteiligten sind Gesamtschuldner (§ 44 AO).<br />

2.2 Wie Beispiel 2.1, jedoch ist Anna Müller mit Einverständnis von Eva und Thomas Müller Empfänger <strong>de</strong>s<br />

Bescheids (§ 122 Abs. 6).<br />

Anschriftenfeld:<br />

Frau<br />

Anna Müller<br />

Hohe Straße 27<br />

50667 Köln<br />

Bescheidkopf:<br />

Für Anna Müller und die Erben nach Herbert Müller: Anna Müller, Eva Müller und Thomas Müller. Der<br />

Bescheid ergeht an Sie zugleich mit Wirkung für und gegen die Miterben. Alle Beteiligten sind<br />

Gesamtschuldner (§ 44 AO).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 103 von 235


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2.3 Wie Beispiel 2.1, jedoch leben alle Beteiligten unter gemeinsamer Anschrift i. S. von § 122 Abs. 7 (in<br />

Köln, Hohe Straße 27). Es genügt die Bekanntgabe einer Ausfertigung <strong>de</strong>s Steuerbescheids an die<br />

gemeinsame Anschrift.<br />

Anschriftenfeld:<br />

Anna Müller<br />

Eva Müller<br />

Thomas Müller<br />

Hohe Straße 27<br />

50667 Köln<br />

Bescheidkopf:<br />

Für Anna Müller und die Erben nach Herbert Müller: Anna Müller, Eva Müller und Thomas Müller. Alle<br />

Beteiligten sind Gesamtschuldner (§ 44 AO).<br />

2.12.5 Zur Bekanntgabe von Beschei<strong>de</strong>n bei unbekannten Erben vgl. Nr. 2.13.1.3.<br />

2.12.6 Ist eine Erbengemeinschaft Unternehmer o<strong>de</strong>r selbstständiger Rechtsträger, so ist ein Steuerbescheid<br />

(z. B. über Umsatzsteuer o<strong>de</strong>r Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer) an sie als Erbengemeinschaft zu richten (vgl. Nrn. 2.4 und<br />

2.4.1.2). Hat die Erbengemeinschaft keinen Namen und keinen gesetzlichen Vertreter, muss sie <strong>zur</strong><br />

zweifelsfreien I<strong>de</strong>ntifizierung <strong>de</strong>r Gemeinschaft und ihrer Gemeinschafter grundsätzlich durch <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s<br />

Erblassers und <strong>de</strong>r einzelnen Miterben charakterisiert wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 29.11.1972 – II R 42/67 –<br />

BStBl. 1973 II, S. 372). Zur Ermittlung <strong>de</strong>r Inhaltsadressaten durch Auslegung gelten die Ausführungen in<br />

Nr. 2.12.3 entsprechend.<br />

2.12.7 Vollstreckung in <strong>de</strong>n Nachlass<br />

Ist ein Steuerbescheid bereits zu Lebzeiten <strong>de</strong>s Erblassers wirksam gewor<strong>de</strong>n und will die Finanzbehör<strong>de</strong> wegen<br />

<strong>de</strong>r Steuerschuld vollstrecken, muss sie vor Beginn <strong>de</strong>r Vollstreckung ein Leistungsgebot erlassen (vgl. im<br />

Einzelnen Abschn. 29 ff. VollstrA).<br />

2.12.8 Umwandlung von Gesellschaften<br />

Zum Erlass von Steuerverwaltungsakten in Spaltungsfällen und in Fällen eines Formwechsels vgl. Nrn. 2.15<br />

und 2.16 sowie zu § 45, Nrn. 2 und 3.<br />

2.13 Testamentsvollstreckung, Nachlassverwaltung, Nachlasspflegeschaft<br />

2.13.1 Der Testamentsvollstrecker ist nicht Vertreter <strong>de</strong>r Erben, son<strong>de</strong>rn Träger eines durch letztwillige<br />

Verfügung <strong>de</strong>s Erblassers begrün<strong>de</strong>ten Amts, <strong>de</strong>ssen Inhalt durch die letztwillige Verfügung bestimmt wird<br />

(§§ 2202, 2197 ff. BGB). Soweit die Verwaltungsbefugnis <strong>de</strong>s Testamentsvollstreckers reicht, ist <strong>de</strong>m Erben die<br />

Verfügungsbefugnis entzogen (§ 2211 BGB). Der Testamentsvollstrecker kann <strong>de</strong>n Erben nicht persönlich<br />

verpflichten und hat auch nicht <strong>de</strong>ssen persönliche Pflichten gegenüber <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n zu erfüllen (BFH-<br />

Urteil vom 16.4.1980 – VII R 81/79 – BStBl. II, S. 605).<br />

2.13.1.1 Hat <strong>de</strong>r Erblasser selbst noch <strong>de</strong>n Steuertatbestand verwirklicht, ist aber gegen ihn kein Steuerbescheid<br />

mehr ergangen, so ist <strong>de</strong>r Steuerbescheid an <strong>de</strong>n Erben als Inhaltsadressaten zu richten und diesem bekannt zu<br />

geben (vgl. Beispiele zu Nr. 2.12.4; BFH-Urteile vom 15.2.1978 – I R 36/77 – BStBl. II, S. 491 und vom<br />

8.3.1979 – IV R 75/76 – BStBl. II, S. 501), es sei <strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r Testamentsvollstrecker ist zugleich<br />

Empfangsbevollmächtigter <strong>de</strong>s Erben. Ist <strong>de</strong>r Testamentsvollstrecker im Rahmen seiner Verwaltung <strong>de</strong>s<br />

gesamten Nachlassvermögens nach § 2213 Abs. 1 BGB <strong>zur</strong> Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten<br />

verpflichtet und soll er <strong>zur</strong> Erfüllung <strong>de</strong>r Steuerschuld aus <strong>de</strong>m von ihm verwalteten Nachlass herangezogen<br />

wer<strong>de</strong>n, kann <strong>de</strong>r Steuerbescheid – auch – an ihn gerichtet wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 30.9.1987 – II R 42/84 –<br />

BStBl. 1988 II, S. 120). Geschieht dies nicht, ist er durch Übersendung einer Ausfertigung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>m Erben o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>m Nachlasspfleger bekannt gegebenen Steuerbeschei<strong>de</strong>s in Kenntnis zu setzen. Ggf. ist er durch<br />

Duldungsbescheid (§ 191 Abs. 1) in Anspruch zu nehmen. Seine persönliche Haftung nach § 69 i. V. m. § 34<br />

Abs. 3 bleibt davon unberührt.<br />

2.13.1.2 Betrifft die Steuerpflicht Tatbestän<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>m Erbfall, so ist <strong>de</strong>r Erbe Steuerschuldner auch für<br />

Steuertatbestän<strong>de</strong>, die das Nachlassvermögen betreffen. Steuerbeschei<strong>de</strong> über Einkünfte, die <strong>de</strong>m Erben aus <strong>de</strong>m<br />

Nachlassvermögen zufließen, sind <strong>de</strong>m Erben als Inhaltsadressaten und nicht <strong>de</strong>m Testamentsvollstrecker<br />

bekannt zu geben (BFH-Urteil vom 7.10.1970 – I R 145/68 – BStBl. 1971 II, S. 119; BFH-Beschluss vom<br />

29.11.1995 – X B 328/94 – BStBl. 1996 II, S. 322). Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>r Testamentsvollstrecker ein<br />

Unternehmen im eigenen Namen weiterführt (BFH-Urteil vom 16.2.1977 – I R 53/74 – BStBl. II, S. 481, für<br />

GewSt-Messbeschei<strong>de</strong>). Steht <strong>de</strong>m Testamentsvollstrecker nach § 2213 Abs. 1 BGB die Verwaltung <strong>de</strong>s<br />

gesamten Nachlasses zu, sind die drei letzten Sätze <strong>de</strong>r Nr. 2.13.1.1 entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 104 von 235


2.13.1.3 Sind <strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r die Erben (noch) unbekannt, so ist <strong>de</strong>r Steuerbescheid, gleichgültig ob <strong>de</strong>r<br />

Steuertatbestand vom Erblasser selbst noch verwirklicht wor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r erst nach Eintritt <strong>de</strong>s Erbfalls, einem zu<br />

bestellen<strong>de</strong>n Nachlasspfleger als gesetzlichen Vertreter bekannt zu geben. Die Vertretungsbefugnis <strong>de</strong>s<br />

Nachlasspflegers en<strong>de</strong>t auch dann erst mit Aufhebung <strong>de</strong>r Nachlasspflegschaft durch das Nachlassgericht, wenn<br />

die Erben zwischenzeitlich bekannt wur<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 30.3.1982 – VIII R 227/80 – BStBl. II, S. 687).<br />

Der Testamentsvollstrecker ist nicht bereits kraft Amtes Vertreter <strong>de</strong>s unbekannten Erben, kann aber dazu<br />

bestellt wer<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 2.13.2).<br />

2.13.2 Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter <strong>de</strong>s künftigen Erben, falls dieser noch unbekannt ist o<strong>de</strong>r<br />

die Annahme <strong>de</strong>r Erbschaft noch ungewiss ist. Er wird von Amts wegen o<strong>de</strong>r auf Antrag eines<br />

Nachlassgläubigers vom Nachlassgericht bestellt (siehe §§ 1960, 1961 BGB, § 81 AO). Nr. 2.2 ist entsprechend<br />

anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

2.13.3 Nachlassverwaltung ist die Nachlasspflegeschaft zum Zwecke <strong>de</strong>r Befriedigung <strong>de</strong>r Nachlassgläubiger<br />

(§ 1975 BGB). Die Stellung <strong>de</strong>s Nachlassverwalters ist <strong>de</strong>rjenigen <strong>de</strong>s Testamentsvollstreckers vergleichbar.<br />

Nr. 2.13.1.1 und Nr. 2.13.1.2 sind daher entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 5.6.1991 – XI R 26/89 –<br />

BStBl. II, S. 820).<br />

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2.13.4 Erbschaftsteuerbeschei<strong>de</strong><br />

2.13.4.1 Ein Erbschaftsteuerbescheid ist nach § 32 Abs. 1 ErbStG <strong>de</strong>m Testamentsvollstrecker o<strong>de</strong>r<br />

Nachlassverwalter mit Wirkung für und gegen die Erben bekannt zu geben, wenn er die Steuererklärung für die<br />

Erben abgegeben hat. Dies gilt auch, wenn sich <strong>de</strong>r Steueranspruch gegen die Erben nicht nur auf die Erbschaft<br />

i. S. d. bürgerlichen Rechts grün<strong>de</strong>t. Ein Erbschaftsteuerbescheid, mit <strong>de</strong>m lediglich Erbschaftsteuer aufgrund<br />

<strong>de</strong>s Erwerbs eines schuldrechtlichen Anspruchs erbrechtlicher Natur (z. B. Vermächtnis, Pflichtteilsrecht,<br />

Erbersatzanspruch) und/o<strong>de</strong>r aufgrund Erwerbs infolge eines Vertrages <strong>de</strong>s Erblassers zugunsten <strong>de</strong>s Erwerbers<br />

auf <strong>de</strong>n To<strong>de</strong>sfall festgesetzt wird, kann hingegen <strong>de</strong>m Testamentsvollstrecker o<strong>de</strong>r Nachlassverwalter nicht mit<br />

Wirkung für und gegen <strong>de</strong>n Steuerschuldner bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 14.11.1990 –<br />

II R 255/85 – und – II R 58/86 – BStBl. 1991 II, S. 49 und S. 52).<br />

Ist <strong>de</strong>r Erbschaftsteuerbescheid nach <strong>de</strong>n vorgenannten Grundsätzen <strong>de</strong>m Testamentsvollstrecker bekannt zu<br />

geben, muss <strong>de</strong>r Bescheid mit hinreichen<strong>de</strong>r Bestimmtheit erkennen lassen, dass er sich – ungeachtet <strong>de</strong>r<br />

Verpflichtung <strong>de</strong>s Testamentsvollstreckers, für die Zahlung <strong>de</strong>r Steuer zu sorgen (§ 32 Abs. 1 Satz 2 ErbStG) –<br />

an <strong>de</strong>n Erben als Steuerschuldner richtet (BFH-Urteil vom 10.7.1991 – VIII R 16/90 – BFH/NV 1992 S. 223).<br />

Der Bescheidvordruck ist daher in diesen Fällen wie folgt auszufüllen:<br />

Anschriftenfeld:<br />

Name und Anschrift <strong>de</strong>s Testamentsvollstreckers<br />

Bescheidkopf:<br />

Erbschaftsteuerbescheid über <strong>de</strong>n Erwerb <strong>de</strong>s . . . . . . (Name <strong>de</strong>s Erben/Miterben) aufgrund <strong>de</strong>s Ablebens von<br />

. . . . . .<br />

Erläuterungen:<br />

Der Bescheid wird Ihnen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mit Wirkung für und gegen <strong>de</strong>n oben bezeichneten<br />

Erben bekannt gegeben. Dieser ist Steuerschuldner.<br />

2.13.4.2 Die Bekanntgabe <strong>de</strong>s Erbschaftsteuerbescheids an <strong>de</strong>n Testamentsvollstrecker o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Nachlassverwalter setzt auch die Rechtsbehelfsfrist für die Anfechtung durch <strong>de</strong>n Erben in Lauf. Dem Erben ist<br />

bei verspäteter Unterrichtung durch <strong>de</strong>n Testamentsvollstrecker o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Nachlassverwalter innerhalb <strong>de</strong>r<br />

Jahresfrist <strong>de</strong>s § 110 Abs. 3 Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand zu gewähren, wobei <strong>de</strong>ssen Verhalten ihm<br />

nicht zu<strong>zur</strong>echnen ist (BFH-Urteil vom 14.11.1990 – II R 58/86 – BStBl. 1991 II, S. 52). Testamentsvollstrecker<br />

o<strong>de</strong>r Nachlassverwalter haben nach § 32 Abs. 1 Satz 2 ErbStG für die Einrichtung <strong>de</strong>r Erbschaftsteuer <strong>de</strong>r Erben<br />

zu sorgen.<br />

2.14 Haften<strong>de</strong><br />

2.14.1 Der Steuerschuldner und <strong>de</strong>r Haften<strong>de</strong> sind nach § 44 Abs. 1 zwar Gesamtschuldner, diese Bestimmung<br />

führt aber nicht zu einer völligen Gleichstellung. Der Steuerbescheid ist an <strong>de</strong>n Steuerschuldner zu richten. Über<br />

die Haftung ist durch selbstständigen Haftungsbescheid zu entschei<strong>de</strong>n (§ 191) und <strong>de</strong>r Haften<strong>de</strong> durch<br />

Zahlungsauffor<strong>de</strong>rung in Anspruch zu nehmen (§ 219). Bei<strong>de</strong> Maßnahmen können auch getrennt voneinan<strong>de</strong>r<br />

ausgeführt wer<strong>de</strong>n. Die Zusendung einer Ausfertigung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s reicht <strong>zur</strong> Inanspruchnahme <strong>de</strong>s<br />

Haften<strong>de</strong>n nicht aus.<br />

2.14.2 Der Haftungsbescheid muss ein<strong>de</strong>utig erkennen lassen, gegen wen sich <strong>de</strong>r Haftungsanspruch richtet.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 105 von 235


Beispiele für Lohnsteuerhaftungsbeschei<strong>de</strong> bei Inanspruchnahme:<br />

a) <strong>de</strong>s Arbeitgebers: b) <strong>de</strong>s Geschäftsführers <strong>de</strong>s Arbeitgebers:<br />

Haftungsschuldner als<br />

Inhaltsadressat,<br />

Haftungsschuldner als<br />

Inhaltsadressat,<br />

Bekanntgabeadressat<br />

Bekanntgabeadressat<br />

und Empfänger:<br />

und Empfänger:<br />

Meier GmbH<br />

Sophienstraße 2a<br />

80333 München<br />

(jeweils mit Angabe<br />

<strong>de</strong>s Haftungsgrun<strong>de</strong>s<br />

in <strong>de</strong>r Erläuterung)<br />

Herrn<br />

Josef Meier<br />

(Geschäftsführer <strong>de</strong>r Meier GmbH)<br />

Hansastraße 100<br />

81373 München<br />

(jeweils mit Angabe<br />

<strong>de</strong>s Haftungsgrun<strong>de</strong>s<br />

in <strong>de</strong>r Erläuterung)<br />

Bei <strong>de</strong>r Inanspruchnahme <strong>de</strong>s Geschäftsführers als Haftungsschuldner für Steuerschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r von ihm<br />

vertretenen juristischen Person o<strong>de</strong>r nichtrechtsfähigen Personenvereinigung ist darauf zu achten, dass die<br />

persönliche Inanspruchnahme in <strong>de</strong>r Adressierung und auch sonst im Bescheid ein<strong>de</strong>utig zum Ausdruck<br />

kommt. Als postalische Anschrift ist im Haftungsbescheid i. d. R. die von <strong>de</strong>r Firmenanschrift abweichen<strong>de</strong><br />

Wohnanschrift <strong>de</strong>s Geschäftsführers zu verwen<strong>de</strong>n. Wird ein Haftungsbescheid an <strong>de</strong>n Geschäftsführer durch die<br />

Post mit Zustellungsurkun<strong>de</strong> (vgl. Nr. 3.1.1) ausnahmsweise unter <strong>de</strong>r Firmenanschrift zugestellt, ist im Kopf<br />

<strong>de</strong>s Vordrucks „Zustellungsurkun<strong>de</strong>“ in roter Schrift o<strong>de</strong>r durch rotes Unterstreichen zu vermerken: „Keine<br />

Ersatzzustellung“.<br />

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2.14.3 Sollen wegen <strong>de</strong>sselben Anspruchs mehrere Haftungsschuldner herangezogen wer<strong>de</strong>n, kann in<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s § 155 Abs. 3 ein zusammengefasster Haftungsbescheid erlassen wer<strong>de</strong>n. Für<br />

je<strong>de</strong>n Haftungsschuldner ist jedoch ein geson<strong>de</strong>rter Bescheid auszufertigen und bekannt zu geben, um ihm<br />

gegenüber Wirksamkeit zu erlangen. Dies gilt auch dann, wenn <strong>de</strong>r zusammengefasste Haftungsbescheid gegen<br />

Ehegatten gerichtet ist (BFH-Beschluss vom 22.10.1975 – I B 38/75 – BStBl. 1976 II, S. 136).<br />

Bei <strong>de</strong>r Inanspruchnahme von mehreren Haftungsschuldnern wegen <strong>de</strong>sselben Anspruchs sind im<br />

Haftungsbescheid alle als Haftungsschuldner herangezogenen Personen zu benennen. Eine fehlen<strong>de</strong> Angabe <strong>de</strong>r<br />

übrigen Haftungsschuldner führt aber nicht ohne weiteres <strong>zur</strong> Unwirksamkeit <strong>de</strong>r Haftungsbeschei<strong>de</strong> (BFH-<br />

Urteil vom 5.11.1980 – II R 25/78 – BStBl. 1981 II, S. 176), son<strong>de</strong>rn kann im Rahmen <strong>de</strong>s § 126 nachgeholt<br />

wer<strong>de</strong>n. Die einzelnen Haftungsschuldner wer<strong>de</strong>n durch die gemeinsame Inanspruchnahme zu<br />

Gesamtschuldnern (§ 44); die Erfüllung durch einen <strong>de</strong>r Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen.<br />

2.15 Spaltung<br />

In <strong>de</strong>n Fällen einer Abspaltung, Ausglie<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Vermögensübertragung nach <strong>de</strong>m UmwG liegt mit<br />

Ausnahme <strong>de</strong>r Vermögensübertragung im Wege <strong>de</strong>r Vollübertragung keine Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45<br />

Abs. 1 vor (vgl. zu § 45, Nr. 2). Die an einer Spaltung beteiligten Rechtsträger sind aber Gesamtschuldner für die<br />

Verbindlichkeiten <strong>de</strong>s übertragen<strong>de</strong>n Rechtsträgers, die vor <strong>de</strong>m Wirksamwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Spaltung begrün<strong>de</strong>t<br />

wor<strong>de</strong>n sind (§ 33 Abs. 1 Satz 1 UmwG). Der übernehmen<strong>de</strong> Rechtsträger kann daher durch Haftungsbescheid<br />

(im Falle <strong>de</strong>r Vermögensübertragung im Wege <strong>de</strong>r Vollübertragung durch Steuerbescheid) in Anspruch<br />

genommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei einer Aufspaltung erlischt <strong>de</strong>r übertragen<strong>de</strong> Rechtsträger mit <strong>de</strong>r Registereintragung <strong>de</strong>r Spaltung (§ 131<br />

Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Die Regelung über die steuerliche Gesamtrechtsnachfolge (§ 45 Abs. 1) ist sinngemäß<br />

anzuwen<strong>de</strong>n; dies gilt nicht in Bezug auf die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung von<br />

Besteuerungsgrundlagen (vgl. zu § 45, Nr. 2).<br />

Bei <strong>de</strong>r Entscheidung, ob ein übernehmen<strong>de</strong>r Rechtsträger für Steuerverbindlichkeiten <strong>de</strong>s übertragen<strong>de</strong>n<br />

Rechtsträgers in Anspruch zu nehmen ist, soll i. d. R. eine im Spaltungs- und Übernahmevertrag getroffene<br />

Zuweisung <strong>de</strong>r Steuerverbindlichkeiten berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. Enthält <strong>de</strong>r Spaltungs- und Übernahmevertrag<br />

keine Zuweisung <strong>de</strong>r Steuerverbindlichkeiten, soll in Fällen <strong>de</strong>r Abspaltung o<strong>de</strong>r Ausglie<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Regel<br />

zunächst nur <strong>de</strong>r übertragen<strong>de</strong> Rechtsträger in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 106 von 235


Beispiel 1:<br />

Vom Vermögen <strong>de</strong>r Spalt-GmbH wur<strong>de</strong> ein Teil abgespalten und an die A-GmbH übertragen. Der Spaltungsund<br />

Übernahmevertrag enthält keine Regelungen <strong>zur</strong> Zuweisung <strong>de</strong>r Steuerverbindlichkeiten.<br />

Steuerbescheid an Spalt-GmbH:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Spalt-GmbH<br />

Moltkestraße 5<br />

12203 Berlin<br />

Beispiel 2:<br />

Wie Beispiel 1, jedoch sollen die Spalt-GmbH und die A-GmbH als Gesamtschuldner in Anspruch genommen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Steuerbescheid an Spalt-GmbH:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Spalt-GmbH<br />

Moltkestraße 5<br />

12203 Berlin<br />

Bescheidkopf:<br />

Der A-GmbH wur<strong>de</strong> ein Haftungsbescheid erteilt. Die an <strong>de</strong>r Abspaltung beteiligten Rechtsträger sind<br />

Gesamtschuldner (§ 44 AO, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG).<br />

Haftungsbescheid an A-GmbH:<br />

Anschriftenfeld (Haftungsschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

A-GmbH<br />

Meiserstraße 4<br />

80284 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie als partielle Nachfolgerin <strong>de</strong>r Spalt-GmbH. Der Spalt-GmbH wur<strong>de</strong> ein<br />

Steuerbescheid erteilt. Die an <strong>de</strong>r Abspaltung beteiligten Rechtsträger sind Gesamtschuldner (§ 44 AO, § 133<br />

Abs. 1 Satz 1 UmwG).<br />

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Beispiel 3:<br />

Die Spalt-GmbH wur<strong>de</strong> in die A-GmbH und die B-GmbH aufgespalten. Im Spaltungs- und Übernahmevertrag<br />

wur<strong>de</strong>n die Steuerverbindlichkeiten <strong>de</strong>r erloschenen Spalt-GmbH <strong>de</strong>r A-GmbH zugewiesen.<br />

Steuerbescheid an A-GmbH:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

A-GmbH<br />

Meiserstraße 4<br />

80284 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie als Nachfolgerin <strong>de</strong>r durch Aufspaltung erloschenen Spalt-GmbH.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 107 von 235


Beispiel 4:<br />

Die Spalt-GmbH wur<strong>de</strong> in die A-GmbH und die B-GmbH aufgespalten. Der Spaltungs- und Übernahmevertrag<br />

enthält keine Regelungen <strong>zur</strong> Zuweisung <strong>de</strong>r Steuerverbindlichkeiten <strong>de</strong>r Spalt-GmbH. Die A-GmbH und die B-<br />

GmbH sollen als Gesamtschuldner in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Steuerbescheid an A-GmbH:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

A-GmbH<br />

Meiserstraße 4<br />

80284 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie als Nachfolgerin <strong>de</strong>r durch Aufspaltung erloschenen Spalt-GmbH. Der B-GmbH<br />

wur<strong>de</strong> ein Bescheid gleichen Inhalts erteilt. Die an <strong>de</strong>r Spaltung beteiligten Rechtsträger sind Gesamtschuldner<br />

(§ 44 AO, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG).<br />

Steuerbescheid an B-GmbH:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

B-GmbH<br />

Hauptstr. 101<br />

67433 Neustadt<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie als Nachfolgerin <strong>de</strong>r durch Aufspaltung erloschenen Spalt-GmbH. Der A-GmbH<br />

wur<strong>de</strong> ein Bescheid gleichen Inhalts erteilt. Die an <strong>de</strong>r Spaltung beteiligten Rechtsträger sind Gesamtschuldner<br />

(§ 44 AO, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG).<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

2.16 Formwechseln<strong>de</strong> Umwandlung<br />

Bei einer formwechseln<strong>de</strong>n Umwandlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, §§ 190 ff. UmwG) liegt lediglich ein Wechsel <strong>de</strong>r<br />

Rechtsform eines Rechtsträgers unter Wahrung seiner rechtlichen I<strong>de</strong>ntität vor. Än<strong>de</strong>rt sich allerdings durch <strong>de</strong>n<br />

Formwechsel das Steuersubjekt, ist die Regelung <strong>de</strong>s § 45 Abs. 1 über die steuerliche Gesamtrechtsnachfolge<br />

sinngemäß anzuwen<strong>de</strong>n (vgl. zu § 45, Nr. 3).<br />

Wird eine Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft umgewan<strong>de</strong>lt, sind Beschei<strong>de</strong> über Steuern, für die<br />

die Personengesellschaft Steuerschuldnerin war (vgl. Nr. 2.4.1), nach <strong>de</strong>r Umwandlung an die<br />

Kapitalgesellschaft zu richten und dieser bekannt zu geben. Beschei<strong>de</strong> über die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche<br />

Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sind an die Gesellschafter <strong>de</strong>r umgewan<strong>de</strong>lten Personengesellschaft zu<br />

richten (vgl. Nr. 2.5). Wird eine Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft umgewan<strong>de</strong>lt, sind Beschei<strong>de</strong><br />

über Steuern, für die die Kapitalgesellschaft Steuerschuldnerin war, an die Personengesellschaft zu richten.<br />

3. Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s Zustellungsverfahrens<br />

3.1 Zustellungsarten<br />

Die Zustellung richtet sich nach <strong>de</strong>m Verwaltungszustellungsgesetz – VwZG – (§ 122 Abs. 5 Satz 2). Die vom<br />

Amtsgericht zu erlassen<strong>de</strong> Anordnung eines persönlichen Sicherheitsarrestes ist nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>r ZPO<br />

zuzustellen (§ 326 Abs. 4).<br />

Das VwZG sieht die folgen<strong>de</strong>n Zustellungsarten vor:<br />

– Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkun<strong>de</strong> (§ 3 VwZG; vgl. Nr. 3.1.1),<br />

– Zustellung durch die Post mittels Einschreiben (§ 4 VwZG; vgl. Nr. 3.1.2),<br />

– Zustellung (auch eines elektronischen Dokuments) durch die Behör<strong>de</strong> gegen Empfangsbekenntnis (§ 5<br />

VwZG; vgl. Nr. 3.1.3),<br />

– Zustellung (auch eines elektronischen Dokuments) im Ausland (§ 9 VwZG; vgl. Nr. 3.1.4),<br />

– Öffentliche Zustellung (§ 10 VwZG; vgl. Nr. 3.1.5).<br />

Kommen mehrere Zustellungsarten in Betracht, soll die kostengünstigste gewählt wer<strong>de</strong>n, sofern nicht beson<strong>de</strong>re<br />

Umstän<strong>de</strong> (z. B. Zweifel an <strong>de</strong>r Annahmebereitschaft <strong>de</strong>s Empfängers; vgl. Nr. 3.1.2) für eine Zustellung durch<br />

die Post mit Zustellungsurkun<strong>de</strong> sprechen.<br />

Die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum VwZG vom 13.12.1966 (BStBl. I, S. 969), geän<strong>de</strong>rt durch die<br />

Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 27.4.1973 (BStBl. I, S. 220), sind überholt.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 108 von 235


3.1.1 Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkun<strong>de</strong> (§ 3 VwZG)<br />

Soll ein Verwaltungsakt durch die Post mit Zustellungsurkun<strong>de</strong> zugestellt wer<strong>de</strong>n, sind § 3 VwZG sowie die dort<br />

angeführten Vorschriften <strong>de</strong>r §§ 177 bis 181 ZPO zu beachten. „Post“ ist je<strong>de</strong>r Erbringer von<br />

Postdienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 VwZG; siehe auch § 33 <strong>de</strong>s Postgesetzes vom 22.12.1997, BGBl. I,<br />

S. 3294).<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat <strong>de</strong>r Post <strong>de</strong>n Zustellungsauftrag, das zuzustellen<strong>de</strong> Dokument in einem verschlossenen<br />

Umschlag und einen vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkun<strong>de</strong> zu übergeben (§ 3 Abs. 1 VwZG). Für die<br />

Zustellungsurkun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Zustellungsauftrag und <strong>de</strong>n verschlossenen Umschlag sind die in <strong>de</strong>r<br />

Zustellungsvordruckverordnung vom 12.2.2002 (BGBl. I S. 671, 1019), geän<strong>de</strong>rt durch Verordnung vom<br />

23.4.2004 (BGBl. I S. 619), bestimmten Vordrucke zu verwen<strong>de</strong>n (§ 3 Abs. 2 Satz 3 VwZG). Der vorbereitete<br />

Vordruck <strong>de</strong>r Zustellungsurkun<strong>de</strong> muss <strong>de</strong>n Empfänger (vgl. Nrn. 1.5 und 1.6) und das Aktenzeichen (vgl.<br />

Nr. 3.1.1.1) <strong>de</strong>s zuzustellen<strong>de</strong>n Dokuments sowie die Anschrift <strong>de</strong>r auftraggeben<strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong> enthalten.<br />

Fehlen diese Angaben auf <strong>de</strong>r zuzustellen<strong>de</strong>n Sendung ganz o<strong>de</strong>r teilweise, ist die Zustellung unwirksam, auch<br />

wenn die Zustellungsurkun<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s § 182 ZPO genügt. Gleiches gilt, wenn auf <strong>de</strong>r Sendung<br />

ein falsches Aktenzeichen angegeben ist.<br />

Ausnahmsweise kann als Zustellungsanschrift die Postfachnummer gewählt wer<strong>de</strong>n. In diesem Fall ist aber die<br />

tatsächliche Zustellung beim Rücklauf <strong>de</strong>r Zustellungsurkun<strong>de</strong> zu überwachen (BFH-Urteil vom 9.2.1983 – II<br />

R 10/79 – BStBl. II, S. 698). Bei Ersatzzustellung durch Nie<strong>de</strong>rlegung ist die Zustellung nicht wirksam, wenn<br />

die Mitteilung über die Nie<strong>de</strong>rlegung in das Postfach <strong>de</strong>s Empfängers eingelegt wird (BFH-Urteil vom<br />

17.2.1983 – V R 76/77 – BStBl. II, S. 528).<br />

3.1.1.1 Das auf <strong>de</strong>r vorbereiteten Zustellungsurkun<strong>de</strong> und auf <strong>de</strong>m verschlossenen Umschlag anzugeben<strong>de</strong><br />

Aktenzeichen (vgl. Nr. 3.1.1) ist mit Abkürzungen zu bil<strong>de</strong>n. Anhand <strong>de</strong>s Aktenzeichens muss einerseits <strong>de</strong>r<br />

Inhalt <strong>de</strong>s zuzustellen<strong>de</strong>n Dokuments einwandfrei zu i<strong>de</strong>ntifizieren sein (BFH-Urteil vom 18.3.2004 – V R<br />

11/02 – BStBl. II, S. 540), an<strong>de</strong>rerseits muss das Aktenzeichen so gewählt wer<strong>de</strong>n, dass es einem Dritten<br />

möglichst keinen Rückschluss auf <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r Sendung zulässt. Die bloße Angabe <strong>de</strong>r Steuernummer reicht<br />

nicht aus (BFH-Urteil vom 13.10.2005 – IV R 44/03 – BStBl. 2006 II, S. 214).<br />

Neben <strong>de</strong>r Steuernummer und grundsätzlich neben <strong>de</strong>m Datum <strong>de</strong>s zuzustellen<strong>de</strong>n Verwaltungsaktes sind die<br />

folgen<strong>de</strong>n verwaltungsüblichen Abkürzungen und Listennummern zu verwen<strong>de</strong>n.<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Beispiele:<br />

Abkürzung<br />

Inhalt <strong>de</strong>r Sendung<br />

210/50 108, EStB 2005<br />

StNr. 210/50 108, ESt-Bescheid 2005 vom xx. xx. xxxx<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

210/50 108, VZB<br />

StNr. 210/50 108, Vorauszahlungsbescheid für ESt 2006 vom<br />

ESt 2006 vom xx. xx. xxxx<br />

xx. xx. xxxx<br />

210/50 108, HaB LSt 2005<br />

StNr. 210/50 108, Haftungsbescheid<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

für LSt 2005 vom xx. xx. xxxx<br />

210/50 108, NachB LSt 2005<br />

StNr. 210/50 108, Nachfor<strong>de</strong>rungsbescheid für LSt 2005 vom<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

xx. xx. xxxx<br />

210/50 108 EE EStB 2005 StNr. 210/50 108 – Einspruchsentscheidung in Sachen ESt-<br />

Bescheid 2005<br />

210/50 108 EE RbL 150/2006 StNr. 210/50 108 – Einspruchsentscheidung für <strong>de</strong>n in die<br />

Rechtsbehelfsliste 2006 unter Nr. 150 eingetragenen Einspruch<br />

210/50 108 PrA<br />

StNr. 210/50 108 Prüfungsanordnung<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

210/50 108 Mitteilung<br />

141 Abs. 2 AO<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

210/50 108 ZG.-A.<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

StNr. 210/50 108 Mitteilung vom xx. xx. xxxx über <strong>de</strong>n<br />

Beginn <strong>de</strong>r Buchführungspflicht<br />

StNr. 210/50 108 Verwaltungsakt über<br />

die Anordnung eines Zwangsgel<strong>de</strong>s<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

Bei <strong>de</strong>r Zustellung eines Bescheids über die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen muss sich aus<br />

<strong>de</strong>m Aktenzeichen auch <strong>de</strong>r Gegenstand <strong>de</strong>r Feststellung ergeben (BFH-Urteil vom 13.10.2005 – IV R 44/03 –<br />

BStBl. 2006 II, S. 214). Für die hinreichen<strong>de</strong> Unterscheidung von geson<strong>de</strong>rten Feststellungen sind – neben <strong>de</strong>n<br />

übrigen Angaben, wie Steuernummer und Datum <strong>de</strong>s zuzustellen<strong>de</strong>n Verwaltungsaktes (vgl. die vorstehen<strong>de</strong>n<br />

Beispiele) – zweckmäßigerweise die folgen<strong>de</strong>n Kürzel zu verwen<strong>de</strong>n:<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 109 von 235


Beispiele:<br />

Kürzel<br />

VF-ESt 31.12.05<br />

VF-KSt 31.12.05<br />

VF-Gew 31.12.05<br />

Fest2B 2005<br />

ges. Fest 2005<br />

Gegenstand<br />

Feststellung <strong>de</strong>s verbleiben<strong>de</strong>n Verlustvortrages <strong>zur</strong> ESt auf <strong>de</strong>n<br />

31.12.2005<br />

Feststellung <strong>de</strong>s verbleiben<strong>de</strong>n Verlustvortrages <strong>zur</strong> KSt auf <strong>de</strong>n<br />

31.12.2005<br />

Feststellung <strong>de</strong>s vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf <strong>de</strong>n<br />

31.12.2005<br />

Feststellung <strong>de</strong>r negativen Einkünfte aus <strong>de</strong>r Beteiligung an<br />

Verlustzuweisungsgesellschaften nach § 2b EStG i. V. m. § 10d<br />

Abs. 4 EStG für 2005<br />

Geson<strong>de</strong>rte Feststellung gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO für<br />

2005<br />

ges+ein Fest 2005 Geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung i. S. v. § 180 Abs. 1 Nr. 2<br />

Buchst. a AO für 2005<br />

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3.1.1.2 Sollen mehrere Verwaltungsakte (z. B. Einspruchsentscheidungen) verschie<strong>de</strong>nen Inhalts in einer<br />

Postsendung zugestellt wer<strong>de</strong>n, müssen die gesetzlichen Form- und Beurkundungserfor<strong>de</strong>rnisse in Bezug auf<br />

je<strong>de</strong>s einzelne Schriftstück gewahrt wer<strong>de</strong>n. Das Aktenzeichen muss aus Angaben über die einzelnen<br />

Schriftstücke bestehen (BFH-Urteil vom 7.7.2004 – X R 33/02 – BFH/NV 2005 S. 66). Enthält die Sendung<br />

mehr Schriftstücke als durch Aktenzeichen auf <strong>de</strong>r Zustellungsurkun<strong>de</strong> und/o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Umschlag bezeichnet, ist<br />

nur die Zustellung <strong>de</strong>s nicht bezeichneten Schriftstücks unwirksam. Der Zustellungsmangel kann jedoch nach<br />

§ 8 VwZG geheilt wer<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 4.5.2).<br />

3.1.1.3 Eine wirksame Zustellung an mehrere Personen gemeinsam ist nicht möglich, son<strong>de</strong>rn nur die<br />

Zustellung an einen bestimmten Zustellungsempfänger. In <strong>de</strong>r Anschrift auf <strong>de</strong>m Briefumschlag und<br />

<strong>de</strong>mentsprechend in <strong>de</strong>r Zustellungsurkun<strong>de</strong> darf daher als Empfänger nur eine Person angesprochen wer<strong>de</strong>n.<br />

Das gilt auch für die Zustellung an Ehegatten (BFH-Urteil vom 8.6.1995 – IV R 104/94 – BStBl. II, S. 681).<br />

Eine mit <strong>de</strong>r Anschrift „Herrn Adam und Frau Eva Meier“ versehene Sendung kann daher nicht wirksam<br />

zugestellt wer<strong>de</strong>n (vgl. auch Nr. 3.4).<br />

3.1.1.4 Die Zustellungsurkun<strong>de</strong> ist eine öffentliche Urkun<strong>de</strong> i. S. d. § 418 Abs. 1 ZPO (vgl. § 182 Abs. 1 Satz 2<br />

ZPO) und erbringt daher <strong>de</strong>n vollen Beweis für die in ihr bezeugten Tatsachen. Dieser ist aber nach § 418 Abs. 2<br />

ZPO durch Gegenbeweis wi<strong>de</strong>rlegbar. Dies erfor<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n vollen Nachweis eines an<strong>de</strong>ren Geschehensablaufs;<br />

durch bloße Zweifel an <strong>de</strong>r Richtigkeit <strong>de</strong>r urkundlichen Feststellungen ist <strong>de</strong>r Gegenbeweis nicht erbracht<br />

(BFH-Urteil vom 28.9.1993 – II R 34/92 – BFH/NV 1994 S. 291).<br />

3.1.2 Zustellung durch die Post mittels Einschreiben (§ 4 VwZG)<br />

Die durch § 4 VwZG eröffnete Zustellungsmöglichkeit ist auf die Varianten „Einschreiben mittels Übergabe“<br />

und „Einschreiben mit Rückschein“ beschränkt. Die Zustellung mittels eines „Einwurf-Einschreibens“ ist somit<br />

nicht möglich. Nicht nur Briefe, son<strong>de</strong>rn auch umfangreichere Sendungen – z. B. Pakete – können mittels<br />

Einschreiben zugestellt wer<strong>de</strong>n, soweit die Post (zum Begriff <strong>de</strong>r „Post“ vgl. Nr. 3.1.1) dies ermöglicht.<br />

Eine Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein gilt an <strong>de</strong>m Tag als bewirkt, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rückschein angibt.<br />

Zum Nachweis <strong>de</strong>r Zustellung genügt <strong>de</strong>r Rückschein (§ 4 Abs. 2 Satz 1 VwZG). Im Gegensatz zu <strong>de</strong>r bei einer<br />

Zustellung nach § 3 VwZG (vgl. Nr. 3.1.1) errichteten Zustellungsurkun<strong>de</strong> ist <strong>de</strong>r Rückschein keine öffentliche<br />

Urkun<strong>de</strong> i. S. d. § 418 ZPO. Der von <strong>de</strong>m Rückschein ausgehen<strong>de</strong> Nachweis <strong>de</strong>r Zustellung ist somit auf das<br />

Maß eines normalen Beweismittels eingeschränkt. Geht <strong>de</strong>r Rückschein nicht bei <strong>de</strong>r die Zustellung<br />

veranlassen<strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong> ein o<strong>de</strong>r enthält er kein Datum, gilt die Zustellung am dritten Tag nach <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>zur</strong><br />

Post als bewirkt, es sei <strong>de</strong>nn, dass <strong>de</strong>r Verwaltungsakt nicht o<strong>de</strong>r zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im<br />

Zweifel hat die Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Zugang und <strong>de</strong>ssen Zeitpunkt nachzuweisen (§ 4 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwZG).<br />

Eine Zustellung mittels Einschreiben durch Übergabe gilt am dritten Tag nach <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>zur</strong> Post als<br />

bewirkt, es sei <strong>de</strong>nn, dass <strong>de</strong>r Verwaltungsakt nicht o<strong>de</strong>r zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Auch<br />

insoweit hat im Zweifel die Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Zugang und <strong>de</strong>ssen Zeitpunkt nachzuweisen (§ 4 Abs. 2 Sätze 2 und 3<br />

VwZG). Der Tag <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>zur</strong> Post ist in <strong>de</strong>n Akten zu vermerken (§ 4 Abs. 2 Satz 4 VwZG).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 110 von 235


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Für eine eventuelle Ersatzzustellung gelten nicht die §§ 178 bis 181 ZPO, son<strong>de</strong>rn die einschlägigen allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen <strong>de</strong>s in Anspruch genommenen Postdienstleisters. Verweigert <strong>de</strong>r Empfänger o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Ersatzempfänger die Annahme <strong>de</strong>r eingeschriebenen Sendung, wird sie als unzustellbar an <strong>de</strong>n Absen<strong>de</strong>r<br />

<strong>zur</strong>ückgeschickt. Im Gegensatz <strong>zur</strong> Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkun<strong>de</strong> (vgl. Nr. 3.1.1) kann daher<br />

gegen <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s Empfängers bzw. Ersatzempfängers eine Zustellung mittels Einschreiben nicht bewirkt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

3.1.3 Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis (§ 5 VwZG)<br />

Gegen Empfangsbekenntnis kann zugestellt wer<strong>de</strong>n,<br />

– in<strong>de</strong>m die Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n zuzustellen<strong>de</strong>n Verwaltungsakt <strong>de</strong>m Empfänger aushändigt (§ 5 Abs. 1 bis 3 VwZG;<br />

vgl. Nr. 3.1.3.1),<br />

– durch Übermittlung auf an<strong>de</strong>re Weise an Behör<strong>de</strong>n, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Rechts sowie an Angehörige bestimmter Berufe (§ 5 Abs. 4 VwZG; vgl. Nrn. 3.1.3.2, 3.1.3.4<br />

und 3.1.3.5),<br />

– durch elektronische Übermittlung an an<strong>de</strong>re Empfänger unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 5 Abs. 5 VwZG<br />

(vgl. Nrn. 3.1.3.3 bis 3.1.3.5).<br />

3.1.3.1 In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 5 Abs. 1 VwZG ist das zuzustellen<strong>de</strong> Dokument grundsätzlich in einem<br />

verschlossenen Umschlag auszuhändigen. Nur wenn keine schutzwürdigen Interessen <strong>de</strong>s Empfängers<br />

entgegenstehen, kann das Dokument auch offen ausgehändigt wer<strong>de</strong>n. Dies ist z. B. <strong>de</strong>r Fall, wenn das<br />

Dokument durch <strong>de</strong>n fachlich zuständigen Bediensteten selbst – etwa bei Erscheinen <strong>de</strong>s Empfängers in <strong>de</strong>n<br />

Diensträumen – ausgehändigt wird.<br />

Bei einer Ersatzzustellung gem. § 5 Abs. 2 Nr. 3 VwZG ist wegen <strong>de</strong>s Verweises auf § 181 ZPO für die<br />

Mitteilung über die Nie<strong>de</strong>rlegung <strong>de</strong>r Vordruck gem. Anlage 4 <strong>de</strong>r Zustellungsvordruckverordnung vom<br />

12.2.2002 (BGBl. I S. 671) zu verwen<strong>de</strong>n.<br />

3.1.3.2 Nach § 5 Abs. 4 VwZG kann an Behör<strong>de</strong>n, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts, an Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer,<br />

vereidigte Buchprüfer, Steuerberatungsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und<br />

Buchprüfungsgesellschaften auch auf an<strong>de</strong>re Weise, somit z. B. durch einfachen Brief o<strong>de</strong>r elektronisch (auch<br />

durch Telefax), zugeteilt wer<strong>de</strong>n. § 5 Abs. 4 VwZG enthält eine abschließen<strong>de</strong> Aufzählung <strong>de</strong>s in Betracht<br />

kommen<strong>de</strong>n Empfängerkreises. Abweichend von § 174 Abs. 1 ZPO darf daher an an<strong>de</strong>re Personen, bei <strong>de</strong>nen<br />

aufgrund ihres Berufs von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen wer<strong>de</strong>n kann, nicht nach § 5 Abs. 4<br />

VwZG zugestellt wer<strong>de</strong>n; in Betracht kommt aber eine elektronische Zustellung gem. § 5 Abs. 5 VwZG (vgl.<br />

Nr. 3.1.3.3).<br />

Ob eine elektronische Zustellung die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur erfor<strong>de</strong>rt,<br />

bestimmt sich danach, ob für <strong>de</strong>n zuzustellen<strong>de</strong>n Verwaltungsakt die Schriftform gesetzlich vorgeschrieben ist<br />

(§ 87a Abs. 4). Das elektronisch zuzustellen<strong>de</strong> Dokument ist mit einem geeigneten Verfahren zu verschlüsseln<br />

(§ 87a Abs. 1 Satz 3). Die Regelungen <strong>de</strong>s § 87a sind jedoch nicht anwendbar, wenn die elektronische<br />

Zustellung durch Telefax erfolgt (vgl. Nr. 1.8.2). Die Formerfor<strong>de</strong>rnisse <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Nr. 3.1.3.3 gelten daher<br />

insoweit nicht.<br />

3.1.3.3 Gemäß § 5 Abs. 5 VwZG kann ein Dokument auch an einen nicht in § 5 Abs. 4 VwZG genannten<br />

Empfänger elektronisch zugestellt wer<strong>de</strong>n, soweit <strong>de</strong>r Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet hat (<strong>zur</strong><br />

„Zugangseröffnung“ vgl. zu § 87a, Nr. 1). Für die Übermittlung ist das Dokument mit einer qualifizierten<br />

elektronischen Signatur nach <strong>de</strong>m Signaturgesetz zu versehen (§ 5 Abs. 5 Satz 2 VwZG), also auch dann, wenn<br />

für <strong>de</strong>n zuzustellen<strong>de</strong>n Verwaltungsakt die Schriftform nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Es ist gegen<br />

unbefugte Kenntnisnahme Dritter zu schützen (§ 5 Abs. 5 Satz 2 VwZG) und mit einem geeigneten Verfahren zu<br />

verschlüsseln (§ 87a Abs. 1 Satz 3).<br />

3.1.3.4 Bei <strong>de</strong>r elektronischen Zustellung nach § 5 Abs. 4 o<strong>de</strong>r Abs. 5 VwZG ist die Übermittlung mit <strong>de</strong>m<br />

Hinweis „Zustellung gegen Empfangsbekenntnis“ einzuleiten. Die Übermittlung muss die absen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Behör<strong>de</strong>,<br />

<strong>de</strong>n Namen und die Anschrift <strong>de</strong>s Zustellungsadressaten („Empfänger“ i. S. d. Nr. 1.5) sowie <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s<br />

Bediensteten erkennen lassen, <strong>de</strong>r das Dokument <strong>zur</strong> Übermittlung aufgegeben hat (§ 5 Abs. 6 VwZG).<br />

Beizufügen ist ein vorbereitetes Formular für das Empfangsbekenntnis (vgl. Nr. 3.1.3.5).<br />

3.1.3.5 Zum Nachweis <strong>de</strong>r Zustellung in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 5 Abs. 4 und 5 VwZG genügt das mit Datum und<br />

Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis, das an die Behör<strong>de</strong> durch die Post o<strong>de</strong>r elektronisch<br />

<strong>zur</strong>ückzusen<strong>de</strong>n ist (§ 5 Abs. 7 VwZG). Es kann, auch durch Telefax übermittelt wer<strong>de</strong>n. Wird das<br />

Empfangsbekenntnis als elektronisches Dokument erteilt, bedarf es einer qualifizierten elektronischen Signatur<br />

nach <strong>de</strong>m Signaturgesetz, die in diesem Fall die Unterschrift ersetzt.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 111 von 235


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Das datierte und unterschriebene Empfangsbekenntnis erbringt <strong>de</strong>n vollen Beweis dafür, dass das darin<br />

bezeichnete Dokument an <strong>de</strong>m vom Empfänger bezeichneten Tag tatsächlich zugestellt wor<strong>de</strong>n ist; ein<br />

Gegenbeweis ist aber zulässig (BFH-Urteil vom 31.10.2000 – VIII R 14/00 – BStBl. 2001 II, S. 156). Das<br />

Fehlen <strong>de</strong>s Datums auf <strong>de</strong>m vom Empfänger unterschriebenen Empfangsbekenntnis ist für die<br />

Rechtswirksamkeit <strong>de</strong>r Zustellung unschädlich. Maßgebend für <strong>de</strong>n durch die Zustellung ausgelösten Beginn<br />

einer Frist ist <strong>de</strong>r Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Aussteller <strong>de</strong>s Empfangsbekenntnisses das Dokument als zugestellt<br />

entgegengenommen hat (BFH-Beschluss vom 29.8.1982 – VIII R 58/82 – BStBl. 1983 II, S. 63).<br />

Der Rücklauf <strong>de</strong>r Empfangsbekenntnisse ist in geeigneter Weise zu überwachen. Wer<strong>de</strong>n Empfangsbekenntnisse<br />

nicht <strong>zur</strong>ückgesandt, ist zunächst an die Rückgabe zu erinnern. Bleibt diese Erinnerung erfolglos, ist <strong>de</strong>r<br />

Verwaltungsakt auf an<strong>de</strong>re Weise erneut zuzustellen, es sei <strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r Empfänger hat das zuzustellen<strong>de</strong><br />

Dokument in Kenntnis <strong>de</strong>r Zustellungsabsicht nachweislich entgegengenommen und behalten (BFH-Urteil vom<br />

6.3.1990 – II R 131/87 – BStBl. II, S. 477); dies gilt aber nicht bei einer Zustellung nach § 5 Abs. 5 VwZG (vgl.<br />

§ 8 VwZG).<br />

3.1.4 Zustellung im Ausland (§ 9 VwZG)<br />

3.1.4.1 Soweit ein Verwaltungsakt im Ausland zuzustellen ist und nicht ein Fall <strong>de</strong>s § 9 Abs. 1 Nr. 3 VwZG<br />

(vgl. Nr. 3.1.4.2) vorliegt, sollte vorrangig von <strong>de</strong>r Möglichkeit <strong>de</strong>r Zustellung durch Einschreiben mit<br />

Rückschein (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG) bzw. <strong>de</strong>r Zustellung elektronischer Dokumente (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 VwZG)<br />

Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n. Bei<strong>de</strong> Zustellungsarten setzen aber voraus, dass sie „völkerrechtlich zulässig“ sind.<br />

Diese Formulierung umfasst nicht nur völkerrechtliche Übereinkünfte, son<strong>de</strong>rn auch etwaiges<br />

Völkergewohnheitsrecht, ausdrückliches nichtvertragliches Einverständnis, aber auch Tolerierung einer<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Zustellungspraxis durch <strong>de</strong>n Staat, in <strong>de</strong>m zugestellt wer<strong>de</strong>n soll. Es kann davon ausgegangen<br />

wer<strong>de</strong>n, dass eine Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein o<strong>de</strong>r eine Zustellung elektronischer<br />

Dokumente zumin<strong>de</strong>st toleriert wird und daher völkerrechtlich zulässig ist; dies gilt nicht hinsichtlich folgen<strong>de</strong>r<br />

Staaten: Ägypten, Argentinien, China, Republik Korea, Kuwait, Liechtenstein, Mexiko, Russische Fö<strong>de</strong>ration,<br />

San Marino, Schweiz, Sri Lanka, Ukraine, Venezuela.<br />

Zum Beweiswert eines Rückscheins bei <strong>de</strong>r Zustellung durch Einschreiben vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 VwZG sowie<br />

Nr. 3.1.2.<br />

Bei einer Zustellung durch Übermittlung elektronischer Dokumente sind neben <strong>de</strong>r völkerrechtlichen<br />

Zulässigkeit die Regelungen <strong>de</strong>s § 5 Abs. 5 VwZG, insbeson<strong>de</strong>re die Erfor<strong>de</strong>rnisse einer „Zugangseröffnung“<br />

und einer qualifizierten elektronischen Signatur, zu beachten; vgl. Nr. 3.1.3.3. Zum Empfangsbekenntnis vgl. § 9<br />

Abs. 2 Satz 3 VwZG sowie Nr. 3.1.3.5.<br />

3.1.4.2 Zustellungsersuchen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG (Zustellung durch die Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>s frem<strong>de</strong>n<br />

Staates o<strong>de</strong>r durch die zuständige diplomatische o<strong>de</strong>r konsularische Vertretung <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland) o<strong>de</strong>r nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 VwZG (Zustellung durch das Auswärtige Amt) sind auf <strong>de</strong>m<br />

Dienstweg <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern zuzuleiten. Hierbei ist die Staatsangehörigkeit <strong>de</strong>s Empfängers<br />

anzugeben, weil diese für die Ausführung <strong>de</strong>r Zustellung maßgeblich sein kann. Ist die Staatsangehörigkeit nicht<br />

bekannt, so ist dies zu vermerken. Ferner ist Folgen<strong>de</strong>s zu beachten:<br />

– Der zuzustellen<strong>de</strong> Verwaltungsakt muss in Maschinenschrift gefertigt sein und die vollständige ausländische<br />

Anschrift <strong>de</strong>s Empfängers enthalten.<br />

– In <strong>de</strong>m Zustellungsersuchen sind die zuzustellen<strong>de</strong>n Schriftstücke einzeln aufzuführen. Sie sind genau und<br />

mit Datum zu bezeichnen.<br />

– Steuer- o<strong>de</strong>r Haftungsbeschei<strong>de</strong> müssen abgerechnet sein und erfor<strong>de</strong>rlichenfalls ein Leistungsgebot<br />

enthalten. Wegen <strong>de</strong>r Ungewissheit über die Dauer <strong>de</strong>s Zustellungsverfahrens sind etwaige Zahlungsfristen<br />

nicht datumsmäßig zu bestimmen, son<strong>de</strong>rn vom Tag <strong>de</strong>r Zustellung abhängig zu machen (z. B. durch die<br />

Formulierung „einen Monat nach <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r Zustellung dieses Bescheids“).<br />

– In <strong>de</strong>r Rechtsbehelfsbelehrung ist – ggf. unter Än<strong>de</strong>rung eines vorgedruckten Textes – darüber zu belehren,<br />

dass <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Rechtsbehelfsfrist maßgebliche Tag <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Zustellung ist.<br />

– Sind Verwaltungsakte an mehrere Empfänger zuzustellen, müssen jeweils geson<strong>de</strong>rte Zustellungsersuchen<br />

gestellt wer<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 3.2). Dies gilt auch bei Zustellungen an Ehegatten (vgl. Nr. 3.4).<br />

3.1.4.3 Von <strong>de</strong>r durch § 9 Abs. 3 VwZG eingeräumten Möglichkeit, bei einer Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2<br />

o<strong>de</strong>r Nr. 3 VwZG anzuordnen, dass ein inländischer Zustellungsbevollmächtigter benannt wird, sollte nur<br />

Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n, wenn zu erwarten ist, dass künftig Verwaltungsakte erlassen wer<strong>de</strong>n, für die das<br />

Gesetz die förmliche Zustellung vorschreibt (vgl. Nr. 1.8.3). Ansonsten ist vorrangig nach § 123 zu verfahren,<br />

soweit die Benennung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten für erfor<strong>de</strong>rlich o<strong>de</strong>r zweckmäßig gehalten<br />

wird.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 112 von 235


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3.1.5 Öffentliche Zustellung (§ 10 VwZG)<br />

Die öffentliche Zustellung kommt nur als „letztes Mittel“ <strong>de</strong>r Bekanntgabe in Betracht, wenn alle Möglichkeiten<br />

erschöpft sind, das Dokument <strong>de</strong>m Empfänger in an<strong>de</strong>rer Weise zu übermitteln.<br />

3.1.5.1 Eine öffentliche Zustellung wegen eines unbekannten Aufenthaltsortes <strong>de</strong>s Empfängers (§ 10 Abs. 1<br />

Satz 1 Nr. 1 VwZG) ist nicht bereits dann zulässig, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> die Anschrift nicht kennt o<strong>de</strong>r<br />

Briefe als unzustellbar <strong>zur</strong>ückkommen. Die Anschrift <strong>de</strong>s Empfängers muss vielmehr allgemein unbekannt sein<br />

(BFH-Urteil vom 9.12.2009 – X R 54/06 – BStBl. 2010 II, S. 732). Dies ist durch eine Erklärung <strong>de</strong>r<br />

zuständigen Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r auf an<strong>de</strong>re Weise zu belegen. Die bloße Feststellung, dass sich <strong>de</strong>r Empfänger<br />

bei <strong>de</strong>r Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong> abgemel<strong>de</strong>t hat, ist nicht ausreichend. Die Finanzbehör<strong>de</strong> muss daher, bevor sie durch<br />

öffentliche Bekanntmachung zustellt, die nach Sachlage gebotenen und zumutbaren Ermittlungen anstellen.<br />

Dazu gehören insbeson<strong>de</strong>re Nachforschungen bei <strong>de</strong>r Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong>, u. U. auch die Befragung von Angehörigen<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s bisherigen Vermieters <strong>de</strong>s Empfängers. Auch Hinweisen auf <strong>de</strong>n mutmaßlichen neuen Aufenthaltsort<br />

<strong>de</strong>s Empfängers muss durch Rückfrage bei <strong>de</strong>r dortigen Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong> nachgegangen wer<strong>de</strong>n.<br />

Eine Rechtspflicht <strong>de</strong>r zustellen<strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>, Anschriften im Ausland zu ermitteln, ist regelmäßig zu verneinen,<br />

wenn ein Fall <strong>de</strong>r „Auslandsflucht“ vorliegt o<strong>de</strong>r wenn sich <strong>de</strong>r Empfänger beim inländischen Mel<strong>de</strong>register „ins<br />

Ausland“ ohne Angabe einer Anschrift abgemel<strong>de</strong>t hat o<strong>de</strong>r sich in einer Weise verhält, die auf seine Absicht<br />

schließen lässt, seinen Aufenthaltsort zu verheimlichen. Die Finanzbehör<strong>de</strong> ist in diesen Fällen vorrangig nur zu<br />

Ermittlungsmaßnahmen im Inland verpflichtet, z. B. durch Nachfragen beim Einwohnermel<strong>de</strong>amt und bei<br />

Kontaktpersonen <strong>de</strong>s Empfängers (BFH-Urteil vom 9.12.2009, a.a.O.). Ist aber zu vermuten, dass sich <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige in einem bestimmten an<strong>de</strong>ren Land aufhält, sind die Ermittlungsmöglichkeiten <strong>de</strong>s<br />

zwischenstaatlichen Auskunftsaustauschs nach <strong>de</strong>m BMF-Schreiben vom 25.1.2006, BStBl. I, S. 26<br />

auszuschöpfen (BFH-Urteil vom 9.12.2009, a.a.O.).<br />

Nicht zulässig ist es beispielsweise, eine öffentliche Zustellung bereits dann anzuordnen, wenn eine versuchte<br />

Bekanntgabe unter einer Adresse, die <strong>de</strong>r Empfänger angegeben hat, einmalig fehlgeschlagen ist o<strong>de</strong>r wenn<br />

lediglich die Vermutung besteht, dass eine Adresse, an die sich <strong>de</strong>r Empfänger bei <strong>de</strong>r Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong> abgemel<strong>de</strong>t<br />

hat, eine Scheinadresse ist (BFH-Urteil vom 6.6.2000 – VII R 55/99 – BStBl. II, S. 560, und BFH-Beschluss<br />

vom 13.3.2003 – VII B 196/02 – BStBl. II, S. 609). Eine öffentliche Zustellung ist aber wirksam, wenn die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> durch unrichtige Auskünfte Dritter zu <strong>de</strong>r unrichtigen Annahme verleitet wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Empfänger<br />

sei unbekannten Aufenthaltsortes, sofern die Finanzbehör<strong>de</strong> auf die Richtigkeit <strong>de</strong>r ihr erteilten Auskunft<br />

vertrauen konnte (BFH-Beschluss vom 13.3.2003 – VII B 196/02 – BStBl. II, S. 609).<br />

3.1.5.2 Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwZG kann öffentlich zugestellt wer<strong>de</strong>n, wenn bei juristischen<br />

Personen, die <strong>zur</strong> Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Han<strong>de</strong>lsregister verpflichtet<br />

sind, eine Zustellung we<strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>r eingetragenen Anschrift noch unter einer im Han<strong>de</strong>lsregister eingetragenen<br />

Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person o<strong>de</strong>r einer ohne Ermittlungen bekannten an<strong>de</strong>ren<br />

inländischen Anschrift möglich ist.<br />

3.1.5.3 Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwZG kommt eine öffentliche Zustellung in Betracht, wenn eine<br />

Zustellung im Ausland (§ 9 VwZG; vgl. Nr. 3.1.4) nicht möglich ist o<strong>de</strong>r keinen Erfolg verspricht. Eine<br />

Zustellung im Ausland verspricht keinen Erfolg, wenn sie grundsätzlich möglich wäre, ihre Durchführung aber<br />

etwa wegen Kriegs, Abbruchs <strong>de</strong>r diplomatischen Beziehungen, Verweigerung <strong>de</strong>r Amtshilfe o<strong>de</strong>r<br />

un<strong>zur</strong>eichen<strong>de</strong>r Vornahme durch die örtlichen Behör<strong>de</strong>n nicht zu erwarten ist. Der Umstand, dass die<br />

Ausführung eines Zustellungsersuchens längere Zeit in Anspruch nehmen wird, rechtfertigt aber nicht die<br />

Anordnung einer öffentlichen Zustellung (BFH-Urteil vom 6.6.2000 – VII R 55/99 – BStBl. II, S. 560).<br />

Sobald die ausländische Anschrift <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bekannt ist und eine Postverbindung besteht, sind nach<br />

erfolgter öffentlicher Zustellung <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Tatsache <strong>de</strong>r öffentlichen Zustellung und <strong>de</strong>r Inhalt<br />

<strong>de</strong>s Verwaltungsaktes (z. B. durch Beifügen einer Ablichtung) mit einfachem Brief mitzuteilen. Diese Mitteilung<br />

ist an Empfänger in sämtlichen Staaten zulässig, da es sich hierbei mangels rechtlicher Regelung nicht um einen<br />

Verwaltungsakt han<strong>de</strong>lt.<br />

3.1.5.4 Zur Durchführung <strong>de</strong>r öffentlichen Zustellung ist nicht <strong>de</strong>r Inhalt (auch nicht <strong>de</strong>r verfügen<strong>de</strong> Teil) <strong>de</strong>s<br />

zuzustellen<strong>de</strong>n Verwaltungsaktes öffentlich bekannt zu geben, son<strong>de</strong>rn lediglich eine Benachrichtigung mit<br />

weitgehend neutralem Inhalt (§ 10 Abs. 2 VwZG). Die Benachrichtigung muss die Behör<strong>de</strong>, für die zugestellt<br />

wird, <strong>de</strong>n Namen und die letzte bekannte Anschrift <strong>de</strong>s Zustellungsempfängers, das Datum und das<br />

Aktenzeichen <strong>de</strong>s Dokuments sowie die Stelle, wo das Dokument eingesehen wer<strong>de</strong>n kann, erkennen lassen<br />

(§ 10 Abs. 2 Satz 2 VwZG). Für das in <strong>de</strong>r Benachrichtigung anzugeben<strong>de</strong> Aktenzeichen <strong>de</strong>s zuzustellen<strong>de</strong>n<br />

Dokuments (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwZG) gelten die Ausführungen in Nr. 3.1.1.1 entsprechend. Die<br />

Benachrichtigung muss ferner <strong>de</strong>n Hinweis enthalten, dass das Dokument öffentlich zugestellt wird und Fristen<br />

in Lauf gesetzt wer<strong>de</strong>n können, nach <strong>de</strong>ren Ablauf Rechtsverluste eintreten können (§ 10 Abs. 2 Satz 3 VwZG).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 113 von 235


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Bei <strong>de</strong>r Zustellung einer Ladung muss die Benachrichtigung <strong>de</strong>n Hinweis enthalten, dass das Dokument eine<br />

Ladung zu einem Termin enthält, <strong>de</strong>ssen Versäumung Rechtsnachteile <strong>zur</strong> Folge haben kann (§ 10 Abs. 2 Satz 4<br />

VwZG). Die Benachrichtigung ist an <strong>de</strong>r Stelle bekannt zu machen, die von <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> hierfür allgemein<br />

bestimmt ist (z. B. durch Aushang im Dienstgebäu<strong>de</strong>). Alternativ hierzu kann die Benachrichtigung auch durch<br />

Veröffentlichung im Bun<strong>de</strong>sanzeiger o<strong>de</strong>r im elektronischen Bun<strong>de</strong>sanzeiger bekannt gemacht wer<strong>de</strong>n (§ 10<br />

Abs. 2 Satz 1 VwZG). In <strong>de</strong>n Akten ist zu vermerken, wann und in welcher Weise die Benachrichtigung bekannt<br />

gemacht wur<strong>de</strong> (§ 10 Abs. 2 Satz 5 VwZG).<br />

Wird die Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung durch Aushang bekannt gemacht, ist sie stets bis zu<br />

<strong>de</strong>m Zeitpunkt auszuhängen, zu <strong>de</strong>m die Zustellung nach § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG als bewirkt anzusehen ist.<br />

Das gilt auch dann, wenn <strong>de</strong>r Empfänger vor Fristablauf bei <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> erscheint und ihm das<br />

zuzustellen<strong>de</strong> Schriftstück ausgehändigt wird (vgl. Nr. 3.1.5.5). Die Aushändigung ist in <strong>de</strong>n Akten zu<br />

vermerken.<br />

3.1.5.5 Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r Bekanntmachung <strong>de</strong>r Benachrichtigung als<br />

zugestellt (§ 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG). Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>m Empfänger vor Ablauf dieser zweiwöchigen<br />

Frist <strong>de</strong>r Verwaltungsakt ausgehändigt wur<strong>de</strong>. Die Frist gem. § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG bestimmt sich nach<br />

§ 108 Abs. 1 AO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Danach ist bei <strong>de</strong>r Berechnung einer Aushangfrist <strong>de</strong>r<br />

Tag <strong>de</strong>s Aushangs nicht mit<strong>zur</strong>echnen. Die Frist en<strong>de</strong>t mit Ablauf <strong>de</strong>s Tages, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Aushangtag<br />

kalen<strong>de</strong>rmäßig entspricht. Bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r Frist ist ggf. § 108 Abs. 3 AO zu beachten (vgl. zu § 108<br />

Nr. 1).<br />

3.2 Zustellung an mehrere Beteiligte<br />

Soll ein Verwaltungsakt mehreren Beteiligten zugestellt wer<strong>de</strong>n, so ist – soweit kein gemeinsamer<br />

Bevollmächtigter vorhan<strong>de</strong>n ist (vgl. Nr. 3.3) – das Dokument je<strong>de</strong>m einzelnen geson<strong>de</strong>rt zuzustellen (vgl. zu<br />

Nr. 3.1.1.3 und Nr. 3.1.4.2). Zur Zustellung an Ehegatten vgl. Nr. 3.4.<br />

3.3 Zustellung an Bevollmächtigte (§ 7 VwZG)<br />

3.3.1 Ist für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt, kann an diesen zugestellt wer<strong>de</strong>n (§ 7 Abs. 1 Satz 1<br />

VwZG). Hat <strong>de</strong>r Bevollmächtigte eine schriftliche Vollmacht vorgelegt, muss an diesen zugestellt wer<strong>de</strong>n (§ 7<br />

Abs. 1 Satz 2 VwZG); dies gilt auch, wenn die Vollmacht in elektronischer Form (§ 87a Abs. 3) vorgelegt<br />

wur<strong>de</strong>. Eine Zustellung direkt an <strong>de</strong>n/die Beteiligten ist in diesem Falle unwirksam. Haben mehrere Beteiligte<br />

einen gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten bestellt, genügt es, <strong>de</strong>m Bevollmächtigten eine Ausfertigung<br />

<strong>de</strong>s Dokuments mit Wirkung für alle Beteiligten zuzustellen (§ 7 Abs. 1 Satz 3 VwZG; BFH-Urteil vom<br />

13.8.1970 – IV 48/65 – BStBl. II, S. 839). Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>r Verfahrensbevollmächtigte selbst Beteiligter<br />

ist und zugleich an<strong>de</strong>re Beteiligte vertritt.<br />

3.3.2 Einem Zustellungsbevollmächtigten mehrerer Beteiligter sind so viele Ausfertigungen o<strong>de</strong>r Abschriften<br />

zuzustellen, als Beteiligte vorhan<strong>de</strong>n sind (§ 7 Abs. 2 VwZG).<br />

3.3.3 Haben mehrere Personen im Feststellungsverfahren einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten<br />

(§ 183; § 6 <strong>de</strong>r V zu § 180 Abs. 2 AO), so vertritt dieser die Feststellungsbeteiligten auch bei Zustellungen (§ 7<br />

Abs. 3 VwZG). Dem Empfangsbevollmächtigten ist eine Ausfertigung <strong>de</strong>s Dokuments zuzustellen und dabei<br />

darauf hinzuweisen, dass die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen alle von ihm vertretenen<br />

Feststellungsbeteiligten erfolgt (§ 183 Abs. 1 Satz 5; § 6 Abs. 1 Satz 5 <strong>de</strong>r V zu § 180; vgl. Nr. 2.5.2).<br />

3.3.4 Soll eine Einspruchsentscheidung zugestellt wer<strong>de</strong>n (vgl. zu § 366, Nr. 2), hat die Finanzbehör<strong>de</strong> diese<br />

<strong>de</strong>m Verfahrensbevollmächtigten (vgl. Nr. 3.3.1) auch ohne Nachweis einer Vollmacht zuzustellen, wenn dieser<br />

<strong>de</strong>n Einspruch eingelegt und die Finanzbehör<strong>de</strong> ihn als Bevollmächtigten in <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung<br />

aufgeführt hat (BFH-Urteil vom 25.10.1963 – III 7/60 U – BStBl. III, S. 600). Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige <strong>de</strong>n<br />

Einspruch selbst eingelegt, ist jedoch im weiteren Verlauf <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens ein Bevollmächtigter für<br />

<strong>de</strong>n Steuerpflichtigen aufgetreten, ist die Einspruchsentscheidung nur dann <strong>de</strong>m Bevollmächtigten zuzustellen,<br />

wenn eine Empfangsvollmacht vorliegt o<strong>de</strong>r das Interesse <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen an einer Bekanntgabe gegenüber<br />

<strong>de</strong>m Bevollmächtigten nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalls ein<strong>de</strong>utig erkennbar ist (BFH-Urteil vom<br />

29.7.1987 – I R 367, 379/83 – BStBl. 1988 II, S. 242).<br />

3.4 Zustellung an Ehegatten<br />

Der Grundsatz <strong>de</strong>r Nr. 3.2 ist auch bei <strong>de</strong>r Zustellung an Ehegatten zu beachten.<br />

Haben bei<strong>de</strong> Ehegatten gegen einen zusammengefassten Steuerbescheid (vgl. Nr. 2.1.1) Einspruch eingelegt, so<br />

ist – falls die Finanzbehör<strong>de</strong> die förmliche Zustellung angeordnet hat (vgl. Nr. 1.8.3 und zu § 366, Nr. 2) –<br />

grundsätzlich je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Ehegatten je eine Ausfertigung <strong>de</strong>r an bei<strong>de</strong> zu richten<strong>de</strong>n einheitlichen<br />

Einspruchsentscheidung zuzustellen (BFH-Urteil vom 8.6.1995 – IV R 104/94 – BStBl. II, S. 681; vgl. auch<br />

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Nr. 3.1.1.3). Dies gilt unabhängig davon, in welcher Weise (vgl. Nrn. 2.1.1 bis 2.1.5) <strong>de</strong>r angefochtene Bescheid<br />

bekannt gegeben wor<strong>de</strong>n ist. Bei einer Zustellung mittels Einschreiben (vgl. Nr. 3.1.2) können aber bei<strong>de</strong><br />

Ausfertigungen in einer an bei<strong>de</strong> Eheleute gemeinsam adressierten Sendung <strong>zur</strong> Post gegeben wer<strong>de</strong>n (Urteil <strong>de</strong>s<br />

FG Bremen vom 23.6.1992 – II 87/91 K – EFG S. 758).<br />

Tritt gegenüber <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> nur einer <strong>de</strong>r Ehegatten im Einspruchsverfahren auf, so ist im Zweifel zu<br />

klären, ob dieser <strong>de</strong>n Einspruch nur im eigenen Namen o<strong>de</strong>r auch für <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ehegatten führt. Bei Vorliegen<br />

einer „Vollmacht“ ist zu unterschei<strong>de</strong>n, ob <strong>de</strong>r Einspruchsführer Zustellungsbevollmächtigter (vgl. Nr. 3.3.2)<br />

o<strong>de</strong>r Verfahrensbevollmächtigter (vgl. Nr. 3.3.1) ist. Dem Ehegatten als Zustellungsbevollmächtigten darf mit<br />

Wirkung auch für <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ehegatten zugestellt wer<strong>de</strong>n, wobei an ihn je eine Ausfertigung <strong>de</strong>r<br />

Entscheidung für je<strong>de</strong>n Ehegatten zuzustellen ist. Dem Ehegatten als Verfahrensbevollmächtigten muss mit<br />

Wirkung für <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ehegatten zugestellt wer<strong>de</strong>n, wobei eine Ausfertigung genügt.<br />

4. Folgen von Verfahrens- und Formfehlern<br />

4.1 Unwirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes wegen inhaltlicher Mängel<br />

Fehlen in einem Verwaltungsakt unverzichtbare wesentliche Bestandteile (siehe zum Steuerbescheid § 157<br />

Abs. 1 Satz 2), die dazu führen, dass dieser inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist (§ 119 Abs. 1), so ist ein<br />

solcher Verwaltungsakt gemäß § 125 Abs. 1 nichtig und damit unwirksam (§ 124 Abs. 3). Eine Heilung<br />

<strong>de</strong>rartiger Fehler ist nicht möglich, vielmehr ist ein neuer Verwaltungsakt zu erlassen (BFH-Urteil vom<br />

17.7.1986 – V R 96/85 – BStBl. II, S. 834).<br />

4.1.1 Wird <strong>de</strong>r Steuerschuldner (Inhaltsadressat) im Steuerbescheid gar nicht, falsch o<strong>de</strong>r so ungenau<br />

bezeichnet, dass Verwechslungen möglich sind, ist <strong>de</strong>r Verwaltungsakt wegen inhaltlicher Unbestimmtheit<br />

nichtig und damit unwirksam. Eine Heilung im weiteren Verfahren gegen <strong>de</strong>n tatsächlichen Schuldner ist nicht<br />

möglich, es muss ein neuer Steuerbescheid mit richtiger Bezeichnung <strong>de</strong>s Steuerschuldners (Inhaltsadressaten)<br />

verfügt und bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 17.3.1970 – II 65/63 – BStBl. II, S. 598).<br />

Ist dagegen im Steuerbescheid eine falsche Person ein<strong>de</strong>utig und zweifelsfrei als Steuerschuldner<br />

(Inhaltsadressat) angegeben und wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bescheid dieser Person bekannt gegeben, so ist <strong>de</strong>r Bescheid nicht<br />

nichtig, son<strong>de</strong>rn rechtswidrig und damit lediglich anfechtbar (BFH-Beschluss vom 17.11.1987 – V B 111/87 –<br />

BFH/NV 1988 S. 682).<br />

4.1.2 Konnte im Fall einer Gesamtrechtsnachfolge ein Steuerbescheid <strong>de</strong>m Rechtsvorgänger (Erblasser) nicht<br />

mehr rechtswirksam bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n, ist <strong>de</strong>r Bescheid an <strong>de</strong>n Gesamtrechtsnachfolger als<br />

Steuerschuldner (Inhaltsadressaten) zu richten. Ein gleichwohl an <strong>de</strong>n Rechtsvorgänger gerichteter Bescheid ist<br />

unwirksam (BFH-Urteil vom 24.3.1970 – I R 141/69 – BStBl. II, S. 501, vgl. Nr. 2.12.1).<br />

4.1.3 Ein Verwaltungsakt, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Inhaltsadressaten selbst bekannt gegeben wird, obwohl eine an<strong>de</strong>re Person<br />

<strong>de</strong>r zutreffen<strong>de</strong> Bekanntgabeadressat ist (vgl. Nr. 1.4.3), ist unwirksam (BFH-Urteil vom 14.5.1968 –<br />

II B 41/67 – BStBl. II, S. 503). Eine Heilung ist nicht möglich; vielmehr ist ein neuer Verwaltungsakt mit<br />

Bezeichnung <strong>de</strong>s zutreffen<strong>de</strong>n Bekanntgabeadressaten (vgl. Nr. 1.4.3) zu erlassen. Zu <strong>de</strong>n Folgen einer nur<br />

fehlerhaften Bezeichnung <strong>de</strong>s Bekanntgabeadressaten vgl. Nr. 4.2.3.<br />

4.2 Wirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes trotz inhaltlicher Mängel<br />

4.2.1 Wird <strong>de</strong>r richtige Steuerschuldner (Inhaltsadressat) lediglich ungenau bezeichnet, ohne dass Zweifel an <strong>de</strong>r<br />

I<strong>de</strong>ntität bestehen (z. B. falsche Bezeichnung <strong>de</strong>r Rechtsform einer Gesellschaft: OHG statt KG, GbR statt OHG<br />

o. Ä.), so liegt kein Fall <strong>de</strong>r inhaltlichen Unbestimmtheit vor. Der Steuerbescheid ist daher nicht unwirksam; die<br />

falsche Bezeichnung kann berichtigt wer<strong>de</strong>n (BGH-Urteile vom 26.6.1974 – II R 199/72 – BStBl. II, S. 724 und<br />

vom 26.9.1974 – IV R 24/71 – BStBl. 1975 II, S. 311; BFH-Beschluss vom 18.3.1998 – IV B 50/97 – BFH/NV<br />

S. 1255).<br />

4.2.2 Ist in einem Feststellungsbescheid ein Beteiligter falsch bezeichnet, weil Rechtsnachfolge eingetreten ist,<br />

kann dies durch beson<strong>de</strong>ren Bescheid gegenüber <strong>de</strong>n Betroffenen berichtigt wer<strong>de</strong>n (§ 182 Abs. 3).<br />

4.2.3 Die fehlerhafte Bezeichnung <strong>de</strong>s Bekanntgabeadressaten macht <strong>de</strong>n Bescheid nicht in je<strong>de</strong>m Fall<br />

unwirksam, die Bekanntgabe kann aber fehlerhaft sein. Die aus einer formell fehlerhaften Bezeichnung<br />

herrühren<strong>de</strong>n Mängel können geheilt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zutreffend bestimmte, aber<br />

fehlerhaft bezeichnete Bekanntgabeadressat tatsächlich vom Inhalt <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s Kenntnis erhält.<br />

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Beispiel:<br />

Der gesetzliche Vertreter (Bekanntgabeadressat) eines Min<strong>de</strong>rjährigen (Steuerschuldner und Inhaltsadressat)<br />

wird irrtümlich als Adam Meier bezeichnet, obwohl es sich um Alfred Meier han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Verwaltungsakt<br />

auch tatsächlich zugeht.<br />

Aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rechtssicherheit soll im Zweifel die Bekanntgabe <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes unter richtiger Angabe<br />

<strong>de</strong>s Bekanntgabeadressaten wie<strong>de</strong>rholt wer<strong>de</strong>n.<br />

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4.2.4 Geringfügige Abweichungen bei <strong>de</strong>r Bezeichnung <strong>de</strong>s Inhaltsadressaten, <strong>de</strong>s Bekanntgabeadressaten<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Empfängers, die – insbeson<strong>de</strong>re bei ausländischen Namen – auf technischen Schwierigkeiten,<br />

Lesefehlern usw. beruhen, machen <strong>de</strong>n Bescheid we<strong>de</strong>r unwirksam noch anfechtbar. Dies gilt auch, wenn bei<br />

einer juristischen Person ein unwesentlicher Namensbestandteil weggelassen o<strong>de</strong>r abgekürzt wird o<strong>de</strong>r eine<br />

allgemein übliche Kurzformel eines eingetragenen Namens verwen<strong>de</strong>t wird. Bei einem Verstoß gegen das<br />

Namensrecht (z. B. Abkürzung überlanger Namen, Übersehen von A<strong>de</strong>lsprädikaten o<strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mischen Gra<strong>de</strong>n)<br />

wird <strong>de</strong>r Steuerbescheid <strong>de</strong>nnoch durch Bekanntgabe wirksam, wenn <strong>de</strong>r Steuerschuldner (Inhaltsadressat) durch<br />

die verwen<strong>de</strong>ten Angaben unverwechselbar bezeichnet wird.<br />

4.3 Unwirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes wegen eines Bekanntgabemangels<br />

Ein Verwaltungsakt wird erst mit ordnungsgemäßer Bekanntgabe wirksam (§ 122 Abs. 1, § 124). Zur Heilung<br />

von Bekanntgabemängeln vgl. Nr. 4.4.4; zu Mängeln bei <strong>de</strong>r förmlichen Zustellung vgl. Nr. 4.5.<br />

Wird ein inhaltlich richtiger Verwaltungsakt einem auf <strong>de</strong>r Postsendung unrichtig ausgewiesenen Empfänger<br />

übermittelt (z. B. Briefumschläge wer<strong>de</strong>n vertauscht), ist <strong>de</strong>r Verwaltungsakt we<strong>de</strong>r gegenüber <strong>de</strong>m richtigen<br />

noch gegenüber <strong>de</strong>m falschen Empfänger wirksam.<br />

Beispiel:<br />

Das FA erlässt einen für Herrn Konrad Meier, Sternstraße 25, 53111 Bonn, bestimmten<br />

Einkommensteuerbescheid. Der Bescheid weist im Anschriftenfeld die vorstehen<strong>de</strong> Adresse aus, wird aber in<br />

einem Briefumschlag eingelegt, <strong>de</strong>r an Herrn Ludwig Meier, Königstraße 200, 40212 Düsseldorf, adressiert ist.<br />

Der Bescheid ist nicht wegen fehlen<strong>de</strong>r inhaltlicher Bestimmtheit nichtig, weil aus ihm ein<strong>de</strong>utig hervorgeht,<br />

wer Steuerschuldner (Inhaltsadressat) ist. Er wur<strong>de</strong> jedoch nicht <strong>de</strong>m Beteiligten, für <strong>de</strong>n er bestimmt ist,<br />

bekannt gegeben und ist damit nicht wirksam. Die Unwirksamkeit <strong>de</strong>s Bescheids kann unter entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 125 Abs. 5 förmlich festgestellt wer<strong>de</strong>n. Gegenüber <strong>de</strong>m richtigen<br />

Bekanntgabeadressaten/Empfänger wird er erst wirksam, wenn die Bekanntgabe an diesen nachgeholt wird.<br />

Leitet <strong>de</strong>r falsche Empfänger die Ausfertigung <strong>de</strong>s Verwaltungsakts an <strong>de</strong>n richtigen Empfänger<br />

(Bekanntgabeadressaten) weiter, wird <strong>de</strong>r zunächst vorliegen<strong>de</strong> Bekanntgabemangel geheilt und <strong>de</strong>r<br />

Verwaltungsakt wirksam (vgl. Nrn. 4.4.1, 4.4.4 und 1.7.3).<br />

4.4 Wirksame Bekanntgabe<br />

4.4.1 Fehler beim technischen Ablauf <strong>de</strong>r Übermittlung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes und Verletzungen von<br />

Formvorschriften können unbeachtlich sein (§ 127), wenn <strong>de</strong>r Betroffene <strong>de</strong>n für ihn bestimmten<br />

Verwaltungsakt tatsächlich <strong>zur</strong> Kenntnis genommen hat (vgl. Nrn. 4.2.3 und 4.4.4 zweiter Absatz). An<strong>de</strong>rerseits<br />

kann eine Bekanntgabe im Rechtssinne unter bestimmten Voraussetzungen auch wirksam sein, wenn <strong>de</strong>r<br />

Betroffene selbst <strong>de</strong>n Verwaltungsakt tatsächlich nicht erhalten, <strong>zur</strong> Kenntnis genommen o<strong>de</strong>r verstan<strong>de</strong>n hat.<br />

Das Gesetz fingiert in diesen Fällen die Bekanntgabe (z. B. bei Übermittlung an einen für <strong>de</strong>n Betroffenen<br />

han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Bekanntgabeadressaten). Zu <strong>de</strong>n Folgen <strong>de</strong>r Nichtbeachtung einer Empfangsvollmacht vgl. zu<br />

Nr. 1.7.3.<br />

4.4.2 Ein Feststellungsbescheid, <strong>de</strong>r im Anschriftenfeld eine im Zeitpunkt seines Erlasses bereits erloschene<br />

Personengesellschaft benennt, ist wirksam bekannt gegeben, wenn aus <strong>de</strong>m Gesamtinhalt <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s<br />

erkennbar ist, für welche Personen und in welcher Höhe Besteuerungsgrundlagen festgestellt wer<strong>de</strong>n, und dieser<br />

Bescheid diesen Personen auch übermittelt wird (BFH-Urteil vom 27.4.1978 – IV R 187/74 – BStBl. 1979 II,<br />

S. 89).<br />

4.4.3 Solange das Ausschei<strong>de</strong>n eines Gesellschafters im Han<strong>de</strong>lsregister nicht eingetragen und <strong>de</strong>m Finanzamt<br />

auch sonst nicht bekannt gewor<strong>de</strong>n ist, ist die Bekanntgabe <strong>de</strong>s Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s an einen<br />

Empfangsbevollmächtigten i. S. d. § 183 auch <strong>de</strong>m ausgeschie<strong>de</strong>nen Gesellschafter gegenüber wirksam erfolgt<br />

(BFH-Urteile vom 3.11.1959 – I 2/59 U – BStBl. 1960 III, S. 96 und vom 14.12.1978 – IV R 221/75 –<br />

BStBl. 1979 II, S. 503; vgl. Nr. 2.5.5 und Nr. 4.2.2).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 116 von 235


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4.4.4 Heilung von Bekanntgabemängeln<br />

Bekanntgabemängel können unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s entsprechend anwendbaren § 8 VwZG (vgl. hierzu<br />

Nr. 4.5.1) geheilt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 29.10.1997 – X R 37/95 – BStBl. 1998 II, S. 266).<br />

Ein Verwaltungsakt kann trotz unrichtig angegebener Anschrift wirksam sein, wenn <strong>de</strong>r Bekanntgabeadressat die<br />

Sendung tatsächlich erhält (BFH-Urteil vom 1.2.1990 – V R 74/85 – BFH/NV 1991 S. 2, für <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>r<br />

Angabe einer unzutreffen<strong>de</strong>n Hausnummer).<br />

Wird <strong>de</strong>m Bekanntgabeadressaten eines Verwaltungsakts die Einspruchsentscheidung ordnungsgemäß bekannt<br />

gegeben, so kommt es auf Bekanntgabemängel <strong>de</strong>s ursprünglichen Beschei<strong>de</strong>s grundsätzlich nicht mehr an<br />

(BFH-Urteile vom 28.10.1988 – III R 52/86 – BStBl. 1989 II, S. 257 und vom 16.5.1990 – X R 147/87 –<br />

BStBl. II, S. 942). Der Fehler bei <strong>de</strong>r Bekanntgabe wird jedoch nicht geheilt, wenn <strong>de</strong>r Einspruch in <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsentscheidung als unzulässig verworfen wird (BFH-Urteil vom 25.1.1994 – VIII R 49/92 – BStBl. II,<br />

S. 603).<br />

4.4.5 Zusammengefasste Steuerbeschei<strong>de</strong><br />

Zusammengefasste Steuerbeschei<strong>de</strong> (§ 155 Abs. 3) können gegenüber mehreren Beteiligten zu verschie<strong>de</strong>nen<br />

Zeitpunkten bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Eine unterlassene o<strong>de</strong>r unwirksame Bekanntgabe kann je<strong>de</strong>rzeit<br />

nachgeholt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 25.5.1976 – VIII R 66/74 – BStBl. II, S. 606); <strong>de</strong>r Ablauf <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist ist zu beachten. Die Wirksamkeit eines Steuerbeschei<strong>de</strong>s gegenüber einem Beteiligten wird<br />

nicht dadurch berührt, dass dieser Bescheid gegenüber einem an<strong>de</strong>ren Beteiligten unwirksam ist. Zur<br />

Bekanntgabe an Ehegatten vgl. Nr. 2.1.<br />

4.5 Fehler bei förmlichen Zustellungen<br />

4.5.1 Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen o<strong>de</strong>r ist es unter Verletzung<br />

zwingen<strong>de</strong>r Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es als in <strong>de</strong>m Zeitpunkt zugestellt, in <strong>de</strong>m es <strong>de</strong>m<br />

Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist; im Fall <strong>de</strong>s § 5 Abs. 5 VwZG (Zustellung eines elektronischen<br />

Dokuments; vgl. Nrn. 3.1.3.3 bis 3.1.3.5) in <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Empfänger das Empfangsbekenntnis<br />

<strong>zur</strong>ückgesen<strong>de</strong>t hat (§ 8 VwZG). Dies gilt auch dann, wenn durch die Zustellung eine Klagefrist in Lauf gesetzt<br />

wird (z. B. in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r behördlich angeordneten förmlichen Zustellung einer Einspruchsentscheidung). Ein<br />

Zustellungsmangel ist nach § 8 VwZG auch dann geheilt, wenn <strong>de</strong>r Empfänger nachweislich nur eine Fotokopie<br />

<strong>de</strong>s Verwaltungsaktes erhalten hat (BFH-Urteil vom 15.1.1991 – VII R 86/89 – BFH/NV 1992 S. 81).<br />

4.5.2 Zwingen<strong>de</strong> Zustellungsvorschriften sind insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r Zustellung durch die Post mit<br />

Zustellungsurkun<strong>de</strong> (vgl. Nr. 3.1.1) zu beachten. Es müssen sowohl die Zustellungsart (z. B. Ersatzzustellung)<br />

als auch <strong>de</strong>r Zustellungsort (Wohnung, Geschäftsraum) richtig durch <strong>de</strong>n Postbediensteten beurkun<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Urteil vom 10.10.1978 – VIII R 197/74 – BStBl. 1979 II, S. 209). Das Aktenzeichen (vgl. Nr. 3.1.1.1)<br />

muss sowohl auf <strong>de</strong>m Briefumschlag als auch auf <strong>de</strong>r Zustellungsurkun<strong>de</strong> angegeben sein (BFH-Urteil vom<br />

24.11.1977 – IV R 113/75 – BStBl. 1978 II, S. 467). Auch ein Verstoß gegen § 10 VwZG bei <strong>de</strong>r Anordnung<br />

einer öffentlichen Zustellung (vgl. Nr. 3.1.5) kann unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 8 VwZG geheilt wer<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Urteil vom 6.6.2000 – VII R 55/99 – BStBl. II, S. 560).<br />

4.5.3 Eine wegen Formmangels unwirksame, von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> angeordnete Zustellung eines<br />

Verwaltungsakts kann nicht in eine wirksame „schlichte“ Bekanntgabe im Sinne <strong>de</strong>s § 122 Abs. 1 umge<strong>de</strong>utet<br />

wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 25.1.1994 – VIII R 45/92 – BStBl. II, S. 603, und vom 8.6.1995 – IV R 104/94 –<br />

BStBl. II, S. 681).<br />

4.6 Fehlerhafte Bekanntgabe von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n<br />

Da ein Folgebescheid gemäß § 155 Abs. 2 vor Erlass eines notwendigen Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s ergehen kann, ist<br />

die Unwirksamkeit <strong>de</strong>r Bekanntgabe eines Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s für <strong>de</strong>n bereits vorliegen<strong>de</strong>n Folgebescheid<br />

ohne Be<strong>de</strong>utung. Erst wenn <strong>de</strong>r Grundlagenbescheid wirksam bekannt gegeben wor<strong>de</strong>n ist, sind daraus für <strong>de</strong>n<br />

Folgebescheid Folgerungen zu ziehen (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1).<br />

4.7 Bekanntgabe von geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Feststellungen an einzelne Beteiligte<br />

4.7.1 Ein Verwaltungsakt, <strong>de</strong>r an mehrere Beteiligte gerichtet ist (z. B. geson<strong>de</strong>rte und einheitliche<br />

Feststellung), aber nicht allen Beteiligten bekannt gegeben wird, ist dadurch nicht unwirksam. Mit <strong>de</strong>r<br />

Bekanntgabe an einzelne Beteiligte ist <strong>de</strong>r Verwaltungsakt als entstan<strong>de</strong>n anzusehen; er hat gegenüber diesen<br />

Beteiligten Wirksamkeit erlangt und kann insgesamt nicht mehr frei, son<strong>de</strong>rn nur bei Vorliegen <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />

Än<strong>de</strong>rungsvorschriften geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 31.5.1978 – I R 76/76 – BStBl. II, S. 600 und vom<br />

25.11.1987 – II R 227/84 – BStBl. 1988 II, S. 410). Zur Nachholung <strong>de</strong>r Bekanntgabe an die übrigen Beteiligten<br />

vgl. Nr. 2.5.1.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 117 von 235


4.7.2 Die einzelnen Gesellschafter sind nicht in ihren Rechten verletzt, wenn ein geson<strong>de</strong>rter und einheitlicher<br />

Feststellungsbescheid an<strong>de</strong>ren Gesellschaftern nicht o<strong>de</strong>r nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben wor<strong>de</strong>n ist<br />

(BFH-Urteil vom 12.12.1978 – VIII R 10/76 – BStBl. 1979 II, S. 440).<br />

Zu § 123 – Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten:<br />

Die Vorschrift lässt <strong>de</strong>n Nachweis zu, dass das Schriftstück o<strong>de</strong>r das elektronische Dokument <strong>de</strong>n Empfänger<br />

nicht o<strong>de</strong>r erst zu einem späteren Zeitpunkt erreicht hat. Zweifel gehen zu Lasten <strong>de</strong>s Empfängers.<br />

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Zu § 124 – Wirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsakts:<br />

1. Der Verwaltungsakt wird mit <strong>de</strong>m Inhalt wirksam, mit <strong>de</strong>m er bekannt gegeben wird. Maßgebend ist nicht<br />

die Aktenverfügung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn die Fassung, die <strong>de</strong>m Beteiligten zugegangen ist.<br />

Bei <strong>de</strong>r Auslegung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes kommt es gemäß <strong>de</strong>m entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n § 133 BGB<br />

nicht darauf an, was die Finanzbehör<strong>de</strong> mit ihren Erklärungen gewollt hat, son<strong>de</strong>rn darauf, wie <strong>de</strong>r<br />

Betroffene nach <strong>de</strong>n ihm bekannten Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n materiellen Gehalt <strong>de</strong>r Erklärungen unter<br />

Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Im Zweifel ist das <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen weniger<br />

belasten<strong>de</strong> Auslegungsergebnis vorzuziehen (BFH-Urteil vom 27.11.1996 – X R 20/95 – BStBl. II 1997,<br />

S. 791).<br />

2. Weicht <strong>de</strong>r bekannt gegebene Verwaltungsakt von <strong>de</strong>r Aktenverfügung ab, so liegt i. d. R. ein Schreib- o<strong>de</strong>r<br />

Übertragungsfehler vor, <strong>de</strong>r gem. § 129 berichtigt wer<strong>de</strong>n kann. Sind die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 129 nicht<br />

gegeben, hat die Finanzbehör<strong>de</strong> alle Möglichkeiten einer Rücknahme, <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs, <strong>de</strong>r Aufhebung o<strong>de</strong>r<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes zu prüfen.<br />

3. Bis <strong>zur</strong> Bekanntgabe wird <strong>de</strong>r Verwaltungsakt nicht wirksam. Er kann daher bis zu diesem Zeitpunkt<br />

rückgängig gemacht o<strong>de</strong>r abgeän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, ohne dass die Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 130, 131 o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

§§ 172 ff. vorliegen müssen.<br />

4. Eine wirksame Bekanntgabe setzt voraus, dass <strong>de</strong>r zum Erlass befugte Bedienstete diese veranlasst und dass<br />

er mit <strong>de</strong>m Willen han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>n Bescheid bekannt zu geben (BFH-Urteil vom 24.11.1988 – V R 123/83 –<br />

BStBl. II 1989, S. 344). Der Bekanntgabewille wird dadurch gebil<strong>de</strong>t, dass <strong>de</strong>r zeichnungsberechtigte<br />

Bedienstete die Aktenverfügung <strong>de</strong>s Verwaltungsakts abschließend zeichnet und <strong>de</strong>n Versand <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsakts veranlasst o<strong>de</strong>r dass die Beschei<strong>de</strong>rteilung in an<strong>de</strong>rer Form abschließend veranlasst und die<br />

Versendung <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s angewiesen wird.<br />

5. Der Bekanntgabewille kann aufgegeben wer<strong>de</strong>n. Die Aufgabe <strong>de</strong>s Willens <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>zur</strong><br />

Bekanntgabe eines Verwaltungsakts führt aber nur dann zu <strong>de</strong>ssen Unwirksamkeit, wenn <strong>de</strong>r Wille<br />

aufgegeben wird, bevor <strong>de</strong>r Bescheid <strong>de</strong>n Herrschaftsbereich <strong>de</strong>r Verwaltung verlassen hat; die<br />

Rechtzeitigkeit <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>s Bekanntgabewillens muss in <strong>de</strong>n Akten hinreichend klar und ein<strong>de</strong>utig<br />

dokumentiert sein (BFH-Urteil vom 23.8.2000 – X R 27/98 – BStBl. II 2001, S. 662). Der Empfänger <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsaktes ist unverzüglich schriftlich über die Aufgabe <strong>de</strong>s Bekanntgabewillens zu unterrichten. Es<br />

ist unerheblich, wenn <strong>de</strong>r Empfänger diese Mitteilung erst nach Zugang <strong>de</strong>s Verwaltungsakts erhält. Der<br />

Aufgabe <strong>de</strong>s Bekanntgabewillens kommt keine Be<strong>de</strong>utung mehr zu, wenn <strong>de</strong>r Verwaltungsakt <strong>de</strong>n<br />

Herrschaftsbereich <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bereits verlassen hat (BFH-Urteil vom 12.8.1996 – VI R 18/94 –<br />

BStBl. II 1996, S. 627).<br />

6. Unabhängig vom Zeitpunkt <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>s Bekanntgabewillens (vgl. Nummer 5) wird ein Verwaltungsakt<br />

aber auch dann nicht wirksam, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Empfänger vor o<strong>de</strong>r spätestens mit <strong>de</strong>r<br />

Bekanntgabe <strong>de</strong>s Verwaltungsakts mitteilt, dieser Bescheid solle nicht gelten (vgl. BFH-Urteil vom<br />

28.5.2009 – III R 84/06 – BStBl. 2009 II, S. 949). Wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verwaltungsakt mit einfachem Brief versandt,<br />

ist ein solcher Wi<strong>de</strong>rruf auch dann bis zum Ablauf <strong>de</strong>s nach § 122 Abs. 2 fingierten Bekanntgabetages<br />

möglich, wenn <strong>de</strong>r Verwaltungsakt <strong>de</strong>m Empfänger tatsächlich früher zugegangen sein sollte (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 18.8.2009 – X R 25/06 – BStBl. 2009 II, S. 965). Der Wi<strong>de</strong>rruf bedarf nicht <strong>de</strong>r Schriftform, er<br />

muss aber in <strong>de</strong>n Akten hinreichend klar und ein<strong>de</strong>utig dokumentiert sein.<br />

Zu § 125 – Nichtigkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes:<br />

1. Der nichtige Verwaltungsakt entfaltet keine Rechtswirkungen; aus ihm darf nicht vollstreckt wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Fehler bei <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s materiellen Rechts führen i. d. R. nicht <strong>zur</strong> Nichtigkeit, son<strong>de</strong>rn nur <strong>zur</strong><br />

Rechtswidrigkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes.<br />

3. Der Betroffene kann die Nichtigkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes je<strong>de</strong>rzeit auch noch nach Ablauf <strong>de</strong>r<br />

Rechtsbehelfsfristen geltend machen. Der Antrag auf Feststellung <strong>de</strong>r Nichtigkeit (§ 125 Abs. 5) ist nicht<br />

fristgebun<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 118 von 235


Zu § 126 – Heilung von Verfahrens- und Formfehlern:<br />

1. Ein nachträglich gestellter, fristgebun<strong>de</strong>ner Antrag heilt <strong>de</strong>n Verwaltungsakt nur, wenn er innerhalb <strong>de</strong>r für<br />

die Antragstellung vorgeschriebenen Frist nachgeholt wird.<br />

2. Wegen § 126 Abs. 1 Nr. 3 wird auf § 91 hingewiesen.<br />

3. Zur Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand nach unterlassener Anhörung eines Beteiligten bzw. wegen<br />

fehlen<strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes (§ 126 Abs. 3 i. V. m. § 110) vgl. zu § 91, Nr. 3 und zu § 121,<br />

Nr. 3.<br />

Zu § 127 – Folgen von Verfahrens- und Formfehlern:<br />

1. Die Vorschrift gilt nur für die gesetzesgebun<strong>de</strong>nen Verwaltungsakte. Sie verhin<strong>de</strong>rt, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />

die Aufhebung eines Steuerbescheids allein <strong>de</strong>shalb beanspruchen kann, weil <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung ein Verfahrensfehler (z. B. unterlassene Anhörung) o<strong>de</strong>r ein Formfehler (z. B. fehlen<strong>de</strong><br />

Begründung) unterlaufen ist o<strong>de</strong>r weil die Finanzbehör<strong>de</strong> Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht<br />

beachtet hat. Die Vorschrift ist auch anwendbar, wenn die Besteuerungsgrundlagen für einen Steuerbescheid<br />

geschätzt wor<strong>de</strong>n sind (BFH-Urteile vom 19.2.1987 – IV R 143/84 – BStBl. II, S. 412, vom 17.9.1997 – II R<br />

15/95 – BFH/NV 1998 S. 416, und vom 11.2.1999 – V R 40/98 – BStBl. II, S. 382, sowie BFH-Beschluss<br />

vom 18.8.1999 – IV B 108/98 – BFH/NV 2000 S. 165). Sie ist nicht anwendbar bei Verletzung <strong>de</strong>r<br />

Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit (BFH-Urteil vom 21.4.1993 – X R 112/91 – BStBl. II, S. 649).<br />

2. § 127 gilt nicht für Ermessensentscheidungen (BFH-Urteile vom 20.6.1990 – I R 157/87 – BStBl. 1992 II,<br />

S. 43, vom 18.5.1994 – I R 21/93 – BStBl. II, S. 697, und vom 15.10.1998 – V R 77/97 – BFH/NV 1999<br />

S. 585). Wenn diese mit einem Verfahrens- o<strong>de</strong>r Formfehler behaftet sind, <strong>de</strong>r nicht geheilt wer<strong>de</strong>n kann<br />

(§ 126), müssen sie aufgehoben und – nach erneuter Ausübung <strong>de</strong>s Ermessens – nochmals erlassen wer<strong>de</strong>n,<br />

falls <strong>de</strong>r Beteiligte rechtzeitig einen Rechtsbehelf eingelegt hat. Dies gilt nur dann nicht, wenn <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m<br />

Rechtsbehelf gerügte Fehler die Entscheidung durch die zuständige Finanzbehör<strong>de</strong> unter keinen Umstän<strong>de</strong>n<br />

beeinflusst haben kann (BFH-Urteil vom 18.7.1985 – VI R 41/81 – BStBl. 1986 II, S. 169).<br />

3. Die Aufhebung eines Gewerbesteuermessbeschei<strong>de</strong>s kann regelmäßig nicht allein <strong>de</strong>swegen beansprucht<br />

wer<strong>de</strong>n, weil er von einem örtlich unzuständigen Finanzamt erlassen wor<strong>de</strong>n ist (BFH-Urteil vom<br />

19.11.2003 – I R 88/02 – BStBl. 2004 II, S. 751). Ein Bescheid über die geson<strong>de</strong>rte Feststellung, <strong>de</strong>r unter<br />

Verletzung <strong>de</strong>r in § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b herangezogenen Vorschriften über die örtliche<br />

Zuständigkeit ergangen ist, muss aufgehoben wer<strong>de</strong>n, weil die Verletzung <strong>de</strong>r §§ 18, 19 in <strong>de</strong>r gemäß § 180<br />

Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b getroffenen Zuordnung ein nicht heilbarer Rechtsfehler ist (BFH-Urteile vom<br />

15.4.1986 – VIII R 325/84 – BStBl. 1987 II, S. 195, und vom 10.6.1999 – IV R 69/98 – BStBl. II, S. 691).<br />

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Zu § 129 – Offenbare Unrichtigkeit beim Erlass eines Verwaltungsakts:<br />

1. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten i. S. <strong>de</strong>s § 129 sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabeo<strong>de</strong>r<br />

Übertragungsfehler. Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn <strong>de</strong>r Sachbearbeiter<br />

<strong>de</strong>n Eingabewertbogen falsch ausfüllt o<strong>de</strong>r Daten versehentlich nicht o<strong>de</strong>r falsch in ein Computerprogramm<br />

eingibt.<br />

Ein mechanisches Versehen wird ferner angenommen, wenn <strong>de</strong>r Sachbearbeiter es versehentlich unterlassen<br />

hat, die für die Veranlagung eines Jahres vorliegen<strong>de</strong>n Unterlagen auszuwerten, die ihm vom<br />

Steuerpflichtigen unterjährig übersandt wur<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 27.5.2009 – X R 47/08 – BStBl. II,<br />

S. 946). Gleiches gilt für das Übersehen einer für <strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum einschlägigen<br />

Kontrollmitteilung, eines relevanten Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s (vgl. dazu auch zu § 175, Nr. 1.2 2. Tiret) o<strong>de</strong>r<br />

von Punkten eines Betriebsprüfungsberichts bzw. <strong>de</strong>ssen wi<strong>de</strong>rsprüchliche o<strong>de</strong>r gar unterlassene Auswertung<br />

(vgl. u. a. BFH-Urteil vom 27.11.2003 – V R 52/02 – BFH/NV 2004, S. 605).<br />

2. Keine offenbaren Unrichtigkeiten im Sinne von § 129 sind Fehler bei <strong>de</strong>r Auslegung o<strong>de</strong>r (Nicht-<br />

)Anwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffen<strong>de</strong> Annahme eines in<br />

Wirklichkeit nicht vorliegen<strong>de</strong>n Sachverhalts o<strong>de</strong>r Fehlers, die auf mangeln<strong>de</strong>r Sachaufklärung bzw. <strong>de</strong>r<br />

Nichtbeachtung feststehen<strong>de</strong>r Tatsachen beruhen. Eine Berichtigung nach § 129 ist ausgeschlossen, wenn<br />

auch nur die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit besteht, dass ein <strong>de</strong>rartiger Fehler vorliegt.<br />

3. Ein Fehler ist dann „offenbar“ i. S. <strong>de</strong>s § 129, wenn er auf <strong>de</strong>r Hand liegt, durchschaubar, ein<strong>de</strong>utig o<strong>de</strong>r<br />

augenfällig ist, d. h. sich für einen unvoreingenommenen Dritten ohne weiteres aus <strong>de</strong>r Steuererklärung,<br />

<strong>de</strong>ren Anlagen sowie <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Akten befindlichen Unterlagen für das betreffen<strong>de</strong> Veranlagungsjahr ergibt<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 27.5.2009 – X R 47/08 – BStBl. II, S. 946). In <strong>de</strong>n objektivierten Erkenntnishorizont<br />

<strong>de</strong>s Dritten sind daneben regelmäßig aber auch im konkreten Fall einschlägige interne Arbeits- und<br />

Dienstanweisungen einzubeziehen (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 13.6.2012 – VI R 85/10 – BStBl. II, S. XX).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 119 von 235


Es kommt nicht darauf an, ob <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand <strong>de</strong>s Bescheids und <strong>de</strong>r ihm<br />

vorliegen<strong>de</strong>n Unterlagen erkennen konnte.<br />

4. Die offenbare Unrichtigkeit muss beim Erlass <strong>de</strong>s Verwaltungsakts unterlaufen sein. Daher können nur<br />

Fehler berichtigt wer<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> unterlaufen sind. Eine offenbare Unrichtigkeit kann aber<br />

auch dann vorliegen, wenn das Finanzamt eine in <strong>de</strong>r Steuererklärung o<strong>de</strong>r dieser beigefügten Anlagen<br />

enthaltene offenbare, d. h. für das Finanzamt erkennbare Unrichtigkeit als eigene übernimmt.<br />

Sind <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Fehler (insbeson<strong>de</strong>re Schreib- o<strong>de</strong>r<br />

Rechenfehler) unterlaufen und hat er <strong>de</strong>mzufolge <strong>de</strong>m Finanzamt bestimmte Tatsachen nicht o<strong>de</strong>r mit einem<br />

unzutreffen<strong>de</strong>n Wert mitgeteilt, kann <strong>de</strong>r Steuerbescheid nicht nach § 129 berichtigt wer<strong>de</strong>n, da das<br />

Finanzamt <strong>de</strong>n Fehler nicht erkennen und diesen sich somit auch nicht zu eigen machen konnte. Allerdings<br />

kommt bei steuerermäßigen<strong>de</strong>n Tatsachen eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 in Betracht, wenn <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen kein grobes Verschul<strong>de</strong>n am nachträglichen Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r zutreffen<strong>de</strong>n Tatsachen<br />

trifft (vgl. zu § 173, Nr. 5) und diese Tatsachen auch bei Erlass <strong>de</strong>s ursprünglichen Steuerbescheids<br />

rechtserheblich waren (vgl. zu § 173, Nr. 3). Dafür, dass die ursprüngliche Nichterklärung auf einem<br />

mechanischen Versehen beruht, trägt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die Beweislast (vgl. zu § 173, Nr. 5.1 und 5.1.3).<br />

Die Form <strong>de</strong>r Steuererklärung ist hierbei unerheblich (vgl. zu § 173, Nr. 5.6).<br />

5. Bei einer Berichtigung nach § 129 können im Wege pflichtgemäßer Ermessensausübung unter sinngemäßer<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 177 materielle Fehler korrigiert wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 8.3.1989 – X R 116/87 –<br />

BStBl. II, S. 531).<br />

6. Die Berichtigung zugunsten und zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist<br />

– bei Steuerfestsetzungen und Zinsbeschei<strong>de</strong>n nur innerhalb <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 1 Satz 2),<br />

– bei Aufteilungsbeschei<strong>de</strong>n nur bis <strong>zur</strong> Beendigung <strong>de</strong>r Vollstreckung (§ 280),<br />

– bei Verwaltungsakten, die sich auf Zahlungsansprüche richten, bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Zahlungsverjährung<br />

(§ 228),<br />

– bei an<strong>de</strong>ren Verwaltungsakten zeitlich unbeschränkt<br />

zulässig. Auf die beson<strong>de</strong>re Ablaufhemmung <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 2 wird hingewiesen.<br />

7. Zur Korrektur von Haftungs- und Duldungsbeschei<strong>de</strong>n vgl. zu § 191. Zur Anfechtungsbeschränkung vgl. zu<br />

§ 351, Nr. 3.<br />

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Vor §§ 130, 131 – Rücknahme und Wi<strong>de</strong>rruf von Verwaltungsakten:<br />

1. Die §§ 130 bis 133 gelten für Rücknahme o<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rruf von Verwaltungsakten nur, soweit keine<br />

Son<strong>de</strong>rregelungen bestehen (Hinweis auf §§ 172 ff. für Steuerbeschei<strong>de</strong>; §§ 206, 207 für verbindliche<br />

Zusagen; § 280 für Aufteilungsbeschei<strong>de</strong>). Dabei bestehen hinsichtlich <strong>de</strong>r Bestandskraft unanfechtbarer<br />

Verwaltungsakte Unterschie<strong>de</strong> zwischen begünstigen<strong>de</strong>n Verwaltungsakten und nicht begünstigen<strong>de</strong>n<br />

Verwaltungsakten.<br />

2. Begünstigen<strong>de</strong> Verwaltungsakte sind insbeson<strong>de</strong>re<br />

– Gewährung von Entschädigungen (§ 107),<br />

– Fristverlängerungen (§ 109),<br />

– Gewährung von Buchführungserleichterungen (§ 148),<br />

– Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227, 234 Abs. 2),<br />

– Verlegung <strong>de</strong>s Beginns einer Außenprüfung (§ 197 Abs. 2),<br />

– Stundungen (§ 222),<br />

– Einstellung o<strong>de</strong>r Beschränkung <strong>de</strong>r Vollstreckung (§§ 257, 258),<br />

– Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung (§ 361 AO, § 69 Abs. 2 FGO).<br />

3. Nicht begünstigen<strong>de</strong> Verwaltungsakte sind insbeson<strong>de</strong>re<br />

– Ablehnung beantragter begünstigen<strong>de</strong>r Verwaltungsakte,<br />

– Festsetzung von steuerlichen Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4, § 218 Abs. 1),<br />

– Ablehnung einer Erstattung von Nebenleistungen (§ 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2),<br />

– Auskunftsersuchen (§§ 93 ff.),<br />

– Auffor<strong>de</strong>rung <strong>zur</strong> Buchführung (§ 141 Abs. 2),<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 120 von 235


– Haftungsbeschei<strong>de</strong> (§ 191),<br />

– Duldungsbeschei<strong>de</strong> (§ 191),<br />

– Prüfungsanordnungen (§ 196),<br />

– Anfor<strong>de</strong>rungen von Säumniszuschlägen (§ 240),<br />

– Pfändungen (§ 281).<br />

4. Zur Korrektur von Haftungs- und Duldungsbeschei<strong>de</strong>n vgl. zu § 191.<br />

Zu § 130 – Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes:<br />

1. Ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn er im Zeitpunkt seines Erlasses ganz o<strong>de</strong>r teilweise gegen<br />

zwingen<strong>de</strong> gesetzliche Vorschriften (§ 4) verstößt, ermessensfehlerhaft ist (vgl. zu § 5) o<strong>de</strong>r eine<br />

Rechtsgrundlage überhaupt fehlt. Eine nachträgliche Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Sach- und Rechtslage hingegen macht<br />

einen ursprünglich rechtmäßigen Verwaltungsakt grundsätzlich nicht i. S. d. § 130 rechtswidrig, es sei <strong>de</strong>nn,<br />

es läge ein Fall steuerrechtlicher Rückwirkung vor, welche <strong>de</strong>n Verwaltungsakt erfasst (vgl. BFH-Urteil vom<br />

9.12.2008 – VII R 43/07 – BStBl. 2009 II, S. 344). Beson<strong>de</strong>rs schwerwiegen<strong>de</strong> Fehler haben die Nichtigkeit<br />

und damit die Unwirksamkeit <strong>zur</strong> Folge (§ 125 i. V. m. § 124 Abs. 3). Liegt kein Fall <strong>de</strong>r Nichtigkeit vor, so<br />

wird <strong>de</strong>r rechtswidrige Verwaltungsakt zunächst wirksam.<br />

2. Die Finanzbehör<strong>de</strong> entschei<strong>de</strong>t im Rahmen ihres Ermessens, ob sie eine Überprüfung eines rechtswidrigen,<br />

unanfechtbaren Verwaltungsaktes vornehmen soll. Die Finanzbehör<strong>de</strong> braucht nicht in die Überprüfung<br />

einzutreten, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nach Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist die Rechtswidrigkeit lediglich<br />

behauptet und Grün<strong>de</strong>, aus <strong>de</strong>nen sich schlüssig die Rechtswidrigkeit <strong>de</strong>s belasten<strong>de</strong>n Verwaltungsaktes<br />

ergibt, nicht näher bezeichnet (vgl. BFH-Urteil vom 9.3.1989 – VI R 101/84 – BStBl. II, S. 749, 751). Ist die<br />

Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes festgestellt, so ist zunächst die mögliche Nichtigkeit (§ 125), danach<br />

die Möglichkeit <strong>de</strong>r Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten (§ 129), danach die Möglichkeit <strong>de</strong>r Heilung<br />

von Verfahrens- und Formfehlern (§§ 126, 127), danach die Möglichkeit <strong>de</strong>r Um<strong>de</strong>utung (§ 128) und danach<br />

die Rücknahme zu prüfen.<br />

3. Nicht begünstigen<strong>de</strong> rechtswidrige Verwaltungsakte können je<strong>de</strong>rzeit <strong>zur</strong>ückgenommen wer<strong>de</strong>n, auch wenn<br />

die Einspruchsfrist abgelaufen ist. Eine teilweise Rücknahme ist zulässig.<br />

Beispiel:<br />

Ein Verspätungszuschlag ist mit einem Betrag festgesetzt wor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r mehr als 10 v. H. <strong>de</strong>r festgesetzten<br />

Steuer ausmacht (Verstoß gegen § 152 Abs. 2). Die Festsetzung kann insoweit <strong>zur</strong>ückgenommen wer<strong>de</strong>n,<br />

wie sie 10 v. H. übersteigt; sie bleibt im Übrigen bestehen.<br />

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4. Die Rücknahme eines begünstigen<strong>de</strong>n rechtswidrigen Verwaltungsaktes ist nur unter Einschränkungen<br />

möglich (§ 130 Abs. 2 und 3). Unter einer Begünstigung i. S. d. Vorschriften ist je<strong>de</strong> Rechtswirkung zu<br />

verstehen, an <strong>de</strong>ren Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r vom Verwaltungsakt Betroffene ein schutzwürdiges Interesse hat<br />

(BFH-Urteil vom 16.10.1986 – VII R 159/83 – BStBl. 1987 II, S. 405). Sofern die Rücknahme zulässig und<br />

wirksam ist, kann die Finanzbehör<strong>de</strong> aufgrund <strong>de</strong>s verän<strong>de</strong>rten Sachverhalts o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r verän<strong>de</strong>rten Rechtslage<br />

einen neuen Verwaltungsakt erlassen, <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Beteiligten weniger vorteilhaft ist.<br />

Beispiele:<br />

a) Ein Verspätungszuschlag ist unter Abweichung von <strong>de</strong>r sonst beim Finanzamt üblichen Anwendung <strong>de</strong>r<br />

Grundsätze <strong>de</strong>s § 152 auf 500 € festgesetzt wor<strong>de</strong>n. Eine Überprüfung <strong>de</strong>s Falles ergibt, dass eine<br />

Festsetzung i. H. v. 1 000 € richtig gewesen wäre. Die Rücknahme <strong>de</strong>r Festsetzung, verbun<strong>de</strong>n mit einer<br />

neuen höheren Festsetzung, ist rechtlich zulässig, wenn die niedrige Festsetzung auf unrichtigen o<strong>de</strong>r<br />

unvollständigen Angaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen beruhte (§ 130 Abs. 2 Nr. 3).<br />

b) Der Steuerpflichtige hat durch arglistige Täuschung über seine Vermögens- und Liquiditätslage eine<br />

Stundung ohne Sicherheitsleistung erwirkt. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann die Stundungsverfügung mit<br />

Wirkung für die Vergangenheit <strong>zur</strong>ücknehmen (§ 130 Abs. 2 Nr. 2), für die Vergangenheit<br />

Säumniszuschläge anfor<strong>de</strong>rn und eine in die Zukunft wirken<strong>de</strong> neue Stundung von einer<br />

Sicherheitsleistung abhängig machen.<br />

5. § 130 Abs. 3 normiert keine Prüfungsfrist, innerhalb <strong>de</strong>rer die Finanzbehör<strong>de</strong> ihr bekannte Tatsachen<br />

rechtlich zu bewerten und aus ihnen die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen hätte, son<strong>de</strong>rn lediglich<br />

eine Entscheidungsfrist. Deshalb beginnt die Jahresfrist erst dann, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> tatsächlich die<br />

Erkenntnis gewonnen hat, dass ein Verwaltungsakt <strong>zur</strong>ückgenommen bzw. wi<strong>de</strong>rrufen wer<strong>de</strong>n kann (vgl.<br />

Beschluss <strong>de</strong>s BVerwG vom 19.12.1984 – GrS 1 und 2/84 – BVerwGE 70, 356, und daran anschließend die<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 121 von 235


ständige Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH, vgl. u. a. BFH-Urteil vom 9.12.2008 – VII R 43/07 – BStBl. 2009 II,<br />

S. 344). Dies ist <strong>de</strong>r Fall, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> ohne weitere Sachaufklärung objektiv in <strong>de</strong>r Lage ist,<br />

unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über Rücknahme bzw. Wi<strong>de</strong>rruf <strong>de</strong>s Verwaltungsakts zu<br />

entschei<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 131 – Wi<strong>de</strong>rruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes:<br />

1. Ein Verwaltungsakt ist rechtmäßig, wenn er zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Wirksamwer<strong>de</strong>ns (Bekanntgabe) <strong>de</strong>m Gesetz<br />

(§ 4) entspricht. Än<strong>de</strong>rt sich <strong>de</strong>r Sachverhalt durch nachträglich eingetretene Tatsachen o<strong>de</strong>r lässt das Gesetz<br />

in <strong>de</strong>rselben Sache unterschiedliche Verwaltungsakte zu (Ermessensentscheidungen), so kann <strong>de</strong>r<br />

rechtmäßige Verwaltungsakt unter bestimmten Voraussetzungen mit Wirkung für die Zukunft wi<strong>de</strong>rrufen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

2. § 131 Abs. 2 Nr. 3 betrifft nur die Än<strong>de</strong>rung tatsächlicher, nicht rechtlicher Verhältnisse. Der Begriff<br />

„Tatsache“ bezeichnet in dieser Vorschrift dasselbe wie in § 173 (vgl. zu § 173, Nr. 1). „Tatsache“ ist auch<br />

die steuerrechtliche Beurteilung eines Sachverhalts in einem an<strong>de</strong>ren Bescheid, soweit dieser Bescheid<br />

Bindungswirkung für <strong>de</strong>n zu wi<strong>de</strong>rrufen<strong>de</strong>n Bescheid hat (vgl. BFH-Urteile vom 13.1.2005 – II R 48/02 –<br />

BStBl. II, S. 451, und vom 9.12.2008 – VII R 43/07 – BStBl. 2009 II, S. 244). Das öffentliche Interesse<br />

i. S. d. Vorschrift ist immer dann gefähr<strong>de</strong>t, wenn bei einem Festhalten an <strong>de</strong>r getroffenen Entscheidung <strong>de</strong>r<br />

Betroffene gegenüber an<strong>de</strong>ren Steuerpflichtigen bevorzugt wür<strong>de</strong>.<br />

3. Ein Steuererlass kann nicht wi<strong>de</strong>rrufen wer<strong>de</strong>n. Die nachträgliche Verbesserung <strong>de</strong>r Liquiditäts- o<strong>de</strong>r<br />

Vermögenslage ist unbeachtlich. Für die Rücknahme gilt § 130 Abs. 2 und 3.<br />

4. Ein rechtmäßiger begünstigen<strong>de</strong>r Verwaltungsakt darf je<strong>de</strong>rzeit um einen weiteren rechtmäßigen<br />

Verwaltungsakt ergänzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Beispiele:<br />

a) Verlängerung o<strong>de</strong>r Erhöhung einer Stundung,<br />

b) weitere Fristverlängerung,<br />

c) Gewährung ergänzen<strong>de</strong>r Buchführungserleichterungen,<br />

d) Erhöhung <strong>de</strong>s zu erlassen<strong>de</strong>n Steuerbetrages.<br />

5. Dementsprechend bedarf es bei <strong>de</strong>mselben Sachverhalt nicht <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs, wenn zu einem nicht<br />

begünstigen<strong>de</strong>n rechtmäßigen Verwaltungsakt lediglich ein weiterer rechtmäßiger Verwaltungsakt hinzutritt.<br />

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Beispiele:<br />

a) Wegen einer Steuerschuld von 2 500 € sind Wertpapiere im Werte von 1 500 € verpfän<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n. Es<br />

wird eine weitere Pfändung über 1 000 € verfügt.<br />

b) Die Prüfungsanordnung für eine Außenprüfung umfasst <strong>de</strong>n Prüfungszeitraum 1993 bis 1995. Die<br />

Prüfungsanordnung wird auf <strong>de</strong>n Besteuerungszeitraum 1996 ausge<strong>de</strong>hnt.<br />

c) Zur Klärung eines steuerlich be<strong>de</strong>utsamen Sachverhalts wird das Kreditinstitut X um Auskunft über die<br />

Kontenstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gebeten. Im Zuge <strong>de</strong>r Ermittlungen wird auch die Angabe aller baren<br />

Einzahlungen über 5 000 € verlangt.<br />

Zu § 138 – Anzeigen über die Erwerbstätigkeit:<br />

1. Die Verpflichtung, die Eröffnung eines Betriebes <strong>de</strong>r Land- und Forstwirtschaft, eines gewerblichen<br />

Betriebes o<strong>de</strong>r einer Betriebstätte anzuzeigen, besteht nur gegenüber <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>r dieser Betrieb<br />

o<strong>de</strong>r die Betriebstätte eröffnet wird; diese hat unverzüglich das zuständige Finanzamt zu unterrichten.<br />

Freiberuflich Tätige haben die Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit <strong>de</strong>m Wohnsitzfinanzamt (§ 19 Abs. 1, ggf.<br />

Tätigkeitsfinanzamt nach § 19 Abs. 3) mitzuteilen. Unter Eröffnung ist auch die Fortführung eines Betriebes<br />

o<strong>de</strong>r einer Betriebstätte durch <strong>de</strong>n Rechtsnachfolger o<strong>de</strong>r Erwerber zu verstehen (Hinweis auf § 75).<br />

Die Mel<strong>de</strong>frist beträgt einen Monat. Gewerbetreiben<strong>de</strong>, die nach § 14 <strong>de</strong>r Gewerbeordnung gegenüber <strong>de</strong>r<br />

zuständigen Behör<strong>de</strong> (Ordnungs- bzw. Gewerbeamt) anzeigepflichtig sind, genügen mit dieser Anzeige<br />

gleichzeitig ihrer steuerlichen Anzeigepflicht nach § 138 Abs. 1. Die Anzeige ist auf <strong>de</strong>m Vordruck zu<br />

erstatten, <strong>de</strong>r durch die Anlagen 1, 2 und 3 zu § 14 Abs. 4 <strong>de</strong>r Gewerbeordnung bestimmt wor<strong>de</strong>n ist. Ein<br />

Durchschlag ist <strong>zur</strong> Weiterleitung an das zuständige Finanzamt vorgesehen. Steuerpflichtige, die nicht unter<br />

die Anzeigepflicht nach <strong>de</strong>r Gewerbeordnung fallen, können die Anzeige formlos erstatten. Sie können sich<br />

auch <strong>de</strong>s Vordrucks gem. <strong>de</strong>r Gewerbeordnung bedienen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 122 von 235


2. § 138 Abs. 2 verpflichtet alle Steuerpflichtigen, Auslandsbeteiligungen innerhalb <strong>de</strong>r Fristen nach § 138<br />

Abs. 3 <strong>de</strong>m Finanzamt mitzuteilen. Eine Verletzung dieser Verpflichtung kann als Steuergefährdung mit<br />

einem Bußgeld geahn<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n (§ 379 Abs. 2 Nr. 1). Näheres zu Inhalt und Form <strong>de</strong>r Anzeigen bei<br />

Auslandsbeteiligungen regelt das BMF-Schreiben vom 15.4.2010, BStBl. I S. 346.<br />

Zu § 140 – Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach an<strong>de</strong>ren Gesetzen:<br />

Durch die Vorschrift wer<strong>de</strong>n die sog. außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften, die auch<br />

für die Besteuerung von Be<strong>de</strong>utung sind, für das Steuerrecht nutzbar gemacht. In Betracht kommen einmal die<br />

allgemeinen Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>ls-, Gesellschafts- und<br />

Genossenschaftsrechts. Zum an<strong>de</strong>ren fallen hierunter die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten für<br />

bestimmte Betriebe und Berufe, die sich aus einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen ergeben. Auch<br />

ausländische Rechtsnormen können eine Buchführungspflicht nach § 140 begrün<strong>de</strong>n (Rz. 3 <strong>de</strong>s BMF-Schreibens<br />

vom 16.5.2011, BStBl. I, S. 530). Verstöße gegen außersteuerliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten<br />

stehen <strong>de</strong>n Verstößen gegen steuerrechtliche Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften gleich. Hinweis auf<br />

§ 162 Abs. 2 (Schätzung), § 379 Abs. 1 (Steuergefährdung). Aufzeichnungspflichten, die für <strong>de</strong>n<br />

Gesamthaushalt einer juristischen Person <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts bestehen (Doppik), führen nicht zu einer<br />

Verpflichtung <strong>zur</strong> Buchführung für einzelne Betriebe gewerblicher Art (BMF-Schreiben vom 3.1.2013, BStBl. I,<br />

S. XX).<br />

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Zu § 141 – Buchführungspflicht bestimmter Steuerpflichtiger:<br />

1. Die Vorschrift fin<strong>de</strong>t nur Anwendung, wenn sich nicht bereits eine Buchführungspflicht nach § 140 ergibt.<br />

Wird von <strong>de</strong>m Wahlrecht nach § 241a HGB Gebrauch gemacht, kann <strong>de</strong>nnoch eine Buchführungspflicht<br />

nach § 141 bestehen. Unter die Vorschrift fallen gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte, nicht<br />

jedoch Freiberufler. Gewerbliche Unternehmer sind solche Unternehmer, die einen Gewerbebetrieb i. S. d.<br />

§ 15 Abs. 2 o<strong>de</strong>r 3 EStG bzw. <strong>de</strong>s § 2 Abs. 2 o<strong>de</strong>r 3 GewStG ausüben.<br />

Ausländische Unternehmen fallen unter die Vorschrift je<strong>de</strong>nfalls dann, wenn und soweit sie im Inland eine<br />

Betriebsstätte unterhalten o<strong>de</strong>r einen ständigen Vertreter bestellt haben (BFH-Urteil vom 14.9.1994 –<br />

I R 116/93 – BStBl. 1995 II, S. 238). Die Buchführungspflicht einer Personengesellschaft erstreckt sich auch<br />

auf das Son<strong>de</strong>rbetriebsvermögen ihrer Gesellschafter. Die Gesellschafter selbst sind insoweit nicht<br />

buchführungspflichtig.<br />

2. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann die Feststellung i. S. d. § 141 Abs. 1 im Rahmen eines Steuer- o<strong>de</strong>r<br />

Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r durch einen selbstständigen feststellen<strong>de</strong>n Verwaltungsakt treffen. Die<br />

Feststellung kann aber auch mit <strong>de</strong>r Mitteilung über <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 2<br />

verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und bil<strong>de</strong>t dann mit ihr einen einheitlichen Verwaltungsakt (BFH-Urteil vom 23.6.1983 –<br />

IV R 3/82 – BStBl. II, S. 768).<br />

3. Die Buchführungsgrenzen beziehen sich grundsätzlich auf <strong>de</strong>n einzelnen Betrieb (zum Begriff vgl. BFH-<br />

Urteil vom 13.10.1988 – IV R 136/85 – BStBl. 1989 II, S. 7), auch wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige mehrere<br />

Betriebe <strong>de</strong>r gleichen Einkunftsart hat. Eine Ausnahme gilt für steuerbegünstigte Körperschaften, bei <strong>de</strong>nen<br />

mehrere steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe als ein Betrieb zu behan<strong>de</strong>ln sind (§ 64 Abs. 2). In<br />

<strong>de</strong>n maßgeben<strong>de</strong>n Umsatz (§ 141 Abs. 1 Nr. 1) sind auch die nicht steuerbaren Auslandsumsätze<br />

einzubeziehen (BFH-Urteil vom 7.10.2009 – II R 23/08 – BStBl. 2010 II, S. 219). Sie sind ggf. zu schätzen;<br />

§ 162 gilt entsprechend. Bei einem Dauerverlustbetrieb einer juristischen Person <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />

führt allein das Überschreiten <strong>de</strong>r Umsatzgrenze nach § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 nicht zu einer<br />

Buchführungspflicht, wenn dieser mangels Gewinnerzielungsabsicht kein gewerbliches Unternehmen<br />

darstellt (BMF-Schreiben vom 9.2.2012, BStBl. I, S. 184). Da die Gewinngrenze für die land- und<br />

forstwirtschaftlichen Betriebe (§ 141 Abs. 1 Nr. 5) auf das Kalen<strong>de</strong>rjahr abstellt, wer<strong>de</strong>n bei einem vom<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr abweichen<strong>de</strong>n Wirtschaftsjahr die zeitanteiligen Gewinne aus zwei Wirtschaftsjahren<br />

angesetzt. Für die Bestimmung <strong>de</strong>r Buchführungsgrenzen nach § 141 Abs. 1 Nr. 3 sind die<br />

Einzelertragswerte <strong>de</strong>r im Einheitswert erfassten Nebenbetriebe bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s Wirtschaftswertes <strong>de</strong>r<br />

selbstbewirtschafteten Flächen nicht anzusetzen (BFH-Urteil vom 6.7.1989 – IV R 97/87 – BStBl. 1990 II,<br />

S. 606).<br />

4. Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen auf <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Buchführungspflicht hinzuweisen. Diese<br />

Mitteilung soll <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen min<strong>de</strong>stens einen Monat vor Beginn <strong>de</strong>s Wirtschaftsjahres bekannt<br />

gegeben wer<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>ssen Beginn ab die Buchführungspflicht zu erfüllen ist. Zur Bekanntgabe <strong>de</strong>r<br />

Mitteilung über <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Buchführungspflicht bei ungeklärter Unternehmereigenschaft <strong>de</strong>r Ehegatten<br />

als Miteigentümer <strong>de</strong>r Nutzflächen eines landwirtschaftlichen Betriebs Hinweis auf BFH-Urteile vom<br />

23.1.1986 – IV R 108/85 – BStBl. II, S. 539 und vom 26.11.1987 – IV R 22/86 – BStBl. 1988 II, S. 238.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 123 von 235


Wer<strong>de</strong>n die Buchführungsgrenzen nicht mehr überschritten, so wird <strong>de</strong>r Wegfall <strong>de</strong>r Buchführungspflicht<br />

dann nicht wirksam, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>m Erlöschen <strong>de</strong>r Verpflichtung wie<strong>de</strong>rum das Bestehen<br />

<strong>de</strong>r Buchführungspflicht feststellt. Beim einmaligen Überschreiten <strong>de</strong>r Buchführungsgrenze soll auf Antrag<br />

nach § 148 Befreiung von <strong>de</strong>r Buchführungspflicht bewilligt wer<strong>de</strong>n, wenn nicht zu erwarten ist, dass die<br />

Grenze auch später überschritten wird. Bei <strong>de</strong>r Prüfung, ob die in § 141 Abs. 1 Nr. 4 und 5 aufgeführten,<br />

Buchführungsgrenzen überschritten wer<strong>de</strong>n, sind erhöhte Absetzungen für Abnutzung sowie<br />

Son<strong>de</strong>rabschreibungen unberücksichtigt zu lassen (§ 7a Abs. 6 EStG). Erhöhte Absetzungen für Abnutzung<br />

sind nur insoweit <strong>de</strong>m Gewinn zu<strong>zur</strong>echnen, als diese die Absetzungsbeträge nach § 7 Abs. 1 o<strong>de</strong>r 4 EStG<br />

übersteigen (§ 7a Abs. 3 EStG).<br />

5. Die Buchführungspflicht geht nach § 141 Abs. 3 kraft Gesetzes über. Es ist nicht Voraussetzung, dass eine<br />

<strong>de</strong>r in § 141 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 aufgeführten Buchführungsgrenzen überschritten ist. Als Eigentümer bzw.<br />

Nutzungsberechtigter kommen z. B. in Betracht: Erwerber, Erbe, Pächter, Nießbraucher. Eine Übernahme<br />

<strong>de</strong>s Betriebs im Ganzen liegt vor, wenn seine I<strong>de</strong>ntität gewahrt bleibt. Dies ist <strong>de</strong>r Fall, wenn die<br />

wesentlichen Grundlagen <strong>de</strong>s Betriebs als einheitliches Ganzes erhalten bleiben. Dies liegt nicht vor, wenn<br />

nur <strong>de</strong>r landwirtschaftliche, nicht aber auch <strong>de</strong>r forstwirtschaftliche Teilbetrieb übernommen wird (BFH-<br />

Urteil vom 24.2.1994 – IV R 4/93 – BStBl. II, S. 677).<br />

Zu § 143 – Aufzeichnung <strong>de</strong>s Wareneingangs:<br />

1. Zur geson<strong>de</strong>rten Aufzeichnung <strong>de</strong>s Wareneingangs sind nur gewerbliche Unternehmer (siehe zu § 141 Nr. 1)<br />

verpflichtet; Land- und Forstwirte fallen nicht unter die Vorschrift. Die Aufzeichnungspflicht besteht<br />

unabhängig von <strong>de</strong>r Buchführungspflicht. Bei buchführen<strong>de</strong>n Gewerbetreiben<strong>de</strong>n genügt es, wenn sich die<br />

gefor<strong>de</strong>rten Angaben aus <strong>de</strong>r Buchführung ergeben.<br />

2. Beson<strong>de</strong>re Aufzeichnungspflichten, die in Einzelsteuergesetzen vorgeschrieben sind (z. B. nach § 22 UStG),<br />

wer<strong>de</strong>n von dieser Vorschrift nicht berührt.<br />

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Zu § 144 – Aufzeichnung <strong>de</strong>s Warenausgangs:<br />

Zur geson<strong>de</strong>rten Aufzeichnung <strong>de</strong>s Warenausgangs sind gewerbliche Unternehmer (siehe zu § 141 Nr. 1) sowie<br />

nach § 144 Abs. 5 auch buchführungspflichtige Land- und Forstwirte verpflichtet. Mit <strong>de</strong>r Einbeziehung <strong>de</strong>r<br />

buchführungspflichtigen Land- und Forstwirte in die Vorschrift soll eine bessere Überprüfung <strong>de</strong>r Käufer landund<br />

forstwirtschaftlicher Produkte (z. B. Obst- o<strong>de</strong>r Gemüsehändler) ermöglicht wer<strong>de</strong>n. Bei buchführen<strong>de</strong>n<br />

Unternehmern können die Aufzeichnungspflichten im Rahmen <strong>de</strong>r Buchführung erfüllt wer<strong>de</strong>n. Beson<strong>de</strong>re<br />

Aufzeichnungspflichten, z. B. nach § 22 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 UStG, bleiben unberührt. Erleichterungen nach § 14<br />

Abs. 6 UStG für die Ausstellung von Rechnungen (z. B. nach §§ 31, 33 UStDV) gelten auch für diese<br />

Vorschrift. Bei Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten nach § 144 kann eine Ordnungswidrigkeit nach § 379<br />

Abs. 2 Nr. 1a vorliegen.<br />

Zu § 146 – Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen:<br />

1. Nur <strong>de</strong>r ordnungsmäßigen Buchführung kommt Beweiskraft zu (§ 158). Verstöße gegen die<br />

Buchführungsvorschriften (§§ 140 bis 147) können z. B. die Anwendung von Zwangsmitteln nach § 328,<br />

eine Schätzung nach § 162 o<strong>de</strong>r eine Ahndung nach § 379 Abs. 1 <strong>zur</strong> Folge haben. Die Verletzung <strong>de</strong>r<br />

Buchführungspflichten ist unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 283 und 283b StGB (sog. Insolvenzstraftaten)<br />

strafbar.<br />

2. Der Begriff „geordnet“ in § 146 Abs. 1 besagt, dass je<strong>de</strong> sinnvolle Ordnung genügt, die einen<br />

sachverständigen Dritten in <strong>de</strong>n Stand setzt, sich in angemessener Zeit einen Überblick über die<br />

Geschäftsvorfälle und über die Lage <strong>de</strong>s Unternehmens zu verschaffen.<br />

3. Die Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b in Zusammenhang mit<br />

Mitwirkungsverstößen im Rahmen von Außenprüfungen ist nicht auf Fälle beschränkt, bei <strong>de</strong>nen die<br />

elektronische Buchführung im Ausland geführt und/o<strong>de</strong>r aufbewahrt wird. Eine mehrfache Festsetzung eines<br />

Verzögerungsgelds wegen fortdauern<strong>de</strong>r Nichtvorlage <strong>de</strong>rselben Unterlagen ist jedoch nicht zulässig (BFH-<br />

Beschlüsse vom 16.6.2011 – IV B 120/10 – BStBl. II, S. 855 und vom 28.6.2011 – X B 37/11 – BFH/NV<br />

S. 1833–1835). Wird die Verpflichtung nach Festsetzung <strong>de</strong>s Verzögerungsgel<strong>de</strong>s erfüllt, so ist <strong>de</strong>r Vollzug<br />

nicht einzustellen.<br />

4. § 146 Abs. 5 enthält die gesetzliche Grundlage für die sog. „Offene Posten-Buchhaltung“ sowie für die<br />

Führung <strong>de</strong>r Bücher und sonst erfor<strong>de</strong>rlichen Aufzeichnungen auf maschinell lesbaren Datenträgern (z. B.<br />

Magnetplatten, Magnetbän<strong>de</strong>r, Blu-ray-Disk, Flash-Speicher). Bei einer Buchführung auf maschinell<br />

lesbaren Datenträgern (DV-gestützte Buchführung) müssen die Daten unverzüglich lesbar gemacht wer<strong>de</strong>n<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 124 von 235


können. Es wird nicht verlangt, dass <strong>de</strong>r Buchungsstoff zu einem bestimmten Zeitpunkt (z. B. zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Jahres) lesbar gemacht wird. Er muss ganz o<strong>de</strong>r teilweise lesbar gemacht wer<strong>de</strong>n, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> es<br />

verlangt (§ 147 Abs. 5). Wer seine Bücher o<strong>de</strong>r sonst erfor<strong>de</strong>rlichen Aufzeichnungen auf maschinell lesbaren<br />

Datenträgern führt, hat die Grundsätze ordnungsgemäßer DV-geschützter Buchführungssysteme – GoBS –<br />

zu beachten (BMF-Schreiben vom 7.11.1995, BStBl. I, S. 738).<br />

5. Es ist Aufgabe <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen selbst, seine vorzulegen<strong>de</strong>n Daten so zu organisieren, dass bei einer<br />

zulässigen Einsichtnahme in die steuerlich relevanten Datenbestän<strong>de</strong> keine gesetzlich geschützten Bereiche<br />

tangiert wer<strong>de</strong>n können, zum Beispiel bei Rechtsanwälten, Steuerberatern, Ärzten usw.<br />

Zu § 147 – Ordnungsvorschriften für die Aufbewahrung von Unterlagen:<br />

1. Die Aufbewahrungspflicht ist Bestandteil <strong>de</strong>r Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Rechtsfolgen bei Verstößen vgl. zu § 146, Nr. 1.<br />

2. Den in § 147 Abs. 1 Nr. 1 aufgeführten Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen kommt<br />

bei DV-gestützten Buchführungen beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu. Die Dokumentation hat nach Maßgabe <strong>de</strong>r<br />

Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme – GoBS – (BMF-Schreiben vom<br />

7.11.1995, BStBl. I, S. 738) zu erfolgen.<br />

3. Bildträger i. S. <strong>de</strong>s § 147 Abs. 2 sind z. B. Fotokopien, Mikrofilme. Als an<strong>de</strong>re Datenträger kommen z. B.<br />

Magnetbän<strong>de</strong>r, Magnetplatten, CD, DVD, Blu-ray-Disk, Flash-Speicher in Betracht. § 147 Abs. 2 enthält<br />

auch die Rechtsgrundlage für das sog. COM-Verfahren (Computer Output Microfilm); bei diesem Verfahren<br />

wer<strong>de</strong>n die Daten aus <strong>de</strong>m Computer direkt auf Mikrofilm ausgegeben. Bei <strong>de</strong>r Aufzeichnung von Schriftgut<br />

auf Mikrofilm sind die Mikrofilm-Grundsätze (BMF-Schreiben vom 1.2.1984, BStBl. I, S. 155) zu beachten.<br />

Die Lesbarmachung von in nicht lesbarer Form aufbewahrten Unterlagen richtet sich nach § 147 Abs. 5.<br />

4. Zur Anwendung <strong>de</strong>s § 147 Abs. 6 wird auf das BMF-Schreiben vom 16.7.2001 (BStBl. I, S. 415)<br />

„Grundsätze zum Datenzugriff und <strong>zur</strong> Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)“ hingewiesen.<br />

5. Zur Aufbewahrung digitaler Unterlagen bei Bargeschäften vgl. BMF-Schreiben vom 26.11.2010 (BStBl. I,<br />

S. 1342).<br />

Zu § 148 – Bewilligung von Erleichterungen:<br />

Die Bewilligung von Erleichterungen kann sich nur auf steuerrechtliche Buchführungs-, Aufzeichnungs- und<br />

Aufbewahrungspflichten erstrecken. § 148 lässt eine dauerhafte Befreiung von diesen Pflichten nicht zu.<br />

Persönliche Grün<strong>de</strong>, wie Alter und Krankheit <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, rechtfertigen regelmäßig keine<br />

Erleichterungen (BFH-Urteil vom 14.7.1954 – II 63/53 U – BStBl. III, S. 253). Eine Bewilligung soll nur<br />

ausgesprochen wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige sie beantragt.<br />

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Zu § 150 – Form und Inhalt <strong>de</strong>r Steuererklärungen:<br />

Die Umsatzsteuer-Jahreserklärung ist eine Steueranmeldung i. S. d. § 150 Abs. 1 Satz 3, da <strong>de</strong>r Unternehmer<br />

nach § 18 Abs. 3 UStG nach Ablauf eines Kalen<strong>de</strong>rjahres eine Umsatzsteuererklärung abzugeben hat, in <strong>de</strong>r er<br />

die Umsatzsteuer o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Überschuss selbst berechnen muss. Wegen <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer bei einer<br />

Steueranmeldung vgl. zu § 167, wegen <strong>de</strong>r Wirkung einer Steueranmeldung vgl. zu § 168. Zu <strong>de</strong>n Grundsätzen<br />

für die Verwendung von Steuererklärungsvordrucken vgl. BMF-Schreiben vom 3.4.2012, BStBl. I, S. 522.<br />

Zu § 151 – Aufnahme <strong>de</strong>r Steuererklärung an Amtsstelle:<br />

Eine Aufnahme <strong>de</strong>r Steuererklärung an Amtsstelle kommt i. d. R. nur bei geschäftlich unerfahrenen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Sprache unkundigen Steuerpflichtigen in Betracht, die nicht fähig sind, die Steuererklärung selbst<br />

schriftlich abzugeben o<strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 150 Abs. 1 Satz 2 elektronisch zu übermitteln, und<br />

auch nicht in <strong>de</strong>r Lage sind, die Hilfe eines Angehörigen <strong>de</strong>r steuerberaten<strong>de</strong>n Berufe in Anspruch zu nehmen.<br />

Zu § 152 – Verspätungszuschlag:<br />

1. Der Verspätungszuschlag wird gegen <strong>de</strong>n Erklärungspflichtigen festgesetzt. Wird die Steuererklärung von<br />

einem gesetzlichen Vertreter o<strong>de</strong>r einer sonstigen Person i. S. d. §§ 34, 35 abgegeben, so ist <strong>de</strong>r<br />

Verspätungszuschlag gleichwohl grundsätzlich gegen <strong>de</strong>n Steuerschuldner festzusetzen (vgl. BGH-Urteil<br />

vom 18.4.1991 – IV R 127/89 – BStBl. II, S. 675). Eine Festsetzung gegen <strong>de</strong>n Vertreter kommt nur in<br />

Ausnahmefällen (z. B. leichtere Beitreibbarkeit <strong>de</strong>s Verspätungszuschlags gegen <strong>de</strong>n Vertreter) in Betracht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 125 von 235


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2. Das Versäumnis ist regelmäßig dann nicht entschuldbar, wenn die Steuererklärung wie<strong>de</strong>rholt nicht o<strong>de</strong>r<br />

wie<strong>de</strong>rholt nicht fristgemäß abgegeben wur<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r eine von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> antragsgemäß bewilligte<br />

Fristverlängerung (§ 109) nicht eingehalten wur<strong>de</strong>.<br />

3. Der Verspätungszuschlag ist eine Nebenleistung (§ 3 Abs. 4). Er entsteht mit <strong>de</strong>r Bekanntgabe seiner<br />

Festsetzung (§ 124 Abs. 1) und wird mit Ablauf <strong>de</strong>r vom Finanzamt gesetzten Frist fällig (§ 220 Abs. 2).<br />

I.d.R. ist dies die Zahlungsfrist für die Steuer (Ausnahme vgl. Nr. 6). Wegen <strong>de</strong>r Verjährung <strong>de</strong>s<br />

Verspätungszuschlags wird auf § 228 hingewiesen, wegen <strong>de</strong>r Rücknahme und <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs auf §§ 130,<br />

131, wegen <strong>de</strong>r Haftung für Verspätungszuschläge auf §§ 69 ff.<br />

4. Ein Verspätungszuschlag kann auch bei verspäteter Abgabe o<strong>de</strong>r bei Nichtabgabe von Erklärungen <strong>zur</strong><br />

geson<strong>de</strong>rten Feststellung (§ 180) festgesetzt wer<strong>de</strong>n. In diesem Fall sind bei <strong>de</strong>r Bemessung <strong>de</strong>s<br />

Verspätungszuschlages die steuerlichen Auswirkungen nach <strong>de</strong>n Grundsätzen zu schätzen, die die<br />

Rechtsprechung zu <strong>de</strong>r Bemessung <strong>de</strong>s Streitwerts entwickelt hat. Der Verspätungszuschlag ist abweichend<br />

von Nr. 1 Satz 3 gegen <strong>de</strong>njenigen festzusetzen, <strong>de</strong>r nach § 181 Abs. 2 AO, § 3 Abs. 1 <strong>de</strong>r VO zu § 180<br />

Abs. 2 AO die Erklärung <strong>zur</strong> geson<strong>de</strong>rten Feststellung abzugeben hat. Bei mehreren Feststellungsbeteiligten<br />

ist es grundsätzlich ermessensfehlerfrei, ihn gegen <strong>de</strong>n Erklärungspflichtigen festzusetzen, <strong>de</strong>r gegenüber<br />

<strong>de</strong>m Finanzamt bei <strong>de</strong>r Erledigung <strong>de</strong>r steuerlichen Angelegenheiten für die Gemeinschaft bzw. die<br />

Beteiligten auftritt (vgl. BFH-Urteil vom 21.5.1987 – IV R 134/83 – BStBl. II, S. 764).<br />

5. Bei verspäteter Abgabe einer Steueranmeldung (§ 168) ist <strong>de</strong>r Verspätungszuschlag durch beson<strong>de</strong>ren<br />

Verwaltungsakt festzusetzen. Einer beson<strong>de</strong>ren Begründung bedarf es hierbei i. d. R. nicht (§ 121 Abs. 2<br />

Nr. 2). Unabhängig von <strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r Steuer ist in diesen Fällen jedoch eine Zahlungsfrist für <strong>de</strong>n<br />

Verspätungszuschlag ein<strong>zur</strong>äumen (§ 220 Abs. 2).<br />

6. Nach § 152 Abs. 2 Satz 1 darf <strong>de</strong>r Verspätungszuschlag höchstens 25 000 € betragen (<strong>zur</strong> Anwendung siehe<br />

Art. 97 § 8 Abs. 2 EGAO). Ein Verspätungszuschlag i. H. v. mehr als 5 000 € ist nur festzusetzen, wenn mit<br />

einem Verspätungszuschlag i. H. v. bis zu 5 000 € ein durch die verspätete Abgabe <strong>de</strong>r Steuererklärung<br />

(Steueranmeldung) entstan<strong>de</strong>ner Zinsvorteil nicht ausreichend abgeschöpft wer<strong>de</strong>n kann.<br />

7. Bei <strong>de</strong>r Ermessensentscheidung sind sämtliche in § 152 Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich und abschließend<br />

aufgezählten Kriterien zu beachten; das Für und Wi<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kriterien ist gegeneinan<strong>de</strong>r abzuwägen (BFH-<br />

Urteil vom 26.4.1989 – I R 10/85 – BStBl. II, S. 693). Wenngleich die Beurteilungsmerkmale grundsätzlich<br />

gleichwertig sind, sind sie nicht notwendigerweise in je<strong>de</strong>m Fall in gleicher Weise zu gewichten. Im<br />

Ergebnis kann je nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalls ein Merkmal stärker als ein an<strong>de</strong>res hervortreten<br />

(BFH-Urteil vom 11.6.1997 – X R 14/95 – BStBl. II, S. 642) o<strong>de</strong>r auch ganz ohne Auswirkung auf die<br />

Bemessung bleiben.<br />

Danach gilt für die Anwendung <strong>de</strong>s § 152 Abs. 2 Satz 2 grundsätzlich Folgen<strong>de</strong>s (BFH-Urteil vom<br />

14.6.2000 – X R 56/98 – BStBl. 2001 II, S. 60 m. w. N.):<br />

– Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Höhe <strong>de</strong>s Verspätungszuschlags <strong>de</strong>n durch die verspätete<br />

Abgabe <strong>de</strong>r Erklärung gezogenen Vorteil erheblich übersteigt.<br />

– Da die Bemessung <strong>de</strong>s Zuschlags nicht durch das Maß <strong>de</strong>s gezogenen Vorteils begrenzt wird, kommt es<br />

u. U. nicht entschei<strong>de</strong>nd darauf an, ob und in welcher Höhe letztlich ein Zinsvorteil erzielt wur<strong>de</strong>.<br />

– Ein Verspätungszuschlag kann auch festgesetzt wer<strong>de</strong>n, obwohl es aufgrund von Anrechnungsbeträgen<br />

zu einer Erstattung gekommen ist o<strong>de</strong>r wenn ein o<strong>de</strong>r zwei <strong>de</strong>r in § 152 Abs. 2 Satz 2 genannten und in<br />

je<strong>de</strong>m Fall zu prüfen<strong>de</strong>n Voraussetzungen nicht erfüllt sind.<br />

– Es ist in schweren Fällen (z. B. bei erheblicher Fristüberschreitung, schwerwiegen<strong>de</strong>m Verschul<strong>de</strong>n und<br />

hoher Steuerfestsetzung) nicht ermessensfehlerhaft, <strong>de</strong>n Verspätungszuschlag so zu bemessen, dass er als<br />

angemessene Sanktion wirkt.<br />

– Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Frage, welche Vorteile <strong>de</strong>r Steuerpflichtige aus <strong>de</strong>r verspäteten o<strong>de</strong>r<br />

unterlassenen Abgabe <strong>de</strong>r Steuererklärung gezogen hat, ist zu berücksichtigen, dass Zinsvorteile bereits<br />

durch Zinsen nach § 233a teilweise ausgeglichen sein können.<br />

Zu § 154 – Kontenwahrheit:<br />

1. Das Verbot, falsche o<strong>de</strong>r erdichtete Namen zu verwen<strong>de</strong>n, richtet sich an <strong>de</strong>njenigen, <strong>de</strong>r als Kun<strong>de</strong> bei<br />

einem an<strong>de</strong>ren ein Konto errichten lassen will o<strong>de</strong>r Buchungen vornehmen lässt. Wegen <strong>de</strong>s Verbots im<br />

eigenen Geschäftsbetrieb falsche o<strong>de</strong>r erdichtete Namen für Konten zu gebrauchen, Hinweis auf § 146<br />

Abs. 1.<br />

2. Es ist zulässig, Konten auf <strong>de</strong>n Namen Dritter zu errichten, hierbei ist die Existenz <strong>de</strong>s Dritten nachzuweisen.<br />

Der ausdrücklichen Zustimmung <strong>de</strong>s Dritten bedarf es nicht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 126 von 235


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3. Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r für einen an<strong>de</strong>ren Konten führt, Wertsachen verwahrt o<strong>de</strong>r von ihm als Pfand nimmt o<strong>de</strong>r ihm ein<br />

Schließfach überlässt, hat sich Gewissheit über die Person <strong>de</strong>s Verfügungsberechtigten zu verschaffen. Die<br />

Vorschrift ist nicht auf Kreditinstitute beschränkt, son<strong>de</strong>rn gilt auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr und<br />

für Privatpersonen. Verboten ist die Abwicklung von Geschäftsvorfällen über sog. CpD-Konten, wenn <strong>de</strong>r<br />

Name <strong>de</strong>s Beteiligten bekannt ist o<strong>de</strong>r unschwer ermittelt wer<strong>de</strong>n kann und für ihn bereits ein entsprechen<strong>de</strong>s<br />

Konto geführt wird.<br />

4. Das Kreditinstitut hat sich vor Erledigung von Aufträgen, die über ein Konto abgewickelt wer<strong>de</strong>n sollen,<br />

bzw. vor Überlassung eines Schließfachs Gewissheit über die Person und Anschrift <strong>de</strong>s (<strong>de</strong>r)<br />

Verfügungsberechtigten zu verschaffen. Gewissheit über die Person besteht im Allgemeinen nur, wenn <strong>de</strong>r<br />

vollständige Name, das Geburtsdatum und <strong>de</strong>r Wohnsitz bekannt sind. Eine vorübergehen<strong>de</strong> Anschrift<br />

(Hoteladresse) reicht nicht aus. Bei einer juristischen Person (Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts, AG,<br />

GmbH usw.) reicht die Bezugnahme auf eine amtliche Veröffentlichung o<strong>de</strong>r ein amtliches Register unter<br />

Angabe <strong>de</strong>r Register-Nr. aus. Wird ein Konto auf <strong>de</strong>n Namen eines verfügungsberechtigten Dritten errichtet,<br />

müssen die Angaben über Person und Anschrift sowohl <strong>de</strong>s Kontoinhabers als auch <strong>de</strong>sjenigen, <strong>de</strong>r das<br />

Konto errichtet, festgehalten wer<strong>de</strong>n. Steht <strong>de</strong>r Verfügungsberechtigte noch nicht fest (z. B. <strong>de</strong>r unbekannte<br />

Erbe), reicht es aus, wenn das Kreditinstitut sich zunächst Gewissheit über die Person und Anschrift <strong>de</strong>s das<br />

Konto Errichten<strong>de</strong>n (z. B. <strong>de</strong>s Nachlasspflegers) verschafft; die Legitimation <strong>de</strong>s Kontoinhabers ist sobald<br />

wie möglich nachzuholen.<br />

5. Diese Angaben sind auf <strong>de</strong>m Kontostammblatt zu machen. Es ist unzulässig, Name und Anschrift <strong>de</strong>s<br />

Verfügungsberechtigten lediglich in einer vertraulichen Liste zu führen und das eigentliche Konto nur mit<br />

einer Nummer zu kennzeichnen. Die Führung sog. Nummernkonten bleibt verboten. Bei Auflösung <strong>de</strong>s<br />

ersten Kontos müssen die I<strong>de</strong>ntifikationsmerkmale auf das zweite bzw. weitere Konto bzw. auf die<br />

betreffen<strong>de</strong>n Kontounterlagen übertragen wer<strong>de</strong>n.<br />

6. Das Kreditinstitut ist nach § 154 Abs. 2 Satz 2 verpflichtet, ein beson<strong>de</strong>res alphabetisch geführtes<br />

Namensverzeichnis <strong>de</strong>r Verfügungsberechtigten zu führen, um je<strong>de</strong>rzeit über die Konten und Schließfächer<br />

eines Verfügungsberechtigten Auskunft geben zu können. Eines <strong>de</strong>rartigen Verzeichnisses bedarf es nicht,<br />

wenn die Erfüllung <strong>de</strong>r Verpflichtung auf an<strong>de</strong>re Weise sichergestellt wer<strong>de</strong>n kann. Die Verpflichtung<br />

besteht noch sechs Jahre nach Beendigung <strong>de</strong>r Geschäftsbeziehung, bei Bevollmächtigten sechs Jahre nach<br />

Erlöschen <strong>de</strong>r Vollmacht.<br />

7. Verfügungsberechtigte i. S. d. vorstehen<strong>de</strong>n Nummern sind sowohl <strong>de</strong>r Gläubiger <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung und seine<br />

gesetzlichen Vertreter als auch je<strong>de</strong> Person, die <strong>zur</strong> Verfügung über das Konto bevollmächtigt ist<br />

(Kontovollmacht). Dies gilt entsprechend für die Verwahrung von Wertsachen sowie für die Überlassung<br />

von Schließfächern. Personen, die aufgrund Gesetzes o<strong>de</strong>r Rechtsgeschäfts <strong>zur</strong> Verfügung berechtigt sind,<br />

ohne dass diese Berechtigung <strong>de</strong>m Kreditinstitut usw. mitgeteilt wor<strong>de</strong>n ist, gelten insoweit nicht als<br />

Verfügungsberechtigte.<br />

Nach <strong>de</strong>m Grundsatz <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit ist nicht zu beanstan<strong>de</strong>n, wenn in folgen<strong>de</strong>n Fällen auf die<br />

Legitimationsprüfung (Nrn. 3 bis 5) und die Herstellung <strong>de</strong>r Auskunftsbereitschaft (Nr. 6) verzichtet wird:<br />

a) bei Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer min<strong>de</strong>rjährigen Kin<strong>de</strong>r, wenn die Voraussetzungen für die<br />

gesetzliche Vertretung bei Kontoeröffnung durch amtliche Urkun<strong>de</strong>n nachgewiesen wer<strong>de</strong>n,<br />

b) bei Vormundschaften und Pflegschaften, einschließlich Amtsvormundschaften und Amtspflegschaften,<br />

sowie bei rechtlicher Betreuung (§§ 1896 ff. BGB),<br />

c) bei Parteien kraft Amtes (Konkursverwalter, Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter, Nachlassverwalter,<br />

Testamentsvollstrecker und ähnliche Personen),<br />

d) bei Pfandnehmern (insbeson<strong>de</strong>re in Bezug auf Mietkautionskonten, bei <strong>de</strong>nen die Einlage auf einem<br />

Konto <strong>de</strong>s Mieters erfolgt und an <strong>de</strong>n Vermieter verpfän<strong>de</strong>t wird),<br />

e) bei Vollmachten auf <strong>de</strong>n To<strong>de</strong>sfall (auch nach diesem Ereignis),<br />

f) bei Vollmachten <strong>zur</strong> einmaligen Verfügung über ein Konto,<br />

g) bei Verfügungsbefugnissen im Lastschriftverfahren (Abbuchungsauftragsverfahren und<br />

Einzugsermächtigungsverfahren),<br />

h) bei Vertretung juristischer Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts (einschließlich Eigenbetriebe),<br />

i) bei Vertretung von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen,<br />

j) bei <strong>de</strong>n als Vertretern eingetragenen Personen, die in öffentlichen Registern (Han<strong>de</strong>lsregister,<br />

Vereinsregister) eingetragene Firmen o<strong>de</strong>r Personen vertreten,<br />

k) bei Vertretung von Unternehmen, sofern schon min<strong>de</strong>stens fünf Personen, die in öffentliche Register<br />

eingetragen sind bzw. bei <strong>de</strong>nen eine Legitimationsprüfung stattgefun<strong>de</strong>n hat, Verfügungsbefugnis<br />

haben,<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 127 von 235


l) bei vor <strong>de</strong>m 1.1.1992 begrün<strong>de</strong>ten, noch bestehen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r bereits erloschenen Befugnissen.<br />

Unberührt bleibt die Befugnis <strong>de</strong>r Finanzämter, im Besteuerungsverfahren Auskünfte von<br />

Auskunftspersonen (§§ 93, 94) einzuholen und die Vorlage von Unterlagen (§ 97) zu verlangen sowie in<br />

einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat o<strong>de</strong>r in einem Bußgeldverfahren wegen einer<br />

Steuerordnungswidrigkeit die Befugnis <strong>zur</strong> Vernehmung von Zeugen o<strong>de</strong>r <strong>zur</strong> Beschlagnahme von<br />

Unterlagen (§§ 208, 399 Abs. 2, § 410).<br />

8. Bei einem Verstoß gegen § 154 Abs. 3 haftet <strong>de</strong>r Zuwi<strong>de</strong>rhan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> nach Maßgabe <strong>de</strong>s § 72. Waren über ein<br />

Konto usw. mehrere Personen verfügungsberechtigt (mit Ausnahme <strong>de</strong>r in Nr. 7 Satz 4 genannten Fälle),<br />

bedarf es u. U. <strong>de</strong>r Zustimmung aller beteiligten Finanzämter <strong>zur</strong> Herausgabe.<br />

9. Wegen <strong>de</strong>r Ahndung einer Verletzung <strong>de</strong>s § 154 Abs. 1 als Ordnungswidrigkeit Hinweis auf § 379 Abs. 2<br />

Nr. 2.<br />

10. Die Verletzung <strong>de</strong>r Verpflichtungen nach § 154 Abs. 2 führt allein noch nicht unmittelbar zu einer Haftung<br />

o<strong>de</strong>r Ahndung wegen Ordnungswidrigkeit. Es kann sich jedoch um eine Steuergefährdung i. S. d. § 379<br />

Abs. 1 Nr. 3 han<strong>de</strong>ln, soweit nicht sogar <strong>de</strong>r Tatbestand <strong>de</strong>s § 370 erfüllt ist. Wird festgestellt, dass die nach<br />

§ 154 Abs. 2 bestehen<strong>de</strong>n Verpflichtungen nicht erfüllt sind, soll die für Straf- und Bußgeldsachen<br />

zuständige Stelle unterrichtet wer<strong>de</strong>n. Die Möglichkeit <strong>de</strong>r Erzwingung <strong>de</strong>r Verpflichtungen (§§ 328 ff.)<br />

bleibt unberührt.<br />

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Zu § 155 – Steuerfestsetzung:<br />

1. Wegen Einzelheiten <strong>zur</strong> Bekanntgabe von Steuerbeschei<strong>de</strong>n vgl. zu § 122. Wegen <strong>de</strong>r Wirksamkeit von<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong>n wird auf § 124 hingewiesen, wegen formeller Fehler auf §§ 126 bis 129, wegen Form und<br />

Inhalt auf § 157.<br />

2. Die volle o<strong>de</strong>r teilweise Freistellung von <strong>de</strong>r Steuer sowie die Ablehnung eines Antrags auf Festsetzung <strong>de</strong>r<br />

Steuer erfolgt durch Steuerbescheid. Daher ist z. B. die Erstattung von Kapitalertragsteuer aufgrund von<br />

Doppelbesteuerungsabkommen eine Steuerfestsetzung i. S. d. Vorschrift. Es gelten alle<br />

Verfahrensvorschriften, die bei <strong>de</strong>r Festsetzung von Steuern anzuwen<strong>de</strong>n sind. Für die Festsetzung sind<br />

insbeson<strong>de</strong>re die Grundsätze über die Festsetzungsfrist zu beachten (§§ 169 ff., § 47). Für die Aufhebung<br />

und Än<strong>de</strong>rung dieser Steuerbeschei<strong>de</strong> sind die §§ 172 ff. maßgebend.<br />

3. Ansprüche <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, die auf Rückzahlung eines überzahlten Betrages gerichtet sind (z. B. bei<br />

Doppelzahlung), fallen nicht unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Vergütung i. S. d. Vorschrift. Ein solcher<br />

Rückzahlungsanspruch ist im Erhebungsverfahren geltend zu machen (Hinweis auf § 218 Abs. 2).<br />

4. Nach <strong>de</strong>n Gesetzen, in <strong>de</strong>nen die Gewährung von Zulagen geregelt wird (z. B. die Investitionszulage, die<br />

Eigenheimzulage o<strong>de</strong>r die Arbeitnehmer-Sparzulage), und <strong>de</strong>n Prämiengesetzen sind die für<br />

Steuervergütungen gelten<strong>de</strong>n Vorschriften (§ 155 Abs. 4) auf Zulagen und Prämien entsprechend<br />

anzuwen<strong>de</strong>n. Die Gewährung erfolgt somit durch Festsetzung, soweit nichts an<strong>de</strong>res vorgeschrieben ist (z. B.<br />

§§ 4a, 4b WoPG). Die Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung dieser Beschei<strong>de</strong> und insbeson<strong>de</strong>re die Rückfor<strong>de</strong>rung zu<br />

Unrecht gewährter Beträge regeln sich nach <strong>de</strong>n für das Steuerfestsetzungsverfahren gelten<strong>de</strong>n Vorschriften.<br />

Zu § 156 – Absehen von Steuerfestsetzungen:<br />

Das Absehen von <strong>de</strong>r Festsetzung bringt <strong>de</strong>n Steueranspruch nicht zum Erlöschen; die Festsetzung kann<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist nachgeholt wer<strong>de</strong>n. Wegen <strong>de</strong>r Kleinbetragsregelung für das<br />

Festsetzungsverfahren siehe die KBV (<strong>zur</strong> Anwendung siehe Art. 97 § 9a EGAO). Zur Kleinbetragsregelung für<br />

das Erhebungsverfahren siehe BMF-Schreiben vom 22.3.2001, BStBl. I, S. 242.<br />

Zu § 157 – Form und Inhalt <strong>de</strong>r Steuerbeschei<strong>de</strong>:<br />

1. Steuerbeschei<strong>de</strong>, die zwecks Bekanntgabe <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen nicht selbst übergeben wer<strong>de</strong>n, sind mit<br />

Rücksicht auf das Steuergeheimnis (§ 30) in einem verschlossenen Umschlag zu versen<strong>de</strong>n.<br />

2. Wegen <strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s wird auf § 121 hingewiesen, wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe auf<br />

§§ 122, 155, wegen <strong>de</strong>r Wirksamkeit auf § 124, wegen <strong>de</strong>s Leistungsgebotes auf § 254, wegen <strong>de</strong>r Folgen<br />

bei unterbliebener o<strong>de</strong>r unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung auf § 356.<br />

Zu § 158 – Beweiskraft <strong>de</strong>r Buchführung:<br />

Die Vorschrift enthält eine gesetzliche Vermutung. Sie verliert ihre Wirksamkeit mit <strong>de</strong>r Folge <strong>de</strong>r<br />

Schätzungsnotwendigkeit nach § 162, wenn es nach Verprobung usw. unwahrscheinlich ist, dass das<br />

ausgewiesene Ergebnis mit <strong>de</strong>n tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt. Für die formelle Ordnungsmäßigkeit<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 128 von 235


<strong>de</strong>r Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstän<strong>de</strong> im Einzelfall maßgebend. Eine Buchführung kann trotz<br />

einzelner Mängel nach <strong>de</strong>n §§ 140 bis 148 AO aufgrund <strong>de</strong>r Gesamtwertung als formell ordnungsmäßig<br />

erscheinen. Insoweit kommt <strong>de</strong>r sachlichen Gewichtung <strong>de</strong>r Mängel ausschlaggeben<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung zu. Eine<br />

Buchführung ist erst dann formell ordnungswidrig, wenn sie wesentliche Mängel aufweist o<strong>de</strong>r die Gesamtheit<br />

aller (unwesentlichen) Mängel diesen Schluss for<strong>de</strong>rt (BFH-Beschluss vom 2.12.2008 – X B 69/08 – m. w. N.).<br />

Wer<strong>de</strong>n digitale Unterlagen bei Bargeschäften nicht entsprechend <strong>de</strong>m BMF-Schreiben vom 26.11.2010,<br />

BStBl. I, S. 1342 aufbewahrt, kann dies ein schwerwiegen<strong>de</strong>r formeller Mangel <strong>de</strong>r Ordnungsmäßigkeit sein.<br />

Die gesetzliche Vermutung <strong>de</strong>r Richtigkeit <strong>de</strong>r Kassenbuchführung erfor<strong>de</strong>rt, dass ein schlüssiger Nachweis<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r Unverän<strong>de</strong>rbarkeit <strong>de</strong>r Einzelbuchungen und <strong>de</strong>ren Zusammenführung bei <strong>de</strong>r Erstellung<br />

steuerlicher Abschlüsse geführt wer<strong>de</strong>n kann. Das Buchführungsergebnis ist nicht zu übernehmen, soweit die<br />

Beanstandungen reichen. Eine Vollschätzung an Stelle einer Zuschätzung kommt nur dann in Betracht, wenn<br />

sich die Buchführung in wesentlichen Teilen als unbrauchbar erweist.<br />

Zu § 159 – Nachweis <strong>de</strong>r Treuhän<strong>de</strong>rschaft:<br />

Personen, die <strong>zur</strong> Verweigerung <strong>de</strong>r Auskunft aufgrund ihres Berufes berechtigt sind (§ 102), insbeson<strong>de</strong>re<br />

Angehörige <strong>de</strong>r steuerberaten<strong>de</strong>n Berufe, können ein Aussageverweigerungsrecht nur mit <strong>de</strong>r Einschränkung <strong>de</strong>s<br />

§ 104 Abs. 2 in Anspruch nehmen. Sie haften für steuerliche Folgen u. U. selbst gemäß §§ 34, 35, soweit ihnen<br />

die Wirtschaftsgüter nicht nach § 159 selbst zu<strong>zur</strong>echnen sind.<br />

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Zu § 160 – Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern:<br />

1. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen <strong>de</strong>s Finanzamts, ob es sich <strong>de</strong>n Gläubiger von Schul<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Empfänger von Ausgaben vom Steuerpflichtigen benennen lässt (vgl. BFH-Urteile vom 25.11.1986 –<br />

VIII R 350/82 – BStBl. 1987 II, S. 286 und vom 10.3.1999 – XI R 10/98 – BStBl. II, S. 434). Liegen<br />

Anhaltspunkte für straf- o<strong>de</strong>r bußgeldbewehrte Vorteilszuwendung vor, so ist die Benennung <strong>de</strong>s Gläubigers<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Empfängers stets zu verlangen. Zum einkommensteuerrechtlichen Abzugsverbot für die Zuwendung<br />

von Vorteilen im Sinne <strong>de</strong>s § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG und zum Verhältnis dieser Vorschrift zu § 160<br />

vgl. BMF-Schreiben vom 10.10.2002 (BStBl. I, S. 1031).<br />

Bei <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s § 160 ist nach pflichtgemäßem Ermessen zunächst zu entschei<strong>de</strong>n, ob ein<br />

Benennungsverlangen geboten ist. Das Benennungsverlangen ist eine nicht selbstständig anfechtbare<br />

Vorbereitungshandlung (BFH-Urteil vom 20.4.1988 – I R 67/84 – BStBl. II, S. 927). Zur Belehrungspflicht,<br />

wenn das Benennungsverlangen eine vermutete straf- o<strong>de</strong>r bußgeldbewehrte Vorteilszuwendung zum<br />

Gegenstand hat, vgl. Tz. 30 <strong>de</strong>s BMF-Schreibens vom 10.10.2002 (a.a.O.). Wegen <strong>de</strong>r Stellung von<br />

Personen, die aufgrund ihres Berufes <strong>zur</strong> Auskunftsverweigerung berechtigt sind, vgl. zu § 159, Satz 1.<br />

2. Unterlässt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige es trotz Auffor<strong>de</strong>rung durch die Finanzbehör<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Gläubiger <strong>de</strong>r Schuld<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Empfänger <strong>de</strong>r Ausgabe genau zu benennen, so ist im Rahmen einer zweiten<br />

Ermessensentscheidung zu prüfen, ob und in welcher Höhe <strong>de</strong>r Abzug <strong>de</strong>r Ausgaben bzw. Schul<strong>de</strong>n zu<br />

versagen ist. Nach § 160 Satz 1 ist <strong>de</strong>r Abzug dann „regelmäßig“ zu versagen (BFH-Urteil vom 10.3.1999 –<br />

XI R 10/98 – BStBl. II, S. 434). Ist sowohl streitig, ob <strong>de</strong>r Höhe nach Betriebsausgaben vorliegen, als auch,<br />

ob die fehlen<strong>de</strong> Benennung <strong>de</strong>r Zahlungsempfänger <strong>de</strong>m Abzug entgegensteht, so ist zunächst die Höhe <strong>de</strong>r<br />

Betriebsausgaben zu ermitteln o<strong>de</strong>r ggf. zu schätzen. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit die fehlen<strong>de</strong><br />

Benennung <strong>de</strong>r Zahlungsempfänger <strong>de</strong>m Abzug <strong>de</strong>r Betriebsausgaben entgegensteht. Die bei <strong>de</strong>r<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 160 zu treffen<strong>de</strong>n Ermessensentscheidungen können eine unterlassene Schätzung nicht<br />

ersetzen (BFH-Urteil vom 24.6.1997 – VIII R 9/96 – BStBl. 1998 II, S. 51).<br />

3. Wer<strong>de</strong>n Leistungen über eine Domizilgesellschaft (Briefkastenfirma) abgerechnet, so ist zunächst zu prüfen,<br />

ob <strong>de</strong>r Steuerpflichtige überhaupt eine Leistung von objektiv feststellbarem wirtschaftlichen Wert erhalten<br />

hat o<strong>de</strong>r ob lediglich ein Scheingeschäft vorliegt. Bei Leistungen an Domizilgesellschaften ist <strong>de</strong>r<br />

Empfängernachweis nur erbracht, wenn die hinter <strong>de</strong>r Gesellschaft stehen<strong>de</strong>n Personen benannt wer<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Beschluss vom 25.8.1986 – IV B 76/86 – BStBl. 1987 II, S. 481). Das sind die Personen, die anstelle<br />

<strong>de</strong>r inaktiven Domizilgesellschaften bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Leistung gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Steuerpflichtigen erbracht haben und <strong>de</strong>nen damit auch die Gegenleistung zusteht. Die Benennung lediglich<br />

formaler Anteilseigner (z. B. Treuhän<strong>de</strong>r) reicht nicht aus, ebenso wenig wie die Erklärung <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen, nicht er, son<strong>de</strong>rn ein frem<strong>de</strong>r Dritter stehe hinter <strong>de</strong>r ausländischen Gesellschaft (BFH-<br />

Beschluss vom 25.8.1986, a.a.O.). Ungewissheiten hinsichtlich <strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s Empfängers gehen zu Lasten<br />

<strong>de</strong>s Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 13.3.1985 – I R 7/81 – BStBl. 1986 II, S. 318, und BFH-Beschluss<br />

vom 9.7.1986 – I B 36/86 – BStBl. 1987 II, S. 487). Ausländische Verbotsnormen führen nicht dazu, dass<br />

ein Offenlegungsverlangen von vornherein unverhältnismäßig o<strong>de</strong>r unzumutbar wird (vgl. BFH-Urteil vom<br />

16.4.1980 – I R 75/78 – BStBl. 1981 II, S. 492). § 16 AStG bleibt unberührt.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 129 von 235


4. Bei Zahlungen an ausländische Empfänger soll das Finanzamt – soweit keine Anhaltspunkte für eine strafo<strong>de</strong>r<br />

bußgeldbewehrte Vorteilszuwendung vorliegen – auf <strong>de</strong>n Empfängernachweis nach § 160 verzichten,<br />

wenn feststeht, dass die Zahlung im Rahmen eines üblichen Han<strong>de</strong>lsgeschäfts erfolgte, <strong>de</strong>r Geldbetrag ins<br />

Ausland abgeflossen ist und <strong>de</strong>r Empfänger nicht <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Steuerpflicht unterliegt. Hierzu ist <strong>de</strong>r<br />

Empfänger in <strong>de</strong>m Umfang zu bezeichnen, dass <strong>de</strong>ssen Steuerpflicht im Inland mit hinreichen<strong>de</strong>r Sicherheit<br />

ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n kann. Die bloße Möglichkeit einer im Inland nicht bestehen<strong>de</strong>n Steuerpflicht reicht<br />

nicht aus (BFH-Urteil vom 13.3.1985 – I R 7/81 – BStBl. 1986 II, S. 318). In geeigneten Fällen ist eine<br />

Erklärung <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Geschäft betrauten Personen sowie <strong>de</strong>s verantwortlichen Organs <strong>de</strong>s Unternehmens<br />

zu verlangen, dass ihnen keine Umstän<strong>de</strong> bekannt sind, die für einen Rückfluss <strong>de</strong>r Zuwendung an einen<br />

inländischen Empfänger sprechen. Die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Mitteilung von Erkenntnissen <strong>de</strong>utscher<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n im Rahmen <strong>de</strong>s § 117 bleibt hiervon unberührt.<br />

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Zu § 162 – Schätzung von Besteuerungsgrundlagen:<br />

1. Bei <strong>de</strong>r Schätzung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 155 Abs. 2 han<strong>de</strong>lt es sich um eine<br />

vorläufige Maßnahme <strong>de</strong>s Wohnsitzfinanzamtes, <strong>de</strong>r ein Grundlagenbescheid nachfolgen muss (BFH-Urteil<br />

vom 26.7.1983 – VIII R 28/79 – BStBl. 1984 II, S. 290).<br />

2. Wegen <strong>de</strong>r Pflicht <strong>zur</strong> Abgabe einer Steuererklärung trotz Schätzung siehe § 149 Abs. 1 Satz 4.<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r nur eingeschränkten Offenlegung <strong>de</strong>r Verhältnisse von Vergleichsbetrieben vgl. zu § 30, Nr. 4.5.<br />

4. Wer<strong>de</strong>n die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe <strong>de</strong>r Steuererklärung geschätzt, ist die Steuer unter<br />

Nachprüfungsvorbehalt (§ 164) festzusetzen, wenn <strong>de</strong>r Fall für eine eventuelle spätere Überprüfung offen<br />

gehalten wer<strong>de</strong>n soll. Dies gilt z. B., wenn eine <strong>de</strong>n Schätzungszeitraum umfassen<strong>de</strong> Außenprüfung<br />

vorgesehen ist o<strong>de</strong>r zu erwarten ist, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nach Erlass <strong>de</strong>s Bescheids die Steuererklärung<br />

nachreicht.<br />

Die unter Nachprüfungsvorbehalt stehen<strong>de</strong> Steuerfestsetzung ist – sofern <strong>de</strong>r Steuerpflichtige keinen<br />

Einspruch eingelegt bzw. keinen Än<strong>de</strong>rungsantrag gestellt hat und auch keine Außenprüfung vorgesehen<br />

ist – bei <strong>de</strong>r Veranlagung für das Folgejahr zu überprüfen. Dabei sind auch die in einem eventuellen<br />

Vollstreckungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse zu berücksichtigen. Der Nachprüfungsvorbehalt ist<br />

danach grundsätzlich aufzuheben, auch wenn die Steuerfestsetzung nicht zu än<strong>de</strong>rn ist.<br />

Zur Aufhebung <strong>de</strong>s Nachprüfungsvorbehalts in Fällen einer Fristsetzung nach § 364b vgl. zu § 364b, Nr. 2.<br />

5. Wegen <strong>de</strong>r Befugnis <strong>zur</strong> Schätzung bei Verletzung <strong>de</strong>r Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 vgl. zu § 90,<br />

Nr. 1.<br />

6. Die Besteuerungsgrundlagen sind nach § 162 Abs. 1 unter an<strong>de</strong>rem dann zu schätzen, wenn tatsächliche<br />

Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen<br />

Einnahmen o<strong>de</strong>r Betriebsvermögensmehrungen unrichtig o<strong>de</strong>r unvollständig sind. Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige in<br />

einem <strong>de</strong>rartigen Fall die Zustimmung zu einem Kontenabruf verweigert (§ 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5), sind die<br />

nach Einschätzung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> nicht erklärten steuerpflichtigen Einnahmen o<strong>de</strong>r<br />

Betriebsvermögensmehrungen nach § 162 Abs. 2 Satz 2 dritte Alternative zu schätzen. In diesem Fall kann<br />

zu Lasten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgegangen wer<strong>de</strong>n, für <strong>de</strong>n unter Berücksichtigung<br />

seiner Beweisnähe und seiner Verantwortung für die Aufklärung <strong>de</strong>s Sachverhalts eine gewisse<br />

Wahrscheinlichkeit spricht. Gleiches gilt, wenn ein mit Zustimmung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen durchgeführter<br />

Kontenabruf keine neuen Erkenntnisse gebracht hat, z. B. bei auf ausländischen – und <strong>de</strong>swegen durch einen<br />

Kontenabruf nicht ermittelbaren – Konten zugeflossenen Einnahmen o<strong>de</strong>r bei baren Einnahmen. In diesen<br />

Fällen ist auch weiterhin eine Schätzung nach § 162 möglich, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die<br />

Angaben über Einnahmen o<strong>de</strong>r Betriebsvermögensmehrungen nicht vollständig o<strong>de</strong>r unzutreffend sind.<br />

Zu § 163 – Abweichen<strong>de</strong> Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n:<br />

1. § 163 regelt Billigkeitsmaßnahmen im Festsetzungsverfahren. Billigkeitsmaßnahmen im Erhebungsverfahren<br />

regelt § 227. Die Unbilligkeit kann sich aus sachlichen o<strong>de</strong>r aus persönlichen Grün<strong>de</strong>n ergeben.<br />

2. Ein Antrag auf eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 kann auch nach Eintritt <strong>de</strong>r Unanfechtbarkeit <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n geson<strong>de</strong>rten Feststellung gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

3. Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 stellt auch dann einen selbständigen<br />

Verwaltungsakt dar, wenn sie mit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n geson<strong>de</strong>rten Feststellung<br />

verbun<strong>de</strong>n wird. Sie ist Grundlagenbescheid für <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Steuer- o<strong>de</strong>r Feststellungsbescheid<br />

(§ 171 Abs. 10). Wird eine Billigkeitsmaßnahme erst nach Erlass <strong>de</strong>s hiervon betroffenen Steuer- o<strong>de</strong>r<br />

Feststellungsbescheids getroffen, muss dieser Bescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 entsprechend<br />

angepasst wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 130 von 235


4. Bei <strong>de</strong>r Ermessensentscheidung ist <strong>de</strong>r Zeitraum zwischen Entstehung <strong>de</strong>s Steueranspruchs und <strong>de</strong>r<br />

Antragstellung zu berücksichtigen. Es ist regelmäßig ermessensgerecht, eine Billigkeitsmaßnahme nach<br />

§ 163 abzulehnen, sobald für <strong>de</strong>n Folgebescheid die Festsetzungs- o<strong>de</strong>r Feststellungsfrist abgelaufen ist<br />

(BFH-Urteil vom 17.3.1987 – VII R 26/84 – BFH/NV 1987 S. 620).<br />

Eine Billigkeitsmaßnahme kann ausnahmsweise auch nach diesem Zeitpunkt getroffen wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r ihr<br />

zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong> Antrag vor Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungs- o<strong>de</strong>r Feststellungsfrist gestellt wor<strong>de</strong>n war.<br />

5. Wegen <strong>de</strong>r Auswirkungen einer Billigkeitsmaßnahme bei <strong>de</strong>n Steuern vom Einkommen auf die<br />

Gewerbesteuer Hinweis auf § 184 Abs. 2. Danach ist die niedrigere Festsetzung eines Messbetrags nach<br />

§ 163 Satz 1 nicht zulässig, wenn die Voraussetzungen dafür nicht in einer allgemeinen<br />

Verwaltungsvorschrift <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung o<strong>de</strong>r einer obersten Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong> festgelegt sind.<br />

6. Zum Einspruchsverfahren gegen die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme vgl. zu § 347, Nr. 4.<br />

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Zu § 164 – Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung:<br />

1. Der Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung ist eine Nebenbestimmung i. S. d. § 120, die im Steuerbescheid anzugeben<br />

ist. Im Gegensatz <strong>zur</strong> vorläufigen Steuerfestsetzung hat <strong>de</strong>r Vorbehalt keine Auswirkung auf <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist. Wegen <strong>de</strong>r Wirkung einer Steueranmeldung als Vorbehaltsfestsetzung siehe § 168.<br />

2. Der Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung ist zulässig bei allen Festsetzungen, für die die Vorschriften über das<br />

Steuerfestsetzungsverfahren gelten (z. B. bei Steuervergütungen, Zulagen, Prämien, geson<strong>de</strong>rten<br />

Feststellungen, Steuermessbeträgen, Zinsen, vgl. zu § 155). Zum Nachprüfungsvorbehalt in Schätzungsfällen<br />

vgl. zu § 162, Nr. 4.<br />

3. Solange ein Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, kann die spätere Überprüfung vorbehalten bleiben und<br />

die Steuer aufgrund <strong>de</strong>r Angaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r aufgrund vorläufiger Überprüfung (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 4.8.1983 – IV R 79/83 – BStBl. 1984 II, S. 6) unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung festgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Der Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung erfasst die Festsetzung insgesamt; eine Beschränkung auf<br />

Einzelpunkte o<strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen ist nicht zulässig. Eine Begründung dafür, dass die Festsetzung<br />

unter Vorbehalt erfolgt, ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

4. Solange <strong>de</strong>r Vorbehalt wirksam ist, bleibt <strong>de</strong>r gesamte Steuerfall „offen“, die Steuerfestsetzung kann<br />

je<strong>de</strong>rzeit – also auch nach Eintritt <strong>de</strong>r Unanfechtbarkeit – und <strong>de</strong>m Umfang nach uneingeschränkt von Amts<br />

wegen o<strong>de</strong>r auch auf Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen aufgehoben o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Die Grundsätze <strong>de</strong>s<br />

Vertrauensschutzes nach § 176 sind aber zu beachten.<br />

5. Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch auf unverzügliche Entscheidung über seinen Antrag. Die<br />

Entscheidung kann bis <strong>zur</strong> abschließen<strong>de</strong>n Prüfung <strong>de</strong>s Steuerfalles – an Amtsstelle o<strong>de</strong>r im Wege einer<br />

Außenprüfung – hinausgeschoben wer<strong>de</strong>n. Sie hat jedoch in angemessener Zeit zu erfolgen. Wegen <strong>de</strong>s<br />

Ablaufs <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist bei Antragstellung Hinweis auf § 171 Abs. 3.<br />

6. Wird eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung geän<strong>de</strong>rt, so ist in <strong>de</strong>m neuen Steuerbescheid<br />

zu vermerken, ob dieser weiterhin unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung steht o<strong>de</strong>r ob <strong>de</strong>r Vorbehalt aufgehoben<br />

wird. Fehlt ein <strong>de</strong>rartiger Vermerk, bleibt <strong>de</strong>r Vorbehalt bestehen (BFH-Urteil vom 14.9.1993 –<br />

VIII R 9/93 – BStBl. 1995 II, S. 2); dies gilt nicht, wenn die zu än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Festsetzung kraft Gesetzes unter<br />

Nachprüfungsvorbehalt steht (BFH-Urteil vom 2.12.1999 – V R 19/99 – BStBl. 2000 II, S. 284). Die<br />

Aufhebung <strong>de</strong>s Vorbehalts muss schriftlich o<strong>de</strong>r in elektronischer Form (§ 87a Abs. 4) ergehen und mit einer<br />

Rechtsbehelfsbelehrung versehen sein (§ 164 Abs. 3 Satz 2). Die Aufhebung <strong>de</strong>s Nachprüfungsvorbehalts ist<br />

auch ohne abschließen<strong>de</strong> Prüfung <strong>de</strong>s Steuerfalles zulässig (BFH-Urteil vom 28.5.1998 – V R 100/96 –<br />

BStBl. II, S. 502) und bedarf regelmäßig keiner Begründung (BFH-Urteil vom 10.7.1996 – I R 5/96 –<br />

BStBl. 1997 II, S. 5). Nach <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>s Vorbehalts kann die Aufhebung o<strong>de</strong>r<br />

Än<strong>de</strong>rung einer Steuerfestsetzung nicht mehr auf § 164 Abs. 2 gestützt wer<strong>de</strong>n; §§ 172 ff. bleiben unberührt.<br />

7. Wird <strong>de</strong>r Vorbehalt nicht ausdrücklich aufgehoben, entfällt <strong>de</strong>r Vorbehalt mit Ablauf <strong>de</strong>r allgemeinen<br />

Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1). Die Verlängerung <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist für hinterzogene o<strong>de</strong>r<br />

leichtfertig verkürzte Steuern (§ 169 Abs. 2 Satz 2) verlängert nicht die Wirksamkeit <strong>de</strong>s Vorbehalts, es<br />

ergeben sich aber Auswirkungen auf die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 1 bis 6, 9 und 11 bis 14.<br />

8. Wegen <strong>de</strong>s Einspruchs gegen eine Vorbehaltsfestsetzung vgl. zu § 367, Nr. 5.<br />

Zu § 165 – Vorläufige Steuerfestsetzung, Aussetzung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung:<br />

1. Eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 ist nur zulässig, soweit ungewiss ist, ob <strong>de</strong>r<br />

Tatbestand verwirklicht ist, an <strong>de</strong>n das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; Zweifel bei <strong>de</strong>r Auslegung <strong>de</strong>s<br />

Steuergesetzes reichen nicht aus. Eine Steuerfestsetzung kann <strong>de</strong>mgemäß nach § 165 Abs. 1 Satz 1 nur im<br />

Hinblick auf ungewisse Tatsachen, nicht im Hinblick auf die steuerrechtliche Beurteilung von Tatsachen für<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 131 von 235


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vorläufig erklärt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 25.4.1985 – IV R 64/83 – BStBl. II, S. 648). Vorläufige<br />

Steuerfestsetzungen nach § 165 Abs. 1 Satz 1 sind insbeson<strong>de</strong>re dann vorzunehmen, wenn eine<br />

Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung nicht zweckmäßig ist, z. B. weil keine Nachprüfung <strong>de</strong>s<br />

gesamten Steuerfalles mehr zu erwarten ist o<strong>de</strong>r weil sie aus Rechtsgrün<strong>de</strong>n nicht möglich ist (z. B. bei<br />

fortbestehen<strong>de</strong>r Ungewissheit nach einer Außenprüfung).<br />

2. Die Tatsache, dass ein Doppelbesteuerungsabkommen nach seinem Inkrafttreten voraussichtlich<br />

rückwirkend anzuwen<strong>de</strong>n sein wird, rechtfertigt eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2<br />

Nr. 1, um <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Vorteile <strong>de</strong>s Doppelbesteuerungsabkommens zu sichern.<br />

3. Eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 setzt voraus, dass die Entscheidung <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts bereits ergangen ist und die gesetzliche Neuregelung noch aussteht.<br />

4. Zweifel an <strong>de</strong>r Vereinbarkeit einer <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Rechtsnorm mit höherrangigem<br />

Recht (insbeson<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>m Grundgesetz o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Europäischen Gemeinschaftsrecht) rechtfertigen nur<br />

dann eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, wenn dieselbe Frage bereits<br />

Gegenstand eines Musterverfahrens bei <strong>de</strong>m Gerichtshof <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaften, <strong>de</strong>m<br />

Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht o<strong>de</strong>r einem obersten Bun<strong>de</strong>sgericht ist.<br />

Zum Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch gegen eine hinsichtlich <strong>de</strong>s strittigen Punktes bereits<br />

vorläufige Steuerfestsetzung vgl. zu § 350, Nr. 6.<br />

5. Nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 kann eine Steuer vorläufig festgesetzt wer<strong>de</strong>n, soweit eine im Fall <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen entscheidungserhebliche Rechtsfrage Gegenstand eines Verfahrens beim Bun<strong>de</strong>sfinanzhof<br />

ist. Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich auch um solche Fälle, in <strong>de</strong>nen eine strittige Rechtsfrage nicht nur unter<br />

verfassungsrechtlichen Aspekten zu beurteilen ist (und <strong>de</strong>retwegen bereits eine vorläufige Steuerfestsetzung<br />

nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 erfolgt), son<strong>de</strong>rn vom Bun<strong>de</strong>sfinanzhof auf ,,einfachgesetzlichem“ Wege,<br />

d. h. durch Anwendung bzw. Auslegung <strong>de</strong>s einfachen Rechts, entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n könnte.<br />

6. Die Entscheidung, die Steuer vorläufig festzusetzen, steht in sämtlichen Fällen <strong>de</strong>s § 165 Abs. 1 im<br />

Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>. Von <strong>de</strong>r Möglichkeit, eine Steuer nach § 165 Abs. 1 Satz 2 vorläufig<br />

festzusetzen, ist nur Gebrauch zu machen, soweit die Finanzbehör<strong>de</strong>n hierzu durch BMF-Schreiben o<strong>de</strong>r<br />

gleichlauten<strong>de</strong> Erlasse <strong>de</strong>r obersten Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r angewiesen wor<strong>de</strong>n sind.<br />

Zum Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch gegen eine hinsichtlich <strong>de</strong>s strittigen Punktes bereits<br />

vorläufige Steuerfestsetzung vgl. zu § 350, Nr. 6.<br />

7. Die Vorläufigkeit ist auf die ungewissen Voraussetzungen zu beschränken und zu begrün<strong>de</strong>n. Die<br />

Begründung kann nachgeholt wer<strong>de</strong>n (§ 126 Abs. 1 Nr. 2) Wird eine vorläufige Steuerfestsetzung geän<strong>de</strong>rt,<br />

so ist in <strong>de</strong>m neuen Steuerbescheid zu vermerken, ob und inwieweit dieser weiterhin vorläufig ist o<strong>de</strong>r für<br />

endgültig erklärt wird. Durch einen Vorläufigkeitsvermerk im Än<strong>de</strong>rungsbescheid wird <strong>de</strong>r Umfang <strong>de</strong>r<br />

Vorläufigkeit neu bestimmt (BFH-Urteil vom 19.10.1999 – IX R 23/98 – BStBl. 2000 II, S. 282).<br />

8. Soweit wegen <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r Vereinbarkeit einer Rechtsnorm mit <strong>de</strong>m Grundgesetz eine Steuer nach § 165<br />

Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 vorläufig festgesetzt wor<strong>de</strong>n ist, sind Steuerbeschei<strong>de</strong> auch dann nach § 165 Abs. 2 zu<br />

än<strong>de</strong>rn, wenn das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof die streitige Frage dadurch<br />

entschei<strong>de</strong>t, dass das Gericht die vom Vorläufigkeitsvermerk erfasste Rechtsnorm entgegen <strong>de</strong>r bisherigen<br />

Verwaltungsauffassung verfassungskonform so auslegt, dass das betreffen<strong>de</strong> Steuergesetz mit<br />

höherrangigem Recht vereinbar ist und diese Auslegung zu einer Steuermin<strong>de</strong>rung führt (BFH-Urteil vom<br />

30.9.2010 – III R 39/08 – BStBl. 2011 II, S. 11). Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>r Vorläufigkeitsvermerk insoweit<br />

zusätzlich auf § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 gestützt war. Soweit eine Steuer (auch) nach § 165 Abs. 1 Satz 2<br />

Nr. 4 vorläufig festgesetzt wor<strong>de</strong>n ist, sind die Steuerbeschei<strong>de</strong> (zu<strong>de</strong>m) auch dann nach § 165 Abs. 2 zu<br />

än<strong>de</strong>rn, wenn <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof die vom Vorläufigkeitsvermerk erfasste Rechtsnorm aufgrund<br />

einfachgesetzlicher Auslegung eines Steuergesetzes entgegen <strong>de</strong>r bisherigen Verwaltungsauffassung auslegt,<br />

diese Auslegung zu einer Steuermin<strong>de</strong>rung führt und dieses Urteil über <strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>nen Einzelfall hinaus<br />

anzuwen<strong>de</strong>n ist.<br />

9. Die vorläufige Steuerfestsetzung kann je<strong>de</strong>rzeit für endgültig erklärt wer<strong>de</strong>n. Die Vorläufigkeit bleibt bis<br />

dahin bestehen; für <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist gilt § 171 Abs. 8. Wird die vorläufige Steuerfestsetzung<br />

nach Beseitigung <strong>de</strong>r Ungewissheit geän<strong>de</strong>rt (§ 165 Abs. 2 Satz 2), sind im Rahmen <strong>de</strong>s Än<strong>de</strong>rungsbetrages<br />

auch solche Fehler zu berichtigen, die nicht mit <strong>de</strong>m Grund <strong>de</strong>r Vorläufigkeit zusammenhängen (BFH-Urteil<br />

vom 2.3.2000 – VI R 48/97 – BStBl. II, S. 332).<br />

10. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 165 Abs. 1 Satz 2 ist eine Endgültigkeitserklärung nicht erfor<strong>de</strong>rlich, wenn sich die<br />

Steuerfestsetzung letztlich als zutreffend erweist und <strong>de</strong>r Steuerpflichtige keine Entscheidung beantragt. Die<br />

Vorläufigkeit entfällt in diesem Fall mit Ablauf <strong>de</strong>r – ggf. nach § 171 Abs. 8 Satz 2 verlängerten –<br />

Festsetzungsfrist.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 132 von 235


11. Wird die vorläufige Steuerfestsetzung auf Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r von Amts wegen für endgültig<br />

erklärt o<strong>de</strong>r wird <strong>de</strong>r Vorläufigkeitsvermerk in einem Än<strong>de</strong>rungsbescheid nicht wie<strong>de</strong>rholt (vgl. Nr. 7), kann<br />

gegen die insoweit nunmehr endgültige Steuerfestsetzung Einspruch eingelegt und ggf. anschließend Klage<br />

erhoben wer<strong>de</strong>n; hinsichtlich <strong>de</strong>r Auswirkungen <strong>de</strong>r bisherigen Vorläufigkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ergibt<br />

sich aus § 351 Abs. 1 keine Anfechtungsbeschränkung (BFH-Urteil vom 30.9.2010 – III R 39/08 – BStBl.<br />

2011 II, S 11). Der Umfang <strong>de</strong>r Anfechtbarkeit bestimmt sich dabei nicht betragsmäßig, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r<br />

Wirkung <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>n Bestandskraft <strong>de</strong>r bisherigen Vorläufigkeit. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r Vorläufigkeit nach<br />

§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 beschränkt sich dieser Rechtsschutz <strong>de</strong>mentsprechend auf die weitere<br />

verfassungsrechtliche Klärung dieser Rechtsfrage BFH-Urteil vom 30.9.2010, a.a.O.).<br />

Zu § 167 – Steueranmeldung, Verwendung von Steuerzeichen o<strong>de</strong>r Steuerstemplern:<br />

1. Die Selbstberechnung <strong>de</strong>r Steuer (§ 150 Abs. 1 Satz 3) durch Steueranmeldung ist gesetzlich insbeson<strong>de</strong>re<br />

vorgeschrieben für die Umsatzsteuer (Voranmeldung und Jahreserklärung – § 18 UStG), die Lohnsteuer<br />

(§ 41a EStG), die Kapitalertragsteuer (§ 45a EStG), <strong>de</strong>n Steuerabzug nach § 48 i. V. m. § 48a EStG o<strong>de</strong>r<br />

nach § 50a EStG, die Versicherungsteuer (§ 8 VersStG), die Wettsteuer (§ 18 RennwLottAB) und für die<br />

Feuerschutzsteuer (§ 8 FeuerSchStG). Die Steueranmeldung ist Steuererklärung i. S. d. § 150. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Wirkung einer Steueranmeldung siehe § 168.<br />

2. Eine Steueranmeldung i. S. d. AO liegt nicht vor, wenn ein Gesetz zwar die Selbstberechnung <strong>de</strong>r Steuer<br />

durch <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen vorschreibt, daneben aber eine förmliche Steuerfestsetzung vorsieht; z. B. § 9<br />

KraftStDV.<br />

3. Das Anerkenntnis <strong>de</strong>s zum Steuerabzug Verpflichteten, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>s Arbeitgebers hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

Lohnsteuer, steht einer Steueranmeldung und damit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung<br />

gleich (§ 167 Abs. 1 Satz 3, § 168 Satz 1). Es ist <strong>de</strong>shalb nicht erfor<strong>de</strong>rlich, gegen ihn einen<br />

Haftungsbescheid zu erlassen, wenn er seiner Zahlungsverpflichtung aus <strong>de</strong>m Anerkenntnis nicht<br />

nachkommen will. Der Entrichtungspflichtige kann sein Zahlungsanerkenntnis nur mit Zustimmung <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> än<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rrufen. Nach einer abschließen<strong>de</strong>n Prüfung <strong>de</strong>s Steuerfalls ist <strong>de</strong>r Vorbehalt<br />

<strong>de</strong>r Nachprüfung durch beson<strong>de</strong>ren Bescheid aufzuheben (§ 164 Abs. 2 und 3).<br />

4. Steueranmeldungen sind bei <strong>de</strong>m für die Besteuerung zuständigen Finanzamt abzugeben. Es treten aber<br />

keine Verspätungsfolgen ein, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die Steueranmeldung und <strong>de</strong>n Scheck fristgemäß bei<br />

<strong>de</strong>m für die Steuererhebung zuständigen Finanzamt einreicht.<br />

5. Gibt jemand (z. B. ein Arbeitgeber) trotz seiner gesetzlichen Verpflichtung, Steuern für Rechnung eines<br />

Dritten einzubehalten, anzumel<strong>de</strong>n und abzuführen, keine Steueranmeldung ab, so kann gegen ihn ein<br />

Steuerbescheid aufgrund einer Schätzung ergehen. Die Möglichkeit, einen Haftungsbescheid zu erlassen,<br />

steht <strong>de</strong>m nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 7.7.2004 – VI R 171/00 – BStBl. II, S. 1087).<br />

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Zu § 168 – Wirkung einer Steueranmeldung:<br />

1. Eine Steueranmeldung, die nicht zu einer Herabsetzung <strong>de</strong>r bisher zu entrichten<strong>de</strong>n Steuer o<strong>de</strong>r zu einer<br />

Steuervergütung führt, hat mit ihrem Eingang bei <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> die Wirkung einer Steuerfestsetzung<br />

unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung. Wegen <strong>de</strong>r daraus sich ergeben<strong>de</strong>n Folgen vgl. zu § 164.<br />

Die fällige Steuer ist ohne beson<strong>de</strong>res Leistungsgebot nach Eingang <strong>de</strong>r Anmeldung vollstreckbar (§ 249<br />

Abs. 1, § 254 Abs. 1 Satz 4).<br />

2. Eine erstmalige Steueranmeldung, die zu einer Steuervergütung führt (z. B. Vorsteuerüberschuss), wirkt erst<br />

dann als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung, wenn <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Zustimmung<br />

<strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bekannt wird (§ 168 Satz 2; BFH-Urteil vom 28.2.1996 – XI R 42/94 – BStBl. II, S. 660).<br />

Bis dahin ist sie als Antrag auf Steuerfestsetzung (§ 155 Abs. 1 und 4) anzusehen.<br />

3. Auch eine berichtigte Steueranmeldung, die zu einer Herabsetzung <strong>de</strong>r bisher angemel<strong>de</strong>ten Steuer<br />

(Min<strong>de</strong>rsoll) o<strong>de</strong>r zu einer Erhöhung <strong>de</strong>r bisher angemel<strong>de</strong>ten Steuervergütung führt, wirkt erst dann als<br />

Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung, wenn <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Zustimmung <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> bekannt wird. Bis dahin ist sie als Antrag auf Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung nach § 164<br />

Abs. 2 Satz 2 zu behan<strong>de</strong>ln. Wegen <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung einer nicht mehr unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung<br />

stehen<strong>de</strong>n Steuerfestsetzung vgl. Nr. 12.<br />

4. Die kassenmäßige Sollstellung eines Rotbetrags ist keine Zustimmung <strong>zur</strong> Anmeldung i. S. d. § 168 Satz 2;<br />

sie darf <strong>de</strong>m Anmel<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n nicht mitgeteilt wer<strong>de</strong>n. Wird <strong>de</strong>r Steuerpflichtige schriftlich bzw. elektronisch<br />

über die Zustimmung unterrichtet (z. B. zusammen mit einer Abrechnungsmitteilung), ist grundsätzlich<br />

davon auszugehen, dass ihm die Zustimmung am dritten Tag nach Aufgabe <strong>zur</strong> Post bzw. nach <strong>de</strong>r<br />

Absendung bekannt gewor<strong>de</strong>n ist. Zur Fälligkeit <strong>de</strong>r Erstattung vgl. zu § 220.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 133 von 235


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5. Die Abgabe einer berichtigten Anmeldung mit Min<strong>de</strong>rsoll hat keine Auswirkungen auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Fälligkeit <strong>de</strong>s ursprünglich angemel<strong>de</strong>ten Betrages. Ebenso bleiben auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r ursprünglichen<br />

Steueranmeldung entstan<strong>de</strong>ne Säumniszuschläge unberührt (§ 240 Abs. 1 Satz 4).<br />

6. Will die Finanzbehör<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r angemel<strong>de</strong>ten Steuer abweichen, so ist eine Steuerfestsetzung vorzunehmen<br />

und darüber ein Steuerbescheid zu erteilen. Die abweichen<strong>de</strong> Festsetzung kann unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r<br />

Nachprüfung o<strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 165 vorläufig vorgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

7. Nach § 18 Abs. 2 UStG ist die für einen Voranmeldungszeitraum errechnete Umsatzsteuer eine<br />

Vorauszahlung. Wird eine abweichen<strong>de</strong> USt-Festsetzung durchgeführt, steht diese als<br />

Vorauszahlungsbescheid nach § 164 Abs. 1 Satz 2 kraft Gesetzes unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung. Dies gilt<br />

nicht bei einer von einer USt-Jahreserklärung abweichen<strong>de</strong>n Festsetzung; in diesen Fällen muss die<br />

Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung beson<strong>de</strong>rs angeordnet und im Bescheid vermerkt wer<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Urteil vom 2.12.1999 – V R 19/99 – BStBl. 2000 II, S. 284).<br />

8. Ergibt sich durch die an<strong>de</strong>rweitige Festsetzung eine höhere Zahllast als angemel<strong>de</strong>t, ist für <strong>de</strong>n<br />

nachzuzahlen<strong>de</strong>n Differenzbetrag eine Zahlungsfrist ein<strong>zur</strong>äumen (§ 220 Abs. 2). Auf § 18 Abs. 4 UStG<br />

wird hingewiesen. Liegt <strong>de</strong>r abweichen<strong>de</strong>n Festsetzung eine Steueranmeldung mit Steuervergütung o<strong>de</strong>r<br />

Min<strong>de</strong>rsoll zugrun<strong>de</strong>, so ist Fälligkeitstag <strong>de</strong>s gesamten Erstattungsbetrags <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>rweitigen Festsetzung (§ 220 Abs. 2).<br />

9. Aus Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n kann bei Steueranmeldungen, die zu einer Steuervergütung o<strong>de</strong>r zu einem<br />

Min<strong>de</strong>rsoll führen, die Zustimmung allgemein erteilt wer<strong>de</strong>n. Auch in diesem Fall stehen die Anmeldungen<br />

erst dann einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung gleich, wenn <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die<br />

Zustimmung bekannt wird. Wird <strong>de</strong>r Steuerpflichtige schriftlich bzw. elektronisch über die Zustimmung<br />

unterrichtet (z. B. zusammen mit einer Abrechnungsmitteilung), ist grundsätzlich davon auszugehen, dass<br />

ihm die Zustimmung am dritten Tag nach Aufgabe <strong>zur</strong> Post bekannt gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

10. In <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen keine allgemeine Zustimmung erteilt wird, ist über die Zustimmung o<strong>de</strong>r Festsetzung<br />

alsbald zu entschei<strong>de</strong>n. Auf die Bearbeitung in angemessener Zeit bzw. auf die rechtzeitige Mitteilung von<br />

Hin<strong>de</strong>rungsgrün<strong>de</strong>n ist angesichts § 347 Abs. 1 Satz 2 beson<strong>de</strong>rs zu achten.<br />

11. Wird die Zustimmung <strong>zur</strong> Steueranmeldung nicht erteilt, so ist <strong>de</strong>r Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auf<br />

Steuerfestsetzung (vgl. Nr. 2) bzw. auf Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 Satz 2 (vgl. Nr. 3)<br />

durch Bescheid abzulehnen (§ 155 Abs. 1 Satz 3).<br />

12. Führt die berichtigte Anmeldung zu einer höheren Steuer o<strong>de</strong>r zu einem geringeren Vergütungsbetrag, gilt<br />

Folgen<strong>de</strong>s:<br />

– Steht die bisherige Steuerfestsetzung noch unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung, bedarf es keiner<br />

Zustimmung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>; die berichtigte Steueranmeldung steht bereits mit ihrem Eingang bei <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> einer nach § 164 Abs. 2 geän<strong>de</strong>rten Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung<br />

gleich.<br />

– Steht die bisherige Steuerfestsetzung nicht o<strong>de</strong>r nicht mehr unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung, ist ein<br />

nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a geän<strong>de</strong>rter Bescheid zu erteilen.<br />

Zu prüfen ist, ob die berichtigte Anmeldung eine Selbstanzeige (§ 371) ist. Wegen <strong>de</strong>r Verlängerung <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist Hinweis auf § 171 Abs. 9.<br />

13. Eine Steueranmeldung, die – ggf. nach Zustimmung – einer Steuerfestsetzung unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r<br />

Nachprüfung gleichsteht, kann mit <strong>de</strong>m Einspruch angefochten wer<strong>de</strong>n (§ 347 Abs. 1 Satz 1). Wegen <strong>de</strong>s<br />

Beginns <strong>de</strong>r Einspruchsfrist wird auf § 355 Abs. 1 Satz 2, wegen <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r Zahlungsverjährung auf<br />

§ 229 hingewiesen.<br />

Vor §§ 169 bis 171 – Festsetzungsverjährung:<br />

1. Durch Verjährung erlöschen allgemein Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (§ 47).<br />

Das Gesetz unterschei<strong>de</strong>t zwischen <strong>de</strong>r Festsetzungsverjährung (§§ 169 bis 171) und <strong>de</strong>r Zahlungsverjährung<br />

(§§ 228 bis 232).<br />

2. Die Finanzbehör<strong>de</strong> darf die Festsetzung von Steuern, von Erstattungs- o<strong>de</strong>r Vergütungsansprüchen nur<br />

vornehmen, soweit die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Dies gilt auch für Än<strong>de</strong>rungen o<strong>de</strong>r<br />

Aufhebungen von Steuerfestsetzungen sowie Berichtigungen wegen offenbarer Unrichtigkeit, gleichgültig ob<br />

zugunsten o<strong>de</strong>r zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen. Mit Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist sind Ansprüche <strong>de</strong>s<br />

Steuergläubigers, aber auch Ansprüche <strong>de</strong>s Erstattungsberechtigten erloschen. Zur Berichtigung (teil-<br />

)verjährter Steueransprüche im Zusammenhang mit einer Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung wegen offenbarer Unrichtigkeit vgl. zu § 177, Nr. 1.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 134 von 235


3. Eine Festsetzung usw., die erst nach Eintritt <strong>de</strong>r Festsetzungsverjährung erfolgt, ist nicht nichtig (§ 125<br />

Abs. 1), son<strong>de</strong>rn nur anfechtbar, erwächst also ggf. in Bestandskraft; <strong>de</strong>r Bescheid ist auch vollstreckbar.<br />

4. Die Festsetzungsverjährung schließt Ermittlungshandlungen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> im Einzelfall (§§ 88, 92 ff.,<br />

193 ff., 208 Abs. 1 Nr. 2) nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 23.7.1985 – VIII R 48/85 – BStBl. 1986 II,<br />

S. 433).<br />

5. Die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung gelten sinngemäß auch für die Festsetzung von<br />

Steuermessbeträgen (§ 184 Abs. 1) und für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 181<br />

Abs. 1), sowie bei allen Festsetzungen, für die die Vorschriften über das Steuerfestsetzungsverfahren<br />

anzuwen<strong>de</strong>n sind (siehe § 155). Auf steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4) fin<strong>de</strong>n sie nur Anwendung,<br />

wenn dies beson<strong>de</strong>rs vorgeschrieben ist (§ 1 Abs. 3 Satz 2), wie z. B. bei Zinsen (§ 239). Für die Kosten <strong>de</strong>r<br />

Vollstreckung gilt die beson<strong>de</strong>re Regelung <strong>de</strong>s § 346. Für Verspätungszuschläge (§ 152) fehlt dagegen eine<br />

entsprechen<strong>de</strong> Bestimmung (vgl. zu § 169, Nr. 5). Säumniszuschläge (§ 240) entstehen kraft Gesetzes, sie<br />

unterliegen allein <strong>de</strong>r Zahlungsverjährung (§§ 228 ff.).<br />

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Zu § 169 – Festsetzungsfrist:<br />

1. Die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ist nur gewahrt, wenn <strong>de</strong>r vor Ablauf <strong>de</strong>r Frist <strong>zur</strong> Post<br />

gegebene „Steuerbescheid“ <strong>de</strong>m Empfänger nach Fristablauf tatsächlich zugeht (vgl. Beschluss <strong>de</strong>s Großen<br />

Senats <strong>de</strong>s BFH vom 25.11.2002 – GrS 2/01 – BStBl. 2003 II, S. 548).<br />

Zu <strong>de</strong>n für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong>n sind auch die für die Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

arbeiten<strong>de</strong>n Rechenzentren (§§ 2 und 17 FVG) zu zählen, wenn sie die Absendung an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen<br />

vornehmen.<br />

Bei Steuermessbeschei<strong>de</strong>n wird die Frist allein durch die Absendung <strong>de</strong>r Mitteilungen an die Gemein<strong>de</strong><br />

(§ 184 Abs. 3) nicht gewahrt. Die fristgerechte Absendung <strong>de</strong>r Messbeschei<strong>de</strong> ist Aufgabe <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n,<br />

die insoweit für die Finanzbehör<strong>de</strong>n han<strong>de</strong>ln.<br />

2. Die Festsetzungsfrist verlängert sich auf zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und auf fünf Jahre,<br />

soweit die Steuer leichtfertig verkürzt wor<strong>de</strong>n ist (§ 169 Abs. 2 Satz 2).<br />

2.1 Zur Frage <strong>de</strong>r Feststellung, ob Steuern hinterzogen wor<strong>de</strong>n sind, vgl. zu § 71. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt bezüglich<br />

leichtfertig verkürzter Steuern.<br />

2.2 Die Verlängerung <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist für hinterzogene o<strong>de</strong>r leichtfertig verkürzte Steuern verlängert nicht<br />

die Wirksamkeit eines Vorbehalts <strong>de</strong>r Nachprüfung (vgl. zu § 164, Nr. 7). § 169 Abs. 2 Satz 2 ist auch dann<br />

anzuwen<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Steuerbescheid unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung ergangen ist; § 164 Abs. 4<br />

Satz 2 regelt lediglich, dass § 169 Abs. 2 Satz 2 und § 171 Abs. 7, 8 und 10 bei Bestimmung <strong>de</strong>s Ablaufs <strong>de</strong>r<br />

für § 164 Abs. 4 Satz 1 maßgeblichen Frist nicht anzuwen<strong>de</strong>n sind.<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r Frist für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Feststellungsfrist) Hinweis auf<br />

§ 181 Abs. 3. Für <strong>de</strong>n Erlass von Haftungsbeschei<strong>de</strong>n wird auf § 191 Abs. 3 hingewiesen.<br />

4. Bei Zinsen und Kosten <strong>de</strong>r Vollstreckung beträgt die Festsetzungsfrist jeweils ein Jahr (§§ 239 und 346).<br />

5. Verspätungszuschläge unterliegen nicht <strong>de</strong>r Festsetzungsverjährung (vgl. vor §§ 169 bis 171, Nr. 2). Von <strong>de</strong>r<br />

erstmaligen Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist jedoch grundsätzlich abzusehen, wenn die<br />

Festsetzungsfrist für die Steuer abgelaufen ist (vgl. zu § 152, Nr. 3). Wird aber ein bereits vor Ablauf <strong>de</strong>r für<br />

die Steuer gelten<strong>de</strong>n Festsetzungsfrist festgesetzter Verspätungszuschlag nur aus formellen Grün<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

aufgrund einer fehlerhaften Ermessensausübung bezüglich seiner Höhe aufgehoben, ist die Festsetzung eines<br />

Verspätungszuschlags auch nach Ablauf <strong>de</strong>r für die Steuer gelten<strong>de</strong>n Festsetzungsfrist zulässig.<br />

Zu § 170 – Beginn <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist:<br />

1. Für <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist kommt es darauf an, wann die Steuer (§ 37) entstan<strong>de</strong>n ist. Der<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>r Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis ist in § 38 und in <strong>de</strong>n<br />

Einzelsteuergesetzen (vgl. zu § 38, Nr. 1) geregelt. Die Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 bis 6) schiebt <strong>de</strong>n<br />

Beginn <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist hinaus.<br />

2. Wegen <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r Frist für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Einheitswerten Hinweis auf § 181 Abs. 3<br />

und 4. Für Haftungsbeschei<strong>de</strong> gilt § 191 Abs. 3. Bei Zinsen und Kosten <strong>de</strong>r Vollstreckung ergibt sich <strong>de</strong>r<br />

Beginn <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist aus § 239 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 346 Abs. 2 Satz 2. Hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

Verspätungszuschläge vgl. zu § 169, Nr. 5.<br />

3. Die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 gilt für sämtliche Besitz- und Verkehrsteuern, für die auf Grund<br />

allgemeiner gesetzlicher Vorschrift (z. B. § 181 Abs. 2; § 25 EStG; § 14a GewStG; § 31 KStG; § 18 UStG;<br />

§ 31 ErbStG) o<strong>de</strong>r auf Grund einer Auffor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> (§ 149 Abs. 1 Satz 2) eine<br />

Steuererklärung o<strong>de</strong>r eine Steueranmeldung ein<strong>zur</strong>eichen o<strong>de</strong>r eine Anzeige zu erstatten ist; gesetzliche<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 135 von 235


Vorschrift ist auch eine Rechtsverordnung (§ 4). Eine Berichtigungsanzeige nach § 153 Abs. 1 löst allerdings<br />

keine Anlaufhemmung aus (vgl. BFH-Urteil vom 22.1.1997 – II B 40/96 – BStBl. II, S. 266).<br />

Ist <strong>de</strong>r Steuerpflichtige berechtigt, aber nicht verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben, wie z. B. bei <strong>de</strong>r<br />

Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, greift die Anlaufhemmung nach § 170 Absatz 2 Satz 1<br />

Nr. 1 nicht (BFH-Urteil vom 14.4.2011 – VI R 53/10 – BStBl. II, S. 746). Die Anlaufhemmung greift auch<br />

dann nicht, wenn eine behördliche Auffor<strong>de</strong>rung <strong>zur</strong> Abgabe einer Steuererklärung <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen<br />

erst nach <strong>de</strong>m Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist <strong>de</strong>s § 169 Abs. 2 zugeht o<strong>de</strong>r eine Pflichtveranlagung<br />

begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Steuererklärung erst nach <strong>de</strong>m Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist <strong>de</strong>s § 169 Abs. 2 abgegeben wird<br />

(BFH-Urteil vom 28.3.2012 – VI R 68/10 – BStBl. II, S. 711).<br />

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Zu § 171 – Ablaufhemmung:<br />

1. Die Ablaufhemmung schiebt das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist hinaus. Die Festsetzungsfrist en<strong>de</strong>t in diesen<br />

Fällen meist nicht – wie im Normalfall – am En<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn im Laufe eines Kalen<strong>de</strong>rjahres. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Fristberechnung Hinweis auf § 108.<br />

2. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 setzt voraus, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige vor Ablauf <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist einen Antrag auf Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r auf Korrektur einer Steuerfestsetzung stellt. Ist<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist kein Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen eingegangen, kann keine Wie<strong>de</strong>reinsetzung<br />

in <strong>de</strong>n vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 mit <strong>de</strong>m Ziel einer rückwirken<strong>de</strong>n Ablaufhemmung nach § 171<br />

Abs. 3 gewährt wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 24.1.2008 – VII R 3/07 – BStBl. II, S. 462).<br />

Anträge auf Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163 o<strong>de</strong>r 227 hemmen <strong>de</strong>n Fristablauf nicht nach § 171 Abs. 3;<br />

eine Billigkeitsentscheidung nach § 163 bewirkt aber als Grundlagenbescheid eine Ablaufhemmung nach<br />

§ 171 Abs. 10 (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21.9.2000 – IV R 54/99 – BStBl. 2001 II, S. 178).<br />

Die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung kann für sich allein eine Ablaufhemmung<br />

nach § 171 Abs. 3 grundsätzlich nicht herbeiführen (BFH-Urteil vom 18.6.1991 – VIII R 54/89 – BStBl.<br />

1992 II, S. 124, und BFH-Beschluss vom 13.2.1995 – V B 95/94 – BFH/NV S. 756). Dies gilt hinsichtlich<br />

einer Umsatzsteuererklärung auch dann, wenn mit ihr ein Anspruch auf Auszahlung eines Überschusses<br />

geltend gemacht wird (BFH-Urteil vom 11.5.1995 – V R 136/93 – BFH/NV 1996 S. 1).<br />

Selbstanzeigen (§§ 371, 378 Abs. 3) und Berichtigungserklärungen (§ 153) lösen keine Ablaufhemmung<br />

nach § 171 Abs. 3 aus, sie bewirken ausschließlich eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 (vgl. BFH-Urteil<br />

vom 8.7.2009 – VIII R 5/07 – BStBl. 2010 II, S. 583).<br />

2a. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a tritt auch dann ein, wenn nach Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist ein<br />

zulässiger Rechtsbehelf eingelegt wird (§ 171 Abs. 3a Satz 1 2. Halbsatz). Dies gilt auch dann, wenn <strong>de</strong>r<br />

Rechtsbehelf nach Gewährung von Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand als fristgerecht zu behan<strong>de</strong>ln ist;<br />

die Grundsätze <strong>de</strong>s BFH-Urteils vom 24.1.2008, a. a. O. (vgl. Nr. 2) sind auf diesen Fall nicht übertragbar.<br />

§ 171 Abs. 3a Satz 3 hemmt <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist nur im Falle <strong>de</strong>r gerichtlichen Kassation eines<br />

angefochtenen Bescheids (vgl. BFH-Urteil vom 5.10.2004 – VII R 77/03 – BStBl. 2005 II, S. 122, für<br />

Haftungsbeschei<strong>de</strong>). Diese Ablaufhemmung gilt nicht im Fall <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>s Bescheids durch die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>; <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>r Aufhebung eines Bescheids verliert er seine ablaufhemmen<strong>de</strong> Wirkung. Hebt<br />

die Finanzbehör<strong>de</strong> allerdings in einem Verwaltungsakt <strong>de</strong>n angefochtenen Bescheid unter gleichzeitigem<br />

Erlass eines neuen Bescheids auf, ist <strong>de</strong>r neue Bescheid noch innerhalb <strong>de</strong>r nach § 171 Abs. 3a Satz 1<br />

gehemmten Festsetzungsfrist ergangen (vgl. BFH-Urteil vom 5.10.2004 – VII R 18/03 – BStBl. 2005 II,<br />

S. 323, für Haftungsbeschei<strong>de</strong>).<br />

3. Ablaufhemmung wegen Beginn einer Außenprüfung (§ 171 Abs. 4)<br />

3.1 Der Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist wird durch <strong>de</strong>n Beginn einer Außenprüfung (vgl. zu § 198, Nrn. 1 und 2)<br />

hinausgeschoben (§ 171 Abs. 4). Die Ablaufhemmung tritt nicht ein, wenn eine zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong><br />

Prüfungsanordnung unwirksam ist (BFH-Urteile vom 10.4.1987 – III R 202/83 – BStBl. 1988 II, S. 165, und<br />

vom 17.9.1992 – V R 17/86 – BFH/NV 1993 S. 279).<br />

3.2 Eine Außenprüfung hemmt <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist nur für Steuern, auf die sich die<br />

Prüfungsanordnung erstreckt (BFH-Urteile vom 18.7.1991 – V R 54/87 – BStBl. II, S. 824, und vom<br />

25.1.1996 – V R 42/95 – BStBl. II, S. 338). Wird die Außenprüfung später auf bisher nicht einbezogene<br />

Steuern ausge<strong>de</strong>hnt, ist die Ablaufhemmung nur wirksam, soweit vor Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist eine<br />

Prüfungsanordnung erlassen (vgl. zu § 196, Nr. 5) und mit <strong>de</strong>r Außenprüfung auch insoweit ernsthaft<br />

begonnen wird (BFH-Urteil vom 2.2.1994 – I R 57/93 – BStBl. II, S. 377).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 136 von 235


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3.3 Bei einem Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auf Verschiebung <strong>de</strong>s Prüfungsbeginns (§ 197 Absatz 2) wird <strong>de</strong>r<br />

Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist nach § 171 Absatz 4 Satz 1 2. Alternative nur gehemmt, wenn dieser Antrag für<br />

die Verschiebung ursächlich war. Wird <strong>de</strong>r Beginn <strong>de</strong>r Außenprüfung nicht maßgeblich aufgrund eines<br />

Antrags <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, son<strong>de</strong>rn aufgrund eigener Belange <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bzw. aus innerhalb<br />

<strong>de</strong>ren Sphäre liegen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n hinausgeschoben, läuft die Festsetzungsfrist ungeachtet <strong>de</strong>s Antrags ab.<br />

3.3.1 Bei einem vom Steuerpflichtigen gestellten Antrag auf zeitlich befristetes Hinausschieben <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r<br />

Außenprüfung entfällt die Ablaufhemmung nach In § 171 Absatz 4 Satz 1 2. Alternative rückwirkend, wenn<br />

die Finanzbehör<strong>de</strong> nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang <strong>de</strong>s Antrags mit <strong>de</strong>r Prüfung beginnt (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 17.3.2010 – IV R 54/07 – BStBl. 2011 II, S. 7).<br />

Die Ablaufhemmung entfällt dagegen nicht, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige einen unbefristeten bzw. zeitlich<br />

unbestimmten Antrag gestellt hat, also bspw. beantragt hat wegen einer noch andauern<strong>de</strong>n Vor-<br />

Betriebsprüfung zunächst <strong>de</strong>ren Abschluss abzuwarten.<br />

3.3.2 Enthält <strong>de</strong>r Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auf Verschiebung <strong>de</strong>s Prüfungsbeginns keine zeitlichen Vorgaben<br />

(Antrag auf unbefristetes Hinausschieben), en<strong>de</strong>t die Festsetzungsfrist mit Ablauf von zwei Jahren nach <strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>r Hin<strong>de</strong>rungsgrund beseitigt ist und die Finanzbehör<strong>de</strong> hiervon Kenntnis hat, sofern nicht zuvor mit <strong>de</strong>r<br />

Prüfung begonnen wur<strong>de</strong> (vgl. BFH-Urteil vom 1.2.2012 – I R 18/11 – BStBl. II, S. 400).<br />

3.4 Der Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist wird auch gehemmt, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die Prüfungsanordnung<br />

angefochten hat und <strong>de</strong>ren Vollziehung ausgesetzt wur<strong>de</strong> (vgl. BFH-Urteile vom 25.1.1989 – X R 158/87 –<br />

BStBl. II, S. 483, und vom 17.6.1998 – IX R 65/95 – BStBl. 1999 II, S. 4). Dies gilt unabhängig von <strong>de</strong>r<br />

Dauer <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung.<br />

3.5 Ermittlungen i. S. d. § 171 Abs. 4 Satz 3 sind nur diejenigen Maßnahmen eines Betriebsprüfers, die auf eine<br />

Überprüfung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen gerichtet sind. Die Zusammenstellung <strong>de</strong>s Prüfungsergebnisses im<br />

Prüfungsbericht stellt keine <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist hinausschieben<strong>de</strong> Ermittlungshandlung dar<br />

(BFH-Urteil vom 8.7.2009 – XI R 64/07 – BStBl. 2010 II, S. 4).<br />

4. Die Ablaufhemmung <strong>de</strong>s § 171 Abs. 5 bei Ermittlungen <strong>de</strong>r Steuerfahndung (Zollfahndung) umfasst –<br />

an<strong>de</strong>rs als im Fall <strong>de</strong>s § 171 Abs. 4 – nicht <strong>de</strong>n gesamten Steueranspruch; vielmehr tritt die Hemmung nur in<br />

<strong>de</strong>m Umfang ein, in <strong>de</strong>m sich die Ergebnisse <strong>de</strong>r Ermittlungen auf die festzusetzen<strong>de</strong> Steuer auswirken<br />

(BFH-Urteil vom 14.4.1999 – IX R 30/96 – BStBl. II, S. 478).<br />

5. Bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 en<strong>de</strong>t die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf<br />

eines Jahres, nach<strong>de</strong>m die Finanzbehör<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Beseitigung <strong>de</strong>r Ungewissheit Kenntnis erhalten hat (§ 171<br />

Abs. 8 Satz 1). Bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 en<strong>de</strong>t die Festsetzungsfrist<br />

nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nach<strong>de</strong>m die Finanzbehör<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Beseitigung <strong>de</strong>r Ungewissheit<br />

Kenntnis erlangt hat (§ 171 Abs. 8 Satz 2). Die Ablaufhemmung beschränkt sich dabei auf <strong>de</strong>n für vorläufig<br />

erklärten Teil <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung.<br />

Eine Ungewissheit, die Anlass für eine vorläufige Steuerfestsetzung war, ist beseitigt, wenn die<br />

Tatbestandsmerkmale für die endgültige Steuerfestsetzung feststellbar sind. „Kenntnis“ i. S. d. § 171 Abs. 8<br />

verlangt positive Kenntnis <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Beseitigung <strong>de</strong>r Ungewissheit, ein „Kennenmüssen“<br />

von Tatsachen steht <strong>de</strong>r Kenntnis nicht gleich (BFH-Urteil vom 26.8.1992 – II R 107/90 – BStBl. 1993 II,<br />

S. 5).<br />

6. § 171 Abs. 10 Satz 1 gewährt eine maximale Anpassungsfrist von zwei Jahren nach Bekanntgabe eines<br />

Grundlagenbescheids (vgl. BFH-Urteil vom 19.1.2005 – X R 14/04 – BStBl. II, S. 242). Der Zeitpunkt <strong>de</strong>s<br />

Zugangs <strong>de</strong>r verwaltungsinternen Mitteilung über <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid bei <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s<br />

Folgebescheids zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> ist für die Fristbestimmung ebenso unbeachtlich wie <strong>de</strong>r<br />

Zeitpunkt, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Grundlagenbescheid unanfechtbar gewor<strong>de</strong>n ist. Eine Anfechtung <strong>de</strong>s<br />

Grundlagenbescheids führt lediglich <strong>zur</strong> Hemmung <strong>de</strong>r Feststellungsfrist (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 171<br />

Abs. 3a), nicht aber <strong>zur</strong> Hemmung <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist <strong>de</strong>r Folgebeschei<strong>de</strong> (vgl. BFH-Urteil vom<br />

19.1.2005, a.a.O.).<br />

6.1 Wer<strong>de</strong>n Feststellungen im Grundlagenbescheid in einem Feststellungs-, Einspruchs- o<strong>de</strong>r Klageverfahren<br />

geän<strong>de</strong>rt, führt dies zu einer erneuten Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und damit wie<strong>de</strong>rum<br />

zu einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1. Dagegen setzt ein Grundlagenbescheid, <strong>de</strong>r einen<br />

gleichartigen, <strong>de</strong>m Inhaltsadressaten wirksam bekannt gegebenen Steuerverwaltungsakt in seinem<br />

verbindlichen Regelungsgehalt lediglich wie<strong>de</strong>rholt, o<strong>de</strong>r eine Einspruchs- o<strong>de</strong>r Gerichtsentscheidung, die<br />

einen Grundlagenbescheid lediglich bestätigt, keine neue Zwei-Jahres-Frist in Lauf (vgl. BFH-Urteile vom<br />

13.12.2000 – X R 42/96 – BStBl. 2001 II, S. 471 und vom 19.1.2005, a.a.O.).<br />

6.2 Die Aufhebung <strong>de</strong>s Vorbehalts <strong>de</strong>r Nachprüfung eines Grundlagenbescheids steht <strong>de</strong>m Erlass eines<br />

geän<strong>de</strong>rten Grundlagenbescheids gleich. Sie setzt daher die Zwei-Jahres-Frist <strong>de</strong>s § 171 Abs. 10 Satz 1 in<br />

Lauf. Dies gilt auch dann, wenn <strong>de</strong>r Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung hinsichtlich <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 137 von 235


aufgehoben wird, ohne dass eine sachliche Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids erfolgt (BFH-Urteil vom<br />

11.4.1995 – III B 74/92 – BFH/NV 1995 S. 943). Soweit ein Folgebescheid <strong>de</strong>n nunmehr endgültigen<br />

Grundlagenbescheid noch nicht berücksichtigt hat, muss er selbst dann nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1<br />

korrigiert wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids aufgehoben wur<strong>de</strong>, ohne<br />

dass eine sachliche Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids erfolgt.<br />

6.3 Die Festsetzungsfrist für einen Folgebescheid läuft nach § 171 Abs. 10 Satz 2 nicht ab, solange <strong>de</strong>r Ablauf<br />

<strong>de</strong>r Festsetzungsfrist <strong>de</strong>s von <strong>de</strong>r Bindungswirkung nicht erfassten Teils <strong>de</strong>r Steuer aufgrund einer<br />

Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 gehemmt ist. Diese Regelung ermöglicht es, die Anpassung <strong>de</strong>s<br />

Folgebescheids an einen Grundlagenbescheid (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und die Auswertung <strong>de</strong>r Ergebnisse<br />

<strong>de</strong>r Außenprüfung zusammenzufassen.<br />

6.4 Bei <strong>de</strong>r Entscheidung, ob eine geson<strong>de</strong>rte Feststellung durchgeführt o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n kann, ist die Frage<br />

<strong>de</strong>r Verjährung <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Feststellung abhängigen Steuern nicht zu prüfen. Ist die Feststellungsfrist bereits<br />

abgelaufen, die Steuerfestsetzung in einem Folgebescheid aber noch zulässig, so gilt § 181 Abs. 5.<br />

6.5 Beispiele <strong>zur</strong> Anwendung <strong>de</strong>s § 171 Abs. 10 Satz 1 1<br />

Beispiel 1:<br />

Bei <strong>de</strong>r im Jahr 03 durchgeführten ESt-Veranlagung 01 (Abgabe <strong>de</strong>r Steuererklärung im Jahr 03) wur<strong>de</strong>n die<br />

Beteiligungseinkünfte in erklärter Höhe berücksichtigt. Ein von <strong>de</strong>n erklärten Werten abweichen<strong>de</strong>r<br />

Grundlagenbescheid wird am 4.4.06 bekannt gegeben.<br />

Lösung:<br />

Obgleich die allgemeine Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 mit Ablauf <strong>de</strong>s 31.12.07 en<strong>de</strong>t,<br />

kann eine Anpassung <strong>de</strong>s ESt-Bescheids 01 an <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 bis zum<br />

Ablauf <strong>de</strong>s 4.4.08 erfolgen, da insoweit die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach<br />

Bekanntgabe <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids en<strong>de</strong>t.<br />

Beispiel 2:<br />

Wie Beispiel 1, allerdings wird <strong>de</strong>r Grundlagenbescheid am 4.4.05 bekannt gegeben.<br />

Lösung:<br />

Eine Anpassung <strong>de</strong>s ESt-Bescheids kann bis zum Ablauf <strong>de</strong>r allgemeinen Festsetzungsfrist am 31.12.07<br />

erfolgen. Ohne Be<strong>de</strong>utung ist, dass die Zwei-Jahres-Frist <strong>de</strong>s § 171 Abs. 10 Satz 1 bereits mit Ablauf <strong>de</strong>s<br />

4.4.07 en<strong>de</strong>t.<br />

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Beispiel 3:<br />

Wie Beispiel 1, die Bekanntgabe <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids erfolgt in offener Feststellungsfrist, jedoch nach<br />

Ablauf <strong>de</strong>r allgemeinen Festsetzungsfrist, am 4.4.08.<br />

Lösung:<br />

Eine Anpassung <strong>de</strong>s ESt-Bescheids 01 an <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid ist gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 bis zum<br />

Ablauf <strong>de</strong>s 4.4.10 möglich, da die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach<br />

Bekanntgabe <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids en<strong>de</strong>t.<br />

7. § 171 Abs. 14 verlängert die Festsetzungsfrist bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Zahlungsverjährung für die Erstattung von<br />

rechtsgrundlos gezahlten Steuern. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann daher Steuerfestsetzungen, die wegen<br />

Bekanntgabemängeln unwirksam waren o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren wirksame Bekanntgabe die Finanzbehör<strong>de</strong> nicht<br />

nachweisen kann (vgl. § 122 Abs. 2 Halbsatz 2), noch nach Ablauf <strong>de</strong>r regulären Festsetzungsfrist<br />

nachholen, soweit die Zahlungsverjährungsfrist für die bisher geleisteten Zahlungen noch nicht abgelaufen<br />

ist (vgl. BFH-Urteil vom 13.3.2001 – VIII R 37/00 – BStBl. II, S. 430).<br />

1 Es wird unterstellt, dass kein Fristen<strong>de</strong> auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag o<strong>de</strong>r einen Sonnabend<br />

fällt.<br />

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Vor §§ 172 bis 177 – Bestandskraft:<br />

1. Die §§ 172 ff. regeln die Durchbrechung <strong>de</strong>r materiellen Bestandskraft (Verbindlichkeit einer<br />

Verwaltungsentscheidung). Sie ist von <strong>de</strong>r formellen Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) zu unterschei<strong>de</strong>n.<br />

Diese liegt vor, soweit ein Verwaltungsakt nicht o<strong>de</strong>r nicht mehr mit Rechtsbehelfen angefochten wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Unanfechtbarkeit be<strong>de</strong>utet nicht Unabän<strong>de</strong>rbarkeit. Dementsprechend können auch<br />

Steuerfestsetzungen unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung unanfechtbar wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom<br />

19.12.1985 – V R 167/82 – BStBl. 1986 II, S. 429).<br />

2. Die Vorschriften über die materielle Bestandskraft gelten für Steuerfestsetzungen i. S. d. § 155 sowie für alle<br />

Festsetzungen, für die die Vorschriften über das Steuerfestsetzungsverfahren anzuwen<strong>de</strong>n sind. Keine<br />

Anwendung fin<strong>de</strong>n sie bei <strong>de</strong>r Rücknahme eines rechtswidrigen und <strong>de</strong>m Wi<strong>de</strong>rruf eines rechtmäßigen<br />

begünstigen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r nicht begünstigen<strong>de</strong>n sonstigen Verwaltungsaktes (vgl. zu §§ 130, 131).<br />

3. Die materielle Bestandskraft wird nur durchbrochen, soweit es das Gesetz zulässt. Die Zulässigkeit ergibt<br />

sich nicht nur aus <strong>de</strong>r AO selbst (z. B. §§ 164, 165, 172 bis 175a), son<strong>de</strong>rn auch aus an<strong>de</strong>ren Steuergesetzen<br />

(z. B. § 10d Abs. 1 EStG; § 35b GewStG; §§ 24 und 24a BewG; § 20 GrStG).<br />

4. Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung sowie Vorauszahlungsbeschei<strong>de</strong> (§ 164 Abs. 1 Satz 2)<br />

und Steueranmeldungen (§ 150 Abs. 1 Satz 2, § 168), die kraft Gesetzes unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung<br />

stehen, sind unabhängig von <strong>de</strong>r formellen Bestandskraft nach § 164 Abs. 2 <strong>de</strong>m Umfang nach<br />

uneingeschränkt än<strong>de</strong>rbar, solange <strong>de</strong>r Vorbehalt nicht aufgehoben wor<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r entfallen ist; § 176 bleibt<br />

unberührt.<br />

5. Wegen <strong>de</strong>r Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten Hinweis auf § 129.<br />

6. Zeitlich ist die Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung einer Steuerfestsetzung nur innerhalb <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist zulässig (§ 169).<br />

7. Bei Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung von Steuerfestsetzungen sind die Vorschriften <strong>de</strong>r KBV zu beachten.<br />

8. Ein steuerliches Wahlrecht liegt vor, wenn ein Steuergesetz für einen bestimmten Tatbestand –<br />

ausnahmsweise – mehr als eine Rechtsfolge vorsieht und es <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen überlassen bleibt, sich für<br />

eine dieser Rechtsfolgen zu entschei<strong>de</strong>n. Übt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige dieses Wahlrecht nicht o<strong>de</strong>r nicht wirksam<br />

aus, tritt die vom Gesetzgeber als Regelfall vorgesehene Rechtsfolge ein.<br />

Die Ausübung <strong>de</strong>s Wahlrechts („Antrag“) ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Soweit im Gesetz<br />

keine beson<strong>de</strong>re Form (z. B. Schriftform o<strong>de</strong>r amtlicher Vordruck; vgl. § 13a Abs. 2 Satz 3 EStG, § 4a<br />

Abs. 1 UStG) vorgeschrieben ist, kann das Wahlrecht auch durch schlüssiges Verhalten ausgeübt wer<strong>de</strong>n<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 11.12.1997 – V R 50/94 – BStBl. 1998 II, S. 420).<br />

Setzt die Ausübung <strong>de</strong>s Wahlrechts die Zustimmung <strong>de</strong>s Finanzamtes o<strong>de</strong>r Dritter (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1<br />

EStG) voraus, treten die Rechtswirkungen <strong>de</strong>r vom Steuerpflichtigen getroffenen Wahl erst mit dieser<br />

Zustimmungserklärung ein. Dies gilt entsprechend, wenn das Wahlrecht von mehreren Steuerpflichtigen<br />

einheitlich ausgeübt wer<strong>de</strong>n muss (vgl. z. B. § 33a Abs. 2 Satz 5, § 33b Abs. 5 Satz 3 EStG).<br />

Soweit das Gesetz im Einzelfall keine bestimmte Frist (vgl. z. B. § 5a Abs. 3 EStG; § 23 Abs. 3 Satz 1<br />

UStG) <strong>zur</strong> Ausübung <strong>de</strong>s Wahlrechts („Antragsfrist“) vorsieht, kann das Wahlrecht grundsätzlich bis zum<br />

Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist ausgeübt wer<strong>de</strong>n. Die Bestandskraft <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s, in <strong>de</strong>m sich das<br />

Wahlrecht auswirkt, schränkt allerdings die Wahlrechtsausübung ein (s.u.).<br />

Umfang und Zeitpunkt <strong>de</strong>s Eintritts <strong>de</strong>r Bindungswirkung <strong>de</strong>r Wahlrechtsausübung richten sich danach, ob<br />

<strong>de</strong>r Gesetzgeber diesbezüglich ausdrückliche Regelungen getroffen hat (vgl. z. B. § 23 Abs. 3 Satz 1 UStG:<br />

Antrag bis <strong>zur</strong> Unanfechtbarkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung; vgl. Nr. 1). Sieht das Gesetz einen unwi<strong>de</strong>rruflichen<br />

Antrag vor (vgl. z. B. § 5a Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG), wird die Willenserklärung bereits mit<br />

ihrem Zugang beim Finanzamt wirksam und kann von diesem Zeitpunkt an nicht mehr <strong>zur</strong>ückgenommen<br />

o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rrufen wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 17.1.1995 – IX R 37/91 – BStBl. II, S. 410); Ausnahme:<br />

Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB. An<strong>de</strong>renfalls richtet sich die Bindungswirkung <strong>de</strong>r ausgeübten Wahl nach<br />

<strong>de</strong>r Bestandskraft <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes, in <strong>de</strong>m sie sich ausgewirkt hat.<br />

Nach Eintritt <strong>de</strong>r Unanfechtbarkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung können Wahlrechte grundsätzlich nur noch<br />

ausgeübt o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rrufen wer<strong>de</strong>n, soweit die Steuerfestsetzung nach §§ 129, 164, 165, 172 ff. o<strong>de</strong>r nach<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Regelungen in <strong>de</strong>n Einzelsteuergesetzen (vgl. Nr. 3) korrigiert wer<strong>de</strong>n kann (vgl. BFH-Urteil<br />

vom 30.8.2001 – IV R 30/99 – BStBl. 2002 II, S. 49 m. w. N.); dabei sind §§ 177 und 351 Abs. 1 zu<br />

beachten. Eine Ausnahme gilt für Wahlrechte, für <strong>de</strong>ren Ausübung das Gesetz keine Frist vorsieht und für<br />

die es grundsätzlich auch keine Bindung an die einmal getroffene Wahl gibt, wenn ihre Ausübung die<br />

Besteuerungsgrundlagen unberührt lässt (z. B. das Veranlagungswahlrecht nach § 26 EStG); diese<br />

Wahlrechte können grundsätzlich bis <strong>zur</strong> Unanfechtbarkeit eines Än<strong>de</strong>rungsbeschei<strong>de</strong>s (erneut) ausgeübt<br />

wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteile vom 19.5.1999 – XI R 97/94 – BStBl. II, S. 762 und vom 24.1.2002 – III<br />

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R 49/00 – BStBl. II, S. 408 m. w. N.). Die steuerrechtliche Wirkung von Wahlrechten, die nur bis <strong>zur</strong><br />

Bestandskraft <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ausgeübt wer<strong>de</strong>n können, kann nach Eintritt dieses Zeitpunktes nicht<br />

nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a beseitigt wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.1973 – VIII R 101/69 –<br />

BStBl. 1974 II, S. 319). Die Wahlrechtsausübung kann auch nicht durch einen Austausch gegen bisher nicht<br />

berücksichtigte Besteuerungsgrundlagen rückgängig gemacht wer<strong>de</strong>n; infolge <strong>de</strong>r Bestandskraft <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung ist <strong>de</strong>r Steuerpflichtige an seine Wahl gebun<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 25.2.1992 – VIII<br />

R 101/69 – BStBl. II, S. 621).<br />

Die nachträgliche Ausübung eines Wahlrechts o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rruf eines bereits ausgeübten Wahlrechts ist<br />

auch keine neue Tatsache i. S. d. § 173, son<strong>de</strong>rn Verfahrenshandlung (vgl. BFH-Urteil vom 25.2.1992,<br />

a.a.O.). Sie ist ausnahmsweise rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis i. S. <strong>de</strong>s § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, wenn sie selbst<br />

Merkmal <strong>de</strong>s gesetzlichen Tatbestands ist (vgl. BFH-Urteil vom 12.7.1989 – X R 8/84 – BStBl. II, S. 957,<br />

zum durch die Zustimmungserklärung <strong>de</strong>s Empfängers qualifizierten Antrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1<br />

EStG). Zur Än<strong>de</strong>rung von Steuerfestsetzungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bei nachträglichem Antrag auf<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 33b EStG vgl. BFH-Urteil vom 13.12.1985 – III R 204/81 – BStBl. 1986 II, S. 245) und<br />

H 33b EStH.<br />

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Zu § 172 – Aufhebung und Än<strong>de</strong>rung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n:<br />

1. Die Vorschrift gilt nur für Steuerbeschei<strong>de</strong>, nicht für Haftungs-, Duldungs- und Aufteilungsbeschei<strong>de</strong> (vgl.<br />

vor §§ 130, 131).<br />

2. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a lässt die schlichte Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen unter <strong>de</strong>r Voraussetzung zu, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige vor Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist die<br />

Än<strong>de</strong>rung beantragt o<strong>de</strong>r ihr zugestimmt hat. Der Antrag auf schlichte Än<strong>de</strong>rung bedarf keiner Form.<br />

Anträge, die nicht schriftlich o<strong>de</strong>r elektronisch gestellt wer<strong>de</strong>n, sind aktenkundig zu machen. Nicht<br />

ausdrücklich als Einspruch bezeichnete, vor Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist schriftlich o<strong>de</strong>r elektronisch<br />

vorgetragene Än<strong>de</strong>rungsbegehren <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen können regelmäßig als schlichte Än<strong>de</strong>rungsanträge<br />

behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Antragsteller eine genau bestimmte Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Steuerbescheids beantragt<br />

und das Finanzamt <strong>de</strong>m Begehren entsprechen will. An<strong>de</strong>rnfalls ist ein Einspruch anzunehmen, da <strong>de</strong>r<br />

Einspruch die Rechte <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen umfassen<strong>de</strong>r und wirkungsvoller wahrt als <strong>de</strong>r bloße<br />

Än<strong>de</strong>rungsantrag. Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige sich für <strong>de</strong>n Rechtsbehelf <strong>de</strong>s Einspruchs entschie<strong>de</strong>n, so<br />

überlagert <strong>de</strong>r förmliche Rechtsbehelf einen etwaigen daneben gestellten Antrag auf schlichte Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

Steuerbescheids (vgl. BFH-Urteil vom 27.9.1994 – VIII R 36/89 – BStBl. 1995 II, S. 353).<br />

Das Finanzamt darf <strong>de</strong>n Steuerbescheid aufgrund eines schlichten Än<strong>de</strong>rungsantrags nur in <strong>de</strong>m Umfange<br />

zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen än<strong>de</strong>rn, als <strong>de</strong>r Steuerpflichtige vor Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist eine genau<br />

bestimmte Än<strong>de</strong>rung bezogen auf einen konkreten Lebenssachverhalt beantragt hat (vgl. u. a. BFH-Urteil<br />

vom 20.12.2006 – X R 30/05 – BStBl. 2007 II, S. 503 m. w. N.). Es genügt nicht, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />

lediglich die betragsmäßige Auswirkung bzw. <strong>de</strong>n Än<strong>de</strong>rungsrahmen beziffert (z. B. Herabsetzung <strong>de</strong>r<br />

Steuer auf „Null“) o<strong>de</strong>r dass ein auf Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bescheids lauten<strong>de</strong>r allgemeiner Antrag <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen erst nach Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist hinsichtlich <strong>de</strong>r einzelnen Korrekturpunkte<br />

konkretisiert wird (z. B. durch Nachreichen einer Steuererklärung). Auch eine Erweiterung <strong>de</strong>s<br />

Än<strong>de</strong>rungsbegehrens ist nach Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist nicht mehr möglich (<strong>zur</strong> Erweiterung eines<br />

Einspruchsantrags siehe zu § 367, Nr. 3). Der Antragsteller kann allenfalls nach Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist<br />

Argumente o<strong>de</strong>r Nachweise <strong>zur</strong> Begründung eines rechtzeitig gestellten, hinreichend konkreten<br />

Än<strong>de</strong>rungsantrags nachreichen o<strong>de</strong>r ergänzen, soweit hierdurch <strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n ursprünglichen<br />

Än<strong>de</strong>rungsantrag (Lebenssachverhalt) festgelegte Än<strong>de</strong>rungsrahmen nicht überschritten wird. Eine<br />

Antragserweiterung o<strong>de</strong>r erneute Antragstellung ist nur innerhalb <strong>de</strong>r Einspruchsfrist möglich.<br />

An das (fristgerechte) Vorbringen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist das Finanzamt gebun<strong>de</strong>n. Es kann die<br />

Steuerfestsetzung nicht in vollem Umfang erneut überprüfen und ggf. verbösern. Mit <strong>de</strong>r beantragten<br />

Än<strong>de</strong>rung nicht in sachlichem o<strong>de</strong>r rechtlichem Zusammenhang stehen<strong>de</strong> materielle Fehler <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung können aber ggf. über § 177 berichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung (§ 361) ist aufgrund eines schlichten Än<strong>de</strong>rungsantrags nicht zulässig, allenfalls<br />

ist Stundung (§ 222) möglich.<br />

3. Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a kann ein Steuerbescheid zu Ungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

aufgehoben o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wenn dieser <strong>de</strong>r Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung zustimmt o<strong>de</strong>r er diese<br />

Korrektur beantragt hat. Die Anzeige eines Steuerpflichtigen nach § 153 stellt noch keine Zustimmung zu<br />

einer Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung zu seinen Ungunsten i. S. d. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a dar;<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 140 von 235


ggf. kommt aber eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 in Betracht. Empfangsbedürftige Willenserklärungen<br />

unterliegen <strong>de</strong>n Auslegungsregelungen <strong>de</strong>r §§ 133, 157 BGB. Entschei<strong>de</strong>nd ist, wie <strong>de</strong>r<br />

Erklärungsempfänger <strong>de</strong>n objektiven Erklärungswert <strong>de</strong>r Erklärung verstehen musste (vgl. BFH-Urteile vom<br />

8.6.2000 – IV R 37/99 – BStBl. 2001 II, S. 162, und vom 5.10.2000 – VII R 96/99 – BStBl. 2001 II, S. 86).<br />

4. § 172 Abs. 1 Satz 2 bestimmt, dass auch ein durch Einspruchsentscheidung bestätigter o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rter<br />

Verwaltungsakt nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>r §§ 129, 164, 165, 172 ff. sowie nach entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Korrekturnormen in <strong>de</strong>n Einzelsteuergesetzen (vgl. vor §§ 172–177, Nr. 3) korrigiert wer<strong>de</strong>n darf. Gleiches<br />

gilt für einen im Einspruchsverfahren ergehen<strong>de</strong>n Abhilfebescheid (z. B. nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2<br />

Buchstabe a). Zum Erlass eines Abhilfebescheids im Klageverfahren nach einer rechtmäßigen Fristsetzung<br />

gemäß § 364b vgl. zu § 364b, Nr. 5.<br />

5. Nach § 172 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 ist eine schlichte Än<strong>de</strong>rung auch dann möglich, wenn <strong>de</strong>r zu än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong><br />

Bescheid bereits durch Einspruchsentscheidung bestätigt o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n ist. Der Än<strong>de</strong>rungsantrag<br />

muss vor Ablauf <strong>de</strong>r Klagefrist gestellt wor<strong>de</strong>n sein, nach Ablauf dieser Frist ist er unzulässig. Die<br />

Wirkungen einer nach § 364b Abs. 2 gesetzten Ausschlussfrist dürfen allerdings durch eine schlichte<br />

Än<strong>de</strong>rung nicht unterlaufen wer<strong>de</strong>n (§ 172 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2).<br />

6. Zum Einspruchsverfahren gegen Entscheidungen über die schlichte Än<strong>de</strong>rung vgl. zu § 347, Nr. 2.<br />

Zu § 173 – Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n wegen neuer Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel:<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Tatsachen und Beweismittel<br />

2. Nachträgliches Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel<br />

3. Rechtserheblichkeit <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel<br />

4. Ermittlungsfehler <strong>de</strong>s Finanzamts<br />

5. Grobes Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

6. Unbeachtlichkeit <strong>de</strong>s Verschul<strong>de</strong>ns <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

7. Än<strong>de</strong>rung von Schätzungsveranlagungen<br />

8. Än<strong>de</strong>rungssperre (§ 173 Abs. 2)<br />

9. Umfang <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung<br />

10. Anwendung <strong>de</strong>s § 173 in Feststellungsfällen<br />

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1. Tatsachen und Beweismittel<br />

1.1 Tatsache i. S. d. § 173 Abs. 1 ist alles, was Merkmal o<strong>de</strong>r Teilstück eines steuergesetzlichen Tatbestan<strong>de</strong>s<br />

sein kann, also Zustän<strong>de</strong>, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller o<strong>de</strong>r immaterieller Art (vgl.<br />

BFH-Urteile vom 1.10.1993 – III R 58/92 – BStBl. 1994 II, S. 346, vom 18.12.1996 – XI R 36/96 – BStBl. 1997<br />

II, S. 264, und vom 14.1.1998 – II R 9/97 – BStBl. II, S. 371). Zu <strong>de</strong>n Tatsachen gehören auch innere Tatsachen<br />

(z. B. die Absicht, Einkünfte bzw. Gewinne zu erzielen), die nur anhand äußerer Merkmale (Hilfstatsachen)<br />

festgestellt wer<strong>de</strong>n können (vgl. BFH-Urteil vom 6.12.1994 – IX R 11/91 – BStBl. 1995 II, S. 192).<br />

1.1.1 Tatsachen i. S. d. § 173 Abs. 1 sind bei einer Schätzung die Schätzungsgrundlagen (nicht die Schätzung<br />

selbst; vgl. im Einzelnen Nr. 7). Tatsachen sind auch vorgreifliche Rechtsverhältnisse aus nichtsteuerlichen<br />

Rechtsgebieten (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.1983 – I R 11/79 – BStBl. 1984 II, S. 181). Um Tatsachen und nicht<br />

um juristische Wertungen han<strong>de</strong>lt es sich, wenn ein Steuerpflichtiger z. B. unter <strong>de</strong>r Bezeichnung „Kauf“,<br />

„Vermietung“ o<strong>de</strong>r „Geschäftsführer-Gehalt“ in die Steuererklärung vorgreifliche Rechtsverhältnisse geltend<br />

macht; <strong>de</strong>rartige Begriffe enthalten eine Zusammenfassung von Tatsachen, die eine bestimmte rechtliche<br />

Wertung auslösen (vgl. BFH-Urteil vom 20.12.1988 – VIII R 121/83 – BStBl. 1989 II, S. 585). Folglich kann<br />

ein Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wenn sich aufgrund nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>ner<br />

Tatsachen die vom Steuerpflichtigen übernommene Wertung als unzutreffend erweist.<br />

1.1.2 Keine Tatsachen i. S. d. § 173 Abs. 1 sind Rechtsnormen und Schlussfolgerungen aller Art, insbeson<strong>de</strong>re<br />

steuerrechtliche Bewertungen (vgl. BFH-Urteil vom 27.10.1992 – VIII R 41/89 – BStBl. 1993 II, S. 569).<br />

Ebenso stellen Entscheidungen <strong>de</strong>s BVerfG <strong>zur</strong> Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm sowie nachträgliche<br />

Gesetzesän<strong>de</strong>rungen keine neuen Tatsachen i. S. v. § 173 Abs. 1 dar (vgl. BFH-Urteile vom 12.5.2009 – IX R<br />

45/ß8 – BStBl. II, S. 891 und vom 11.2.1994 – III R 50/92 – BStBl. II S. 389). Gleiches gilt für die (ggf.<br />

an<strong>de</strong>rweitige) Ausübung steuerlicher Wahlrechte o<strong>de</strong>r die Nachholung eines Antrags (vgl. zu §§ 172 – 177,<br />

Nr. 8). Ein Antrag kann allerdings nachgeholt wer<strong>de</strong>n, soweit die für seine Ausübung relevanten Tatsachen als<br />

solche nachträglich bekannt wer<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 3.2).<br />

1.1.3 Bei Sachverhalten, die bei verschie<strong>de</strong>nen Steuerpflichtigen steuerlich eigenständig zu berücksichtigen<br />

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sind, weil die Steuergesetze im Regelfall keine korrespondieren<strong>de</strong> Berücksichtigung vorschreiben, sind die für<br />

die einzelne Steuerfestsetzung relevanten Tatsachen und steuerrechtliche Bewertungen zu unterschei<strong>de</strong>n. So<br />

geben Ergebnismitteilungen <strong>de</strong>s Körperschaftsteuer-Finanzamts an das für die Veranlagung <strong>de</strong>r Anteilseigner<br />

zuständige Finanzamt über eine bei einer GmbH durchgeführte Außenprüfung rechtliche Schlussfolgerungen<br />

und Schätzungsergebnisse wie<strong>de</strong>r, sie stellen für sich jedoch keine Tatsachen dar, die zu einer Än<strong>de</strong>rung nach<br />

§ 173 Abs. 1 berechtigen (BFH-Urteil vom 27.10.1992 – VIII R 41/89 – BStBl. 1993 II, S. 569). Deshalb<br />

müssen <strong>de</strong>n für die Veranlagung <strong>de</strong>r Anteilseigner zuständigen Finanzämtern die entscheidungserheblichen<br />

Tatsachen mitgeteilt wer<strong>de</strong>n; die bloße Mitteilung, es seien ver<strong>de</strong>ckte Gewinnausschüttungen festgestellt<br />

wor<strong>de</strong>n, reicht nicht aus, um eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 zu rechtfertigen. Vgl. aber auch § 32a KStG.<br />

1.2 Beweismittel ist je<strong>de</strong>s Erkenntnismittel, das <strong>zur</strong> Aufklärung eines steuerlich erheblichen Sachverhalts dient,<br />

d. h. geeignet ist, das Vorliegen o<strong>de</strong>r Nichtvorliegen von Tatsachen zu beweisen (BFH-Urteil vom 20.12.1988 –<br />

VIII R 121/83 – BStBl. 1989 II, S. 585). Dazu gehören Urkun<strong>de</strong>n (Verträge, Geschäftspapiere u. a.) und<br />

Auskünfte von Auskunftspersonen (s. § 92). Ein Sachverständigengutachten ist nur Beweismittel, soweit es die<br />

Erkenntnis neuer Tatsachen vermittelt und nicht lediglich Schlussfolgerungen enthält (BFH-Urteil vom<br />

27.10.1992 – VIII R 41/89 – BStBl. 1993 II, S. 569).<br />

1.3 Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 setzt voraus, dass die Tatsachen bei Erlass <strong>de</strong>s zu än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Bescheids<br />

bereits vorhan<strong>de</strong>n waren und vom Finanzamt hätten berücksichtigt wer<strong>de</strong>n können (vgl. BFH-Urteil vom<br />

26.7.1984 – IV R 10/83 – BStBl. II, S. 786). Nach <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung entstan<strong>de</strong>ne Tatsachen<br />

können dagegen eine Än<strong>de</strong>rung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 rechtfertigen, wenn insoweit ein rückwirken<strong>de</strong>s<br />

Ereignis vorliegt. Eine nach <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung entstan<strong>de</strong>ne Hilfstatsache, die für diesen<br />

Zeitpunkt zu einer verän<strong>de</strong>rten Würdigung in Bezug auf eine innere Tatsache führt, rechtfertigt jedoch nur dann<br />

eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1, wenn sie einen sicheren Schluss auf die (innere) Haupttatsache ermöglicht.<br />

1.4 Bei <strong>de</strong>r Prüfung <strong>de</strong>r Frage, ob die Tatsache zu einer höheren o<strong>de</strong>r niedrigeren Steuer führt, sind<br />

Steueranrechnungsbeträge unbeachtlich; es ist vielmehr auf die festzusetzen<strong>de</strong> Steuer abzustellen. Das BFH-<br />

Urteil vom 16.3.1990 – VI R 90/86 – BStBl. II, S. 610 betrifft <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>rs gelagerten Fall einer<br />

Nettolohnvereinbarung und kann daher nicht verallgemeinert wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Nachträgliches Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel<br />

2.1 Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel wer<strong>de</strong>n nachträglich bekannt, wenn sie einem für die Steuerfestsetzung<br />

zuständigen Bediensteten (BFH-Urteile vom 9.11.1984 – VI R 157/83 – BStBl. 1985 II, S. 191, und vom<br />

20.6.1985 – IV R 114/82 – BStBl. II, S. 492) bekannt wer<strong>de</strong>n, nach<strong>de</strong>m die Willensbildung über die<br />

Steuerfestsetzung abgeschlossen wor<strong>de</strong>n ist (Abzeichnung <strong>de</strong>r Verfügung; vgl. BFH-Urteil vom 18.3.1987 –<br />

II R 226/84 – BStBl. II, S. 416). Auf <strong>de</strong>n Tag <strong>de</strong>r Absendung <strong>de</strong>s Steuerbescheids o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Tag <strong>de</strong>r Bekanntgabe<br />

kommt es nicht an. Der im Einzelfall maßgebliche Tag ist <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen auf Verlangen mitzuteilen.<br />

2.2 Sofern im automatisierten Verfahren nachträglich – noch vor <strong>de</strong>r Absendung <strong>de</strong>s Steuerbescheids – eine<br />

materiellrechtliche Kontrolle <strong>de</strong>r gesamten Steuerfestsetzung vorgenommen wird, sind alle bis dahin bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>nen Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1988 –<br />

VIII R 226/83 – BStBl. 1989 II, S. 259). Tatsachen und Beweismittel, die <strong>de</strong>m Finanzamt bis zum Abschluss<br />

einer solchen Kontrolle bekannt gewor<strong>de</strong>n sind, in <strong>de</strong>m zu erlassen<strong>de</strong>n Steuerbescheid aber keine<br />

Berücksichtigung gefun<strong>de</strong>n haben, können zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr Gegenstand einer Än<strong>de</strong>rung<br />

nach § 173 Abs. 1 sein. Um eine materiellrechtliche Kontrolle <strong>de</strong>s Steuerbescheids han<strong>de</strong>lt es sich nicht, wenn<br />

<strong>de</strong>r Steuerbescheid vor seiner Absendung nur einer formellen Prüfung unterzogen wird, die die Feststellung <strong>de</strong>r<br />

ermittelten Tatsachen sowie <strong>de</strong>ren rechtliche Würdigung unberührt lässt (z. B. Prüfung auf zutreffen<strong>de</strong><br />

Adressierung o<strong>de</strong>r richtige Erfassung <strong>de</strong>r Daten).<br />

2.3 Eine Tatsache ist nicht schon dann bekannt, wenn irgen<strong>de</strong>ine Stelle <strong>de</strong>s Finanzamts von ihr Kenntnis hat. Es<br />

kommt vielmehr auf <strong>de</strong>n Kenntnisstand <strong>de</strong>r Personen an, die innerhalb <strong>de</strong>s Finanzamts dazu berufen sind, <strong>de</strong>n<br />

betreffen<strong>de</strong>n Steuerfall zu bearbeiten (BFH-Urteile vom 20.6.1985 – IV R 114/82 – BStBl. II, S. 492, vom<br />

20.4.1988 – X R 40/81 – BStBl. II, S. 804, und vom 19.6.1990 – VIII R 69/87 – BFH/NV 1991 S. 353).<br />

2.3.1 Die Rechtsbehelfsstelle <strong>de</strong>s Finanzamts muss bei <strong>de</strong>r Entscheidung über <strong>de</strong>n Einspruch eines<br />

Steuerpflichtigen grundsätzlich auch Tatsachen verwerten, die <strong>de</strong>r Veranlagungsstelle bekannt sind. Geschieht<br />

dies nicht, so können diese in <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung nicht berücksichtigten Tatsachen nach Abschluss <strong>de</strong>s<br />

Einspruchsverfahrens nicht mehr Gegenstand eines Än<strong>de</strong>rungsbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 sein (BFH-<br />

Urteil vom 23.3.1983 – I R 182/82 – BStBl. II, S. 548).<br />

2.3.2 Nur <strong>de</strong>m Betriebsprüfer bekannt gewor<strong>de</strong>ne Tatsachen sind <strong>de</strong>r Veranlagungsstelle grundsätzlich nicht<br />

zu<strong>zur</strong>echnen (vgl. BFH-Urteile vom 28.4.1987 – IX R 9/83 – BFH/NV 1988 S. 151, vom 29.10.1987 –<br />

IV R 69/85 – BFH/NV 1988 S. 346, und vom 20.4.1988 – X R 40/81 – BStBl. II, S. 804).<br />

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2.3.3 Für die Frage, ob einem Finanzamt Tatsachen, die zu einer erstmaligen Berücksichtigung o<strong>de</strong>r zu einer<br />

höheren Bewertung eines steuerpflichtigen Sachverhalts von Be<strong>de</strong>utung sind, i. S. v. § 173 Abs. 1 Nr. 1<br />

nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>n sind, kommt es grundsätzlich allein auf die Kenntnis dieses Finanzamts an.<br />

Ermittelt aber ein für die Erbschaft-/Schenkungsteuer zuständiges Finanzamt <strong>de</strong>n Wert einer Beteiligung an einer<br />

Personengesellschaft allein dadurch, dass es diesen aus einem von einem an<strong>de</strong>rem Finanzamt erteilten<br />

Feststellungsbescheid über <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>s Betriebsvermögens <strong>de</strong>r Gesellschaft auf einen vorangegangenen<br />

Bewertungsstichtag ableitet, so macht es sich damit die diesem zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Kenntnisse zu eigen (BFH-<br />

Urteil vom 14.1.1998 – II R 9/97 – BStBl. II, S. 371).<br />

2.3.4 Einmal bekannt gewor<strong>de</strong>ne Tatsachen wer<strong>de</strong>n durch <strong>de</strong>n Wechsel in <strong>de</strong>r Zuständigkeit <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r durch Wechsel <strong>de</strong>s Bearbeiters nicht wie<strong>de</strong>r unbekannt, wenn <strong>de</strong>r zunächst zuständige Bearbeiter die<br />

Tatsachen aktenkundig gemacht hat (vgl. BFH-Urteil vom 15.10.1993 – III R 74/92 – BFH/NV 1994 S. 315).<br />

2.3.5 Dem Finanzamt können auch Tatsachen bekannt sein, die sich aus älteren, bereits archivierten Akten<br />

ergeben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass <strong>zur</strong> Hinzuziehung solcher Vorgänge nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Falles, insbeson<strong>de</strong>re nach <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>r zu bearbeiten<strong>de</strong>n Steuererklärungen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r präsenten Akten, eine<br />

beson<strong>de</strong>re Veranlassung bestand (BFH-Urteil vom 11.2.1998 – I R 82/97 – BStBl. II, S. 552).<br />

2.3.6 Im Rahmen <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 Nr. 2 kann eine Tatsache nicht zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen als bereits<br />

bekannt gelten, wenn <strong>de</strong>r zuständige Bearbeiter sie lediglich hätte kennen können o<strong>de</strong>r kennen müssen; das<br />

Finanzamt kann sich in diesem Fall nicht auf sein eigenes Versäumnis o<strong>de</strong>r Verschul<strong>de</strong>n berufen (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 26.11.1996 – IX R 77/95 – BStBl. 1997 II, S. 422).<br />

2.4 Steuerbescheid i. S. v. § 173 Abs. 1 ist auch ein Bescheid, <strong>de</strong>r einen schon ergangenen Steuerbescheid<br />

inhaltlich abän<strong>de</strong>rt. Tatsachen, die zu einer höheren Besteuerung führen, kann das Finanzamt <strong>de</strong>shalb in einem<br />

weiteren Än<strong>de</strong>rungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 nur berücksichtigen, wenn sie ihm nach Erlass <strong>de</strong>s<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheids bekannt gewor<strong>de</strong>n sind. Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 ist jedoch dann nicht<br />

ausgeschlossen, wenn das Finanzamt im Hinblick auf einen nachträglich ergangenen Grundlagenbescheid<br />

zunächst lediglich eine Än<strong>de</strong>rung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 vorgenommen und dabei Tatsachen unberücksichtigt<br />

gelassen hat, die darüber hinaus eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 gerechtfertigt hätten (BFH-Urteil vom<br />

12.1.1989 – IV R 8/88 – BStBl. II, S. 438).<br />

2.5 Än<strong>de</strong>rt das Finanzamt einen bestandskräftigen Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1, so trägt es die<br />

objektive Beweislast dafür, dass die für die Än<strong>de</strong>rung erfor<strong>de</strong>rlichen tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen,<br />

insbeson<strong>de</strong>re dafür, dass diese „neu“ sind (BFH-Urteil vom 19.5.1998 – I R 140/97 – BStBl. II, S. 599).<br />

3. Rechtserheblichkeit <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel<br />

3.1 Neue Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel können die Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 nur<br />

rechtfertigen, wenn sie rechtserheblich sind. Die Rechtserheblichkeit ist zu bejahen, wenn das Finanzamt bei<br />

rechtzeitiger Kenntnis <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel schon bei <strong>de</strong>r ursprünglichen Veranlagung mit an<br />

Sicherheit grenzen<strong>de</strong>r Wahrscheinlichkeit zu einer höheren o<strong>de</strong>r niedrigeren Steuer gelangt wäre (vgl. BFH-<br />

Beschluss GrS vom 23.11.1987 – GrS 1/86 – BStBl. 1988 II, S. 180). Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 173 hat nicht <strong>de</strong>n<br />

Sinn, <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens dadurch abzunehmen, dass ihm gestattet<br />

wird, sich auf Tatsachen gegenüber <strong>de</strong>m Finanzamt erst dann zu berufen, wenn etwa durch eine spätere<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rechtsprechung eine Rechtslage eintritt, die eine bisher nicht vorgetragene Tatsache nunmehr als<br />

relevant erscheinen lässt.<br />

Ein Steuerbescheid darf daher wegen nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>ner Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel we<strong>de</strong>r<br />

zugunsten noch zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wenn das Finanzamt bei ursprünglicher<br />

Kenntnis <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel nicht an<strong>de</strong>rs entschie<strong>de</strong>n hätte. Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r<br />

Rechtserheblichkeit kommt es nicht darauf an, welche Entscheidung <strong>de</strong>r zuständige Bearbeiter subjektiv bei<br />

Erlass <strong>de</strong>s ursprünglichen Bescheids getroffen hätte. Wie das Finanzamt bei Kenntnis bestimmter Tatsachen o<strong>de</strong>r<br />

Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist vielmehr im Einzelfall<br />

aufgrund <strong>de</strong>s Gesetzes, wie es nach <strong>de</strong>r damaligen Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH auszulegen war, und <strong>de</strong>r die<br />

Finanzämter bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt <strong>de</strong>s ursprünglichen<br />

Beschei<strong>de</strong>rlasses gegolten haben (vgl. BFH-Urteile vom 11.5.1988 – I R 216/85 – BStBl. II, S. 715, vom<br />

15.1.1991 – IX R 238/87 – BStBl. II, S. 741, und vom 10.3.1999 – II R 99/97 – BStBl. II, S. 433). Subjektive<br />

Fehler <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n, wie sie sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht <strong>de</strong>nkbar sein mögen,<br />

sind unbeachtlich (BFH-Urteil vom 11.5.1988 – I R 216/85 – BStBl. II, S. 715).<br />

3.2 Die erstmalige Ausübung eines nicht fristgebun<strong>de</strong>nen Wahlrechts nach Bestandskraft <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung<br />

(vgl. vor §§ 172 bis 177, Nr. 8) ist keine neue Tatsache, sie steht einer Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 aber<br />

nicht entgegen, sofern die für die Ausübung <strong>de</strong>s Wahlrechts relevanten Tatsachen nachträglich bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>n sind (BFH-Urteile vom 28.9.1984 – VI R 48/82 – BStBl. 1985 II, S. 117, und vom 25.2.1992 –<br />

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IX R 41/91 – BStBl. II, S. 621). Gleiches gilt, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nach Bestandskraft <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung erstmals einen nicht fristgebun<strong>de</strong>nen Antrag auf Gewährung einer Steuervergünstigung stellt<br />

und hierzu entsprechen<strong>de</strong> (neue) Tatsachen vorträgt (BFH-Urteil vom 21.7.1989 – III R 303/84 – BStBl. II,<br />

S. 960). Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen setzt jedoch auch in diesen<br />

Fällen voraus, dass ihn am nachträglichen Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Tatsachen kein grobes<br />

Verschul<strong>de</strong>n trifft (vgl. Nr. 5).<br />

4. Ermittlungsfehler <strong>de</strong>s Finanzamts<br />

4.1 Nach <strong>de</strong>m Grundsatz von Treu und Glauben kann das Finanzamt – auch wenn es von einer<br />

rechtserheblichen Tatsache o<strong>de</strong>r einem rechtserheblichen Beweismittel nachträglich Kenntnis erhält – daran<br />

gehin<strong>de</strong>rt sein, einen Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zu än<strong>de</strong>rn<br />

(BFH-Urteil vom 13.11.1985 – II R 208/82 – BStBl. 1986 II, S. 241). Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die ihm<br />

obliegen<strong>de</strong>n Mitwirkungspflichten in zumutbarer Weise erfüllt, kommt eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1<br />

nicht in Betracht, wenn die spätere Kenntnis <strong>de</strong>r Tatsache o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Beweismittels auf einer Verletzung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />

Finanzamt obliegen<strong>de</strong>n Ermittlungspflicht beruht. Das Finanzamt braucht <strong>de</strong>n Steuerklärungen nicht mit<br />

Misstrauen zu begegnen, son<strong>de</strong>rn darf regelmäßig von <strong>de</strong>ren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen; veranlagt<br />

es aber trotz bekannter Zweifel an <strong>de</strong>r Richtigkeit <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen endgültig, so ist eine spätere<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung nach <strong>de</strong>m Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil<br />

vom 27.10.1992 – VIII R 41/89 – BStBl. 1993 II, S. 569). Zum Umfang <strong>de</strong>r Ermittlungspflicht <strong>de</strong>s Finanzamts<br />

vgl. auch zu § 88.<br />

4.1.1 Sind sowohl das Finanzamt seiner Ermittlungspflicht als auch <strong>de</strong>r Steuerpflichtige seiner<br />

Mitwirkungspflicht nicht in vollem Umfang nachgekommen, so fällt das nachträgliche Bekanntwer<strong>de</strong>n einer<br />

rechtserheblichen Tatsache o<strong>de</strong>r eines rechtserheblichen Beweismittels in <strong>de</strong>r Regel in <strong>de</strong>n<br />

Verantwortungsbereich <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen mit <strong>de</strong>r Folge, dass eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Steuerbescheids nach § 173<br />

Abs. 1 Nr. 1 zulässig ist (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.1987 – I R 108/85 – BStBl. 1988 II, S. 115). Eine<br />

entsprechen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung schei<strong>de</strong>t lediglich dann aus, wenn <strong>de</strong>r Verstoß <strong>de</strong>s Finanzamts <strong>de</strong>utlich überwiegt<br />

(BFH-Urteil vom 20.12.1988 – VIII R 121/83 – BStBl. 1989 II, S. 585).<br />

4.1.2 Än<strong>de</strong>rt das Finanzamt einen bestandskräftigen Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1, trägt <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige die objektive Beweislast, wenn er eine Verletzung <strong>de</strong>r Ermittlungspflichten durch das Finanzamt<br />

rügt (BFH-Urteil vom 19.5.1998 – I R 140/97 – BStBl. II, S. 599).<br />

4.2 Auf neue Tatsachen, die nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 eine niedrigere Steuerfestsetzung rechtfertigen, sind die in<br />

Nr. 4.1 dargestellten Grundsätze nicht anzuwen<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 13.4.1967 – V 57/65 – BStBl. III, S. 519,<br />

und vom 26.11.1996 – IX R 77/95 – BStBl. 1997 II, S. 422; vgl. Nr. 2.2). Hier ist jedoch zu prüfen, ob <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen ein grobes Verschul<strong>de</strong>n am nachträglichen Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r neuen Tatsachen trifft (vgl.<br />

Nr. 5).<br />

Im Rahmen <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 Nr. 2 kann eine Tatsache allerdings nicht zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen als<br />

bereits bekannt gelten, wenn <strong>de</strong>r zuständige Bearbeiter sie lediglich hätte kennen können o<strong>de</strong>r kennen müssen.<br />

Das Finanzamt kann sich in diesem Fall nicht auf sein eigenes Versäumnis o<strong>de</strong>r Verschul<strong>de</strong>n berufen (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 26.11.1996 – IX R 77/95 – BStBl. 1997 II, S. 422).<br />

5. Grobes Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

5.1 Die Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist grundsätzlich<br />

ausgeschlossen, wenn <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen ein grobes Verschul<strong>de</strong>n daran trifft, dass die Tatsachen o<strong>de</strong>r<br />

Beweismittel <strong>de</strong>m Finanzamt erst nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>n sind. Als grobes Verschul<strong>de</strong>n hat <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn er<br />

die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht<br />

entschuldbarer Weise verletzt (BFH-Urteile vom 3.2.1983 – IV R 153/80 – BStBl. II, S. 324, und vom<br />

18.5.1988 – X R 57/82 – BStBl. II, S. 713). Die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass ihn kein<br />

grobes Verschul<strong>de</strong>n trifft, liegt beim Steuerpflichtigen.<br />

5.1.1 Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Schwere <strong>de</strong>r Verletzung dieser Sorgfaltspflicht sind die Gegebenheiten <strong>de</strong>s<br />

Einzelfalls und die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten <strong>de</strong>s einzelnen Steuerpflichtigen zu berücksichtigen<br />

(BFH-Urteil vom 29.6.1984 – VI R 181/80 – BStBl. 1984 II, S. 693). So kann die Unkenntnis steuerrechtlicher<br />

Bestimmungen allein <strong>de</strong>n Vorwurf groben Verschul<strong>de</strong>ns nicht begrün<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 10.8.1988 –<br />

IX R 219/84 – BStBl. 1989 II, S. 131, vom 22.5.1992 – VI R 17/91 – BStBl. 1993 II, S. 80, und vom<br />

21.9.1993 – IX R 63/90 – BFH/NV 1994 S. 100). Offensichtliche Versehen und alltägliche Irrtümer, die sich nie<br />

ganz vermei<strong>de</strong>n lassen, wie z. B. Verwechslungen, Schreib-, Rechen- o<strong>de</strong>r Übertragungsfehler, rechtfertigen<br />

ebenfalls nicht <strong>de</strong>n Vorwurf <strong>de</strong>s groben Verschul<strong>de</strong>ns; es kann aber vorliegen, wenn das Versehen auf einer<br />

vorangegangenen Verletzung steuerlicher Pflichten beruht.<br />

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5.1.2 Ein grobes Verschul<strong>de</strong>n kann im Allgemeinen angenommen wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige trotz<br />

Auffor<strong>de</strong>rung keine Steuererklärung abgegeben hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteil vom<br />

16.9.2004 – IV R 62/02 – BStBl. 2005 II, S. 75 m. w. N.), allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>r Buchführung (§§ 145<br />

bis 147) verletzt o<strong>de</strong>r ausdrückliche Hinweise in ihm zugegangenen Vordrucken, Merkblättern o<strong>de</strong>r sonstigen<br />

Mitteilungen <strong>de</strong>s Finanzamts nicht beachtet.<br />

5.1.3 Ein Steuerpflichtiger han<strong>de</strong>lt regelmäßig grob schuldhaft, wenn er eine im Steuererklärungsformular<br />

ausdrücklich gestellte, auf einen ganz bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beachtet (BFH-Urteile vom<br />

29.6.1984 – VI R 181/80 – BStBl. II, S. 693, und vom 10.8.1988 – IX R 219/84 – BStBl. 1989 II, S. 131).<br />

5.1.4 Das grobe Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen am nachträglichen Bekanntwer<strong>de</strong>n steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r<br />

Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Finanzamt seinerseits seinen<br />

Fürsorge- o<strong>de</strong>r Ermittlungspflichten nicht hinreichend nachgekommen ist (BFH-Urteil vom 9.8.1991 –<br />

III R 24/87 – BStBl. 1992 II, S. 65). Im Einzelfall kann jedoch ein grobes Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zu<br />

verneinen sein, wenn die Verletzung <strong>de</strong>r Ermittlungs- und Fürsorgepflichten ursächlich für die verspätete<br />

Geltendmachung <strong>de</strong>r steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel war, z. B. bei irreführen<strong>de</strong>r<br />

Auskunftserteilung.<br />

5.2 Bei einer Zusammenveranlagung muss sich je<strong>de</strong>r Ehegatte das grobe Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Ehegatten<br />

<strong>zur</strong>echnen lassen (vgl. BFH-Urteil vom 24.7.1996 – I R 62/95 – BStBl. 1997 II, S. 115).<br />

5.3 Nimmt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige bei <strong>de</strong>r Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten die Hilfe eines Bevollmächtigten<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer Hilfspersonen in Anspruch, so muss er sich ein etwaiges grobes Verschul<strong>de</strong>n dieser Personen wie<br />

ein eigenes Verschul<strong>de</strong>n <strong>zur</strong>echnen lassen. So hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige etwa ein grobes Verschul<strong>de</strong>n seines<br />

Buchhalters als eigenes Verschul<strong>de</strong>n zu vertreten (vgl. BFH-Urteil vom 18.5.1988 – X R 57/82 – BStBl. II,<br />

S. 713).<br />

5.4 Der Steuerpflichtige hat ein grobes Verschul<strong>de</strong>n seines steuerlichen Beraters in gleicher Weise zu vertreten<br />

wie das Verschul<strong>de</strong>n eines Bevollmächtigten (BFH-Urteile vom 3.2.1983 – IV R 153/80 – BStBl. II, S. 324,<br />

vom 28.6.1983 – VIII R 37/81 – BStBl. 1984 II, S. 2, vom 25.11.1983 – VI R 8/82 – BStBl. 1984 II, S. 256, und<br />

vom 26.8.1987 – I R 144/86 – BStBl. 1988 II, S. 109). Bei Festlegung <strong>de</strong>r einem steuerlichen Berater<br />

zuzumuten<strong>de</strong>n Sorgfalt ist zu berücksichtigen, dass von einem Angehörigen <strong>de</strong>r steuerberaten<strong>de</strong>n Berufe die<br />

Kenntnis und sachgemäße Anwendung <strong>de</strong>r steuerrechtlichen Vorschriften erwartet wird (BFH-Urteil vom<br />

3.2.1983 – IV R 153/80 – BStBl. II, S. 324). Ein eigenes grobes Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen kann darin<br />

liegen, dass er die von seinem steuerlichen Berater gefertigte Steuererklärung unterschreibt, obwohl ihm bei<br />

Durchsicht <strong>de</strong>r Steuererklärung ohne weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Tatsachen o<strong>de</strong>r<br />

Beweismittel nicht berücksichtigt wor<strong>de</strong>n sind (BFH-Urteil vom 28.6.1983 – VIII R 37/81 – BStBl. 1984 II,<br />

S. 2).<br />

Der steuerliche Berater hat, wenn er Mitarbeiter <strong>zur</strong> Vorbereitung <strong>de</strong>s Jahresabschlusses und <strong>de</strong>r Steuererklärung<br />

einsetzt, Sorgfaltspflichten hinsichtlich <strong>de</strong>r Auswahl seiner Mitarbeiter, <strong>de</strong>r Organisation <strong>de</strong>r Arbeiten in seinem<br />

Büro und <strong>de</strong>r Kontrolle <strong>de</strong>r Arbeitsergebnisse <strong>de</strong>r Mitarbeiter (BFH-Urteil vom 26.8.1987 – I R 144/86 –<br />

BStBl. 1988 II, S. 109).<br />

5.5 Bei <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>s groben Verschul<strong>de</strong>ns ist auch <strong>de</strong>r Zeitraum einzubeziehen, in <strong>de</strong>m nach Durchführung <strong>de</strong>r<br />

Steuerveranlagung <strong>de</strong>r Bescheid noch än<strong>de</strong>rbar ist (BFH-Urteil vom 21.2.1991 – V R 25/87 – BStBl. II, S. 496:<br />

Vortrag steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r Tatsachen bis <strong>zur</strong> Bekanntgabe <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung). Ein <strong>de</strong>m<br />

Steuerpflichtigen zu<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong>s grobes Verschul<strong>de</strong>n i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 kann daher auch darin bestehen,<br />

dass er es unterlassen hat, gegen einen Steuerbescheid Einspruch einzulegen, obwohl sich ihm innerhalb <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsfrist die Geltendmachung bisher nicht vorgetragener Tatsachen hätte aufdrängen müssen (BFH-<br />

Urteile vom 25.11.1983 – VI R 8/82 – BStBl. 1984 II, S. 256, und vom 4.2.1988 – XI R 47/97 – BFH/NV<br />

S. 682).<br />

5.6 Bei Beantwortung <strong>de</strong>r Frage, ob die Unterlassung bestimmter steuerrelevanter Angaben in <strong>de</strong>r<br />

Steuererklärung auf einem groben Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, einem entschuldbaren mechanischen<br />

Versehen (z. B. Übertragungsfehler) o<strong>de</strong>r einem entschuldbaren Rechtsirrtum infolge mangeln<strong>de</strong>r Kenntnis<br />

steuerrechtlicher Vorschriften beruht, ist nicht zwischen Steuererklärungen auf Papier und elektronisch erstellten<br />

Steuererklärungen zu unterschei<strong>de</strong>n. Wird die Steuererklärung elektronisch zum Beispiel mithilfe <strong>de</strong>s<br />

Programms ElsterFormular erstellt, kann <strong>de</strong>r Steuerpflichtige bei Erfassung <strong>de</strong>r Daten anhand <strong>de</strong>r gewohnten<br />

Formularoberfläche vom kompletten Steuererklärungsvordruck und allen dort gestellten Fragen Kenntnis<br />

nehmen; darüber hinaus wird auch eine Hilfefunktion im Umfang <strong>de</strong>r amtlichen Anleitung geboten. Unerheblich<br />

ist daher, dass in <strong>de</strong>r komprimierten Steuererklärung nur ein Ausdruck <strong>de</strong>r tatsächlich erfassten und<br />

übermittelten Daten erfolgt.<br />

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6. Unbeachtlichkeit <strong>de</strong>s Verschul<strong>de</strong>ns <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

6.1 Das Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 unbeachtlich, wenn die Tatsachen<br />

o<strong>de</strong>r Beweismittel, die zu einer niedrigeren Steuer führen, in einem unmittelbaren o<strong>de</strong>r mittelbaren<br />

Zusammenhang mit neuen Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismitteln stehen, die zu einer höheren Steuer führen. Stehen die<br />

steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Tatsachen mit steuererhöhen<strong>de</strong>n Tatsachen im Zusammenhang, sind die steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n<br />

Tatsachen nicht nur bis <strong>zur</strong> steuerlichen Auswirkung <strong>de</strong>r steuererhöhen<strong>de</strong>n Tatsachen, son<strong>de</strong>rn uneingeschränkt<br />

zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 2.8.1983 – VIII R 190/80 – BStBl. 1984 II, S. 4). Ein <strong>de</strong>rartiger<br />

Zusammenhang ist gegeben, wenn eine zu einer höheren Besteuerung führen<strong>de</strong> Tatsache die <strong>zur</strong><br />

Steuerermäßigung führen<strong>de</strong> Tatsache ursächlich bedingt, so dass <strong>de</strong>r steuererhöhen<strong>de</strong> Vorgang nicht ohne <strong>de</strong>n<br />

steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Vorgang <strong>de</strong>nkbar ist (BFH-Urteile vom 28.3.1985 – IV R 159/82 – BStBl. 1986 II, S. 120,<br />

vom 5.8.1986 – IX R 13/81– BStBl. 1987 II, S. 297, und vom 8.8.1991 – V R 106/88 – BStBl. 1992 II, S. 12).<br />

Ein rein zeitliches Zusammentreffen von steuererhöhen<strong>de</strong>n und steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Tatsachen reicht nicht aus<br />

(BFH-Urteil vom 28.3.1985, a.a.O.).<br />

6.2 Wird <strong>de</strong>m Finanzamt nachträglich bekannt, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nicht erklärte Einkünfte einer<br />

bestimmten Einkunftsart erzielt hat, so stellt die Höhe dieser Einkünfte die für die Anwendung <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1<br />

Nr. 1 o<strong>de</strong>r Nr. 2 relevante Tatsache dar (BFH-Urteil vom 1.10.1993 – III R 58/92 – BStBl. 1994 II, S. 346). Dies<br />

gilt auch dann, wenn das Finanzamt die Einkünfte zunächst geschätzt hat (BFH-Urteil vom 24.4.1991 –<br />

XI R 28/89 – BStBl. II, S. 606). Eine Aufspaltung dieser Einkünfte in steuererhöhen<strong>de</strong> Einnahmen o<strong>de</strong>r<br />

Vermögensmehrungen einerseits und steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Ausgaben o<strong>de</strong>r Vermögensmin<strong>de</strong>rungen an<strong>de</strong>rerseits im<br />

Hinblick auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ist nicht zulässig.<br />

6.3 Bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuer sind Tatsachen, die eine Erhöhung <strong>de</strong>r Umsatzsteuer begrün<strong>de</strong>n, und Tatsachen, die<br />

eine höhere Vorsteuer begrün<strong>de</strong>n, getrennt zu beurteilen. Ein Zusammenhang zwischen nachträglich bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>nen Umsätzen und nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen Leistungen an <strong>de</strong>n Unternehmer i. S. d. § 173<br />

Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 besteht nur insoweit, als die Eingangsleistungen <strong>zur</strong> Ausführung <strong>de</strong>r nachträglich bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>nen Umsätze verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 8.8.1991 – V R 106/88 – BStBl. 1992 II, S. 12, und<br />

vom 19.10.1995 – V R 60/92 – BStBl. 1996 II, S. 149). Dies gilt allerdings nur, soweit diese Umsätze zum<br />

Vorsteuerabzug berechtigen; soweit die nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen Vorsteuerbeträge hingegen mit<br />

nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen steuerfreien o<strong>de</strong>r nichtsteuerbaren Umsätzen in Zusammenhang stehen, sind<br />

die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 nicht erfüllt.<br />

Hat das Finanzamt bei einer Schätzung <strong>de</strong>r Umsatzsteuer davon abgesehen, die Steuer auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s<br />

Ansatzes einer Vielzahl einzelner Umsätze mit jeweils genau bezifferter Bemessungsgrundlage zu ermitteln,<br />

können die nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen Vorsteuerbeträge im Schätzungsweg entsprechend <strong>de</strong>m Verhältnis<br />

<strong>de</strong>r nachträglich erklärten und <strong>de</strong>r ursprünglich vom Finanzamt geschätzten steuerpflichtigen Umsätze<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n, es sei <strong>de</strong>nn, es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass weniger o<strong>de</strong>r mehr Vorsteuerbeträge<br />

im Zusammenhang mit <strong>de</strong>n nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen Umsätzen stehen als sich nach dieser Aufteilung<br />

ergibt (BFH-Urteil vom 19.10.1995 – V R 60/92 – BStBl. 1996 II, S. 149).<br />

7. Än<strong>de</strong>rung von Schätzungsveranlagungen<br />

7.1 Eine auf einer Schätzung beruhen<strong>de</strong> Veranlagung kann nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 durch eine höhere<br />

Schätzungsveranlagung ersetzt wer<strong>de</strong>n, wenn nachträglich Schätzungsunterlagen festgestellt wer<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>ren<br />

rechtzeitigem Bekanntsein das Finanzamt die Schätzung in an<strong>de</strong>rer Weise vorgenommen hätte. Die Än<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r ursprünglichen Schätzungsveranlagung ist dabei nur im Ausmaß <strong>de</strong>r nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen<br />

Schätzungsunterlagen zulässig. Das bisherige Schätzungsverfahren ist nach Möglichkeit fortzuführen, ggf. zu<br />

verfeinern. Ein Wechsel <strong>de</strong>r Schätzungsmetho<strong>de</strong> kommt lediglich dann in Betracht, wenn die bisherige Metho<strong>de</strong><br />

angesichts <strong>de</strong>r neuen Schätzungsunterlagen versagt (BFH-Urteil vom 2.3.1982 – III R 225/80 – BStBl. 1984 II,<br />

S. 504).<br />

Die Ersetzung einer Schätzungsveranlagung durch eine höhere Schätzungsveranlagung ist auch zulässig, wenn<br />

aufgrund einer nachträglichen Vermögenszuwachsrechnung ein gegenüber <strong>de</strong>r ursprünglichen Schätzung<br />

wesentlich höherer Gewinn festgestellt wird (BFH-Urteile vom 24.10.1985 – IV R 75/84 – BStBl. 1986 II,<br />

S. 233, und vom 29.10.1987 – IV R 69/85 – BFH/NV 1988 S. 346). Dies gilt auch für <strong>de</strong>n Fall, dass es sich bei<br />

<strong>de</strong>r ursprünglichen Schätzung um eine Schätzung nach Richtsätzen für einen nicht buchführen<strong>de</strong>n, jedoch<br />

buchführungspflichtigen Landwirt han<strong>de</strong>lt (BFH-Urteile vom 3.10.1985 – IV R 197/83 – BFH/NV 1987 S. 477,<br />

und vom 24.10.1985 – IV R 170/84 – BFH/NV 1987 S. 545).<br />

7.2 Nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>ne Tatsachen, die zu einer niedrigeren Steuer führen, liegen nach einer<br />

vorausgegangenen Gewinnschätzung dann vor, wenn sich aus <strong>de</strong>r Gesamtwürdigung <strong>de</strong>r neuen Tatsachen, also<br />

<strong>de</strong>m gemeinsamen Ergebnis von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, eine niedrigere Steuer ergibt (BFH-<br />

Urteil vom 28.3.1985 – IV R 159/82 – BStBl. 1986 II, S. 120; vgl. auch Nr. 6.2). Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173<br />

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Abs. 1 Nr. 2 ist in diesen Fällen <strong>de</strong>mzufolge nur zulässig, wenn <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen am nachträglichen<br />

Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tatsachen kein grobes Verschul<strong>de</strong>n trifft (vgl. Nr. 5).<br />

7.3 Hat das Finanzamt <strong>de</strong>n laufen<strong>de</strong>n Gewinn und <strong>de</strong>n Veräußerungsgewinn (§ 16 EStG) geschätzt, so sind die<br />

nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen tatsächlichen Gewinnbeträge (laufen<strong>de</strong>r Gewinn und Veräußerungsgewinn) je<br />

eine Tatsache i. S. d. § 173 Abs. 1 (BFH-Urteil vom 30.10.1986 – III R 163/82 – BStBl. 1987 II, S. 161).<br />

7.4 Zur Schätzung <strong>de</strong>r Umsatzsteuer vgl. Nr. 6.3.<br />

8. Än<strong>de</strong>rungssperre (§ 173 Abs. 2)<br />

8.1 Steuerbeschei<strong>de</strong>, die aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, können wegen neuer Tatsachen o<strong>de</strong>r<br />

Beweismittel nach § 173 Abs. 1 nur geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wenn eine Steuerhinterziehung o<strong>de</strong>r leichtfertige<br />

Steuerverkürzung vorliegt (Än<strong>de</strong>rungssperre nach § 173 Abs. 2). Durch die Regelung in § 173 Abs. 2 Satz 1<br />

wird solchen Steuerbeschei<strong>de</strong>n eine erhöhte Bestandskraft zugemessen, weil durch die Außenprüfung die<br />

steuerlich erheblichen Sachverhalte ausgiebig hätten geprüft wer<strong>de</strong>n können. Die Än<strong>de</strong>rungssperre wirkt auch<br />

dann, wenn nach einer Außenprüfung Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel bekannt wer<strong>de</strong>n, die zu einer niedrigeren<br />

Steuer führen wür<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 29.1.1987 – IV R 96/85 – BStBl. II, S. 410, und vom 11.12.1997 –<br />

V R 56/94 – BStBl. 1998 II, S. 367). Die Än<strong>de</strong>rungssperre bezieht sich nur auf Än<strong>de</strong>rungen i. S. v. § 173 Abs. 1,<br />

nicht aber auf Än<strong>de</strong>rungen, die aufgrund an<strong>de</strong>rer Vorschriften erfolgen (vgl. BFH-Urteil vom 4.11.1992 –<br />

XI R 32/91 – BStBl. 1993 II, S. 425).<br />

8.2 Der Umfang <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rungssperre richtet sich nach <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung (BFH-Urteile vom<br />

12.10.1994 – XI R 75/93 – BStBl. 1995 II, S. 289, und vom 11.2.1998 – BStBl. II, S. 552).<br />

8.2.1 Im Fall <strong>de</strong>r Beschränkung <strong>de</strong>r Außenprüfung auf bestimmte Steuerarten, Besteuerungszeiträume o<strong>de</strong>r<br />

Sachverhalte (§ 194 Abs. 1 Satz 2) umfasst die Än<strong>de</strong>rungssperre daher nur <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung<br />

genannten Teil <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen. Wenn an<strong>de</strong>rerseits das tatsächliche Prüfungsverhalten über die<br />

Prüfungsanordnung hinausgeht, wird hierdurch keine Än<strong>de</strong>rungssperre nach § 173 Abs. 2 ausgelöst (BFH-Urteil<br />

vom 11.2.1998 – I R 82/97 – BStBl. II, S. 552).<br />

8.2.2 Der Eintritt <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rungssperre ist nicht davon abhängig, ob <strong>de</strong>r Außenprüfer die betreffen<strong>de</strong>n Vorgänge<br />

tatsächlich geprüft hat, ob er sie aus rechtlichen Erwägungen von sich aus nicht aufgegriffen hat o<strong>de</strong>r ob er sie in<br />

Übereinstimmung mit <strong>de</strong>r damaligen Verwaltungsauffassung unbeanstan<strong>de</strong>t gelassen hat (BFH-Urteil vom<br />

4.2.1987 – I R 58/86 – BStBl. 1988 II, S. 215).<br />

8.2.3 Eine Umsatzsteuer-Son<strong>de</strong>rprüfung, durch welche auf <strong>de</strong>r Grundlage eingereichter Umsatzsteuer-<br />

Voranmeldungen „insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Vorsteuerabzug“ geprüft wird, bewirkt keine Än<strong>de</strong>rungssperre (BFH-Urteil<br />

vom 11.11.1987 – X R 54/82 – BStBl. 1988 II, S. 307).<br />

8.3 Steuerbeschei<strong>de</strong> sind i. S. d. § 173 Abs. 2 auch dann aufgrund einer Außenprüfung ergangen, wenn diese<br />

lediglich die in einer Selbstanzeige gemachten Angaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bestätigt hat (BFH-Urteil vom<br />

4.12.1986 – IV R 312/84 – BFH/NV 1987 S. 214).<br />

8.4 Außenprüfung im Sinne <strong>de</strong>s § 173 Abs. 2 ist je<strong>de</strong> Prüfung nach §§ 193 bis 203.<br />

Eine Außenprüfung kann auch von <strong>de</strong>r Steuerfahndung durchgeführt wer<strong>de</strong>n (§ 208 Abs. 2 Nr. 1). Führt die<br />

Steuerfahndung auf <strong>de</strong>r Grundlage einer Prüfungsanordnung eine Außenprüfung nach <strong>de</strong>n §§ 193 bis 203 durch,<br />

gelten uneingeschränkt die Vorschriften über die Außenprüfung. Eine von <strong>de</strong>r Steuerfahndung durchgeführte<br />

Außenprüfung hat <strong>de</strong>mentsprechend auch im Hinblick auf die Än<strong>de</strong>rungssperre <strong>de</strong>s § 173 Abs. 2 die Wirkung<br />

einer Außenprüfung. Ermittlungshandlungen <strong>de</strong>r Steuerfahndung im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Erforschung von<br />

Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten nach § 208 Abs. 1 Nr. 2 und Maßnahmen <strong>de</strong>r Steuerfahndung<br />

auf <strong>de</strong>r Grundlage von § 208 Abs. 1 Nr. 1 und 3 lassen dagegen die Än<strong>de</strong>rungssperre <strong>de</strong>s § 173 Abs. 2 nicht<br />

eintreten (BFH-Urteil vom 11.12.1997 – V R 56/94 – BStBl. 1998 II, S. 367).<br />

8.5 Die Än<strong>de</strong>rungssperre gilt auch in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 über eine<br />

ergebnislose Prüfung ergangen ist. Eine solche Mitteilung ist jedoch kein Verwaltungsakt, <strong>de</strong>r eine allgemeine<br />

Än<strong>de</strong>rungssperre für die in <strong>de</strong>r vorangegangenen Außenprüfung festgestellten Sachverhalte auslöst. Sie hin<strong>de</strong>rt<br />

unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 173 Abs. 2 nur die Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1. Der<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bescheids aufgrund einer an<strong>de</strong>ren Vorschrift (z. B. § 164 Abs. 2) steht sie nicht entgegen (BFH-<br />

Urteile vom 29.4.1987 – I R 118/83 – BStBl. 1988 II, S. 168, und vom 14.9.1993 – VIII R 9/93 – BStBl. 1995 II,<br />

S. 2).<br />

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Die Wirkung einer Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 hat auch <strong>de</strong>r Vermerk im Prüfungsbericht, dass für <strong>de</strong>n<br />

betreffen<strong>de</strong>n Besteuerungszeitraum o<strong>de</strong>r die betreffen<strong>de</strong> Steuerart „keine Än<strong>de</strong>rung“ eintritt (BFH-Urteil vom<br />

14.12.1989 – III R 158/85 – BStBl. 1990 II, S. 283), es sei <strong>de</strong>nn, dass sich <strong>de</strong>r Vermerk auf einen<br />

Besteuerungszeitraum bezieht, für <strong>de</strong>n die Steuer unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung festgesetzt ist. In diesem Fall<br />

tritt die Än<strong>de</strong>rungssperre erst dann ein, wenn <strong>de</strong>r Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 Satz 3 durch<br />

förmlichen Bescheid aufgehoben wird.<br />

8.6 Die Frage, ob die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung (§ 370) o<strong>de</strong>r<br />

leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378) vorliegen und ob damit § 173 Abs. 2 einer Än<strong>de</strong>rung nicht<br />

entgegensteht, ist von <strong>de</strong>r für die Veranlagung zuständigen Stelle im Benehmen mit <strong>de</strong>r für Straf- und<br />

Bußgeldsachen zuständigen Stelle zu entschei<strong>de</strong>n. Voraussetzung für eine Än<strong>de</strong>rung ist nicht, dass eine<br />

Bestrafung o<strong>de</strong>r Ahndung mit Bußgeld erfolgt ist. Eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ist <strong>de</strong>shalb auch bei<br />

Selbstanzeige (§ 371), Eintritt <strong>de</strong>r Verfolgungsverjährung (§ 384) o<strong>de</strong>r sonstigen Prozesshin<strong>de</strong>rnissen möglich.<br />

Die Än<strong>de</strong>rungssperre wird auch dann durchbrochen, wenn <strong>de</strong>r Adressat <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s selbst nicht <strong>de</strong>r<br />

Täter o<strong>de</strong>r Teilnehmer <strong>de</strong>r Steuerhinterziehung o<strong>de</strong>r leichtfertigen Verkürzung ist (vgl. BFH-Urteil vom<br />

14.12.1994 – XI R 80/92 – BStBl. 1995 II, S. 293).<br />

9. Umfang <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung<br />

Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 ist nur insoweit zulässig, wie sich die neuen Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel auswirken<br />

(punktuelle Än<strong>de</strong>rung). Sonstige Fehler können nur im Rahmen <strong>de</strong>s § 177 berücksichtigt wer<strong>de</strong>n (vgl. zu § 177).<br />

10. Anwendung <strong>de</strong>s § 173 in Feststellungsfällen<br />

10.1 Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 gilt § 173 für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen<br />

sinngemäß. Bei einem Feststellungsbescheid kommt es <strong>de</strong>mzufolge für die Frage <strong>de</strong>r Zulässigkeit einer<br />

Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 darauf an, ob die neuen Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel sich zu Gunsten o<strong>de</strong>r zu<br />

Ungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auswirken, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gegenstand <strong>de</strong>r Feststellung zu<strong>zur</strong>echnen ist. Dabei kommt<br />

es nur auf die Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r festgestellten Besteuerungsgrundlagen selbst an, nicht auf die steuerlichen<br />

Auswirkungen in <strong>de</strong>n Folgebeschei<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 24.6.2009 – IV R 55/06 – BStBl. 2009 II, S. 950).<br />

10.2.1 Lautet eine geson<strong>de</strong>rte Feststellung auf einen in Euro bemessenen Betrag (Wert, Einkünfte etc.), ist bei<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 auf die Än<strong>de</strong>rungen dieses Betrags abzustellen. Erfolgt eine geson<strong>de</strong>rte<br />

Feststellung auch einheitlich (§ 179 Abs. 2 Satz 2), ist hierbei nicht auf die Verhältnisse <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft/Gemeinschaft insgesamt, son<strong>de</strong>rn auf die Verhältnisse je<strong>de</strong>s einzelnen Feststellungsbeteiligten<br />

individuell abzustellen.<br />

Bei einer nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen, steuerrechtlich beachtlichen Gewinnverteilungsabre<strong>de</strong> sind die<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 Nr. 1 erfüllt, soweit sich die Gewinnanteile erhöhen. Der Bescheid ist nach<br />

§ 173 Abs. 1 Nr. 2 zu än<strong>de</strong>rn, soweit sich die Gewinnanteile verringern. Auf ein grobes Verschul<strong>de</strong>n am<br />

nachträglichen Bekanntwer<strong>de</strong>n einer Gewinnverteilungsabre<strong>de</strong> kommt es dabei nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2<br />

nicht an, weil die nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>ne Gewinnverteilungsabre<strong>de</strong> zugleich bei <strong>de</strong>m<br />

Feststellungsbeteiligten, <strong>de</strong>ssen Gewinnanteil sich erhöht, eine Tatsache i. S. <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 Nr. 1 ist (BFH-<br />

Urteil vom 24.6.2009 – IV R 55/06 – BStBl. 2009 II, S. 950).<br />

10.2.2 Wer<strong>de</strong>n zu einer Feststellung, die nicht betragsmäßige Besteuerungsgrundlagen, son<strong>de</strong>rn eine<br />

Eigenschaft o<strong>de</strong>r rechtliche Bewertung zum Gegenstand hat (z. B. Art <strong>de</strong>r Einkünfte, Grundstücksart,<br />

Zurechnung <strong>de</strong>s Grundstücks), neue Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel bekannt, fin<strong>de</strong>t § 173 Abs. 1 Nr. 2<br />

Anwendung, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Feststellungsbescheids begehrt. In diesem Fall ist die<br />

Än<strong>de</strong>rung daher nur zulässig, wenn <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen kein grobes Verschul<strong>de</strong>n am nachträglichen<br />

Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel trifft; § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 bleibt unberührt. § 173 Abs. 1<br />

Nr. 1 kommt dagegen <strong>zur</strong> Anwendung, wenn das Finanzamt von Amts wegen tätig wird (vgl. das <strong>zur</strong> Frage <strong>de</strong>r<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Artfeststellung für ein Grundstück ergangene BFH-Urteil vom 16.9.1987 – II R 178/85 –<br />

BStBl. 1988 II, S. 174).<br />

Zu § 174 – Wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong> Steuerfestsetzungen:<br />

1. Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, Vorteile und Nachteile auszugleichen, die sich durch<br />

Steuerfestsetzungen ergeben haben, die inhaltlich einan<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rsprechen. Sie bietet insoweit die gesetzliche<br />

Grundlage für die Än<strong>de</strong>rung einer Festsetzung o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>r Festsetzungen (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2<br />

Buchstabe d).<br />

2. Nach § 174 Abs. 1 ist ein Steuerbescheid aufzuheben o<strong>de</strong>r zu än<strong>de</strong>rn, wenn ein bestimmter Sachverhalt<br />

mehrfach zu Ungunsten eines o<strong>de</strong>r mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt wor<strong>de</strong>n ist, obwohl er nur<br />

einmal hätte berücksichtigt wer<strong>de</strong>n dürfen. Hierbei kann es sich um Fälle han<strong>de</strong>ln, in <strong>de</strong>nen z. B. dieselbe<br />

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Einnahme irrtümlich verschie<strong>de</strong>nen Steuerpflichtigen, verschie<strong>de</strong>nen Steuern o<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />

Besteuerungszeiträumen zugeordnet wor<strong>de</strong>n ist. Auch die Fälle, in <strong>de</strong>nen mehrere Finanzämter gegen<br />

<strong>de</strong>nselben Steuerpflichtigen für dieselbe Steuer und <strong>de</strong>nselben Besteuerungszeitraum Steuerbeschei<strong>de</strong><br />

erlassen haben, fallen hierunter.<br />

Der fehlerhafte Steuerbescheid ist in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>n § 174 Abs. 1 nur auf Antrag aufzuheben o<strong>de</strong>r zu än<strong>de</strong>rn.<br />

Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige fälschlich nur einen Antrag auf Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s rechtmäßigen Steuerbeschei<strong>de</strong>s<br />

gestellt, ist <strong>de</strong>r Antrag allgemein als Antrag auf Beseitigung <strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong>n Festsetzung zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

Die Antragsfrist (§ 174 Abs. 1 Satz 2) ist eine gesetzliche Frist i. S. d. § 110. Über <strong>de</strong>n fristgerecht gestellten<br />

Antrag kann auch noch nach Ablauf <strong>de</strong>r Jahresfrist entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

3. § 174 Abs. 2 regelt in entsprechen<strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s § 174 Abs. 1 die Fälle, dass ein bestimmter<br />

Sachverhalt mehrfach zu Gunsten eines o<strong>de</strong>r mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt wor<strong>de</strong>n ist. Die<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s fehlerhaften Steuerbeschei<strong>de</strong>s ist von Amts wegen vorzunehmen. Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 174<br />

Abs. 2 ist nicht auf <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>r irrtümlichen Doppelberücksichtigung eines bestimmten Sachverhaltes<br />

beschränkt, sie kommt auch bei bewusst herbeigeführten wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong>n Steuerfestsetzungen in Betracht<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 6.9.1995 – XI R 37/95 – BStBl. 1996 II, S. 148).<br />

Unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Antrages o<strong>de</strong>r einer Erklärung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen i. S. d. Vorschrift fallen auch<br />

formlose Mitteilungen und Auskünfte außerhalb <strong>de</strong>s Steuererklärungsvordrucks (vgl. BFH-Urteil vom<br />

13.11.1996 – XI R 61/96 – BStBl. 1997 II, S. 170) sowie für <strong>de</strong>n Beteiligten von Dritten abgegebene<br />

Erklärungen (z. B. im Rahmen <strong>de</strong>s § 80 Abs. 1 und 4, § 200 Abs. 1).<br />

4. § 174 Abs. 3 erfasst die Fälle, in <strong>de</strong>nen bei einer Steuerfestsetzung ein bestimmter Sachverhalt in <strong>de</strong>r<br />

erkennbaren Annahme nicht berücksichtigt wor<strong>de</strong>n ist, dass <strong>de</strong>r Sachverhalt nur Be<strong>de</strong>utung für eine an<strong>de</strong>re<br />

Steuer, einen an<strong>de</strong>ren Besteuerungszeitraum o<strong>de</strong>r einen an<strong>de</strong>ren Steuerpflichtigen habe. Dieser an<strong>de</strong>re<br />

Bescheid muss nicht notwendigerweise schon erlassen wor<strong>de</strong>n sein o<strong>de</strong>r später erlassen wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 29.5.2001 – VIII R 19/00 – BStBl. II, S. 743). Der Anwendung <strong>de</strong>s § 174 Abs. 3 steht auch nicht<br />

entgegen, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r (erkennbaren) Annahme, ein bestimmter Sachverhalt sei in einem<br />

an<strong>de</strong>ren Steuerbescheid zu berücksichtigen, zunächst überhaupt keinen Steuerbescheid erlässt (BFH-Urteil<br />

vom 23.5.1996 – IV R 49/95 – BFH/NV 1997 S. 89).<br />

Die Annahme, <strong>de</strong>r bestimmte Sachverhalt sei in einem an<strong>de</strong>ren Steuerbescheid zu erfassen, muss für <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen erkennbar und für die Nichtberücksichtigung kausal gewor<strong>de</strong>n sein. Die Erkennbarkeit ist<br />

gegeben, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die (später als fehlerhaft erkannte) Annahme <strong>de</strong>s Finanzamts auch ohne<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Hinweis aus <strong>de</strong>m gesamten Sachverhaltsablauf allein aufgrund verständiger Würdigung <strong>de</strong>s<br />

fehlerhaften Bescheids erkennen konnte (BFH-Urteil vom 21.12.1984 – III R 75/81 – BStBl. 1985 II, S. 283,<br />

und BFH-Beschluss vom 15. Oktober 1998, BFH/NV 1999 S. 449). An <strong>de</strong>r Kausalität fehlt es dagegen,<br />

wenn die Nichtberücksichtigung darauf beruht, dass das Finanzamt von <strong>de</strong>m bestimmten Sachverhalt gar<br />

keine Kenntnis hatte o<strong>de</strong>r annahm, dieser Sachverhalt sei – jetzt und auch später – ohne steuerliche<br />

Be<strong>de</strong>utung (BFH-Urteil vom 29.5.2001, a.a.O.).<br />

Beispiel:<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat bei <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>r Einkommensteuer am 31. Dezember entstan<strong>de</strong>ne<br />

Aufwendungen nicht zum Abzug als Son<strong>de</strong>rausgaben zugelassen, weil sie <strong>de</strong>r Auffassung war, dass die<br />

Son<strong>de</strong>rausgaben erst im nächsten Veranlagungszeitraum abzugsfähig seien (§ 11 Abs. 1 Satz 2 EStG). Stellt<br />

sich die Annahme später als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei <strong>de</strong>r die Berücksichtigung<br />

<strong>de</strong>s Sachverhaltes unterblieben ist, insoweit, trotz etwa eingetretener Bestandskraft noch geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />

zeitlich jedoch nur bis zum Ablauf <strong>de</strong>r für die an<strong>de</strong>re Steuerfestsetzung laufen<strong>de</strong>n Festsetzungsfrist.<br />

Die irrige Annahme, <strong>de</strong>r Sachverhalt sei in einem an<strong>de</strong>ren Steuerbescheid zu berücksichtigen, muss von <strong>de</strong>m<br />

für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträger gemacht wor<strong>de</strong>n sein (vgl. BFH-Urteil vom 29.5.2001,<br />

a.a.O.).<br />

5. § 174 Abs. 4 ergänzt die Regelung <strong>de</strong>s § 174 Abs. 3 um die Fälle, in <strong>de</strong>nen eine Steuerfestsetzung auf Antrag<br />

o<strong>de</strong>r im Rechtsbehelfsverfahren zu Gunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n ist. Der Än<strong>de</strong>rung nach<br />

§ 174 Abs. 4 steht nicht entgegen, dass <strong>de</strong>r gleiche Sachverhalt sowohl in <strong>de</strong>m zu Gunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rten Steuerbescheid als auch in <strong>de</strong>m zu än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Bescheid steuerlich zu<br />

berücksichtigen ist (vgl. BFH-Urteil vom 18.2.1997 – VIII R 54/95 – BStBl. II, S. 647). Bei <strong>de</strong>r Anwendung<br />

<strong>de</strong>r Vorschrift ist zu berücksichtigen, dass § 174 Abs. 4 <strong>de</strong>n Ausgleich einer zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

eingetretenen Än<strong>de</strong>rung bezweckt. Derjenige, <strong>de</strong>r erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss<br />

auch die damit verbun<strong>de</strong>nen Nachteile hinnehmen. Die Vorschrift lässt es hingegen nicht zu, dass die<br />

zugunsten erwirkte Än<strong>de</strong>rung auf bestandskräftige an<strong>de</strong>re Beschei<strong>de</strong> übertragen wird (vgl. BFH-Urteil vom<br />

10.3.1999 – XI R 28/98 – BStBl. II, S. 475).<br />

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Beispiele:<br />

a) Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat einen Veräußerungsgewinn bei <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>r Einkommensteuer erfasst. Der<br />

Steuerpflichtige macht im Rechtsbehelfsverfahren mit Erfolg geltend, dass <strong>de</strong>r Veräußerungsgewinn erst<br />

im folgen<strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen sei. Unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 174 Abs. 4<br />

kann die Erfassung <strong>de</strong>s Veräußerungsgewinns in <strong>de</strong>m folgen<strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum nachgeholt<br />

wer<strong>de</strong>n, auch wenn die hierfür maßgebliche Steuerfestsetzung bereits unanfechtbar gewor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r die<br />

Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war.<br />

b) Der Steuerpflichtige erreicht wegen eines in einem Veranlagungszeitraum erzielten<br />

Einnahmeüberschusses eine geän<strong>de</strong>rte Beurteilung <strong>de</strong>r Einkünfteerzielungsabsicht und damit die<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>s Werbungskostenüberschusses in <strong>de</strong>n angefochtenen Steuerbeschei<strong>de</strong>n. Das<br />

Finanzamt kann <strong>de</strong>n bisher unberücksichtigt gebliebenen Einnahmeüberschuss nachträglich durch<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s für diesen Veranlagungszeitraum bestandskräftig gewor<strong>de</strong>nen Steuerbeschei<strong>de</strong>s nach<br />

§ 174 Abs. 4 erfassen (vgl. BFH-Urteil vom 18.2.1997, a.a.O.).<br />

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6. Nach § 174 Abs. 4 i. V. m. Abs. 5 können <strong>zur</strong> Richtigstellung einer irrigen Beurteilung eines bestimmten<br />

Sachverhaltes steuerrechtliche Folgerungen auch zu Lasten eines bereits bestandskräftig beschie<strong>de</strong>nen<br />

Dritten gezogen wer<strong>de</strong>n. Dritter ist, wer im ursprünglichen Bescheid nicht als Inhaltsadressat angegeben war<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 8.2.1995 – I R 127/93 – BStBl. II, S. 764 und Nr. 1.3.1 zu § 122). Inhaltsadressat eines<br />

Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s – und damit nicht Dritter i. S. d. § 174 Abs. 5 – ist <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gegenstand<br />

<strong>de</strong>r Feststellung zu<strong>zur</strong>echnen ist. Gesellschafter einer Personengesellschaft sind daher im<br />

Gewinnfeststellungsverfahren nicht Dritte i. S. d. § 174 Abs. 5 (BFH-Urteil vom 15.6.2004 – VII R 7/02 –<br />

BStBl. II, S. 914).<br />

Der Erlass o<strong>de</strong>r die Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids gegenüber <strong>de</strong>m Dritten setzt voraus, dass dieser vor<br />

Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist für <strong>de</strong>n gegen ihn gerichteten Steueranspruch zu <strong>de</strong>m Verfahren, das <strong>zur</strong><br />

Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, hinzugezogen o<strong>de</strong>r beigela<strong>de</strong>n<br />

wor<strong>de</strong>n ist (BFH-Urteil vom 13.4.2000 – V R 25/99 – BFH/NV 2001 S. 137). Die Finanzbehör<strong>de</strong> muss daher<br />

die Hinzuziehung eines in Betracht kommen<strong>de</strong>n Dritten rechtzeitig vornehmen o<strong>de</strong>r im finanzgerichtlichen<br />

Verfahren <strong>de</strong>ssen Beiladung durch rechtzeitige Antragstellung veranlassen (zum Antrag auf Beiladung vgl.<br />

BFH-Beschluss vom 22.12.1988 – VIII B 131/87 – BStBl. 1989 II, S. 314). § 174 Abs. 5 Satz 2 ist selbst<br />

Rechtsgrundlage für die Beteiligung <strong>de</strong>s Dritten, ohne dass die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 360 Abs. 3 und <strong>de</strong>s<br />

§ 60 FGO vorliegen müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 17.5.1994, BFH/NV 1995 S. 87). Schon die<br />

Möglichkeit, dass ein Steuerbescheid wegen irrtümlicher Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben o<strong>de</strong>r zu<br />

än<strong>de</strong>rn ist und hieraus Folgen für einen Dritten zu ziehen sind, rechtfertigt die Hinzuziehung <strong>de</strong>s Dritten<br />

(BFH-Beschlüsse vom 4.1.1996 – X B 149/95 – BFH/NV 1996 S. 453, vom 30.1.1996 – VIII B 20/95 –<br />

BFH/NV 1996 S. 524 und vom 27.8.1998 – III B 41/98 – BFH/NV 1999 S. 156).<br />

Eine Hinzuziehung o<strong>de</strong>r Beiladung kommt grundsätzlich nicht mehr in Betracht, wenn gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Dritten im Zeitpunkt <strong>de</strong>r beabsichtigten Hinzuziehung o<strong>de</strong>r Beiladung die Festsetzungsfrist für <strong>de</strong>n gegen ihn<br />

gerichteten Steueranspruch bereits abgelaufen ist (vgl. BFH-Urteil vom 5.5.1993 – X R 111/91 – BStBl. II,<br />

S. 817). Hat <strong>de</strong>r Dritte aber durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf die Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r die<br />

Aufhebung <strong>de</strong>s fehlerhaften Beschei<strong>de</strong>s hingewirkt, kann er auch noch nach Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist<br />

hinzugezogen o<strong>de</strong>r beigela<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.1993 – I R 20/93 – BStBl. 1994 II,<br />

S. 327); es reicht aber nicht aus, dass <strong>de</strong>r Dritte <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rstreit von Steuerfestsetzungen lediglich kennt.<br />

Weil sich die Frage, welches die „richtigen steuerlichen Folgerungen“ sind, verbindlich im<br />

Ausgangsverfahren entschei<strong>de</strong>t (vgl. BFH-Urteile vom 24.11.1987 – IX R 158/83 – BStBl. 1988 II, S. 404<br />

und vom 3.8.1988 – I R 115/84 – BFH/NV 1989 S. 482) und <strong>de</strong>r Dritte durch die Ausgangsentscheidung<br />

beschwert ist (vgl. BFH-Urteil vom 22.7.1980 – VIII R 114/78 – BStBl. 1981 II, S. 101), muss ihm die<br />

Möglichkeit eröffnet sein, sich im Ausgangsverfahren rechtliches Gehör zu verschaffen und auf das<br />

Verfahren dort Einfluss zu nehmen. Korrekturbeschei<strong>de</strong> und abschließen<strong>de</strong> Entscheidungen müssen auch<br />

<strong>de</strong>m Dritten bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n, damit auch dieser die Möglichkeit hat, hiergegen Rechtsbehelf<br />

einzulegen (BFH-Urteile vom 11.4.1991 – V R 40/86 – BStBl. II, S. 605, und vom 26.7.1995 – X R 45/92 –<br />

BFH/NV 1996 S. 195). Eine Entscheidung durch Abhilfebescheid (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a), durch<br />

die es einer Einspruchsentscheidung nicht mehr bedarf, wahrt die Rechte <strong>de</strong>s Hinzugezogenen nur, wenn sie<br />

seinem Antrag <strong>de</strong>r Sache nach entspricht o<strong>de</strong>r wenn er ihr zustimmt (BFH-Urteile vom 11.4.1991, a.a.O.,<br />

vom 20.5.1992 – III R 176/90 – BFH/NV 1993 S. 74, und vom 5.5.1993 – X R 111/91 – BStBl. II, S. 817).<br />

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Eine Hinzuziehung o<strong>de</strong>r Beiladung <strong>de</strong>s Dritten ist nur dann entbehrlich, wenn er Verfahrensbeteiligter i. S. d.<br />

§ 359 AO o<strong>de</strong>r § 57 FGO war o<strong>de</strong>r durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf die Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r<br />

Aufhebung <strong>de</strong>s fehlerhaften Steuerbeschei<strong>de</strong>s hingewirkt hat (BFH-Urteile vom 8.2.1995, a.a.O., und vom<br />

27.3.1996 – I R 100/94 – BFH/NV 1996 S. 798).<br />

7. § 174 Abs. 4 und 5 ist nicht auf die Fälle einer alternativen Erfassung bestimmter Sachverhalte entwe<strong>de</strong>r<br />

beim Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>m Dritten beschränkt. „Bestimmter Sachverhalt“ ist ein einheitlicher,<br />

<strong>de</strong>ckungsgleicher Lebensvorgang, aus <strong>de</strong>m steuerrechtliche Folgen sowohl bei <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen als<br />

auch bei <strong>de</strong>m Dritten zu ziehen sind. Die steuerrechtlichen Folgen brauchen bei bei<strong>de</strong>n nicht die gleichen zu<br />

sein. Aufgrund ein und <strong>de</strong>sselben Sachverhalts kann beim Steuerpflichtigen eine abziehbare Ausgabe und<br />

beim Dritten eine Einnahme in Betracht kommen (BFH-Urteil vom 24.11.1987 – IX R 158/83 – BStBl. 1988<br />

II, S. 404, und BFH-Beschluss vom 2.12.1999 – II B 17/99 – BFH/NV 2000 S. 679).<br />

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Zu § 175 – Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n in sonstigen Fällen:<br />

1. Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung von Folgebeschei<strong>de</strong>n nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1<br />

1.1 Grundlagenbeschei<strong>de</strong> i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sind Feststellungsbeschei<strong>de</strong>, Steuermessbeschei<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r sonstige für eine Steuerfestsetzung bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Verwaltungsakte (§ 171 Abs. 10). Auch Verwaltungsakte<br />

an<strong>de</strong>rer Behör<strong>de</strong>n, die keine Finanzbehör<strong>de</strong>n sind, können Grundlagenbeschei<strong>de</strong> sein (z. B. Verwaltungsakte <strong>de</strong>r<br />

zuständigen Behör<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n Grad einer Behin<strong>de</strong>rung i. S. d. § 33b EStG feststellen). Diese außersteuerlichen<br />

Grundlagenbeschei<strong>de</strong> sind auch dann bin<strong>de</strong>nd, wenn sie aufgrund <strong>de</strong>r für sie maßgeben<strong>de</strong>n<br />

Verfahrensvorschriften nach Ablauf <strong>de</strong>r für steuerliche Grundlagenbeschei<strong>de</strong> gelten<strong>de</strong>n Festsetzungsfrist<br />

(§§ 169 ff.) ergehen.<br />

1.2 Die Anpassung <strong>de</strong>s Folgebescheids an einen Grundlagenbescheid steht nicht im Ermessen <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> (BFH-Urteil vom 10.6.1999 – IV R 25/98 – BStBl. II, S. 545). Der vom Grundlagenbescheid<br />

ausgehen<strong>de</strong>n Bindungswirkung (§ 182 Abs. 1) ist durch Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s nach § 175 Abs. 1 Satz 1<br />

Nr. 1 Rechnung zu tragen, wenn <strong>de</strong>r Folgebescheid die mit <strong>de</strong>m Grundlagenbescheid getroffene Feststellung<br />

nicht o<strong>de</strong>r nicht zutreffend berücksichtigt. Eine Anpassung <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s an <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid<br />

nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist auch dann vorzunehmen, wenn <strong>de</strong>r Grundlagenbescheid<br />

– erst nach Erlass <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s ergangen ist (siehe §§ 155 Abs. 2 und 162 Abs. 5),<br />

– bei Erlass <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s übersehen wur<strong>de</strong> (BFH-Urteile vom 9.8.1983, BStBl. 1984 II, S. 86, und vom<br />

6.11.1985 – II R 255/83 – BStBl. II 1986, S. 168; vgl. auch BFH-Urteil vom 16.7.2003 – X R 37/99 –<br />

BStBl. II, S. 867, <strong>zur</strong> Anwendbarkeit <strong>de</strong>s § 129, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> die Auswertung <strong>de</strong>s<br />

Grundlagenbescheids nicht bewusst unterlassen hat),<br />

– bei Erlass <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s bereits vorlag, die im Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen aber<br />

fehlerhaft berücksichtigt wor<strong>de</strong>n sind (BFH-Urteile vom 14.4.1988 – IV R 219/85 – BStBl. II, S. 711, vom<br />

4.9.1996 – XI R 50/96 – BStBl. II, 1997 S. 261, und vom 10.6.1999 – IV R 25/98 – a.a.O.).<br />

1.3 Wird ein Grundlagenbescheid ersatzlos aufgehoben, so eröffnet dies <strong>de</strong>m für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s<br />

zuständigen Finanzamt die Möglichkeit, <strong>de</strong>n Sachverhalt, <strong>de</strong>r bisher Gegenstand <strong>de</strong>s Feststellungsverfahrens<br />

war, selbstständig zu beurteilen und <strong>de</strong>n Folgebescheid insoweit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zu än<strong>de</strong>rn (BFH-<br />

Urteile vom 25.6.1991 – IX R 57/88 – BStBl. II, S. 821, und vom 24.3.1998 – I R 83/97 – BStBl. II, S. 601). Das<br />

Gleiche gilt, wenn ein zunächst eingeleitetes Feststellungsverfahren zu einem sog. negativen<br />

Feststellungsbescheid führt (BFH-Urteil vom 11.5.1993 – IX R 27/90 – BStBl. II, S. 820) o<strong>de</strong>r wenn einzelne<br />

Besteuerungsgrundlagen nachträglich aus <strong>de</strong>m Feststellungsverfahren ausgeschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom<br />

11.4.1990 – I R 82/86 – BFH/NV 1991 S. 143, vom 25.6.1991 – IX R 57/88 – a.a.O., vom 14.7.1993 –<br />

X R 34/90 – BStBl. 1994 II, S. 77, und vom 7.12.1993 – IX R 134/92 – BFH/NV 1994 S. 547, sowie BFH-<br />

Beschluss vom 8.9.1998 – IX B 71/98 – BFH/NV 1999 S. 157).<br />

1.4 Sind die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung durch einen außersteuerlichen Grundlagenbescheid<br />

nachzuweisen, so steht <strong>de</strong>r Anpassung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s (Folgebescheid) an <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid nach<br />

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 nicht entgegen, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige <strong>de</strong>n für die Steuervergünstigung<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen, aber nicht fristgebun<strong>de</strong>nen Antrag erst nach Unanfechtbarkeit <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s gestellt hat<br />

(BFH-Urteil vom 13.12.1985 – III R 204/81 – BStBl. 1986 II, S. 245).<br />

2. Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n wegen Eintritt eines rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses<br />

(§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2)<br />

2.1 Die Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbeschei<strong>de</strong>s nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass<br />

nachträglich ein Ereignis eingetreten ist, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Hierzu rechnen alle<br />

rechtlich be<strong>de</strong>utsamen Vorgänge, aber auch tatsächlichen Lebensvorgänge, die steuerlich – ungeachtet <strong>de</strong>r<br />

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zivilrechtlichen Wirkungen – in <strong>de</strong>r Weise Rückwirkung entfalten, dass nunmehr <strong>de</strong>r verän<strong>de</strong>rte anstelle <strong>de</strong>s<br />

zuvor verwirklichten Sachverhalts <strong>de</strong>r Besteuerung zugrun<strong>de</strong> zu legen ist (BFH-Beschluss GrS vom 19.7.1993 –<br />

GrS 2/92 – BStBl. II, S. 897, m. w. N.).<br />

2.2 Ob einer nachträglichen Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Sachverhaltes rückwirken<strong>de</strong> steuerliche Be<strong>de</strong>utung zukommt,<br />

bestimmt sich allein nach <strong>de</strong>m jeweils einschlägigen materiellen Steuerrecht. Nach diesem ist zu beurteilen, ob<br />

zum einen eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s ursprünglich gegebenen Sachverhalts <strong>de</strong>n Steuertatbestand überhaupt betrifft und<br />

ob sich darüber hinaus <strong>de</strong>r bereits entstan<strong>de</strong>ne materielle Steueranspruch mit steuerlicher Rückwirkung än<strong>de</strong>rt<br />

(BFH-Beschluss GrS vom 19.7.1993, a.a.O.).<br />

Der Fall eines rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses liegt vor allem dann vor, wenn die Besteuerung nach <strong>de</strong>m<br />

maßgeblichen Einzelsteuergesetz nicht an Lebensvorgänge, son<strong>de</strong>rn unmittelbar o<strong>de</strong>r mittelbar an<br />

Rechtsgeschäfte, Rechtsverhältnisse o<strong>de</strong>r Verwaltungsakte anknüpft und diese Umstän<strong>de</strong> nachträglich mit<br />

Wirkung für die Vergangenheit gestaltet wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 21.4.1988 – IV R 215/85 – BStBl. II, S. 863).<br />

Nach § 175 Abs. 2 Satz 2 gilt die nachträgliche Erteilung o<strong>de</strong>r Vorlage einer Bescheinigung o<strong>de</strong>r Bestätigung<br />

nicht als rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis. § 175 Abs. 2 Satz 2 ist nicht auf die Bescheinigung <strong>de</strong>r anrechenbaren<br />

Körperschaftsteuer bei ver<strong>de</strong>ckten Gewinnausschüttungen anzuwen<strong>de</strong>n (siehe hierzu und zum<br />

Anwendungszeitraum <strong>de</strong>r Vorschrift Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO). Beweismittel, die ausschließlich dazu dienen,<br />

eine steuerrechtlich relevante Tatsache zu belegen und die als solche keinen Eingang in eine materielle<br />

Steuerrechtsnorm gefun<strong>de</strong>n haben, sind auch dann kein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2,<br />

wenn sie erst nach Bestandskraft eines Bescheids beschafft wer<strong>de</strong>n können; ggf. kommt hier aber § 173 <strong>zur</strong><br />

Anwendung.<br />

Eine rückwirken<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung steuerrechtlicher Normen ist kein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1<br />

Satz 1 Nr. 2 (BFH-Urteil vom 9.8.1990 – X R 5/88 – BStBl. 1991 II, S. 55).<br />

Auch eine Entscheidung <strong>de</strong>s BVerfG stellt kein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 dar (vgl. u. a.<br />

BFH-Urteil vom 12.5.2009 – IV R 45/08 – BStBl. II, S. 891).<br />

2.3 Die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist nur zulässig, wenn das rückwirken<strong>de</strong><br />

Ereignis nachträglich, d. h. nach Entstehung <strong>de</strong>s Steueranspruchs und nach <strong>de</strong>m Erlass <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s<br />

(ggf. <strong>de</strong>s zuletzt erlassenen Än<strong>de</strong>rungsbeschei<strong>de</strong>s), eingetreten ist. Die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 175 Abs. 1 Satz 1<br />

Nr. 2 AO liegen nicht vor, wenn das Finanzamt – wie im Fall <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 – lediglich nachträglich Kenntnis<br />

von einem bereits gegebenen Sachverhalt erlangt (vgl. BFH-Urteil vom 6.3.2003 – XI R 13/02 – BStBl. II,<br />

S. 554).<br />

Ist im Einzelfall die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ausgeschlossen, kann in<br />

Fällen, in <strong>de</strong>nen das Ereignis zwar schon vor Erlass <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s eingetreten, <strong>de</strong>m Finanzamt jedoch erst<br />

nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>n ist, die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s nach § 173 Abs. 1 in Betracht kommen<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 17.3.1994 – V R 123/91 – BFH/NV 1995 S. 274).<br />

2.4 Beispiele für rückwirken<strong>de</strong> Ereignisse:<br />

Einkommensteuer<br />

– § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG<br />

Wird ein für das Betriebsvermögen am Schluss <strong>de</strong>s Wirtschaftsjahres maßgeben<strong>de</strong>r Wertansatz korrigiert, <strong>de</strong>r<br />

sich auf die Höhe <strong>de</strong>s Gewinns <strong>de</strong>r Folgejahre auswirkt, so stellt dies ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r Veranlagung für die Folgejahre dar (BFH-Urteil vom 30.6.2005 – IV R 11/04 – BStBl. II,<br />

S. 809). Zu <strong>de</strong>n Auswirkungen auf die Verzinsung nach § 233a vgl. zu § 233a, Nr. 10.3.2.<br />

– § 6 Abs. 1a EStG<br />

Wird nachträglich die 15-v. H.-Grenze i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG überschritten, so stellt dies ein<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis dar.<br />

– § 6b EStG<br />

Die Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG kann vom Steuerpflichtigen rückwirkend aufgestockt wer<strong>de</strong>n, wenn sich<br />

<strong>de</strong>r Veräußerungspreis in einem späteren Veranlagungszeitraum erhöht (vgl. BFH-Urteil vom 13.9.2000 –<br />

X R 148/97 – BStBl. 2001 II, S. 641).<br />

– § 10 EStG (Folgen <strong>de</strong>r Erstattung von Son<strong>de</strong>rausgaben in einem späteren Veranlagungszeitraum)<br />

Wer<strong>de</strong>n gezahlte Son<strong>de</strong>rausgaben in einem späteren Veranlagungszeitraum an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen erstattet, ist<br />

<strong>de</strong>r Erstattungsbetrag aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Praktikabilität im Erstattungsjahr mit gleichartigen Son<strong>de</strong>rausgaben zu<br />

verrechnen. Ist im Jahr <strong>de</strong>r Erstattung <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rausgaben an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen ein Ausgleich mit<br />

gleichartigen Aufwendungen nicht o<strong>de</strong>r nicht in voller Höhe möglich, so ist <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rausgabenabzug <strong>de</strong>s Jahres<br />

<strong>de</strong>r Verausgabung rückwirkend zu min<strong>de</strong>rn (BFH-Urteil vom 7.7.2004 – XI R 10/04 – BStBl. II, S. 1058).<br />

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– § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG<br />

Wird nach Eintritt <strong>de</strong>r Bestandskraft sowohl die Zustimmung <strong>zur</strong> Anwendung <strong>de</strong>s Realsplittings erteilt, als auch<br />

<strong>de</strong>r Antrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG gestellt, liegen die Voraussetzungen für eine Än<strong>de</strong>rung nach § 175<br />

Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 vor (BFH-Urteil vom 12.7.1989 – X R 8/84 – BStBl. II, S. 957). Auch die nachträgliche<br />

betragsmäßige Erweiterung eines bereits vorliegen<strong>de</strong>n Antrags stellt i. V. m. <strong>de</strong>r erweiterten<br />

Zustimmungserklärung ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis dar (BFH-Urteil vom 28.6.2006 – XI R 32/05 – BStBl. 2007<br />

II, S. 6).<br />

– § 14a Abs. 4 EStG<br />

Die Steuerbegünstigung <strong>de</strong>r vorgezogenen Abfindung steht unter <strong>de</strong>m Gesetzesvorbehalt, dass <strong>de</strong>r Abgefun<strong>de</strong>ne<br />

nicht doch noch <strong>de</strong>n Betrieb übernimmt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Betrieb nicht vorher verkauft wur<strong>de</strong> (vgl. BFH-Urteil vom<br />

4.3.1993 – IV R 110/92 – BStBl. 1993 II, S. 788). Entsprechen<strong>de</strong> für die Begünstigung schädliche Handlungen<br />

sind als rückwirken<strong>de</strong> Ereignisse anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.2000 – IV R 85/99 – BStBl. 2001 II,<br />

S. 122).<br />

– § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG<br />

Wird die gestun<strong>de</strong>te Kaufpreisfor<strong>de</strong>rung für die Veräußerung eines Gewerbebetriebs in einem späteren VZ ganz<br />

o<strong>de</strong>r teilweise uneinbringlich, so stellt dies ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Veräußerung dar (BFH-Urteil vom 19.7.1993 – GrS 2/92 – BStBl. II, S. 897).<br />

Die Zahlung von Scha<strong>de</strong>nsersatzleistungen für betriebliche Schä<strong>de</strong>n nach Betriebsaufgabe beeinflusst die Höhe<br />

<strong>de</strong>s Aufgabegewinns, weil sie ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>r Betriebsaufgabe darstellt (BFH-<br />

Urteil vom 10.2.1994 – IV R 37/92 – BStBl. II, S. 564).<br />

– § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG<br />

Die spätere vergleichsweise Festlegung eines strittigen Veräußerungspreises ist auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Realisierung <strong>de</strong>s Veräußerungsgewinns <strong>zur</strong>ückzubeziehen (BFH-Urteil vom 26.7.1984 – IV R 10/83 – BStBl. II,<br />

S. 786).<br />

Schei<strong>de</strong>t ein Kommanditist aus einer KG aus und bleibt sein bisheriges Gesellschafterdarlehen bestehen, so ist,<br />

wenn diese For<strong>de</strong>rung später wertlos wird, sein Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn mit steuerlicher Wirkung<br />

für die Vergangenheit gemin<strong>de</strong>rt (BFH-Urteil vom 14.12.1994 – X R 128/92 – BStBl. 1995 II, S. 465).<br />

– § 17 EStG<br />

Fallen nach Auflösung einer Kapitalgesellschaft nachträgliche Anschaffungskosten für eine Beteiligung i. S. d.<br />

§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG an, können diese bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s Auflösungsgewinns als rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 2.10.1984 – VIII R 20/84 – BStBl. 1985 II, S. 428).<br />

Wird <strong>de</strong>r Verkauf eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft (wesentliche Beteiligung i. S. v. § 17 EStG) nach<br />

Übertragung <strong>de</strong>s Anteils und vollständiger Bezahlung <strong>de</strong>s Kaufpreises durch <strong>de</strong>n Abschluss eines<br />

außergerichtlichen Vergleiches, mit <strong>de</strong>m die Vertragsparteien <strong>de</strong>n Rechtsstreit über <strong>de</strong>n Eintritt einer im<br />

Kaufvertrag vereinbarten auflösen<strong>de</strong>n Bedingung beilegen, rückgängig gemacht, so ist dies ein Ereignis mit<br />

steuerlicher Rückwirkung auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>r Veräußerung (BFH-Urteil vom 19.8.2003 – VIII R 67/02 –<br />

BStBl. 2004 II, S. 107).<br />

– § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG<br />

Wird eine Rente rückwirkend zugebilligt und fällt dadurch rückwirkend ganz o<strong>de</strong>r teilweise <strong>de</strong>r Anspruch auf<br />

Sozialleistungen (z. B. Kranken- o<strong>de</strong>r Arbeitslosengeld) weg, sind die bisher im Rahmen <strong>de</strong>s<br />

Progressionsvorbehalts berücksichtigten Leistungen als Rentenzahlung anzusehen und nach § 22 Nr. 1 Satz 3<br />

Buchstabe a EStG <strong>de</strong>r Besteuerung zu unterwerfen (vgl. R 32b Abs. 4 EStR 2005).<br />

– § 22 Nr. 3 EStG<br />

Fallen Werbungskosten für einmalige (sonstige) Leistungen (§ 22 Nr. 3 EStG) nachträglich an und war ihre<br />

Entstehung im Jahr <strong>de</strong>s Zuflusses <strong>de</strong>r Einnahme nicht vorhersehbar, ist die Veranlagung <strong>de</strong>s Zuflussjahres nach<br />

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu än<strong>de</strong>rn (BFH-Urteil vom 3.6.1992 – X R 91/90 – BStBl. II, S. 1017).<br />

Wird ein nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbares Entgelt für ein Vorkaufsrecht auf <strong>de</strong>n Kaufpreis eines später zustan<strong>de</strong><br />

kommen<strong>de</strong>n Kaufvertrags angerechnet, führt dies zum rückwirken<strong>de</strong>n Wegfall <strong>de</strong>s zunächst angenommenen<br />

Tatbestands <strong>de</strong>r „Einkünfte aus Leistungen“ (BFH-Urteil vom 10.8.1994 – X R 42/91 – BStBl. 1995 II, S. 57).<br />

– §§ 26 bis 26b EStG<br />

Wählt ein Ehegatte vor Bestandskraft <strong>de</strong>s ihm gegenüber ergangenen Beschei<strong>de</strong>s die getrennte Veranlagung,<br />

sind die Ehegatten auch dann getrennt zu veranlagen, wenn <strong>de</strong>r gegenüber <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Ehegatten ergangene<br />

Zusammenveranlagungsbescheid bereits bestandskräftig gewor<strong>de</strong>n ist. Der Antrag auf getrennte Veranlagung<br />

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stellt hinsichtlich <strong>de</strong>s Zusammenveranlagungsbeschei<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Ehegatten ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis mit<br />

<strong>de</strong>r Folge dar, dass dieser nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu än<strong>de</strong>rn ist und die Festsetzungsfrist ihm gegenüber<br />

mit Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres beginnt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Antrag auf getrennte Veranlagung gestellt wird (BFH-Urteile<br />

vom 3.3.2005 – III R 22/02 – BStBl. II, S. 690 und vom 28.7.2005 – III R 48/03 – BStBl. II, S. 865).<br />

Wi<strong>de</strong>rruft ein Ehegatte im Zuge <strong>de</strong>r Veranlagung seinen Antrag auf getrennte Veranlagung, ist die<br />

bestandskräftige Veranlagung <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Ehegatten nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 aufzuheben (vgl. R 26<br />

Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStR 2005). Zur Verzinsung siehe Nr. 10.2.1 zu § 233a.<br />

– § 32 Abs. 6 Satz 7 EStG<br />

Der Antrag <strong>zur</strong> Übertragung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rfreibetrags/Betreuungsfreibetrags nach Eintritt <strong>de</strong>r Bestandskraft stellt<br />

ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis dar (vgl. R 32.13 Abs. 4 EStR 2005).<br />

Doppelbesteuerungsabkommen:<br />

Soweit in einem DBA eine sog. Rückfallklausel enthalten ist, sind Einkünfte, für die nach <strong>de</strong>m DBA <strong>de</strong>m<br />

ausländischen Staat das Besteuerungsrecht zugewiesen wor<strong>de</strong>n ist, aber dort <strong>de</strong>shalb nicht versteuert wer<strong>de</strong>n,<br />

weil <strong>de</strong>r Stpfl. keine Steuererklärung abgegeben hat, nicht unter Progressionsvorbehalt freizustellen, son<strong>de</strong>rn im<br />

Inland voll zu besteuern. Sollte nachträglich eine Besteuerung im Ausland erfolgen, so liegt ein Ereignis vor, das<br />

gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 <strong>zur</strong>ückwirkt und eine Korrektur <strong>de</strong>s im Inland bestandskräftigen Steuerbescheids<br />

rechtfertigt (vgl. BFH-Urteil vom 11.6.1996 – I R 8/96 – BStBl. 1997 II, S. 117).<br />

Gewerbesteuer<br />

Die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Hin<strong>zur</strong>echnung <strong>de</strong>r Pachtzinsen nach § 8 Nr. 7 GewStG o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r nachträgliche erstmalige<br />

Ansatz <strong>de</strong>r Pachtzinsen als Hin<strong>zur</strong>echnungsbetrag ist beim Vermieter o<strong>de</strong>r Verpächter als rückwirken<strong>de</strong>s<br />

Ereignis hinsichtlich <strong>de</strong>s Kürzungsbetrages nach § 9 Nr. 4 GewStG anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom<br />

7.11.2000 – III R 81/97 – BFH/NV 2001 S. 814).<br />

Umsatzsteuer<br />

– § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG<br />

Weist ein Unternehmer in einer Rechnung Umsatzsteuer geson<strong>de</strong>rt erst zu einem Zeitpunkt aus, in <strong>de</strong>m die<br />

ursprünglich entstan<strong>de</strong>ne Steuer für seine Leistung wegen Ablaufs <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist nicht mehr erhoben<br />

wer<strong>de</strong>n kann, so schul<strong>de</strong>t er die ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG. In diesem Fall liegt ein<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 vor (BFH-Urteil vom 13.11.2003 – V R 79/01 –<br />

BStBl. 2004 II, S. 375).<br />

– §§ 9, 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG<br />

Macht <strong>de</strong>r leisten<strong>de</strong> Unternehmer <strong>de</strong>n Verzicht auf die Steuerbefreiung rückgängig, wird <strong>de</strong>r Umsatz<br />

rückwirkend wie<strong>de</strong>r steuerfrei, so dass eine Steuer für <strong>de</strong>n berechneten Umsatz nicht mehr geschul<strong>de</strong>t wird. Der<br />

Leistungsempfänger verliert <strong>de</strong>n Vorsteuerabzug rückwirkend im Jahr <strong>de</strong>s Leistungsbezugs unabhängig davon,<br />

dass <strong>de</strong>r leisten<strong>de</strong> Unternehmer die geson<strong>de</strong>rt ausgewiesene Umsatzsteuer bis <strong>zur</strong> Rechnungsberichtigung gem.<br />

§ 14c Abs. 1 UStG schul<strong>de</strong>t (BFH-Urteil vom 1.2.2001 – V R 23/00 – BStBl. 2003 II, S. 673).<br />

Investitionszulage<br />

Ein Investitionszulagebescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu korrigieren, wenn nachträglich gegen die<br />

Kumulationsverbote nach § 3 Abs. 1 Satz 2, § 3a Abs. 1 Sätze 4 und 5 InvZulG 1999 verstoßen wur<strong>de</strong> (vgl.<br />

BMF-Schreiben vom 28.2.2003, BStBl. I, S. 218, Tz. 11 und 12).<br />

Erbschaftsteuer<br />

– § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG<br />

Nach Steuerfestsetzung entstehen<strong>de</strong> Kosten <strong>de</strong>r Nachlassregulierung (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) können als<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis <strong>zur</strong> Korrektur <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung führen.<br />

– § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG<br />

Die Steuerbefreiungen fallen mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Gegenstän<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Grundbesitz<br />

o<strong>de</strong>r Teile <strong>de</strong>s Grundbesitzes innerhalb von zehn Jahren nach <strong>de</strong>m Erwerb veräußert wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die<br />

Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innerhalb dieses Zeitraums entfallen. Die Steuerfestsetzung ist nach<br />

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 vorzunehmen.<br />

– §§ 13a, 19a ErbStG<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 154 von 235


Freibetrag o<strong>de</strong>r Freibetragsanteil, vermin<strong>de</strong>rter Wertansatz und Entlastungsbetrag fallen mit Wirkung für die<br />

Vergangenheit weg, soweit innerhalb von fünf Jahren nach <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Steuerentstehung gegen eine <strong>de</strong>r<br />

Behaltensregelungen verstoßen wird. Der Steuerbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu korrigieren (vgl.<br />

R 62 Abs. 1 und R 80 Abs. 1 ErbStR 2003).<br />

– § 29 Abs. 1 ErbStG<br />

Auch <strong>de</strong>r Eintritt eines Ereignisses gemäß § 29 Abs. 1 ErbStG, z. B. die Herausgabe eines Geschenks, stellt ein<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis dar.<br />

Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer<br />

– § 5 Abs. 3 GrEStG<br />

Die Steuerbegünstigung beim Übergang eines Grundstücks von mehreren Miteigentümern o<strong>de</strong>r einem<br />

Alleineigentümer auf eine Gesamthand in <strong>de</strong>m Umfang, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Anteil <strong>de</strong>r Beteiligung <strong>de</strong>s Veräußerers am<br />

Vermögen <strong>de</strong>r Gesamthand entspricht, steht unter <strong>de</strong>m Gesetzesvorbehalt einer min<strong>de</strong>stens fünf Jahre<br />

fortwähren<strong>de</strong>n Beteiligung. Die Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Vermögensanteils innerhalb dieses Zeitraums stellt ein Ereignis<br />

mit steuerlicher Rückwirkung auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Grundstücksübergangs dar. Die Steuerfestsetzung ist gemäß<br />

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu korrigieren o<strong>de</strong>r erstmals vorzunehmen.<br />

– § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG<br />

Die Steuerbegünstigung beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine an<strong>de</strong>re Gesamthand<br />

in <strong>de</strong>m Umfang, in <strong>de</strong>m ein Gesellschafter sowohl am Vermögen <strong>de</strong>r veräußern<strong>de</strong>n als auch <strong>de</strong>r erwerben<strong>de</strong>n<br />

Gesamthand beteiligt ist, steht unter <strong>de</strong>m Gesetzesvorbehalt einer min<strong>de</strong>stens fünf Jahre fortwähren<strong>de</strong>n<br />

Beteiligung an <strong>de</strong>r erwerben<strong>de</strong>n Gesamthand. Die Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Vermögensanteils innerhalb dieses Zeitraums<br />

stellt ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Grundstücksübergangs dar. Die<br />

Steuerfestsetzung ist gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu korrigieren o<strong>de</strong>r erstmals vorzunehmen.<br />

Bewertung<br />

Wird <strong>de</strong>r einem Wertfortschreibungsbescheid vorangegangene Einheitswertbescheid nachträglich geän<strong>de</strong>rt und<br />

wer<strong>de</strong>n hierdurch die für die Wertfortschreibung auf einen späteren Stichtag nach § 22 BewG erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Wertgrenzen nicht mehr erreicht, ist <strong>de</strong>r Wertfortschreibungsbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 aufzuheben<br />

(BFH-Urteil vom 9.11.1994 – II R 37/91 – BStBl. 1995 II, S. 93).<br />

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Zu § 175a – Umsetzung von Verständigungsvereinbarungen:<br />

Die Vorschrift ist Rechtsgrundlage für die Umsetzung einer Verständigungsvereinbarung o<strong>de</strong>r eines<br />

Schiedsspruchs nach einer völkerrechtlichen Vereinbarung i. S. d. § 2. Zum internationalen<br />

Verständigungsverfahren und Schiedsverfahren in Steuersachen vgl. Merkblatt vom 13.7.2006, BStBl. I, S. 461.<br />

Zum Teil-Einspruchsverzicht siehe § 354 Abs. 1a, <strong>zur</strong> Teil-Rücknahme eines Einspruchs siehe § 362 Abs. 1a.<br />

Zu § 176 – Vertrauensschutz bei <strong>de</strong>r Aufhebung und Än<strong>de</strong>rung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n:<br />

1. Die Vorschrift schützt das Vertrauen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen in die Gültigkeit einer Rechtsnorm, <strong>de</strong>r<br />

Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift (z. B.<br />

EStR). Unter Aufhebung und Än<strong>de</strong>rung ist je<strong>de</strong> Korrektur einer Steuerfestsetzung nach §§ 164, 165, 172 ff.<br />

o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>n Einzelsteuergesetzen zu verstehen (vgl. vor §§ 172 bis 177, Nr. 3), aber nicht die Berichtigung<br />

nach § 129.<br />

2. Bei Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ist so vorzugehen, als hätte die frühere für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen<br />

günstige Rechtsauffassung nach wie vor Gültigkeit. Ist z. B. eine Steuer unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung<br />

festgesetzt wor<strong>de</strong>n (§ 164), so muss eine <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen günstige Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH, die bei<br />

<strong>de</strong>r Vorbehaltsfestsetzung berücksichtigt wor<strong>de</strong>n war, auch dann weiter angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r BFH<br />

seine Rechtsprechung zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt hat.<br />

3. Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die bisherige Rechtsprechung seinen Steuererklärungen stillschweigend und für das<br />

Finanzamt nicht erkennbar zugrun<strong>de</strong> gelegt, gilt <strong>de</strong>r Vertrauensschutz nur, wenn davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n<br />

kann, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>r Rechtsprechung einverstan<strong>de</strong>n gewesen wäre. Das<br />

Einverständnis ist immer dann zu unterstellen, wenn die Entscheidung im Bun<strong>de</strong>ssteuerblatt veröffentlicht<br />

wor<strong>de</strong>n war und keine Verwaltungsanweisung vorlag, die Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH über <strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>nen<br />

Einzelfall hinaus nicht anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

4. Es verstößt gegen Treu und Glauben, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige aufgrund einer Rechtsprechungsän<strong>de</strong>rung die<br />

Aufhebung eines ihn belasten<strong>de</strong>n Beschei<strong>de</strong>s for<strong>de</strong>rt und erreicht und später geltend macht, er habe auf die<br />

Anwendung <strong>de</strong>r früheren Rechtsprechung vertraut und sei nicht bereit, die für ihn negativen Folgen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 155 von 235


Rechtsprechungsän<strong>de</strong>rung hinzunehmen. Dies gilt zumin<strong>de</strong>st insoweit, als <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Rechtsprechungsän<strong>de</strong>rung<br />

Rechnung tragen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rungsbescheid im Ergebnis zu keiner höheren Belastung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen führt<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 8.2.1995 – I R 127/93 – BStBl. II, S. 764).<br />

5. Wegen <strong>de</strong>r sinngemäßen, eingeschränkten Anwendung <strong>de</strong>s § 176 auf Neuveranlagungen <strong>de</strong>r Vermögensteuer<br />

siehe § 16 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VStG, auf Neuveranlagungen <strong>de</strong>r Grundsteuermessbeträge siehe § 17 Abs. 2<br />

Nr. 2 GrStG sowie auf Fortschreibungen <strong>de</strong>r Einheitswerte siehe § 22 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BewG.<br />

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Zu § 177 – Berichtigung von materiellen Fehlern:<br />

1. Materieller Fehler ist je<strong>de</strong> objektive Unrichtigkeit eines Steuerbescheids. Materiell fehlerhaft ist ein Bescheid<br />

nicht nur, wenn bei Erlass <strong>de</strong>s Steuerbescheids gelten<strong>de</strong>s Recht unrichtig angewen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn auch<br />

dann, wenn <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ein Sachverhalt zugrun<strong>de</strong> gelegt wor<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>r sich nachträglich als<br />

unrichtig erweist. Bei <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung nicht berücksichtigte Tatsachen sind <strong>de</strong>shalb, sofern sie zu<br />

keiner Än<strong>de</strong>rung nach § 173 führen, nach § 177 zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 5.8.1986 –<br />

IX R 13/81 – BStBl. 1987 II, S. 297, 299). Auf ein Verschul<strong>de</strong>n kommt es ebenso wenig an wie darauf, dass<br />

<strong>de</strong>r Steueranspruch insoweit verjährt ist (BFH-Urteil vom 18.12.1991 – X R 38/90 – BStBl. 1992 II, S. 504).<br />

Eine Berichtigung eines materiellen Fehlers nach § 177 ist <strong>de</strong>shalb auch dann zulässig und geboten, wenn<br />

eine isolierte Än<strong>de</strong>rung dieses Fehlers o<strong>de</strong>r seine Berichtigung nach § 129 wegen Ablaufs <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist nicht möglich wäre.<br />

2. Die Möglichkeit <strong>de</strong>r Berichtigung materieller Fehler ist bei je<strong>de</strong>r Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung eines<br />

Steuerbescheids zu prüfen. Materielle Fehler sind zu berichtigen, soweit die Voraussetzungen für die<br />

Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids zuungunsten (§ 177 Abs. 1) o<strong>de</strong>r zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen (§ 177 Abs. 2) vorliegen; die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 177 Abs. 1 und 2 können auch<br />

nebeneinan<strong>de</strong>r vorliegen. Materielle Fehler dürfen nur innerhalb <strong>de</strong>s Än<strong>de</strong>rungsrahmens berichtigt, d. h.<br />

gegengerechnet wer<strong>de</strong>n. Liegen sowohl die Voraussetzungen für Än<strong>de</strong>rungen zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen als auch solche zu <strong>de</strong>ssen Ungunsten vor, sind die oberen und unteren Grenzen <strong>de</strong>r<br />

Fehlerberichtigung jeweils getrennt voneinan<strong>de</strong>r zu ermitteln (BFH-Urteile vom 9.6.1993 – I R 90/92 –<br />

BStBl. II, S. 822, und vom 14.7.1993 – X R 34/90 – BStBl. 1994 II, S. 77). Eine Saldierung <strong>de</strong>r<br />

Än<strong>de</strong>rungstatbestän<strong>de</strong> zuungunsten und zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist <strong>de</strong>shalb nicht zulässig<br />

(Saldierungsverbot).<br />

3. Än<strong>de</strong>rungsobergrenze ist <strong>de</strong>r Steuerbetrag, <strong>de</strong>r sich als Summe <strong>de</strong>r bisherigen Steuerfestsetzung und <strong>de</strong>r<br />

steuerlichen Auswirkung aller selbstständigen steuererhöhen<strong>de</strong>n Än<strong>de</strong>rungstatbestän<strong>de</strong> ergibt.<br />

Än<strong>de</strong>rungsuntergrenze ist <strong>de</strong>r Steuerbetrag, <strong>de</strong>r sich nach Abzug <strong>de</strong>r steuerlichen Auswirkung aller<br />

selbstständigen steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Än<strong>de</strong>rungstatbestän<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r bisherigen Steuerfestsetzung ergibt.<br />

4. Die Auswirkungen materieller Fehler sind zu saldieren und dann, soweit <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rungsrahmen reicht, zu<br />

berücksichtigen (Saldierungsgebot); vgl. BFH-Urteil vom 9.6.1993 – I R 90/92 – BStBl. II, S. 822. Bei<br />

Än<strong>de</strong>rungen zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen kann ein negativer (steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r) Fehler-Saldo nur bis<br />

<strong>zur</strong> Än<strong>de</strong>rungsuntergrenze berücksichtigt wer<strong>de</strong>n (§ 177 Abs. 1). Bei Än<strong>de</strong>rungen zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen kann ein positiver (steuererhöhen<strong>de</strong>r) Fehler-Saldo nur bis <strong>zur</strong> Än<strong>de</strong>rungsobergrenze<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n (§ 177 Abs. 2).<br />

Beispiele:<br />

a) Es wer<strong>de</strong>n nachträglich Tatsachen bekannt, die zu einer um 5 000 € höheren Steuer führen. Zugleich<br />

wer<strong>de</strong>n materielle Fehler, die sich bei <strong>de</strong>r früheren Festsetzung in Höhe von 6 000 € zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen ausgewirkt haben, und materielle Fehler, die sich bei <strong>de</strong>r früheren Festsetzung in Höhe<br />

von 8 500 € zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ausgewirkt haben, festgestellt.<br />

Der Saldo <strong>de</strong>r materiellen Fehler führt in Höhe von 2 500 € zu einer Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Nachfor<strong>de</strong>rung.<br />

b) Es wer<strong>de</strong>n nachträglich Tatsachen bekannt, die zu einer um 5 000 € höheren Steuer führen. Außer<strong>de</strong>m ist<br />

ein geän<strong>de</strong>rter Grundlagenbescheid zu berücksichtigen, <strong>de</strong>r zu einer um 5 500 € niedrigeren Steuer führt.<br />

Zugleich wer<strong>de</strong>n materielle Fehler festgestellt, die sich in Höhe von 8 500 € zugunsten und i. H. v.<br />

6 000 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ausgewirkt haben.<br />

Der Saldo <strong>de</strong>r materiellen Fehler (2 500 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen) min<strong>de</strong>rt die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen aufgrund <strong>de</strong>s geän<strong>de</strong>rten Grundlagenbescheids<br />

(5 500 €). Die Differenz von 3 000 € ist mit <strong>de</strong>r Nachfor<strong>de</strong>rung von 5 000 € wegen nachträglich bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>ner Tatsachen zu verrechnen, so dass im Ergebnis eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Steuerbescheids i. H. v.<br />

2 000 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen vorzunehmen ist.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 156 von 235


5. Soweit ein Ausgleich materieller Fehler nach § 177 nicht möglich ist, bleibt <strong>de</strong>r Steuerbescheid fehlerhaft.<br />

Hierin liegt keine sachliche Unbilligkeit, da die Folge vom Gesetzgeber gewollt ist.<br />

6. Zur Berichtigung materieller Fehler bei einer Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten nach § 129 vgl. zu<br />

§ 129, Nr. 5; <strong>zur</strong> Berichtigung materieller Fehler bei <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach<br />

§ 165 Abs. 2 Satz 2 vgl. zu § 165, Nr. 9.<br />

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Zu § 179 – Feststellung von Besteuerungsgrundlagen:<br />

1. Abweichend von <strong>de</strong>m Grundsatz, dass die Besteuerungsgrundlagen einen unselbstständigen Teil <strong>de</strong>s<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong>s bil<strong>de</strong>n (§ 157 Abs. 2), sehen die §§ 179 ff. bzw. entsprechen<strong>de</strong> Vorschriften <strong>de</strong>r<br />

Einzelsteuergesetze (z. B. §§ 2a, 10b Abs. 1, § 10d Abs. 3, § 15a Abs. 4, § 39a Abs. 4 EStG; §§ 27, 28<br />

und 38 KStG, § 151 BewG, § 17 GrEStG) in bestimmten Fällen eine geson<strong>de</strong>rte Feststellung <strong>de</strong>r<br />

Besteuerungsgrundlagen vor. Die geson<strong>de</strong>rte Feststellung ist zugleich einheitlich vorzunehmen, wenn die<br />

AO o<strong>de</strong>r ein Einzelsteuergesetz (z. B. § 15a Abs. 4 Satz 6 EStG) dies beson<strong>de</strong>rs vorschreiben o<strong>de</strong>r wenn <strong>de</strong>r<br />

Gegenstand <strong>de</strong>r Feststellung bei <strong>de</strong>r Besteuerung mehreren Personen zu<strong>zur</strong>echnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz 2<br />

2. Alternative). Für das Feststellungsverfahren sind die Vorschriften über die Durchführung <strong>de</strong>r Besteuerung<br />

sinngemäß anzuwen<strong>de</strong>n (§ 181 Abs. 1).<br />

2. Voraussetzung für <strong>de</strong>n Erlass eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 ist, dass <strong>de</strong>r vorangegangene<br />

Feststellungsbescheid wirksam, aber unvollständig bzw. lückenhaft ist. In einem Ergänzungsbescheid sind<br />

nur solche Feststellungen nachholbar, die in <strong>de</strong>m vorangegangenen Feststellungsbescheid „unterblieben“<br />

sind. Eine Feststellung ist unterblieben, wenn sie im Feststellungsbescheid hätte getroffen wer<strong>de</strong>n müssen,<br />

tatsächlich aber – aus welchen Grün<strong>de</strong>n auch immer – nicht getroffen wor<strong>de</strong>n ist. Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 179<br />

Abs. 3 durchbricht nicht die Bestandskraft wirksam ergangener Feststellungsbeschei<strong>de</strong>. Inhaltliche Fehler in<br />

rechtlicher o<strong>de</strong>r tatsächlicher Hinsicht können daher nicht in einem Ergänzungsbescheid korrigiert wer<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Urteil vom 15.6.1994 – II R 120/91 – BStBl. II, S. 819; BFH-Urteil vom 11.5.1999 – IX R 72/96 –<br />

BFH/NV 1999 S. 1446).<br />

Ein Ergänzungsbescheid ist beispielsweise zulässig <strong>zur</strong> Nachholung:<br />

– <strong>de</strong>r Feststellung, ob und in welcher Höhe ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG zu gewähren ist;<br />

– <strong>de</strong>r Feststellung, wie <strong>de</strong>r Gewinn zu verteilen ist (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.1983 – VIII R 90/81 –<br />

BStBl. 1984 II, S. 474);<br />

– <strong>de</strong>s Hinweises über die Reichweite <strong>de</strong>r Bekanntgabe gemäß § 183 Abs. 1 Satz 5 (BFH-Urteil vom<br />

13.7.1994 – XI R 21/93 – BStBl. II, S. 885);<br />

– <strong>de</strong>r Feststellung und <strong>de</strong>r Verteilung <strong>de</strong>s Betrags <strong>de</strong>r einbehaltenen Kapitalertragsteuer und <strong>de</strong>r<br />

anrechenbaren Körperschaftsteuer (§ 180 Abs. 5 Nr. 2);<br />

– <strong>de</strong>r Feststellung über das Ausschei<strong>de</strong>n eines Gesellschafters während eines abweichen<strong>de</strong>n<br />

Wirtschaftsjahres (BFH-Beschluss vom 22.9.1997 – IV B 113/96 – BFH/NV 1998 S. 454).<br />

Eine Feststellung ist nicht unterblieben und kann daher auch nicht nachgeholt wer<strong>de</strong>n, wenn sie im<br />

Feststellungsbescheid ausdrücklich abgelehnt wor<strong>de</strong>n ist. Deshalb kann durch <strong>de</strong>n Erlass eines<br />

Ergänzungsbescheids nicht nachgeholt wer<strong>de</strong>n:<br />

– die im Feststellungsverfahren unterbliebene Entscheidung, ob ein steuerbegünstigter Gewinn vorliegt,<br />

wenn das Finanzamt <strong>de</strong>n Gewinn bisher insgesamt als laufen<strong>de</strong>n Gewinn festgestellt hat (BFH-Urteile<br />

vom 26.11.1975 – I R 44/74 – BStBl. 1976 II, S. 304, und vom 24.7.1984 – VIII R 304/81 – BStBl. II,<br />

S. 785);<br />

– die bei einer Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a zu Unrecht unterbliebene<br />

Berücksichtigung von Son<strong>de</strong>rbetriebseinnahmen o<strong>de</strong>r -ausgaben;<br />

– ein fehlen<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r unklarer Hinweis i. S. v. § 181 Abs. 5 Satz 2 (BFH-Urteil vom 18.3.1998 –<br />

II R 45/96 – BStBl. II, S. 426; BFH-Urteil vom 24.6.1998 – II R 17/95 – BFH/NV 1999 S. 282).<br />

Der Erlass eines Ergänzungsbescheids steht nicht im Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>.<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r Anpassung <strong>de</strong>r Folgebeschei<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n Feststellungsbescheid wird auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1<br />

hingewiesen, wegen <strong>de</strong>r Einspruchsbefugnis bei Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n auf § 351 Abs. 2 und §§ 352, 353.<br />

4. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r atypischen stillen Unterbeteiligung am Anteil <strong>de</strong>s Gesellschafters einer<br />

Personengesellschaft kann eine beson<strong>de</strong>re geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung vorgenommen wer<strong>de</strong>n<br />

(§ 179 Abs. 2 letzter Satz). Von dieser Möglichkeit ist wegen <strong>de</strong>s Geheimhaltungsbedürfnisses <strong>de</strong>r<br />

Betroffenen regelmäßig Gebrauch zu machen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 157 von 235


Die Berücksichtigung <strong>de</strong>r Unterbeteiligung im Feststellungsverfahren für die Hauptgesellschaft ist nur mit<br />

Einverständnis aller Beteiligten – Hauptgesellschaft und <strong>de</strong>ren Gesellschafter sowie <strong>de</strong>r Unterbeteiligten –<br />

zulässig. Das Einverständnis <strong>de</strong>r Beteiligten gilt als erteilt, wenn die Unterbeteiligung in <strong>de</strong>r<br />

Feststellungserklärung für die Hauptgesellschaft geltend gemacht wird.<br />

Die Regelung gilt für Treuhandverhältnisse, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Treugeber über <strong>de</strong>n Treuhän<strong>de</strong>r<br />

Hauptgesellschafter <strong>de</strong>r Personengesellschaft ist, entsprechend.<br />

Die örtliche Zuständigkeit für die beson<strong>de</strong>re geson<strong>de</strong>rte Feststellung richtet sich i. d. R. nach <strong>de</strong>r<br />

Zuständigkeit für die Hauptgesellschaft.<br />

5. Die Gewinnanteile <strong>de</strong>s Unterbeteiligten bei einer typischen stillen Unterbeteiligung sind als<br />

Son<strong>de</strong>rbetriebsausgaben <strong>de</strong>s Hauptbeteiligten im Feststellungsverfahren zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom<br />

9.11.1988 – I R 191/84 – BStBl. 1989 II, S. 343). Eine Nachholung <strong>de</strong>s Son<strong>de</strong>rbetriebsausgabenabzugs im<br />

Veranlagungsverfahren <strong>de</strong>s Hauptbeteiligten ist nicht zulässig.<br />

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Zu § 180 – Geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen:<br />

1. Die geson<strong>de</strong>rte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a umfasst in erster Linie die von <strong>de</strong>n<br />

Feststellungsbeteiligten gemeinschaftlich erzielten Einkünfte. Sie umfasst auch die bei Ermittlung dieser<br />

Einkünfte zu berücksichtigen<strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rbetriebseinnahmen und -ausgaben o<strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rwerbungskosten eines<br />

o<strong>de</strong>r mehrerer Feststellungsbeteiligten.<br />

Darüber hinaus sind solche Besteuerungsgrundlagen geson<strong>de</strong>rt festzustellen, die in einem rechtlichem,<br />

wirtschaftlichem o<strong>de</strong>r tatsächlichem Zusammenhang mit <strong>de</strong>n gemeinschaftlich erzielten Einkünften stehen,<br />

aber bei Ermittlung <strong>de</strong>r gemeinschaftlich erzielten Einkünfte nicht zu berücksichtigen sind. Hiernach sind<br />

z. B. solche Aufwendungen geson<strong>de</strong>rt festzustellen, die aus Mitteln <strong>de</strong>r Gesellschaft o<strong>de</strong>r Gemeinschaft<br />

geleistet wer<strong>de</strong>n und für die Besteuerung <strong>de</strong>r Feststellungsbeteiligten, z. B. als Son<strong>de</strong>rausgaben, von<br />

Be<strong>de</strong>utung sind. Soweit <strong>de</strong>rartige Besteuerungsgrundlagen bei Erlass <strong>de</strong>s Feststellungsbescheids nicht<br />

berücksichtigt wor<strong>de</strong>n sind, ist ihre geson<strong>de</strong>rte Feststellung durch Ergänzungsbescheid (§ 179 Abs. 3)<br />

nachzuholen.<br />

Zum Verfahren bei <strong>de</strong>r Geltendmachung von negativen Einkünften aus <strong>de</strong>r Beteiligung an<br />

Verlustzuweisungsgesellschaften und vergleichbaren Mo<strong>de</strong>llen vgl. BMF-Schreiben vom 13.7.1992, BStBl. I<br />

S. 404, und vom 28.6.1994, BStBl. I, S. 420.<br />

2. Fallen <strong>de</strong>r Wohnort und <strong>de</strong>r Betriebs- bzw. Tätigkeitsort auseinan<strong>de</strong>r und liegen diese Orte im Bereich<br />

verschie<strong>de</strong>ner Finanzämter, sind die Einkünfte <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen aus Land- und Forstwirtschaft,<br />

Gewerbebetrieb o<strong>de</strong>r freiberuflicher Tätigkeit geson<strong>de</strong>rt festzustellen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b).<br />

2.1 Maßgebend sind die Verhältnisse zum Schluss <strong>de</strong>s Gewinnermittlungszeitraums. Spätere Än<strong>de</strong>rungen dieser<br />

Verhältnisse sind unbeachtlich. Bei einem vom Kalen<strong>de</strong>rjahr abweichen<strong>de</strong>n Wirtschaftsjahr o<strong>de</strong>r einem<br />

Rumpfwirtschaftsjahr sind die Verhältnisse zum Schluss dieses Zeitraums maßgebend.<br />

2.2 Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. d. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b sind nur die Einkünfte nach<br />

§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nicht die übrigen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit.<br />

2.3 Übt ein Steuerpflichtiger seine freiberufliche Tätigkeit in mehreren Gemein<strong>de</strong>n aus, so ist für die dadurch<br />

erzielten Einkünfte nur eine geson<strong>de</strong>rte Feststellung durchzuführen (BFH-Urteil vom 10.6.1999 –<br />

IV R 69/98 – BStBl. II, S. 691). Bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft o<strong>de</strong>r aus Gewerbebetrieb gilt<br />

dies für <strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>r Land- und Forstwirtschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Gewerbebetrieb entsprechend.<br />

2.4 Die örtliche Zuständigkeit für geson<strong>de</strong>rte Feststellungen im Sinne <strong>de</strong>s § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b richtet<br />

sich nach § 18. Zur Zuständigkeit, wenn Wohnung und Betrieb in einer Gemein<strong>de</strong> (Großstadt) mit mehreren<br />

Finanzämtern liegen, vgl. zu § 19, Nrn. 2 und 3.<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r in § 180 Abs. 2 vorgesehenen Feststellungen wird auf die V zu § 180 Abs. 2 AO verwiesen. Auf<br />

Feststellungen nach § 180 Abs. 1 fin<strong>de</strong>t die V zu § 180 Abs. 2 AO keine Anwendung. Zur geson<strong>de</strong>rten<br />

Feststellung bei gleichen Sachverhalten nach <strong>de</strong>r V zu § 180 Abs. 2 AO vgl. BMF-Schreiben vom 2.5.2001,<br />

BStBl. I, S. 256. Zum Verfahren bei <strong>de</strong>r Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen aus <strong>de</strong>r Beteiligung an<br />

Gesamtobjekten vgl. BMF-Schreiben vom 24.4.1992, BStBl. I, S. 291. Zur geson<strong>de</strong>rten Feststellung <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung nach § 9 <strong>de</strong>r V zu § 180 Abs. 2 AO vgl. BMF-<br />

Schreiben vom 16.7.2012, BStBl. I, S. 686.<br />

4. Fälle von geringer Be<strong>de</strong>utung, in <strong>de</strong>nen eine geson<strong>de</strong>rte Feststellung entfällt (§ 180 Abs. 3 Nr. 2), sind<br />

beispielsweise bei Mieteinkünften von zusammenveranlagten Eheleuten (BFH-Urteil vom 20.1.1976 –<br />

VIII R 253/71 – BStBl. II, S. 305) und bei <strong>de</strong>m gemeinschaftlich erzielten Gewinn von Landwirts-Eheleuten<br />

(BFH-Urteil vom 4.7.1985 – IV R 136/83 – BStBl. II, S. 576) gegeben, wenn die Einkünfte verhältnismäßig<br />

einfach zu ermitteln sind und die Aufteilung feststeht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 158 von 235


Auch bei geson<strong>de</strong>rten Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b und Nr. 3 kann in Fällen von<br />

geringer Be<strong>de</strong>utung auf die Durchführung eines geson<strong>de</strong>rten Gewinnfeststellungsverfahrens verzichtet<br />

wer<strong>de</strong>n (§ 180 Abs. 3 Satz 2). Ein Fall von geringer Be<strong>de</strong>utung ist dabei insbeson<strong>de</strong>re anzunehmen, wenn<br />

dasselbe Finanzamt für die Einkommensteuer-Veranlagung zuständig gewor<strong>de</strong>n ist (z. B. bei Verlegung <strong>de</strong>s<br />

Wohnsitzes nach Ablauf <strong>de</strong>s Feststellungszeitraumes in <strong>de</strong>n Bezirk <strong>de</strong>s Betriebsfinanzamtes).<br />

5. Eine Feststellung ist auch zum Zweck <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Steuersatzes im Falle eines bei <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung zu beachten<strong>de</strong>n Progressionsvorbehaltes und in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 2a EStG vorzunehmen<br />

(§ 180 Abs. 5 Nr. 1).<br />

6. Soweit Einkünfte o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r V zu<br />

§ 180 Abs. 2 AO festzustellen sind, sind auch damit in Zusammenhang stehen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge und<br />

Körperschaftsteuer, die auf die Steuer <strong>de</strong>r Feststellungsbeteiligten an<strong>zur</strong>echnen sind, geson<strong>de</strong>rt festzustellen<br />

(§ 180 Abs. 5 Nr. 2). Steuerbescheinigungen sind <strong>de</strong>shalb nur <strong>de</strong>m für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung<br />

zuständigen Finanzamt vorzulegen.<br />

7. Zur Bindungswirkung <strong>de</strong>r Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 2 und <strong>zur</strong> Korrektur <strong>de</strong>r Folgebeschei<strong>de</strong> vgl.<br />

§ 182 Abs. 1 Satz 2.<br />

Zu § 181 – Verfahrensvorschriften für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung, Feststellungsfrist, Erklärungspflicht:<br />

1. Eine geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung ist nach § 181 Abs. 5 Satz 1 grundsätzlich auch dann<br />

vorzunehmen, wenn bei einzelnen Feststellungsbeteiligten bereits die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 27.8.1997 – XI R 72/96 – BStBl. II, S. 750). In diesem Fall ist im Feststellungsbescheid auf<br />

seine eingeschränkte Wirkung hinzuweisen. Der Hinweis soll <strong>de</strong>m für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s<br />

zuständigen Finanzamt und <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen <strong>de</strong>utlich machen, dass es sich um einen<br />

Feststellungsbescheid han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r nach Ablauf <strong>de</strong>r Feststellungsfrist ergangen und <strong>de</strong>shalb nur noch für<br />

solche Steuerfestsetzungen be<strong>de</strong>utsam ist, bei <strong>de</strong>nen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 17.8.1989 – IX R 76/88 – BStBl. 1990 II, S. 411).<br />

2. Die Anlaufhemmung <strong>de</strong>r Feststellungsfrist für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Einheitswerten nach § 181<br />

Abs. 3 Satz 3 ist auch dann maßgeblich, wenn zugleich die Voraussetzungen <strong>de</strong>r Anlaufhemmung nach<br />

§ 181 Abs. 3 Satz 2 erfüllt sind.<br />

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Zu § 182 – Wirkung <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten Feststellung:<br />

1. Ein Feststellungsbescheid über einen Einheitswert ist nur dann an <strong>de</strong>n Rechtsnachfolger bekannt zu geben,<br />

wenn die Rechtsnachfolge eintritt, bevor <strong>de</strong>r Bescheid <strong>de</strong>m Rechtsvorgänger bekannt gegeben wor<strong>de</strong>n ist.<br />

War <strong>de</strong>r Bescheid bereits im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Rechtsnachfolge bekannt gegeben, wirkt <strong>de</strong>r Bescheid auch<br />

gegenüber <strong>de</strong>m Rechtsnachfolger (dingliche Wirkung, § 182 Abs. 2). Der Rechtsnachfolger kann ihn in<br />

diesem Fall nach § 353 nur innerhalb <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Rechtsvorgänger maßgeben<strong>de</strong>n Einspruchsfrist anfechten.<br />

2. § 182 Abs. 2 gilt nicht für Gewerbesteuermessbeschei<strong>de</strong> (§ 184 Abs. 1), wohl aber für<br />

Grundsteuermessbeschei<strong>de</strong>.<br />

3. Eine Bindung <strong>de</strong>s Haftungsschuldners an <strong>de</strong>n Einheitswertbescheid ist nicht gegeben.<br />

4. Die wegen Rechtsnachfolge fehlerhafte Bezeichnung eines Beteiligten kann nach § 182 Abs. 3 durch einen<br />

beson<strong>de</strong>ren Bescheid richtiggestellt wer<strong>de</strong>n (Richtigstellungsbescheid). Der Regelungsgehalt <strong>de</strong>s<br />

ursprünglichen Beschei<strong>de</strong>s bleibt im Übrigen unberührt. § 182 Abs. 3 gilt nicht für Feststellungen nach § 180<br />

Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b (vgl. BFH-Urteil vom 12.5.1993 – XI R 66/92 – BStBl. 1994 II, S. 5).<br />

Zu § 183 – Empfangsbevollmächtigte bei <strong>de</strong>r einheitlichen Feststellung:<br />

1. Richtet die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Feststellungsbescheid an <strong>de</strong>n gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten, ist<br />

eine Begründung <strong>de</strong>s Bescheids nicht erfor<strong>de</strong>rlich, soweit die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Feststellungserklärung<br />

gefolgt ist und <strong>de</strong>r Empfangsbevollmächtigte die Feststellungserklärung selbst abgegeben o<strong>de</strong>r an ihrer<br />

Erstellung mitgewirkt hat (§ 121 Abs. 2 Nr. 1; vgl. zu § 121, Nr. 2).<br />

2. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r Einzelbekanntgabe nach § 183 Abs. 2 Satz 1 ist regelmäßig davon auszugehen, dass <strong>de</strong>r<br />

betroffene Feststellungsbeteiligte an <strong>de</strong>r Erstellung <strong>de</strong>r Feststellungserklärung nicht mitgewirkt hat. Bei <strong>de</strong>r<br />

Bekanntgabe <strong>de</strong>s Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s sind ihm <strong>de</strong>shalb die zum Verständnis <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen Grundlagen <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten Feststellung, d. h. insbeson<strong>de</strong>re die Wertermittlung und die<br />

Aufteilungsgrundlagen, mitzuteilen (§ 121 Abs. 1).<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe in Fällen <strong>de</strong>s § 183 vgl. zu § 122, Nrn. 2.5, 3.3.3 und 4.7. Zur Einspruchsbefugnis<br />

<strong>de</strong>s gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten vgl. zu § 352.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 159 von 235


Zu § 184 – Festsetzung von Steuermessbeträgen:<br />

Gemein<strong>de</strong>n sind nicht befugt, Steuermessbeschei<strong>de</strong> anzufechten (vgl. zu § 40 Abs. 3 FGO); eine<br />

Rechtsbehelfsbefugnis <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n besteht nur im Zerlegungsverfahren (§ 186 Nr. 2). Die Finanzämter sollen<br />

aber die steuerberechtigten Gemein<strong>de</strong>n über anhängige Einspruchsverfahren gegen Realsteuermessbeschei<strong>de</strong> von<br />

größerer Be<strong>de</strong>utung unterrichten.<br />

Zu § 188 – Zerlegungsbescheid:<br />

Dem Steuerpflichtigen ist <strong>de</strong>r vollständige Zerlegungsbescheid bekannt zu geben, während die einzelnen<br />

beteiligten Gemein<strong>de</strong>n nur einen kurz gefassten Bescheid mit <strong>de</strong>n sie betreffen<strong>de</strong>n Daten erhalten müssen.<br />

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Zu § 191 – Haftungsbeschei<strong>de</strong>, Duldungsbeschei<strong>de</strong>:<br />

1. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für <strong>de</strong>n Erlass eines Haftungs- o<strong>de</strong>r Duldungsbeschei<strong>de</strong>s ergeben<br />

sich aus <strong>de</strong>n §§ 69 bis 77, <strong>de</strong>n Einzelsteuergesetzen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n zivilrechtlichen Vorschriften (z. B. §§ 25, 128<br />

HGB). §§ 93, 227 Abs. 2 InsO schließen eine Haftungsinanspruchnahme nach §§ 69 ff. nicht aus (BFH-<br />

Urteil vom 2.11.2001 – VII B 155/01 – BStBl. 2002 II, S. 73). Der Gesellschafter einer Außen-GbR haftet<br />

für Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis, hinsichtlich <strong>de</strong>ren die GbR Schuldnerin ist, in entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 128 HGB (vgl. BGH-Urteil vom 29.1.2001, NJW S. 1056); dies gilt auch für Ansprüche,<br />

die bei seinem Eintritt in die GbR bereits bestan<strong>de</strong>n (entsprechen<strong>de</strong> Anwendung <strong>de</strong>s § 130 HGB; BGH-<br />

Urteil vom 7.4.2003, NJW 2003 S. 1803). Nach Ausschei<strong>de</strong>n haftet <strong>de</strong>r Gesellschafter für die Altschul<strong>de</strong>n in<br />

analoger Anwendung <strong>de</strong>s § 160 HGB. Bei Auflösung <strong>de</strong>r Gesellschaft ist § 159 HGB entsprechend<br />

anzuwen<strong>de</strong>n (vgl. § 736 Abs. 2 BGB; BFH-Urteil vom 26.8.1997 – VII R 63/97 – BStBl. II, S. 745). Für<br />

Gesellschafter aller Formen <strong>de</strong>r Außen-GbR, die vor <strong>de</strong>m 1.7.2003 in die Gesellschaft eingetreten sind,<br />

kommt aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s allgemeinen Vertrauensschutzes eine Haftung nur für solche Ansprüche aus <strong>de</strong>m<br />

Steuerschuldverhältnis in Betracht, die nach ihrem Eintritt in die Gesellschaft entstan<strong>de</strong>n sind. Zum Erlass<br />

von Haftungsbeschei<strong>de</strong>n in Spaltungsfällen vgl. zu § 122, Nr. 2.15.<br />

2. Die Befugnis zum Erlass eines Haftungs- o<strong>de</strong>r Duldungsbeschei<strong>de</strong>s besteht auch, soweit die Haftung und<br />

Duldung sich auf steuerliche Nebenleistungen erstreckt.<br />

3. Auf <strong>de</strong>n (erstmaligen) Erlass eines Haftungsbeschei<strong>de</strong>s sind die Vorschriften über die Festsetzungsfrist<br />

(§§ 169 bis 171) entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n. Eine Korrektur zugunsten <strong>de</strong>s Haftungsschuldners kann dagegen<br />

auch noch nach Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist erfolgen (BFH-Urteil vom 12.8.1997 – VII R 107/96 – BStBl.<br />

1998 II, S. 131).<br />

4. Für die Korrektur von Haftungsbeschei<strong>de</strong>n gelten nicht die für Steuerbeschei<strong>de</strong> maßgeblichen<br />

Korrekturvorschriften (§§ 172 ff.), son<strong>de</strong>rn die allgemeinen Vorschriften über die Berichtigung, die<br />

Rücknahme und <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rruf von Verwaltungsakten (§§ 129 bis 131). Die Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s<br />

Haftungsbeschei<strong>de</strong>s richtet sich nach <strong>de</strong>n Verhältnissen im Zeitpunkt seines Erlasses bzw. <strong>de</strong>r<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Einspruchsentscheidung. An<strong>de</strong>rs als bei <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung (BFH-Urteil<br />

vom 12.8.1997 – VII R 107/96 – BStBl. 1998 II, S. 131) berühren Min<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Haftungsbescheid<br />

zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Steuerschuld durch Zahlungen <strong>de</strong>s Steuerschuldners nach Ergehen einer<br />

Einspruchsentscheidung die Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s Haftungsbeschei<strong>de</strong>s nicht. Ein rechtmäßiger<br />

Haftungsbescheid ist aber zugunsten <strong>de</strong>s Haftungsschuldners zu wi<strong>de</strong>rrufen, soweit die ihm zugrun<strong>de</strong><br />

liegen<strong>de</strong> Steuerschuld später gemin<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n ist.<br />

5. Von <strong>de</strong>r Korrektur eines Haftungsbeschei<strong>de</strong>s ist <strong>de</strong>r Erlass eines ergänzen<strong>de</strong>n Haftungsbeschei<strong>de</strong>s zu<br />

unterschei<strong>de</strong>n.<br />

5.1 Für die Zulässigkeit eines neben einem bereits bestehen<strong>de</strong>n Haftungsbescheid gegenüber einem bestimmten<br />

Haftungsschuldner treten<strong>de</strong>n weiteren Haftungsbescheids ist grundsätzlich entschei<strong>de</strong>nd, ob dieser <strong>de</strong>n<br />

gleichen Gegenstand regelt wie <strong>de</strong>r bereits ergangene Haftungsbescheid o<strong>de</strong>r ob die<br />

Haftungsinanspruchnahme für verschie<strong>de</strong>ne Sachverhalte o<strong>de</strong>r zu verschie<strong>de</strong>nen Zeiten entstan<strong>de</strong>ne<br />

Haftungstatbestän<strong>de</strong> erfolgen soll.<br />

Stets zulässig ist es, wegen eines eigenständigen Steueranspruchs (betreffend einen an<strong>de</strong>ren<br />

Besteuerungszeitraum o<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Steuerart) einen weiteren Haftungsbescheid zu erlassen, selbst wenn<br />

<strong>de</strong>r Steueranspruch bereits im Zeitpunkt <strong>de</strong>r ersten Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid entstan<strong>de</strong>n<br />

war.<br />

5.2 Die „Sperrwirkung“ eines bestandskräftigen Haftungsbescheids gegenüber einer erneuten Inanspruchnahme<br />

<strong>de</strong>s Haftungsschuldners besteht nur, soweit es um ein und <strong>de</strong>nselben Sachverhalt geht; sie ist in diesem Sinne<br />

nicht zeitraum-, son<strong>de</strong>rn sachverhaltsbezogen (BFH-Beschluss vom 7.4.2005 – I B 140/04 – BStBl. 2006 II,<br />

S. 530). Der Erlass eines ergänzen<strong>de</strong>n Haftungsbescheids für <strong>de</strong>nselben Sachverhalt ist unzulässig, wenn die<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 160 von 235


zu niedrige Inanspruchnahme auf einer rechtsirrtümlichen Beurteilung <strong>de</strong>s Sachverhalts o<strong>de</strong>r auf einer<br />

fehlerhaften Ermessensentscheidung beruhte (vgl. BFH-Urteil vom 25.5.2004 – VII R 29/02 – BStBl. 2005<br />

II, S. 3).<br />

Der Erlass eines ergänzen<strong>de</strong>n Haftungsbescheids ist aber zulässig, wenn die Erhöhung <strong>de</strong>r Steuerschuld auf<br />

neuen Tatsachen beruht, die das Finanzamt mangels Kenntnis im ersten Haftungsbescheid nicht<br />

berücksichtigen konnte (BFH-Urteil vom 15.2.2011 – VII R 66/10 – BStBl. II, S. 534).<br />

6. Für Duldungsbeschei<strong>de</strong> gelten die Nrn. 3 bis 5 entsprechend. Die Inanspruchnahme <strong>de</strong>s Duldungspflichtigen<br />

wird durch § 191 Abs. 3 zeitlich we<strong>de</strong>r begrenzt noch ausge<strong>de</strong>hnt.<br />

7. Zur Zahlungsauffor<strong>de</strong>rung bei Haftungsbeschei<strong>de</strong>n vgl. zu § 219.<br />

8. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 191 Abs. 2 soll die Frist für die Abgabe einer Stellungnahme <strong>de</strong>r zuständigen<br />

Berufskammer im Allgemeinen zwei Monate betragen. Die Stellungnahme kann in dringen<strong>de</strong>n Fällen auch<br />

fernmündlich eingeholt wer<strong>de</strong>n. Eine versehentlich unterlassene Anhörung kann nachgeholt wer<strong>de</strong>n. Wird<br />

innerhalb <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zu setzen<strong>de</strong>n Frist keine Stellungnahme abgegeben, kann gleichwohl<br />

ein Haftungsbescheid ergehen.<br />

9. Ein erstmaliger Haftungsbescheid kann wegen Akzessorietät <strong>de</strong>r Haftungsschuld <strong>zur</strong> Steuerschuld<br />

grundsätzlich nicht mehr ergehen, wenn <strong>de</strong>r zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong> Steueranspruch wegen<br />

Festsetzungsverjährung gegenüber <strong>de</strong>m Steuerschuldner nicht mehr festgesetzt wer<strong>de</strong>n darf o<strong>de</strong>r wenn <strong>de</strong>r<br />

gegenüber <strong>de</strong>m Steuerschuldner festgesetzte Steueranspruch durch Zahlungsverjährung o<strong>de</strong>r Erlass erloschen<br />

ist (§ 191 Abs. 5 Satz 1). Maßgeblich ist dabei <strong>de</strong>r Steueranspruch, auf <strong>de</strong>n sich die Haftung konkret bezieht.<br />

Daher ist bei <strong>de</strong>r Haftung eines Arbeitgebers für zu Unrecht nicht angemel<strong>de</strong>te und abgeführte Lohnsteuer<br />

(§ 42d EStG) auf die vom Arbeitnehmer nach § 38 Abs. 2 EStG geschul<strong>de</strong>te Lohnsteuer und nicht auf die<br />

Einkommensteuer <strong>de</strong>s Arbeitnehmers (§ 25 EStG) abzustellen. Dabei ist für die Berechnung <strong>de</strong>r die<br />

Lohnsteuer betreffen<strong>de</strong>n Festsetzungsfrist die Lohnsteuer-Anmeldung <strong>de</strong>s Arbeitgebers und nicht die<br />

Einkommensteuererklärung <strong>de</strong>r betroffenen Arbeitnehmer maßgebend (vgl. BFH-Urteil vom 6.3.2008 – VI<br />

R 5/05 – BStBl. II, S. 597). Bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r für die Lohnsteuer maßgeben<strong>de</strong>n Festsetzungsfrist sind<br />

Anlauf- und Ablaufhemmungen nach §§ 170, 171 zu berücksichtigen, soweit sie gegenüber <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />

wirken.<br />

Zu § 192 – Vertragliche Haftung:<br />

Aufgrund vertraglicher Haftung (vgl. zu § 48) ist eine Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid nicht zulässig.<br />

Eine Verpflichtung <strong>zur</strong> Inanspruchnahme <strong>de</strong>s vertraglich Haften<strong>de</strong>n besteht nicht; das Finanzamt entschei<strong>de</strong>t<br />

nach Ermessen.<br />

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Zu § 193 – Zulässigkeit einer Außenprüfung:<br />

1. Eine Außenprüfung ist unabhängig davon zulässig, ob eine Steuer bereits festgesetzt, ob <strong>de</strong>r Steuerbescheid<br />

endgültig, vorläufig o<strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung ergangen ist (BFH-Urteil vom 28.3.1985 –<br />

IV R 224/83 – BStBl. II, S. 700). Eine Außenprüfung nach § 193 kann <strong>zur</strong> Ermittlung <strong>de</strong>r Steuerschuld<br />

sowohl <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> als auch <strong>de</strong>r Höhe nach durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Der gesamte für die Entstehung und<br />

Ausgestaltung eines Steueranspruchs erhebliche Sachverhalt kann Prüfungsgegenstand sein (BFH-Urteil<br />

vom 11.12.1991 – I R 66/90 – BStBl. 1992 II, S. 595). Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>r Steueranspruch<br />

möglicherweise verjährt ist o<strong>de</strong>r aus an<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n nicht mehr durchgesetzt wer<strong>de</strong>n kann (BFH-Urteil<br />

vom 23.7.1985 – VIII R 102/85 – BStBl. 1986 II, S. 433).<br />

2. Die Voraussetzungen für eine Außenprüfung sind auch gegeben, soweit ausschließlich festgestellt wer<strong>de</strong>n<br />

soll, ob und inwieweit Steuerbeträge hinterzogen o<strong>de</strong>r leichtfertig verkürzt wor<strong>de</strong>n sind. Eine sich insoweit<br />

gegenseitig ausschließen<strong>de</strong> Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung besteht nicht (BFH-Urteile<br />

vom 4.11.1987 – II R 102/85 – BStBl. 1988 II, S. 113, vom 19.9.2001 – XI B 6/01 – BStBl. 2002 II, S. 4 und<br />

vom 4.10.2006 – VIII R 53/04 – BStBl. 2007 II, S. 227). Die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens hin<strong>de</strong>rt<br />

nicht weitere Ermittlungen durch die Außenprüfung unter Erweiterung <strong>de</strong>s Prüfungszeitraums. Dies gilt auch<br />

dann, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige erklärt, von seinem Recht auf Verweigerung <strong>de</strong>r Mitwirkung Gebrauch zu<br />

machen (BFH-Urteil vom 19.8.1998 – XI R 37/97 – BStBl. 1999 II, S. 7). Sollte die Belehrung gem. § 393<br />

Abs. 1 unterblieben sein, führt dies nicht zu einem steuerlichen Verwertungsverbot (BFH-Urteil vom<br />

23.1.2002 – XI R 10, 11/01 – BStBl. II, S. 328).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 161 von 235


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3. Eine Außenprüfung ausschließlich <strong>zur</strong> Erledigung eines zwischenstaatlichen Amtshilfeersuchens (§ 117)<br />

durch Auskunftsaustausch in Steuersachen ist nicht zulässig. Zur Erledigung eines solchen<br />

Amtshilfeersuchens kann eine Außenprüfung unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 193 nur bei einem am<br />

ausländischen Besteuerungsverfahren Beteiligten durchgeführt wer<strong>de</strong>n (z. B. <strong>de</strong>r Wohnsitzstaat ersucht um<br />

Prüfung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Betriebsstätte eines ausländischen Steuerpflichtigen).<br />

4. Eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 ist zulässig <strong>zur</strong> Klärung <strong>de</strong>r Frage, ob <strong>de</strong>r Steuerpflichtige tatsächlich<br />

einen Gewerbebetrieb unterhält, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Steuerpflicht bestehen, d. h. es darf<br />

nicht ausgeschlossen sein, dass eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt (BFH-Urteile vom 23.10.1990 –<br />

VIII R 45/88 – BStBl. 1991 II, S. 278 und vom 11.8.1994 – IV R 126/91 – BStBl. II, S. 936). Eine<br />

Außenprüfung ist solange zulässig, als noch Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis bestehen (z. B.<br />

han<strong>de</strong>lsrechtlich voll beendigte KG: BFH-Urteil vom 1.10.1992 – IV R 60/91 – BStBl. 1993 II, S. 82; voll<br />

beendigte GbR: BFH-Urteil vom 1.3.1994 – VIII R 35/92 – BStBl. 1995 II, S. 241). Zur Begründung <strong>de</strong>r<br />

Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 genügt <strong>de</strong>r Hinweis auf diese Rechtsgrundlage. Eine<br />

Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 ist bei Steuerpflichtigen i. S. d. § 147a für das Jahr, in <strong>de</strong>m die in § 147a<br />

Satz 1 bestimmte Grenze von 500 000 € überschritten ist und für die fünf darauf folgen<strong>de</strong>n Jahre <strong>de</strong>r<br />

Aufbewahrungspflicht zulässig. Hat nur ein Ehegatte die Grenze von 500 000 € überschritten, ist nur bei<br />

diesem eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 zulässig. Beim an<strong>de</strong>ren Ehegatten kann ggf. eine<br />

Außenprüfung auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 gestützt wer<strong>de</strong>n.<br />

5. § 193 Abs. 2 Nr. 1 enthält die Rechtsgrundlage für die Prüfung <strong>de</strong>r Lohnsteuer bei Steuerpflichtigen, die<br />

nicht unter § 193 Abs. 1 fallen (z. B. Prüfung <strong>de</strong>r Lohnsteuer bei Privatpersonen, die Arbeitnehmer<br />

beschäftigt haben).<br />

Eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 ist bereits dann zulässig, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die es<br />

nach <strong>de</strong>n Erfahrungen <strong>de</strong>r Finanzverwaltung als möglich erscheinen lassen, dass ein Besteuerungstatbestand<br />

erfüllt ist (BFH-Urteil vom 17.11.1992 – VIII R 25/89 – BStBl. 1993 II, S. 146). § 193 Abs. 2 Nr. 2 kann<br />

insbeson<strong>de</strong>re bei Steuerpflichtigen mit umfangreichen und vielgestaltigen Überschusseinkünften <strong>zur</strong><br />

Anwendung kommen (sofern nicht bereits ein Fall <strong>de</strong>s § 193 Abs. 1 vorliegt). Sofern keine konkreten<br />

Anhaltspunkte für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb o<strong>de</strong>r Zweckbetrieb vorliegen, fällt unter § 193<br />

Abs. 2 Nr. 2 auch die Prüfung einer gemeinnützigen Körperschaft zum Zwecke <strong>de</strong>r Anerkennung, Versagung<br />

o<strong>de</strong>r Entziehung <strong>de</strong>r Gemeinnützigkeit. Eine auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 gestützte Prüfungsanordnung muss<br />

beson<strong>de</strong>rs begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Die Begründung muss ergeben, dass die gewünschte Aufklärung durch<br />

Einzelermittlung an Amtsstelle nicht erreicht wer<strong>de</strong>n kann (BFH-Urteil vom 7.11.1985 – IV R 6/85 –<br />

BStBl. 1986 II, S. 435 und vom 9.11.1994 – XI R 16/94 – BFH/NV 1995 S. 578).<br />

6. Von <strong>de</strong>r Außenprüfung zu unterschei<strong>de</strong>n sind Einzelermittlungen eines Außenprüfers nach § 88, auch wenn<br />

sie am Ort <strong>de</strong>s Betriebs durchgeführt wer<strong>de</strong>n. In diesen Fällen hat er <strong>de</strong>utlich zu machen, dass verlangte<br />

Auskünfte o<strong>de</strong>r sonstige Maßnahmen nicht im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Außenprüfung stehen (BFH-Urteile<br />

vom 5.4.1984 – IV R 244/83 – BStBl. II, S. 790, vom 2.2.1994 – I R 57/93 – BStBl. II, S. 377 und vom<br />

25.11.1997 – VIII R 4/94 – BStBl. 1998 II, S. 461). Zur betriebsnahen Veranlagung vgl. zu § 85, Nr. 2<br />

und 3. Eine Umsatzsteuer-Nachschau gemäß § 27b UStG stellt keine Außenprüfung i. S. d. § 193 dar. Zum<br />

Übergang von einer Umsatzsteuer-Nachschau zu einer Außenprüfung siehe Abschnitt 27b.1 Abs. 9 UStAE.<br />

Zu § 194 – Sachlicher Umfang einer Außenprüfung:<br />

1. Im Rahmen einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 können, ohne dass die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 193 Abs. 2<br />

Nr. 2 vorliegen müssen, auch Besteuerungsmerkmale überprüft wer<strong>de</strong>n, die mit <strong>de</strong>n betrieblichen<br />

Verhältnissen <strong>de</strong>r Steuerpflichtigen in keinem Zusammenhang stehen (BFH-Urteil vom 28.11.1985 –<br />

IV R 323/84 – BStBl. 1986 II, S. 437).<br />

2. § 194 Abs. 1 Satz 3 erlaubt die Prüfung <strong>de</strong>r Verhältnisse <strong>de</strong>r Gesellschafter ohne geson<strong>de</strong>rte<br />

Prüfungsanordnung nur insoweit, als sie mit <strong>de</strong>r Personengesellschaft zusammenhängen und für die<br />

Feststellungsbeschei<strong>de</strong> von Be<strong>de</strong>utung sind. Die Einbeziehung <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>r in § 194<br />

Abs. 2 bezeichneten Personen in die Außenprüfung bei einer Gesellschaft setzt die Zulässigkeit (§ 193) und<br />

eine eigene Prüfungsanordnung (§ 196) voraus (BFH-Urteil vom 16.12.1986 – VIII R 123/86 – BStBl. 1987<br />

II, S. 248).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 162 von 235


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3. Eine Außenprüfung kann <strong>zur</strong> Erledigung eines zwischenstaatlichen Rechts- und Amtshilfeersuchens (§ 117)<br />

unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 193 nur bei einem in einem ausländischen Besteuerungsverfahren<br />

Steuerpflichtigen, nicht aber <strong>zur</strong> Feststellung <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse bei einer an<strong>de</strong>ren Person,<br />

durchgeführt wer<strong>de</strong>n (z. B. eines Ersuchens um Prüfung einer im Bun<strong>de</strong>sgebiet belegenen Firma, die im<br />

ersuchen<strong>de</strong>n Staat als Zollbeteiligter auftritt, o<strong>de</strong>r einer <strong>de</strong>utschen Betriebsstätte eines ausländischen<br />

Steuerpflichtigen). Ermittlungen sind in Verbindung mit einer Außenprüfung möglich, die aus an<strong>de</strong>ren<br />

Grün<strong>de</strong>n durchgeführt wird.<br />

4. Soll <strong>de</strong>r Prüfungszeitraum in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 4 Abs. 3 BpO mehr als drei zusammenhängen<strong>de</strong><br />

Besteuerungszeiträume umfassen o<strong>de</strong>r nachträglich erweitert wer<strong>de</strong>n, muss die Begründung <strong>de</strong>r<br />

Prüfungsanordnung die vom Finanzamt angestellten Ermessenserwägungen erkennen lassen (BFH-Urteil<br />

vom 4.2.1988 – V R 57/83 – BStBl. II, S. 413). Der Prüfungszeitraum darf <strong>zur</strong> Überprüfung vortragsfähiger<br />

Verluste auch dann auf die Verlustentstehungsjahre ausge<strong>de</strong>hnt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r aus diesen Zeiträumen<br />

verbleiben<strong>de</strong> Verlustabzug gemäß § 10d Abs. 3 EStG (heute: Abs. 4) festgestellt wor<strong>de</strong>n ist (BFH-Beschluss<br />

vom 5.4.1995 – I B 126/94 – BStBl. II, S. 496). Bei einer Betriebsaufgabe schließt <strong>de</strong>r Prüfungszeitraum mit<br />

<strong>de</strong>m Jahr <strong>de</strong>r Betriebseinstellung ab (BFH-Urteil vom 24.8.1989 – IV R 65/88 – BStBl. 1990 II, S. 2). Bei<br />

einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 ist § 4 Abs. 3 BpO nicht anwendbar. Für je<strong>de</strong>n<br />

Besteuerungszeitraum, <strong>de</strong>r in die Außenprüfung einbezogen wer<strong>de</strong>n soll, müssen die beson<strong>de</strong>ren<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 193 Abs. 2 Nr. 2 vorliegen (BFH-Urteil vom 18.10.1994 – IX R 128/92 –<br />

BStBl. 1995 II, S. 291).<br />

5. Eine Außenprüfung darf nicht allein zu <strong>de</strong>m Zwecke durchgeführt wer<strong>de</strong>n, die steuerlichen Verhältnisse<br />

dritter Personen zu erforschen (BFH-Urteil vom 18.2.1997 – VIII R 33/95 – BStBl. II, S. 499).<br />

6. § 30a Abs. 3 hin<strong>de</strong>rt nicht die Fertigung und Auswertung von Kontrollmitteilungen anlässlich einer<br />

Außenprüfung bei Kreditinstituten, wenn hierfür ein hinreichend begrün<strong>de</strong>ter Anlass besteht. Dieser ist<br />

gegeben, wenn <strong>de</strong>r Außenprüfer infolge Vorliegens konkreter Umstän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r einer aufgrund allgemeiner<br />

Erfahrungen getroffenen Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung zum<br />

Ergebnis kommt, dass Kontrollmitteilungen <strong>zur</strong> Auf<strong>de</strong>ckung steuererheblicher Tatsachen führen könnten<br />

(BFH-Urteile vom 18.2.1997 – VIII R 33/95 – BStBl. II, S. 499, und vom 15.12.1998 – VIII R 6/98 –<br />

BStBl. 1999 II, S. 138) o<strong>de</strong>r wenn das zu prüfen<strong>de</strong> Bankgeschäft Auffälligkeiten aufweist, die es aus <strong>de</strong>m<br />

Kreis <strong>de</strong>r alltäglichen und banküblichen Geschäfte hervorheben o<strong>de</strong>r eine für Steuerhinterziehung beson<strong>de</strong>rs<br />

anfällige Art <strong>de</strong>r Geschäftsabwicklung erkennen lassen, wenn also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit <strong>de</strong>r<br />

Ent<strong>de</strong>ckung unbekannter Steuerfälle besteht (BFH-Urteil vom 9.12.2008 – VII R 47/07 – BStBl. 2009 II,<br />

S. 509). Vgl. Ausführungen zu § 30a, Nr. 1. Die Finanzverwaltung darf sämtliche nicht<br />

legitimationsgeprüften Konten prüfen, selbst wenn diese Kenntnisse über nicht anonymisierte<br />

Gegenbuchungen zu Geschäftsvorfällen auf legitimationsgeprüften Kun<strong>de</strong>nkonten i. S. <strong>de</strong>s § 154 Abs. 2<br />

vermitteln (BFH-Beschlüsse vom 27.9.2010 – II B 164/09 – BFH/NV 2011 S. 193–194 und vom 4.4.2005 –<br />

VII B 305/04 – BFH/NV S. 1226–1228).<br />

7. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n können Kontrollmitteilungen ins Ausland insbeson<strong>de</strong>re dann versen<strong>de</strong>n, wenn dies ohne<br />

beson<strong>de</strong>ren Aufwand möglich ist und höhere Interessen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen nicht berührt wer<strong>de</strong>n (BFH-<br />

Beschluss vom 8.2.1995 – I B 92/94 – BStBl. II, S. 358). Zu Auskünften <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n an<br />

ausländische Staaten ohne Ersuchen (Spontanauskünfte) wird auf Tz. 4 <strong>de</strong>s Merkblatts über die<br />

zwischenstaatliche Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen (BMF-Schreiben vom 25.5.2012,<br />

BStBl. I, S. 599) hingewiesen. Zu Amtshilfeersuchen ausländischer Staaten vgl. zu § 193, Nr. 3.<br />

8. Wird beabsichtigt, im Rahmen <strong>de</strong>r Außenprüfung eines Berufsgeheimnisträgers Kontrollmitteilungen (§ 194<br />

Abs. 3) zu fertigen, ist <strong>de</strong>r Steuerpflichtige hierüber rechtzeitig vorher zu informieren (BFH-Urteil vom<br />

8.4.2008 – VIII R 61/06 – BStBl. 2009 II, S. 579).<br />

Zu § 195 – Zuständigkeit:<br />

Bei Beauftragung nach § 195 Satz 2 kann die beauftragen<strong>de</strong> Finanzbehör<strong>de</strong> die Prüfungsanordnung selbst<br />

erlassen o<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Finanzbehör<strong>de</strong> zum Erlass <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung ermächtigen. Mit <strong>de</strong>r Ermächtigung<br />

bestimmt die beauftragen<strong>de</strong> Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n sachlichen Umfang (§ 194 Abs. 1) <strong>de</strong>r Außenprüfung,<br />

insbeson<strong>de</strong>re sind die zu prüfen<strong>de</strong>n Steuerarten und <strong>de</strong>r Prüfungszeitraum anzugeben. Aus <strong>de</strong>r<br />

Prüfungsanordnung müssen sich die Grün<strong>de</strong> für die Beauftragung ergeben (BFH-Urteile vom 10.12.1987 –<br />

IV R 77/86 – BStBl. 1988 II, S. 322 und vom 21.4.1993 – X R 112/91 – BStBl. II, S. 649). Zur Erteilung einer<br />

verbindlichen Zusage im Anschluss an eine Auftragsprüfung vgl. zu § 204, Nr. 2. Än<strong>de</strong>rt sich die Zuständigkeit<br />

nach Bekanntgabe <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung ist die Außenprüfung auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r bereits ergangenen<br />

Prüfungsanordnung vom neu zuständigen Finanzamt fortzuführen. Die Prüfungsanordnung ist nicht aufzuheben,<br />

son<strong>de</strong>rn durch Benennung <strong>de</strong>s Namens <strong>de</strong>s neuen Betriebsprüfers zu ergänzen. Unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 163 von 235


§ 26 kann die Außenprüfung von <strong>de</strong>m bisher zuständigen Finanzamt fortgeführt wer<strong>de</strong>n. Die nach § 195 Satz 2<br />

beauftragte Behör<strong>de</strong> hat über <strong>de</strong>n Einspruch gegen eine von ihr erlassene Prüfungsanordnung zu entschei<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Urteil vom 18.11.2008 – VIII R 16/07 – BStBl. 2009 II, S. 507).<br />

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Zu § 196 – Prüfungsanordnung:<br />

1. Zur Begründung einer Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 genügt <strong>de</strong>r Hinweis auf diese<br />

Rechtsgrundlage. Die Prüfungsanordnung (§ 5 Abs. 2 Satz 1 BpO), die Festlegung <strong>de</strong>s Prüfungsbeginns<br />

(BFH-Urteil vom 18.12.1986 – I R 49/83 – BStBl. 1987 II, S. 408) und <strong>de</strong>s Prüfungsorts (BFH-Urteil vom<br />

24.2.1989 – III R 36/88 – BStBl. II, S. 445) sind selbstständig anfechtbare Verwaltungsakte i. S. d. § 118<br />

(BFH-Urteil vom 25.1.1989 – X R 158/87 – BStBl. II, S. 483). Gegen die Bestimmung <strong>de</strong>s Betriebsprüfers<br />

ist grundsätzlich kein Rechtsbehelf gegeben (BFH-Beschluss vom 15.5.2009 – IV B 3/09 – BFH/NV<br />

S. 1401–1402). Darüber hinaus können mit <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung weitere nicht selbstständig anfechtbare<br />

prüfungsleiten<strong>de</strong> Bestimmungen (§ 5 Abs. 3 BpO) verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Ein Einspruch gegen die<br />

Prüfungsanordnung hat keine aufschieben<strong>de</strong> Wirkung (§ 361 Abs. 1 Satz 1), vorläufiger Rechtsschutz kann<br />

erst durch Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung nach § 361, § 69 FGO gewährt wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschluss vom<br />

17.9.1974 – VII B 122/73 – BStBl. II, S. 197). Über Anträge auf Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ist<br />

unverzüglich zu entschei<strong>de</strong>n; vgl. zu § 361, Nr. 3 gilt sinngemäß.<br />

2. Rechtswidrig erlangte Außenprüfungsergebnisse dürfen nur dann nicht verwertet wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige erfolgreich gegen die Prüfungsanordnung <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Prüfungsmaßnahme vorgegangen<br />

ist (BFH-Urteil vom 27.7.1983 – I R 210/79 – BStBl. 1984 II, S. 285). Wenn die Prüfungsfeststellungen<br />

bereits Eingang in Steuerbeschei<strong>de</strong> gefun<strong>de</strong>n haben, muss <strong>de</strong>r Steuerpflichtige auch diese Beschei<strong>de</strong><br />

anfechten, um ein steuerliches Verwertungsverbot zu erlangen (BFH-Urteil vom 16.12.1986 –<br />

VIII R 123/86 – BStBl. 1987 II, S. 248). Feststellungen, <strong>de</strong>ren Anordnung rechtskräftig für rechtswidrig<br />

erklärt wur<strong>de</strong>n, unterliegen einem Verwertungsverbot (BFH-Urteil vom 14.8.1985 – I R 188/82 –<br />

BStBl. 1986 II, S. 2). Dies gilt nicht, wenn die bei <strong>de</strong>r Prüfung ermittelten Tatsachen bei einer erstmaligen<br />

o<strong>de</strong>r einer unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung stehen<strong>de</strong>n Steuerfestsetzung verwertet wur<strong>de</strong>n und<br />

lediglich formelle Rechtsfehler vorliegen (BFH-Urteile vom 10.5.1991 – V R 51/90 – BStBl. II, S. 825 und<br />

vom 25.11.1997 – VIII R 4/94 – BStBl. 1998 II, S. 461).<br />

3. Ist eine Prüfungsanordnung aus formellen Grün<strong>de</strong>n durch das Gericht o<strong>de</strong>r die Finanzbehör<strong>de</strong> aufgehoben<br />

o<strong>de</strong>r für nichtig erklärt wor<strong>de</strong>n, so kann eine erneute Prüfungsanordnung (Wie<strong>de</strong>rholungsprüfung) unter<br />

Vermeidung <strong>de</strong>s Verfahrensfehlers erlassen wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 20.10.1988 – IV R 104/86 –<br />

BStBl. 1989 II, S. 180 und vom 24.8.1989 – IV R 65/88 – BStBl. 1990 II, S. 2). Für die Durchführung <strong>de</strong>r<br />

Wie<strong>de</strong>rholungsprüfung ist es regelmäßig geboten, einen an<strong>de</strong>ren Prüfer mit <strong>de</strong>r Prüfung zu beauftragen, <strong>de</strong>r<br />

in eigener Verantwortung bei Durchführung <strong>de</strong>r Prüfung ein selbstständiges Urteil über die Erfüllung <strong>de</strong>r<br />

steuerlichen Pflichten durch <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen gewinnt (BFH-Urteil vom 20.10.1988 – IV R 104/86 –<br />

BStBl. 1989 II, S. 180).<br />

4. Die Anordnung einer Außenprüfung für einen bereits geprüften Zeitraum (Zweitprüfung) ist grundsätzlich<br />

zulässig (BFH-Urteil vom 24.1.1989 – VII R 35/86 – BStBl. II, S. 440).<br />

5. Der Umfang <strong>de</strong>r Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 und <strong>de</strong>r Sperrwirkung nach § 173 Abs. 2 bestimmt sich<br />

nach <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung festgelegten Prüfungsumfang (BFH-Urteile vom 18.7.1991 –<br />

V R 54/87 – BStBl. II, S. 824 und vom 25.1.1996 – V R 42/95 – BStBl. II, S. 338). Es bedarf keiner neuen<br />

Prüfungsanordnung, wenn die Prüfung unmittelbar nach Beginn für mehr als sechs Monate unterbrochen und<br />

vor Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist zügig been<strong>de</strong>t wird (BFH-Urteil vom 13.2.2003 – IV R 31/01 – BStBl. II,<br />

S. 552).<br />

6. Nehmen Außenprüfer an steuerstraf- o<strong>de</strong>r bußgeldrechtlichen Ermittlungen <strong>de</strong>r Steuerfahndung teil, ist<br />

insoweit keine Prüfungsanordnung nach § 196 zu erlassen (vgl. Nr. 125 AStBV (St)).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 164 von 235


Zu § 197 – Bekanntgabe <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung:<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Allgemeines<br />

2. Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen<br />

3. Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen an Ehegatten<br />

4. Bekanntgabe an gesetzliche Vertreter natürlicher Personen<br />

5. Personengesellschaften (Gemeinschaften)<br />

6. Juristische Personen<br />

7. Insolvenzfälle<br />

8. Gesamtrechtsnachfolge in Erbfällen<br />

9. Umwandlungen<br />

1. Allgemeines<br />

Nach <strong>de</strong>n Regelungen zu § 122, Nr. 1.2 gelten die Grundsätze über die Bekanntgabe von Steuerbeschei<strong>de</strong>n für<br />

Prüfungsanordnungen entsprechend, soweit nicht nachfolgend abweichen<strong>de</strong> Regelungen getroffen sind.<br />

2. Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen<br />

Beim Erlass einer Prüfungsanordnung sind festzulegen:<br />

– An wen sie sich richtet (Nr. 2.1 – Inhaltsadressat),<br />

– wem sie bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n soll (Nr. 2.2 – Bekanntgabeadressat),<br />

– welcher Person sie zu übermitteln ist (Nr. 2.3 – Empfänger).<br />

2.1 Inhaltsadressat/Prüfungssubjekt<br />

Das ist <strong>de</strong>rjenige, an <strong>de</strong>n sich die Prüfungsanordnung richtet und <strong>de</strong>m aufgegeben wird, die Außenprüfung in<br />

<strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Anordnung näher beschriebenen Umfang zu dul<strong>de</strong>n und bei ihr mitzuwirken: „Prüfung bei . . .“.<br />

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2.2 Bekanntgabeadressat<br />

Das ist die Person/Personengruppe, <strong>de</strong>r die Prüfungsanordnung bekannt zu geben ist. Der Bekanntgabeadressat<br />

ist regelmäßig mit <strong>de</strong>m Prüfungssubjekt i<strong>de</strong>ntisch; soweit die Bekanntgabe an das Prüfungssubjekt nicht möglich<br />

o<strong>de</strong>r nicht zulässig ist, kommen Dritte als Bekanntgabeadressaten in Betracht (z. B. Eltern eines min<strong>de</strong>rjährigen<br />

Kin<strong>de</strong>s, Geschäftsführer einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung, Liquidator).<br />

In allen Fällen, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Bekanntgabeadressat nicht personeni<strong>de</strong>ntisch ist mit <strong>de</strong>m Prüfungssubjekt, ist ein<br />

erläutern<strong>de</strong>r Zusatz in die Prüfungsanordnung aufzunehmen, aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Grund für die Anordnung beim<br />

Bekanntgabeadressaten erkennbar wird.<br />

Beispiel:<br />

Die Prüfungsanordnung ergeht an Sie als<br />

„Alleinerbin und Gesamtrechtsnachfolgerin nach Ihrem verstorbenen Ehemann“ (bei Erbfall; vgl. Nr. 8)<br />

„Nachfolgerin <strong>de</strong>r Fritz KG“ (bei gesellschaftsrechtlicher Umwandlung; vgl. Nr. 9)<br />

2.3 Empfänger<br />

Das ist <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>m die Prüfungsanordnung tatsächlich zugehen soll, damit sie durch Bekanntgabe wirksam<br />

wird. I.d.R. ist dies <strong>de</strong>r Bekanntgabeadressat. Es kann jedoch auch eine an<strong>de</strong>re Person sein (vgl. zu § 122,<br />

Nrn. 1.5.2 und 1.7). Der Empfänger ist im Anschriftenfeld <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung mit seinem Namen und <strong>de</strong>r<br />

postalischen Anschrift zu bezeichnen. Ist <strong>de</strong>r Empfänger nicht i<strong>de</strong>ntisch mit <strong>de</strong>m Prüfungssubjekt, muss in einem<br />

ergänzen<strong>de</strong>n Zusatz im Text <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung darauf hingewiesen wer<strong>de</strong>n, „bei wem“ die Prüfung<br />

stattfin<strong>de</strong>n soll (d. h. namentliche Benennung <strong>de</strong>s Prüfungssubjekts).<br />

2.4 Übermittlung an Bevollmächtigte (§§ 80 Abs. 1, 122 Abs. 1 Satz 3)<br />

Zur Bekanntgabe an einen Bevollmächtigten vgl. zu § 122, Nr. 1.7.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 165 von 235


Beispiel:<br />

Anschrift:<br />

Herr Steuerberater Klaus Schulz, . . .<br />

Text:<br />

„. . . ordne ich an, dass bei Ihrem Mandanten Anton Huber, . . . eine Prüfung durchgeführt wird.“<br />

3. Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen an Ehegatten<br />

Prüfungsanordnungen gegen bei<strong>de</strong> Ehegatten können ggf. in einer Verfügung zusammengefasst wer<strong>de</strong>n. Auf die<br />

Regelung zu § 122, Nr. 2.1 wird verwiesen. In einem Zusatz muss dann jedoch erläutert wer<strong>de</strong>n, für welche<br />

Steuerarten bei welchem Prüfungssubjekt die Außenprüfung vorgesehen ist.<br />

Aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Klarheit und Übersichtlichkeit sollten getrennte Prüfungsanordnungen an Ehegatten bevorzugt<br />

wer<strong>de</strong>n. Generell müssen die Prüfungen getrennt angeordnet wer<strong>de</strong>n, wenn bei<strong>de</strong> Ehegatten unternehmerisch<br />

(jedoch nicht gemeinschaftlich) tätig sind.<br />

4. Bekanntgabe an gesetzliche Vertreter natürlicher Personen<br />

Vgl. zu § 122, Nr. 2.2.<br />

Beispiel:<br />

Anschrift:<br />

Herrn Steuerberater Klaus Schulz<br />

Text:<br />

„ . . . ordne ich an, dass bei Ihrem Mandanten Benjamin Müller . . .“<br />

Zusatz:<br />

„. . . ergeht an Sie für Frau Felicitas Müller und Herrn Felix Müller, ggf. Anschrift, als gesetzliche Vertreter ihres<br />

min<strong>de</strong>rjährigen Sohnes Benjamin Müller, ggf. Anschrift.“<br />

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5. Personengesellschaften (Gemeinschaften)<br />

Bei Prüfungsanordnungen an Personengesellschaften und Gemeinschaften sind Unterscheidungen nach <strong>de</strong>r<br />

Rechtsform, nach <strong>de</strong>r zu prüfen<strong>de</strong>n Steuerart und ggf. nach <strong>de</strong>r Einkunftsart vorzunehmen. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Unterscheidung zwischen Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaften und sonstigen nicht rechtsfähigen<br />

Personenvereinigungen wird auf die Ausführungen zu § 122, Nr. 2.4.1.2 verwiesen.<br />

5.1 Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaften<br />

Vgl. zu § 122, Nr. 2.4.1.1. Dies gilt auch für die Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen an<br />

Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaften bei geson<strong>de</strong>rter und einheitlicher Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte aus Gewerbebetrieb.<br />

Es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung eine Anlage beizufügen, in <strong>de</strong>r die Feststellungsbeteiligten<br />

aufgeführt sind.<br />

5.2 Sonstige nicht rechtsfähige Personenvereinigungen<br />

Als Steuerpflichtige i. S. d. § 193 Abs. 1, bei <strong>de</strong>r eine Außenprüfung zulässig ist, kommt auch eine nicht<br />

rechtsfähige Personenvereinigung in Betracht (BFH-Urteil vom 16.11.1989 – IV R 29/89 – BStBl. 1990 II,<br />

S. 272).<br />

Die Personenvereinigung hat i. d. R. formal keinen eigenen Namen und muss als Prüfungssubjekt durch die<br />

Angabe aller Gesellschafter charakterisiert wer<strong>de</strong>n. Ist die Bezeichnung <strong>de</strong>r Gesellschafter durch die Aufzählung<br />

aller Namen im Vordrucktext <strong>de</strong>r Anordnung aus technischen Grün<strong>de</strong>n nicht möglich, können neben einer<br />

Kurzbezeichnung im Text <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung in einer Anlage die einzelnen Gesellschafter (ggf. mit<br />

Anschrift) aufgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Prüfungsanordnung muss aber nicht nur für die nicht rechtsfähige Personenvereinigung bestimmt und an sie<br />

adressiert sein, sie muss ihr auch bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Die Bekanntgabe hat an die vertretungsberechtigten<br />

Gesellschafter zu erfolgen. Grundsätzlich sind das alle Gesellschafter (z. B. bei einer GbR nach §§ 709, 714<br />

BGB), es sei <strong>de</strong>nn, es liegt eine abweichen<strong>de</strong> gesellschaftsvertragliche Regelung vor. Nach § 6 Abs. 3 VwZG ist<br />

es jedoch zulässig, die Prüfungsanordnung nur einem <strong>de</strong>r Gesellschafter bekannt zu geben (BFH-Urteil vom<br />

18.10.1994 – IX R 128/92 – BStBl. 1995 II, S. 291). Das gilt selbst in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen auf Grund<br />

gesellschaftsvertraglicher Regelungen mehrere Personen <strong>zur</strong> Geschäftsführung bestellt sind.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 166 von 235


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5.2.1 Nicht rechtsfähige Personenvereinigungen mit Gewinneinkünften<br />

Wird die Prüfung <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte (Gewinneinkünfte) angeordnet, ist die Prüfungsanordnung an<br />

die Personenvereinigung als Prüfungssubjekt zu richten und nicht gegen <strong>de</strong>ren Gesellschafter (BFH-Urteil vom<br />

16.11.1989 – IV R 29/89 – BStBl. 1990 II, S. 272).<br />

Führt eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung ausnahmsweise einen geschäftsüblichen Namen unter <strong>de</strong>m sie<br />

am Rechtsverkehr teilnimmt, gelten die Ausführungen zu § 122, Nr. 2.4.1.2 auch hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

Prüfungsanordnung <strong>zur</strong> geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Gewinnfeststellung entsprechend.<br />

Wur<strong>de</strong> ein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter bestellt, kann auch ihm die Anordnung <strong>zur</strong> Prüfung <strong>de</strong>r<br />

Gewinneinkünfte bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Bei Bekanntgabe <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung an nur einen <strong>zur</strong><br />

Vertretung aller übrigen Beteiligten vertretungsberechtigten Gesellschafter o<strong>de</strong>r an einen<br />

Empfangsbevollmächtigten ist auf <strong>de</strong>ssen Funktion als Bekanntgabeempfänger mit Wirkung für alle Beteiligten<br />

hinzuweisen.<br />

5.2.2 Nicht rechtsfähige Personenvereinigungen mit Überschusseinkünften<br />

Wird die Prüfung <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte (z. B. aus Vermietung und Verpachtung), <strong>de</strong>s Vermögens und<br />

<strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts o<strong>de</strong>r bei einer Gemeinschaft (z. B.<br />

Grundstücksgemeinschaft) angeordnet, ist die nicht rechtsfähige Personenvereinigung als<br />

Grundstücksgesellschaft o<strong>de</strong>r Bauherrengemeinschaft insoweit nicht selbst Prüfungssubjekt (BFH-Urteile vom<br />

25.9.1990 – IX R 84/88 – BStBl. 1991 II, S. 120, und vom 18.10.1994 – IX R 128/92 – BStBl. 1995 II, S. 291).<br />

Vielmehr ist <strong>de</strong>r einzelne Gesellschafter <strong>de</strong>r Träger <strong>de</strong>r steuerlichen Rechte und Pflichten (§ 33 Abs. 2). Eine<br />

Prüfungsanordnung für die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte aus Vermietung und<br />

Verpachtung bzw. die Feststellung <strong>de</strong>s Vermögens und <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n ist an je<strong>de</strong>n Gesellschafter zu richten und<br />

auch diesem bekannt zu geben (für Gemeinschaften: BFH-Urteil vom 10.11.1987 – VIII R 94/87 – BFH/NV<br />

1988 S. 214).<br />

Eine Personenvereinigung unterliegt <strong>de</strong>r Außenprüfung und ist Prüfungssubjekt nur insoweit, als sie – wie z. B.<br />

bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuer – selbst Steuerschuldnerin ist (BFH-Urteil vom 18.10.1994 – IX R 128/92 – BStBl. 1995<br />

II, S. 291). In <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen bei einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung mit Überschusseinkünften<br />

neben <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte und <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>s Vermögens und <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n auch die<br />

Umsatzsteuer Prüfungsgegenstand ist, sind daher zwei Prüfungsanordnungen zu erlassen:<br />

– an die Gemeinschaft/Gesellschaft hinsichtlich <strong>de</strong>r Umsatzsteuer;<br />

– an die Gemeinschafter/Gesellschafter hinsichtlich <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte und <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>s<br />

Vermögens und <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n.<br />

5.2.3 Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen mit Überschusseinkünften i. Z. m. geson<strong>de</strong>rten<br />

Feststellungen für Zwecke <strong>de</strong>r Erbschaft- und Schenkungsteuer nach § 151 BewG<br />

Bei geson<strong>de</strong>rten Feststellungen für Zwecke <strong>de</strong>r Erbschaft- und Schenkungsteuer kann auch die nichtrechtsfähige<br />

Personenvereinigung mit Überschusseinkünften selbst Inhaltsadressat <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung sein.<br />

Zur Ermittlung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen ist nach § 156 BewG eine Außenprüfung bei <strong>de</strong>n Beteiligten im<br />

Sinne <strong>de</strong>s § 154 Abs. 1 BewG zulässig. Die Beteiligtenstellung einer Personenvereinigung kann daraus folgen,<br />

dass sie <strong>zur</strong> Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefor<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong> (§ 154 Abs. 1 Nr. 2 BewG). Der Anteil am<br />

Wert <strong>de</strong>r in § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG genannten Vermögensgegenstän<strong>de</strong> und Schul<strong>de</strong>n, die mehreren<br />

Personen zustehen, ist geson<strong>de</strong>rt festzustellen. Die Auffor<strong>de</strong>rung <strong>zur</strong> Abgabe einer Feststellungserklärung richtet<br />

sich gemäß § 153 Abs. 2 BewG an die Personenvereinigung selbst, die dadurch Beteiligte wird. Sie ist dann als<br />

Prüfungssubjekt auch Inhaltsadressat <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Prüfungsanordnung.<br />

Eine Prüfung <strong>zur</strong> geson<strong>de</strong>rten Feststellung nach § 156 BewG kann auch in Kombination mit einer auf § 193<br />

gestützten Prüfung erfolgen. Eine ausschließlich auf § 156 BewG gestützte Außenprüfung darf sich jedoch nur<br />

auf die Feststellungen erstrecken, die für die Erbschaft-/Schenkungsteuer o<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Feststellung im Sinne<br />

<strong>de</strong>s § 151 Abs. 1 BewG maßgeblich sind. Das hat <strong>zur</strong> Folge, dass im Rahmen <strong>de</strong>r Betriebsprüfung nur die<br />

sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit <strong>de</strong>r festgestellten Besteuerungsgrundlagen ermittelt bzw. überprüft<br />

wer<strong>de</strong>n dürfen.<br />

5.3 Son<strong>de</strong>rfälle<br />

Dient die Außenprüfung u. a. <strong>de</strong>r Feststellung, welche Art von Einkünften die Gesellschafter einer nicht<br />

rechtsfähigen Personenvereinigung erzielen, kann die Prüfungsanordnung nach Maßgabe sämtlicher in Betracht<br />

kommen<strong>de</strong>n Einkunftsarten ausgerichtet wer<strong>de</strong>n. Kommen danach Gewinneinkünfte ernsthaft in Betracht, ist die<br />

Personenvereinigung – gestützt auf die Rechtsgrundlage <strong>de</strong>s § 193 Abs. 1 – Prüfungssubjekt.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 167 von 235


Dies gilt aber nur für existieren<strong>de</strong> Personenvereinigungen mit streitiger Qualifizierung <strong>de</strong>r Einkünfte. Ist die<br />

Existenz <strong>de</strong>r nicht rechtsfähigen Personenvereinigung selbst im Streit, muss sich die Prüfungsanordnung gegen<br />

die mutmaßlichen Gesellschafter richten (BFH-Urteil vom 8.3.1988 – VIII R 220/85 – BFH/NV S. 758). Sie ist<br />

je<strong>de</strong>m Beteiligten <strong>de</strong>r mutmaßlichen Personenvereinigung geson<strong>de</strong>rt bekannt zu geben.<br />

Liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass die vermutete Gemeinschaft/Gesellschaft tatsächlich einen<br />

gewerblichen o<strong>de</strong>r land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten hat bzw. freiberuflich tätig gewor<strong>de</strong>n ist,<br />

genügt in <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung ein Hinweis auf § 193 Abs. 1 (BFH-Urteil vom 23.10.1990 – VIII R 45/88 –<br />

BStBl. 1991 II, S. 278). Ansonsten ist die Prüfungsanordnung auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 zu stützen und beson<strong>de</strong>rs<br />

zu begrün<strong>de</strong>n.<br />

5.4 Arbeitsgemeinschaften<br />

Ist eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) als Prüfungssubjekt zu prüfen, ist die Prüfungsanordnung an das in <strong>de</strong>r<br />

ARGE geschäftsführen<strong>de</strong> Unternehmen als Bevollmächtigtem postalisch bekannt zu geben (vgl. zu § 122,<br />

Nummer 2.4.1.2).<br />

5.5 Atypisch stille Gesellschaften<br />

Da die atypisch stille Gesellschaft nicht selbst Steuerschuldnerin ist, ist eine Prüfungsanordnung an <strong>de</strong>n Inhaber<br />

<strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lsgeschäfts zu richten (vgl. zu § 122, Nr. 2.4.1). Hinsichtlich <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen<br />

Gewinnfeststellung ist eine Prüfungsanordnung ihrem Inhalt nach im Regelfall ebenfalls nicht an die atypisch<br />

stille Gesellschaft, son<strong>de</strong>rn regelmäßig an je<strong>de</strong>n Gesellschafter (Prüfungssubjekt) zu richten und diesem auch<br />

bekannt zu geben.<br />

Beispiel:<br />

Anschrift:<br />

a) Bauunternehmung Müller GmbH Geschäftsinhaber<br />

b) Herrn Josef Meier atyp. stiller Gesellschafter<br />

(zwei getrennte Prüfungsanordnungen)<br />

Text:<br />

„. . . ordne ich an, dass bei Ihnen bezüglich <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>r atypisch stillen Gesellschaft<br />

Bauunternehmung Müller GmbH und Josef Meier (ggf. Anschrift) eine Außenprüfung durchgeführt wird.“<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Abweichend davon reicht es in Fällen <strong>de</strong>r atypisch stillen Beteiligung an einer Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaft aus,<br />

die Prüfungsanordnung hinsichtlich <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Gewinnfeststellung an die<br />

Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaft (= Geschäftsinhaber) als Prüfungssubjekt zu richten und bekannt zu geben, da die<br />

Außenprüfung bei einer Personengesellschaft auch die steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>r Gesellschafter (auch <strong>de</strong>r<br />

atypisch stille Beteiligte ist Mitunternehmer) insoweit umfasst, als diese für die zu überprüfen<strong>de</strong> Feststellung<br />

von Be<strong>de</strong>utung sind (§ 194 Abs. 1). Einer geson<strong>de</strong>rten – an <strong>de</strong>n atypisch stillen Gesellschafter gerichteten –<br />

Prüfungsanordnung bedarf es in diesem Fall nicht.<br />

5.6 Personengesellschaften und nicht rechtsfähige Personengemeinschaften in Liquidation<br />

Wegen <strong>de</strong>r Unterscheidung zwischen <strong>de</strong>r gesellschaftsrechtlichen und <strong>de</strong>r steuerrechtlichen Liquidation vgl. zu<br />

§ 122, Nr. 2.7.1. Die Anweisungen zu § 122, Nr. 2.7.2 <strong>zur</strong> Bekanntgabe von Steuerbeschei<strong>de</strong>n gelten für<br />

Prüfungsanordnungen sinngemäß.<br />

Auch die Verpflichtung, nach §§ 193 ff. eine Außenprüfung zu dul<strong>de</strong>n, führt dazu, eine Personengesellschaft<br />

bzw. nicht rechtsfähige Personenvereinigung noch nicht als vollbeen<strong>de</strong>t anzusehen. Nach Beendigung <strong>de</strong>r<br />

gesellschaftsrechtlichen Liquidation (z. B. Prüfung bei „<strong>de</strong>m gesellschaftsrechtlich been<strong>de</strong>ten Autohaus Heinrich<br />

Schmitz Nachf. GbR“) bleibt die Personengesellschaft bzw. nicht rechtsfähige Personenvereinigung weiterhin<br />

Prüfungssubjekt; die Prüfungsanordnung ist <strong>de</strong>shalb an sie zu richten (vgl. BFH-Urteil vom 1.3.1994 – VIII R<br />

35/92 – BStBl. 1995 II, S. 241). Zu empfehlen ist die Bekanntgabe <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung an alle ehemaligen<br />

Gesellschafter als Liquidatoren (mit Hinweis auf die rechtliche Stellung als Liquidator).<br />

5.7 Eintritt, Ausschei<strong>de</strong>n und Wechsel von Gesellschaftern einer Personengesellschaft o<strong>de</strong>r einer nicht<br />

rechtsfähigen Personengemeinschaft<br />

5.7.1 Wird das Han<strong>de</strong>lsgeschäft eines Einzelunternehmers in eine Personen- o<strong>de</strong>r Kapitalgesellschaft<br />

eingebracht, ist zu unterschei<strong>de</strong>n, ob <strong>de</strong>r Zeitraum vor o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r Übertragung geprüft wird. Die<br />

Prüfungsanordnung muss an <strong>de</strong>n jeweiligen Inhaltsadressaten für die Zeit seiner Inhaberschaft gerichtet und<br />

bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Für <strong>de</strong>n Prüfungszeitraum bis <strong>zur</strong> Einbringung ergeht die Prüfungsanordnung an <strong>de</strong>n<br />

ehemaligen Einzelunternehmer als Inhaltsadressat (Prüfungssubjekt) („bei Ihnen“). In einem Zusatz ist zu<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 168 von 235


erläutern, dass Prüfungsgegenstand bestimmte Besteuerungszeiträume vor <strong>de</strong>r Einbringung in die namentlich<br />

benannte aufnehmen<strong>de</strong> Gesellschaft sind.<br />

5.7.2 Tritt in eine bestehen<strong>de</strong> Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaft o<strong>de</strong>r nicht rechtsfähige Personenvereinigung mit<br />

geschäftsüblichem Namen ein Gesellschafter ein o<strong>de</strong>r schei<strong>de</strong>t ein Gesellschafter aus unter Fortführung <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft durch die verbliebenen Gesellschafter o<strong>de</strong>r ergibt sich durch abgestimmten Ein- und Austritt ein<br />

Gesellschafterwechsel, än<strong>de</strong>rt sich die I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>r Gesellschaft nicht. Daher ist die Prüfungsanordnung auch für<br />

die Zeit vor <strong>de</strong>m Eintritt, Ausschei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Wechsel an die Personengesellschaft als Inhaltsadressaten zu richten.<br />

An <strong>de</strong>n ausgeschie<strong>de</strong>nen Gesellschafter ergeht keine geson<strong>de</strong>rte Prüfungsanordnung. Ihm ist jedoch <strong>zur</strong><br />

Wahrung <strong>de</strong>s rechtlichen Gehörs eine Kopie <strong>de</strong>r an die Gesellschaft gerichteten Prüfungsanordnung zu<br />

übersen<strong>de</strong>n. Dabei ist er auf <strong>de</strong>n Sinn und Zweck dieser Benachrichtigung hinzuweisen.<br />

5.7.3 Schei<strong>de</strong>t aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft o<strong>de</strong>r nicht rechtsfähigen Personengemeinschaft <strong>de</strong>r<br />

vorletzte Gesellschafter aus und wird <strong>de</strong>r Betrieb durch <strong>de</strong>n verbliebenen Gesellschafter ohne Liquidation<br />

fortgeführt (= vollbeen<strong>de</strong>te Gesellschaft; BFH-Urteil vom 18.9.1980 – V R 175/74 – BStBl. 1981 II, S. 293), ist<br />

<strong>de</strong>r jetzige Alleininhaber Gesamtrechtsnachfolger gemäß § 45 Satz 1 für die Betriebssteuern. Die<br />

Prüfungsanordnung für die Betriebssteuern ist daher auch für die Zeit <strong>de</strong>s Bestehens <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft/Gemeinschaft an <strong>de</strong>n jetzigen Alleininhaber zu richten und diesem bekannt zu geben. Er ist auf<br />

seine Stellung als Gesamtrechtsnachfolger hinzuweisen. In einem Zusatz ist <strong>de</strong>utlich zu machen, dass die<br />

Prüfung die steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>r vollbeen<strong>de</strong>ten Gesellschaft/Gemeinschaft betrifft.<br />

Für die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Gewinnfeststellung geht die Pflicht, die Prüfung zu dul<strong>de</strong>n (vgl. Nrn. 2.1 und<br />

5.2.1), ebenfalls von <strong>de</strong>r Gesellschaft/Gemeinschaft auf <strong>de</strong>n jetzigen Alleininhaber als Gesamtrechtsnachfolger<br />

i. S. v. § 45 Abs. 1 Satz 1 über (BFH-Urteil vom 25.4.2006 – VIII R 46/02 – BFH/NV S. 2037) Die<br />

Prüfungsanordnung <strong>zur</strong> geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Gewinnfeststellung für die Zeit <strong>de</strong>s Bestehens <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft ist daher ebenfalls an <strong>de</strong>n jetzigen Alleininhaber zu richten und diesem bekannt zu geben. Auf die<br />

Stellung als Gesamtrechtsnachfolger ist hinzuweisen. In einem Zusatz ist <strong>de</strong>utlich zu machen, dass die Prüfung<br />

die steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>r vollbeen<strong>de</strong>ten Gesellschaft/Gemeinschaft betrifft.<br />

Erzielt die Personengesellschaft/Gemeinschaft ausschließlich Überschusseinkünfte (z. B. aus Vermietung und<br />

Verpachtung), ist sie als solche kein Prüfungssubjekt hinsichtlich <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Feststellung<br />

<strong>de</strong>r Überschusseinkünfte (vgl. Nr. 5.2.2). Die Duldungspflicht <strong>de</strong>r Prüfung kann daher auch nicht im Wege <strong>de</strong>r<br />

Gesamtrechtsnachfolge auf <strong>de</strong>n jetzigen Alleingesellschafter übergehen. Die Prüfungsanordnung ist in diesem<br />

Fall an je<strong>de</strong>n ehemaligen Gesellschafter zu richten und bekannt zu geben.<br />

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6. Juristische Personen<br />

Vgl. zu § 122, Nr. 2.8.<br />

7. Soweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen Insolvenzverwalter o<strong>de</strong>r einen vorläufigen<br />

Insolvenzverwalter übergegangen ist (siehe zu § 251, Nrn. 3.1 und 4.2), ist dieser Bekanntgabeadressat (Nr. 2.2).<br />

8. Gesamtrechtsnachfolge in Erbfällen<br />

8.1 Geht ein Einzelunternehmen durch Erbfall im Wege <strong>de</strong>r Gesamtrechtsnachfolge auf eine o<strong>de</strong>r mehrere<br />

Person(en) über, ist die Prüfungsanordnung an <strong>de</strong>n/die Erben als Prüfungssubjekt zu richten. Bei ihm/ihnen kann<br />

eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 auch für Zeiträume stattfin<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Erblasser unternehmerisch<br />

tätig war (BFH-Urteil vom 24.8.1989 – IV R 65/88 – BStBl. 1990 II, S. 2). Auf <strong>de</strong>n/die Erben gehen als<br />

Gesamtrechtsnachfolger alle Verpflichtungen aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis über (§ 45 Abs. 1); hierzu gehört<br />

auch die Duldung <strong>de</strong>r Betriebsprüfung (BFH-Urteil vom 9.5.1978 – VII R 96/75 – BStBl. II, S. 501).<br />

Beispiele:<br />

a) Anschrift:<br />

Frau Antonia Huber<br />

Text:<br />

„. . . ordne ich an, dass bei Ihnen bezüglich <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse Ihres verstorbenen Ehemannes Anton<br />

Huber eine Außenprüfung durchgeführt wird.“<br />

Zusatz:<br />

„. . . ergeht an Sie als Alleinerbin und Gesamtrechtsnachfolgerin nach Ihrem Ehemann.“<br />

b) Anschrift:<br />

Herrn Steuerberater Klaus Schulz<br />

Text:<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 169 von 235


„. . . ordne ich an, dass bei Ihrer Mandantin Antonia Huber bezüglich <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse ihres<br />

verstorbenen Ehemanns Anton Huber eine Außenprüfung durchgeführt wird.“<br />

Zusatz:<br />

„. . . ergeht an Sie für Frau Antonia Huber als Alleinerbin und Gesamtrechtsnachfolgerin nach Anton Huber.“<br />

c) Anschrift:<br />

Herrn Steuerberater Klaus Schulz<br />

Text:<br />

„. . . ordne ich an, dass bei Ihren Mandanten Emilia Müller, Fritz Müller (usw., alle Erben namentlich<br />

aufzuzählen) bezüglich <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>s verstorbenen Emil Müller eine Außenprüfung<br />

durchgeführt wird.“<br />

Zusatz:<br />

„. . . ergeht an Sie für Frau Emilia Müller, Herrn Fritz Müller usw. als Erben und Gesamtrechtsnachfolger <strong>de</strong>s<br />

verstorbenen Emil Müller.“<br />

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8.2 Hat die Erbengemeinschaft keinen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten, ist je<strong>de</strong>m Miterben eine<br />

Prüfungsanordnung bekannt zu geben. Im Anschriftenfeld ist sie jeweils an <strong>de</strong>n einzelnen Miterben zu<br />

adressieren. Im Übrigen ist sie inhaltsgleich allen Miterben bekannt zu geben. Die Prüfung ist „bei <strong>de</strong>m“<br />

jeweiligen Miterben vorzusehen. Außer<strong>de</strong>m ist in <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung in einem Zusatz darzustellen, welche<br />

weiteren Miterben <strong>zur</strong> Erbengemeinschaft gehören (Darstellung mit vollständigen Namen und ggf. Anschriften).<br />

8.3 Ist ein Miterbe gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter aller Miterben, so ist die Prüfungsanordnung nur<br />

diesem Miterben wie folgt bekannt zu geben:<br />

Anschrift:<br />

Anna Müller, Anschrift<br />

Text:<br />

„. . . ordne ich an, dass bei Ihnen bezüglich <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse Ihres verstorbenen Ehemanns Herbert<br />

Müller eine Außenprüfung durchgeführt wird.“<br />

Zusatz:<br />

„Die Prüfungsanordnung ergeht an Sie mit Wirkung für alle Miterben und Gesamtrechtsnachfolger nach Herbert<br />

Müller: Frau Anna Müller, Frau Eva Müller, . . . (alle weiteren Miterben namentlich, ggf. mit Anschrift,<br />

nennen).“<br />

Zweckmäßigerweise sollten getrennte Prüfungsanordnungen für folgen<strong>de</strong> gleichzeitig vorliegen<strong>de</strong> und zu<br />

prüfen<strong>de</strong> Fallgestaltungen ergehen:<br />

– Prüfungszeitraum <strong>de</strong>s Erblassers als Einzelunternehmer (s. o.),<br />

– Prüfungszeitraum <strong>de</strong>r Fortführung <strong>de</strong>s Unternehmens durch die Erbengemeinschaft (Prüfung „bei <strong>de</strong>r<br />

Erbengemeinschaft, Anna Müller, ggf. Anschrift, sowie Eva Müller, ggf. Anschrift, und Thomas Müller, ggf.<br />

Anschrift etc. Alle Beteiligten sind Erben und Gesamtsrechtsnachfolger nach Herbert Müller.“),<br />

– Prüfung eines eigenen Betriebs eines Miterben (z. B. <strong>de</strong>r Ehefrau <strong>de</strong>s Erblassers).<br />

9. Umwandlungen<br />

9.1 In <strong>de</strong>n übrigen Fällen einer Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1 (vgl. zu § 45) gelten grundsätzlich die<br />

Anweisungen zu § 122, Nrn. 2.12.1 und 2.12.2.<br />

9.2 Nach einer Verschmelzung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2 ff. UmwG) ist sowohl hinsichtlich <strong>de</strong>r Betriebssteuern als<br />

auch hinsichtlich <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Feststellungen Nr. 5.7.3 sinngemäß anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

9.3 In Fällen einer Abspaltung o<strong>de</strong>r Ausglie<strong>de</strong>rung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 123 ff. UmwG) sowie einer<br />

Vermögensübertragung im Wege <strong>de</strong>r Teilübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, § 174 Abs. 2, §§ 175, 177, 179, 184 ff.,<br />

189 UmwG) liegt keine Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1 vor (vgl. zu § 45, Nr. 2). Eine<br />

Prüfungsanordnung, die sich auf Zeiträume bis <strong>zur</strong> Abspaltung, Ausglie<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Vermögensübertragung<br />

bezieht, ist daher stets an <strong>de</strong>n abspalten<strong>de</strong>n, ausglie<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n bzw. an <strong>de</strong>n das Vermögen übertragen<strong>de</strong>n<br />

Rechtsträger zu richten.<br />

9.4 In <strong>de</strong>n Fällen einer Aufspaltung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 1 UmwG) ist jedoch § 45 Abs. 1 sinngemäß<br />

anzuwen<strong>de</strong>n. Eine Prüfungsanordnung, die sich auf Zeiträume bis <strong>zur</strong> Aufspaltung bezieht, ist an alle<br />

spaltungsgeborenen Gesellschaften zu richten. Dies gilt nicht in Bezug auf die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche<br />

Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (vgl. zu § 45, Nr. 2).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 170 von 235


9.5 Bei einer formwechseln<strong>de</strong>n Umwandlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, §§ 190 ff. UmwG) han<strong>de</strong>lt es sich lediglich um<br />

<strong>de</strong>n Wechsel <strong>de</strong>r Rechtsform. Das Prüfungssubjekt bleibt i<strong>de</strong>ntisch; es än<strong>de</strong>rt sich lediglich <strong>de</strong>ssen Bezeichnung.<br />

Die Prüfungsanordnung ist an die Gesellschaft unter ihrer neuen Bezeichnung zu richten. Dies gilt auch, wenn<br />

sich – wie z. B. in Fällen <strong>de</strong>r Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft – das Steuersubjekt än<strong>de</strong>rt und daher eine<br />

steuerliche Gesamtrechtsnachfolge vorliegt (vgl. zu § 45, Nr. 3). Wur<strong>de</strong> eine Personengesellschaft, die<br />

Gewinneinkünfte erzielt hat, in eine Kapitalgesellschaft umgewan<strong>de</strong>lt, ist eine Prüfungsanordnung, die sich auf<br />

die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen <strong>de</strong>r Personengesellschaft erstreckt,<br />

nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>r Nr. 5.2.1 an die Kapitalgesellschaft zu richten. Hat die umgewan<strong>de</strong>lte<br />

Personengesellschaft Überschusseinkünfte erzielt, ist die Prüfungsanordnung für die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche<br />

Feststellung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen nach <strong>de</strong>n Grundsätzen von Nr. 5.2.2 an die Gesellschafter <strong>de</strong>r<br />

ehemaligen Personengesellschaft zu richten.<br />

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Zu § 198 – Ausweispflicht, Beginn <strong>de</strong>r Außenprüfung:<br />

1. Die Außenprüfung beginnt grundsätzlich in <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Außenprüfer nach Bekanntgabe <strong>de</strong>r<br />

Prüfungsanordnung konkrete Ermittlungshandlungen vornimmt. Bei einer Datenträgerüberlassung beginnt<br />

die Außenprüfung spätestens mit <strong>de</strong>r Auswertung <strong>de</strong>r Daten. Die Handlungen brauchen für <strong>de</strong>n Betroffenen<br />

nicht erkennbar zu sein; es genügt vielmehr, dass <strong>de</strong>r Außenprüfer nach Bekanntgabe <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung<br />

mit <strong>de</strong>m Studium <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Steuerfall betreffen<strong>de</strong>n Akten beginnt (BFH-Urteile vom 7.8.1980 – II R 119/77 –<br />

BStBl. 1981 II, S. 409, vom 11.10.1983 – VIII R 11/82 – BStBl. 1984 II, S. 125 und vom 18.12.1986 – I<br />

R 49/83 – BStBl. 1987 II, S. 408). Als Beginn <strong>de</strong>r Außenprüfung ist auch ein Auskunfts- und<br />

Vorlageersuchen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> anzusehen, mit <strong>de</strong>m unter Hinweis auf die Außenprüfung um<br />

Beantwortung verschie<strong>de</strong>ner Fragen und Vorlage bestimmter Unterlagen gebeten wird (BFH-Urteil vom<br />

2.2.1994 – I R 57/93 – und BFH-Beschluss vom 3.3.2009 – IV S 12/08 – BFH/NV S. 958–961). Ein<br />

Aktenstudium, das vor <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Betriebsprüfungsanordnung genannten Termin <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r Prüfung<br />

durchgeführt wird, gehört hingegen noch zu <strong>de</strong>n Prüfungsvorbereitungen (BFH-Urteil vom 8.7.2009 – XI R<br />

64/07 – BStBl. 2010 II, S. 4).<br />

2. Bei <strong>de</strong>r Außenprüfung von Konzernen und sonstigen zusammenhängen<strong>de</strong>n Unternehmen i. S. d. §§ 13 bis 19<br />

BpO gelten keine Beson<strong>de</strong>rheiten. Da es sich um rechtlich selbstständige Unternehmen han<strong>de</strong>lt, fällt <strong>de</strong>r<br />

Beginn <strong>de</strong>r Außenprüfung grundsätzlich auf <strong>de</strong>n Tag, an <strong>de</strong>m mit <strong>de</strong>r Prüfung <strong>de</strong>s jeweiligen Unternehmens<br />

begonnen wird. Wer<strong>de</strong>n mehrere konzernzugehörige Unternehmen von einer Finanzbehör<strong>de</strong> geprüft und hat<br />

sie sich mit allen von ihr zu prüfen<strong>de</strong>n Betrieben befasst, um sich einen Überblick über die<br />

prüfungsrelevanten Sachverhalte zu verschaffen, sowie die wirtschaftlichen, bilanziellen und<br />

liquiditätsmäßigen Verflechtungen zwischen <strong>de</strong>n Unternehmen aus <strong>de</strong>n unterschiedlichen Perspektiven<br />

untersucht, ist damit bereits ein einheitlicher Prüfungsbeginn gegeben.<br />

Wenn dagegen ein konzernzugehöriges Unternehmen von einer an<strong>de</strong>ren Finanzbehör<strong>de</strong> geprüft wird, beginnt<br />

die Außenprüfung erst dann, wenn konkrete Prüfungshandlungen in diesem Einzelfall vorgenommen wor<strong>de</strong>n<br />

sind. Der Zeitpunkt <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r Außenprüfung ist in <strong>de</strong>n Prüfungsbericht aufzunehmen.<br />

3. Zur Ablaufhemmung vgl. zu § 171, Nr. 3.<br />

Zu § 200 – Mitwirkungspflichten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen:<br />

1. Die Bestimmung <strong>de</strong>s Umfangs <strong>de</strong>r Mitwirkung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen liegt im pflichtgemäßen Ermessen <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>. Auf Anfor<strong>de</strong>rung hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige vorhan<strong>de</strong>ne Aufzeichnungen und Unterlagen<br />

vorzulegen, die nach Einschätzung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> für eine ordnungsgemäße und effiziente Abwicklung<br />

<strong>de</strong>r Außenprüfung erfor<strong>de</strong>rlich sind, ohne dass es ihm gegenüber einer zusätzlichen Begründung hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>r steuerlichen Be<strong>de</strong>utung bedarf.<br />

Konzernunternehmen haben auf Anfor<strong>de</strong>rung insbeson<strong>de</strong>re vorzulegen:<br />

– <strong>de</strong>n Prüfungsbericht <strong>de</strong>s Wirtschaftsprüfers über die Konzernabschlüsse <strong>de</strong>r Konzernmuttergesellschaft,<br />

– die Richtlinie <strong>de</strong>r Konzernmuttergesellschaft <strong>zur</strong> Erstellung <strong>de</strong>s Konzernabschlusses,<br />

– die konsolidierungsfähigen Einzelabschlüsse (sog. Han<strong>de</strong>lsbilanzen II) <strong>de</strong>r Konzernmuttergesellschaft,<br />

– Einzelabschlüsse und konsolidierungsfähige Einzelabschlüsse (sog. Han<strong>de</strong>lsbilanzen II) von in- und<br />

ausländischen Konzernunternehmen.<br />

Bei Auslandssachverhalten trägt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige eine erhöhte Mitwirkungspflicht (BFH-Beschluss vom<br />

9.7.1986 – I B 36/86 – BStBl. 1987 II, S. 487). Im Falle von Verzögerungen durch <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r von ihm benannten Auskunftspersonen soll nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalls von <strong>de</strong>r<br />

Möglichkeit <strong>de</strong>r Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln (§ 328), <strong>de</strong>r Festsetzung von<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 171 von 235


Verzögerungsgeld (§ 146 Abs. 2b) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Schätzung (§ 162) Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n. Im Rahmen von<br />

Geschäftsbeziehungen zwischen nahe stehen<strong>de</strong>n Personen sind die Regelungen <strong>de</strong>r<br />

Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung und <strong>de</strong>r Verwaltungsgrundsätze-Verfahren (BMF-Schreiben<br />

vom 12.4.2005, BStBl. I, S. 570) zu beachten. Kreditinstitute sind verpflichtet, <strong>de</strong>m Außenprüfer Angaben<br />

<strong>zur</strong> I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>r Bankkun<strong>de</strong>n zu machen. Das bankseitige Ausblen<strong>de</strong>n ein<strong>de</strong>utiger Ordnungsmerkmale <strong>de</strong>r<br />

Bankkun<strong>de</strong>n im Hinblick auf § 30a ist nicht zulässig.<br />

2. Eine Außenprüfung in <strong>de</strong>n Geschäftsräumen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen verstößt nicht gegen Art. 13 GG (BFH-<br />

Urteil vom 20.10.1988 – IV R 104/86 – BStBl. 1989 II, S. 180). Ist ein geeigneter Geschäftsraum vorhan<strong>de</strong>n,<br />

so muss die Außenprüfung dort stattfin<strong>de</strong>n. Ob ein geeigneter Geschäftsraum vorhan<strong>de</strong>n ist, richtet sich nach<br />

<strong>de</strong>r objektiven Beschaffenheit <strong>de</strong>r Räume, <strong>de</strong>n betriebsüblichen Verhältnissen sowie arbeitsrechtlichen<br />

Grundsätzen. Der Vorrang <strong>de</strong>r Geschäftsräume vor allen an<strong>de</strong>ren Orten ergibt sich aus <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s<br />

§ 200 Abs. 2 und aus <strong>de</strong>m Sinn und Zweck <strong>de</strong>r Außenprüfung. Sind keine geeigneten Geschäftsräume<br />

vorhan<strong>de</strong>n, ist in <strong>de</strong>n Wohnräumen o<strong>de</strong>r an Amtsstelle zu prüfen. Nur im Ausnahmefall und nur auf Antrag<br />

kommen an<strong>de</strong>re Prüfungsorte in Betracht, wenn schützenswerte Interessen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen von<br />

beson<strong>de</strong>rs großem Gewicht die Interessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n an einem effizienten Prüfungsablauf in <strong>de</strong>n<br />

Geschäftsräumen verdrängen.<br />

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Zu § 201 – Schlussbesprechung:<br />

1. Rechtsirrtümer, die die Finanzbehör<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>r Schlussbesprechung erkennt, können bei <strong>de</strong>r Auswertung <strong>de</strong>r<br />

Prüfungsfeststellungen auch dann richtiggestellt wer<strong>de</strong>n, wenn an <strong>de</strong>r Schlussbesprechung <strong>de</strong>r für die<br />

Steuerfestsetzung zuständige Beamte teilgenommen hat (BFH-Urteile vom 6.11.1962 – I 298/614 –<br />

BStBl. 1963 III, S. 104 und vom 1.3.1963 – VI 119/61 U – BStBl. III, S. 212). Zusagen im Rahmen einer<br />

Schlussbesprechung, die im Betriebsprüfungsbericht nicht aufrechterhalten wer<strong>de</strong>n, erzeugen schon aus<br />

diesem Grund keine Bindung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> nach Treu und Glauben (BFH-Urteil vom 27.4.1977 –<br />

I R 211/74 – BStBl. II, S. 623).<br />

2. Die Außenprüfung ist abgeschlossen, wenn die prüfen<strong>de</strong> Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Abschluss ausdrücklich o<strong>de</strong>r<br />

konklu<strong>de</strong>nt erklärt. I. d. R. kann die Außenprüfung mit <strong>de</strong>r Zusendung <strong>de</strong>s Prüfungsberichts (§ 202 Abs. 1)<br />

als abgeschlossen angesehen wen<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 17.7.1985 – I R 214/82 – BStBl. 1986 II, S. 21 und<br />

vom 4.2.1988 – V R 57/83 – BStBl. II, S. 413). Reicht <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nach Zusendung <strong>de</strong>s<br />

Betriebsprüfungsberichts eine – ausdrücklich vorbehaltene – Stellungnahme und Unterlagen ein, die zu<br />

einem Wie<strong>de</strong>reintritt in Ermittlungshandlungen führen, erfolgt dies noch im Rahmen <strong>de</strong>r Außenprüfung<br />

(BFH-Urteil vom 8.7.2009 – XI R 64/07 – BStBl. 2010 II, S. 4).<br />

3. Der Steuerpflichtige kann <strong>de</strong>n Verzicht nach § 201 Abs. 1 Satz 1 auf die Abhaltung einer<br />

Schlussbesprechung formlos erklären. Die Finanzbehör<strong>de</strong> vereinbart mit <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen einen Termin<br />

<strong>zur</strong> Abhaltung <strong>de</strong>r Schlussbesprechung, <strong>de</strong>r innerhalb eines Monats seit Beendigung <strong>de</strong>r<br />

Ermittlungshandlungen liegt. Kommt eine Terminabsprache nicht zustan<strong>de</strong>, lädt die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen schriftlich <strong>zur</strong> Schlussbesprechung an Amtsstelle und weist gleichzeitig darauf hin, dass die<br />

Nichtwahrnehmung <strong>de</strong>s Termins ohne Angabe von Grün<strong>de</strong>n als Verzicht i. S. d. § 201 Abs. 1 Satz 1 zu<br />

werten ist.<br />

4. Die Verwertung von Prüfungsfeststellungen hängt nicht davon ab, ob eine Schlussbesprechung abgehalten<br />

wor<strong>de</strong>n ist. Das Unterlassen einer Schlussbesprechung führt nicht „ohne weiteres“ zu einer Fehlerhaftigkeit<br />

<strong>de</strong>r aufgrund <strong>de</strong>s Berichts über die Außenprüfung ergangenen Steuerbeschei<strong>de</strong> (BFH-Beschluss vom<br />

15.12.1997 – X B 182/96 – BFH/NV 1998 S. 811).<br />

5. Zu <strong>de</strong>r Zulässigkeit und <strong>de</strong>n Rechtsfolgen einer tatsächlichen Verständigung siehe BMF-Schreiben vom<br />

30.7.2008, BStBl. I, S. 831.<br />

6. Der Hinweis nach § 201 Abs. 2 ist zu erteilen, wenn es nach <strong>de</strong>m Erkenntnisstand zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Schlussbesprechung möglich erscheint, dass ein Straf- o<strong>de</strong>r Bußgeldverfahren durchgeführt wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Nr. 131 Abs. 2 AStBV (St). Durch <strong>de</strong>n Hinweis nach § 201 Abs. 2 wird<br />

noch nicht das Straf- und Bußgeldverfahren i. S. d. §§ 397, 410 Abs. 1 Nr. 6 eröffnet, weil das Aussprechen<br />

eines strafrechtlichen Vorbehalts i. S. d. § 201 Abs. 2 noch im Rahmen <strong>de</strong>r Außenprüfung bei Durchführung<br />

<strong>de</strong>r Besteuerung geschieht. Der Hinweis nach § 201 Abs. 2 ist kein Verwaltungsakt.<br />

Zu § 202 – Inhalt und Bekanntgabe <strong>de</strong>s Prüfungsberichts:<br />

Der Prüfungsbericht und die Mitteilung über die ergebnislose Prüfung (§ 202 Abs. 1 Satz 3) sind keine<br />

Verwaltungsakte und können <strong>de</strong>shalb nicht mit <strong>de</strong>m Einspruch angefochten wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom<br />

17.7.1985 – I R 214/82 – BStBl. 1986 II, S. 21 und vom 29.4.1987 – I R 118/83 – BStBl. 1988 II, S. 168). In <strong>de</strong>r<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 172 von 235


Übersendung <strong>de</strong>s Prüfungsberichts, <strong>de</strong>r keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthält, dass die Außenprüfung<br />

nicht zu einer Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen geführt hat, kann keine konklu<strong>de</strong>nte Mitteilung i. S. d.<br />

§ 202 Abs. 1 Satz 3 gesehen wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 14.12.1989 – III R 158/85 – BStBl. 1990 II, S. 283).<br />

Für <strong>de</strong>n Innendienst bestimmte o<strong>de</strong>r spätere Besteuerungszeiträume betreffen<strong>de</strong> Mitteilungen <strong>de</strong>s Außenprüfers<br />

sind in <strong>de</strong>n Prüfungsbericht nicht aufzunehmen (BFH-Urteil vom 27.3.1961 – I 276/60 U – BStBl. III, S. 290).<br />

Zu § 203 – Abgekürzte Außenprüfung:<br />

1. Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 203 soll auch eine im Interesse <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen liegen<strong>de</strong> rasche Durchführung<br />

einer Außenprüfung ermöglichen (BFH-Urteil vom 25.11.1989 – V R 158/87 – BStBl. II, S. 483).<br />

2. Bei einer abgekürzten Außenprüfung fin<strong>de</strong>n die Vorschriften über die Außenprüfung (§§ 193 ff.)<br />

Anwendung, mit Ausnahme <strong>de</strong>r §§ 201 Abs. 1 und 202 Abs. 2. Sie ist bei allen unter § 193 fallen<strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen zulässig.<br />

Eine Beschränkung <strong>de</strong>r in Frage kommen<strong>de</strong>n Fälle nach <strong>de</strong>r Einordnung <strong>de</strong>r Betriebe in Größenklassen<br />

besteht nicht. Die abgekürzte Außenprüfung unterschei<strong>de</strong>t sich von einer im Prüfungsstoff schon<br />

eingeschränkten Außenprüfung, in<strong>de</strong>m sie darüber hinaus auf die Prüfung einzelner Besteuerungsgrundlagen<br />

eines Besteuerungszeitraums o<strong>de</strong>r mehrerer Besteuerungszeiträume beschränkt wird (§ 4 Abs. 5 Satz 2 BpO).<br />

3. In <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung ist die Außenprüfung als abgekürzte Außenprüfung i. S. d. §§ 193, 203<br />

ausdrücklich zu bezeichnen. Ein Wechsel von <strong>de</strong>r abgekürzten <strong>zur</strong> nicht abgekürzten Außenprüfung und<br />

umgekehrt ist zulässig. Hierzu bedarf es einer ergänzen<strong>de</strong>n Prüfungsanordnung.<br />

4. Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 203 Abs. 2 entbin<strong>de</strong>t nicht von <strong>de</strong>r Verpflichtung <strong>zur</strong> Fertigung eines Prüfungsberichts.<br />

5. Die abgekürzte Außenprüfung löst dieselben Rechtsfolgen wie eine nicht abgekürzte Außenprüfung aus.<br />

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Zu § 204 – Voraussetzung <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage:<br />

1. Von <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage nach § 204 sind zu unterschei<strong>de</strong>n:<br />

– die tatsächliche Verständigung über <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Sachverhalt (vgl.<br />

BMF-Schreiben vom 30.7.2008, BStBl. I, S. 831),<br />

– die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 und<br />

– die Lohnsteueranrufungsauskunft (§ 42e EStG).<br />

2. Über <strong>de</strong>n Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zusage entschei<strong>de</strong>t die für die Auswertung <strong>de</strong>r<br />

Prüfungsfeststellungen zuständige Finanzbehör<strong>de</strong>. Im Fall einer Auftragsprüfung nach § 195 kann die<br />

beauftragte Finanzbehör<strong>de</strong> nur im Einvernehmen mit <strong>de</strong>r für die Besteuerung zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong><br />

eine verbindliche Zusage erteilen.<br />

3. Der Anwendungsbereich <strong>de</strong>r Vorschrift erstreckt sich auf für die Vergangenheit geprüfte (verwirklichte)<br />

Sachverhalte mit Wirkung in die Zukunft (z. B. Gesellschaftsverträge, Erwerb von Grundstücken). Zwischen<br />

<strong>de</strong>r Außenprüfung und <strong>de</strong>m Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zusage muss <strong>de</strong>r zeitliche<br />

Zusammenhang gewahrt bleiben (BFH-Urteil vom 13.12.1995 – XI R 43–45/89 – BStBl. 1996 II, S. 232).<br />

Bei einem nach <strong>de</strong>r Schlussbesprechung gestellten Antrag ist i. d. R. keine verbindliche Zusage mehr zu<br />

erteilen, wenn hierzu umfangreiche Prüfungshandlungen erfor<strong>de</strong>rlich sind. Der Antrag auf Erteilung einer<br />

verbindlichen Zusage soll schriftlich bzw. elektronisch gestellt wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 4.8.1961 –<br />

VI 269/60 S – BStBl. III, S. 562). Unklarheiten gehen zu Lasten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom<br />

13.12.1989 – X R 208/87 – BStBl. 1990 II, S. 274).<br />

4. Die Beurteilung eines Sachverhalts im Prüfungsbericht o<strong>de</strong>r in einem aufgrund einer Außenprüfung<br />

ergangenen Steuerbescheid steht einer verbindlichen Zusage nicht gleich (BFH-Urteil vom 23.9.1992 –<br />

X R 129/90 – BFH/NV 1993 S. 294). Auch die Tatsache, dass eine bestimmte Gestaltung von<br />

vorangegangenen Außenprüfungen nicht beanstan<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, schafft keine Bindungswirkung nach Treu und<br />

Glauben (BFH-Urteil vom 29.1.1997 – XI R 27/95 – BFH/NV 1997 S. 816).<br />

5. Der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zusage kann ausnahmsweise abgelehnt wer<strong>de</strong>n, insbeson<strong>de</strong>re,<br />

wenn sich <strong>de</strong>r Sachverhalt nicht für eine verbindliche Zusage eignet (z. B. zukünftige Angemessenheit von<br />

Verrechnungspreisen bei unübersichtlichen Marktverhältnissen) o<strong>de</strong>r wenn zu <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Sachverhalt<br />

die Herausgabe von allgemeinen Verwaltungsvorschriften o<strong>de</strong>r eine Grundsatzentscheidung <strong>de</strong>s BFH nahe<br />

bevorsteht.<br />

Zu § 205 – Form <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage:<br />

Vorbehalte in <strong>de</strong>r erteilten verbindlichen Zusage (z. B. „vorbehaltlich <strong>de</strong>s Ergebnisses einer Besprechung mit<br />

<strong>de</strong>n obersten Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r“) schließen die Bindung aus (BFH-Urteil vom 4.8.1961 –<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 173 von 235


VI 269/60 S – BStBl. III, S. 562). Die verbindliche Zusage hat im Hinblick auf die Regelung in § 207 Abs. 1 die<br />

Rechtsvorschriften zu enthalten, auf die die Entscheidung gestützt wird (BFH-Urteil vom 3.7.1986 –<br />

IV R 66/84 – BFH/NV 1987 S. 89).<br />

Zu § 206 – Bindungswirkung:<br />

Entspricht <strong>de</strong>r nach Erteilung <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage festgestellte und steuerlich zu beurteilen<strong>de</strong> Sachverhalt<br />

nicht <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage zugrun<strong>de</strong> gelegten Sachverhalt, so ist die Finanzbehör<strong>de</strong> an die erteilte<br />

Zusage auch ohne beson<strong>de</strong>ren Wi<strong>de</strong>rruf nicht gebun<strong>de</strong>n (§ 206 Abs. 1). Trifft die Finanzbehör<strong>de</strong> in einer<br />

Steuerfestsetzung eine an<strong>de</strong>re Entscheidung als bei <strong>de</strong>r Erteilung <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage, so kann <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige im Rechtsbehelfsverfahren gegen <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Bescheid die Bindungswirkung geltend<br />

machen. Der Steuerpflichtige an<strong>de</strong>rerseits ist nicht gebun<strong>de</strong>n, wenn die verbindliche Zusage zu seinen<br />

Ungunsten <strong>de</strong>m gelten<strong>de</strong>n Recht wi<strong>de</strong>rspricht (§ 206 Abs. 2). Er kann also <strong>de</strong>n Steuerbescheid, <strong>de</strong>m eine<br />

verbindliche Zusage zugrun<strong>de</strong> liegt, anfechten, um eine günstigere Regelung zu erreichen. Hierbei ist es<br />

unerheblich, ob die Fehlerhaftigkeit <strong>de</strong>r Zusage bereits bei ihrer Erteilung erkennbar war o<strong>de</strong>r erst später (z. B.<br />

durch eine Rechtsprechung zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen) erkennbar gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

Zu § 207 – Außerkrafttreten, Aufhebung und Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage:<br />

1. Unter Rechtsvorschriften i. S. d. § 207 Abs. 1 sind nur Rechtsnormen zu verstehen, nicht jedoch<br />

Verwaltungsanweisungen o<strong>de</strong>r eine geän<strong>de</strong>rte Rechtsprechung.<br />

2. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann die verbindliche Zusage mit Wirkung für die Zukunft wi<strong>de</strong>rrufen o<strong>de</strong>r än<strong>de</strong>rn<br />

(§ 207 Abs. 2), z. B. wenn sich die steuerrechtliche Beurteilung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage zugrun<strong>de</strong><br />

gelegten Sachverhalts durch die Rechtsprechung o<strong>de</strong>r Verwaltung zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen än<strong>de</strong>rt.<br />

Im Einzelfall kann es aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n gerechtfertigt sein, von einem Wi<strong>de</strong>rruf <strong>de</strong>r verbindlichen<br />

Zusage abzusehen o<strong>de</strong>r die Wirkung <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs zu einem späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen. Eine<br />

solche Billigkeitsmaßnahme wird in <strong>de</strong>r Regel jedoch nur dann geboten sein, wenn sich <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />

nicht mehr ohne erheblichen Aufwand bzw. unter beträchtlichen Schwierigkeiten von <strong>de</strong>n im Vertrauen auf<br />

die Zusage getroffenen Dispositionen o<strong>de</strong>r eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen zu lösen vermag.<br />

Der Steuerpflichtige ist vor einer Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung zu hören (§ 91 Abs. 1).<br />

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Zu § 208 – Steuerfahndung, Zollfahndung:<br />

1. Der Steuerfahndung weist das Gesetz folgen<strong>de</strong> Aufgaben zu:<br />

a) Vorfel<strong>de</strong>rmittlungen <strong>zur</strong> Verhin<strong>de</strong>rung von Steuerverkürzungen (§ 85 Satz 2), die auf die Auf<strong>de</strong>ckung<br />

und Ermittlung unbekannter Steuerfälle gerichtet sind (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3);<br />

b) die Verfolgung bekannt gewor<strong>de</strong>ner Steuerstraftaten gem. § 386 Abs. 1 Satz 1 und<br />

Steuerordnungswidrigkeiten einschließlich <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s steuerlich erheblichen Sachverhalts und<br />

<strong>de</strong>ssen rechtlicher Würdigung (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2). § 208 Abs. 1 Sätze 2 und 3 bestimmen,<br />

welche Vorschriften für das Verfahren <strong>zur</strong> Durchführung von Steuerfahndungsmaßnahmen maßgebend<br />

sind.<br />

2. Die Steuerfahndung übt die Rechte und Pflichten aus,<br />

a) die <strong>de</strong>n Finanzämtern im Besteuerungsverfahren zustehen (§§ 85 ff.);<br />

b) die sich aus § 404 Satz 2 ergeben: erster Zugriff; Durchsuchung; Beschlagnahme; Durchsicht von<br />

Papieren sowie sonstige Maßnahmen nach <strong>de</strong>n für die Ermittlungspersonen <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft<br />

gelten<strong>de</strong>n Vorschriften.<br />

3. Zu Maßnahmen im Besteuerungsverfahren ist die Steuerfahndung auch berechtigt, wenn bereits ein<br />

Steuerstrafverfahren eingeleitet wor<strong>de</strong>n ist (vgl. BFH-Beschluss vom 29.10.1986 – I B 28/86 – BStBl. 1987<br />

II, S. 440). Für Einwendungen gegen ihre Maßnahmen im Besteuerungsverfahren ist <strong>de</strong>r Finanzrechtsweg,<br />

für Einwendungen gegen Maßnahmen im Strafverfahren wegen Steuerstraftaten <strong>de</strong>r or<strong>de</strong>ntliche Rechtsweg<br />

gegeben.<br />

4. Für die Steuerfahndung gelten bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen und bei Vorfel<strong>de</strong>rmittlungen<br />

folgen<strong>de</strong> Einschränkungen aus Vorschriften über das Besteuerungsverfahren nicht (§ 208 Abs. 1 Satz 3):<br />

a) An<strong>de</strong>re Personen als die Beteiligten können sofort um Auskunft angehalten wer<strong>de</strong>n (§ 93 Abs. 1 Satz 3).<br />

b) Das Auskunftsersuchen bedarf entgegen § 93 Abs. 2 Satz 2 nicht <strong>de</strong>r Schriftform.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 174 von 235


c) Die Vorlage von Urkun<strong>de</strong>n kann ohne vorherige Befragung <strong>de</strong>s Vorlagepflichtigen verlangt und die<br />

Einsichtnahme in diese Urkun<strong>de</strong>n unabhängig von <strong>de</strong>ssen Einverständnis erwirkt wer<strong>de</strong>n (§ 97 Abs. 2<br />

und 3).<br />

In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r Buchstaben a) und c) ist § 30a Abs. 5 zu beachten.<br />

5. Mitwirkungspflichten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, die sich aus <strong>de</strong>n Vorschriften über die Außenprüfung ergeben,<br />

bleiben bestehen (§ 208 Abs. 1 Satz 3). Die Mitwirkungspflicht kann allerdings nicht erzwungen wer<strong>de</strong>n,<br />

wenn sich <strong>de</strong>r Steuerpflichtige dadurch <strong>de</strong>r Gefahr aussetzen wür<strong>de</strong>, sich selbst wegen einer von ihm<br />

begangenen Steuerstraftat o<strong>de</strong>r Steuerordnungswidrigkeit belasten zu müssen o<strong>de</strong>r wenn gegen ihn bereits<br />

ein Steuerstraf- o<strong>de</strong>r Bußgeldverfahren eingeleitet wor<strong>de</strong>n ist. Über diese Rechtslage muss <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige belehrt wer<strong>de</strong>n.<br />

6. Beamte <strong>de</strong>r Steuerfahndung können mit sonstigen Aufgaben betraut wer<strong>de</strong>n (§ 208 Abs. 2).<br />

Zu § 218 – Verwirklichung von Ansprüchen aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis:<br />

1. Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (§ 37) wer<strong>de</strong>n durch Verwaltungsakt konkretisiert. Der – ggf.<br />

materiellrechtliche unrichtige – Verwaltungsakt beeinflusst zwar nicht die materielle Höhe <strong>de</strong>s Anspruchs<br />

aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis, solange er jedoch besteht, legt er fest, ob und in welcher Höhe ein Anspruch<br />

durchgesetzt wer<strong>de</strong>n kann. Maßgebend ist allein <strong>de</strong>r letzte Verwaltungsakt (z. B. <strong>de</strong>r letzte<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheid o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r letzte Abrechnungsbescheid). Der einheitliche Anspruch aus <strong>de</strong>m<br />

Steuerschuldverhältnis kann <strong>de</strong>shalb bei – ggf. mehrfacher – Än<strong>de</strong>rung einer Festsetzung nicht in<br />

unterschiedliche Zahlungs- und Erstattungsansprüche aufgespalten wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 6.2.1996 –<br />

VII R 50/95 – BStBl. 1997 II, S. 112).<br />

Der Verwaltungsakt wirkt konstitutiv, wenn es sich um steuerliche Nebenleistungen han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>ren<br />

Festsetzung in das Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> gestellt ist, z. B. beim Verspätungszuschlag (§ 152).<br />

2. Bei Säumniszuschlägen bedarf es keines Leistungsgebotes, wenn sie zusammen mit <strong>de</strong>r Steuer beigetrieben<br />

wer<strong>de</strong>n (§ 254 Abs. 2).<br />

3. Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis betreffen,<br />

entschei<strong>de</strong>n die Finanzbehör<strong>de</strong>n durch Abrechnungsbescheid. Als Rechtsbehelf ist <strong>de</strong>r Einspruch gegeben.<br />

Die Korrekturmöglichkeiten richten sich nach <strong>de</strong>n §§ 129 bis 131.<br />

Eine Verfügung über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen, Steuervorauszahlungen und anrechenbarer<br />

Körperschaftsteuer (Anrechnungsverfügung) ist ein Verwaltungsakt mit Bindungswirkung. Diese<br />

Bindungswirkung muss auch beim Erlass eines Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 2 beachtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Deshalb kann im Rahmen eines Abrechnungsbeschei<strong>de</strong>s die Steueranrechnung zugunsten o<strong>de</strong>r zuungunsten<br />

<strong>de</strong>s Steuerpflichtigen nur dann korrigiert wer<strong>de</strong>n, wenn eine <strong>de</strong>r Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 129 bis 131<br />

gegeben ist (vgl. BFH-Urteil vom 15.4.1997 – VII R 100/96 – BStBl. II, S. 787).<br />

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Zu § 219 – Zahlungsauffor<strong>de</strong>rung bei Haftungsbeschei<strong>de</strong>n:<br />

1. Es ist zu unterschei<strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>r gesetzlichen Entstehung <strong>de</strong>r Haftungsschuld, <strong>de</strong>m Erlass <strong>de</strong>s<br />

Haftungsbeschei<strong>de</strong>s (§ 191) und <strong>de</strong>r Inanspruchnahme <strong>de</strong>s Haftungsschuldners durch Zahlungsauffor<strong>de</strong>rung<br />

(Leistungsgebot). § 219 regelt nur die Zahlungsauffor<strong>de</strong>rung. Der Erlass <strong>de</strong>s Haftungsbeschei<strong>de</strong>s selbst wird<br />

durch die Einschränkung in <strong>de</strong>r Vorschrift nicht gehin<strong>de</strong>rt. Die Zahlungsauffor<strong>de</strong>rung darf jedoch mit <strong>de</strong>m<br />

Haftungsbescheid nur verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, wenn die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 219 vorliegen. Ist ein<br />

Haftungsbescheid ohne Leistungsgebot ergangen, beginnt die Zahlungsverjährung mit Ablauf <strong>de</strong>s<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m dieser Bescheid wirksam gewor<strong>de</strong>n ist (§ 229 Abs. 2).<br />

2. § 219 ist Ausdruck <strong>de</strong>s Grundsatzes, dass <strong>de</strong>r Haftungsschuldner nur nach <strong>de</strong>m Steuerschuldner (subsidiär)<br />

für die Steuerschuld einzustehen hat. Auch in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 219 Satz 2, in <strong>de</strong>nen das Gesetz eine<br />

unmittelbare Inanspruchnahme <strong>de</strong>s Haftungsschuldners erlaubt, kann es <strong>de</strong>r Ausübung pflichtgemäßen<br />

Ermessens entsprechen, sich zunächst an <strong>de</strong>n Steuerschuldner zu halten.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 175 von 235


Zu § 220 – Fälligkeit:<br />

1. Die angemel<strong>de</strong>te Steuervergütung bzw. das angemel<strong>de</strong>te Min<strong>de</strong>rsoll ist erst fällig, sobald <strong>de</strong>m<br />

Steuerpflichtigen die Zustimmung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bekannt wird (§ 220 Abs. 2 Satz 2). Wird <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige schriftlich bzw. elektronisch über die Zustimmung unterrichtet (z. B. zusammen mit einer<br />

Abrechnungsmitteilung), ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ihm die Zustimmung erst am dritten Tag<br />

nach Aufgabe <strong>zur</strong> Post bzw. nach <strong>de</strong>r Absendung bekannt gewor<strong>de</strong>n ist. Ergeht keine Mitteilung, wird die<br />

Zustimmung <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen grundsätzlich mit <strong>de</strong>r Zahlung (§ 224 Abs. 3) <strong>de</strong>r Steuervergütung bzw.<br />

<strong>de</strong>s Min<strong>de</strong>rsolls bekannt.<br />

2. Zur Fälligkeit von Insolvenzfor<strong>de</strong>rungen siehe zu § 251, Nr. 5.1.<br />

Zu § 224 – Leistungsort, Tag <strong>de</strong>r Zahlung:<br />

1. § 224 Abs. 2 Nr. 3 stellt sicher, dass Verzögerungen bei <strong>de</strong>r Einziehung aufgrund einer Einzugsermächtigung<br />

nicht zu Lasten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gehen.<br />

2. Die Regelungen zum Tag <strong>de</strong>r Zahlung (§ 224 Abs. 2 und 3) gelten nur bei wirksam geleisteten Zahlungen,<br />

d. h. wenn <strong>de</strong>r geleistete Betrag <strong>de</strong>n Empfänger erreicht hat.<br />

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Zu § 226 – Aufrechnung:<br />

1. Für die Aufrechnung gelten die Vorschriften <strong>de</strong>s Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 387 bis 396 BGB)<br />

sinngemäß. Eine Aufrechnung kann danach erst erklärt wer<strong>de</strong>n, wenn die Aufrechnungslage gegeben ist; dies<br />

be<strong>de</strong>utet Erfüllbarkeit (d. h. abstrakte Entstehung) <strong>de</strong>r Verpflichtung <strong>de</strong>s Aufrechnen<strong>de</strong>n (Hauptfor<strong>de</strong>rung)<br />

und gleichzeitige Fälligkeit seiner For<strong>de</strong>rung (Gegenfor<strong>de</strong>rung). Das Finanzamt ist allerdings an <strong>de</strong>r<br />

Aufrechnung gehin<strong>de</strong>rt, wenn die Durchsetzbarkeit <strong>de</strong>r Gegenfor<strong>de</strong>rung durch Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

o<strong>de</strong>r Stundung ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 31.8.1995 – VII R 58/94 – BStBl. 1996 II, S. 55).<br />

Die Aufrechnungslage wird durch eine nachträgliche rückwirken<strong>de</strong> Stundung nicht beseitigt (BFH-Urteil<br />

vom 8.7.2004 – VII R 55/03 – BStBl. 2005 II, S. 7).<br />

§ 215 erste Alternative BGB wird durch § 226 Abs. 2 AO ausgeschlossen. Die Gegenseitigkeit von<br />

For<strong>de</strong>rungen aus <strong>de</strong>m Schuldverhältnis ist gewahrt, wenn die Abgabe <strong>de</strong>rselben Körperschaft zusteht (§ 226<br />

Abs. 1) o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>rselben Körperschaft verwaltet wird (§ 226 Abs. 4). Das Finanzamt kann daher von<br />

einem Steuerpflichtigen gefor<strong>de</strong>rte Erbschaftsteuer (<strong>de</strong>m Land allein zustehen<strong>de</strong> Abgabe) gegen an diesen<br />

Steuerpflichtigen zu erstatten<strong>de</strong>n Solidaritätszuschlag (<strong>de</strong>m Bund allein zustehen<strong>de</strong> Abgabe) aufrechnen. Bei<br />

<strong>de</strong>r Aufrechnung durch <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen fin<strong>de</strong>t § 395 BGB keine Anwendung (BFH-Urteil vom<br />

25.4.1989 – VII R 105/87 – BStBl. II, S. 949).<br />

2. Eine Aufrechnung bewirkt nach § 226 Abs. 1 AO i. V. m. § 389 BGB, dass die For<strong>de</strong>rungen, soweit sie sich<br />

<strong>de</strong>cken, als in <strong>de</strong>m Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie <strong>zur</strong> Aufrechnung geeignet einan<strong>de</strong>r<br />

gegenüberstehen. Dabei ist nicht auf die Festsetzung o<strong>de</strong>r die Fälligkeit eines Steueranspruchs bzw. eines<br />

Steuererstattungsanspruchs abzustellen, son<strong>de</strong>rn auf <strong>de</strong>ssen abstrakte materiellrechtliche Entstehung (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 3.5.1991 – V R 105/86 – BFH/NV 1992 S. 77). Materiellrechtlich entstehen Ansprüche aus<br />

<strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis bereits mit Verwirklichung <strong>de</strong>s gesetzlichen Tatbestan<strong>de</strong>s, d. h. z. B. die<br />

veranlagte Einkommensteuer bereits mit Ablauf <strong>de</strong>s Veranlagungszeitraumes; auf die Kenntnis <strong>de</strong>s<br />

Finanzamts o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen über Grund und Höhe <strong>de</strong>r abstrakt entstan<strong>de</strong>nen Ansprüche kommt es<br />

nicht an.<br />

Das Steuererhebungsverfahren knüpft aber – an<strong>de</strong>rs als das Zivilrecht – nicht an die abstrakte Entstehung,<br />

son<strong>de</strong>rn an die Konkretisierung <strong>de</strong>s Steueranspruchs bzw. Steuererstattungsanspruchs durch <strong>de</strong>ssen<br />

Festsetzung im Steuerbescheid und seine hieran anschließen<strong>de</strong> Fälligkeit an (vgl. § 218 Abs. 1). Deshalb<br />

geht die Rückwirkung einer Aufrechnung bei <strong>de</strong>r Berechnung von Zinsen und Säumniszuschlägen nicht über<br />

<strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r Schuld <strong>de</strong>s Aufrechnen<strong>de</strong>n hinaus (vgl. § 238 Abs. 1 Satz 3 und § 240<br />

Abs. 1 Satz 5). Rechnet das Finanzamt mit einer Steuerfor<strong>de</strong>rung gegen eine später als die Steuerfor<strong>de</strong>rung<br />

fällig gewor<strong>de</strong>ne Erstattungsfor<strong>de</strong>rung auf, bleiben <strong>de</strong>shalb Säumniszuschläge hinsichtlich <strong>de</strong>r <strong>zur</strong><br />

Aufrechnung gestellten Steuerfor<strong>de</strong>rung für die Zeit vor <strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r Erstattungsfor<strong>de</strong>rung bestehen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Umbuchung von Steuererstattungs- o<strong>de</strong>r Steuervergütungsansprüchen, die sich aus<br />

Steueranmeldungen ergeben, gilt die Erstattung/Vergütung aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n als am Tag <strong>de</strong>s Eingangs<br />

<strong>de</strong>r Steueranmeldung, frühestens jedoch als am ersten Tag <strong>de</strong>s auf <strong>de</strong>n Anmeldungszeitraum folgen<strong>de</strong>n<br />

Monats geleistet (Wertstellung). Dies gilt entsprechend, wenn die Steuererstattung o<strong>de</strong>r Steuervergütung<br />

abweichend von <strong>de</strong>r Steueranmeldung festgesetzt wird.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 176 von 235


3. Soweit sich die Aufrechnungslage we<strong>de</strong>r aus § 226 Abs. 1 aufgrund <strong>de</strong>r Ertragsberechtigung noch aus § 226<br />

Abs. 4 aufgrund <strong>de</strong>r Verwaltungshoheit ergibt, kann in geeigneten Fällen die erfor<strong>de</strong>rliche Gegenseitigkeit<br />

seitens <strong>de</strong>r Finanzverwaltung dadurch hergestellt wer<strong>de</strong>n, dass zwecks Einziehung <strong>de</strong>r zu erheben<strong>de</strong> (ggf.<br />

anteilige) Anspruch an die Körperschaft, die <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Anspruch zu erfüllen hat, abgetreten und damit die<br />

Gläubiger-/Schuldneri<strong>de</strong>ntität i. S. d. § 226 Abs. 1 herbeigeführt wird (BFH-Urteil vom 5.9.1989 –<br />

VII R 33/87 – BStBl. II, S. 1004).<br />

4. Für die Erklärung <strong>de</strong>r Aufrechnung ist grundsätzlich die Behör<strong>de</strong> zuständig, die <strong>de</strong>n Anspruch, gegen <strong>de</strong>n<br />

aufgerechnet wer<strong>de</strong>n soll, zu erfüllen hat.<br />

5. Liegen die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nicht vor, bleibt die Möglichkeit einer vertraglichen<br />

Verrechnung <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rungen. Ein solcher Verrechnungsvertrag kommt z. B. dadurch zustan<strong>de</strong>, dass <strong>de</strong>r<br />

Unternehmer (eine Personengesellschaft) gleichzeitig mit <strong>de</strong>r Umsatzsteuer-Voranmeldung <strong>de</strong>m Finanzamt<br />

die Verrechnung seines Umsatzsteuer-Erstattungsanspruchs mit <strong>de</strong>r Einkommensteuer-For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

Finanzamts an einen <strong>de</strong>r Gesellschafter anbietet und das Finanzamt dieses Angebot ausdrücklich o<strong>de</strong>r<br />

stillschweigend annimmt. Die Rechtswirksamkeit eines Verrechnungsvertrags ist nach <strong>de</strong>n allgemeinen<br />

Rechtsgrundsätzen über <strong>de</strong>n Abschluss von Verträgen zu beurteilen (BFH-Urteile vom 13.10.1972 –<br />

III R 11/72 – BStBl. 1973 II, S. 66, vom 21.3.1978 – VIII R 60/73 – BStBl. II, S. 606, und vom 30.10.1984 –<br />

VII R 70/81 – BStBl. 1985 II, S. 114).<br />

Zu § 228 – Gegenstand <strong>de</strong>r Verjährung, Verjährungsfrist:<br />

1. Die Zahlungsverjährung erstreckt sich auch auf Ansprüche <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen. Der einheitliche Anspruch<br />

aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (z. B. für die Steuer eines Veranlagungszeitraums) kann bei – ggf.<br />

mehrfach – geän<strong>de</strong>rter Festsetzung nicht in unterschiedliche Zahlungs- und Erstattungsansprüche<br />

aufgespalten wer<strong>de</strong>n, die bezogen auf die jeweils ergangenen Verwaltungsakte unterschiedlichen<br />

Verjährungsfristen unterliegen (BFH-Urteil vom 6.2.1996 – VII R 50/95 – BStBl. 1997 II, S. 112).<br />

2. Fällt das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verjährungsfrist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag o<strong>de</strong>r einen Sonnabend, so<br />

en<strong>de</strong>t die Verjährungsfrist erst mit <strong>de</strong>m Ablauf <strong>de</strong>s nächstfolgen<strong>de</strong>n Werktages (§ 108 Abs. 3).<br />

3. Die Zahlungsverjährung führt zum Erlöschen <strong>de</strong>s Anspruchs (§§ 47, 232).<br />

Zu § 229 – Beginn <strong>de</strong>r Verjährung:<br />

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Die Zahlungsverjährung beginnt grundsätzlich mit Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Anspruch erstmals<br />

fällig gewor<strong>de</strong>n ist. Wird durch eine Steueranmeldung o<strong>de</strong>r Steuerfestsetzung erst die Voraussetzung für die<br />

Durchsetzung <strong>de</strong>s Anspruchs geschaffen, so beginnt die Verjährung auch bei früherer Fälligkeit <strong>de</strong>s Anspruchs<br />

(z. B. bei <strong>de</strong>n sog. Fälligkeitssteuern) nicht vor Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m die Steueranmeldung o<strong>de</strong>r die<br />

Festsetzung, die Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Festsetzung eines Anspruchs wirksam gewor<strong>de</strong>n ist. Dies gilt<br />

unabhängig davon, ob <strong>de</strong>r Bescheid angefochten wird o<strong>de</strong>r nicht.<br />

Zu § 231 – Unterbrechung <strong>de</strong>r Verjährung:<br />

1. Zu <strong>de</strong>n Unterbrechungstatbestän<strong>de</strong>n gehört auch die schriftliche bzw. elektronische Geltendmachung eines<br />

Zahlungsanspruchs durch <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen.<br />

2. Eine <strong>de</strong>m Zahlungspflichtigen von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bekannt gegebene Maßnahme i. S. d. § 231 Abs. 1<br />

unterbricht die Zahlungsverjährung auch dann, wenn es sich bei dieser Maßnahme um einen Verwaltungsakt<br />

han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r rechtswidrig o<strong>de</strong>r nichtig o<strong>de</strong>r rückwirkend aufgehoben wor<strong>de</strong>n ist (vgl. BFH-Beschluss vom<br />

21.6.2010 – VII R 27/08 – BStBl. 2011 II, S. 331).<br />

Zu § 233a – Verzinsung von Steuernachfor<strong>de</strong>rungen und Steuererstattungen:<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Allgemeines<br />

2. Sachlicher und zeitlicher Geltungsbereich<br />

3. Zinsschuldner/-gläubiger<br />

4.–9. Zinslauf<br />

10. Zinslaufbeginn bei rückwirken<strong>de</strong>n Ereignissen und Verlustrückträgen<br />

11.–13. Grundsätze <strong>de</strong>r Zinsberechnung<br />

14.–40. Zinsberechnung bei <strong>de</strong>r erstmaligen Steuerfestsetzung<br />

41.–59. Zinsberechnung bei einer Korrektur <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Anrechnung von Steuerbeträgen<br />

60. Zinsberechnung bei sog. NV-Fällen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 177 von 235


61.–62. Zinsberechnung bei <strong>de</strong>r Vermögensteuer<br />

63.–68. Verhältnis zu an<strong>de</strong>ren steuerlichen Nebenleistungen<br />

69.–70. Billigkeitsmaßnahmen<br />

71.–73. Rechtsbehelfe<br />

74. Berücksichtigung rückwirken<strong>de</strong>r Ereignisse in Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n<br />

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Allgemeines<br />

1. Die Verzinsung nach § 233a (Vollverzinsung) soll im Interesse <strong>de</strong>r Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>r Besteuerung und <strong>zur</strong><br />

Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern trotz gleichen<br />

gesetzlichen Entstehungszeitpunkts aus welchen Grün<strong>de</strong>n auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten<br />

festgesetzt und erhoben wer<strong>de</strong>n. Die Verzinsung ist gesetzlich vorgeschrieben; die Zinsfestsetzung steht<br />

nicht im Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>. Die Zinsen wer<strong>de</strong>n grundsätzlich im automatisierten Verfahren<br />

berechnet, festgesetzt und zum Soll gestellt. Die Zinsfestsetzung wird regelmäßig mit <strong>de</strong>m Steuerbescheid<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Abrechnungsmitteilung verbun<strong>de</strong>n.<br />

Sachlicher und zeitlicher Geltungsbereich<br />

2. Die Verzinsung nach § 233a ist beschränkt auf die Festsetzung <strong>de</strong>r Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-,<br />

Umsatz- und Gewerbesteuer (§ 233a Abs. 1 Satz 1). Zu verzinsen ist auch <strong>de</strong>r Steuervergütungsanspruch<br />

nach § 18 Abs. 9 UStG i. V. m. §§ 59 ff. UStDV (BFH-Urteil vom 17.4.2008 – V R 41/06 – BStBl. 2009 II,<br />

S. 2); <strong>zur</strong> Zinsberechnung vgl. auch Nr. 62. Von <strong>de</strong>r Verzinsung ausgenommen sind die übrigen Steuern und<br />

Abgaben sowie Steuervorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge (§ 233a Abs. 1 Satz 2); vgl. auch BFH-<br />

Beschluss vom 18.9.2007 – I R 15/05 – BStBl. 2008 II, S. 332, und BVerfG-Beschluss vom 3.9.2009 – 1<br />

BvR 1098/08 – BFH/NV S. 2115. Auch bei <strong>de</strong>r Nachfor<strong>de</strong>rung von Abzugsteuern gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Arbeitnehmer (vgl. BFH-Urteil vom 17.11.2010 – I R 68/10 – BFH/NV 2011 S. 737), <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>r<br />

vom Arbeitgeber übernommenen Lohnsteuer so- wie <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>r Umsatzsteuer im Abzugsverfahren<br />

erfolgt keine Verzinsung nach § 233a. Kirchensteuern wer<strong>de</strong>n nur verzinst, soweit die<br />

Lan<strong>de</strong>skirchensteuergesetze dies vorsehen. Als Einfuhrabgabe unterliegt die Einfuhrumsatzsteuer <strong>de</strong>n<br />

sinngemäß gelten<strong>de</strong>n Vorschriften für Zölle, weshalb ein sich bei <strong>de</strong>r Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer<br />

ergeben<strong>de</strong>r Unterschiedsbetrag nicht nach § 233a zu verzinsen ist (BFH-Urteil vom 23.9.2009 – VII R<br />

44/08 – BStBl. 2010 II, S. 334). Der AO lässt sich im Übrigen kein allgemeiner Grundsatz <strong>de</strong>s Inhalts<br />

entnehmen, dass Ansprüche <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis auch ohne<br />

einzelgesetzliche Grundlage stets zu verzinsen sind (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2009 – I R 48/09 – BFH/NV<br />

2010 S. 827).<br />

Zinsschuldner/-gläubiger<br />

3. Bei <strong>de</strong>r Verzinsung von Steuernachzahlungen ist <strong>de</strong>r Steuerschuldner auch Zinsschuldner. Schul<strong>de</strong>n mehrere<br />

Personen die Steuer als Gesamtschuldner, sind sie auch Gesamtschuldner <strong>de</strong>r Zinsen. Bei <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

von Erstattungsansprüchen ist grundsätzlich <strong>de</strong>r Gläubiger <strong>de</strong>s Erstattungsanspruchs Zinsgläubiger. Die<br />

Aufteilung <strong>de</strong>r Zinsen nach §§ 268 ff. hat für die Zinsberechnung keine Be<strong>de</strong>utung. Zur Abtretung eines<br />

Anspruchs auf Erstattungszinsen vgl. zu § 46, Nr. 1.<br />

Zinslauf<br />

4. Der Zinslauf beginnt im Regelfall 15 Monate nach Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m die Steuer<br />

entstan<strong>de</strong>n ist (Karenzzeit nach § 233a Abs. 2 Satz 1). Er en<strong>de</strong>t mit Ablauf <strong>de</strong>s Tages, an <strong>de</strong>m die<br />

Steuerfestsetzung wirksam wird (§ 233a Abs. 2 Satz 3). Sind Steuern zu verzinsen, die vor <strong>de</strong>m 1.1.1994<br />

entstan<strong>de</strong>n sind, en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zinslauf spätestens vier Jahre nach seinem Beginn (Art. 97 § 15 Abs. 8<br />

EGAO). Der Zeitpunkt <strong>de</strong>r Zahlung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r Steuernachfor<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Steuererstattung ist grundsätzlich unbeachtlich.<br />

5. Bei Steuerfestsetzungen durch Steuerbescheid en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zinslauf am Tag <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>s<br />

Steuerbescheids (§ 124 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 122). Bei Umsatzsteuererklärungen mit einem<br />

Unterschiedsbetrag zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zinslauf grundsätzlich am Tag <strong>de</strong>s<br />

Eingangs <strong>de</strong>r Steueranmeldung (§ 168 Satz 1). Bei zustimmungsbedürftigen Umsatzsteuererklärungen<br />

mit einem Unterschiedsbetrag zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zinslauf grundsätzlich mit<br />

Ablauf <strong>de</strong>s Tages, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Zustimmung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bekannt wird (vgl.<br />

zu § 168, Nrn. 3 und 4). Dies gilt auch in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen die Zustimmung allgemein erteilt wird<br />

(vgl. zu § 168, Nr. 9).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 178 von 235


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6. Ein voller Zinsmonat (§ 238 Abs. 1 Satz 2) ist erreicht, wenn <strong>de</strong>r Tag, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Zinslauf en<strong>de</strong>t,<br />

hinsichtlich seiner Zahl <strong>de</strong>m Tag entspricht, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Tag vorhergeht, an <strong>de</strong>m die Frist begann (BFH-<br />

Urteil vom 24.7.1996 – X R 119/92 – BStBl. 1997 II, S. 6). Begann <strong>de</strong>r Zinslauf z. B. am 1.4. und wur<strong>de</strong><br />

die Steuerfestsetzung am 30.4. bekannt gegeben, ist bereits ein voller Zinsmonat gegeben.<br />

7. Behauptet <strong>de</strong>r Steuerpflichtige, ihm sei <strong>de</strong>r Steuerbescheid bzw. die erweiterte Abrechnungsmitteilung<br />

später als nach <strong>de</strong>r Zugangsvermutung <strong>de</strong>s § 122 Abs. 2 zugegangen, bleibt <strong>de</strong>r ursprüngliche<br />

Bekanntgabetag für die Zinsberechnung maßgebend, wenn das Guthaben bereits erstattet wur<strong>de</strong>. Gleiches<br />

gilt, wenn <strong>de</strong>r Steuerbescheid bzw. die Abrechnungsmitteilung nach einem erfolglosen<br />

Bekanntgabeversuch erneut abgesandt wird und das Guthaben bereits erstattet wur<strong>de</strong>. Wur<strong>de</strong> bei einer<br />

Än<strong>de</strong>rung/Berichtigung einer Steuerfestsetzung vor ihrer Bekanntgabe ein Guthaben bereits erstattet, ist<br />

allerdings die Zinsfestsetzung im bekannt gegebenen Bescheid so durchzuführen, als ob das Guthaben<br />

noch nicht erstattet wor<strong>de</strong>n wäre.<br />

8. Für die Einkommen- und Körperschaftsteuer beträgt die Karenzzeit 23 Monate (bei Steuern, die vor <strong>de</strong>m<br />

1.1.2010 entstehen, 21 Monate; vgl. Art. 97 § 15 Abs. 11 EGAO), wenn die Einkünfte aus Land- und<br />

Forstwirtschaft bei <strong>de</strong>r erstmaligen Steuerfestsetzung für das jeweilige Jahr überwiegen (§ 233a Abs. 2<br />

Satz 2); vgl. dazu auch das BFH-Urteil vom 13.7.2006 – IV R 5/05 – BStBl. II, S. 881. Unter dieser<br />

Voraussetzung beginnt <strong>de</strong>r Zinslauf für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 2010 daher nicht bereits<br />

am 1.4.2012, son<strong>de</strong>rn am 1.12.2012. Eine über die Karenzzeit hinaus gewährte Frist <strong>zur</strong> Abgabe <strong>de</strong>r<br />

Steuererklärung ist für die Verzinsung unbeachtlich.<br />

9. Stellt sich später heraus, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft die an<strong>de</strong>ren Einkünfte nicht<br />

überwiegen, bleibt es gleichwohl bei <strong>de</strong>r Karenzzeit von 23 Monaten. Umgekehrt bleibt es bei <strong>de</strong>r<br />

Karenzzeit von 15 Monaten, wenn sich später herausstellt, dass entgegen <strong>de</strong>n Verhältnissen bei <strong>de</strong>r<br />

erstmaligen Steuerfestsetzung die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft die übrigen Einkünfte<br />

überwiegen. Sind die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft negativ, überwiegen die an<strong>de</strong>ren<br />

Einkünfte, wenn diese positiv o<strong>de</strong>r in geringerem Maße negativ sind.<br />

10. Zinslaufbeginn bei rückwirken<strong>de</strong>n Ereignissen und Verlustrückträgen<br />

10.1 Soweit die Steuerfestsetzung auf <strong>de</strong>r erstmaligen Berücksichtigung eines rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses o<strong>de</strong>r<br />

eines Verlustrücktrags beruht, beginnt <strong>de</strong>r Zinslauf nach § 233a Abs. 2a erst 15 Monate nach Ablauf <strong>de</strong>s<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m das rückwirken<strong>de</strong> Ereignis eingetreten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verlust entstan<strong>de</strong>n ist. Die<br />

steuerlichen Auswirkungen eines Verlustrücktrags bzw. eines rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses wer<strong>de</strong>n daher<br />

bei <strong>de</strong>r Berechnung von Zinsen nach § 233a erst ab einem vom Regelfall abweichen<strong>de</strong>n späteren<br />

Zinslaufbeginn berücksichtigt. Soweit § 10d Abs. 1 EStG entsprechend gilt bzw. Verluste nach Maßgabe<br />

<strong>de</strong>s § 10d Abs. 1 EStG rücktragsfähig sind, ist § 233a Abs. 2a entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n (vgl. z. B. § 10b<br />

Abs. 1 Sätze 4 und 5 und § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG).<br />

10.2 Ob ein Ereignis steuerliche Rückwirkung hat, beurteilt sich nach <strong>de</strong>m jeweils anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Steuergesetz (BFH-Urteil vom 26.7.1984 – IV R 10/83 – BStBl. II, S. 786). Beispiele siehe Nr. 2.4 zu<br />

§ 175.<br />

§ 233a Abs. 2a ist auch dann anzuwen<strong>de</strong>n, wenn ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis bereits bei <strong>de</strong>r erstmaligen<br />

Steuerfestsetzung berücksichtigt wird.<br />

10.2.1 Bei einem zulässigen Wechsel <strong>de</strong>r Veranlagungsart (Zusammenveranlagung nach bereits erfolgter<br />

getrennter Veranlagung; getrennte Veranlagung nach bereits erfolgter Zusammenveranlagung) beruhen<br />

sowohl die Aufhebung <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r ursprünglichen Beschei<strong>de</strong>(s) als auch <strong>de</strong>r Erlass <strong>de</strong>r/<strong>de</strong>s neuen<br />

Beschei<strong>de</strong>(s) auf einem rückwirken<strong>de</strong>n Ereignis. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um <strong>de</strong>n<br />

antragstellen<strong>de</strong>n Ehegatten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ehegatten han<strong>de</strong>lt. Dass die verfahrensrechtliche<br />

Umsetzung <strong>de</strong>s Wechsels <strong>de</strong>r Veranlagungsart beim antragstellen<strong>de</strong>n Ehegatten nicht nach § 175 Abs. 1<br />

Satz 1 Nr. 2 erfolgt, steht <strong>de</strong>m nicht entgegen. § 233a Abs. 2a fin<strong>de</strong>t sowohl bei <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r<br />

ursprünglichen Veranlagung(en) als auch beim Erlass <strong>de</strong>r/<strong>de</strong>s neuen Steuerbeschei<strong>de</strong>(s) für bei<strong>de</strong><br />

Ehegatten Anwendung.<br />

10.3 Ausnahmen<br />

10.3.1 Durch <strong>de</strong>n erstmaligen Beschluss über eine offene Gewinnausschüttung für ein abgelaufenes<br />

Wirtschaftsjahr wur<strong>de</strong> – im Rahmen <strong>de</strong>s Anrechnungsverfahrens (§ 34 Abs. 12 Nr. 1 KStG) – kein<br />

abweichen<strong>de</strong>r Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2a ausgelöst. Dies gilt auch dann, wenn dieser Beschluss erst<br />

nach Ablauf <strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong>n Wirtschaftsjahres gefasst wur<strong>de</strong> (BFH-Urteil vom 29.11.2000 – I R 45/00 –<br />

BStBl. 2001 II, S. 326). Um einen erstmaligen Gewinnverteilungsbeschluss in diesem Sinne han<strong>de</strong>lt es<br />

sich jedoch nicht, wenn <strong>de</strong>r Beschluss einen vorangegangenen Beschluss <strong>de</strong>r Gesellschaft ersetzte, durch<br />

<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Gewinn <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Wirtschaftsjahres thesauriert wor<strong>de</strong>n war (BFH-Urteil vom<br />

22.10.2003 – I R 15/03 – BStBl. 2004 II, S. 398).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 179 von 235


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10.3.2 Die Korrektur eines für das Betriebsvermögen am Schluss <strong>de</strong>s Wirtschaftsjahres maßgeben<strong>de</strong>n<br />

Wertansatzes, <strong>de</strong>r sich auf die Höhe <strong>de</strong>s Gewinns <strong>de</strong>r Folgejahre auswirkt, löst keinen abweichen<strong>de</strong>n<br />

Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2a aus. Zur Anwendung <strong>de</strong>s § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 vgl. zu § 175 Nr. 2.4.<br />

10.4 Bei ver<strong>de</strong>ckten Gewinnausschüttungen unter Geltung <strong>de</strong>s Anrechnungsverfahrens stellt die nachträgliche<br />

Vorlage einer Bescheinigung gemäß §§ 44 bis 46 KStG über anrechenbare Körperschaftsteuer, aufgrund<br />

<strong>de</strong>rer Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu erfassen sind, ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis dar (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 18.4.2000 – VIII R 75/98 – BStBl. II, S. 423; siehe auch Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO). Der<br />

beson<strong>de</strong>re Zinslauf ist dabei sowohl auf die Steuerfestsetzung als auch auf die Anrechnung anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

10.5 Der beson<strong>de</strong>re Zinslauf nach § 233a Abs. 2a en<strong>de</strong>t mit Ablauf <strong>de</strong>s Tages, an <strong>de</strong>m die Steuerfestsetzung<br />

wirksam wird (§ 233a Abs. 2 Satz 3). Sind Steuern zu verzinsen, die vor <strong>de</strong>m 1.1.1994 entstan<strong>de</strong>n sind,<br />

en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>re Zinslauf spätestens vier Jahre nach seinem Beginn (Art. 97 § 15 Abs. 9 EGAO).<br />

§ 233a Abs. 2a ist erstmals anzuwen<strong>de</strong>n, soweit die Verluste o<strong>de</strong>r rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisse nach <strong>de</strong>m<br />

31.12.1995 entstan<strong>de</strong>n bzw. eingetreten sind (Art. 97 § 15 Abs. 8 EGAO).<br />

Grundsätze <strong>de</strong>r Zinsberechnung<br />

11. Die Zinsen betragen für je<strong>de</strong>n vollen Monat <strong>de</strong>s Zinslaufs einhalb vom Hun<strong>de</strong>rt (§ 238 Abs. 1 Satz 1). Für<br />

ihre Berechnung wird <strong>de</strong>r zu verzinsen<strong>de</strong> Betrag je<strong>de</strong>r Steuerart auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro<br />

teilbaren Betrag abgerun<strong>de</strong>t (§ 238 Abs. 2). Dabei sind die zu verzinsen<strong>de</strong>n Ansprüche zu trennen, wenn<br />

Steuerart, Zeitraum o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>s Zinslaufs voneinan<strong>de</strong>r abweichen (vgl. zu § 238, Nr. 2).<br />

Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gerun<strong>de</strong>t festzusetzen (§ 239 Abs. 2 Satz 1); sie<br />

wer<strong>de</strong>n nur dann festgesetzt, wenn sie min<strong>de</strong>stens zehn Euro betragen (§ 239 Abs. 2 Satz 2). Die durch das<br />

StEuglG geän<strong>de</strong>rten Regelungen in §§ 238 Abs. 2 und 239 Abs. 2 gelten in allen Fällen, in <strong>de</strong>nen Zinsen<br />

nach <strong>de</strong>m 31.12.2001 festgesetzt wer<strong>de</strong>n (Art. 97 § 15 Abs. 10 EGAO); entschei<strong>de</strong>nd ist damit, wann die<br />

Zinsfestsetzung bekannt gegeben wird, und nicht, wann <strong>de</strong>r Zinslauf begonnen o<strong>de</strong>r geen<strong>de</strong>t hat.<br />

12. Für die Zinsberechnung gelten die Grundsätze <strong>de</strong>r sog. Sollverzinsung. Berechnungsgrundlage ist <strong>de</strong>r<br />

Unterschied zwischen <strong>de</strong>m festgesetzten Soll und <strong>de</strong>m vorher festgesetzten Soll (Vorsoll). Bei <strong>de</strong>r<br />

Berechnung von Erstattungszinsen gelten allerdings Beson<strong>de</strong>rheiten, wenn Steuerbeträge nicht o<strong>de</strong>r nicht<br />

fristgerecht gezahlt wur<strong>de</strong>n (§ 233a Abs. 3 Satz 3).<br />

13. Es ist grundsätzlich unerheblich, ob das Vorsoll bei Fälligkeit getilgt wor<strong>de</strong>n ist. Ggf. treten insoweit<br />

beson<strong>de</strong>re Zins- und Säumnisfolgen (z. B. Stundungszinsen, Säumniszuschläge) ein. Nachzahlungszinsen<br />

nach § 233a sind an<strong>de</strong>rerseits auch dann festzusetzen, wenn das Finanzamt vor Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer<br />

freiwillige Leistungen auf die Steuerschuld angenommen hat und hierdurch die festgesetzte Steuerschuld<br />

insgesamt erfüllt wird. Voraussetzung für die Verzinsung ist lediglich, dass die Steuerfestsetzung zu einem<br />

Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 3 führt (§ 233a Abs. 1 Satz 1). Wegen <strong>de</strong>s zeitanteiligen Erlasses von<br />

Nachzahlungszinsen in diesen Fällen vgl. Nr. 70.<br />

Zinsberechnung bei <strong>de</strong>r erstmaligen Steuerfestsetzung<br />

14. Bei <strong>de</strong>r erstmaligen Steuerfestsetzung (endgültige Steuerfestsetzung, vorläufige Steuerfestsetzung,<br />

Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung) ist Berechnungsgrundlage <strong>de</strong>r Unterschied zwischen<br />

<strong>de</strong>m dabei festgesetzten Soll (festgesetzte Steuer abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong>r Steuerabzugsbeträge und<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong>r Körperschaftsteuer) und <strong>de</strong>m Vorauszahlungssoll. Maßgebend sind die bis zum Beginn <strong>de</strong>s<br />

Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (§ 233a Abs. 3 Satz 1). Einbehaltene und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

Steuerabzugsbeträge sind unabhängig vom Zeitpunkt <strong>de</strong>r Zahlung durch <strong>de</strong>n Abzugsverpflichteten zu<br />

berücksichtigen.<br />

15. Vorauszahlungen können innerhalb <strong>de</strong>r gesetzlichen Fristen (z. B. § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG) von Amts wegen<br />

o<strong>de</strong>r auf Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen angepasst wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 10.7.2002 – X R 65/96 –<br />

BFH/NV 2002 S. 1567). Leistet <strong>de</strong>r Steuerpflichtige vor Ablauf <strong>de</strong>r Karenzzeit eine freiwillige Zahlung, ist<br />

dies als Antrag auf Anpassung <strong>de</strong>r bisher festgesetzten Vorauszahlungen anzusehen. Zahlungen <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen, die ohne wirksame Festsetzung <strong>de</strong>r Vorauszahlungen erfolgen, sind als freiwillige<br />

Zahlungen i. S. d. Nr. 70.1 zu behan<strong>de</strong>ln. Eine nachträgliche Erhöhung <strong>de</strong>r Vorauszahlungen <strong>zur</strong><br />

Einkommen- o<strong>de</strong>r Körperschaftsteuer erfolgt nur dann, wenn <strong>de</strong>r Erhöhungsbetrag min<strong>de</strong>stens 5 000 €<br />

beträgt (§ 37 Abs. 5 Satz 2 EStG, § 31 Abs. 1 KStG; vgl. auch BFH-Urteil vom 5.6.1996 – X R 234/93 –<br />

BStBl. II, S. 503).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 180 von 235


16. Bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuer kann <strong>de</strong>r Steuerpflichtige eine Anpassung <strong>de</strong>r Vorauszahlungen durch die Abgabe<br />

einer berichtigten Voranmeldung (§ 153 Abs. 1) herbeiführen. Die berichtigte Voranmeldung steht einer<br />

geän<strong>de</strong>rten Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung gleich und bedarf keiner Zustimmung <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>, wenn sie zu einer Erhöhung <strong>de</strong>r bisher zu entrichten<strong>de</strong>n Steuer o<strong>de</strong>r einem geringeren<br />

Erstattungsbetrag führt (vgl. zu § 168, Nr. 12). Eine nach Ablauf <strong>de</strong>r Karenzzeit abgegebene (erstmalige o<strong>de</strong>r<br />

berichtigte) Voranmeldung ist bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s Unterschiedsbetrages nach § 233a Abs. 3 Satz 1 nicht<br />

zu berücksichtigen. In diesem Fall soll aber unverzüglich eine Festsetzung <strong>de</strong>r Jahressteuer unter Vorbehalt<br />

<strong>de</strong>r Nachprüfung erfolgen.<br />

17. Leistet <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nach Ablauf <strong>de</strong>r Karenzzeit eine freiwillige Zahlung, soll bei Vorliegen <strong>de</strong>r<br />

Steuererklärung unverzüglich eine Steuerfestsetzung erfolgen. Diese Steuerfestsetzung kann <strong>zur</strong><br />

Beschleunigung auch durch eine personelle Festsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung erfolgen. In<br />

diesem Fall kann sich die Steuerfestsetzung auf die bisher festgesetzten Vorauszahlungen zuzüglich <strong>de</strong>r<br />

freiwillig geleisteten Zahlung beschränken. Auf die Angabe <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen kann dabei<br />

verzichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

18. Bei <strong>de</strong>r freiwilligen Zahlung kann grundsätzlich unterstellt wer<strong>de</strong>n, dass die Zahlung ausschließlich auf die<br />

Hauptsteuer (Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer) entfällt. Die Folgesteuern sind ggf. daneben<br />

festzusetzen und zu erheben.<br />

19. Ergibt sich bei <strong>de</strong>r ersten Steuerfestsetzung ein Unterschiedsbetrag zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

(Mehrsoll), wer<strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen für die Zeit ab Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs bis <strong>zur</strong> Wirksamkeit <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung berechnet (§ 233a Abs. 2 Satz 3).<br />

Beispiel 1:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

Steuerfestsetzung vom 8.12.2006,<br />

21 000 €<br />

bekannt gegeben am 11.12.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 1 000 €<br />

Soll: 20 000 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 13 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): 7 000 €<br />

Zu verzinsen sind 7 000 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2006<br />

bis 11.12.2006<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Nachzahlungszinsen): 280 €<br />

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21. Ergibt sich ein Unterschiedsbetrag zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen (Min<strong>de</strong>rsoll), ist dieser ebenfalls<br />

Grundlage <strong>de</strong>r Zinsberechnung. Um Erstattungszinsen auf festgesetzte, aber nicht entrichtete<br />

Vorauszahlungen zu verhin<strong>de</strong>rn, ist nur <strong>de</strong>r tatsächlich zu erstatten<strong>de</strong> Betrag – und zwar für <strong>de</strong>n Zeitraum<br />

zwischen <strong>de</strong>r Zahlung <strong>de</strong>r zu erstatten<strong>de</strong>n Beträge und <strong>de</strong>r Wirksamkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung – zu verzinsen<br />

(§ 233a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3).<br />

Beispiel 2:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

Steuerfestsetzung vom 8.12.2006,<br />

1 000 €<br />

bekannt gegeben am 11.12.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 1 000 €<br />

Soll: 0 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 13 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 13 000 €<br />

Da <strong>de</strong>r Steuerpflichtige am 8.6.2006 5 000 € gezahlt hat und darüber hinaus keine weiteren Zahlungen erfolgt sind,<br />

sind lediglich 5 000 € zu erstatten.<br />

Zu verzinsen sind 5 000 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 8.6.2006<br />

bis 11.12.2006<br />

(6 volle Monate × 0,5 v. H. = 3 v. H.).<br />

Festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 150 €<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 181 von 235


23. Besteht <strong>de</strong>r zu erstatten<strong>de</strong> Betrag aus mehreren Einzahlungen, richtet sich <strong>de</strong>r Zinsberechnungszeitraum nach<br />

<strong>de</strong>r Einzahlung <strong>de</strong>s jeweiligen Teilbetrags, wobei unterstellt wird, dass die Erstattung zuerst aus <strong>de</strong>m zuletzt<br />

gezahlten Betrag erfolgt.<br />

24. Der Erstattungsbetrag ist für die Zinsberechnung auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren Betrag<br />

ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n (z. B. ist ein Erstattungsbetrag von 375 € auf 350 € ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n). Ist mehr als ein Betrag<br />

(mehrere Einzahlungen) zu verzinsen, so ist <strong>de</strong>r durch die Rundung auf volle fünfzig Euro sich ergeben<strong>de</strong><br />

Spitzenbetrag vom Teilbetrag mit <strong>de</strong>m ältesten Wertstellungstag abzuziehen.<br />

25. Die Verzinsung <strong>de</strong>s zu erstatten<strong>de</strong>n Betrages erfolgt nur bis <strong>zur</strong> Höhe <strong>de</strong>s Min<strong>de</strong>rsolls. Freiwillig geleistete<br />

Zahlungen sollen zum Anlass genommen wer<strong>de</strong>n, die bisher festgesetzten Vorauszahlungen anzupassen (vgl.<br />

Nrn. 15 und 16) o<strong>de</strong>r die Jahressteuer unverzüglich festzusetzen (vgl. Nr. 17). Bis <strong>zur</strong> Festsetzung <strong>de</strong>r<br />

Vorauszahlung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Jahressteuer sind sie aber <strong>zur</strong> Vermeidung von Missbräuchen von <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

ausgeschlossen.<br />

Beispiel 3:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

Steuerfestsetzung vom 19.7.2006,<br />

14 000 €<br />

bekannt gegeben am 24.7.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 2 000 €<br />

Soll: 12 000 €<br />

abzüglich festgesetzter Vorauszahlungen: ./. 13 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 1 000 €<br />

Der Steuerpflichtige hat die Vorauszahlungen jeweils bei Fälligkeit entrichtet; am 20.6.2006 zahlte er zusätzlich<br />

freiwillig 7 000 €. Zu erstatten sind daher insgesamt 8 000 €.<br />

Zu verzinsen sind 1 000 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für<br />

die Zeit vom 1.4.2006 bis 24.7.2006<br />

(3 volle Monate × 0,5 v. H. = 1,5 v. H.).<br />

festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 15 €<br />

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27. Bei <strong>de</strong>r Ermittlung freiwilliger (Über-)Zahlungen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, die bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r<br />

Erstattungszinsen außer Ansatz bleiben, sind die zuletzt eingegangenen, das Vorauszahlungssoll<br />

übersteigen<strong>de</strong>n Zahlungen als freiwillig anzusehen.<br />

28. Wenn bei <strong>de</strong>r erstmaligen Steuerfestsetzung ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis o<strong>de</strong>r ein Verlustrücktrag<br />

berücksichtigt wur<strong>de</strong>, beginnt <strong>de</strong>r Zinslauf insoweit erst 15 Monate nach Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m<br />

dieses rückwirken<strong>de</strong> Ereignis eingetreten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verlust entstan<strong>de</strong>n ist (§ 233a Abs. 2a). Der<br />

Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 3 Satz 1 ist <strong>de</strong>shalb in Teil-Unterschiedsbeträge aufzuteilen, soweit<br />

diese einen unterschiedlichen Zinslaufbeginn nach § 233a Abs. 2 und Abs. 2a haben (§ 233a Abs. 7 Satz 1<br />

1. Halbsatz). Innerhalb dieser Teil-Unterschiedsbeträge sind Sollmin<strong>de</strong>rungen und Sollerhöhungen mit<br />

gleichem Zinslaufbeginn zu saldieren.<br />

29. Die Teil-Unterschiedsbeträge sind in ihrer zeitlichen Reihenfolge, beginnend mit <strong>de</strong>m ältesten<br />

Zinslaufbeginn, zu ermitteln (§ 233a Abs. 7 Satz 1 2. Halbsatz). Dabei ist unerheblich, ob sich <strong>de</strong>r einzelne<br />

Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten o<strong>de</strong>r zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auswirkt.<br />

Zunächst ist die fiktive Steuer zu ermitteln, die sich ohne Berücksichtigung rückwirken<strong>de</strong>r Ereignisse und<br />

Verlustrückträge ergeben wür<strong>de</strong>. Die Differenz zwischen dieser fiktiven Steuer, vermin<strong>de</strong>rt um<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer, und <strong>de</strong>n festgesetzten<br />

Vorauszahlungen ist <strong>de</strong>r erste für die Zinsberechnung maßgebliche Teil-Unterschiedsbetrag.<br />

Im nächsten Schritt ist auf <strong>de</strong>r Grundlage dieser fiktiven Steuerermittlung die fiktive Steuer zu berechnen,<br />

die sich unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisse o<strong>de</strong>r Verlustrückträge mit <strong>de</strong>m ältesten<br />

Zinslaufbeginn ergeben wür<strong>de</strong>. Die Differenz zwischen dieser und <strong>de</strong>r zuvor ermittelten fiktiven Steuer,<br />

jeweils vermin<strong>de</strong>rt um an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer, ist <strong>de</strong>r<br />

für die Zinsberechnung maßgebliche zweite Teil-Unterschiedsbetrag. Dies gilt entsprechend für weitere Teil-<br />

Unterschiedsbeträge mit späterem Zinslaufbeginn.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 182 von 235


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Beispiel 4:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

(z.v.E.) 2 Steuer<br />

erstmalige Steuerfestsetzung: 50 000 € 14 801 €<br />

dabei wur<strong>de</strong>n berücksichtigt:<br />

30. – Verlustrücktrag aus 2005: ./. 7 500 €<br />

– rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2006: 2 500 €<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 0 €<br />

Soll: 14 801 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 10 550 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): + 4 251 €<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

– Vorsoll (festgesetzte<br />

Vorauszahlungen):<br />

z.v.E. Steuer<br />

10 550 €<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

55 000 € 17 200 €<br />

(Steuerfestsetzung ohne<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>s Verlustrücktrags und <strong>de</strong>s<br />

rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 0 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 17 200 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = + 6 650 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

47 500 € 13 634 €<br />

(1. Schattenveranlagung +<br />

Verlustrücktrag aus 2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 0 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 13 634 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 3 566 €<br />

– 3. Schattenveranlagung<br />

50 000 € 14 801 €<br />

(2. Schattenveranlagung +<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2006):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 0 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 14 801 €<br />

Dritter Teil-Unterschiedsbetrag = + 1 167 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: + 4 251 €<br />

31. Alle Teil-Unterschiedsbeträge sind jeweils geson<strong>de</strong>rt auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren Betrag<br />

ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n, da <strong>de</strong>r Zinslauf für die zu verzinsen<strong>de</strong>n Beträge zu jeweils abweichen<strong>de</strong>n Zeitpunkten beginnt<br />

(§ 238 Abs. 2).<br />

32. Die auf die einzelnen Teil-Unterschiedsbeträge entfallen<strong>de</strong>n Zinsen sind eigenständig und in ihrer zeitlichen<br />

Reihenfolge zu berechnen, beginnend mit <strong>de</strong>n Zinsen auf <strong>de</strong>n Teil-Unterschiedsbetrag mit <strong>de</strong>m ältesten<br />

Zinslaufbeginn (§ 233a Abs. 7 Satz 1 2. Halbsatz). Dabei ist für je<strong>de</strong>n Zinslauf bzw.<br />

Zinsberechnungszeitraum eigenständig zu prüfen, inwieweit jeweils volle Zinsmonate vorliegen.<br />

2 z.v.E. = zu versteuern<strong>de</strong>s Einkommen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 183 von 235


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Beispiel 5:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

z.v.E. Steuer<br />

Steuerfestsetzung vom 11.12.2006, bekannt 60 723 € 19 306 €<br />

gegeben am 14.12.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 1 000 €<br />

Soll: 18 306 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 12 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): + 6 306 €<br />

Bei dieser Steuerfestsetzung wur<strong>de</strong> ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005 (Erhöhung <strong>de</strong>s z.v.E. um 2 492 €)<br />

berücksichtigt.<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

z.v.E. Steuer<br />

33. – Vorsoll<br />

12 000 €<br />

(festgesetzte Vorauszahlungen):<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

58 231 € 18 135 €<br />

(Steuerfestsetzung ohne Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 17 135 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = + 5 135 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

60 723 € 19 306 €<br />

(1. Schattenveranlagung +<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 18 306 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = + 1 171 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: + 6 306 €<br />

Zinsberechnung:<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2006:<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

5 135 €<br />

1 171 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2006:<br />

Zu verzinsen sind 5 100 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2006 204 €<br />

bis 14.12.2006<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Nachzahlungszinsen =<br />

Abrundung gem. § 238 Abs. 2: 35 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

Hinsichtlich <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags von 1 171 € sind keine Nachzahlungszinsen zu<br />

berechnen, da die für ihn maßgebliche Karenzzeit im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung noch<br />

nicht abgelaufen ist.<br />

0 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Nachzahlungszinsen): 204 €<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 184 von 235


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Beispiel 6:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

z.v.E. Steuer<br />

Steuerfestsetzung vom 10.12.2007, bekannt 57 781 € 17 924 €<br />

gegeben am 13.12.2007:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 1 000 €<br />

Soll: 16 924 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 12 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): + 4 924 €<br />

Bei dieser Steuerfestsetzung wur<strong>de</strong> ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005 (Erhöhung <strong>de</strong>s z.v.E. um 2 571 €)<br />

berücksichtigt.<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

z.v.E. Steuer<br />

34. – Vorsoll<br />

12 000 €<br />

(festgesetzte Vorauszahlungen)<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

55 210 € 16 715 €<br />

(Steuerfestsetzung ohne Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 15 715 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = + 3 715 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

57 781 € 17 924 €<br />

(1. Schattenveranlagung +<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 16 924 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = + 1 209 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: + 4 924 €<br />

Zinsberechnung:<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2006: + 3 715 €<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2007: + 1 209 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2006:<br />

Zu verzinsen sind 3 700 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2006 370 €<br />

bis 13.12.2007<br />

(20 volle Monate × 0,5 v. H. = 10 v. H.).<br />

Nachzahlungszinsen:<br />

Abrundung gem. § 238 Abs. 2: 15 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

Zu verzinsen sind 1 200 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2007 48 €<br />

bis 13.12.2007<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Nachzahlungszinsen:<br />

Abrundung gem. § 238 Abs. 2: 9 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen: 418 €<br />

35. Bei Teil-Unterschiedsbeträgen zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist die Berechnung von Erstattungszinsen auf<br />

<strong>de</strong>n fiktiv zu erstatten<strong>de</strong>n Betrag begrenzt. Dazu sind alle maßgeblichen Zahlungen und <strong>de</strong>r jeweilige Tag<br />

<strong>de</strong>r Zahlung zu ermitteln. Durch Gegenüberstellung dieser Zahlungen und <strong>de</strong>r nach Nr. 29 ermittelten<br />

fiktiven Steuer, vermin<strong>de</strong>rt um an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer,<br />

ergibt sich <strong>de</strong>r fiktive Erstattungsbetrag.<br />

Die Verzinsung <strong>de</strong>r einzelnen Teil-Unterschiedsbeträge beginnt frühestens mit <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r Zahlung. Besteht<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 185 von 235


<strong>de</strong>r zu erstatten<strong>de</strong> Betrag aus mehreren Einzahlungen, richtet sich <strong>de</strong>r Zinsberechnungszeitraum nach <strong>de</strong>r<br />

Einzahlung <strong>de</strong>s jeweiligen Teilbetrags, wobei unterstellt wird, dass die Erstattung zuerst aus <strong>de</strong>m zuletzt<br />

gezahlten Betrag erfolgt. Bei weiteren Teil-Unterschiedsbeträgen zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bleiben die<br />

bereits bei einer vorangegangenen Zinsberechnung berücksichtigten Zahlungen außer Betracht.<br />

Ist bei einem Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen mehr als ein Betrag (mehrere<br />

Einzahlungen) zu verzinsen, so ist <strong>de</strong>r durch die Rundung auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren sich<br />

ergeben<strong>de</strong> Spitzenbetrag jeweils vom Teilbetrag mit <strong>de</strong>m ältesten Wertstellungstag abzuziehen.<br />

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Beispiel 7:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

z.v.E. Steuer<br />

Steuerfestsetzung vom 11.12.2006, bekannt 10 113 € 509 €<br />

gegeben am 14.12.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 250 €<br />

Soll: 259 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 12 750 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 12 491 €<br />

Alle Vorauszahlungen wur<strong>de</strong>n bereits in 2004 entrichtet, so dass 12 491 € zu erstatten sind.<br />

Bei <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung wur<strong>de</strong> ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005<br />

(Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s z.v.E. um 7 587 €) berücksichtigt.<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

z.v.E. Steuer<br />

36. – Vorsoll<br />

12 750 €<br />

(festgesetzte Vorauszahlungen):<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

17 700 € 2 419 €<br />

(Steuerfestsetzung ohne Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 250 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 2 169 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 10 581 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

10 113 € 509 €<br />

(1. Schattenveranlagung + rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis<br />

aus 2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 250 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 259 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 1 910 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: ./. 12 491 €<br />

Zinsberechnung:<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2006: ./. 10 581 €<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2007: ./. 1 910 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2006:<br />

Gegenüberstellung <strong>de</strong>r maßgeblichen Zahlungen und <strong>de</strong>s fiktiven Solls<br />

Zahlung Tag <strong>de</strong>r Zahlung fiktives Soll fiktive Erstattung unverzinster<br />

Zahlungsrest<br />

3 250 € 10.12.1996 3 250 € 0 €<br />

3 250 € 10.09.1996 3 250 € 0 €<br />

3 250 € 10.06.1996 3 250 € 0 €<br />

3 000 € 10.03.1996 831 € 2 169 €<br />

12 750 € 2 169 € 10 581 € 2 169 €<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 186 von 235


Zu verzinsen sind 10 550 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2006<br />

bis 14.12.2006<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Zinsen: ./. 422 €<br />

Abrundung gem. § 238 Abs. 2: 31 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

Hinsichtlich <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags von 1 910 € sind keine Erstattungszinsen zu<br />

berechnen, da die für ihn maßgebliche Karenzzeit im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung noch<br />

nicht abgelaufen ist.<br />

0 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 422 €<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Beispiel 8:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

z.v.E. Steuer<br />

Steuerfestsetzung vom 10.12.2007, bekannt 10 660 € 626 €<br />

gegeben am 13.12.2007:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 350 €<br />

Soll: 276 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 12 650 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 12 374 €<br />

Der Steuerpflichtige hat bis zum 30.3.2006 insgesamt 7 500 € sowie am 3.9.2007 zusätzlich 5 000 € entrichtet. Zu<br />

erstatten sind <strong>de</strong>shalb nur 12 224 €.<br />

Bei <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung wur<strong>de</strong> ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005 (Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s z.v.E. um 8 088 €)<br />

berücksichtigt.<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

z.v.E. Steuer<br />

37. – Vorsoll<br />

12 650 €<br />

(festgesetzte Vorauszahlungen)<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

18 748 € 2 713 €<br />

(Steuerfestsetzung ohne Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 350 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 2 363 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 10 287 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

10 660 € 626 €<br />

(1. Schattenveranlagung + rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis<br />

aus 2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 350 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 276 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 2 087 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: ./. 12 374 €<br />

Zinsberechnung:<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2006: ./. 10 287 €<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2007: ./. 2 087 €<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 187 von 235


Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2006:<br />

Gegenüberstellung <strong>de</strong>r maßgeblichen Zahlungen und <strong>de</strong>s fiktiven Solls<br />

Zahlung Tag <strong>de</strong>r Zahlung fiktives Soll fiktive Erstattung unverzinster<br />

Zahlungsrest<br />

5 000 € 03.09.2007 5 000 € 0 €<br />

2 500 € 10.12.2004 2 500 € 0 €<br />

2 500 € 10.09.2004 2 500 € 0 €<br />

1 250 € 10.06.2004 137 € 1 113 €<br />

1 250 € 10.03.2004 0 € 1 250 €<br />

12 500 € 2 363 € 10 137 € 2 363 €<br />

Zu verzinsen sind 5 000 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 3.9.2007<br />

bis 13.12.2007<br />

(3 volle Monate × 0,5 v. H. = 1,5 v. H.).<br />

Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 75 €<br />

Zu verzinsen sind 5 100 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2006<br />

bis 13.12.2007<br />

(20 volle Monate × 0,5 v. H. = 10 v. H.).<br />

Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 510 €<br />

Abrundung nach § 238 Abs. 2: 37 €<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

Gegenüberstellung <strong>de</strong>r maßgeblichen Zahlungen und <strong>de</strong>s fiktiven Solls<br />

Zahlung Tag <strong>de</strong>r Zahlung fiktives Soll fiktive Erstattung unverzinster<br />

Zahlungsrest<br />

0 € 03.09.2007 0 € 0 €<br />

0 € 10.12.2004 0 € 0 €<br />

0 € 10.09.2004 0 € 0 €<br />

1 113 € 10.06.2004 1 113 € 0 €<br />

1 250 € 10.03.2004 974 € 276 €<br />

2 363 € 276 € 2 087 € 276 €<br />

Zu verzinsen sind 2 050 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2007<br />

bis 13.12.2007<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 82 €<br />

Abrundung nach § 238 Abs. 2: 37 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 667 €<br />

38. Bei Teil-Unterschiedsbeträgen zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen sind neben <strong>de</strong>r Berechnung von<br />

Erstattungszinsen die zuvor auf <strong>de</strong>n Herabsetzungsbetrag ggf. berechneten Nachzahlungszinsen zu min<strong>de</strong>rn.<br />

Nachzahlungszinsen entfallen dabei allerdings frühestens ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Zinslauf <strong>de</strong>s Teil-<br />

Unterschiedsbetrags zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen beginnt; Nachzahlungszinsen für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum<br />

Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs <strong>de</strong>s Teilunterschiedsbetrags zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bleiben endgültig bestehen<br />

(§ 233a Abs. 7 Satz 2 AO). Nachzahlungszinsen mit unterschiedlichem Zinslaufbeginn sind in ihrer<br />

zeitlichen Reihenfolge, beginnend mit <strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen mit <strong>de</strong>m ältesten Zinslaufbeginn, zu<br />

min<strong>de</strong>rn.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 188 von 235


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Beispiel 9:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

z.v.E. Steuer<br />

Steuerfestsetzung vom 9.12.2008, bekannt gegeben 35 867 € 8 376 €<br />

am 12.12.2008:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 1 000 €<br />

Soll: 7 376 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 9 550 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 2 174 €<br />

Der Steuerpflichtige hat bis zum 31.3.2006 insgesamt 7 000 € sowie am 2.6.2007 weitere 2 550 € gezahlt.<br />

Bei dieser Steuerfestsetzung wur<strong>de</strong>n ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005 (Erhöhung <strong>de</strong>s z.v.E. um 2 500 €) sowie<br />

ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2006 (Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s z.v.E. um 17 500 €) berücksichtigt.<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

z.v.E. Steuer<br />

39. – Vorsoll<br />

9 550 €<br />

(festgesetzte Vorauszahlungen):<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

50 867 € 14 679 €<br />

(Steuerfestsetzung ohne Berücksichtigung <strong>de</strong>r<br />

rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisse aus 2005 und 2006):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 13 679 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = + 4 129 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

53 367 € 15 850 €<br />

(1. Schattenveranlagung + rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis<br />

aus 2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 14 850 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = + 1 171 €<br />

– 3. Schattenveranlagung<br />

35 867 € 8 376 €<br />

(2. Schattenveranlagung + rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis<br />

aus 2006):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 7 376 €<br />

Dritter Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 7 474 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: ./. 2 174 €<br />

Zinsberechnung:<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2006: + 4 129 €<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2007: + 1 171 €<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2008: ./. 7 474 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2006:<br />

Zu verzinsen sind 4 100 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2006<br />

bis 12.12.2008<br />

(32 volle Monate × 0,5 v. H. = 16 v. H.)<br />

Zinsen (Nachzahlungszinsen):<br />

Abrundung nach § 238 Abs. 2: 29 €<br />

656 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

Zu verzinsen sind 1 150 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2007<br />

bis 12.12.2008<br />

(20 volle Monate × 0,5 v. H. = 10 v. H.)<br />

Zinsen (Nachzahlungszinsen): 115 €<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 189 von 235


Abrundung nach § 238 Abs. 2: 21 €<br />

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Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2008:<br />

Gegenüberstellung <strong>de</strong>r maßgeblichen Zahlungen und <strong>de</strong>s fiktiven Solls<br />

Zahlung Tag <strong>de</strong>r Zahlung fiktives Soll fiktive Erstattung unverzinster<br />

Zahlungsrest<br />

2 550 € 02.06.2007 2 174 € 376 €<br />

2 000 € 10.12.2004 0 € 2 000 €<br />

2 000 € 10.09.2004 0 € 2 000 €<br />

2 000 € 10.06.2004 0 € 2 000 €<br />

1 000 € 10.03.2004 0 € 1 000 €<br />

9 550 € 7 376 € 2 174 € 7 376 €<br />

Zu verzinsen ist höchstens <strong>de</strong>r fiktiv zu erstatten<strong>de</strong> Betrag von 2 150 € für die Zeit vom<br />

1.4.2008 bis zum 12.12.2008<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Zinsen (Erstattungszinsen):<br />

Abrundung nach § 238 Abs. 2: 24 €<br />

./. 86 €<br />

Min<strong>de</strong>rung zuvor berechneter Nachzahlungszinsen:<br />

4 129 € abgerun<strong>de</strong>t: 4 100 €<br />

./. 7 474 €<br />

./. 3 345 € maximal: ./. 0 €<br />

4 100 €<br />

4 100 € vom 1.4.2008 bis zum 12.12.2008<br />

./. 164 €<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.):<br />

1 171 € abgerun<strong>de</strong>t: 1 150 €<br />

./. 3 345 €<br />

./. 2 174 € maximal: ./. 0 €<br />

1 150 €<br />

1 150 € vom 1.4.2008 bis zum 12.12.2008<br />

./. 46 €<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.):<br />

./. 210 €<br />

./. 210 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen: 475 €<br />

Anmerkung:<br />

Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag zuvor<br />

berechnete Zinsen nach § 233a Abs. 7 Satz 2 1. Halbsatz frühestens ab Beginn <strong>de</strong>s für diesen<br />

Teilunterschiedsbetrag maßgeben<strong>de</strong>n Zinslaufs. Zinsen für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

dieses Teilunterschiedsbetrags bleiben nach § 233a Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz endgültig bestehen. Deshalb<br />

können die für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum 31.3.2008 verbliebenen Nachzahlungszinsen auch in späteren<br />

Zinsfestsetzungen nicht mehr gemin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

40. Wenn bei <strong>de</strong>r Zinsberechnung mehrere Teil-Unterschiedsbeträge zu berücksichtigen sind, sind Zinsen nur<br />

dann festzusetzen, wenn die Summe <strong>de</strong>r auf die einzelnen Teil-Unterschiedsbeträge berechneten Zinsen<br />

min<strong>de</strong>stens zehn Euro beträgt (§ 239 Abs. 2 Satz 2). Nach § 239 Abs. 2 Satz 1 sind Zinsen auf volle Euro<br />

zum Vorteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n. Maßgebend sind die festzusetzen<strong>de</strong>n Zinsen, d. h. die Summe<br />

<strong>de</strong>r auf die einzelnen Teilunterschiedsbeträge berechneten Zinsen.<br />

Sofern die Summe aller fiktiven Erstattungen größer ist als die tatsächliche Erstattung, ist <strong>de</strong>r<br />

Differenzbetrag für spätere Zinsberechnungen als fiktive Zahlung zu berücksichtigen. Als Zahlungstag dieser<br />

fiktiven Zahlung ist <strong>de</strong>r Tag zu berücksichtigen, an <strong>de</strong>m die Steuerfestsetzung bzw. die Steueranmeldung<br />

wirksam gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 190 von 235


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Zinsberechnung bei einer Korrektur <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Anrechnung von Steuerbeträgen<br />

41. Falls anlässlich einer Steuerfestsetzung Zinsen festgesetzt wur<strong>de</strong>n, löst die Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r<br />

Berichtigung dieser Steuerfestsetzung eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r bisherigen Zinsfestsetzung aus (§ 233a Abs. 5<br />

Satz 1 1. Halbsatz). Dabei ist es gleichgültig, worauf die Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung beruht<br />

(z. B. auch Än<strong>de</strong>rung durch Einspruchsentscheidung o<strong>de</strong>r durch o<strong>de</strong>r aufgrund <strong>de</strong>r Entscheidung eines<br />

Finanzgerichts).<br />

42. Soweit die Korrektur <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung auf <strong>de</strong>r erstmaligen Berücksichtigung eines rückwirken<strong>de</strong>n<br />

Ereignisses o<strong>de</strong>r eines Verlustrücktrags beruht, beginnt <strong>de</strong>r Zinslauf nach § 233a Abs. 2a erst 15 Monate<br />

nach Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m das rückwirken<strong>de</strong> Ereignis eingetreten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verlust entstan<strong>de</strong>n<br />

ist. Gleiches gilt, wenn ein bereits bei <strong>de</strong>r vorangegangenen Steuerfestsetzung berücksichtigter<br />

Verlustrücktrag bzw. ein bereits bei <strong>de</strong>r vorangegangen Steuerfestsetzung berücksichtigtes rückwirken<strong>de</strong>s<br />

Ereignis unmittelbar Än<strong>de</strong>rungen erfährt und <strong>de</strong>r Steuerbescheid <strong>de</strong>shalb geän<strong>de</strong>rt wird.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Anknüpfung <strong>de</strong>r Verzinsung an die Soll-Differenz (vgl. Nr. 46) ist keine beson<strong>de</strong>re<br />

Zinsberechnung i. S. d. § 233a Abs. 2a i. V. m. Abs. 7 vorzunehmen, wenn ein Steuerbescheid, in <strong>de</strong>m<br />

erstmals ein Verlustrücktrag bzw. ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis berücksichtigt wor<strong>de</strong>n ist, später aus an<strong>de</strong>ren<br />

Grün<strong>de</strong>n (z. B. <strong>zur</strong> Berücksichtigung neuer Tatsachen i. S. d. § 173) geän<strong>de</strong>rt wird. Dabei ist es für die<br />

Verzinsung auch unerheblich, wenn sich die steuerlichen Auswirkungen <strong>de</strong>s bereits in <strong>de</strong>r vorherigen<br />

Steuerfestsetzung berücksichtigten Verlustrücktrags bzw. rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses aufgrund <strong>de</strong>r<br />

erstmaligen o<strong>de</strong>r abweichen<strong>de</strong>n Berücksichtigung regulär zu verzinsen<strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen<br />

rechnerisch verän<strong>de</strong>rn sollte. Auch <strong>de</strong>rartige materiellrechtliche Folgeän<strong>de</strong>rungen sind bei <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

<strong>de</strong>m maßgeblichen Än<strong>de</strong>rungsgrund (z. B. <strong>de</strong>n neuen Tatsachen i. S. d. § 173) zuzuordnen.<br />

43. Materielle Fehler i. S. d. § 177 wer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>m Än<strong>de</strong>rungstatbestand berichtigt, <strong>de</strong>ssen Anwendung die<br />

saldieren<strong>de</strong> Berücksichtigung <strong>de</strong>s materiellen Fehlers ermöglicht. Deshalb ist <strong>de</strong>r Saldierungsbetrag bei <strong>de</strong>r<br />

Ermittlung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags zu berücksichtigen, <strong>de</strong>r diesem Än<strong>de</strong>rungstatbestand zugrun<strong>de</strong> liegt.<br />

Beruht die Saldierung nach § 177 auf mehreren Än<strong>de</strong>rungstatbestän<strong>de</strong>n, die einen unterschiedlichen<br />

Zinslaufbeginn aufweisen, ist <strong>de</strong>r Saldierungsbetrag <strong>de</strong>n Än<strong>de</strong>rungstatbestän<strong>de</strong>n in chronologischer<br />

Reihenfolge zuzuordnen, beginnend mit <strong>de</strong>m Än<strong>de</strong>rungstatbestand mit <strong>de</strong>m ältesten Zinslaufbeginn.<br />

44. Ist bei <strong>de</strong>r vorangegangenen Steuerfestsetzung eine Zinsfestsetzung unterblieben, weil z. B. bei Wirksamkeit<br />

<strong>de</strong>r Steuerfestsetzung die Karenzzeit noch nicht abgelaufen war o<strong>de</strong>r die Zinsen weniger als zehn Euro<br />

betragen haben, ist bei <strong>de</strong>r erstmaligen Zinsfestsetzung aus Anlass <strong>de</strong>r Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r<br />

Berichtigung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung für die Berechnung <strong>de</strong>r Zinsen ebenfalls <strong>de</strong>r Unterschied zwischen <strong>de</strong>m<br />

neuen und <strong>de</strong>m früheren Soll maßgebend.<br />

45. Den Fällen <strong>de</strong>r Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung sind die Fälle <strong>de</strong>r Korrektur<br />

<strong>de</strong>r Anrechnung von Steuerbeträgen (Steuerabzugsbeträge, an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer) gleichgestellt<br />

(§ 233a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz). Die Zinsfestsetzung ist auch dann anzupassen, wenn die Anrechnung von<br />

Steuerabzugsbeträgen o<strong>de</strong>r von Körperschaftsteuer in einem Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1<br />

von <strong>de</strong>r vorangegangenen Anrechnung abweicht. Ist <strong>de</strong>m bisherigen Zinsbescheid ein unrichtiges<br />

Vorauszahlungssoll o<strong>de</strong>r ein unrichtiger Wertstellungstag zugrun<strong>de</strong> gelegt wor<strong>de</strong>n, kann <strong>de</strong>mgegenüber eine<br />

Korrektur <strong>de</strong>s Zinsbeschei<strong>de</strong>s nicht nach § 233a Abs. 5, son<strong>de</strong>rn nur nach <strong>de</strong>n allgemeinen Vorschriften<br />

erfolgen (z. B. §§ 129, 172 ff.).<br />

46. Grundlage für die Zinsberechnung ist <strong>de</strong>r Unterschied zwischen <strong>de</strong>m neuen und <strong>de</strong>m früheren Soll<br />

(Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 5 Satz 2). Dieser Unterschiedsbetrag ist in Teil-Unterschiedsbeträge<br />

aufzuteilen, soweit diese einen unterschiedlichen Zinslaufbeginn nach § 233a Abs. 2 und Abs. 2a haben<br />

(§ 233a Abs. 7 Satz 1 1. Halbsatz). Innerhalb dieser Teil-Unterschiedsbeträge sind Sollmin<strong>de</strong>rungen und<br />

Sollerhöhungen mit gleichem Zinslaufbeginn zu saldieren.<br />

47. Die Teil-Unterschiedsbeträge sind in ihrer zeitlichen Reihenfolge, beginnend mit <strong>de</strong>m ältesten<br />

Zinslaufbeginn, zu ermitteln (§ 233a Abs. 7 Satz 1 2. Halbsatz). Dabei ist unerheblich, ob sich <strong>de</strong>r einzelne<br />

Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten o<strong>de</strong>r zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auswirkt.<br />

Zunächst ist die fiktive Steuer zu ermitteln, die sich ohne Berücksichtigung rückwirken<strong>de</strong>r Ereignisse und<br />

Verlustrückträge ergeben wür<strong>de</strong>. Die Differenz zwischen dieser fiktiven Steuer und <strong>de</strong>r bisher festgesetzten<br />

Steuer, jeweils vermin<strong>de</strong>rt um an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer,<br />

ist <strong>de</strong>r erste für die Zinsberechnung maßgebliche Teil-Unterschiedsbetrag.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 191 von 235


Im nächsten Schritt ist auf <strong>de</strong>r Grundlage dieser fiktiven Steuerermittlung die fiktive Steuer zu berechnen,<br />

die sich unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisse o<strong>de</strong>r Verlustrückträge mit <strong>de</strong>m ältesten<br />

Zinslaufbeginn ergeben wür<strong>de</strong>. Die Differenz zwischen dieser und <strong>de</strong>r zuvor ermittelten fiktiven Steuer,<br />

jeweils vermin<strong>de</strong>rt um an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer, ist <strong>de</strong>r<br />

für die Zinsberechnung maßgebliche zweite Teil-Unterschiedsbetrag. Dies gilt entsprechend für weitere Teil-<br />

Unterschiedsbeträge mit späterem Zinslaufbeginn.<br />

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Beispiel 10:<br />

Einkommensteuer 2004:<br />

z.v.E. Steuer<br />

bisherige Steuerfestsetzung: 50 000 € 14 801 €<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 500 €<br />

Soll: 14 301 €<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung:<br />

48. (1) neue Tatsache: ./. 1 500 €<br />

(2) Verlustrücktrag aus 2005: ./. 10 000 €<br />

(3) rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2006: + 2 500 €<br />

Neue Steuerfestsetzung: 41 000 € 10 771 €<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 500 €<br />

neues Soll: 10 271 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 4 030 €<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

z.v.E. Steuer<br />

– bisherige Festsetzung: 50 000 € 14 801 €<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 500 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

Soll: 14 301 €<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

48 500 € 14 097 €<br />

(bisherige Festsetzung + neue Tatsache):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 500 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

Soll: 13 597 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 704 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

38 500 € 9 736 €<br />

(1. Schattenveranlagung + Verlustrücktrag aus<br />

2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 500 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

Soll: 9 236 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 4 361 €<br />

– 3. Schattenveranlagung<br />

41 000 € 10 771 €<br />

(2. Schattenveranlagung + rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis<br />

aus 2006):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 500 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

Soll: 10 271 €<br />

Dritter Teil-Unterschiedsbetrag = + 1 035 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: ./. 4 030 €<br />

49. Alle Teil-Unterschiedsbeträge sind jeweils geson<strong>de</strong>rt auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren Betrag<br />

ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n, da <strong>de</strong>r Zinslauf für die zu verzinsen<strong>de</strong>n Beträge zu jeweils abweichen<strong>de</strong>n Zeitpunkten beginnt<br />

(§ 238 Abs. 2).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 192 von 235


50. Die auf die einzelnen Teil-Unterschiedsbeträge entfallen<strong>de</strong>n Zinsen sind eigenständig und in ihrer zeitlichen<br />

Reihenfolge zu berechnen, beginnend mit <strong>de</strong>n Zinsen auf <strong>de</strong>n Teil-Unterschiedsbetrag mit <strong>de</strong>m ältesten<br />

Zinslaufbeginn (§ 233a Abs. 7 Satz 1 2. Halbsatz). Dabei ist für je<strong>de</strong>n Zinslauf bzw.<br />

Zinsberechnungszeitraum eigenständig zu prüfen, inwieweit jeweils volle Zinsmonate vorliegen.<br />

51. Ergibt sich bei <strong>de</strong>r Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Rücknahme, <strong>de</strong>m<br />

Wi<strong>de</strong>rruf o<strong>de</strong>r Berichtigung <strong>de</strong>r Anrechnung von Steuerbeträgen ein Mehrsoll, fallen hierauf Zinsen an, die<br />

zu <strong>de</strong>n bisher berechneten Zinsen hinzutreten.<br />

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Beispiel 11:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

a) Erstmalige Steuerfestsetzung vom 11.12.2006,<br />

22 500 €<br />

bekannt gegeben am 14.12.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 2 500 €<br />

Soll: 20 000 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 13 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): 7 000 €<br />

Zu verzinsen sind 7 000 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die<br />

Zeit<br />

vom 1.4.2006 bis 14.12.2006<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Nachzahlungszinsen): 280 €<br />

b) Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung nach § 173 (Bescheid vom 23 500 €<br />

1.10.2007,<br />

bekannt gegeben am 4.10.2007):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 2 500 €<br />

Soll: 21 000 €<br />

abzüglich bisher festgesetzte Steuer (Soll): ./. 20 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): 1 000 €<br />

Zu verzinsen sind 1 000 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die<br />

Zeit<br />

vom 1.4.2006 bis 4.10.2007<br />

(18 volle Monate × 0,5 v. H. = 9 v. H.).<br />

Nachzahlungszinsen: 90 €<br />

dazu bisher festgesetzte Zinsen: 280 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen: 370 €<br />

53. Ergibt sich zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ein Min<strong>de</strong>rsoll, wird bis <strong>zur</strong> Höhe dieses Min<strong>de</strong>rsolls nur <strong>de</strong>r<br />

tatsächlich zu erstatten<strong>de</strong> Betrag verzinst, und zwar ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Zahlung bis <strong>zur</strong> Wirksamkeit <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung (§ 233a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3). Zur Berücksichtigung bei vorangegangenen<br />

Zinsfestsetzungen ermittelter fiktiver Zahlungen vgl. Nr. 40. Steht die Zahlung noch aus, wer<strong>de</strong>n keine<br />

Erstattungszinsen festgesetzt. Besteht <strong>de</strong>r zu erstatten<strong>de</strong> Betrag aus mehreren Einzahlungen, richtet sich <strong>de</strong>r<br />

Zinsberechnungszeitraum nach <strong>de</strong>r Einzahlung <strong>de</strong>s jeweiligen Teilbetrags, wobei unterstellt wird, dass die<br />

Erstattung zuerst aus <strong>de</strong>m zuletzt gezahlten Betrag erfolgt.<br />

54. Neben <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r Erstattungszinsen sind die bisher auf <strong>de</strong>n Herabsetzungsbetrag ggf. berechneten<br />

Nachzahlungszinsen für die Zeit ab Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs zu min<strong>de</strong>rn. Dabei darf jedoch höchstens auf <strong>de</strong>n<br />

Unterschiedsbetrag <strong>de</strong>r bei Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs festgesetzten Steuer <strong>zur</strong>ückgegangen wer<strong>de</strong>n, um zu<br />

vermei<strong>de</strong>n, dass eine Korrektur für einen Zeitraum erfolgt, für <strong>de</strong>n keine Nachzahlungszinsen berechnet<br />

wor<strong>de</strong>n sind.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 193 von 235


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Beispiel 12:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

a) Steuerfestsetzung vom 12.12.2006,<br />

22 500 €<br />

bekannt gegeben am 15.12.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 2 500 €<br />

Soll: 20 000 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 13 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): 7 000 €<br />

Der Steuerpflichtige hat innerhalb <strong>de</strong>r Karenzzeit die<br />

Vorauszahlungen i. H. v. 13 000 € sowie am 15.6.2006 die<br />

Abschlusszahlung i. H. v. 7 000 € gezahlt.<br />

Zu verzinsen sind 7 000 € zuungunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen für die Zeit<br />

vom 1.4.2006 bis 15.12.2006<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Nachzahlungszinsen): 280 €<br />

b) Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung nach § 173 (Bescheid vom 17 500 €<br />

12.10.2007,<br />

bekannt gegeben am 15.10.2007):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 2 500 €<br />

Soll: 15 000 €<br />

abzüglich bisher festgesetzte Steuer (Soll): ./. 20 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 5 000 €<br />

Zu erstatten sind 5 000 €<br />

Zu verzinsen sind 5 000 € zugunsten <strong>de</strong>s<br />

./. 100 €<br />

Steuerpflichtigen für die Zeit<br />

vom 15.6.2007 bis 15.10.2007<br />

(4 volle Monate × 0,5 v. H. = 2 v. H.).<br />

Festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Erstattungszinsen):<br />

Bisher festgesetzte Zinsen + 280 €<br />

Min<strong>de</strong>rung zuvor festgesetzter Nachzahlungszinsen:<br />

7 000 € abgerun<strong>de</strong>t: 7 000 €<br />

./. 5 000 €<br />

./. 2 000 € maximal: ./. 2 000 €<br />

5 000 €<br />

5 000 € vom 1.4.2006 bis zum 15.12.2006<br />

./. 200 €<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.)<br />

+ 80 € + 80 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen: ./. 20 €<br />

56. Bei Teil-Unterschiedsbeträgen zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist die Berechnung von Erstattungszinsen auf<br />

<strong>de</strong>n fiktiv zu erstatten<strong>de</strong>n Betrag begrenzt. Dazu sind alle maßgeblichen Zahlungen (einschließlich fiktiver<br />

Zahlungen i. S. d. Nr. 40) und <strong>de</strong>r jeweilige Tag <strong>de</strong>r Zahlung zu ermitteln. Durch Gegenüberstellung dieser<br />

Zahlungen und <strong>de</strong>r nach Nr. 47 fiktiv ermittelten Steuer, vermin<strong>de</strong>rt um an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge<br />

und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer, ergibt sich <strong>de</strong>r fiktive Erstattungsbetrag.<br />

Die Verzinsung <strong>de</strong>r einzelnen Teil-Unterschiedsbeträge beginnt frühestens mit <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r Zahlung. Besteht<br />

<strong>de</strong>r zu erstatten<strong>de</strong> Betrag aus mehreren Einzahlungen, richtet sich <strong>de</strong>r Zinsberechnungszeitraum nach <strong>de</strong>r<br />

Einzahlung <strong>de</strong>s jeweiligen Teilbetrags, wobei unterstellt wird, dass die Erstattung zuerst aus <strong>de</strong>m zuletzt<br />

gezahlten Betrag erfolgt. Bei weiteren Teil-Unterschiedsbeträgen zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bleiben die<br />

bereits bei einer vorangegangenen Zinsberechnung berücksichtigten Zahlungen außer Betracht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 194 von 235


Ist bei einem Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen mehr als ein Betrag (mehrere<br />

Einzahlungen) zu verzinsen, so ist <strong>de</strong>r durch die Rundung auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren<br />

Betrag sich ergeben<strong>de</strong> Spitzenbetrag jeweils vom Teilbetrag mit <strong>de</strong>m ältesten Wertstellungstag abzuziehen.<br />

57. Bei Teil-Unterschiedsbeträgen zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen sind neben <strong>de</strong>r Berechnung von<br />

Erstattungszinsen die zuvor auf <strong>de</strong>n Herabsetzungsbetrag ggf. berechneten Nachzahlungszinsen zu min<strong>de</strong>rn.<br />

Nachzahlungszinsen entfallen dabei allerdings frühestens ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Zinslauf <strong>de</strong>s Teil-<br />

Unterschiedsbetrags zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen beginnt; Nachzahlungszinsen für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum<br />

Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bleiben endgültig<br />

bestehen (§ 233a Abs. 7 Satz 2). Nachzahlungszinsen mit unterschiedlichem Zinslaufbeginn sind in ihrer<br />

zeitlichen Reihenfolge, beginnend mit <strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen mit <strong>de</strong>m ältesten Zinslaufbeginn, innerhalb<br />

dieser Gruppen beginnend mit <strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen mit <strong>de</strong>m jüngsten Zinslaufen<strong>de</strong>, zu min<strong>de</strong>rn.<br />

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Beispiel 13<br />

58. (Fortsetzung von Beispiel 9):<br />

Einkommensteuer 2004<br />

Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 geän<strong>de</strong>rte Steuerfestsetzung vom<br />

26.3.2010,<br />

bekannt gegeben am 29.3.2010:<br />

z.v.E.<br />

Steuer<br />

27 175 € 5 297 €<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 1 000 €<br />

Soll: 4 297 €<br />

abzüglich bisher festgesetzte Steuer (Soll): ./. 7 376 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 3 079 €<br />

Der Steuerpflichtige hat bis zum 31.3.2006 insgesamt 7 000 € sowie am 2.6.2007 weitere 2 550 € gezahlt.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung vom 9.12.2008 sind ihm bereits 2 174 € erstattet wor<strong>de</strong>n.<br />

Bei <strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rten Steuerfestsetzung vom 26.3.2010 wur<strong>de</strong> ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005 (Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

z.v.E. um 8 692 €) erstmals berücksichtigt.<br />

Zinsberechnung:<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

Gegenüberstellung <strong>de</strong>r maßgeblichen Zahlungen und <strong>de</strong>s Solls<br />

Zahlung Tag <strong>de</strong>r Zahlung Soll fiktive Erstattung unverzinster<br />

Zahlungsrest<br />

376 € 02.06.2007 376 € 0 €<br />

2 000 € 10.12.2004 2 000 € 0 €<br />

2 000 € 10.09.2004 703 € 1 297 €<br />

2 000 € 10.06.2004 0 € 2 000 €<br />

1 000 € 10.03.2004 0 € 1 000 €<br />

7 376 € 4 297 € 3 079 € 4 297 €<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 195 von 235


Zu verzinsen ist höchstens <strong>de</strong>r abgerun<strong>de</strong>te zu erstatten<strong>de</strong> Betrag von<br />

3 050 €:<br />

376 € für die Zeit vom 2.6.2007 bis zum 29.3.2010<br />

(33 volle Monate × 0,5 v. H. = 16,5 v. H.):<br />

2 674 € für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 29.3.2010<br />

(35 volle Monate × 0,5 v. H. = 17,5 v. H.):<br />

62,04 €<br />

467,95 €<br />

529,99 €<br />

Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 529,99 €<br />

Abrundung nach § 238 Abs. 2: 29 €<br />

Bisher festgesetzte Zinsen: 475,00 €<br />

Min<strong>de</strong>rung zuvor berechneter Nachzahlungszinsen: 3 0,00 €<br />

475,00 € 475,00 €<br />

./. 54,99 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen: 4 ./. 55,00 €<br />

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59. Zinsen wer<strong>de</strong>n nur festgesetzt, wenn sie min<strong>de</strong>stens zehn Euro betragen (§ 239 Abs. 2 Satz 2). Dabei ist<br />

jeweils auf die sich insgesamt ergeben<strong>de</strong>n Zinsen abzustellen, nicht nur auf <strong>de</strong>n Betrag, <strong>de</strong>r sich durch die<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s letzten Unterschiedsbetrags bzw. Teil-Unterschiedsbetrags o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s letzten<br />

Erstattungsbetrags ergibt. Wären insgesamt weniger als zehn Euro festzusetzen, ist <strong>de</strong>r bisherige<br />

Zinsbescheid zu än<strong>de</strong>rn.<br />

Nach § 239 Abs. 2 Satz 1 sind Zinsen auf volle Euro zum Vorteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zu run<strong>de</strong>n.<br />

Maßgebend sind die festzusetzen<strong>de</strong>n Zinsen, d. h. die Summe <strong>de</strong>r auf die einzelnen Teil-Unterschiedsbeträge<br />

berechneten Zinsen.<br />

Sofern die Summe aller fiktiven Erstattungen größer ist als die tatsächliche Erstattung, ist <strong>de</strong>r<br />

Differenzbetrag für spätere Zinsberechnungen als fiktive Zahlung zu berücksichtigen. Als Zahlungstag dieser<br />

fiktiven Zahlung ist <strong>de</strong>r Tag zu berücksichtigen, an <strong>de</strong>m die Steuerfestsetzung bzw. die Steueranmeldung<br />

wirksam gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

Zinsberechnung bei sog. NV-Fällen<br />

60. Ist eine Veranlagung <strong>zur</strong> Einkommensteuer nicht durchzuführen, weil die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 46 EStG<br />

nicht erfüllt sind, sind festgesetzte und geleistete Vorauszahlungen zu erstatten. Die Erstattungszinsen sind so<br />

zu berechnen, als sei eine Steuerfestsetzung über Null Euro erfolgt. Wird eine Einkommensteuerfestsetzung,<br />

die zu einer Erstattung geführt hat, aufgehoben und die Abrechnung geän<strong>de</strong>rt, so dass die bisher<br />

angerechneten Steuerabzugsbeträge <strong>zur</strong>ückgefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, ist diese Steuernachfor<strong>de</strong>rung zu verzinsen.<br />

Eine bisher durchgeführte Zinsfestsetzung (Erstattungszinsen) ist nach § 233a Abs. 5 Satz 1 zu än<strong>de</strong>rn.<br />

Zinsberechnung bei <strong>de</strong>r Vermögensteuer<br />

61.1 Bei <strong>de</strong>r Verzinsung <strong>de</strong>r Vermögensteuer ist die für je<strong>de</strong>s Jahr festgesetzte Steuer getrennt zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

Dies gilt auch für die Kleinbetragsgrenze <strong>de</strong>s § 239 Abs. 2. Obwohl die Vermögensteuer mit Beginn <strong>de</strong>s<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahres, für das sie festzusetzen ist, entsteht (§ 5 Abs. 2 VStG), beginnt die 15-monatige<br />

Karenzzeit erst mit Ablauf <strong>de</strong>s jeweiligen Kalen<strong>de</strong>rjahres.<br />

61.2 Den Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>r Zinsberechnung bei <strong>de</strong>r Haupt- und Nachveranlagung sowie bei <strong>de</strong>r<br />

Neuveranlagung <strong>de</strong>r Vermögensteuer und <strong>de</strong>r Aufhebung einer Vermögensteuer-Veranlagung wird durch<br />

§ 233a Abs. 3 Satz 2 Rechnung getragen. Danach ist bei <strong>de</strong>r Zinsberechnung jeweils <strong>de</strong>r Unterschied<br />

entwe<strong>de</strong>r zwischen <strong>de</strong>r festgesetzten Jahressteuer und <strong>de</strong>n festgesetzten Vorauszahlungen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

festgesetzten Jahressteuer und <strong>de</strong>r bisher festgesetzten Jahressteuer maßgebend. Wer<strong>de</strong>n nach Beginn <strong>de</strong>s<br />

Zinslaufs gleichzeitig eine (befristete) Hauptveranlagung und eine Neuveranlagung durchgeführt, so ist<br />

bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>r Unterschiedsbeträge jeweils vom Vorauszahlungssoll auszugehen. Wird die<br />

Neuveranlagung dagegen in zeitlichem Abstand nach <strong>de</strong>r Hauptveranlagung durchgeführt, so ist für die<br />

3 Anmerkung:<br />

Die in <strong>de</strong>r vorangegangenen Zinsfestsetzung (Beispiel 9) für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs <strong>de</strong>s<br />

3. Teil-Unterschiedsbetrags (d. h. für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum 31.3.2008) berechneten Nachzahlungszinsen<br />

bleiben nach § 233a Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz endgültig bestehen und können <strong>de</strong>shalb in dieser Zinsfestsetzung<br />

nicht mehr gemin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

4 Anmerkung:<br />

Die Zinsen wur<strong>de</strong>n zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gerun<strong>de</strong>t (§ 239 Abs. 2 Satz 1).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 196 von 235


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Zinsberechnung <strong>de</strong>r Unterschiedsbetrag zum Hauptveranlagungssoll maßgebend. Anlässlich einer Neuo<strong>de</strong>r<br />

Nachveranlagung o<strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Veranlagung <strong>zur</strong> Vermögensteuer ist eine bisherige<br />

Zinsfestsetzung entsprechend § 233a Abs. 5 zu än<strong>de</strong>rn.<br />

Zinsberechnung bei Vorsteuer-Vergütungsansprüchen<br />

62. Beträgt <strong>de</strong>r Vergütungszeitraum weniger als ein Kalen<strong>de</strong>rjahr (§ 60 UStDV), sind <strong>zur</strong> Berechnung <strong>de</strong>s<br />

Unterschiedsbetrags alle für ein Kalen<strong>de</strong>rjahr festgesetzten Vergütungen zusammenzufassen. Der Zinslauf<br />

beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, für das die Vergütung(en) festgesetzt<br />

wor<strong>de</strong>n sind (§ 233a Abs. 2 Satz 1). Er en<strong>de</strong>t mit Ablauf <strong>de</strong>s Tages, an <strong>de</strong>m die Festsetzung <strong>de</strong>r Vergütung<br />

wirksam gewor<strong>de</strong>n ist (§ 233a Abs. 2 Satz 3). Zur Festsetzungsverjährung <strong>de</strong>s Zinsanspruchs vgl. § 239<br />

Abs. 1.<br />

Verhältnis zu an<strong>de</strong>ren steuerlichen Nebenleistungen<br />

63. Zur Berücksichtigung <strong>de</strong>r Verzinsung nach § 233a bei <strong>de</strong>r Bemessung <strong>de</strong>s Verspätungszuschlags vgl. zu<br />

§ 152, Nr. 8.<br />

64. Die Erhebung von Säumniszuschlägen (§ 240) bleibt durch § 233a unberührt, da die Vollverzinsung nur <strong>de</strong>n<br />

Zeitraum bis <strong>zur</strong> Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer betrifft. Sollten sich in Fällen, in <strong>de</strong>nen die Steuerfestsetzung<br />

zunächst zugunsten und sodann wie<strong>de</strong>r zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt wird, Überschneidungen<br />

ergeben, sind insoweit die Säumniszuschläge <strong>zur</strong> Hälfte zu erlassen.<br />

65. Überschneidungen von Stundungszinsen und Nachzahlungszinsen nach § 233a können sich ergeben, wenn<br />

die Steuerfestsetzung nach Ablauf <strong>de</strong>r Stundung zunächst zugunsten und später wie<strong>de</strong>r zuungunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt wird (siehe § 234 Abs. 1 Satz 2). Zur Vermeidung einer Doppelverzinsung<br />

wer<strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen, die für <strong>de</strong>nselben Zeitraum festgesetzt wur<strong>de</strong>n, im Rahmen <strong>de</strong>r Zinsfestsetzung<br />

auf Stundungszinsen angerechnet (§ 234 Abs. 3). Erfolgt die Zinsfestsetzung nach § 233a aber erst nach<br />

Festsetzung <strong>de</strong>r Stundungszinsen, sind Nachzahlungszinsen insoweit nach § 227 zu erlassen, als sie für<br />

<strong>de</strong>nselben Zeitraum wie die bereits erhobenen Stundungszinsen festgesetzt wur<strong>de</strong>n.<br />

66. Überschneidungen mit Hinterziehungszinsen (§ 235) sind möglich, etwa weil <strong>de</strong>r Zinslauf mit Eintritt <strong>de</strong>r<br />

Verkürzung und damit vor Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer beginnt. Zinsen nach § 233a, die für <strong>de</strong>nselben Zeitraum<br />

festgesetzt wur<strong>de</strong>n, sind im Rahmen <strong>de</strong>r Zinsfestsetzung auf die Hinterziehungszinsen an<strong>zur</strong>echnen (§ 235<br />

Abs. 4) Dies gilt ungeachtet <strong>de</strong>r unterschiedlichen ertragsteuerlichen Behandlung bei<strong>de</strong>r Zinsarten. Zur<br />

Berechnung vgl. zu § 235, Nr. 4.<br />

67. Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge (§ 236) wer<strong>de</strong>n ab Rechtshängigkeit bzw. ab <strong>de</strong>m Zahlungstag<br />

berechnet. Überschneidungen mit Erstattungszinsen nach § 233a sind daher möglich. Zur Vermeidung einer<br />

Doppelverzinsung wer<strong>de</strong>n Zinsen nach § 233a, die für <strong>de</strong>nselben Zeitraum festgesetzt wur<strong>de</strong>n, im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r Zinsfestsetzung auf die Prozesszinsen angerechnet (§ 236 Abs. 4).<br />

68. Überschneidungen mit Aussetzungszinsen (§ 237) sind im Regelfall nicht möglich, da Zinsen nach § 233a<br />

Abs 1 bis 3 nur für <strong>de</strong>n Zeitraum bis <strong>zur</strong> Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer, Aussetzungszinsen jedoch frühestens ab <strong>de</strong>r<br />

Fälligkeit <strong>de</strong>r Steuernachfor<strong>de</strong>rung entstehen können (vgl. zu § 237, Nr. 6). Überschneidungen können sich<br />

aber ergeben, wenn Aussetzungszinsen erhoben wur<strong>de</strong>n, weil die Anfechtung einer Steuerfestsetzung<br />

erfolglos blieb, und die Steuerfestsetzung nach Abschluss <strong>de</strong>s Rechtsbehelfsverfahrens (siehe § 237 Abs. 5)<br />

zunächst zugunsten und sodann zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt wird. Zur Vermeidung einer<br />

Doppelverzinsung wer<strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen, die für <strong>de</strong>nselben Zeitraum festgesetzt wur<strong>de</strong>n, im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r Zinsfestsetzung auf Aussetzungszinsen angerechnet (§ 237 Abs. 4 i. V. m. § 234 Abs. 3). Erfolgt die<br />

Zinsfestsetzung nach § 233a aber erst nach Festsetzung <strong>de</strong>r Aussetzungszinsen, sind Nachzahlungszinsen<br />

insoweit nach § 227 zu erlassen, als sie für <strong>de</strong>nselben Zeitraum wie die bereits erhobenen Aussetzungszinsen<br />

festgesetzt wur<strong>de</strong>n.<br />

Billigkeitsmaßnahmen<br />

69. Allgemeines<br />

69.1 Billigkeitsmaßnahmen hinsichtlich <strong>de</strong>r Zinsen kommen in Betracht, wenn solche auch hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Steuer zu treffen sind.<br />

69.2 Daneben sind auch zinsspezifische Billigkeitsmaßnahmen möglich (BFH-Urteil vom 24.7.1996 –<br />

X R 23/94 – BFH/NV 1997 S. 92). Beim Erlass von Zinsen nach § 233a aus sachlichen<br />

Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n i. S. d. §§ 163, 227 ist zu berücksichtigen, dass die Entstehung <strong>de</strong>s Zinsanspruchs <strong>de</strong>m<br />

Grun<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r Höhe nach gemäß Wortsinn, Zusammenhang und Zweck <strong>de</strong>s Gesetzes, <strong>de</strong>n<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 197 von 235


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Liquiditätsvorteil <strong>de</strong>s Steuerschuldners und <strong>de</strong>n Liquiditätsnachteil <strong>de</strong>s Steuergläubigers auszugleichen,<br />

ein<strong>de</strong>utig unabhängig von <strong>de</strong>r konkreten Einzelfallsituation geregelt ist und, rein objektiv,<br />

ergebnisbezogen allein vom Eintritt bestimmter Ereignisse (Fristablauf i. S. d. § 233a Abs. 2 o<strong>de</strong>r 2a,<br />

Unterschiedsbetrag i. S. d. § 233a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 233a Abs. 3 o<strong>de</strong>r 5) abhängt.<br />

Nach <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>s Gesetzgebers soll die Verzinsung nach § 233a einen Ausgleich dafür schaffen, dass<br />

die Steuern bei <strong>de</strong>n einzelnen Steuerpflichtigen „aus welchen Grün<strong>de</strong>n auch immer“ zu unterschiedlichen<br />

Zeitpunkten festgesetzt und fällig wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 20.9.1995 – X R 86/94 – BStBl. 1996 II,<br />

S. 53, vom 5.6.1996 – X R 234/93 – BStBl. II, S. 503, und vom 12.4.2000 – XI R 21/97 – BFH/NV 2000<br />

S. 1178). Für die Anwendung <strong>de</strong>r Vorschrift sind daher die Ursachen und Begleitumstän<strong>de</strong> im Einzelfall<br />

unbeachtlich. Die reine Möglichkeit <strong>de</strong>r Kapitalnutzung (vgl. BFH-Urteil vom 25.11.1997 –<br />

IX R 28/96 – BStBl. 1998 II, S. 550) bzw. die bloße Verfügbarkeit eines bestimmten Kapitalbetrages<br />

(BFH-Urteil vom 12.4.2000 – XI R 21/97 – BFH/NV 2000 S. 1178) reicht aus. Rechtfertigung für die<br />

Entstehung <strong>de</strong>r Zinsen nach § 233a ist nicht nur ein abstrakter Zinsvorteil <strong>de</strong>s Steuerschuldners, son<strong>de</strong>rn<br />

auch ein ebensolcher Nachteil <strong>de</strong>s Steuergläubigers (BFH-Urteil vom 19.3.1997 – I R 63/97 – BStBl. II,<br />

S. 446). Ein Verschul<strong>de</strong>n ist prinzipiell irrelevant, und zwar auf bei<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>s<br />

Steuerschuldverhältnisses (vgl. BFH-Entscheidungen vom 4.11.1996 – I B 67/96 – BFH/NV 1997<br />

S. 458, vom 15.4.1999 – V R 63/97 – BFH/NV 1999 S. 1392, vom 3.5.2000 – II B 124/99 – BFH/NV<br />

2000 S. 1441, und vom 30.11.2000 – I B 169/00 – BFH/NV 2001 S. 656).<br />

Zinsen nach § 233a sind we<strong>de</strong>r Sanktions- noch Druckmittel o<strong>de</strong>r Strafe, son<strong>de</strong>rn laufzeitabhängige<br />

Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung. Vor diesem gesetzlichen Hintergrund ist es<br />

unerheblich, ob <strong>de</strong>r – typisierend vom Gesetz unterstellte – Zinsvorteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auf einer<br />

verzögerten Einreichung <strong>de</strong>r Steuererklärung durch <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r einer verzögerten<br />

Bearbeitung durch das Finanzamt beruht (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 3.5.2000 – II B 124/99 –<br />

BFH/NV 2000 S. 1441 und vom 2.2.2001 – XI B 91/00 – BFH/NV 2001 S. 1003). Bei <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

nach § 233a kommt es auch nicht auf eine konkrete Berechnung <strong>de</strong>r tatsächlich eingetretenen Zinsvorund<br />

-nachteile an (BFH-Urteil vom 19.3.1997 – I R 7/96 –, BStBl. II, S. 446).<br />

Die Erhebung von Zinsen auf einen Nachfor<strong>de</strong>rungsbetrag, <strong>de</strong>r sich nach <strong>de</strong>r Korrektur einer<br />

Steuerfestsetzung ergibt, entspricht (vom Anwendungsbereich <strong>de</strong>s § 233a Abs. 2a und Abs. 7 abgesehen)<br />

<strong>de</strong>n Wertungen <strong>de</strong>s § 233a und ist nicht sachlich unbillig (siehe dazu § 233a Abs. 5; vgl. auch BFH-<br />

Entscheidungen vom 12.4.2000 – XI R 21/97 – BFH/NV 2000 S. 1178, und vom 30.11.2000 –<br />

V B 169/00 – BFH/NV 2001 S. 656).<br />

An<strong>de</strong>rerseits ist für einen Ausgleich in Form einer Verzinsung <strong>de</strong>r Steuernachfor<strong>de</strong>rung dann kein Raum,<br />

wenn zweifelsfrei feststeht, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen<br />

Vorteil erlangt hatte (vgl. BFH-Urteile vom 11.7.1996 – V R 18/95 – BStBl. 1997 II, S. 259, und vom<br />

12.4.2000 – XI R 21/97 – BFH/NV 2000 S. 1178). Festgesetzte Nachzahlungszinsen sind in diesem Fall<br />

wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen (vgl. Nr. 70).<br />

69.3 Eine gegenüber <strong>de</strong>r Regelung in § 233a höhere Festsetzung von Erstattungszinsen aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n<br />

ist nicht zulässig.<br />

70. Einzelfragen<br />

70.1 Leistungen vor Festsetzung <strong>de</strong>r zu verzinsen<strong>de</strong>n Steuer<br />

70.1.1 Zinsen nach § 233a sind auch dann festzusetzen, wenn vor Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer freiwillige Leistungen<br />

erbracht wer<strong>de</strong>n. Nachzahlungszinsen sind aber aus sachlichen Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n zu erlassen, soweit <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige auf die sich aus <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ergeben<strong>de</strong> Steuerzahlungsfor<strong>de</strong>rung bereits vor<br />

Wirksamkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung freiwillige Leistungen erbracht und das Finanzamt diese Leistungen<br />

angenommen und behalten hat.<br />

70.1.2 Nachzahlungszinsen sind daher nur für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum Eingang <strong>de</strong>r freiwilligen Leistung zu<br />

erheben. Wur<strong>de</strong> die freiwillige Leistung erst nach Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs erbracht o<strong>de</strong>r war sie geringer als<br />

<strong>de</strong>r zu verzinsen<strong>de</strong> Unterschiedsbetrag, sind Nachzahlungszinsen aus Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n insoweit<br />

zu erlassen, wie die auf volle fünfzig Euro abgerun<strong>de</strong>te freiwillige Leistung für jeweils volle Monate vor<br />

Wirksamkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung erbracht wor<strong>de</strong>n ist (fiktive Erstattungszinsen). Ein Zinserlass<br />

schei<strong>de</strong>t dabei aus, wenn <strong>de</strong>r zu erlassen<strong>de</strong> Betrag weniger als zehn Euro beträgt (§ 239 Abs. 2 Satz 2).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 198 von 235


Beispiel 14<br />

(Fortsetzung von Beispiel 1):<br />

Der Steuerpflichtige hat am 26.4.2006 eine freiwillige Leistung i. H. v. 4 025 € erbracht. Die zu erlassen<strong>de</strong>n<br />

Nachzahlungszinsen berechnen sich wie folgt:<br />

abgerun<strong>de</strong>te freiwillige Leistung: 4 000 €<br />

Beginn <strong>de</strong>s fiktiven Zinslaufs: 27.4.2006<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s fiktiven Zinslaufs (= Wirksamkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung): 11.12.2006<br />

Zu erlassen<strong>de</strong> Nachzahlungszinsen:<br />

4 000 € × 7 volle Monate × 0,5 v. H. = 140 €<br />

Sofern sich bei <strong>de</strong>r Abrechnung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r freiwilligen Leistungen<br />

eine Rückzahlung ergibt, sind hierfür keine Erstattungszinsen festzusetzen. Leistungen, die <strong>de</strong>n<br />

Unterschiedsbetrag übersteigen, sind bei <strong>de</strong>m Erlass von Nachzahlungszinsen nicht zu berücksichtigen.<br />

Beispiel 15<br />

(Fortsetzung von Beispiel 1):<br />

Der zu verzinsen<strong>de</strong> Unterschiedsbetrag beträgt 7 000 €. Der Steuerpflichtige hat am 26.4.2006 eine Zahlung i. H. v.<br />

8 025 € geleistet. Die zu erlassen<strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen berechnen sich wie folgt:<br />

– auf die sich aus <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ergeben<strong>de</strong> Steuerzahlungsfor<strong>de</strong>rung erbrachte – 7 000 €<br />

(abgerun<strong>de</strong>te) freiwillige Leistung:<br />

Beginn <strong>de</strong>s fiktiven Zinslaufs: 27.4.2006<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s fiktiven Zinslaufs (= Wirksamkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung): 11.12.2006<br />

Zu erlassen<strong>de</strong> Nachzahlungszinsen:<br />

7 000 € × 7 volle Monate × 0,5 v. H. = 245 €<br />

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70.1.3 Wenn das Finanzamt <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen fälschlicherweise Vorauszahlungen <strong>zur</strong>ückgezahlt hat, sind<br />

Nachzahlungszinsen nur zu erlassen, soweit <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nicht nur das Finanzamt auf diesen<br />

Fehler aufmerksam gemacht, son<strong>de</strong>rn auch die materiell ungerechtfertigte Steuererstattung unverzüglich<br />

an das Finanzamt <strong>zur</strong>ücküberwiesen hat. Die Grundsätze <strong>de</strong>s BFH-Urteils vom 25.11.1997 –<br />

IX R 28/96 – BStBl. 1998 II, S. 550, sind nicht über <strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>nen Einzelfall hinaus anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

70.2 Billigkeitsmaßnahmen bei <strong>de</strong>r Verzinsung von Umsatzsteuer<br />

70.2.1 Die Verzinsung nachträglich festgesetzter Umsatzsteuer beim leisten<strong>de</strong>n Unternehmer ist nicht sachlich<br />

unbillig, wenn sich per Saldo ein Ausgleich <strong>de</strong>r Steuerfor<strong>de</strong>rung mit <strong>de</strong>n vom Leistungsempfänger<br />

abgezogenen Vorsteuerbeträgen ergibt (vgl. BFH-Urteile vom 20.1.1997 – V R 28/95 – BStBl. II, S. 716,<br />

und vom 15.4.1999 – V R 63/97 – BFH/NV S. 1392).<br />

70.2.2 Eine Billigkeitsmaßnahme kommt daher auch dann nicht in Betracht, wenn Leisten<strong>de</strong>r und<br />

Leistungsempfänger einen umsatzsteuerlich relevanten Sachverhalt nicht bereits in <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Voranmeldungen, son<strong>de</strong>rn jeweils erst in <strong>de</strong>n Jahresanmeldungen angeben, etwa wenn bei <strong>de</strong>r<br />

steuerpflichtigen Übertragung eines Sozietätsanteils das Veräußerungsgeschäft sowohl vom Veräußerer<br />

als auch vom Erwerber erst in <strong>de</strong>r Umsatzsteuer-Jahreserklärung und nicht bereits in <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Umsatzsteuer-Voranmeldung erfasst wird. Der Erwerber tritt bei einer solchen Fallgestaltung oftmals<br />

seinen Vorsteuererstattungsanspruch in voller Höhe an <strong>de</strong>n Veräußerer ab. Der Veräußerer hat seine<br />

Verpflichtung, <strong>de</strong>n Umsatz aus <strong>de</strong>r Teilbetriebsveräußerung im zutreffen<strong>de</strong>n Voranmeldungszeitraum zu<br />

berücksichtigen, verletzt, weshalb die nachträgliche Erfassung in <strong>de</strong>r Jahressteuerfestsetzung eine<br />

entsprechen<strong>de</strong> Nachfor<strong>de</strong>rung und <strong>de</strong>mentsprechend Nachfor<strong>de</strong>rungszinsen auslöst. Die Verzinsung<br />

nachträglich festgesetzter Umsatzsteuer beim Leisten<strong>de</strong>n ist auch <strong>de</strong>shalb nicht unbillig, weil die zu<br />

verzinsen<strong>de</strong> Umsatzsteuer für steuerbare und steuerpflichtige Leistungen unabhängig davon entsteht, ob<br />

<strong>de</strong>r leisten<strong>de</strong> Unternehmer sie in einer Rechnung geson<strong>de</strong>rt ausweist o<strong>de</strong>r beim Finanzamt voranmel<strong>de</strong>t<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 20.1.1997 – V R 28/95 – BStBl. II, S. 716). Unbeachtlich bleibt, dass auch <strong>de</strong>r<br />

Erwerber bereits im Rahmen <strong>de</strong>s Voranmeldungsverfahrens eine entsprechen<strong>de</strong> Vorsteuervergütung hätte<br />

erlangen können. Unabhängig von <strong>de</strong>r Abtretung <strong>de</strong>s Erstattungsanspruchs an <strong>de</strong>n Veräußerer kann <strong>de</strong>r<br />

Erwerber gleichwohl in <strong>de</strong>n Genuss von Erstattungszinsen nach § 233a gelangen.<br />

70.2.3 Wer<strong>de</strong>n in einer Endrechnung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r zugehörigen Zusammenstellung die vor <strong>de</strong>r Leistung<br />

vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallen<strong>de</strong>n Umsatzsteuerbeträge nicht abgesetzt o<strong>de</strong>r<br />

angegeben, so hat <strong>de</strong>r Unternehmer <strong>de</strong>n gesamten in <strong>de</strong>r Endrechnung ausgewiesenen Steuerbetrag an<br />

das Finanzamt abzuführen. Der Unternehmer schul<strong>de</strong>t die in <strong>de</strong>r Endrechnung ausgewiesene Steuer, die<br />

auf die vor Ausführung <strong>de</strong>r Leistung vereinnahmten Teilentgelte entfällt, nach § 14c Abs. 1 UStG. Erteilt<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 199 von 235


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<strong>de</strong>r Unternehmer <strong>de</strong>m Leistungsempfänger nachträglich eine berichtigte Endrechnung, die <strong>de</strong>n<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s § 14 Abs. 5 Satz 2 UStG genügt, so kann er die von ihm geschul<strong>de</strong>te Steuer in <strong>de</strong>m<br />

Besteuerungszeitraum berichtigen, in <strong>de</strong>m die berichtigte Endrechnung erteilt wird (vgl. Abschn. 187<br />

Abs. 10 Satz 5 und 223 Abs. 9 UStR 2008). Hat <strong>de</strong>r Unternehmer die aufgrund <strong>de</strong>r fehlerhaften<br />

Endrechnung nach § 14c Abs. 1 UStG geschul<strong>de</strong>te Steuer nicht in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung<br />

berücksichtigt, kann die Nachfor<strong>de</strong>rung dieser Steuer im Rahmen <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung für das<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr <strong>zur</strong> Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a führen, wenn <strong>de</strong>r Unternehmer die<br />

Endrechnung erst in einem auf das Kalen<strong>de</strong>rjahr <strong>de</strong>r ursprünglichen Rechnungserteilung folgen<strong>de</strong>n<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr berichtigt hat.<br />

Die Erhebung von Nachzahlungszinsen ist in <strong>de</strong>rartigen Fällen nicht sachlich unbillig (BFH-Urteil vom<br />

19.3.2009 – V R 48/07 – BStBl. 2009 II, S. ...). Aus Vertrauensschutzgrün<strong>de</strong>n können in <strong>de</strong>rartigen<br />

Fällen die festgesetzten Nachzahlungszinsen aber erlassen wer<strong>de</strong>n, wenn fehlerhafte Endrechnungen bis<br />

zum 22. Dezember 2009 gestellt wur<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Unternehmer nach Auf<strong>de</strong>ckung seines Fehlers sogleich<br />

eine berichtigte Endrechnung erteilt hat.<br />

70.2.4 Bei einer von <strong>de</strong>n ursprünglichen Steuerfestsetzungen abweichen<strong>de</strong>n zeitlichen Zuordnung eines<br />

Umsatzes durch das Finanzamt, die gleichzeitig zu einer Steuernachfor<strong>de</strong>rung und zu einer<br />

Steuererstattung führt, kann es sachlich unbillig sein, (in Wirklichkeit nicht vorhan<strong>de</strong>ne) Zinsvorteile<br />

abzuschöpfen (BFH-Urteil vom 11.7.1996 – V R 18/95 – BStBl. 1997 II, S. 259). Soweit zweifelsfrei<br />

feststeht, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil o<strong>de</strong>r Nachteil<br />

hatte, kann durch die Verzinsung nach § 233a <strong>de</strong>r sich aus <strong>de</strong>r verspäteten Steuerfestsetzung ergeben<strong>de</strong>n<br />

Steuernachfor<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Steuererstattung kein Vorteil o<strong>de</strong>r Nachteil ausgeglichen wer<strong>de</strong>n.<br />

70.2.5 Im Fall einer vom Steuerpflichtigen fälschlicherweise angenommenen umsatzsteuerlichen Organschaft,<br />

bei <strong>de</strong>r er als vermeintlicher Organträger Voranmeldungen abgegeben hat und die gesamte Umsatzsteuer<br />

von „Organträger“ und „Organgesellschaft“ an das Finanzamt gezahlt hat, kommen<br />

Billigkeitsmaßnahmen nur in beson<strong>de</strong>rs gelagerten Ausnahmefällen in Betracht. Stellt das Finanzamt im<br />

Veranlagungsverfahren fest, dass keine umsatzsteuerliche Organschaft vorliegt und daher für die<br />

„Organgesellschaft“ eine eigenständige Steuerfestsetzung durchzuführen ist, führt dies bei <strong>de</strong>r<br />

„Organgesellschaft“ – wegen unterbliebener Voranmeldungen und Vorauszahlungen – <strong>zur</strong> Nachzahlung<br />

<strong>de</strong>r kompletten Umsatzsteuer für das entsprechen<strong>de</strong> Jahr; bei <strong>de</strong>m „Organträger“ i. d. R. aber zu einer<br />

Umsatzsteuererstattung. Die „Organgesellschaft“ muss daher Nachzahlungszinsen entrichten, während<br />

<strong>de</strong>r „Organträger“ Erstattungszinsen erhält. Da die Verzinsung nach § 233a <strong>de</strong>n Liquiditätsvorteil <strong>de</strong>s<br />

Steuerschuldners und <strong>de</strong>n Nachteil <strong>de</strong>s Steuergläubigers <strong>de</strong>r individuellen Steuerfor<strong>de</strong>rung ausgleichen<br />

soll, kann eine Billigkeitsmaßnahme in Betracht kommen, wenn und soweit dieser Schuldner keine<br />

Zinsvorteile hatte o<strong>de</strong>r haben konnte.<br />

70.2.6 Wird umgekehrt festgestellt, dass entgegen <strong>de</strong>r ursprünglichen Annahme eine umsatzsteuerliche<br />

Organschaft vorliegt, so sind die zunächst bei <strong>de</strong>r Organgesellschaft versteuerten Umsätze nunmehr in<br />

vollem Umfang <strong>de</strong>m Organträger zu<strong>zur</strong>echnen. Die USt-Festsetzung gegenüber <strong>de</strong>r GmbH<br />

(Organgesellschaft) ist aufzuheben, so dass i. d. R. Erstattungszinsen festgesetzt wer<strong>de</strong>n. Sämtliche<br />

Umsätze sind <strong>de</strong>m Organträger zu<strong>zur</strong>echnen, so dass diesem gegenüber i. d. R. Nachzahlungszinsen<br />

festgesetzt wer<strong>de</strong>n. Entstehen auf Grund <strong>de</strong>r Entscheidung, dass eine umsatzsteuerliche Organschaft<br />

vorliegt, insgesamt höhere Nachzahlungszinsen als Erstattungszinsen, können die übersteigen<strong>de</strong>n<br />

Nachzahlungszinsen insoweit aus sachlichen Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n erlassen wer<strong>de</strong>n, wenn und soweit <strong>de</strong>r<br />

Schuldner keine Zinsvorteile hatte o<strong>de</strong>r haben konnte.<br />

70.3 Gewinnverlagerungen<br />

Die allgemeinen Regelungen <strong>de</strong>s § 233a sind auch bei <strong>de</strong>r Verzinsung solcher Steuernachfor<strong>de</strong>rungen<br />

und Steuererstattungen zu beachten, die in engem sachlichen Zusammenhang zueinan<strong>de</strong>r stehen (z. B. bei<br />

Gewinnverlagerungen im Rahmen einer Außenprüfung). Führt eine Außenprüfung sowohl zu einer<br />

Steuernachfor<strong>de</strong>rung als auch zu einer Steuererstattung, so ist <strong>de</strong>shalb hinsichtlich <strong>de</strong>r Verzinsung nach<br />

§ 233a grundsätzlich auf die Steueransprüche <strong>de</strong>r einzelnen Jahre abzustellen, ohne auf<br />

Wechselwirkungen mit <strong>de</strong>n jeweiligen an<strong>de</strong>ren Besteuerungszeiträumen einzugehen. Ein Erlass von<br />

Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n kommt bei nachträglicher Zuordnung von<br />

Einkünften zu einem an<strong>de</strong>ren Veranlagungszeitraum nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 16.11.2005 –<br />

X R 3/04 – BStBl. 2006 II, S. 155). Gewinnverlagerungen und Umsatzverlagerungen (vgl. Nr. 70.2.4)<br />

sind bei <strong>de</strong>r Verzinsung nach § 233a nicht vergleichbar (vgl. BFH-Urteil vom 11.7.1996 – V R 18/95 –<br />

BStBl. 1997 II, S. 259). Das BFH-Urteil vom 15.10.1998 – IV R 69/97 – HFR 1999 S. 81, betrifft nur<br />

<strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rfall <strong>de</strong>r Verschiebung von Besteuerungsgrundlagen von einem zu verzinsen<strong>de</strong>n<br />

Besteuerungszeitraum in einen noch nicht <strong>de</strong>r Verzinsung nach § 233a unterliegen<strong>de</strong>n<br />

Besteuerungszeitraum.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 200 von 235


Rechtsbehelfe<br />

71. Gegen die Zinsfestsetzung ist <strong>de</strong>r Einspruch gegeben. Einwendungen gegen die zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong><br />

Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Körperschaftsteuer können jedoch nicht<br />

mit <strong>de</strong>m Einspruch gegen <strong>de</strong>n Zinsbescheid geltend gemacht wer<strong>de</strong>n. Wird die Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r die<br />

Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Körperschaftsteuer geän<strong>de</strong>rt, sind etwaige Folgerungen für die<br />

Zinsfestsetzung nach § 233a Abs. 5 zu ziehen.<br />

72. Gegen die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme ist ein geson<strong>de</strong>rter Einspruch gegeben, und zwar<br />

auch dann, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> die Billigkeitsentscheidung im Rahmen <strong>de</strong>r Zinsfestsetzung getroffen<br />

hat (vgl. zu § 347, Nr. 4).<br />

73. Wird <strong>de</strong>r Zinsbescheid als solcher angefochten, kommt unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 361 bzw. <strong>de</strong>s § 69<br />

FGO die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung in Betracht. Wird mit <strong>de</strong>m Rechtsbehelf eine erstmalige o<strong>de</strong>r eine<br />

höhere Festsetzung von Erstattungszinsen begehrt, ist mangels eines vollziehbaren Verwaltungsaktes eine<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung nicht möglich. Soweit die Vollziehung <strong>de</strong>s zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong>s ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung <strong>de</strong>s Zinsbeschei<strong>de</strong>s auszusetzen.<br />

Berücksichtigung rückwirken<strong>de</strong>r Ereignisse in Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n<br />

74. § 233a Abs. 2a ist auch dann anzuwen<strong>de</strong>n, wenn das rückwirken<strong>de</strong> Ereignis in einem für <strong>de</strong>n Steuerbescheid<br />

verbindlichen Grundlagenbescheid berücksichtigt wur<strong>de</strong>. Im Grundlagenbescheid sind <strong>de</strong>shalb auch<br />

entsprechen<strong>de</strong> Feststellungen über die Auswirkungen eines erstmals berücksichtigten rückwirken<strong>de</strong>n<br />

Ereignisses auf die festgestellten Besteuerungsgrundlagen und <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Eintritts <strong>de</strong>s rückwirken<strong>de</strong>n<br />

Ereignisses zu treffen (vgl. BFH-Urteil vom 19.3.2009 – IV R 20/08 – BStBl. 2010 II, S. 528). Gleiches gilt,<br />

wenn ein bereits bei <strong>de</strong>r vorangegangenen Feststellung berücksichtigtes rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis unmittelbar<br />

Än<strong>de</strong>rungen erfährt und <strong>de</strong>r Feststellungsbescheid <strong>de</strong>shalb geän<strong>de</strong>rt wird. Wird ein Feststellungsbescheid<br />

dagegen aus an<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n (z. B. <strong>zur</strong> Berücksichtigung neuer Tatsachen i. S. d. § 173) geän<strong>de</strong>rt, sind auch<br />

dann keine Feststellungen zum früher bereits berücksichtigten rückwirken<strong>de</strong>n Ereignis zu treffen, wenn sich<br />

die steuerlichen Auswirkungen dieses rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses aufgrund <strong>de</strong>r erstmaligen o<strong>de</strong>r<br />

abweichen<strong>de</strong>n Berücksichtigung normal zu verzinsen<strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen rechnerisch verän<strong>de</strong>rt.<br />

Dies gilt im Verhältnis zwischen Gewerbesteuermessbescheid und Gewerbesteuerbescheid sowie in <strong>de</strong>n<br />

Fällen <strong>de</strong>s § 35b GewStG entsprechend.<br />

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Zu § 234 – Stundungszinsen:<br />

1. Stundungszinsen wer<strong>de</strong>n für die Dauer <strong>de</strong>r gewährten Stundung erhoben. Ihre Höhe än<strong>de</strong>rt sich nicht, wenn<br />

<strong>de</strong>r Steuerpflichtige vor o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Zahlungstermin zahlt, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Stundungsverfügung festgelegt ist<br />

(Sollverzinsung).<br />

Eine vorzeitige Tilgung führt nicht automatisch zu einer Ermäßigung <strong>de</strong>r Stundungszinsen. Soweit <strong>de</strong>r<br />

gestun<strong>de</strong>te Anspruch allerdings mehr als ein Monat vor Fälligkeit getilgt wird, kann auf bereits festgesetzte<br />

Stundungszinsen für <strong>de</strong>n Zeitraum ab Eingang <strong>de</strong>r Leistung auf Antrag verzichtet wer<strong>de</strong>n (§ 234 Abs. 2).<br />

Eine verspätete Zahlung löst zusätzlich Säumniszuschläge aus.<br />

2. Wird die gestun<strong>de</strong>te Steuerfor<strong>de</strong>rung vor Ablauf <strong>de</strong>s Stundungszeitraums herabgesetzt, ist <strong>de</strong>r Zinsbescheid<br />

nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 entsprechend zu än<strong>de</strong>rn. Eine Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung nach Ablauf <strong>de</strong>r Stundung hat keine Auswirkungen auf die Stundungszinsen (§ 234 Abs. 1<br />

Satz 2). Wer<strong>de</strong>n Vorauszahlungen gestun<strong>de</strong>t, sind Stundungszinsen nur im Hinblick auf eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Vorauszahlungsfestsetzung, nicht aber im Hinblick auf die Festsetzung <strong>de</strong>r Jahressteuer herabzusetzen.<br />

3. Die Stundungszinsen wer<strong>de</strong>n regelmäßig zusammen mit <strong>de</strong>r Stundungsverfügung durch Zinsbescheid<br />

festgesetzt. Die Formvorschriften für Steuerbeschei<strong>de</strong> (§ 157 Abs. 1, ggf. § 87a Abs. 4) gelten entsprechend.<br />

Sofern nicht beson<strong>de</strong>re Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Einzelfalls eine an<strong>de</strong>re Regelung erfor<strong>de</strong>rn, sind die Stundungszinsen<br />

zusammen mit <strong>de</strong>r letzten Rate zu erheben. Bei einer Aufhebung <strong>de</strong>r Stundungsverfügung (Rücknahme o<strong>de</strong>r<br />

Wi<strong>de</strong>rruf) sind auch die auf ihr beruhen<strong>de</strong>n Zinsbeschei<strong>de</strong> aufzuheben o<strong>de</strong>r zu än<strong>de</strong>rn; §§ 175 Abs. 1 Satz 1<br />

Nr. 1, 171 Abs. 10 gelten gem. § 239 Abs. 1 Satz 1 entsprechend.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 201 von 235


Beispiel:<br />

Das Finanzamt hat am 10.3.2004 eine am 25.2.2004 fällige Einkommensteuerfor<strong>de</strong>rung von 3 600 € ab<br />

Fälligkeit gestun<strong>de</strong>t. Der Betrag ist in 12 gleichen Monatsraten von 300 €, beginnend am 1.4.2004 zu zahlen.<br />

Die Zinsen von 117 € sind zusammen mit <strong>de</strong>r letzten Rate am 1.3.2005 zu erheben.<br />

Das Finanzamt erfährt im August 2004, dass eine wesentliche Verbesserung <strong>de</strong>r Vermögensverhältnisse <strong>de</strong>s<br />

Schuldners eingetreten ist. Es wi<strong>de</strong>rruft <strong>de</strong>shalb die Stundung nach § 131 Abs. 2 Nr. 3 und stellt <strong>de</strong>n<br />

gesamten Restbetrag von 2 100 € zum 1.9.2004 fällig.<br />

Der Zinsbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zu än<strong>de</strong>rn. Die Zinsen in Höhe von insgesamt 85 €<br />

(gerun<strong>de</strong>t nach § 239 Abs. 2 Satz 1) sind zum 1.9.2004 zu erheben.<br />

4. Der Zinslauf beginnt bei <strong>de</strong>n Stundungszinsen an <strong>de</strong>m ersten Tag, für <strong>de</strong>n die Stundung wirksam wird (§ 238<br />

Abs. 1 Satz 2 i. V. mit § 234 Abs. 1 Satz 1). Bei einer Stundung ab Fälligkeit beginnt <strong>de</strong>r Zinslauf am Tag<br />

nach Ablauf <strong>de</strong>r ggf. nach § 108 Abs. 3 verlängerten Zahlungsfrist.<br />

Beispiele:<br />

1. Fälligkeitstag ist <strong>de</strong>r 12.3.2004 (Freitag). Der Zinslauf beginnt am 13.3.2004 (Sonnabend).<br />

2. Fälligkeitstag ist <strong>de</strong>r 13.3.2004 (Sonnabend). Die Zahlungsfrist en<strong>de</strong>t nach § 108 Abs. 3 erst am<br />

15.3.2004 (Montag). Der Zinslauf beginnt am 16.3.2004 (Dienstag).<br />

Wegen <strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r Anmeldungssteuern vgl. zu § 240, Nr. 1 Satz 2.<br />

5. Der Zinslauf en<strong>de</strong>t mit Ablauf <strong>de</strong>s letzten Tages, für <strong>de</strong>n die Stundung ausgesprochen wor<strong>de</strong>n ist. Ist dieser<br />

Tag ein Sonnabend, ein Sonntag o<strong>de</strong>r ein gesetzlicher Feiertag, en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zinslauf erst am nächstfolgen<strong>de</strong>m<br />

Werktag. Wegen <strong>de</strong>r Berechnung vgl. zu § 238, Nr. 1.<br />

Beispiele:<br />

1. Die Steuer ist bis zum 26.3.2004 (Freitag) gestun<strong>de</strong>t. Der Zinslauf en<strong>de</strong>t am 26.3.2004.<br />

2. Die Steuer ist bis zum 27.3.2004 (Sonnabend) gestun<strong>de</strong>t. Der Zinslauf en<strong>de</strong>t nach § 108 Abs. 3 am<br />

29.3.2004 (Montag).<br />

In Insolvenzverfahren en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zinslauf spätestens mit Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens, da zu diesem<br />

Zeitpunkt die gestun<strong>de</strong>te Steuerfor<strong>de</strong>rung fällig wird (§ 41 Abs. 1 InsO). Eine bereits erfolgte Festsetzung<br />

von Stundungszinsen ist ggf. zu korrigieren.<br />

6. Stundungszinsen sind nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238<br />

Abs. 1 Satz 2); vgl. zu § 238, Nr. 1.<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Beispiele:<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

ursprünglichen<br />

Zahlungsfrist<br />

13.5.2004<br />

(Do)<br />

13.5.2004<br />

(Do)<br />

31.1.2005<br />

(Mo)<br />

Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

14.5.2004<br />

(Fr)<br />

14.5.2004<br />

(Fr)<br />

1.2.2005<br />

(Di)<br />

Ablauf <strong>de</strong>r Stundung<br />

nach<br />

Stundungsverfügung<br />

13.6.2004<br />

(So)<br />

11.6.2004<br />

(Fr)<br />

28.2.2005<br />

(Mo)<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

14.6.2004<br />

(Mo)<br />

11.6.2004<br />

(Fr)<br />

28.2.2005<br />

(Mo)<br />

Voller Monat<br />

7. Zu verzinsen ist <strong>de</strong>r jeweils gestun<strong>de</strong>te Anspruch aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (§ 37) mit Ausnahme <strong>de</strong>r<br />

Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen (§ 233 Satz 2). Die Zinsen sind für je<strong>de</strong>n Anspruch<br />

(Einzelfor<strong>de</strong>rung) beson<strong>de</strong>rs zu berechnen. Bei <strong>de</strong>r Zinsberechnung sind die Ansprüche zu trennen, wenn<br />

Steuerart, Zeitraum (Teilzeitraum) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>s Zinslaufs voneinan<strong>de</strong>r abweichen.<br />

ja<br />

nein<br />

ja<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 202 von 235


Beispiele für geson<strong>de</strong>rt zu verzinsen<strong>de</strong> Ansprüche:<br />

1. Einkommensteuervorauszahlungen I/04 und II/04;<br />

2. die erstmalige Festsetzung <strong>de</strong>r Einkommensteuer 2004 durch Bescheid vom 3.5.2006 führt zu einer<br />

Abschlusszahlung i. H. v. 4 290 €; nach Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit (§ 129) durch<br />

Steuerbescheid vom 1.6.2006 for<strong>de</strong>rt das Finanzamt weitere 850 €.<br />

8. Die Kleinbetragsregelung <strong>de</strong>s § 239 Abs. 2 Satz 2 (Zinsen unter 10 Euro wer<strong>de</strong>n nicht festgesetzt) ist auf die<br />

für eine Einzelfor<strong>de</strong>rung berechneten Zinsen anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Beispiel:<br />

Es wer<strong>de</strong>n ab Fälligkeit jeweils für einen Monat folgen<strong>de</strong><br />

Einzelfor<strong>de</strong>rungen gestun<strong>de</strong>t<br />

Zinsen<br />

Einkommensteuervorauszahlung 1 950,00 € 9,75 € 9,00 €<br />

Solidaritätszuschlag 200,00 € 1,00 € 1,00 €<br />

Umsatzsteuerabschlusszahlung 600,00 € 3,00 € 3,00 €<br />

Zinsen wer<strong>de</strong>n nicht festgesetzt, da sie für keine <strong>de</strong>r Einzelfor<strong>de</strong>rungen 10 Euro erreichen.<br />

abgerun<strong>de</strong>t<br />

(§ 239 Abs. 2<br />

Satz 1)<br />

9. Bei Gewährung von Ratenzahlungen sind Stundungszinsen nach § 238 Abs. 2 wie folgt zu berechnen:<br />

Der zu verzinsen<strong>de</strong> Betrag je<strong>de</strong>r Steuerart ist auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren Betrag<br />

ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n. Ein sich durch die Abrundung ergeben<strong>de</strong>r Spitzenbetrag (Abrundungsrest) ist für Zwecke <strong>de</strong>r<br />

Zinsberechnung bei <strong>de</strong>r letzten Rate abzuziehen. Bei höheren Beträgen soll die Stundung i. d. R. so<br />

ausgesprochen wer<strong>de</strong>n, dass die Raten mit Ausnahme <strong>de</strong>r letzten Rate auf durch fünfzig Euro ohne Rest<br />

teilbare Beträge festgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Beispiel:<br />

1. Variante:<br />

Ein Anspruch i. H. v. 4 215 € wird in drei Monatsraten zu 1 400 €, 1 400 € und 1 415 € gestun<strong>de</strong>t.<br />

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Raten:<br />

Zinsen:<br />

1. Rate 1 400 € 7 €<br />

2. Rate 1 400 € 14 €<br />

3. Rate 1 415 €*) 21 €<br />

festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen 42 €<br />

*) Die Zinsberechnung erfolgt von 1 415 € ./. 15 € = 1 400 €<br />

2. Variante:<br />

Ein Anspruch i. H. v. 4 215 € wird in drei gleichen Monatsraten zu jeweils 1 405 € gestun<strong>de</strong>t.<br />

Raten:<br />

Zinsen:<br />

1. Rate 1 405 € 7,02 €<br />

2. Rate 1 405 € 14,05 €<br />

3. Rate 1 405 €*) 20,85 €<br />

Summe 41,92 €<br />

festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (abgerun<strong>de</strong>t nach § 239 Abs. 2 S. 1) 41,00 €<br />

*) Die Zinsberechnung erfolgt von 1 405 € ./. 15 € = 1 390 €<br />

10. Sollen mehrere Ansprüche in Raten gestun<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, so ist bei <strong>de</strong>r Festlegung <strong>de</strong>r Raten möglichst zunächst<br />

die Tilgung <strong>de</strong>r Ansprüche anzuordnen, für die keine Stundungszinsen erhoben wer<strong>de</strong>n. Sodann sind die<br />

For<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>r Reihenfolge ihrer Fälligkeit zu ordnen; bei gleichzeitig fällig gewor<strong>de</strong>nen For<strong>de</strong>rungen<br />

soll die niedrigere For<strong>de</strong>rung zuerst getilgt wer<strong>de</strong>n. Dies gilt nicht, wenn die Sicherung <strong>de</strong>r Ansprüche eine<br />

an<strong>de</strong>re Tilgungsfolge erfor<strong>de</strong>rt.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 203 von 235


Beispiel:<br />

Das Finanzamt stun<strong>de</strong>t die Einkommensteuervorauszahlung IV/04 i. H. v. 850 € (erstmals fällig am<br />

10.12.2004), die Einkommensteuervorauszahlung I/05 i. H. v. 300 € (erstmals fällig am 10.3.2005), die<br />

Einkommensteuer-Abschlusszahlung für 2003 i. H. v. 11 150 € (erstmals fällig 20.5.2005), die<br />

Umsatzsteuer-Abschlusszahlung für 2003 i. H. v. 7 800 € (erstmals fällig am 20.5.2005) sowie<br />

Verspätungszuschläge i. H. v. 650 € (erstmals fällig am 10.6.2005) in insgesamt drei Raten.<br />

gestun<strong>de</strong>ter erstmals Betrag 1. Rate in € Rest 2. Rate in € Rest 3. Rate in € Rest<br />

Anspruch fällig am in € (14.07.2005) in € (14.08.2005) in € (14.09.2005) in €<br />

ESt IV/04 10.12.2004 850 850 0 – – – –<br />

ESt I/05 10.03.2005 300 300 0 – – – –<br />

ESt 2003 18.05.2005 11 150 0 11 150 0 11 150 11 150 0<br />

USt 2003 18.05.2005 7 800 800 7 000 3 000 4 000 4 000 0<br />

Verspätungszusc 10.06.2005 650 650 0 – – – –<br />

hlag<br />

Summen 20 750 2 600 18 150 3 000 15 150 15 150 0<br />

Zinsberechnung:<br />

gestun<strong>de</strong>ter Fällig am Zahlungstermin Betrag in Zinsmon v. H. Zinsen in € festzusetzen<strong>de</strong><br />

Anspruch<br />

€ ate<br />

Zinsen in €<br />

ESt IV/04 10.12.2004 14.07.2005 850 7 3,5 29,75 29,00 1 )<br />

ESt I/05 10.03.2005 14.07.2005 300 4 2,0 6,00 0,00 2 )<br />

ESt 2003 18.05.2005 14.09.2005 11 150 3 1,5 167,25 167,00 1 )<br />

USt 2003 18.05.2005 14.07.2005 800 1 0,5 4,00 94,00<br />

USt 2003 18.05.2005 14.08.2005 3 000 2 1,0 30,00<br />

USt 2003 18.05.2005 14.09.2005 4 000 3 1,5 60,00<br />

Verspätungszusc<br />

hlag<br />

10.06.2005 14.07.2005 650 – – – – 3 )<br />

1) 29,75 € wer<strong>de</strong>n auf 29,00 € und 167,25 € wer<strong>de</strong>n auf 167,00 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gerun<strong>de</strong>t (§ 239<br />

Abs. 2 Satz 1).<br />

2) Kleinbetrag unter 10 € (§ 239 Abs. 2 Satz 2).<br />

3) Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen wer<strong>de</strong>n nicht verzinst (§ 233 Satz 2).<br />

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11. Auf die Erhebung von Stundungszinsen kann gemäß § 234 Abs. 2 im Einzelfall aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n<br />

verzichtet wer<strong>de</strong>n. Ein solcher Verzicht kann z. B. in Betracht kommen bei Katastrophenfällen, bei länger<br />

dauern<strong>de</strong>r Arbeitslosigkeit <strong>de</strong>s Steuerschuldners, bei Liquiditätsschwierigkeiten allein infolge nachweislicher<br />

For<strong>de</strong>rungsausfälle im Konkurs-/Insolvenzverfahren und in ähnlichen Fällen, im Rahmen einer Sanierung,<br />

sofern allgemein ein Zinsmoratorium gewährt wird, sowie im Hinblick auf belegbare, <strong>de</strong>mnächst fällig<br />

wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Ansprüche <strong>de</strong>s Steuerschuldners aus einem Steuerschuldverhältnis, soweit hierfür innerhalb <strong>de</strong>s<br />

Stundungszeitraums keine Erstattungszinsen gemäß § 233a anfallen. Auch wird eine Stundung i. d. R. dann<br />

zinslos bewilligt wer<strong>de</strong>n können, wenn sie einem Steuerpflichtigen gewährt wird, <strong>de</strong>r bisher seinen<br />

steuerlichen Pflichten, insbeson<strong>de</strong>re seinen Zahlungspflichten, pünktlich nachgekommen ist und <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

Vergangenheit nicht wie<strong>de</strong>rholt Stundungen in Anspruch genommen hat; in diesen Fällen kommt ein<br />

Verzicht auf Stundungszinsen i. d. R. nur in Betracht, wenn für einen Zeitraum von nicht mehr als drei<br />

Monaten gestun<strong>de</strong>t wird und <strong>de</strong>r insgesamt zu stun<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Betrag 5 000 € nicht übersteigt. Zum<br />

Rechtsbehelfsverfahren gegen die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme vgl. zu § 347, Nr. 4.<br />

12. Wird ein Anspruch auf Rückfor<strong>de</strong>rung von Arbeitnehmer-Sparzulage, Eigenheimzulage, Investitionszulage,<br />

Wohnungsbau-Prämie o<strong>de</strong>r Bergmanns-Prämie gestun<strong>de</strong>t, so sind – da die Vorschriften über die<br />

Steuervergütung entsprechend gelten – Stundungszinsen zu erheben (§ 234 i. V. m. § 37 Abs. 1).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 204 von 235


Zu § 235 – Verzinsung von hinterzogenen Steuern:<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Zweck und Voraussetzungen <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

2. Gegenstand <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

3. Zinsschuldner<br />

4. Zinslauf<br />

4.1 Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

4.2 En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

5. Höhe <strong>de</strong>r Hinterziehungszinsen<br />

6. Verfahren<br />

7. Verjährung<br />

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1. Zweck und Voraussetzungen <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

1.1 Hinterzogene Steuern sind nach § 235 zu verzinsen, um <strong>de</strong>m Nutznießer einer Steuerhinterziehung <strong>de</strong>n<br />

steuerlichen Vorteil <strong>de</strong>r verspäteten Zahlung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gewährung o<strong>de</strong>r Belassung von Steuervorteilen zu<br />

nehmen (BFH-Urteile vom 19.4.1989 – X R 3/86 – BStBl. II, S. 596, und vom 27.9.1991 – VI R 159/89 –<br />

BStBl. 1992 II, S. 163).<br />

1.2 Die Zinspflicht tritt nur ein, wenn <strong>de</strong>r objektive und subjektive Tatbestand <strong>de</strong>s § 370 Abs. 1 o<strong>de</strong>r § 370a<br />

erfüllt und die Tat i. S. d. § 370 Abs. 4 vollen<strong>de</strong>t ist. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt, wenn <strong>de</strong>r Tatbestand <strong>de</strong>r §§ 263,<br />

264 StGB erfüllt ist, soweit sich die Tat auf Prämien und Zulagen bezieht, für die die für Steuervergütungen<br />

gelten<strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>r AO entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n sind. Der Versuch einer Steuerhinterziehung (§ 370<br />

Abs. 2, § 370a i. V. m. § 23 StGB) reicht <strong>zur</strong> Begründung einer Zinspflicht ebenso wenig aus wie die<br />

leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378) o<strong>de</strong>r die übrigen Steuerordnungswidrigkeiten (§§ 379 ff.).<br />

Kommen Steuerpflichtige ihren Erklärungspflichten nicht o<strong>de</strong>r nicht fristgerecht nach, kommt<br />

Steuerhinterziehung und damit die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nur insoweit in Betracht, als<br />

nachgewiesen wer<strong>de</strong>n kann, dass durch das pflichtwidrige Verhalten die Steuern zu niedrig o<strong>de</strong>r verspätet<br />

festgesetzt wor<strong>de</strong>n sind. Steuern, die aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen (§ 162) festgesetzt wur<strong>de</strong>n,<br />

können nicht ohne weiteres als verkürzt angesehen wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 14.8.1991 – X R 86/88 –<br />

BStBl. 1992 II, S. 128).<br />

1.3 Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen setzt keine strafrechtliche Verurteilung wegen<br />

Steuerhinterziehung voraus (BFH-Urteil vom 27.8.1991 – VIII R 84/89 – BStBl. 1992 II, S. 9). Die Zinspflicht<br />

ist unabhängig von einem Steuerstrafverfahren im Rahmen <strong>de</strong>s Besteuerungsverfahrens zu prüfen.<br />

Hinterziehungszinsen sind <strong>de</strong>mnach auch festzusetzen, wenn<br />

– wirksam Selbstanzeige nach § 371 erstattet wor<strong>de</strong>n ist (z. B. durch Nachmeldung hinterzogener<br />

Umsatzsteuer in <strong>de</strong>r Umsatzsteuer-Jahreserklärung),<br />

– <strong>de</strong>r Strafverfolgung Verfahrenshin<strong>de</strong>rnisse entgegenstehen (z. B. Tod <strong>de</strong>s Täters o<strong>de</strong>r<br />

Strafverfolgungsverjährung),<br />

– das Strafverfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wor<strong>de</strong>n ist (z. B. nach §§ 153, 153a StPO; § 398) o<strong>de</strong>r<br />

– in an<strong>de</strong>ren Fällen die Strafverfolgung beschränkt o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Strafverfolgung abgesehen wird (z. B. nach<br />

§§ 154, 154a StPO).<br />

An Entscheidungen im strafgerichtlichen Verfahren ist die Finanzbehör<strong>de</strong> nicht gebun<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom<br />

10.10.1972 – VII R 117/69 – BStBl. 1973 II, S. 68). Im Allgemeinen kann sich das Finanzamt die tatsächlichen<br />

Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen <strong>de</strong>s Strafverfahrens zu eigen machen, wenn<br />

und soweit es zu <strong>de</strong>r Überzeugung gelangt ist, dass diese zutreffend sind, und keine substantiierten<br />

Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafurteil erhoben wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 13.7.1994 –<br />

I R 112/93 – BStBl. 1995 II, S. 198).<br />

2. Gegenstand <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

2.1 Hinterziehungszinsen sind festzusetzen für<br />

– verkürzte Steuern; darunter fallen auch keine o<strong>de</strong>r zu geringe Steuervorauszahlungen und <strong>de</strong>r<br />

Solidaritätszuschlag. Lan<strong>de</strong>sgesetzlich geregelte Steuern sind nur zu verzinsen, wenn dies im Gesetz<br />

angeordnet ist,<br />

– ungerechtfertigt erlangte Steuervorteile (z. B. zu Unrecht erlangte Steuervergütungen),<br />

– zu Unrecht erlangte Steuervergünstigungen (z. B. Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen),<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 205 von 235


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– ungerechtfertigt erlangte Prämien und Zulagen, auf die die Vorschriften <strong>de</strong>r AO über Steuervergütungen<br />

entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n sind (z. B. Investitionszulagen, Eigenheimzulagen, Wohnungsbauprämien,<br />

Arbeitnehmer-Sparzulagen und Zulagen nach § 83 EStG).<br />

2.2 Bei Steuern mit progressivem Tarif o<strong>de</strong>r Stufentarif ist <strong>zur</strong> Berechnung <strong>de</strong>s zu verzinsen<strong>de</strong>n Teilbetrages die<br />

Steuer lt. ursprünglicher Festsetzung mit <strong>de</strong>r Steuer zu vergleichen, die sich bei Einbeziehung <strong>de</strong>r vorsätzlich<br />

verschwiegenen Besteuerungsmerkmale ergeben wür<strong>de</strong>. Sonstige Abweichungen von <strong>de</strong>n Erklärungen <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen bleiben außer Ansatz.<br />

2.3 Hinterziehungszinsen sind für je<strong>de</strong>n Besteuerungszeitraum (Veranlagungszeitraum,<br />

Voranmeldungszeitraum) o<strong>de</strong>r Besteuerungszeitpunkt geson<strong>de</strong>rt zu berechnen. Einzelne, aufeinan<strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong><br />

Steuerhinterziehungen sind nicht als eine Tat zu würdigen, son<strong>de</strong>rn als selbstständige Taten zu behan<strong>de</strong>ln. Das<br />

gilt auch, wenn das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 geschätzt hat.<br />

2.4 Wenn die Steuerhinterziehung zu keiner Nachfor<strong>de</strong>rung führt, erfolgt keine Zinsfestsetzung. Soweit infolge<br />

Kompensation <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Steuerhinterziehung zusammenhängen<strong>de</strong>n Besteuerungsgrundlagen mit an<strong>de</strong>ren<br />

steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Besteuerungsgrundlagen (z. B. nach § 177) kein Zahlungsanspruch entstan<strong>de</strong>n ist, unterbleibt<br />

daher eine Zinsfestsetzung. Das strafrechtliche Kompensationsverbot <strong>de</strong>s § 370 Abs. 4 Satz 3 gilt nicht bei <strong>de</strong>r<br />

Verzinsung nach § 235.<br />

3. Zinsschuldner<br />

3.1 Nach § 235 Abs. 1 Satz 2 ist <strong>de</strong>rjenige Zinsschuldner, zu <strong>de</strong>ssen Vorteil die Steuern hinterzogen wor<strong>de</strong>n<br />

sind. Durch die Vorschrift soll ausschließlich <strong>de</strong>r steuerliche Vorteil <strong>de</strong>s Steuerschuldners abgeschöpft wer<strong>de</strong>n.<br />

Der steuerliche Vorteil liegt darin, dass die geschul<strong>de</strong>te Steuer erst verspätet gezahlt wird. Allein <strong>de</strong>r<br />

Steuerschuldner kann daher Zinsschuldner für hinterzogene Steuern i. S. d. § 235 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sein, und<br />

zwar unabhängig davon, ob er an <strong>de</strong>r Steuerhinterziehung beteiligt war (vgl. BFH-Urteile vom 27.6.1991 –<br />

V R 9/86 – BStBl. II, S. 822, vom 18.7.1991 – V R 72/87 – BStBl. II, S. 781, und vom 27.9.1991 –<br />

VII R 159/89 – BStBl. 1992 II, S. 163).<br />

Sind Steuerschuldner Gesamtschuldner (§ 44) ist je<strong>de</strong>r Gesamtschuldner auch Zinsschuldner. Dies gilt auch<br />

dann, wenn bei zusammenveranlagten Ehegatten <strong>de</strong>r Tatbestand <strong>de</strong>r Steuerhinterziehung nur in <strong>de</strong>r Person eines<br />

<strong>de</strong>r Ehegatten erfüllt ist. Da in diesem Fall bei<strong>de</strong> Ehegatten Schuldner <strong>de</strong>r Hinterziehungszinsen sind, kann nach<br />

§ 239 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 155 Abs. 3 ein zusammengefasster Zinsbescheid an die Ehegatten ergehen (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 13.10.1994 – IV R 100/93 – BStBl. 1995 II, S. 484).<br />

3.2 § 235 Abs. 1 Satz 3 regelt in Ergänzung <strong>de</strong>s § 235 Abs. 1 Satz 2 nur die Fälle, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Steuerschuldner<br />

nicht Zinsschuldner ist, weil die Steuern nicht zu seinem Vorteil hinterzogen wor<strong>de</strong>n sind. In diesen Fällen ist<br />

<strong>de</strong>r Entrichtungspflichtige Zinsschuldner. Hinsichtlich hinterzogener Steuerabzugsbeträge ist daher nicht <strong>de</strong>r<br />

Steuerschuldner, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Entrichtungspflichtige Zinsschuldner, wenn dieser die Steuer zwar einbehalten,<br />

aber nicht an das Finanzamt abgeführt hat. Dagegen ist <strong>de</strong>r Steuerschuldner nach § 235 Abs. 1 Satz 2<br />

Zinsschuldner, wenn <strong>de</strong>r Entrichtungspflichtige die hinterzogene Abzugsteuer (zum Vorteil <strong>de</strong>s<br />

Steuerschuldners) nicht einbehalten hat (BFH-Urteile vom 5.11.1993 – VI R 16/93 – BStBl. 1994 II, S. 557, und<br />

vom 16.2.1996 – I R 73/95 – BStBl. II, S. 592).<br />

3.3 Die in §§ 34, 35 bezeichneten Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigten sind nicht<br />

Entrichtungspflichtige und nicht Schuldner <strong>de</strong>r Hinterziehungszinsen (vgl. BFH-Urteile vom 18.7.1991 und vom<br />

27.9.1991, a.a.O.). Dieser Personenkreis kann aber sowohl für hinterzogene Steuern als auch für<br />

Hinterziehungszinsen haften.<br />

4. Zinslauf<br />

4.1 Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

4.1.1 Der Zinslauf beginnt mit <strong>de</strong>m Eintritt <strong>de</strong>r Verkürzung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Erlangung <strong>de</strong>s Steuervorteils (§ 235 Abs. 2<br />

Satz 1), d. h. sobald die Tat im strafrechtlichen Sinn vollen<strong>de</strong>t ist. Wären die hinterzogenen Beträge ohne die<br />

Steuerhinterziehung erst später fällig gewor<strong>de</strong>n, z. B. bei einer Abschlusszahlung, beginnt die Verzinsung erst<br />

mit Ablauf <strong>de</strong>s Fälligkeitstages (§ 235 Abs. 2 Satz 2).<br />

4.1.2 Bei Fälligkeitssteuern (z. B. Umsatzsteuer-Vorauszahlungen, Lohnsteuer) tritt die Verkürzung im<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>r gesetzlichen Fälligkeit ein. Dies gilt auch dann, wenn keine (Vor-)Anmeldung abgegeben wur<strong>de</strong>.<br />

Bei Abgabe einer unrichtigen zustimmungsbedürftigen Steueranmeldung tritt die Verkürzung erst dann ein,<br />

wenn die Zustimmung nach § 168 Satz 2 <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen bekannt gewor<strong>de</strong>n ist (z. B. Auszahlung o<strong>de</strong>r<br />

Umbuchung <strong>de</strong>s Guthabens o<strong>de</strong>r Erklärung <strong>de</strong>r Aufrechnung; vgl. zu § 168, Nr. 3).<br />

Lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, welchem Voranmeldungszeitraum hinterzogene Beträge zeitlich<br />

zuzuordnen sind, ist zugunsten <strong>de</strong>s Zinsschuldners von einem Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs mit <strong>de</strong>m letzten gesetzlichen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 206 von 235


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Fälligkeitszeitpunkt für das betroffene Jahr auszugehen (bei Unternehmern ohne Dauerfristverlängerung ist dies<br />

<strong>de</strong>r 10.1. <strong>de</strong>s jeweiligen Folgejahres).<br />

4.1.3 Bei Veranlagungssteuern tritt die Verkürzung im Fall <strong>de</strong>r Abgabe einer unrichtigen o<strong>de</strong>r unvollständigen<br />

Steuererklärung mit <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>s auf dieser Erklärung beruhen<strong>de</strong>n Steuerbeschei<strong>de</strong>s (§§ 122,<br />

124) ein; <strong>de</strong>r Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs verschiebt sich dabei i. d. R. auf <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>s Fälligkeitstages (vgl.<br />

Nr. 4.1.1 Satz 2).<br />

Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige keine Steuererklärung abgegeben und ist aus diesem Grun<strong>de</strong> die Steuerfestsetzung<br />

unterblieben, so ist die Steuer zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt verkürzt, zu <strong>de</strong>m die Veranlagungsarbeiten für das betreffen<strong>de</strong><br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr im Wesentlichen abgeschlossen waren. Dieser Zeitpunkt ist zugleich Zinslaufbeginn. Hat das<br />

Finanzamt die Steuer aber wegen Nichtabgabe <strong>de</strong>r Steuererklärung aufgrund geschätzter<br />

Besteuerungsgrundlagen (§ 162) festgesetzt, tritt die Verkürzung mit Bekanntgabe dieses Steuerbescheids bzw.<br />

<strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r sich hieraus ergeben<strong>de</strong>n Abschlusszahlung ein.<br />

4.2 En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

4.2.1 Der Zinslauf en<strong>de</strong>t mit <strong>de</strong>r Zahlung <strong>de</strong>r hinterzogenen Steuer (§ 235 Abs. 3 Satz 1). Erlischt <strong>de</strong>r zu<br />

verzinsen<strong>de</strong> Anspruch durch Aufrechnung, gilt <strong>de</strong>r Tag, an <strong>de</strong>m die Schuld <strong>de</strong>s Aufrechnen<strong>de</strong>n fällig wird, als<br />

Tag <strong>de</strong>r Zahlung (§ 238 Abs. 1 Satz 3).<br />

4.2.2 Hinterziehungszinsen wer<strong>de</strong>n nicht für Zeiten festgesetzt, für die ein Säumniszuschlag entsteht, die<br />

Zahlung gestun<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r die Vollziehung ausgesetzt ist (§ 235 Abs. 3 Satz 2), ohne dass es dabei auf die<br />

tatsächliche Erhebung von Säumniszuschlägen o<strong>de</strong>r die Zahlung von Stundungs- und/o<strong>de</strong>r Aussetzungszinsen<br />

ankommt. Der Zinslauf en<strong>de</strong>t daher spätestens mit Ablauf <strong>de</strong>s Fälligkeitstages.<br />

4.2.3 Wird <strong>de</strong>r Steuerbescheid nach En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zinslaufs aufgehoben, geän<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r nach § 129 berichtigt, so<br />

bleiben die bis dahin entstan<strong>de</strong>nen Zinsen unberührt (§ 235 Abs. 3 Satz 3).<br />

5. Höhe <strong>de</strong>r Hinterziehungszinsen<br />

5.1 Die Hinterziehungszinsen betragen für je<strong>de</strong>n vollen Monat <strong>de</strong>s Zinslaufs 0,5 v. H. (§ 238 Abs. 1 Satz 1<br />

und 2). Für die Berechnung <strong>de</strong>r Zinsen wird <strong>de</strong>r zu verzinsen<strong>de</strong> Betrag auf <strong>de</strong>n nächsten durch 50 € teilbaren<br />

Betrag abgerun<strong>de</strong>t (§ 238 Abs. 2). Ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n ist jeweils <strong>de</strong>r Gesamtbetrag einer Steuerart, soweit <strong>de</strong>r<br />

Besteuerungszeitraum und Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs übereinstimmen (vgl. zu § 238, Nr. 2).<br />

5.2 Zur Vermeidung einer Doppelverzinsung im Hinterziehungsfall sind Zinsen nach § 233a, die für <strong>de</strong>nselben<br />

Zeitraum festgesetzt wur<strong>de</strong>n, an<strong>zur</strong>echnen (§ 235 Abs. 4). Ein Investitionszulage-Rückfor<strong>de</strong>rungsanspruch ist<br />

zugleich nach § 12 InvZulG 2010 zu verzinsen; § 235 Abs. 4 gilt in diesem Fall aus sachlichen<br />

Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n entsprechend.<br />

6. Verfahren<br />

6.1 Sind Steuern zum Vorteil <strong>de</strong>r Gesellschafter einer Personengesellschaft hinterzogen wor<strong>de</strong>n, so hat das<br />

Betriebsfinanzamt in einem Verfahren <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Feststellung darüber zu entschei<strong>de</strong>n, ob<br />

und in welchem Umfang <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Gesellschaftern erlangte Vorteil i. S. d. § 235 Abs. 1 auf einer<br />

Hinterziehung beruht (BFH-Urteil vom 19.4.1989 – X R 3/86 – BStBl. II, S. 596).<br />

6.2 Die Zinsen für hinterzogene Realsteuern (insbes. Gewerbesteuer) sind von <strong>de</strong>r hebeberechtigten Gemein<strong>de</strong><br />

zu berechnen, festzusetzen und zu erheben. Die Berechnungsgrundlagen wer<strong>de</strong>n vom Finanzamt in<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s § 184 Abs. 1 festgestellt. Dieser Messbescheid ist Grundlagenbescheid für <strong>de</strong>n<br />

von <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> zu erlassen<strong>de</strong>n Zinsbescheid.<br />

Die Geltendmachung <strong>de</strong>r Haftung für Hinterziehungszinsen <strong>zur</strong> Gewerbesteuer durch Haftungsbescheid setzt<br />

nicht voraus, dass zuvor gegenüber <strong>de</strong>m Zinsschuldner o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Haftungsschuldner Tatbestand und Umfang <strong>de</strong>r<br />

Steuerhinterziehung geson<strong>de</strong>rt festgestellt wor<strong>de</strong>n sind (Beschluss <strong>de</strong>s BVerwG vom 16.9.1997, BStBl. II,<br />

S. 782).<br />

7. Verjährung<br />

Die Festsetzungsfrist für Hinterziehungszinsen beträgt 1 Jahr (§ 239 Abs. 1 Satz 1). Sie beginnt mit Ablauf <strong>de</strong>s<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m die Festsetzung <strong>de</strong>r hinterzogenen Steuern unanfechtbar gewor<strong>de</strong>n ist, jedoch nicht vor<br />

Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m die Festsetzung <strong>de</strong>r hinterzogenen Steuern unanfechtbar gewor<strong>de</strong>n ist, jedoch<br />

nicht vor Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen wor<strong>de</strong>n<br />

ist (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3).<br />

Ein Strafverfahren hat nur dann Einfluss auf die für die Hinterziehungszinsen gelten<strong>de</strong> Festsetzungsfrist, wenn es<br />

bis zum Ablauf <strong>de</strong>s Jahres eingeleitet wird, in <strong>de</strong>m die hinterzogenen Steuern unanfechtbar festgesetzt wur<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Urteil vom 24.8.2001 – VI R 42/94 – BStBl. II, S. 782).<br />

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Zu § 236 – Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge:<br />

1. Voraussetzung für die Zahlung von Erstattungszinsen an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen ist, dass eine festgesetzte<br />

Steuer herabgesetzt o<strong>de</strong>r eine Steuervergütung gewährt – o<strong>de</strong>r erhöht – wird. Die Steuerherabsetzung o<strong>de</strong>r<br />

die Gewährung (Erhöhung) <strong>de</strong>r Steuervergütung muss erfolgt sein:<br />

a) durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung;<br />

b) aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung, z. B. in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen das Gericht nach<br />

§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 2 und 3 o<strong>de</strong>r Abs. 3 FGO <strong>de</strong>n angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt<br />

und das Finanzamt die Steuer niedriger festsetzt o<strong>de</strong>r eine (höhere) Steuervergütung gewährt;<br />

c) durch Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s angefochtenen Verwaltungsaktes sowie durch Erlass <strong>de</strong>s<br />

beantragten Verwaltungsaktes, wenn sich <strong>de</strong>r Rechtsstreit bei Gericht dadurch rechtskräftig erledigt;<br />

d) durch einen sog. Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO o<strong>de</strong>r § 35b GewStG in <strong>de</strong>n Fällen, in<br />

<strong>de</strong>nen sich <strong>de</strong>r Rechtsstreit bei Gericht gegen <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid (z. B. Feststellungsbescheid,<br />

Steuermessbescheid) durch o<strong>de</strong>r aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung (Buchstaben a und b) bzw.<br />

durch einen Verwaltungsakt (Buchstabe c) rechtskräftig erledigt; <strong>de</strong>r Steuerpflichtige, <strong>de</strong>m gegenüber <strong>de</strong>r<br />

Folgebescheid ergangen ist, muss nicht Kläger im Verfahren gegen <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid gewesen<br />

sein (BFH-Urteil vom 17.1.2007 – X R 19/06 – BStBl. II, S. 506).<br />

Ohne Be<strong>de</strong>utung ist, aus welchen Grün<strong>de</strong>n die Steuerherabsetzung o<strong>de</strong>r die Gewährung (Erhöhung) <strong>de</strong>r<br />

Steuervergütung erfolgt ist. Das abgeschlossene gerichtliche Verfahren muss aber hierfür ursächlich gewesen<br />

sein (BFH-Urteil vom 15.10.2003 – X R 48/01 – BStBl. 2004 II, S. 169).<br />

Wird ein än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r ersetzen<strong>de</strong>r Verwaltungsakt nach § 68 FGO Gegenstand <strong>de</strong>s Klageverfahrens, ist für<br />

die Verzinsung das Ergebnis <strong>de</strong>s gegen <strong>de</strong>n neuen Verwaltungsakt fortgeführten Klageverfahrens<br />

maßgebend. Dies gilt auch, wenn ein angefochtener Vorauszahlungsbescheid durch die<br />

Jahressteuerfestsetzung ersetzt wird (vgl. zu § 365, Nr. 2). Durch die Überleitung auf <strong>de</strong>n neuen<br />

Verfahrensgegenstand tritt noch keine Rechtsstreiterledigung i. S. d. § 236 Abs. 1 Satz 1 ein (BFH-Urteil<br />

vom 14.7.1993 – I R 33/93 – BFH/NV 1994 S. 438).<br />

2. Zu verzinsen ist nur <strong>de</strong>r zu viel entrichtete Steuerbetrag o<strong>de</strong>r die zu wenig gewährte Steuervergütung. Sofern<br />

also <strong>de</strong>r Rechtsbehelf zwar zu einer Herabsetzung <strong>de</strong>r Steuer o<strong>de</strong>r zu einer Gewährung (Erhöhung) <strong>de</strong>r<br />

Steuervergütung führt, nicht aber o<strong>de</strong>r nicht in gleichem Umfang zu einer Steuererstattung o<strong>de</strong>r Auszahlung<br />

einer Steuervergütung, kommt insoweit eine Verzinsung nicht in Betracht.<br />

3. Der zu verzinsen<strong>de</strong> Betrag ist auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren Betrag nach unten ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n.<br />

Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die zu erstatten<strong>de</strong> Steuerschuld in Raten entrichtet, wird die Abrundung nur einmal<br />

bei <strong>de</strong>r Rate mit <strong>de</strong>r kürzesten Laufzeit vorgenommen.<br />

4. Der Anspruch auf Erstattungszinsen entsteht mit <strong>de</strong>r Rechtskraft <strong>de</strong>r gerichtlichen Entscheidung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Unanfechtbarkeit <strong>de</strong>s geän<strong>de</strong>rten Verwaltungsaktes. Ein Gerichtsbescheid (§ 90a FGO) wirkt als Urteil. Er<br />

gilt aber als nicht ergangen, wenn gegen ihn die Revision nicht zugelassen wur<strong>de</strong> und rechtzeitig mündliche<br />

Verhandlung beantragt wor<strong>de</strong>n ist.<br />

5. Erstattungszinsen sind für die Zeit vom Tag <strong>de</strong>r Rechtshängigkeit, frühestens jedoch vom Tag <strong>de</strong>r Zahlung<br />

<strong>de</strong>s Steuerbetrages an bis zum Tag <strong>de</strong>r Auszahlung <strong>de</strong>s zu verzinsen<strong>de</strong>n Steuer- o<strong>de</strong>r<br />

Steuervergütungsbetrages zu berechnen und zu zahlen. Rechtshängig ist die Streitsache erst mit <strong>de</strong>m Tag, an<br />

<strong>de</strong>m die Klage bei Gericht erhoben wird (§ 66 Abs. 1 i. V. mit § 64 Abs. 1 FGO). Wird die Klage <strong>zur</strong><br />

Fristwahrung beim Finanzamt angebracht (§ 47 Abs. 2 FGO), ist die Streitsache mit <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r<br />

Anbringung zwar anhängig, nicht aber rechtshängig. Auch in diesem Fall wird die Streitsache erst mit <strong>de</strong>m<br />

Eingang <strong>de</strong>r Klage beim Gericht rechtshängig. Das Gleiche gilt bei einer Sprungklage (§ 45 FGO). Stimmt<br />

die Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sprungklage nicht zu o<strong>de</strong>r gibt das Gericht die Klage an die Behör<strong>de</strong> ab, ist die Sprungklage<br />

als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behan<strong>de</strong>ln; die Rechtshängigkeit entfällt somit rückwirkend. Wird ein<br />

än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r ersetzen<strong>de</strong>r Verwaltungsakt nach § 68 FGO Gegenstand <strong>de</strong>s Klageverfahrens, berührt dies<br />

nicht <strong>de</strong>n Tag <strong>de</strong>r Rechtshängigkeit <strong>de</strong>r Streitsache.<br />

6. Erstattungszinsen sind vom Amts wegen zu zahlen. Es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige einen<br />

Antrag stellt.<br />

7. Die Zahlung von Erstattungszinsen entfällt, soweit durch Entscheidung <strong>de</strong>s Gerichts einem Steuerpflichtigen<br />

die Kosten <strong>de</strong>s Verfahrens nach § 137 Satz 1 FGO auferlegt wor<strong>de</strong>n sind, weil die Herabsetzung <strong>de</strong>r Steuer<br />

o<strong>de</strong>r die Gewährung (Erhöhung) <strong>de</strong>r Steuervergütung auf Tatsachen beruhte, die dieser früher hätte geltend<br />

machen o<strong>de</strong>r beweisen können und müssen (§ 236 Abs. 3).<br />

8. Bei <strong>de</strong>n Realsteuern obliegt die Festsetzung und Zahlung von Erstattungszinsen <strong>de</strong>n Gemein<strong>de</strong>n. Diesen sind<br />

<strong>de</strong>shalb – soweit erfor<strong>de</strong>rlich – die <strong>zur</strong> Berechnung und Festsetzung <strong>de</strong>r Zinsen notwendigen Daten<br />

mitzuteilen.<br />

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Zu § 237 – Zinsen bei Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung:<br />

1. Die Zinsregelung gilt sowohl für das außergerichtliche als auch für das gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren.<br />

2. Voraussetzung für die Erhebung von Aussetzungszinsen beim Steuerpflichtigen ist, dass die Vollziehung<br />

eines Steuerbeschei<strong>de</strong>s, eines Beschei<strong>de</strong>s über die Rückfor<strong>de</strong>rung einer Steuervergütung o<strong>de</strong>r – nach<br />

Aussetzung eines Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- o<strong>de</strong>r Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s – eines<br />

Gewerbesteuermessbeschei<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r Gewerbesteuerbeschei<strong>de</strong>s ausgesetzt wor<strong>de</strong>n ist. Die Verzinsung tritt<br />

auch dann ein, wenn nach Anfechtung eines Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s die Vollziehung eines Folgebeschei<strong>de</strong>s<br />

ausgesetzt wird. Auch wenn ein Grundlagenbescheid nicht auf <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>r §§ 179 ff. beruht o<strong>de</strong>r<br />

wenn die Anfechtung <strong>de</strong>s Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s die Vollziehungsaussetzung eines an<strong>de</strong>ren<br />

Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r hierauf beruhen<strong>de</strong>n Folgebeschei<strong>de</strong> gem. § 361 Abs. 3 Satz 1 AO o<strong>de</strong>r § 69<br />

Abs. 2 Satz 4 FGO auslöst, tritt die Verzinsung ein.<br />

3. Bei teilweiser Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes bezieht sich die<br />

Zinspflicht nur auf <strong>de</strong>n ausgesetzten Steuerbetrag.<br />

4. Aussetzungszinsen sind zu erheben, soweit ein Einspruch o<strong>de</strong>r eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos<br />

geblieben ist. Ohne Be<strong>de</strong>utung ist, aus welchen Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rechtsbehelf im Ergebnis erfolglos war (BFH-<br />

Urteil vom 27.11.1991 – X R 103/89 – BStBl. 1992 II, S. 319). Aussetzungszinsen sind <strong>de</strong>mnach zu erheben,<br />

a) wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige aufgrund einer bestandskräftigen Einspruchsentscheidung o<strong>de</strong>r aufgrund eines<br />

rechtskräftigen gerichtlichen Urteils ganz o<strong>de</strong>r teilweise unterlegen ist,<br />

b) wenn das Einspruchsverfahren o<strong>de</strong>r gerichtliche Verfahren nach <strong>de</strong>r Rücknahme <strong>de</strong>s Einspruchs, <strong>de</strong>r<br />

Klage o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Revision rechtskräftig abgeschlossen wird,<br />

c) wenn <strong>de</strong>r angefochtene Verwaltungsakt – ohne <strong>de</strong>m Rechtsbehelfsantrag voll zu entsprechen – geän<strong>de</strong>rt<br />

wird und sich <strong>de</strong>r Rechtsstreit endgültig erledigt,<br />

d) soweit <strong>de</strong>r Rechtsbehelf aufgrund einer unanfechtbar gewor<strong>de</strong>nen Teil-Einspruchsentscheidung (§ 367<br />

Abs. 2a) o<strong>de</strong>r Allgemeinverfügung (§ 367 Abs. 2b) o<strong>de</strong>r aufgrund eines unanfechtbar gewor<strong>de</strong>nen<br />

Teilurteils (§ 98 FGO) endgültig keinen Erfolg hatte, unabhängig davon, inwieweit das<br />

Rechtsbehelfsverfahren im Übrigen wegen weiterer Streitpunkte anhängig bleibt.<br />

Wird ein än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r ersetzen<strong>de</strong>r Verwaltungsakt nach § 365 Abs. 3 AO o<strong>de</strong>r nach § 68 FGO<br />

Gegenstand <strong>de</strong>s Rechtsbehelfsverfahrens, ist für die Verzinsung das Ergebnis <strong>de</strong>s gegen <strong>de</strong>n neuen<br />

Verwaltungsakt fortgeführten Einspruchs- bzw. Klageverfahrens maßgebend. Dies gilt auch, wenn ein<br />

angefochtener Vorauszahlungsbescheid durch die Jahressteuerfestsetzung ersetzt wird (vgl. zu § 365,<br />

Nr. 2).<br />

Für die Entscheidung, wann <strong>de</strong>r Einspruch o<strong>de</strong>r die Anfechtungsklage endgültig ohne Erfolg geblieben ist<br />

und somit die einjährige Frist für die Festsetzung von Aussetzungszinsen (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5) in Lauf<br />

gesetzt wur<strong>de</strong>, ist auch dann auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Abschlusses <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

Verfahrens vor <strong>de</strong>m Finanzgericht o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m BFH abzustellen, wenn sich hieran ein<br />

Verfassungsbeschwer<strong>de</strong>verfahren anschließt (BFH-Urteil vom 11.2.1987 – II R 176/84 – BStBl. II, S. 320;<br />

BFH-Beschluss vom 14.6.2007 – VII B 185/06 – BFH/NV S. 2055; siehe auch zu § 361, Nr. 1.3).<br />

5. Aussetzungszinsen sind nicht zu erheben, wenn die Fälligkeit <strong>de</strong>s streitigen Steueranspruchs, z. B. aufgrund<br />

einer Stundung (§ 222), hinausgeschoben war o<strong>de</strong>r Vollstreckungsaufschub (§ 258) gewährt wur<strong>de</strong>.<br />

6. Aussetzungszinsen sind vom Tag <strong>de</strong>s Eingangs <strong>de</strong>s außergerichtlichen Rechtsbehelfs, frühestens vom Tag<br />

<strong>de</strong>r Fälligkeit an, o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Rechtshängigkeit an bis zu <strong>de</strong>m Tag zu erheben, an <strong>de</strong>m die nach § 361 AO<br />

o<strong>de</strong>r nach § 69 FGO gewährte Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung en<strong>de</strong>t. Wird die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung erst<br />

später gewährt, wer<strong>de</strong>n Zinsen erst vom Tag <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r Vollziehungsaussetzung erhoben.<br />

7. Bei <strong>de</strong>n Realsteuern obliegt die Festsetzung und Erhebung <strong>de</strong>r Aussetzungszinsen <strong>de</strong>n Gemein<strong>de</strong>n. Diesen<br />

sind <strong>de</strong>shalb – soweit erfor<strong>de</strong>rlich – die für die Berechnung und Festsetzung <strong>de</strong>r Zinsen notwendigen Daten<br />

mitzuteilen.<br />

8. Wegen <strong>de</strong>r einjährigen Frist für die Festsetzung von Aussetzungszinsen wird auf Nr. 4 (letzter Absatz) und<br />

auf § 239 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 verwiesen. Soweit <strong>de</strong>r Rechtsbehelf durch eine Teil-<br />

Einspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a), eine Allgemeinverfügung (§ 367 Abs. 2b) o<strong>de</strong>r ein Teilurteil (§ 98<br />

FGO) <strong>zur</strong>ückgewiesen wur<strong>de</strong> (vgl. Nr. 4 erster Absatz Buchstabe d), beginnt die Festsetzungsfrist bereits mit<br />

<strong>de</strong>m Eintritt <strong>de</strong>r Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung.<br />

Zu § 238 – Höhe und Berechnung <strong>de</strong>r Zinsen:<br />

1. Ein voller Zinsmonat (§ 238 Abs. 1 Satz 2) ist erreicht, wenn <strong>de</strong>r Tag, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Zinslauf (ggf. unter<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>s § 108 Abs. 3) en<strong>de</strong>t, hinsichtlich seiner Zahl <strong>de</strong>m Tag entspricht, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Tag<br />

vorhergeht, an <strong>de</strong>m die Frist begann (BFH-Urteil vom 24.7.1996 – X R 119/92 – BStBl. 1997 II, S. 6).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 209 von 235


2. Ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n ist jeweils <strong>de</strong>r einzelne zu verzinsen<strong>de</strong> Anspruch. Bei <strong>de</strong>r Zinsberechnung sind die Ansprüche<br />

zu trennen, wenn Steuerart, Zeitraum (Teilzeitraum) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>s Zinslaufs voneinan<strong>de</strong>r<br />

abweichen.<br />

Zu § 239 – Festsetzung <strong>de</strong>r Zinsen:<br />

1. Zinsen wer<strong>de</strong>n durch Zinsbescheid festgesetzt; die Formvorschriften für Steuerbeschei<strong>de</strong> (§ 157 Abs. 1, ggf.<br />

§ 87a Abs. 4) gelten entsprechend. Der Min<strong>de</strong>stinhalt <strong>de</strong>s Zinsbescheids richtet sich nach § 157 Abs. 1<br />

Sätze 2 und 3, § 119 Abs. 3 und 4. Der Bescheid kann nach § 129 berichtigt o<strong>de</strong>r nach §§ 172 ff. aufgehoben<br />

o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Als Rechtsbehelf gegen <strong>de</strong>n Zinsbescheid sowie gegen die Ablehnung,<br />

Erstattungszinsen nach §§ 233a, 236 zu zahlen, ist <strong>de</strong>r Einspruch gegeben. Zum Rechtsbehelfsverfahren<br />

gegen die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme vgl. zu § 347, Nr. 4.<br />

2. Nach Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist von einem Jahr können Zinsen nicht mehr festgesetzt wer<strong>de</strong>n. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Frist für die Festsetzung von Aussetzungszinsen siehe zu § 237, Nr. 4 (letzter Absatz). Der Anspruch auf<br />

festgesetzte Zinsen erlischt durch Zahlungsverjährung (§§ 228 ff.), ggf. aber auch schon früher mit <strong>de</strong>m<br />

Erlöschen <strong>de</strong>s Hauptanspruchs (§ 232).<br />

3. Bei <strong>de</strong>r Zinsfestsetzung ist die Rundung zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zu beachten (§ 239 Abs. 2 Satz 1).<br />

Die Kleinbetragsregelung <strong>de</strong>s § 239 Abs. 2 Satz 2 (Zinsen unter zehn Euro wer<strong>de</strong>n nicht festgesetzt) ist auf<br />

die für eine Einzelfor<strong>de</strong>rung berechneten Zinsen anzuwen<strong>de</strong>n (vgl. zu § 238, Nr. 2).<br />

4. Zur Anrechnung von Erstattungs- und Nachzahlungszinsen nach § 233a bei <strong>de</strong>r Festsetzung von Stundungs-,<br />

Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen vgl. zu § 233a, Nr. 65 ff. und zu § 235, Nr. 5.2.<br />

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Zu § 240 – Säumniszuschläge:<br />

1. Säumnis tritt ein, wenn die Steuer o<strong>de</strong>r die <strong>zur</strong>ückzuzahlen<strong>de</strong> Steuervergütung nicht bis zum Ablauf <strong>de</strong>s<br />

Fälligkeitstages entrichtet wird. Sofern – wie bei <strong>de</strong>n Fälligkeitssteuern – die Steuer ohne Rücksicht auf die<br />

erfor<strong>de</strong>rliche Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r Steueranmeldung fällig wird, tritt die Säumnis nicht ein, bevor die<br />

Steuer festgesetzt o<strong>de</strong>r die Steueranmeldung abgegeben wor<strong>de</strong>n ist. Bei Fälligkeitssteuern ist daher wie folgt<br />

zu verfahren:<br />

a) Gibt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige seine Voranmeldung o<strong>de</strong>r Anmeldung erst nach Ablauf <strong>de</strong>s Fälligkeitstages ab,<br />

so sind Säumniszuschläge bei verspätet geleisteter Zahlung nicht vom Ablauf <strong>de</strong>s im Einzelsteuergesetz<br />

bestimmten Fälligkeitstages an, son<strong>de</strong>rn erst von <strong>de</strong>m auf <strong>de</strong>n Tag <strong>de</strong>s Eingangs <strong>de</strong>r Voranmeldung o<strong>de</strong>r<br />

Anmeldung folgen<strong>de</strong>n Tag an (ggf. unter Gewährung <strong>de</strong>r Zahlungs-Schonfrist nach § 240 Abs. 3) zu<br />

berechnen. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für <strong>de</strong>n Mehrbetrag, <strong>de</strong>r sich ergibt, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige seine<br />

Voranmeldung o<strong>de</strong>r Anmeldung nachträglich berichtigt und sich dadurch die Steuer erhöht.<br />

b) Setzt das Finanzamt eine Steuer wegen Nichtabgabe <strong>de</strong>r Voranmeldung o<strong>de</strong>r Anmeldung fest, so sind<br />

Säumniszuschläge für verspätet geleistete Zahlung nicht vom Ablauf <strong>de</strong>s im Einzelsteuergesetz<br />

bestimmten Fälligkeitstages an, son<strong>de</strong>rn erst von <strong>de</strong>m Tag an (ggf. unter Gewährung <strong>de</strong>r Zahlungs-<br />

Schonfrist nach § 240 Abs. 3) zu erheben, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n letzten Tag <strong>de</strong>r vom Finanzamt gesetzten<br />

Zahlungsfrist folgt. Dieser Tag bleibt für die Berechnung <strong>de</strong>r Säumniszuschläge auch dann maßgebend,<br />

wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nach Ablauf <strong>de</strong>r vom Finanzamt gesetzten Zahlungsfrist seine Voranmeldung<br />

o<strong>de</strong>r Anmeldung abgibt. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt, wenn das Finanzamt eine auf einer Voranmeldung o<strong>de</strong>r<br />

Anmeldung beruhen<strong>de</strong> Steuerschuld höher festsetzt, als sie sich aus <strong>de</strong>r Voranmeldung o<strong>de</strong>r Anmeldung<br />

ergibt, o<strong>de</strong>r eine von ihm festgesetzte Steuer durch Korrektur <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung erhöht.<br />

2. Im Falle <strong>de</strong>r Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r ihrer Berichtigung nach § 129 bleiben die<br />

bis dahin verwirkten Säumniszuschläge bestehen (§ 240 Abs. 1 Satz 4). Das gilt auch, wenn die<br />

ursprüngliche, für die Bemessung <strong>de</strong>r Säumniszuschläge maßgeben<strong>de</strong> Steuer in einem<br />

Rechtsbehelfsverfahren herabgesetzt wird. Säumniszuschläge sind nicht zu entrichten, soweit sie sich auf<br />

Steuerbeträge beziehen, die durch (nachträgliche) Anrechnung von Lohn-, Kapitalertrag- o<strong>de</strong>r<br />

Körperschaftsteuer entfallen sind, weil insoweit zu keiner Zeit eine rückständige Steuer i. S. d. § 240 Abs. 1<br />

Satz 4 vorgelegen hat (BFH-Urteil vom 24.3.1992 – VII R 39/91 – BStBl. II, S. 956).<br />

3. Der Säumniszuschlag ist von <strong>de</strong>n Gesamtschuldnern nur in <strong>de</strong>r Höhe anzufor<strong>de</strong>rn, in <strong>de</strong>r er entstan<strong>de</strong>n wäre,<br />

wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre; <strong>de</strong>r Ausgleich fin<strong>de</strong>t zwischen <strong>de</strong>n<br />

Gesamtschuldnern nach bürgerlichen Recht statt.<br />

4. Säumniszuschläge sind nicht zu entrichten, wenn Verspätungszuschläge, Zinsen, Säumniszuschläge,<br />

Zwangsgel<strong>de</strong>r und Kosten (steuerliche Nebenleistungen) nicht rechtzeitig gezahlt wer<strong>de</strong>n.<br />

5. Säumniszuschläge entstehen kraft Gesetzes allein durch Zeitablauf ohne Rücksicht auf ein Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 17.7.1985 – I R 172/79 – BStBl. 1986 II, S. 122). Sie stellen in erster<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 210 von 235


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Linie ein Druckmittel <strong>zur</strong> Durchsetzung fälliger Steuerfor<strong>de</strong>rungen dar, sind aber auch eine Gegenleistung<br />

für das Hinausschieben <strong>de</strong>r Zahlung und ein Ausgleich für <strong>de</strong>n angefallenen Verwaltungsaufwand (BFH-<br />

Urteil vom 29.8.1991 – V R 78/86 – BStBl. II, S. 906). Soweit diese Zielsetzung durch die verwirkten<br />

Säumniszuschläge nicht mehr erreicht wer<strong>de</strong>n kann, ist ihre Erhebung sachlich unbillig, so dass sie nach<br />

§ 227 ganz o<strong>de</strong>r teilweise erlassen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Im Einzelnen kommt ein Erlass in Betracht:<br />

a) bei plötzlicher Erkrankung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, wenn er selbst dadurch an <strong>de</strong>r pünktlichen Zahlung<br />

gehin<strong>de</strong>rt war und es <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen seit seiner Erkrankung bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Zahlungsfrist<br />

nicht möglich war, einen Vertreter mit <strong>de</strong>r Zahlung zu beauftragen;<br />

b) bei einem bisher pünktlichen Steuerzahler, <strong>de</strong>m ein offenbares Versehen unterlaufen ist. Wer seine<br />

Steuern laufend unter Ausnutzung <strong>de</strong>r Schonfrist <strong>de</strong>s § 240 Abs. 3 zahlt, ist kein pünktlicher Steuerzahler<br />

(BFH-Urteil vom 15.5.1990 – VII R 7/88 – BStBl. II, S. 1007);<br />

c) wenn einem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung <strong>de</strong>r Steuern wegen Zahlungsunfähigkeit und<br />

Überschuldung nicht mehr möglich ist (BFH-Urteil vom 8.3.1984 – I R 44/80 – BStBl. II, S. 415). Zu<br />

erlassen ist regelmäßig die Hälfte <strong>de</strong>r verwirkten Säumniszuschläge (BFH-Urteil vom 16.7.1997 –<br />

XI R 32/96 – BStBl. 1998 II, S. 7);<br />

d) bei einem Steuerpflichtigen, <strong>de</strong>ssen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch nach § 258 bewilligte o<strong>de</strong>r<br />

sonst hingenommene Ratenzahlungen unstreitig bis an die äußerste Grenze ausgeschöpft wor<strong>de</strong>n ist. Zu<br />

erlassen ist regelmäßig die Hälfte <strong>de</strong>r verwirkten Säumniszuschläge (BFH-Urteil vom 22.6.1990 –<br />

III R 150/85 – BStBl. 1991 II, S. 864);<br />

e) wenn die Voraussetzungen für einen Erlass <strong>de</strong>r Hauptschuld nach § 227 o<strong>de</strong>r für eine zinslose Stundung<br />

<strong>de</strong>r Steuerfor<strong>de</strong>rung nach § 222 im Säumniszeitraum vorliegen (BFH-Urteil vom 23.5.1985 –<br />

V R 124/79 – BStBl. II, S. 489). Lagen nur die Voraussetzungen für eine verzinsliche Stundung <strong>de</strong>r<br />

Hauptfor<strong>de</strong>rung vor, ist die Hälfte <strong>de</strong>r verwirkten Säumniszuschläge zu erlassen;<br />

f) in sonstigen Fällen sachlicher Unbilligkeit.<br />

Die Möglichkeit eines weitergehen<strong>de</strong>n Erlasses aus persönlichen Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n bleibt unberührt. Zum<br />

Erlass von Säumniszuschlägen bei einer Überschneidung mit Nachzahlungszinsen vgl. zu § 233a, Nr. 64.<br />

6. In Stundungs- und Aussetzungsfällen sowie bei <strong>de</strong>r Herabsetzung von Vorauszahlungen gilt Folgen<strong>de</strong>s:<br />

a) Stundung<br />

Wird eine Stundung vor Fälligkeit beantragt, aber erst nach Fälligkeit bewilligt, so ist die Stundung mit<br />

Wirkung vom Fälligkeitstag an auszusprechen. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3) ist vom neuen<br />

Fälligkeitstag an zu gewähren.<br />

Wird eine Stundung beantragt, aber erst nach Fälligkeit abgelehnt, so kann im Allgemeinen eine Frist <strong>zur</strong><br />

Zahlung <strong>de</strong>r rückständigen Steuern bewilligt wer<strong>de</strong>n. Diese Zahlungsfrist soll eine Woche grundsätzlich<br />

nicht überschreiten. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3) ist vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zahlungsfrist an zu gewähren. Bei<br />

Zahlung bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Schonfrist sind keine Säumniszuschläge zu erheben.<br />

Wird eine Stundung nach Fälligkeit beantragt und bewilligt, so ist die Stundung vom Eingangstag <strong>de</strong>s<br />

Antrags an auszusprechen, sofern nicht beson<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> eine Stundung schon vom Fälligkeitstag an<br />

rechtfertigen. Bereits entstan<strong>de</strong>ne Säumniszuschläge sind in die Stundungsverfügung einzubeziehen. Die<br />

Schonfrist (§ 240 Abs. 3) ist zu gewähren.<br />

Wird eine Stundung nach Fälligkeit beantragt und abgelehnt, so verbleibt es bei <strong>de</strong>m ursprünglichen<br />

Fälligkeitstag, sofern nicht beson<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> eine Frist <strong>zur</strong> Zahlung <strong>de</strong>r rückständigen Steuern<br />

rechtfertigen. Die Zahlungsfrist soll eine Woche grundsätzlich nicht überschreiten. Die Schonfrist (§ 240<br />

Abs. 3) ist vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zahlungsfrist an zu gewähren. Bei Zahlung bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Schonfrist sind<br />

keine Säumniszuschläge zu erheben.<br />

Wird bei Bewilligung einer Stundung erst nach Ablauf <strong>de</strong>r Schonfrist (§ 240 Abs. 3) gezahlt, sind<br />

Säumniszuschläge vom Ablauf <strong>de</strong>s neuen Fälligkeitstages an zu berechnen. Wird im Falle <strong>de</strong>r Ablehnung<br />

einer Stundung die eingeräumte Zahlungsfrist (zuzüglich <strong>de</strong>r Schonfrist nach § 240 Abs. 3) nicht<br />

eingehalten, sind Säumniszuschläge vom Ablauf <strong>de</strong>s ursprünglichen Fälligkeitstages an zu berechnen.<br />

b) Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

Wird ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung nach Fälligkeit abgelehnt, so kann<br />

im Allgemeinen eine Frist <strong>zur</strong> Zahlung <strong>de</strong>r rückständigen Steuern bewilligt wer<strong>de</strong>n. Die Zahlungsfrist<br />

soll eine Woche grundsätzlich nicht überschreiten. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3) ist vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Zahlungsfrist an zu gewähren. Bei Zahlung bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Schonfrist sind keine Säumniszuschläge<br />

zu erheben.<br />

c) Herabsetzung von Vorauszahlungen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 211 von 235


Wird einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Herabsetzung von Vorauszahlungen erst nach Fälligkeit<br />

entsprochen, sind Säumniszuschläge auf <strong>de</strong>n Herabsetzungsbetrag nicht zu erheben.<br />

Wird ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Herabsetzung von Vorauszahlungen nach Fälligkeit abgelehnt,<br />

so kann im Allgemeinen eine Frist <strong>zur</strong> Zahlung <strong>de</strong>r rückständigen Steuern bewilligt wer<strong>de</strong>n. Die<br />

Zahlungsfrist soll eine Woche grundsätzlich nicht überschreiten. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3) ist vom<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zahlungsfrist an zu gewähren. Bei Zahlung bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Schonfrist sind keine<br />

Säumniszuschläge zu erheben.<br />

Wird einer <strong>de</strong>r vorbezeichneten Anträge mit <strong>de</strong>m Ziel gestellt, sich <strong>de</strong>r rechtzeitigen Zahlung <strong>de</strong>r Steuer zu<br />

entziehen (Missbrauchsfälle), ist keine Zahlungsfrist zu bewilligen.<br />

7. Mit einem Verwaltungsakt nach § 258 verzichtet die Vollstreckungsbehör<strong>de</strong> auf Vollstreckungsmaßnahmen;<br />

an <strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r Steuerschuld än<strong>de</strong>rt sich dadurch jedoch nichts (s. auch BFH-Urteil vom 15.3.1979 –<br />

IV R 174/78 – BStBl. II, S. 429). Für die Dauer eines bekannt gegebenen Vollstreckungsaufschubs sind<br />

daher grundsätzlich Säumniszuschläge zu erheben; auf diese Rechtslage ist <strong>de</strong>r Steuerpflichtige bei<br />

Bekanntgabe <strong>de</strong>s Vollstreckungsaufschubs hinzuweisen (siehe Abschn. 7 Abs. 3 VollStrA). Die Möglichkeit,<br />

von <strong>de</strong>r Erhebung von Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n nach § 227 ganz o<strong>de</strong>r teilweise abzusehen,<br />

bleibt unberührt (vgl. Nr. 5 Abs. 2).<br />

8. Macht <strong>de</strong>r Steuerpflichtige geltend, die Säumniszuschläge seien nicht o<strong>de</strong>r nicht in <strong>de</strong>r angefor<strong>de</strong>rten Höhe<br />

entstan<strong>de</strong>n, so ist sein Vorbringen – auch wenn es bspw. als „Erlassantrag“ bezeichnet ist – als Antrag auf<br />

Erteilung eines Beschei<strong>de</strong>s nach § 218 Abs. 2 anzusehen, da nur in diesem Verfahren entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />

kann, ob und inwieweit Säumniszuschläge entstan<strong>de</strong>n sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteil<br />

vom 12.8.1999 – VII R 92/98 – BStBl. II, S. 751). Bestreitet <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nicht die Entstehung <strong>de</strong>r<br />

Säumniszuschläge <strong>de</strong>m Grund und <strong>de</strong>r Höhe nach, son<strong>de</strong>rn wen<strong>de</strong>t er sich gegen <strong>de</strong>ren Anfor<strong>de</strong>rung im<br />

engeren Sinne (Leistungsgebot, § 254), ist sein Vorbringen als Einspruch (§ 347) anzusehen. Das Vorbringen<br />

<strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist als Erlassantrag zu werten, wenn sachliche o<strong>de</strong>r persönliche Billigkeitsgrün<strong>de</strong><br />

geltend gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

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Zu §§ 241 bis 248 – Sicherheitsleistung:<br />

1. Die Vorschriften regeln nur die Art und das Verfahren <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung. Wann und ggf. in welcher<br />

Höhe Sicherheiten zu leisten sind, ergibt sich aus an<strong>de</strong>ren Vorschriften <strong>de</strong>r <strong>Abgabenordnung</strong> (vgl. z. B. § 109<br />

Abs. 2, § 165 Abs. 1, §§ 221, 222, 223, 361 Abs. 2) o<strong>de</strong>r aus Einzelsteuergesetzen (§ 18f UStG). Die<br />

Erzwingung von Sicherheiten richtet sich nach § 336, ihre Verwertung nach § 327. Die Kosten <strong>de</strong>r<br />

Sicherheitsleistung treffen <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen.<br />

2. Die für die Bun<strong>de</strong>sfinanzverwaltung bekannt gegebenen Bestimmungen über Formen <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung<br />

im Bereich <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Zollverwaltung verwalteten Steuern und Abgaben – SiLDV –<br />

(Vorschriftensammlung Bun<strong>de</strong>sfinanzverwaltung E – VSF – Kennungen S 1450 und Z 0915) sind – soweit<br />

sie Formen <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung in Verbrauchsteuerverfahren betreffen – für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Besitz- und<br />

Verkehrsteuern entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Vor § 347 – Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren:<br />

1. Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren nach <strong>de</strong>r AO (Einspruchsverfahren) ist abzugrenzen<br />

– von <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r AO nicht geregelten, nichtförmlichen Rechtsbehelfen (Gegenvorstellung,<br />

Sachaufsichtsbeschwer<strong>de</strong>, Dienstaufsichtsbeschwer<strong>de</strong>),<br />

– von <strong>de</strong>m Antrag, einen Verwaltungsakt zu berichtigen, <strong>zur</strong>ückzunehmen, zu wi<strong>de</strong>rrufen, aufzuheben o<strong>de</strong>r<br />

zu än<strong>de</strong>rn (Korrekturantrag; §§ 129 bis 132, 172 bis 177).<br />

Der förmliche Rechtsbehelf (Einspruch) unterschei<strong>de</strong>t sich von <strong>de</strong>n Korrekturanträgen in folgen<strong>de</strong>n Punkten:<br />

– Er hin<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n Eintritt <strong>de</strong>r formellen und materiellen Bestandskraft (zum Begriff <strong>de</strong>r Bestandskraft vgl.<br />

vor §§ 172 bis 177, Nr. 1);<br />

– er kann <strong>zur</strong> Verböserung führen (§ 367 Abs. 2 Satz 2); <strong>de</strong>r Verböserungsgefahr kann <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />

aber durch rechtzeitige Rücknahme <strong>de</strong>s Einspruchs entgehen;<br />

– er ermöglicht die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung.<br />

In Zweifelsfällen ist ein Einspruch anzunehmen, da er die Rechte <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen umfassen<strong>de</strong>r wahrt<br />

als ein Korrekturantrag.<br />

2. Das Einspruchsverfahren ist nicht kostenpflichtig. Steuerpflichtige und Finanzbehör<strong>de</strong>n haben jeweils ihre<br />

eigenen Aufwendungen zu tragen. Auf die Kostenerstattung nach § 139 FGO, auch für das außergerichtliche<br />

Vorverfahren, wird hingewiesen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 212 von 235


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Zu § 347 – Statthaftigkeit <strong>de</strong>s Einspruchs:<br />

1. Das Einspruchsverfahren ist nur eröffnet, wenn ein Verwaltungsakt (auch ein nichtiger Verwaltungsakt o<strong>de</strong>r<br />

ein Scheinverwaltungsakt) angegriffen wird o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Einspruchsführer sich gegen <strong>de</strong>n Nichterlass eines<br />

Verwaltungsaktes wen<strong>de</strong>t. Verwaltungsakt ist z. B. auch die Ablehnung eines Realakts (vgl. zu § 364) o<strong>de</strong>r<br />

die Ablehnung <strong>de</strong>r Erteilung einer verbindlichen Auskunft.<br />

2. Der Einspruch ist auch gegeben, wenn ein Verwaltungsakt aufgehoben, geän<strong>de</strong>rt, <strong>zur</strong>ückgenommen o<strong>de</strong>r<br />

wi<strong>de</strong>rrufen o<strong>de</strong>r ein Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes abgelehnt wird. Gleiches gilt, wenn die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> einen Verwaltungsakt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit gem. § 129 berichtigt o<strong>de</strong>r es<br />

ablehnt, die beantragte Berichtigung eines Verwaltungsaktes durchzuführen (BFH-Urteil vom 13.12.1983 –<br />

VIII R 67/81 – BStBl. 1984 II, S. 511). Gegen Entscheidungen über die schlichte Än<strong>de</strong>rung (§ 172 Abs. 1<br />

Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) ist ebenfalls <strong>de</strong>r Einspruch gegeben (BFH-Urteil vom 27.10.1993 – XI R 17/93 –<br />

BStBl. 1994 II, S. 439); dies gilt nicht, soweit <strong>de</strong>r Antrag auf schlichte Än<strong>de</strong>rung durch eine<br />

Allgemeinverfügung nach § 172 Abs. 3 <strong>zur</strong>ückgewiesen wur<strong>de</strong> (§ 348 Nr. 6).<br />

3. Beantragt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige bei einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung (§ 164) o<strong>de</strong>r bei<br />

einer vorläufigen Steuerfestsetzung (§ 165) die Aufhebung dieser Nebenbestimmungen, ist gegen <strong>de</strong>n<br />

ablehnen<strong>de</strong>n Bescheid <strong>de</strong>r Einspruch gegeben. Wird <strong>de</strong>r Vorbehalt nach § 164 aufgehoben, kann <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige gegen die dann als Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung wirken<strong>de</strong><br />

Steuerfestsetzung uneingeschränkt Einspruch einlegen. Soweit eine vorläufige Steuerfestsetzung endgültig<br />

durchgeführt o<strong>de</strong>r für endgültig erklärt wird, gilt dies nur, soweit die Vorläufigkeit reichte.<br />

Gegen die Aufhebung <strong>de</strong>s Nachprüfungsvorbehalts in <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung ist die Klage, nicht ein<br />

erneuter Einspruch gegeben (BFH-Urteil vom 4.8.1983 – IV R 216/82 – BStBl. 1984 II, S. 85). Das gilt<br />

entsprechend, wenn in einer Einspruchsentscheidung die bisher vorläufige Steuerfestsetzung für endgültig<br />

erklärt wird.<br />

4. Ist eine Steuerfestsetzung mit einer Billigkeitsmaßnahme verbun<strong>de</strong>n (§ 163 Satz 3), ist gegen die<br />

Ermessensentscheidung über die Billigkeitsmaßnahme ein geson<strong>de</strong>rter Einspruch gegeben. Entsprechen<strong>de</strong>s<br />

gilt für die mit einer Zinsfestsetzung verbun<strong>de</strong>ne Billigkeitsentscheidung nach § 234 Abs. 2 o<strong>de</strong>r § 237<br />

Abs. 4.<br />

5. § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 beschränkt i. V. m. § 348 Nr. 3 und 4 in Steuerberatungsangelegenheiten das<br />

Einspruchsverfahren auf Streitigkeiten über<br />

– die Ausübung (insbeson<strong>de</strong>re die Zulässigkeit) <strong>de</strong>r Hilfe in Steuersachen einschließlich <strong>de</strong>r<br />

Rechtsverhältnisse <strong>de</strong>r Lohnsteuerhilfevereine,<br />

– die Voraussetzungen für die Berufsausübung <strong>de</strong>r Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (mit<br />

Ausnahme <strong>de</strong>r Entscheidungen <strong>de</strong>r Zulassungs- und <strong>de</strong>r Prüfungsausschüsse),<br />

– die Vollstreckung wegen Handlungen und Unterlassungen.<br />

6. In an<strong>de</strong>ren Angelegenheiten (§ 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4) sind die Vorschriften über das Einspruchsverfahren<br />

z. B. für anwendbar erklärt wor<strong>de</strong>n durch:<br />

– Lan<strong>de</strong>sgesetze, die Steuern betreffen, die <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sgesetzgebung unterliegen und durch<br />

Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n verwaltet wer<strong>de</strong>n,<br />

– Gesetze <strong>zur</strong> Durchführung <strong>de</strong>r Verordnungen <strong>de</strong>s Rates <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaft,<br />

soweit diese Gesetze die Anwendbarkeit <strong>de</strong>r AO-Vorschriften vorsehen.<br />

Soweit Gesetze die für Steuervergütungen gelten<strong>de</strong>n Vorschriften für entsprechend anwendbar erklären, ist<br />

das Einspruchsverfahren bereits nach § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 eröffnet (z. B. EigZulG, InvZulG, WoPG und<br />

5. VermBG).<br />

Zu § 350 – Beschwer:<br />

1. Eine Beschwer ist nicht nur dann schlüssig geltend gemacht, wenn eine Rechtsverletzung o<strong>de</strong>r<br />

Ermessenswidrigkeit gerügt wird, son<strong>de</strong>rn auch dann, wenn <strong>de</strong>r Einspruchsführer eine günstigere<br />

Ermessensentscheidung begehrt. Aus nicht geson<strong>de</strong>rt festgestellten Besteuerungsgrundlagen (§ 157 Abs. 2)<br />

ergibt sich keine Beschwer.<br />

2. Bei einer zu niedrigen Festsetzung kann eine Beschwer dann bestehen, wenn eine höhere Festsetzung, z. B.<br />

aufgrund <strong>de</strong>s Bilanzenzusammenhangs, sich in Folgejahren günstiger auswirkt (BFH-Urteil vom 27.5.1981 –<br />

I R 123/77 – BStBl. 1982 II, S. 211) o<strong>de</strong>r wenn durch die begehrte höhere Steuerfestsetzung die Anrechnung<br />

von Steuerabzugsbeträgen ermöglicht wird und aufgrund <strong>de</strong>ssen ein geringerer Betrag als bisher entrichtet<br />

wer<strong>de</strong>n muss (BFH-Urteil vom 8.11.1985 – VI R 238/80 – BStBl. 1986 II, S. 186 und BFH-Beschluss vom<br />

3.2.1993 – I B 90/92 – BStBl. II, S. 426).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 213 von 235


3. Bei einer Nullfestsetzung besteht grundsätzlich keine Beschwer (BFH-Urteil vom 24.1.1975 – VI R 148/72 –<br />

BStBl. II, S. 382). Etwas an<strong>de</strong>res gilt, wenn eine Vergütung o<strong>de</strong>r eine Steuerbefreiung wegen<br />

Gemeinnützigkeit (BFH-Urteil vom 13.7.1994 – I R 5/93 – BStBl. 1995 II, S. 134) begehrt wird o<strong>de</strong>r wenn<br />

die <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Besteuerungsgrundlagen außersteuerliche Bindungswirkung<br />

haben (BFH-Urteil vom 20.12.1994 – IX R 80/92 – BStBl. 1995 II, S. 537).<br />

4. Wird durch Einspruch die Än<strong>de</strong>rung eines Grundlagenbescheids begehrt, kommt es für die schlüssige<br />

Geltendmachung <strong>de</strong>r Beschwer nicht auf die Auswirkungen in <strong>de</strong>n Folgebeschei<strong>de</strong>n an.<br />

5. Beschwert sein kann nicht nur <strong>de</strong>rjenige, für <strong>de</strong>n ein Verwaltungsakt bestimmt ist, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>rjenige,<br />

<strong>de</strong>r von ihm betroffen ist.<br />

6. Eine weitere, in <strong>de</strong>r AO nicht ausdrücklich genannte Zulässigkeitsvoraussetzung ist das Vorliegen eines<br />

Rechtsschutzbedürfnisses, d. h. eines schutzwürdigen, berücksichtigungswerten Interesses an <strong>de</strong>r begehrten<br />

Entscheidung im Einspruchsverfahren.<br />

Die Möglichkeit, einen Antrag auf schlichte Än<strong>de</strong>rung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) zu stellen,<br />

beseitigt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch, da dieser die Rechte <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

umfassen<strong>de</strong>r wahrt (vgl. vor § 347, Nr. 1). Wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Steuerpflichtige gegen <strong>de</strong>nselben Verwaltungsakt<br />

sowohl mit einem Einspruch als auch mit einem Antrag auf schlichte Än<strong>de</strong>rung, ist nur das<br />

Einspruchsverfahren durchzuführen (BFH-Urteil vom 27.9.1994 – VIII R 36/89 – BStBl. 1995 II, S. 353).<br />

Wird mit <strong>de</strong>m Einspruch ausschließlich die angebliche Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm gerügt, fehlt<br />

grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n angefochtenen Verwaltungsakt<br />

spätestens im Einspruchsverfahren hinsichtlich <strong>de</strong>s strittigen Punktes für vorläufig erklärt hat (BFH-<br />

Beschlüsse vom 10.11.1993 – X B 83/93 – BStBl. 1994 II, S. 119, und vom 22.3.1996 – III B 173/95 –<br />

BStBl. II, S. 506). Trotz vorläufiger Steuerfestsetzung kann aber ein Rechtsschutzbedürfnis anzunehmen<br />

sein, wenn <strong>de</strong>r Einspruchsführer beson<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> materiell-rechtlicher o<strong>de</strong>r verfahrensrechtlicher Art<br />

substantiiert geltend macht o<strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung begehrt (BFH-Urteil vom 30.9.2010 –<br />

III R 39/08 – BStBl. 2011 II, S. 11; <strong>zur</strong> Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Zweifel<br />

vgl. zu § 361, Nr. 2.5.4).<br />

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Zu § 351 – Bindungswirkung an<strong>de</strong>rer Verwaltungakte:<br />

1. Wird ein Bescheid angegriffen, <strong>de</strong>r einen unanfechtbaren Bescheid geän<strong>de</strong>rt hat, ist die Sache nach § 367<br />

Abs. 2 Satz 1 in vollem Umfang erneut zu prüfen. Geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n kann aber aufgrund <strong>de</strong>r Anfechtung <strong>de</strong>r<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheid nur in <strong>de</strong>m Umfang, in <strong>de</strong>m er vom ursprünglichen Bescheid abweicht; diese<br />

Beschränkung bezieht sich z. B. beim Steuerbescheid auf <strong>de</strong>n festgesetzten Steuerbetrag. Einwendungen, die<br />

bereits gegen die ursprüngliche Steuerfestsetzung vorgebracht wer<strong>de</strong>n konnten, können auch gegen <strong>de</strong>n<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheid vorgetragen wer<strong>de</strong>n. Ist z. B. im Än<strong>de</strong>rungsbescheid eine höhere Steuer festgesetzt<br />

wor<strong>de</strong>n, kann die ursprünglich festgesetzte Steuer nicht unterschritten wer<strong>de</strong>n; ist dagegen im<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheid eine niedrigere Steuer festgesetzt wor<strong>de</strong>n, kann <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nicht eine weitere<br />

Herabsetzung erreichen.<br />

2. Etwas an<strong>de</strong>res gilt, soweit sich aus <strong>de</strong>n Vorschriften über die Aufhebung o<strong>de</strong>r die Än<strong>de</strong>rung von<br />

Verwaltungsakten, z. B. wegen neuer Tatsachen, ein Rechtsanspruch auf Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s unanfechtbaren<br />

Bescheids ergibt.<br />

Beispiele:<br />

a) Ein Steuerbescheid wird nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt. Der<br />

Steuerpflichtige kann mit <strong>de</strong>m Einspruch geltend machen, dass Tatsachen i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 2<br />

unberücksichtigt geblieben sind, die die Mehrsteuern im Ergebnis nicht nur ausgleichen, son<strong>de</strong>rn sogar<br />

zu einer Erstattung führen.<br />

b) Ein Steuerbescheid wird nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt. Der<br />

Steuerpflichtige kann mit <strong>de</strong>m Einspruch geltend machen, dass Tatsachen i. S. d. Vorschrift, die zu einer<br />

weitergehen<strong>de</strong>n Erstattung führen, unberücksichtigt geblieben sind.<br />

3. § 351 Abs. 1 gilt nach seinem Wortlaut nur für än<strong>de</strong>rbare Beschei<strong>de</strong>, nicht hingegen für die sonstigen<br />

Verwaltungsakte, die <strong>de</strong>n Vorschriften über die Rücknahme (§ 130) und <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rruf (§ 131) unterliegen<br />

(BFH-Urteil vom 24.7.1984 – VII R 122/80 – BStBl. II, S. 791). § 351 Abs. 1 bleibt aber zu beachten, wenn<br />

ein än<strong>de</strong>rbarer Verwaltungsakt nach § 129 berichtigt wor<strong>de</strong>n ist (vgl. zu § 129, Nr. 5).<br />

4. Ein Einspruch gegen einen Folgebescheid, mit welchem nur Einwendungen gegen <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid<br />

geltend gemacht wer<strong>de</strong>n, ist unbegrün<strong>de</strong>t, nicht unzulässig (BFH-Urteil vom 2.9.1987 – I R 162/84 –<br />

BStBl. 1988 II, S. 142).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 214 von 235


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Zu § 352 – Einspruchsbefugnis bei <strong>de</strong>r einheitlichen Feststellung:<br />

1. Die Regelungen <strong>de</strong>s § 352 <strong>zur</strong> Einspruchsbefugnis bei einheitlichen Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n gelten<br />

unabhängig von <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r in die Feststellung einbezogenen Besteuerungsgrundlagen.<br />

2. Nach Absatz 1 Nr. 1 erste Alternative können gegen einheitliche Feststellungsbeschei<strong>de</strong> die <strong>zur</strong> Vertretung<br />

berufenen Geschäftsführer Einspruch einlegen.<br />

3. Betrifft die einheitliche Feststellung eine Personengruppe, die keinen Geschäftsführer hat (z. B. eine<br />

Erbengemeinschaft), so gilt – soweit kein Fall i. S. d. Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 vorliegt – nach Absatz 1 Nr. 1<br />

zweite Alternative i. V. m. Absatz 2 Folgen<strong>de</strong>s:<br />

a) Haben die Feststellungsbeteiligten gem. § 183 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 <strong>de</strong>r V zu § 180<br />

Abs. 2 AO einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt, so ist nach Absatz 2 Satz 1<br />

ausschließlich dieser einspruchsbefugt, soweit das Finanzamt <strong>de</strong>m Belehrungsgebot nach Absatz 2 Satz 3<br />

nachgekommen ist.<br />

b) Haben die Feststellungsbeteiligten keinen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt o<strong>de</strong>r ist ein<br />

solcher (z. B. wegen Wi<strong>de</strong>rrufs <strong>de</strong>r Vollmacht) nicht mehr vorhan<strong>de</strong>n, steht die Einspruchsbefugnis <strong>de</strong>m<br />

nach § 183 Abs. 1 Satz 2 gesetzlich fingierten Empfangsbevollmächtigten (Vertretungs- bzw.<br />

Verwaltungsberechtigter) zu (Absatz 2 Satz 2 erster Halbsatz erste Alternative). Dies gilt nicht, wenn <strong>de</strong>r<br />

gesetzlich fingierte Empfangsbevollmächtigte Geschäftsführer ist; in diesem Fall richtet sich die<br />

Einspruchsbefugnis nach Absatz 1 Nr. 1 erste Alternative.<br />

c) Ist auch ein gesetzlich fingierter Empfangsbevollmächtigter nicht vorhan<strong>de</strong>n, steht die<br />

Einspruchsbefugnis <strong>de</strong>m nach § 183 Abs. 1 Satz 3 bis 5 bzw. § 6 Abs. 1 Satz 3 bis 5 <strong>de</strong>r V zu § 180<br />

Abs. 2 AO von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bestimmten Empfangsbevollmächtigten zu (Absatz 2 Satz 2 erster<br />

Halbsatz zweite Alternative). Benennen die Feststellungsbeteiligten nach einer Auffor<strong>de</strong>rung i. S. d.<br />

§ 183 Abs. 1 Satz 3 bis 5 bzw. <strong>de</strong>s § 6 Abs. 1 Satz 3 bis 5 <strong>de</strong>r V zu § 180 Abs. 2 AO eine an<strong>de</strong>re als die<br />

von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> vorgeschlagene Person als Empfangsbevollmächtigten, richtet sich die<br />

Einspruchsbefugnis nach Absatz 2 Satz 1.<br />

d) Ist we<strong>de</strong>r ein von <strong>de</strong>n Feststellungsbeteiligten bestellter noch ein gesetzlich fingierter o<strong>de</strong>r ein von <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> bestimmter Empfangsbevollmächtigter vorhan<strong>de</strong>n, ist je<strong>de</strong>r Feststellungsbeteiligte<br />

einspruchsbefugt (Absatz 1 Nr. 2).<br />

e) Die grundsätzliche Beschränkung <strong>de</strong>r Einspruchsbefugnis auf <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Feststellungsbeteiligten<br />

bestellten, <strong>de</strong>n gesetzlich fingierten bzw. <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bestimmten<br />

Empfangsbevollmächtigten greift nur ein, wenn die Beteiligten in <strong>de</strong>r Feststellungserklärung <strong>de</strong>s<br />

betreffen<strong>de</strong>n Jahres o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Auffor<strong>de</strong>rung <strong>zur</strong> Benennung eines Empfangsbevollmächtigten (§ 183<br />

Abs. 1 Satz 3 und 4, § 6 Abs. 1 Satz 3 und 4 <strong>de</strong>r V zu § 180 Abs. 2 AO) über die Einspruchsbefugnis <strong>de</strong>s<br />

Empfangsbevollmächtigten belehrt wor<strong>de</strong>n sind (Absatz 2 Satz 3).<br />

f) Ferner hat je<strong>de</strong>r Feststellungsbeteiligte das Recht, für seine Person <strong>de</strong>r Einspruchsbefugnis <strong>de</strong>s gesetzlich<br />

fingierten bzw. <strong>de</strong>s von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bestimmten – nicht aber <strong>de</strong>r Einspruchsbefugnis <strong>de</strong>s von <strong>de</strong>n<br />

Feststellungsbeteiligten bestellten – Empfangsbevollmächtigten zu wi<strong>de</strong>rsprechen (Absatz 2 Satz 2<br />

zweiter Halbsatz). Der wi<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong> Feststellungsbeteiligte ist dann selbst einspruchsbefugt (Absatz 1<br />

Nr. 2). Der Wi<strong>de</strong>rspruch ist gegenüber <strong>de</strong>r das Feststellungsverfahren durchführen<strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong><br />

spätestens bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist zu erheben. Ein nicht schriftlich bzw. elektronisch erklärter<br />

Wi<strong>de</strong>rspruch ist unter Datumsangabe aktenkundig zu machen.<br />

Zu § 353 – Einspruchsbefugnis <strong>de</strong>s Rechtsnachfolgers:<br />

Die Rechtsnachfolge tritt ein,<br />

1. bevor einer <strong>de</strong>r in § 353 genannten Beschei<strong>de</strong> ergangen ist:<br />

Nach § 182 Abs. 2 Satz 2, § 184 Abs. 1 Satz 4, §§ 185 und 190 wirkt <strong>de</strong>r Bescheid gegen <strong>de</strong>n<br />

Rechtsnachfolger nur dann, wenn er ihm bekannt gegeben wird;<br />

2. nach <strong>de</strong>r Bekanntgabe eines in § 353 genannten Beschei<strong>de</strong>s, aber noch innerhalb <strong>de</strong>r Einspruchsfrist:<br />

Der Rechtsnachfolger kann innerhalb <strong>de</strong>r – schon laufen<strong>de</strong>n – Frist Einspruch einlegen (§ 353);<br />

3. nach Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist für einen in § 353 genannten Bescheid:<br />

Der Bescheid wirkt gegenüber <strong>de</strong>m Rechtsnachfolger, ohne dass dieser die Möglichkeit <strong>de</strong>s Einspruchs hat<br />

(§ 182 Abs. 2 Satz 1, § 184 Abs. 1 Satz 4, §§ 185 und 190);<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 215 von 235


4. während eines Einspruchsverfahrens gegen einen in § 353 genannten Bescheid:<br />

Der Gesamtrechtsnachfolger tritt in <strong>de</strong>r Rechtsstellung <strong>de</strong>s Rechtsvorgängers als Verfahrensbeteiligter ein;<br />

seiner Hinzuziehung bedarf es nicht. Beim Einzelrechtsnachfolger hat die Finanzbehör<strong>de</strong> seine Hinzuziehung<br />

zum Verfahren zu prüfen (§§ 359, 360);<br />

5. während die Frist <strong>zur</strong> Erhebung <strong>de</strong>r Klage läuft:<br />

Da auch in diesem Fall <strong>de</strong>r Bescheid gegen <strong>de</strong>n Rechtsnachfolger wirkt (§ 353), kann dieser nur innerhalb<br />

<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Rechtsvorgänger maßgeben<strong>de</strong>n Frist gem. § 40 Abs. 2 FGO Klage erheben;<br />

6. während eines finanzgerichtlichen Verfahrens:<br />

Bei Gesamtrechtsnachfolge (z. B. bei Erbfolge o<strong>de</strong>r bei Verschmelzung von Gesellschaften) wird das<br />

Verfahren bis <strong>zur</strong> Aufnahme durch <strong>de</strong>n Rechtsnachfolger unterbrochen (§ 155 FGO; § 239 ZPO), es sei<br />

<strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r Rechtsvorgänger war durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten (§ 155 FGO; §§ 239, 246<br />

ZPO). Bei Einzelrechtsnachfolge (z. B. bei Kauf) hat das Finanzgericht zu prüfen, ob <strong>de</strong>r Rechtsnachfolger<br />

beizula<strong>de</strong>n ist (§§ 57, 60 FGO).<br />

Zu § 355 – Einspruchsfrist:<br />

1. Die Einspruchsfrist beträgt einen Monat. Sie beginnt im Fall <strong>de</strong>s § 355 Abs. 1 Satz 1 mit Bekanntgabe<br />

(§ 122), im Fall <strong>de</strong>s § 355 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz mit Eingang <strong>de</strong>r Steueranmeldung bei <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> und im Fall <strong>de</strong>s § 355 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz mit Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r formfreien<br />

Zustimmung <strong>de</strong>s Finanzamts zu laufen. Wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Steuerpflichtige schriftlich bzw. elektronisch über die<br />

Zustimmung unterrichtet (z. B. zusammen mit einer Abrechnungsmitteilung), ist grundsätzlich davon<br />

auszugehen, dass ihm die Zustimmung am dritten Tag nach Aufgabe <strong>zur</strong> Post bzw. nach <strong>de</strong>r Absendung<br />

bekannt gewor<strong>de</strong>n ist; zu diesem Zeitpunkt beginnt <strong>de</strong>mnach auch erst die Einspruchsfrist zu laufen. Ist keine<br />

Mitteilung ergangen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Zustimmung<br />

frühestens mit <strong>de</strong>r Zahlung (§ 224 Abs. 3) <strong>de</strong>r Steuervergütung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Min<strong>de</strong>rsolls bekannt gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

2. Zur Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand nach unterlassener Anhörung eines Beteiligten bzw. wegen<br />

fehlen<strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes (§ 126 Abs. 3 i. V. m. § 110) vgl. zu § 91, Nr. 3 und zu § 121,<br />

Nr. 3.<br />

3. Zur Unterbrechung <strong>de</strong>r Einspruchsfrist durch Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens siehe zu § 251, Nr. 4.1.2<br />

und Nr. 5.3.1.2.1.<br />

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Zu § 357 – Einlegung <strong>de</strong>s Einspruchs:<br />

1. Die Schriftform für einen Einspruch (Absatz 1 Satz 1) ist auch bei einer Einlegung durch Telefax gewahrt<br />

(vgl. BFH-Beschluss vom 26.3.1991 – VIII B 83/90 – BStBl. II, S. 463 <strong>zur</strong> Klageerhebung). Der Einspruch<br />

kann unter <strong>de</strong>r Voraussetzung <strong>de</strong>r Zugangseröffnung (vgl. zu § 87a, Nr. 1) auch elektronisch eingelegt<br />

wer<strong>de</strong>n; eine qualifizierte elektronische Signatur nach <strong>de</strong>m Signaturgesetz ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

2. Nach § 357 Abs. 2 Satz 4 genügt die Einlegung <strong>de</strong>s Einspruchs bei einer unzuständigen Behör<strong>de</strong>, sofern <strong>de</strong>r<br />

Einspruch innerhalb <strong>de</strong>r Einspruchsfrist einer <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n übermittelt wird, bei <strong>de</strong>r er nach § 357 Abs. 2<br />

Sätze 1 bis 3 angebracht wer<strong>de</strong>n kann; <strong>de</strong>r Steuerpflichtige trägt jedoch das Risiko <strong>de</strong>r rechtzeitigen<br />

Übermittlung. Kann eine Behör<strong>de</strong> leicht und einwandfrei erkennen, dass sie für einen bei ihr eingegangenen<br />

Einspruch nicht und welche Finanzbehör<strong>de</strong> zuständig ist, hat sie diesen Einspruch unverzüglich an die<br />

zuständige Finanzbehör<strong>de</strong> weiterzuleiten. Geschieht dies nicht und wird dadurch die Einspruchsfrist<br />

versäumt, kommt Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand (§ 110) in Betracht (BVerfG-Beschluss vom<br />

2.9.2002 – 1 BvR 476/01 – BStBl. II, S. 835).<br />

3. Wird ein Einspruch bei einem Wechsel <strong>de</strong>r örtlichen Zuständigkeit nach Erlass eines Verwaltungsaktes<br />

entgegen § 357 Abs. 2 Satz 1 bereits bei <strong>de</strong>r nach § 367 Abs. 1 Satz 2 <strong>zur</strong> Entscheidung berufenen an<strong>de</strong>ren<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> eingelegt, gilt auch in diesem Fall § 357 Abs. 2 Satz 4. Der Einspruch muss <strong>de</strong>r alten Behör<strong>de</strong><br />

innerhalb <strong>de</strong>r Einspruchsfrist übermittelt wer<strong>de</strong>n, damit diese die Anwendung <strong>de</strong>s § 26 Satz 2 prüfen kann;<br />

wird <strong>de</strong>r Einspruch nicht rechtzeitig übermittelt, können die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 110 gegeben sein.<br />

Zu § 360 – Hinzuziehung zum Verfahren:<br />

1. Entsprechend <strong>de</strong>r Regelung in § 60 FGO über die Beiladung wird zwischen notwendiger (§ 360 Abs. 3) und<br />

einfacher Hinzuziehung (§ 360 Abs. 1) unterschie<strong>de</strong>n.<br />

2. § 360 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend auf § 360 Abs. 3 anzuwen<strong>de</strong>n; <strong>de</strong>r Einspruchsführer erhält damit die<br />

Möglichkeit, durch Rücknahme seines Einspruchs die Hinzuziehung zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 216 von 235


3. Bei Zusammenveranlagung (z. B. von Ehegatten bei <strong>de</strong>r Einkommensteuer) wird es sich regelmäßig<br />

empfehlen, von <strong>de</strong>r Möglichkeit <strong>de</strong>r einfachen Hinzuziehung (§ 360 Abs. 1) Gebrauch zu machen. Das gilt<br />

auch dann, wenn <strong>de</strong>r hinzuzuziehen<strong>de</strong> Ehegatte nicht über eigene Einkünfte verfügt.<br />

4. Will das Finanzamt <strong>de</strong>n angefochtenen Verwaltungsakt gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a än<strong>de</strong>rn,<br />

ohne <strong>de</strong>m Antrag <strong>de</strong>s Einspruchsführers <strong>de</strong>r Sache nach zu entsprechen, ist auch die Zustimmung <strong>de</strong>s<br />

notwendig Hinzugezogenen einzuholen; Gleiches empfiehlt sich bei einfacher Hinzuziehung.<br />

Zu § 361 – Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung:<br />

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Inhaltsübersicht:<br />

1. Anwendungsbereich <strong>de</strong>s § 361 und <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 FGO/Abgrenzung <strong>zur</strong> gerichtlichen<br />

Vollziehungsaussetzung und <strong>zur</strong> Stundung<br />

2. Voraussetzungen für eine Vollziehungsaussetzung<br />

3. Summarisches Verfahren/Vollstreckung bei anhängigem Vollziehungsaussetzungsantrag/Zuständigkeit<br />

4. Berechnung <strong>de</strong>r auszusetzen<strong>de</strong>n Steuer<br />

4.1 Die streitbefangene Steuer ist kleiner als die Abschlusszahlung<br />

4.2 Die streitbefangene Steuer ist kleiner als die Abschlusszahlung einschließlich nicht geleisteter<br />

Vorauszahlungen<br />

4.3 Die streitbefangene Steuer ist größer als die Abschlusszahlung<br />

4.4 Die streitbefangene Steuer ist größer als die Abschlusszahlung einschließlich nicht geleisteter<br />

Vorauszahlungen<br />

4.5 Die Steuerfestsetzung führt zu einer Erstattung<br />

4.6 Son<strong>de</strong>rfälle<br />

4.7 Außersteuerliche Verwaltungsakte<br />

5. Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n<br />

6. Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung von Folgebeschei<strong>de</strong>n<br />

7. Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung durch das Finanzamt<br />

8. Dauer <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

8.1 Beginn <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

8.2 En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

9. Nebenbestimmungen <strong>zur</strong> Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

9.1 Wi<strong>de</strong>rrufsvorbehalt<br />

9.2 Sicherheitsleistung<br />

10. Ablehnung <strong>de</strong>r Vollziehungsaussetzung<br />

11. Rechtsbehelfe<br />

12. Aussetzungszinsen<br />

1. Anwendungsbereich <strong>de</strong>s § 361 und <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 FGO/Abgrenzung <strong>zur</strong> gerichtlichen<br />

Vollziehungsaussetzung und <strong>zur</strong> Stundung<br />

1.1 § 361 regelt die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung durch die Finanzbehör<strong>de</strong> während eines Einspruchsverfahrens.<br />

§ 69 Abs. 2 FGO erlaubt es <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>, während eines Klageverfahrens die Vollziehung auszusetzen.<br />

1.2 Die Rechtsgrundlagen für eine Vollziehungsaussetzung durch das Finanzgericht ergeben sich aus § 69<br />

Abs. 3, 4, 6 und 7 FGO. Das Finanzgericht kann die Vollziehung – unter <strong>de</strong>n einschränken<strong>de</strong>n Voraussetzungen<br />

<strong>de</strong>s § 69 Abs. 4 FGO – auch schon vor Erhebung <strong>de</strong>r Anfechtungsklage aussetzen (vgl. Nr. 11).<br />

1.3 Demjenigen, <strong>de</strong>r eine Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> erhoben hat, kann für diesen Verfahrensabschnitt keine<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung gewährt wer<strong>de</strong>n (§ 32 BVerfGG; siehe BFH-Urteil vom 11.2.1987 – II R 176/84 –<br />

BStBl. II, S. 320).<br />

1.4 Liegen nebeneinan<strong>de</strong>r die gesetzlichen Voraussetzungen sowohl für eine Stundung als auch für eine<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung vor, wird im Regelfall auszusetzen sein.<br />

1.5. Zu <strong>de</strong>n Auswirkungen <strong>de</strong>r Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens auf das Verfahren <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r<br />

Vollziehung siehe zu § 251, Nr. 4.1.3.<br />

2. Voraussetzungen für eine Vollziehungsaussetzung<br />

2.1 Die zuständige Finanzbehör<strong>de</strong> (vgl. Nr. 3.3) soll auf Antrag die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche<br />

Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen o<strong>de</strong>r wenn die Vollziehung für<br />

<strong>de</strong>n Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegen<strong>de</strong> öffentliche Interessen gebotene Härte <strong>zur</strong> Folge hätte<br />

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(§ 361 Abs. 2 Satz 2; § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann auch ohne Antrag die Vollziehung<br />

aussetzen (§ 361 Abs. 2 Satz 1; § 69 Abs. 2 Satz 1 FGO). Von dieser Möglichkeit ist insbeson<strong>de</strong>re dann<br />

Gebrauch zu machen, wenn <strong>de</strong>r Rechtsbehelf offensichtlich begrün<strong>de</strong>t ist, <strong>de</strong>r Abhilfebescheid aber<br />

voraussichtlich nicht mehr vor Fälligkeit <strong>de</strong>r gefor<strong>de</strong>rten Steuer ergehen kann.<br />

2.2 Eine Vollziehungsaussetzung ist nur möglich, wenn <strong>de</strong>r Verwaltungsakt, <strong>de</strong>ssen Vollziehung ausgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n soll, angefochten und das Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen ist (Ausnahme:<br />

Folgebeschei<strong>de</strong> i. S. d. § 361 Abs. 3 Satz 1 und <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO; vgl. Nr. 6). Eine<br />

Vollziehungsaussetzung kommt daher nicht in Betracht, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige statt eines Rechtsbehelfs<br />

einen Än<strong>de</strong>rungsantrag, z. B. nach § 164 Abs. 2 Satz 2 o<strong>de</strong>r nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a, bei <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> einreicht.<br />

2.3 Die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung setzt Vollziehbarkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes voraus.<br />

2.3.1 Vollziehbar sind insbeson<strong>de</strong>re<br />

– die eine (positive) Steuer festsetzen<strong>de</strong>n Steuerbeschei<strong>de</strong> (vgl. Nr. 4),<br />

– Steuerbeschei<strong>de</strong> über 0 €, die einen vorhergehen<strong>de</strong>n Steuerbescheid über einen negativen Betrag än<strong>de</strong>rn<br />

(BFH-Beschluss vom 8.11.1974 – V B 52/73 – BStBl. 1975 II, S. 239),<br />

– Vorauszahlungsbeschei<strong>de</strong> bis zum Erlass <strong>de</strong>s Jahressteuerbescheids (BFH-Beschluss vom 4.6.1981 –<br />

VIII B 31/80 – BStBl. II, S. 767; vgl. Nr. 8.2.2),<br />

– Beschei<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung aufgehoben wird (BFH-Beschluss vom 1.6.1983 –<br />

III B 40/82 – BStBl. II, S. 622),<br />

– Verwaltungsakte nach § 218 Abs. 2, die eine Zahlungsschuld feststellen (BFH-Beschluss vom 10.11.1987 –<br />

VII B 137/87 – BStBl. 1988 II, S. 43),<br />

– Mitteilungen nach § 141 Abs. 2 über die Verpflichtung <strong>zur</strong> Buchführung (BFH-Beschluss vom 6.12.1979 –<br />

IV B 32/79 – BStBl. 1980 II, S. 427),<br />

– Leistungsgebote (BFH-Beschluss vom 31.10.1975 – VIII B 14/74 – BStBl. 1976 II, S. 258),<br />

– <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rruf einer Stundung (BFH-Beschluss vom 8.6.1982 – VIII B 29/82 – BStBl. II, S. 608),<br />

– die völlige o<strong>de</strong>r teilweise Ablehnung eines Antrags auf Eintragung eines Freibetrags auf <strong>de</strong>r Lohnsteuerkarte<br />

(BFH-Beschlüsse vom 29.4.1992 – VI B 152/91 – BStBl. II, S. 752, und vom 17.3.1994 – VI B 154/93 –<br />

BStBl. II, S. 567),<br />

– Außenprüfungsanordnungen (vgl. zu § 196, Nr. 1).<br />

2.3.2 Nicht vollziehbar sind insbeson<strong>de</strong>re<br />

– erstmalige Steuerbeschei<strong>de</strong> über 0 €, auch wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die Festsetzung einer negativen Steuer<br />

begehrt (BFH-Urteil vom 17.12.1981 – V R 81/81 – BStBl. 1982 II, S. 149, BVerfG-Beschluss vom<br />

23.6.1982 – 1 BvR 254/82 – StRK FGO § 69 R 244),<br />

– auf eine negative Steuerschuld lauten<strong>de</strong> Steuerbeschei<strong>de</strong>, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige eine Erhöhung <strong>de</strong>s<br />

negativen Betrags begehrt (BFH-Beschluss vom 28.11.1974 – V B 44/74 – BStBl. 1975 II, S. 240),<br />

– Verwaltungsakte, die <strong>de</strong>n Erlass o<strong>de</strong>r die Korrektur eines Verwaltungsaktes ablehnen, z. B. Ablehnung eines<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheids (BFH-Beschlüsse vom 24.11.1970 – II B 42/70 – BStBl. 1971 II, S. 110, und vom<br />

25.3.1971 – II B 47/69 – BStBl. II, S. 334), Ablehnung <strong>de</strong>r Herabsetzung bestandskräftig festgesetzter<br />

Vorauszahlungen (BFH-Beschluss vom 27.3.1991 – I B 187/90 – BStBl. II, S. 643), Ablehnung einer<br />

Stundung (BFH-Beschluss vom 8.6.1982 – VIII B 29/82 – BStBl. II, S. 608) o<strong>de</strong>r eines Erlasses (BFH-<br />

Beschluss vom 24.9.1970 – II B 28/70 – BStBl. II, S. 813),<br />

– die Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme i. S. d. § 163,<br />

– die Ablehnung <strong>de</strong>r Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG (BFH-Beschluss vom<br />

27.7.1994 – I B 246/93 – BStBl. II, S. 899) o<strong>de</strong>r einer Freistellung vom Quellensteuerabzug nach § 50a<br />

Abs. 4 EStG (BFH-Beschluss vom 13.4.1994 – I B 212/93 – BStBl. II, S. 835),<br />

– Verbindliche Auskünfte (§ 89 Abs. 2; § 2 StAuskV), verbindliche Zusagen (§§ 204 bis 207) und<br />

Lohnsteueranrufungsauskünfte (§ 42e EStG), unabhängig davon, ob sie <strong>de</strong>r Rechtsauffassung <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen entsprechen o<strong>de</strong>r nicht, sowie die Ablehnung, eine verbindliche Auskunft, eine<br />

verbindliche Zusage o<strong>de</strong>r eine Lohnsteueranrufungsauskunft zu erteilen.<br />

2.3.3 Zur Vollziehbarkeit von Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n vgl. Nr. 5.1.<br />

2.3.4 Vorläufiger Rechtsschutz gegen einen nicht vollziehbaren Verwaltungsakt kann nur durch eine<br />

einstweilige Anordnung nach § 114 FGO gewährt wer<strong>de</strong>n.<br />

2.4 Bei <strong>de</strong>r Entscheidung über Anträge auf Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ist <strong>de</strong>r gesetzliche Ermessensspielraum<br />

im Interesse <strong>de</strong>r Steuerpflichtigen stets voll auszuschöpfen.<br />

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2.5 Zur Aussetzung berechtigen<strong>de</strong> ernstliche Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s angefochtenen<br />

Verwaltungsaktes bestehen, wenn eine summarische Prüfung (vgl. Nr. 3.4) ergibt, dass neben <strong>de</strong>n für die<br />

Rechtmäßigkeit sprechen<strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> zutage treten,<br />

die Unentschie<strong>de</strong>nheit o<strong>de</strong>r Unsicherheit in <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Rechtsfragen o<strong>de</strong>r Unklarheit in <strong>de</strong>r Beurteilung<br />

<strong>de</strong>r Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes sprechen<strong>de</strong>n<br />

Be<strong>de</strong>nken nicht zu überwiegen, d. h. ein Erfolg <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen muss nicht wahrscheinlicher sein als ein<br />

Misserfolg (BFH-Beschlüsse vom 10.2.1967 – III B 9/66 – BStBl. III, S. 182, und vom 28.11.1974 –<br />

V B 52/73 – BStBl. 1975 II, S. 239).<br />

2.5.1 Bei <strong>de</strong>r Abschätzung <strong>de</strong>r Erfolgsaussichten sind nicht nur die BFH-Rechtsprechung und die einschlägigen<br />

Verwaltungsanweisungen, son<strong>de</strong>rn auch die Entscheidungen <strong>de</strong>s zuständigen Finanzgerichts zu beachten.<br />

2.5.2 Ernstliche Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes wer<strong>de</strong>n im Allgemeinen zu bejahen sein,<br />

– wenn die Behör<strong>de</strong> bewusst o<strong>de</strong>r unbewusst von einer für <strong>de</strong>n Antragsteller günstigen Rechtsprechung <strong>de</strong>s<br />

BFH abgewichen ist (BFH-Beschluss vom 15.2.1967 – VI S 2/66 – BStBl. III, S. 256),<br />

– wenn <strong>de</strong>r BFH noch nicht zu <strong>de</strong>r Rechtsfrage Stellung genommen hat und die Finanzgerichte<br />

unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten (BFH-Beschluss vom 10.5.1968 – III B 55/67 – BStBl. II,<br />

S. 610),<br />

– wenn die Gesetzeslage unklar ist, die streitige Rechtsfrage vom BFH noch nicht entschie<strong>de</strong>n ist, im<br />

Schrifttum Be<strong>de</strong>nken gegen die Rechtsauslegung <strong>de</strong>s Finanzamtes erhoben wer<strong>de</strong>n und die<br />

Finanzverwaltung die Zweifelsfrage in <strong>de</strong>r Vergangenheit nicht einheitlich beurteilt hat (BFH-Beschlüsse<br />

vom 22.9.1967 – VI B 59/67 – BStBl. 1968 II, S. 37, und vom 19.8.1987 – V B 56/85 – BStBl. II, S. 830),<br />

– wenn eine Rechtsfrage von zwei obersten Bun<strong>de</strong>sgerichten o<strong>de</strong>r zwei Senaten <strong>de</strong>s BFH unterschiedlich<br />

entschie<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n ist (BFH-Beschlüsse vom 22.11.1968 – VI B 87/68 – BStBl. 1969 II, S. 145, und vom<br />

21.11.1974 – IV B 39/74 – BStBl. 1975 II, S. 175) o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rsprüchliche Urteile <strong>de</strong>sselben BFH-Senats<br />

vorliegen (BFH-Beschluss vom 5.2.1986 – I B 39/85 – BStBl. II, S. 490).<br />

2.5.3 Dagegen wer<strong>de</strong>n ernstliche Zweifel im Allgemeinen zu verneinen sein,<br />

– wenn <strong>de</strong>r Verwaltungsakt <strong>de</strong>r höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht (BFH-Beschlüsse vom<br />

24.2.1967 – VI B 15/66 – BStBl. III, S. 341, und vom 11.3.1970 – I B 50/68 – BStBl. II, S. 569), und zwar<br />

auch dann, wenn einzelne Finanzgerichte eine von <strong>de</strong>r höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichen<strong>de</strong><br />

Auffassung vertreten,<br />

– wenn <strong>de</strong>r Rechtsbehelf unzulässig ist (BFH-Beschlüsse vom 24.11.1970 – II B 42/70 – BStBl. 1971 II,<br />

S. 110, und vom 25.3.1971 – II B 47/69 – BStBl. II, S. 334).<br />

2.5.4 An die Zweifel hinsichtlich <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s angefochtenen Verwaltungsaktes sind, wenn die<br />

Verfassungswidrigkeit einer angewandten Rechtsnorm geltend gemacht wird, keine strengeren Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

zu stellen als im Falle <strong>de</strong>r Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung. Die Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>s<br />

Aussetzungsantrags ist nicht nach <strong>de</strong>n Grundsätzen zu beurteilen, die für eine einstweilige Anordnung durch das<br />

BVerfG nach § 32 BVerfGG gelten (BFH-Beschluss vom 10.2.1984 – III B 40/83 – BStBl. II, S. 454).<br />

Im Hinblick auf <strong>de</strong>n Geltungsanspruch je<strong>de</strong>s formell verfassungsgemäß zustan<strong>de</strong> gekommenen Gesetzes muss<br />

aber <strong>de</strong>r Antragsteller zusätzlich ein beson<strong>de</strong>res berechtigtes Interesse an <strong>de</strong>r Gewährung vorläufigen<br />

Rechtsschutzes haben.<br />

Geboten ist eine Interessenabwägung zwischen <strong>de</strong>r einer Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung entgegenstehen<strong>de</strong>n<br />

Gefährdung <strong>de</strong>r öffentlichen Haushaltsführung und <strong>de</strong>n für eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung sprechen<strong>de</strong>n<br />

individuellen Interessen <strong>de</strong>s Antragstellers an <strong>de</strong>r Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (BFH-Beschlüsse vom<br />

6.11.1987 – III B 101/86 – BStBl. 1988 II, S. 134, vom 1.4.2010 – II B 168/09 – BStBl. II, S. 558, und vom<br />

9.3.2012 – VII B 171/11 – BStBl. II, S. 418). Als Ergebnis dieser Interessenabwägung kann somit trotz<br />

ernstlicher Zweifel an <strong>de</strong>r Verfassungsmäßigkeit einer angewandten Vorschrift eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

abzulehnen sein.<br />

Diese Grundsätze gelten nicht nur, wenn zweifelhaft ist, ob eine Norm materiell verfassungsgemäß ist, son<strong>de</strong>rn<br />

auch dann, wenn Zweifel an <strong>de</strong>r formellen Verfassungsmäßigkeit einer Norm bestehen (BFH-Beschluss vom<br />

9.3.2012, a.a.O.). Wür<strong>de</strong> eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung im Ergebnis <strong>zur</strong> vorläufigen Nichtanwendung eines<br />

ganzen Gesetzes führen, hat das Interesse an einer geordneten Haushaltsführung Vorrang, wenn <strong>de</strong>r durch die<br />

Vollziehung <strong>de</strong>s angefochtenen Verwaltungsakts eintreten<strong>de</strong> Eingriff beim Steuerpflichtigen als eher gering<br />

einzustufen ist und dieser Eingriff keine dauerhaften nachteiligen Wirkungen hat; ob ernstliche Zweifel an <strong>de</strong>r<br />

Verfassungsmäßigkeit <strong>de</strong>s Gesetzes bestehen, muss dann i. d. R. nicht geprüft wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschlüsse vom<br />

1.4.2010 und vom 9.3.2012, jeweils a.a.O.).“<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 219 von 235


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2.5.5 Die Gefährdung <strong>de</strong>s Steueranspruchs ist – wenn ernstliche Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsaktes bestehen – für sich allein kein Grund, die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung abzulehnen.<br />

Steuerausfälle können dadurch vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, dass die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig<br />

gemacht wird (vgl. Nr. 9.2).<br />

2.6 Eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung wegen unbilliger Härte kommt in Betracht, wenn bei sofortiger<br />

Vollziehung <strong>de</strong>m Betroffenen Nachteile drohen wür<strong>de</strong>n, die über die eigentliche Realisierung <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsaktes hinausgehen, in<strong>de</strong>m sie vom Betroffenen ein Tun, Dul<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Unterlassen for<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>ssen<br />

nachteilige Folgen nicht mehr o<strong>de</strong>r nur schwer rückgängig gemacht wer<strong>de</strong>n können o<strong>de</strong>r existenzbedrohend<br />

sind. Eine Vollziehungsaussetzung wegen unbilliger Härte ist zu versagen, wenn <strong>de</strong>r Rechtsbehelf offensichtlich<br />

keine Aussicht auf Erfolg hat (BFH-Beschlüsse vom 21.12.1967 – V B 26/67 – BStBl. 1968 II, S. 84, und vom<br />

19.4.1968 – IV B 3/66 – BStBl. II, S. 538).<br />

2.7 Durch Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung darf die Entscheidung in <strong>de</strong>r Hauptsache nicht vorweggenommen<br />

wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschluss vom 22.7.1980 – VII B 3/80 – BStBl. II, S. 592).<br />

3. Summarisches Verfahren/Vollstreckung bei anhängigem<br />

Vollziehungsaussetzungsantrag/Zuständigkeit<br />

3.1 Über Anträge auf Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ist unverzüglich zu entschei<strong>de</strong>n. Solange über einen<br />

entsprechen<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> gestellten Antrag noch nicht entschie<strong>de</strong>n ist, sollen<br />

Vollstreckungsmaßnahmen unterbleiben, es sei <strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r Antrag ist aussichtslos, bezweckt offensichtlich nur ein<br />

Hinausschieben <strong>de</strong>r Vollstreckung o<strong>de</strong>r es besteht Gefahr im Verzug.<br />

3.2 Stellt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige einen Antrag auf Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO beim<br />

Finanzgericht, ist die Vollstreckungsstelle darüber zu unterrichten. Die Vollstreckungsstelle entschei<strong>de</strong>t, ob im<br />

Einzelfall von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen ist. Vor Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen ist mit<br />

<strong>de</strong>m Finanzgericht Verbindung aufzunehmen (siehe Abschn. 5 Abs. 4 Satz 3 VollstrA). Die Verpflichtung <strong>de</strong>s<br />

Finanzamts, unverzüglich selbst zu prüfen, ob eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung in Betracht kommt, und ggf. die<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung selbst auszusprechen, bleibt unberührt.<br />

3.3 Für die Entscheidung über die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ist ohne Rücksicht auf die Steuerart und die<br />

Höhe <strong>de</strong>s Steuerbetrages das Finanzamt zuständig, das <strong>de</strong>n angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Ein<br />

zwischenzeitlich eingetretener Zuständigkeitswechsel betrifft grundsätzlich auch das Aussetzungsverfahren<br />

(§ 367 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 26 Satz 2).<br />

3.4 Die Entscheidung über die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ergeht in einem summarischen Verfahren. Die<br />

Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>s Rechtsbehelfs ist im Rahmen dieses Verfahrens nur in einem begrenzten Umfang zu prüfen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Prüfung sind nicht präsente Beweismittel ausgeschlossen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23.7.1968 –<br />

II B 17/68 – BStBl. II, S. 589, und vom 19.5.1987 – VIII B 104/85 – BStBl. 1988 II, S. 5). Die<br />

Sachentscheidungsvoraussetzungen für die Vollziehungsaussetzung (z. B. Anhängigkeit eines förmlichen<br />

Rechtsbehelfs, Zuständigkeit) sind eingehend und nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BFH-Beschluss vom<br />

21.4.1971 – VII B 106/99 – BStBl. II, S. 702).<br />

4. Berechnung <strong>de</strong>r auszusetzen<strong>de</strong>n Steuer<br />

Die Höhe <strong>de</strong>r auszusetzen<strong>de</strong>n Steuer ist in je<strong>de</strong>m Fall zu berechnen; eine pauschale Bestimmung (z. B.<br />

ausgesetzte Steuer = Abschlusszahlung) ist nicht vorzunehmen.<br />

Bei Steuerbeschei<strong>de</strong>n sind die Aussetzung und die Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung auf die festgesetzte Steuer,<br />

vermin<strong>de</strong>rt um die an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong>n Steuerabzugsbeträge, um die an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer und um die<br />

festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung o<strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r<br />

Vollziehung <strong>zur</strong> Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 361 Abs. 2 Satz 4; § 69 Abs. 2 Satz 8 und<br />

Absatz 3 Satz 4 FGO). Diese Regelung ist verfassungsgemäß (BFH-Beschlüsse vom 2.11.1999 – I B 49/99 –<br />

BStBl. 2000 II, S. 57, und vom 24.1.2000 – X B 99/99 – BStBl. II, S. 559). Zum Begriff „wesentliche Nachteile“<br />

vgl. Nr. 4.6.1).<br />

Vorauszahlungen sind auch dann „festgesetzt“ i. S. d. § 361 Abs. 2 Satz 4, § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO, wenn <strong>de</strong>r<br />

Vorauszahlungsbescheid in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzt war (BFH-Beschluss vom 24.1.2000 – X B 99/99 –<br />

BStBl. II, S. 559; vgl. Nrn. 4.2, 4.4 und 8.2.2).<br />

Steuerabzugsbeträge sind bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>r auszusetzen<strong>de</strong>n Steuer auch dann zu berücksichtigen, wenn sie<br />

erst im Rechtsbehelfsverfahren geltend gemacht wer<strong>de</strong>n und die Abrechnung <strong>de</strong>s angefochtenen<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong>s zu korrigieren ist.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 220 von 235


Wird ein Steuerbescheid zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r gemäß § 129 berichtigt, kann<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>s sich ergeben<strong>de</strong>n Mehrbetrags die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung unabhängig von <strong>de</strong>n<br />

Beschränkungen <strong>de</strong>s § 361 Abs. 2 Satz 4 AO bzw. <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO gewährt wer<strong>de</strong>n.<br />

Es sind folgen<strong>de</strong> Fälle zu unterschei<strong>de</strong>n (in <strong>de</strong>n Beispielsfällen 4.1 bis 4.5 wird jeweils davon ausgegangen, dass<br />

ein Betrag von 5 000 € streitbefangen ist und in dieser Höhe auch ernstliche Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>r<br />

angefochtenen Steuerfestsetzung bestehen sowie kein Ausnahmefall <strong>de</strong>s Vorliegens wesentlicher Nachteile –<br />

vgl. Nr. 4.6.1 – gegeben ist):<br />

4.1 Die streitbefangene Steuer ist kleiner als die Abschlusszahlung<br />

Beispiel 1:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte und entrichtete Vorauszahlungen 8 000 €<br />

Abschlusszahlung 7 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist i. H. v. 5 000 € auszusetzen. Der Restbetrag i. H. v. 2 000 € ist am Fälligkeitstag zu<br />

entrichten.<br />

Beispiel 2:<br />

festgesetzte Umsatzsteuer 0 €<br />

Summe <strong>de</strong>r festgesetzten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen ./. 7 000 €<br />

Abschlusszahlung 7 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist i. H. v. 5 000 € auszusetzen. Der Restbetrag in Höhe von 2 000 € ist am Fälligkeitstag zu<br />

entrichten.<br />

4.2 Die streitbefangene Steuer ist kleiner als die Abschlusszahlung einschließlich nicht geleisteter<br />

Vorauszahlungen<br />

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Beispiel 1:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte Vorauszahlungen 8 000 €<br />

entrichtete Vorauszahlungen 5 000 €<br />

rückständige Vorauszahlungen 3 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 4 000 €<br />

Abschlusszahlung (einschließlich <strong>de</strong>r rückständigen Vorauszahlungsbeträge, da nach § 36 6 000 €<br />

Abs. 2 Nr. 1 EStG nur die entrichteten Vorauszahlungen an<strong>zur</strong>echnen sind)<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist nur i. H. v. 3 000 € auszusetzen (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 8 000 € – festgesetzte<br />

Vorauszahlungen – ./. 4 000 € – an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –). Die rückständigen Vorauszahlungen<br />

i. H. v. 3 000 € sind sofort zu entrichten.<br />

Beispiel 2:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte Vorauszahlungen 8 000 €<br />

Vollziehungsaussetzung <strong>de</strong>s Vorauszahlungsbescheids i. H. v. 3 000 €<br />

entrichtete Vorauszahlungen 5 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 4 000 €<br />

Abschlusszahlung (einschließlich <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzten Vorauszahlungen) 6 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist nur i. H. v. 3 000 € auszusetzen (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 8 000 € – festgesetzte<br />

Vorauszahlungen – ./. 4 000 € – an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –). Die in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzten<br />

Vorauszahlungen in Höhe von 3 000 € sind innerhalb <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zu setzen<strong>de</strong>n Frist (vgl.<br />

Nr. 8.2.2) zu entrichten. Der Restbetrag <strong>de</strong>r Abschlusszahlung (3 000 €) muss nicht geleistet wer<strong>de</strong>n, solange die<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung wirksam ist.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 221 von 235


4.3 Die streitbefangene Steuer ist größer als die Abschlusszahlung<br />

Beispiel:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte und entrichtete Vorauszahlungen 8 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 4 000 €<br />

Abschlusszahlung 3 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist nur i. H. v. 3 000 € auszusetzen (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 8 000 € – festgesetzte<br />

Vorauszahlungen – ./. 4 000 € – an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –). Die Abschlusszahlung muss nicht<br />

geleistet wer<strong>de</strong>n, solange die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung wirksam ist.<br />

4.4 Die streitbefangene Steuer ist größer als die Abschlusszahlung einschließlich nicht geleisteter<br />

Vorauszahlungen<br />

Beispiel 1:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte Vorauszahlungen 8 000 €<br />

entrichtete Vorauszahlungen 5 000 €<br />

rückständige Vorauszahlungen 3 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 6 000 €<br />

Abschlusszahlung (einschließlich <strong>de</strong>r rückständigen Vorauszahlungen) 4 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist nur i. H. v. 1 000 € auszusetzen (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 8 000 € – festgesetzte<br />

Vorauszahlungen – ./. 6 000 € – an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –). Die rückständigen Vorauszahlungen<br />

i. H. v. 3 000 € sind sofort zu entrichten.<br />

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Beispiel 2:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte Vorauszahlungen 8 000 €<br />

Vollziehungsaussetzung <strong>de</strong>s Vorauszahlungsbescheids i. H. v. 3 000 €<br />

entrichtete Vorauszahlungen 5 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 6 000 €<br />

Abschlusszahlung (einschließlich <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzten Vorauszahlungen) 4 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist nur i. H. v. 1 000 € auszusetzen (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 8 000 € – festgesetzte<br />

Vorauszahlungen – ./. 6 000 € – an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –). Die in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzten<br />

Vorauszahlungen i. H. v. 3 000 € sind innerhalb <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zu setzen<strong>de</strong>n Frist (vgl. Nr. 8.2.2) zu<br />

entrichten. Der Restbetrag <strong>de</strong>r Abschlusszahlung (1 000 €) muss nicht geleistet wer<strong>de</strong>n, solange die Aussetzung<br />

<strong>de</strong>r Vollziehung wirksam ist.<br />

4.5 Die Steuerfestsetzung führt zu einer Erstattung<br />

Beispiel 1:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte und entrichtete Vorauszahlungen 12 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 5 000 €<br />

Erstattungsbetrag 2 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ist nicht möglich (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 12 000 € – festgesetzte<br />

Vorauszahlungen –./. 5 000 € – an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 222 von 235


Beispiel 2:<br />

Nach einem Erstbescheid gemäß Beispiel 1 ergeht ein Än<strong>de</strong>rungsbescheid:<br />

festgesetzte Steuer nunmehr 16 000 €<br />

festgesetzte und entrichtete Vorauszahlungen 12 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 5 000 €<br />

neuer Erstattungsbetrag 1 000 €<br />

Rückfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Erstbescheid geleisteten Erstattung (Leistungsgebot) i. H. v. 1 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Der Än<strong>de</strong>rungsbescheid kann i. H. v. 1 000 € in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Beispiel 3:<br />

Nach einem Erstbescheid gemäß Beispiel 1 ergeht ein Än<strong>de</strong>rungsbescheid:<br />

festgesetzte Steuer nunmehr 18 000 €<br />

festgesetzte und entrichtete Vorauszahlungen 12 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 5 000 €<br />

Abschlusszahlung neu 1 000 €<br />

Leistungsgebot über (Abschlusszahlung – 1 000 € – zuzüglich <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Erstbescheid 3 000 €<br />

geleisteten Erstattung – 2 000 € –)<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Der Än<strong>de</strong>rungsbescheid kann i. H. v. 3 000 € in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

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4.6 Son<strong>de</strong>rfälle<br />

4.6.1 Die Beschränkung <strong>de</strong>r Aussetzung bzw. Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>n<br />

Unterschiedsbetrag zwischen festgesetzter Steuer und Vorleistungen (festgesetzte Vorauszahlungen,<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge, an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer) gilt nicht, wenn die Aussetzung o<strong>de</strong>r<br />

Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>zur</strong> Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (vgl. Nr. 4 zweiter Absatz).<br />

Für die Beurteilung, wann „wesentliche Nachteile“ vorliegen, sind die von <strong>de</strong>r BFH-Rechtsprechung <strong>zur</strong><br />

einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO entwickelten Grundsätze heranzuziehen (BFH-Beschluss vom<br />

22.12.2003 – IX B 177/02 – BStBl. 2004 II, S. 367). „Wesentliche Nachteile“ liegen <strong>de</strong>mnach vor, wenn durch<br />

die Versagung <strong>de</strong>r Vollziehungsaussetzung bzw. Vollziehungsaufhebung unmittelbar und ausschließlich die<br />

wirtschaftliche o<strong>de</strong>r persönliche Existenz <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bedroht sein wür<strong>de</strong> (BFH-Beschluss vom<br />

22.12.2003, a.a.O.).<br />

Keine „wesentlichen Nachteile“ sind – für sich allein gesehen – allgemeine Folgen, die mit <strong>de</strong>r Steuerzahlung<br />

verbun<strong>de</strong>n sind, beispielsweise<br />

– ein Zinsverlust (vgl. BFH-Beschluss vom 27.7.1994 – I B 246/93 – BStBl. II, S. 899),<br />

– eine <strong>zur</strong> Bezahlung <strong>de</strong>r Steuern notwendige Kreditaufnahme (BFH-Beschlüsse vom 12.4.1984 –<br />

VIII B 115/82 – BStBl. II, S. 492, und vom 2.11.1999 – I B 49/99 – BStBl. 2000 II, S. 57),<br />

– ein Zurückstellen betrieblicher Investitionen o<strong>de</strong>r eine Einschränkung <strong>de</strong>s gewohnten Lebensstandards<br />

(BFH-Beschluss vom 12.4.1984 – VIII B 115/82 – BStBl. II, S. 492).<br />

„Wesentliche Nachteile“ liegen auch vor, wenn <strong>de</strong>r BFH o<strong>de</strong>r ein Finanzgericht von <strong>de</strong>r Verfassungswidrigkeit<br />

einer streitentschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Vorschrift überzeugt ist und <strong>de</strong>shalb diese Norm gem. Art. 100 Abs. 1 GG <strong>de</strong>m<br />

BVerfG <strong>zur</strong> Prüfung vorgelegt hat (BFH-Beschluss vom 22.12.2003 – IX B 177/02 – BStBl. 2004 II, S. 367).<br />

Wur<strong>de</strong> ein Grundlagenbescheid angefochten, sind erst bei <strong>de</strong>r Vollziehungsaussetzung <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s die<br />

Regelungen <strong>de</strong>s § 361 Abs. 2 Satz 4 bzw. <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 Satz 8 und Abs. 3 Satz 4 FGO zu beachten (vgl. Nr. 4<br />

zweiter Absatz, Nr. 5.1 letzter Absatz und Nr. 6 letzter Absatz). Folglich ist auch erst in diesem Verfahren zu<br />

prüfen, ob „wesentliche Nachteile“ vorliegen.<br />

4.6.2 In Fällen, in <strong>de</strong>nen die Vollziehung <strong>de</strong>s angefochtenen Steuerbescheids auszusetzen ist, bei Erfolg <strong>de</strong>s<br />

Rechtsbehelfs aber an<strong>de</strong>re Steuerbeschei<strong>de</strong> zuungunsten <strong>de</strong>s Rechtsbehelfsführers zu än<strong>de</strong>rn sind, kann die<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>s angefochtenen Steuerbescheids nicht auf <strong>de</strong>n Unterschiedsbetrag <strong>de</strong>r<br />

steuerlichen Auswirkungen begrenzt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 10.11.1994 – IV R 44/94 – BStBl. 1995 II,<br />

S. 814).<br />

4.7 Außersteuerliche Verwaltungsakte<br />

Die vorstehen<strong>de</strong>n Ausführungen gelten sinngemäß für außersteuerliche Verwaltungsakte, auf die die<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 223 von 235


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Vorschriften <strong>de</strong>s § 361 und <strong>de</strong>s § 69 FGO entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n sind (z. B. Beschei<strong>de</strong> für<br />

Investitionszulagen, Eigenheimzulagen, Wohnungsbauprämien, Bergmannsprämien, Arbeitnehmer-<br />

Sparzulagen). Die Vollziehung eines Beschei<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r beispielsweise eine Investitionszulage nach Auffassung <strong>de</strong>s<br />

Antragstellers zu niedrig festsetzt, kann daher nicht ausgesetzt wer<strong>de</strong>n. Ein Bescheid, <strong>de</strong>r eine gewährte<br />

Investitionszulage <strong>zur</strong>ückfor<strong>de</strong>rt, ist dagegen ein vollziehbarer und aussetzungsfähiger Verwaltungsakt.<br />

5. Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n<br />

5.1 Auch die Vollziehung von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n (insbeson<strong>de</strong>re Feststellungs- und Steuermessbeschei<strong>de</strong>n)<br />

kann unter <strong>de</strong>n allgemeinen Voraussetzungen – Anhängigkeit eines Rechtsbehelfs (vgl. Nr. 2.2), vollziehbarer<br />

Verwaltungsakt (vgl. Nr. 2.3), ernstliche Zweifel (vgl. Nr. 2.5) o<strong>de</strong>r unbillige Härte (vgl. Nr. 2.6) – ausgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ist daher insbeson<strong>de</strong>re möglich bei<br />

– Beschei<strong>de</strong>n über die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2,<br />

– Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>r V zu § 180 Abs. 2 AO,<br />

– Beschei<strong>de</strong>n nach § 180 Abs. 1 Nr. 3,<br />

– Feststellungsbeschei<strong>de</strong> nach §§ 27, 28 und 38 KStG,<br />

– Gewerbesteuermessbeschei<strong>de</strong>n,<br />

– Grundsteuermessbeschei<strong>de</strong>n,<br />

– Einheitswertbeschei<strong>de</strong>n (§ 180 Abs. 1 Nr. 1 AO i. V. m. § 19 BewG),<br />

– Beschei<strong>de</strong>n über die Feststellung von Grundbesitzwerten (§ 151 BewG),<br />

– Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG.<br />

Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH kommt eine Vollziehungsaussetzung auch in Betracht bei<br />

– Verlustfeststellungsbeschei<strong>de</strong>n, soweit die Feststellung eines höheren Verlustes begehrt wird (BFH-<br />

Beschlüsse vom 10.7.1979 – VIII B 84/78 – BStBl. II, S. 567, und vom 25.10.1979 – IV B 68/79 –<br />

BStBl. 1980 II, S. 66),<br />

– Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n, die Anteile einzelner Gesellschafter auf 0 € feststellen und angefochten wer<strong>de</strong>n,<br />

weil diese Gesellschafter <strong>de</strong>n Ansatz von Verlustanteilen begehren (BFH-Beschluss vom 22.10.1980 – I<br />

S 1/80 – BStBl. 1981 II, S. 99),<br />

– Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n, die eine Mitunternehmerschaft einzelner Beteiligter verneinen (BFH-Beschluss<br />

vom 10.7.1980 – IV B 77/79 – BStBl. II, S. 697),<br />

– negativen Gewinn-/Verlustfeststellungsbeschei<strong>de</strong>n, d. h. Beschei<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n Erlass eines Gewinn(Verlust-<br />

)feststellungsbescheids ablehnen (Beschluss <strong>de</strong>s Großen Senats <strong>de</strong>s BFH vom 14.4.1987 – GrS 2/85 –<br />

BStBl. II, S. 637),<br />

– Beschei<strong>de</strong>n nach § 15a Abs. 4 EStG über die Feststellung eines verrechenbaren Verlustes (BFH-Beschluss<br />

vom 2.3.1988 – IV B 95/87 – BStBl. II, S. 617).<br />

Soweit in einem Grundlagenbescheid Feststellungen enthalten sind, die Gegenstand eines an<strong>de</strong>ren<br />

Feststellungsverfahrens waren, ist die Vollziehung <strong>de</strong>s Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s nach § 361 Abs. 3 Satz 1 bzw.<br />

§ 69 Abs. 2 Satz 4 FGO auszusetzen (vgl. Nr. 6).<br />

Die Beschränkungen <strong>de</strong>s § 361 Abs. 2 Satz 4 bzw. <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 Satz 8 und Abs. 3 Satz 4 FGO (vgl. Nr. 4<br />

zweiter Absatz) sind erst bei <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s zu beachten (vgl. Nr. 6 letzter<br />

Absatz).<br />

5.2 Die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung eines Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s kann auf Gewinnanteile einzelner<br />

Gesellschafter beschränkt wer<strong>de</strong>n, auch wenn <strong>de</strong>r Rechtsstreit die Gewinnanteile aller Gesellschafter berührt<br />

(BFH-Beschluss vom 7.11.1968 – IV B 47/68 – BStBl. 1969 II, S. 85). Wird vorläufiger Rechtsschutz nicht von<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft, son<strong>de</strong>rn nur von einzelnen Gesellschaftern beantragt, sind nur diese am Verfahren <strong>de</strong>r<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung beteiligt; eine Hinzuziehung <strong>de</strong>r übrigen Gesellschafter zum Verfahren ist nicht<br />

notwendig (BFH-Beschlüsse vom 22.10.1980 – I S 1/80 – BStBl. 1981 II, S. 99, und vom 5.5.1981 –<br />

VIII B 26/80 – BStBl. II, S. 574).<br />

5.3 Im Verwaltungsakt über die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung eines Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s müssen im Falle <strong>de</strong>r<br />

geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Feststellung die ausgesetzten Besteuerungsgrundlagen auf die einzelnen<br />

Beteiligten aufgeteilt wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m sollte ggf. darauf hingewiesen wer<strong>de</strong>n, dass eine Erstattung von<br />

geleisteten Vorauszahlungen, Steuerabzugsbeträgen und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong>r Körperschaftsteuer im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s grundsätzlich nicht erfolgt (vgl. Nr. 4 zweiter Absatz und Nr. 6<br />

letzter Absatz). Die Vollziehung eines negativen Feststellungsbescheids (vgl. Nr. 5.1, vorletzter Beispielsfall) ist<br />

mit <strong>de</strong>r Maßgabe auszusetzen, dass bis <strong>zur</strong> bestandskräftigen/rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 224 von 235


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von einem Verlust von x € auszugehen sei, <strong>de</strong>r sich auf die Beteiligten wie folgt verteile: . . . (Beschluss <strong>de</strong>s<br />

Großen Senats <strong>de</strong>s BFH vom 14.4.1987 – GrS 2/85 – BStBl. II, S. 637).<br />

5.4 Unterrichtungspflicht<br />

5.4.1 Ist die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung eines Grundlagenbescheids beantragt wor<strong>de</strong>n, kann über <strong>de</strong>n Antrag<br />

aber nicht kurzfristig entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, sollen die für die Erteilung <strong>de</strong>r Folgebeschei<strong>de</strong> zuständigen<br />

Finanzämter, ggf. Gemein<strong>de</strong>n, unterrichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Wegen <strong>de</strong>r Unterrichtung <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n über anhängige Einspruchsverfahren gegen Realsteuermessbeschei<strong>de</strong><br />

vgl. zu § 184.<br />

5.4.2 Die Wohnsitzfinanzämter <strong>de</strong>r Beteiligten sind von <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung eines<br />

Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s zu unterrichten. In diese Mitteilungen ist ggf. <strong>de</strong>r Hinweis über die grundsätzliche<br />

Nichterstattung von Steuerbeträgen (vgl. Nr. 4 zweiter Absatz, Nr. 5.1 letzter Absatz und Nr. 6 letzter Absatz)<br />

aufzunehmen. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für <strong>de</strong>n Beginn und das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung (vgl. Nr. 8.1.3<br />

und 8.2.1).<br />

5.4.3 Wird die Vollziehung eines Realsteuermessbeschei<strong>de</strong>s ausgesetzt, ist die Gemein<strong>de</strong> hierüber zu<br />

unterrichten.<br />

6. Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung von Folgebeschei<strong>de</strong>n<br />

Nach <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung eines Grundlagenbescheids ist die Vollziehung <strong>de</strong>r darauf beruhen<strong>de</strong>n<br />

Folgebeschei<strong>de</strong> von Amts wegen auszusetzen, und zwar auch dann, wenn die Folgebeschei<strong>de</strong> nicht angefochten<br />

wur<strong>de</strong>n (§ 361 Abs. 3 Satz 1; § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO). Entsprechen<strong>de</strong>s gilt, wenn bei Rechtsbehelfen gegen<br />

außersteuerliche Grundlagenbeschei<strong>de</strong> die aufschieben<strong>de</strong> Wirkung eintritt, angeordnet o<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rhergestellt<br />

o<strong>de</strong>r die Vollziehung ausgesetzt wird.<br />

Ist <strong>de</strong>r Folgebescheid vor Erlass <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids ergangen und berücksichtigt er nach Auffassung <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen die noch geson<strong>de</strong>rt festzustellen<strong>de</strong>n Besteuerungsgrundlagen nicht o<strong>de</strong>r – bei einer Schätzung<br />

nach § 162 Abs. 5 – in unzutreffen<strong>de</strong>r Höhe, kann unter <strong>de</strong>n allgemeinen Voraussetzungen die Vollziehung<br />

ausgesetzt wer<strong>de</strong>n. Dies gilt entsprechend, wenn Einwendungen gegen die Wirksamkeit <strong>de</strong>r Bekanntgabe eines<br />

ergangenen Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s erhoben wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschluss vom 25.3.1986 – III B 6/85 – BStBl. II,<br />

S. 477, und BFH-Urteil vom 15.4.1988 – III R 26/85 – BStBl. II, S. 660).<br />

Ein Antrag auf Vollziehungsaussetzung eines Einkommensteuerbeschei<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r mit Zweifeln an <strong>de</strong>r<br />

Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>r Entscheidungen in einem wirksam ergangenen positiven o<strong>de</strong>r negativen<br />

Gewinnfeststellungsbescheid begrün<strong>de</strong>t wird, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (BFH-Urteil vom<br />

29.10.1987 – VIII R 413/83 – BStBl. 1988 II, S. 240). Zulässig ist dagegen ein Antrag auf<br />

Vollziehungsaussetzung eines Folgebeschei<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r mit ernstlichen Zweifeln an <strong>de</strong>r wirksamen Bekanntgabe<br />

eines Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s begrün<strong>de</strong>t wird (BFH-Beschluss vom 15.4.1988 – III R 26/85 – BStBl. II, S. 660).<br />

Bei <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s sind ggf. die Beschränkungen <strong>de</strong>s § 361 Abs. 2 Satz 4<br />

bzw. <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 Satz 8 und Abs. 3 Satz 4 FGO (vgl. Nr. 4 zweiter Absatz) zu beachten. Erst in diesem<br />

Verfahren ist ggf. auch zu prüfen, ob „wesentliche Nachteile“ (vgl. Nr. 4.6.1) vorliegen.<br />

7. Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung durch das Finanzamt<br />

7.1 Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind befugt, im Rahmen eines Verfahrens nach § 361 o<strong>de</strong>r nach § 69 Abs. 2 FGO auch<br />

die Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung anzuordnen (§ 361 Abs. 2 Satz 3; § 69 Abs. 2 Satz 7 FGO. Die Ausführungen in<br />

<strong>de</strong>n Nrn. 2.1 bis 4.6 gelten entsprechend.<br />

7.2 Die Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung bewirkt die Rückgängigmachung bereits durchgeführter<br />

Vollziehungsmaßnahmen. Dies gilt auch, soweit eine Steuer „freiwillig“, d. h. abgesehen vom Leistungsgebot<br />

ohne beson<strong>de</strong>re Einwirkungen <strong>de</strong>s Finanzamts (wie Mahnung, Postnachnahme, Beitreibungsmaßnahmen),<br />

entrichtet wor<strong>de</strong>n ist (BFH-Beschluss vom 22.7.1977 – III B 34/74 – BStBl. II, S. 838). Durch die Aufhebung<br />

<strong>de</strong>r Vollziehung erhält <strong>de</strong>r Rechtsbehelfsführer einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) in Höhe <strong>de</strong>s<br />

Aufhebungsbetrags, da <strong>de</strong>r rechtliche Grund für die Zahlung nachträglich weggefallen ist. Durch Aufhebung <strong>de</strong>r<br />

Vollziehung kann aber grundsätzlich nicht die Erstattung von geleisteten Vorauszahlungsbeträgen,<br />

Steuerabzugsbeträgen o<strong>de</strong>r anrechenbarer Körperschaftsteuer erreicht wer<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 4 zweiter Absatz).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 225 von 235


Beispiel:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte und entrichtete Vorauszahlungen 5 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 7 000 €<br />

entrichtete Abschlusszahlung 3 000 €<br />

An <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung bestehen i. H. v. 5 000 € ernstliche Zweifel; <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rfall <strong>de</strong>s<br />

Vorliegens „wesentlicher Nachteile“ ist nicht gegeben. Nach Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist ein Betrag i. H. v.<br />

3 000 € zu erstatten (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 5 000 € – festgesetzte Vorauszahlungen – ./. 7 000 € –<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –).<br />

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7.3 Wird die Vollziehung einer Steueranmeldung aufgehoben, dürfen die entrichteten Steuerbeträge nur an <strong>de</strong>n<br />

Anmel<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n erstattet wer<strong>de</strong>n. Dies gilt auch, wenn – wie z. B. in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s Lohnsteuerabzugs nach § 38<br />

EStG o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 EStG – <strong>de</strong>r Anmel<strong>de</strong>n<strong>de</strong> lediglich Entrichtungspflichtiger, nicht<br />

aber Steuerschuldner ist (BFH-Beschluss vom 13.8.1997 – I B 30/97 – BStBl. II, S. 700).<br />

7.4 Bei <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist zu bestimmen, ob die Aufhebung rückwirken soll o<strong>de</strong>r nicht. Für die<br />

Beurteilung dieser Frage ist maßgeblich, ab welchem Zeitpunkt ernstliche Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsaktes erkennbar vorlagen (BFH-Beschluss vom 10.12.1986 – I B 121/86 – BStBl. 1987 II, S. 389;<br />

vgl. auch Nr. 8.1.1). Durch rückwirken<strong>de</strong> Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung entfallen bereits entstan<strong>de</strong>ne<br />

Säumniszuschläge (BFH-Beschluss vom 10.12.1986 a.a.O.). Vollstreckungsmaßnahmen bleiben bestehen,<br />

soweit nicht ihre Aufhebung ausdrücklich angeordnet (§ 257 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 3) o<strong>de</strong>r die<br />

Rückwirkung <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung verfügt wor<strong>de</strong>n ist.<br />

8. Dauer <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

8.1 Beginn <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

8.1.1 Wird <strong>de</strong>r Antrag auf Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung vor Fälligkeit <strong>de</strong>r strittigen Steuerfor<strong>de</strong>rung<br />

bei <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> eingereicht und begrün<strong>de</strong>t, ist die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung im Regelfall<br />

ab Fälligkeitstag <strong>de</strong>r strittigen Steuerbeträge auszusprechen; vgl. auch Nr. 7.4. Ein späterer Zeitpunkt kommt in<br />

Betracht, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige – z. B. in Schätzungsfällen – die Begründung <strong>de</strong>s Rechtsbehelfs o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

Aussetzungsantrags unangemessen hinausgezögert hat und die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb vorher keine ernstlichen<br />

Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s angefochtenen Verwaltungsaktes zu haben brauchte (vgl. BFH-Beschluss<br />

vom 10.12.1986 – I B 121/86 – BStBl. 1987 II, S. 389).<br />

8.1.2 Wird die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung nach Fälligkeit <strong>de</strong>r strittigen Steuerfor<strong>de</strong>rung beantragt<br />

und begrün<strong>de</strong>t, gilt Nr. 8.1.1 Satz 2 entsprechend.<br />

8.1.3 Bei <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n (Nr. 5) ist als Beginn <strong>de</strong>r<br />

Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids zu bestimmen,<br />

wenn <strong>de</strong>r Rechtsbehelf o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Antrag auf Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung vor Ablauf <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsfrist begrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Bei später eingehen<strong>de</strong>r Begründung gilt Nr. 8.1.1 Satz 2 entsprechend.<br />

8.1.4 Trifft die Finanzbehör<strong>de</strong> keine Aussage über <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung,<br />

wirkt die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ab Bekanntgabe <strong>de</strong>r<br />

Aussetzungsverfügung/Aufhebungsverfügung (§ 124 Abs. 1 Satz 1).<br />

8.1.5 Der Beginn <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung eines Folgebescheids (vgl. Nrn. 6 und 8.1.3)<br />

richtet sich nach <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids (vgl. BFH-<br />

Beschluss vom 10.12.1986 – I B 121/86 – BStBl. 1987 II, S. 389).<br />

8.2 En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

8.2.1 Die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist grundsätzlich nur für eine Rechtsbehelfsstufe zu<br />

bewilligen (BFH-Beschluss vom 3.1.1978 – VII S 13/77 – BStBl. II, S. 157). Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist in <strong>de</strong>r Verfügung zu bestimmen. Soweit nicht eine datumsmäßige<br />

Befristung angebracht ist, sollte das En<strong>de</strong> bei Entscheidungen über die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

während <strong>de</strong>s außergerichtlichen o<strong>de</strong>r gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens auf einen Monat nach Bekanntgabe<br />

<strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung bzw. nach Verkündung o<strong>de</strong>r Zustellung <strong>de</strong>s Urteils o<strong>de</strong>r einen Monat nach <strong>de</strong>m<br />

Eingang einer Erklärung über die Rücknahme <strong>de</strong>s Rechtsbehelfs festgelegt wer<strong>de</strong>n. Einer Aufhebung <strong>de</strong>r<br />

Aussetzungs-/Aufhebungsverfügung bedarf es in einem solchen Fall nicht. Die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r<br />

Vollziehung eines Folgebescheids ist bis <strong>zur</strong> Beendigung <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>s<br />

Grundlagenbescheids und für <strong>de</strong>n Fall, dass <strong>de</strong>r Rechtsbehelf gegen <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid zu einer Än<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>s Folgebescheids führt, bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe <strong>de</strong>s geän<strong>de</strong>rten Folgebescheids zu<br />

befristen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 226 von 235


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8.2.2 Wird <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzte Verwaltungsakt geän<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r ersetzt, erledigt sich die bisher<br />

gewährte Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung, ohne dass es einer Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehungsaussetzungs(-<br />

aufhebungs)verfügung bedarf. Für eine eventuelle Nachzahlung <strong>de</strong>r bisher in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzten<br />

Beträge kann <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen i. d. R. eine einmonatige Zahlungsfrist eingeräumt wer<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 365 Abs. 3 bzw. § 68 FGO ist auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s neuen Verwaltungsaktes erneut über die<br />

Aussetzung bzw. Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung zu entschei<strong>de</strong>n. Dies gilt auch, wenn ein in <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

ausgesetzter Vorauszahlungsbescheid durch die Jahressteuerfestsetzung ersetzt wird (vgl. zu § 365, Nr. 2).<br />

9. Nebenbestimmungen <strong>zur</strong> Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

9.1 Wi<strong>de</strong>rrufsvorbehalt<br />

Der Verwaltungsakt über die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist grundsätzlich mit <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>s<br />

Wi<strong>de</strong>rrufs zu versehen.<br />

9.2 Sicherheitsleistung<br />

9.2.1 Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann die Aussetzung o<strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung von einer Sicherheitsleistung<br />

abhängig machen (§ 361 Abs. 2 Satz 5; § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO). Die Entscheidung hierüber ist nach<br />

pflichtgemäßem Ermessen zu treffen.<br />

9.2.2 Die Anordnung <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung muss vom Grundsatz <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit bestimmt sein<br />

(BVerfG-Beschluss vom 24.10.1975 – 1 BvR 266/75 – StRK FGO § 69 R 171). Sie ist geboten, wenn die<br />

wirtschaftliche Lage <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen die Steuerfor<strong>de</strong>rung als gefähr<strong>de</strong>t erscheinen lässt (BFH-Beschlüsse<br />

vom 8.3.1967 – VI B 50/66 – BStBl. III, S. 294, und vom 22.6.1967, BStBl. III S. 512). Die Anordnung einer<br />

Sicherheitsleistung ist zum Beispiel gerechtfertigt, wenn <strong>de</strong>r Steuerbescheid nach erfolglosem Rechtsbehelf im<br />

Ausland vollstreckt wer<strong>de</strong>n müsste (BFH-Urteil vom 27.8.1970 – V R 102/67 – BStBl. 1971 II, S. 1). Dies gilt<br />

auch, wenn in einem Mitgliedstaat <strong>de</strong>r EG zu vollstrecken wäre, es sei <strong>de</strong>nn, mit diesem Staat besteht ein<br />

Abkommen, welches eine Vollstreckung unter gleichen Bedingungen wie im Inland gewährleistet (BFH-<br />

Beschluss vom 3.2.1977 – V B 6/76 – BStBl. II, S. 351; <strong>zur</strong> zwischenstaatlichen Vollstreckungshilfe s. BMF-<br />

Merkblatt vom 19.1.2004, BStBl. I, S. 66). Eine Sicherheitsleistung ist unzumutbar, wenn die Zweifel an <strong>de</strong>r<br />

Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes so be<strong>de</strong>utsam sind, dass mit großer Wahrscheinlichkeit seine Aufhebung<br />

zu erwarten ist (BFH-Beschluss vom 22.12.1969 – V B 115/69 – BStBl. 1970 II, S. 127).<br />

9.2.3 Kann ein Steuerpflichtiger trotz zumutbarer Anstrengung eine Sicherheit nicht leisten, darf eine<br />

Sicherheitsleistung bei Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an <strong>de</strong>r<br />

Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s angefochtenen Verwaltungsaktes nicht verlangt wer<strong>de</strong>n; Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r<br />

Vollziehung wegen unbilliger Härte darf jedoch bei Gefährdung <strong>de</strong>s Steueranspruchs nur gegen<br />

Sicherheitsleistung bewilligt wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschluss vom 9.4.1968 – I B 73/67 – BStBl. II, S. 456).<br />

9.2.4 Zur Sicherheitsleistung bei <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n s. § 361 Abs. 3<br />

Satz 3 und § 69 Abs. 2 Satz 6 FGO. Hiernach entschei<strong>de</strong>n über die Sicherheitsleistung die für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>r<br />

Folgebeschei<strong>de</strong> zuständigen Finanzämter bzw. Gemein<strong>de</strong>n. Das für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids<br />

zuständige Finanzamt darf jedoch anordnen, dass die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung von keiner Sicherheitsleistung<br />

abhängig zu machen ist. Das kann z. B. <strong>de</strong>r Fall sein, wenn <strong>de</strong>r Rechtsbehelf wahrscheinlich erfolgreich sein<br />

wird.<br />

9.2.5 Zu <strong>de</strong>n möglichen Arten <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung s. § 241.<br />

9.2.6 Die Anordnung einer Sicherheitsleistung ist eine unselbstständige Nebenbestimmung in Form einer<br />

aufschieben<strong>de</strong>n Bedingung; sie kann daher nicht selbstständig, son<strong>de</strong>rn nur zusammen mit <strong>de</strong>r Entscheidung<br />

über die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung angefochten wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 31.10.1973 –<br />

I R 249/72 – BStBl. 1974 II, S. 118, und BFH-Beschluss vom 20.6.1979 – IV B 20/79 – BStBl. II, S. 666). Eine<br />

Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung gegen Sicherheitsleistung wird erst wirksam, wenn sie geleistet wor<strong>de</strong>n<br />

ist. In <strong>de</strong>m Verwaltungsakt über die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist <strong>de</strong>shalb eine Frist für die<br />

Sicherheitsleistung zu setzen. Wird die Sicherheit innerhalb <strong>de</strong>r Frist nicht erbracht, ist <strong>de</strong>r Steuerpflichtige auf<br />

die Rechtsfolgen hinzuweisen und <strong>zur</strong> Zahlung aufzufor<strong>de</strong>rn.<br />

10. Ablehnung <strong>de</strong>r Vollziehungsaussetzung<br />

Zur Erhebung von Säumniszuschlägen nach Ablehnung eines Antrags auf Vollziehungsaussetzung vgl. zu § 240,<br />

Nr. 6 Buchstabe b.<br />

Hat das Finanzamt einen Aussetzungsantrag abgelehnt, ist i. d. R. unter Beachtung <strong>de</strong>r Grundsätze <strong>de</strong>s § 258<br />

(siehe Abschn. 7 VollstrA) zu vollstrecken, auch wenn die Entscheidung <strong>de</strong>s Finanzamts vom Steuerpflichtigen<br />

angefochten wor<strong>de</strong>n ist. Über die Ablehnung <strong>de</strong>s Aussetzungsbegehrens ist die Vollstreckungsstelle zu<br />

unterrichten.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 227 von 235


11. Rechtsbehelfe<br />

Gegen die Entscheidung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> über die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist <strong>de</strong>r Einspruch<br />

gegeben. Das Gericht kann nur nach § 69 Abs. 3 FGO angerufen wer<strong>de</strong>n; eine Klagemöglichkeit ist insoweit<br />

nicht gegeben (§ 361 Abs. 5; § 69 Abs. 7 FGO).<br />

Der Antrag auf Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung durch das Gericht ist nur zulässig, wenn die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> einen Antrag auf Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ganz o<strong>de</strong>r zum Teil abgelehnt hat. Dies<br />

gilt nicht, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> über <strong>de</strong>n Antrag ohne Mitteilung eines <strong>zur</strong>eichen<strong>de</strong>n Grun<strong>de</strong>s in<br />

angemessener Frist sachlich nicht entschie<strong>de</strong>n hat o<strong>de</strong>r eine Vollstreckung droht (§ 69 Abs. 4 FGO). Eine<br />

teilweise Antragsablehnung i. S. d. § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO liegt auch vor, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> die<br />

Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht hat (vgl. Nr. 9.2), nicht<br />

aber, wenn eine im Übrigen antragsgemäße Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung unter Wi<strong>de</strong>rrufsvorbehalt<br />

(vgl. Nr. 9.1) gewährt wur<strong>de</strong> (BFH-Beschluss vom 12.5.2000 – VI B 266/98 – BStBl. II, S. 536).<br />

12. Aussetzungszinsen<br />

Wegen <strong>de</strong>r Festsetzung von Aussetzungszinsen siehe § 237, wegen <strong>de</strong>r nur einjährigen Festsetzungsfrist vgl. zu<br />

§ 237, Nr. 4 und 8.<br />

Zu § 362 – Rücknahme <strong>de</strong>s Einspruchs:<br />

1. Für die Rücknahme ist zum Schutze <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen die Schriftform vorgeschrieben. Die Rücknahme<br />

führt nur zum Verlust <strong>de</strong>s eingelegten Einspruchs, nicht <strong>de</strong>r Einspruchsmöglichkeit schlechthin. Der<br />

Einspruch kann innerhalb <strong>de</strong>r Einspruchsfrist erneut erhoben wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Wird die Unwirksamkeit <strong>de</strong>r Rücknahme innerhalb eines Jahres bei <strong>de</strong>r für die Einlegung <strong>de</strong>s Einspruchs<br />

zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> (§ 362 Abs. 1 Satz 2, § 357 Abs. 2) geltend gemacht (§ 362 Abs. 2 Satz 2, § 110<br />

Abs. 3), wird das ursprüngliche Einspruchsverfahren wie<strong>de</strong>r aufgenommen. Es ist in <strong>de</strong>r Sache zu<br />

entschei<strong>de</strong>n. Erachtet die Behör<strong>de</strong> die vorgetragenen Grün<strong>de</strong> für die Unwirksamkeit <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsrücknahme nicht für stichhaltig, wird <strong>de</strong>r Einspruch als unzulässig verworfen.<br />

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Zu § 363 – Aussetzung und Ruhen <strong>de</strong>s Verfahrens:<br />

1. Die nach § 363 Abs. 2 Satz 1 erfor<strong>de</strong>rliche Zustimmung <strong>de</strong>s Einspruchsführers <strong>zur</strong> Verfahrensruhe aus<br />

Zweckmäßigkeitsgrün<strong>de</strong>n sollte aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Klarheit immer schriftlich o<strong>de</strong>r elektronisch erteilt wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Voraussetzung für eine Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 ist, dass <strong>de</strong>r Einspruchsführer in <strong>de</strong>r<br />

Begründung seines Einspruchs die strittige, auch für seinen Steuerfall entscheidungserhebliche Rechtsfrage<br />

darlegt und sich hierzu konkret auf ein beim EuGH, beim BVerfG o<strong>de</strong>r bei einem obersten Bun<strong>de</strong>sgericht<br />

anhängiges Verfahren beruft (BFH-Urteile vom 26.9.2006 – X R 39/05 – BStBl. 2007 II, S. 222, und vom<br />

30.9.2010 – III R 39/08 – BStBl. 2011 II, S. 11). Eine nach § 363 Abs. 2 Satz 2 eingetretene Verfahrensruhe<br />

en<strong>de</strong>t, wenn das Gerichtsverfahren, auf das sich <strong>de</strong>r Einspruchsführer berufen hat, abgeschlossen ist. Dies<br />

gilt auch, wenn gegen diese Gerichtsentscheidung Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> erhoben wird und <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsführer sich nicht auf dieses neue Verfahren beruft (BFH-Urteil vom 30.9.2010, a.a.O.). En<strong>de</strong>t<br />

<strong>de</strong>mnach die Verfahrensruhe, bedarf es insoweit keiner Fortsetzungsmitteilung nach § 363 Abs. 2 Satz 4 und<br />

somit grundsätzlich auch keiner Ermessensentscheidung (BFH-Urteil vom 26.9.2006, a.a.O.), soweit nicht<br />

im Einzelfall eine Verfahrensruhe aus Zweckmäßigkeitsgrün<strong>de</strong>n nach § 363 Abs. 2 Satz 1 angemessen<br />

erscheint.<br />

3. Sind die Voraussetzungen für eine Verfahrensaussetzung o<strong>de</strong>r Verfahrensruhe erfüllt, kann über <strong>de</strong>n<br />

Einspruch insoweit nicht entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, und zwar we<strong>de</strong>r durch eine Einspruchsentscheidung noch<br />

durch <strong>de</strong>n Erlass eines Än<strong>de</strong>rungsbescheids. Über Fragen, die nicht Anlass <strong>de</strong>r Verfahrensaussetzung o<strong>de</strong>r<br />

Verfahrensruhe sind, kann dagegen durch Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a) o<strong>de</strong>r<br />

eines Teilabhilfebescheids entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Dabei wird i. d. R. <strong>zur</strong> Herbeiführung <strong>de</strong>r Bestandskraft eine<br />

Teil-Einspruchsentscheidung zweckmäßig sein (vgl. zu § 367, Nr. 6). Auch <strong>de</strong>r Erlass von<br />

Än<strong>de</strong>rungsbeschei<strong>de</strong>n aus außerhalb <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens liegen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n (z. B. Folgeän<strong>de</strong>rung<br />

gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) bleibt zulässig. Än<strong>de</strong>rungsbeschei<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n gem. § 365 Abs. 3 Gegenstand<br />

<strong>de</strong>s anhängigen Verfahrens.<br />

4. Eine Fortsetzungsmitteilung gem. § 363 Abs. 2 Satz 4 kann in sämtlichen Fällen <strong>de</strong>s § 363 Abs. 2 ergehen.<br />

Über ihren Erlass ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entschei<strong>de</strong>n; die Ermessenserwägungen sind <strong>de</strong>m<br />

Einspruchsführer mitzuteilen (BFH-Urteil vom 26.9.2006 – X R 39/05 – BStBl. 2007 II, S. 222). Ein<br />

<strong>zur</strong>eichen<strong>de</strong>r Grund für <strong>de</strong>n Erlass einer Fortsetzungsmitteilung liegt insbeson<strong>de</strong>re dann vor, wenn ein<br />

weiteres gerichtliches Musterverfahren herbeigeführt wer<strong>de</strong>n soll, wenn bereits eine Entscheidung <strong>de</strong>s<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 228 von 235


EuGH, <strong>de</strong>s BVerfG o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s obersten Bun<strong>de</strong>sgerichts in einem Parallelverfahren ergangen ist o<strong>de</strong>r wenn das<br />

Begehren <strong>de</strong>s Einspruchsführers letztlich darauf abzielt, seinen Steuerfall „offenzuhalten“, um von künftigen<br />

Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r höchstrichterlichen Rechtsprechung zu <strong>de</strong>rzeit nicht strittigen Fragen zu „profitieren“ (BFH-<br />

Urteil vom 26.9.2006, a.a.O.).<br />

Teilt die Finanzbehör<strong>de</strong> nach § 363 Abs. 2 Satz 4 die Fortsetzung <strong>de</strong>s bisher ruhen<strong>de</strong>n Einspruchsverfahrens<br />

mit, soll sie vor Erlass einer Einspruchsentscheidung <strong>de</strong>n Beteiligten Gelegenheit geben, sich erneut zu<br />

äußern.<br />

5. Zur Unterbrechung eines Einspruchsverfahrens durch eine Insolvenzeröffnung siehe zu § 251, Nr. 4.1; <strong>zur</strong><br />

Aufnahme eines unterbrochenen Einspruchsverfahrens siehe zu § 251, Nrn. 5.3.1.2.2 und 5.3.2; <strong>zur</strong><br />

Erledigung eines Einspruchsverfahrens siehe zu § 251, Nr. 5.3.4.<br />

Zu § 364 – Mitteilung <strong>de</strong>r Besteuerungsunterlagen:<br />

Den Beteiligten sind die Besteuerungsunterlagen mitzuteilen, wenn sie dies beantragt haben o<strong>de</strong>r wenn die<br />

Einspruchsbegründung dazu Anlass gibt. Darüber hinaus kann ein Anspruch auf Auskunft und insbeson<strong>de</strong>re auf<br />

Akteneinsicht bestehen; vgl. dazu im Einzelnen das BMF-Schreiben vom 17.12.2008 – IV A 3 – S<br />

0030/08/10001 – BStBl. 2009 I, S. 6. Hierbei ist sicherzustellen, dass Verhältnisse eines an<strong>de</strong>ren nicht unbefugt<br />

offenbart wer<strong>de</strong>n. Die Ablehnung eines Antrags auf Akteneinsicht ist mit <strong>de</strong>m Einspruch anfechtbar. Für das<br />

finanzgerichtliche Verfahren gilt § 78 FGO.<br />

Zu § 364a – Erörterung <strong>de</strong>s Sach- und Rechtsstands:<br />

1. § 364a soll eine einvernehmliche Erledigung <strong>de</strong>r Einspruchsverfahren för<strong>de</strong>rn und Streitfälle von <strong>de</strong>n<br />

Finanzgerichten fern halten. Ziel einer mündlichen Erörterung kann auch eine „tatsächliche Verständigung“<br />

(vgl. BMF-Schreiben vom 30.7.2008, BStBl. I S. 831) sein.<br />

2. Einem Antrag auf mündliche Erörterung soll grundsätzlich entsprochen wer<strong>de</strong>n. Dies gilt nicht, wenn bei<br />

mehr als 10 Beteiligten kein gemeinsamer Vertreter nach Absatz 2 bestellt wird o<strong>de</strong>r wenn die beantragte<br />

Erörterung offensichtlich nur <strong>de</strong>r Verfahrensverschleppung dient.<br />

3. Antragsbefugt sind nur Einspruchsführer, nicht aber hinzugezogene Personen. Hinzugezogene können aber<br />

von Amts wegen zu einer mündlichen Erörterung gela<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n (s. § 364a Absatz 1 Satz 2 und 3).<br />

4. Keine Verpflichtung <strong>zur</strong> mündlichen Erörterung besteht, wenn das Finanzamt <strong>de</strong>m Einspruch abhelfen will<br />

o<strong>de</strong>r solange das Einspruchsverfahren nach § 363 ausgesetzt ist o<strong>de</strong>r ruht.<br />

5. Die mündliche Erörterung kann in geeigneten Fällen auch telefonisch durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Im Hinblick auf<br />

die Pflicht <strong>zur</strong> Wahrung <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses (§ 30) muss sich das Finanzamt dann aber über die I<strong>de</strong>ntität<br />

<strong>de</strong>s Gesprächspartners vergewissern.<br />

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Zu § 364b – Fristsetzung:<br />

1. § 364b soll <strong>de</strong>m Missbrauch <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens zu rechtsbehelfsfrem<strong>de</strong>n Zwecken entgegenwirken.<br />

Von <strong>de</strong>r Möglichkeit <strong>de</strong>r Fristsetzung nach § 364b sollte daher insbeson<strong>de</strong>re in Einspruchsverfahren, die<br />

einen Schätzungsbescheid nach Nichtabgabe <strong>de</strong>r Steuererklärung betreffen, Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Eine Fristsetzung nach § 364b kann nur gegenüber einem Einspruchsführer, nicht gegenüber einem<br />

Hinzugezogenen (§ 360) ergehen. Die Frist soll min<strong>de</strong>stens einen Monat betragen. Ein eventueller<br />

Nachprüfungsvorbehalt (§ 164) ist spätestens mit <strong>de</strong>r Fristsetzung aufzuheben.<br />

3. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf <strong>de</strong>r vom Finanzamt – insbeson<strong>de</strong>re unter Beachtung <strong>de</strong>s<br />

Belehrungsgebots (§ 364b Abs. 3) – wirksam gesetzten Frist vorgebracht wer<strong>de</strong>n, können im<br />

Einspruchsverfahren allenfalls im Rahmen einer Verböserung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 berücksichtigt<br />

wer<strong>de</strong>n. Außerhalb <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens bestehen<strong>de</strong> Korrekturvorschriften (z. B. § 173) bleiben zwar<br />

unberührt, wer<strong>de</strong>n aber i. d. R. nicht einschlägig sein.<br />

4. Geht ein Antrag auf Fristverlängerung vor Fristablauf beim Finanzamt ein, kann die Frist gemäß § 109<br />

verlängert wer<strong>de</strong>n. Geht <strong>de</strong>r Antrag nach Ablauf <strong>de</strong>r Frist beim Finanzamt ein, kann nur nach § 110<br />

Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand gewährt wer<strong>de</strong>n. Über Einwendungen gegen die Fristsetzung ist –<br />

soweit nicht abgeholfen wird – im Rahmen <strong>de</strong>r Entscheidung über <strong>de</strong>n Einspruch gegen <strong>de</strong>n Steuerbescheid<br />

zu entschei<strong>de</strong>n.<br />

5. Zu <strong>de</strong>n Wirkungen einer nach § 364b gesetzten Ausschlussfrist für ein nachfolgen<strong>de</strong>s Klageverfahren s. § 76<br />

Abs. 3 FGO. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann trotz einer rechtmäßigen Fristsetzung in einem nachfolgen<strong>de</strong>n<br />

Klageverfahren einen Abhilfebescheid gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a erlassen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 229 von 235


Zu § 365 – Anwendung von Verfahrensvorschriften:<br />

1. Die Aufklärungspflicht <strong>de</strong>r Einspruchsbehör<strong>de</strong> wird von <strong>de</strong>r Zumutbarkeit begrenzt (vgl. zu § 88, Nr. 1).<br />

Nach <strong>de</strong>m BFH-Urteil vom 11.12.1984 – VIII R 131/76 – BStBl. 1985 II, S. 354 können im Hinblick auf die<br />

Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>r Besteuerung keine Vergleiche über Steueransprüche<br />

abgeschlossen wer<strong>de</strong>n. Eine „tatsächliche Verständigung“ über schwierig zu ermitteln<strong>de</strong> tatsächliche<br />

Umstän<strong>de</strong> ist aber zulässig und bin<strong>de</strong>nd (vgl. BMF-Schreiben vom 30.7.2008, BStBl. I S. 831).<br />

2. Wird während <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens <strong>de</strong>r angefochtene Verwaltungsakt geän<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r ersetzt, wird <strong>de</strong>r<br />

neue Verwaltungsakt Gegenstand <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens (§ 365 Abs. 3 Satz 1); <strong>de</strong>r Einspruch muss aber<br />

zulässig sein (BFH-Urteil vom 13.4.2000 – V R 56/99 – BStBl. II, S. 490). Dies gilt entsprechend, wenn ein<br />

Verwaltungsakt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit gem. § 129 berichtigt wird o<strong>de</strong>r wenn ein<br />

Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen – z. B. wegen eines Bekanntgabemangels – unwirksamen<br />

Verwaltungsaktes tritt (§ 365 Abs. 3 Satz 2). Wegen <strong>de</strong>s Erlasses eines Än<strong>de</strong>rungsbescheids vor o<strong>de</strong>r nach<br />

Ergehen einer Teil-Einspruchsentscheidung vgl. zu § 367, Nr. 6.4.<br />

Bei einem Teilwi<strong>de</strong>rruf o<strong>de</strong>r einer Teilrücknahme bleibt <strong>de</strong>r Verwaltungsakt – wenn auch eingeschränkt –<br />

bestehen und <strong>de</strong>r Einspruch damit ebenfalls anhängig (vgl. BFH-Urteil vom 28.1.1982 – V R 100/80 –<br />

BStBl. II, S. 292).<br />

Eine Ersetzung i. S. d. § 365 Abs. 3 liegt auch vor, wenn sich ein mit <strong>de</strong>m Einspruch angefochtener<br />

Vorauszahlungsbescheid mit Wirksamwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Jahressteuerfestsetzung erledigt (BFH-Urteil vom<br />

4.11.1999 – V R 35/98 – BStBl. 2000 II, S. 454).<br />

Die Regelungen <strong>de</strong>s § 365 Abs. 3 gelten nur für das Einspruchsverfahren; insbeson<strong>de</strong>re bleiben<br />

Beitreibungsmaßnahmen nur auf <strong>de</strong>r Grundlage eines wirksamen Verwaltungsaktes zulässig.<br />

Wegen <strong>de</strong>s Erlasses eines Än<strong>de</strong>rungsbescheids vor o<strong>de</strong>r nach Ergehen einer Teil-Einspruchsentscheidung<br />

vgl. zu § 367, Nr. 6.4.<br />

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Zu § 366 – Form, Inhalt und Bekanntgabe <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung:<br />

1. Für die Bekanntgabe <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung gilt § 122. Wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe an Bevollmächtigte<br />

vgl. zu § 122, Nr. 1.7.<br />

2. Eine förmliche Zustellung <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung ist nur erfor<strong>de</strong>rlich, wenn sie ausdrücklich angeordnet<br />

wird (§ 122 Abs. 5 Satz 1). Sie sollte insbeson<strong>de</strong>re dann angeordnet wer<strong>de</strong>n, wenn ein ein<strong>de</strong>utiger Nachweis<br />

<strong>de</strong>s Zugangs für erfor<strong>de</strong>rlich gehalten wird. Zum Zustellungsverfahren vgl. zu § 122, Nrn. 3 und 4.5.<br />

3. In <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung sollen Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s und Darlegung <strong>de</strong>r<br />

rechtlichen Erwägungen <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong> getrennt sein. Auf Zulässigkeitsfragen ist nur<br />

einzugehen, wenn hierzu begrün<strong>de</strong>ter Anlass besteht, etwa in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r §§ 354 Abs. 2, 362 Abs. 2 o<strong>de</strong>r<br />

bei ernsthaften Zweifeln am Vorliegen einzelner Zulässigkeitsvoraussetzungen. Hinweis auf § 358.<br />

Enthält die Einspruchsentscheidung entgegen § 366 Satz 1 keine o<strong>de</strong>r eine unrichtige<br />

Rechtsbehelfsbelehrung, beträgt die Klagefrist nach § 55 Abs. 2 FGO ein Jahr statt eines Monats.<br />

Zu § 367 – Entscheidung über <strong>de</strong>n Einspruch:<br />

1. Je<strong>de</strong>r nach Erlass eines Verwaltungsaktes eintreten<strong>de</strong> Zuständigkeitswechsel bewirkt auch eine<br />

Zuständigkeitsän<strong>de</strong>rung im Einspruchsverfahren. Die Einspruchsvorgänge sind daher mit <strong>de</strong>n übrigen Akten<br />

abzugeben. Die zunächst zuständige Behör<strong>de</strong> kann jedoch unter Wahrung <strong>de</strong>r Interessen <strong>de</strong>r Beteiligten aus<br />

Zweckmäßigkeitsgrün<strong>de</strong>n das Einspruchsverfahren fortführen, wenn das neu zuständige Finanzamt<br />

zustimmt. Zu <strong>de</strong>n Auswirkungen eines Zuständigkeitswechsels auf das Einspruchsverfahren siehe auch<br />

BMF-Schreiben vom 10.10.1995 (BStBl. I, S. 664).<br />

2. Gem. § 132 gelten die Vorschriften über Rücknahme, Wi<strong>de</strong>rruf, Aufhebung und Än<strong>de</strong>rung von<br />

Verwaltungsakten auch während <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens. Das Finanzamt kann daher einen angefochtenen<br />

Verwaltungsakt auch während <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens nach <strong>de</strong>n Korrekturvorschriften <strong>zur</strong>ücknehmen,<br />

wi<strong>de</strong>rrufen, aufheben, än<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r ersetzen, und zwar auch zum Nachteil <strong>de</strong>s Einspruchsführers. Unabhängig<br />

davon, ob die Voraussetzungen <strong>de</strong>r Korrekturvorschriften gegeben sind, darf eine Verböserung nur erfolgen,<br />

wenn <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen zuvor Gelegenheit <strong>zur</strong> Äußerung gegeben wor<strong>de</strong>n ist.<br />

Nimmt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige seinen Einspruch <strong>zur</strong>ück, ist eine Än<strong>de</strong>rung zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

nur noch möglich, wenn dies nach <strong>de</strong>n Vorschriften über Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung, Rücknahme o<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rruf<br />

von Verwaltungsakten zulässig ist.<br />

3. Zu <strong>de</strong>n Auswirkungen einer Teilabhilfe auf das Einspruchsverfahren vgl. zu § 365, Nr. 2.<br />

Stellt ein Steuerpflichtiger nach Einspruchseinlegung einen Antrag bezüglich eines bisher nicht geltend<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 230 von 235


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gemachten Streitpunkts, ist dieser Antrag als Erweiterung <strong>de</strong>s Einspruchsantrags, verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r<br />

Anregung, <strong>de</strong>m Einspruch insoweit durch Erlass eines Teilabhilfebescheids stattzugeben, auszulegen. Ist <strong>de</strong>r<br />

Antrag begrün<strong>de</strong>t, kann während <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens ein geän<strong>de</strong>rter Verwaltungsakt erlassen wer<strong>de</strong>n.<br />

Dieser wird dann gemäß § 365 Abs. 3 Gegenstand <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens. Ist <strong>de</strong>r Antrag unbegrün<strong>de</strong>t, ist<br />

über ihn in <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung zu befin<strong>de</strong>n; die Ablehnung durch geson<strong>de</strong>rten Verwaltungsakt ist<br />

während eines anhängigen Einspruchsverfahrens nicht zulässig.<br />

4. Zur Möglichkeit <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung eines im Einspruchsverfahren bestätigten o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rten Verwaltungsaktes<br />

vgl. zu § 172, Nrn. 3 und 4.<br />

5. Es ist zulässig, <strong>de</strong>n Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung (§ 164) auch in <strong>de</strong>r Entscheidung über <strong>de</strong>n Einspruch<br />

aufrechtzuerhalten (BFH-Urteil vom 12.6.1980 – IV R 23/79 – BStBl. II, S. 527). In diesen Fällen braucht<br />

die Angelegenheit nicht umfassen<strong>de</strong>r geprüft zu wer<strong>de</strong>n als in <strong>de</strong>m Verfahren, das <strong>de</strong>m Erlass <strong>de</strong>r<br />

angefochtenen Vorbehaltsfestsetzung vorangegangen ist.<br />

Der Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung ist jedoch aufzuheben, wenn im Einspruchsverfahren eine abschließen<strong>de</strong><br />

Prüfung i. S. d. § 164 Abs. 1 durchgeführt wird. Die Aufhebung <strong>de</strong>s Vorbehalts bedarf regelmäßig keiner<br />

beson<strong>de</strong>ren Begründung. Insbeson<strong>de</strong>re kann insoweit auch ein Hinweis nach § 367 Abs. 2<br />

Satz 2 unterbleiben (BFH-Urteil vom 10.7.1996 – I R 5/96 – BStBl. 1997 II, S. 5).<br />

Es ist auch statthaft, nach Hinweis auf die Verböserungsmöglichkeit einen Verwaltungsakt erstmalig in <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsentscheidung mit einer Nebenbestimmung zu versehen (BFH-Urteil vom 12.6.1980, a.a.O.). Ist<br />

ein Bescheid, <strong>de</strong>r auf einer Schätzung beruht, ohne Nachprüfungsvorbehalt ergangen und wird nach<br />

Klageerhebung die Steuererklärung eingereicht, kann <strong>de</strong>r daraufhin ergehen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rungsbescheid nur mit<br />

Zustimmung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen unter Nachprüfungsvorbehalt gestellt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom<br />

30.10.1980 – IV R 168–170/79 – BStBl. 1981 II, S. 150).<br />

6. Teil-Einspruchsentscheidung<br />

6.1 Der Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a) steht im Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>,<br />

muss aber sachdienlich sein. Dies ist <strong>de</strong>r Fall, wenn ein Teil <strong>de</strong>s Einspruchs entscheidungsreif ist,<br />

während über einen an<strong>de</strong>ren Teil <strong>de</strong>s Einspruchs zunächst nicht entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann, weil z. B.<br />

insoweit die Voraussetzungen für eine Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 vorliegen o<strong>de</strong>r<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>s nicht entscheidungsreifen Teils <strong>de</strong>s Einspruchs noch Ermittlungen <strong>zur</strong> Sach- o<strong>de</strong>r<br />

Rechtslage erfor<strong>de</strong>rlich sind. Zu unbenannten Streitpunkten besteht grundsätzlich Entscheidungsreife, es<br />

sei <strong>de</strong>nn, die umfassen<strong>de</strong> Prüfung <strong>de</strong>s Steuerfalls (§ 367 Abs. 2 Satz 1) ergibt Aufklärungsbedarf (BFH-<br />

Urteil vom 14.3.2012 – X R 50/09 – BStBl. II, S. 536).<br />

Eine Teil-Einspruchsentscheidung wird somit insbeson<strong>de</strong>re dann sachdienlich sein, wenn<br />

– <strong>de</strong>r Einspruchsführer strittige Rechtsfragen aufwirft, die Gegenstand eines beim EuGH, beim<br />

BVerfG o<strong>de</strong>r bei einem obersten Bun<strong>de</strong>sgericht anhängigen Verfahrens sind,<br />

– <strong>de</strong>r Einspruchsführer sich auf dieses Verfahren beruft,<br />

– <strong>de</strong>r Erlass einer Fortsetzungsmitteilung gemäß § 363 Abs. 2 Satz 4 (vgl. zu § 363, Nr. 4) nicht in<br />

Betracht kommt und<br />

– <strong>de</strong>r Einspruch im Übrigen entscheidungsreif ist.<br />

6.2 Eine Teil-Einspruchsentscheidung ist auch dann sachdienlich, wenn sie <strong>de</strong>m Interesse <strong>de</strong>r<br />

Finanzverwaltung an einer zeitnahen Entscheidung über <strong>de</strong>n entscheidungsreifen Teil eines Einspruchs<br />

dient, <strong>de</strong>r ersichtlich nur zu <strong>de</strong>m Zweck eingelegt wur<strong>de</strong>, die Steuerfestsetzung nicht bestandskräftig<br />

wer<strong>de</strong>n zu lassen (BFH-Urteile vom 30.9.2010 – III R 39/08 – BStBl. 2011 II, S. 11, und vom<br />

14.3.2012 – X R 50/09 – BStBl. II, S. 536). Um neuen Masseneinsprüchen entgegenzuwirken, soll in<br />

Fällen, in <strong>de</strong>nen mit <strong>de</strong>m Einspruch ausschließlich das Ziel verfolgt wird, im Hinblick auf anhängige<br />

Gerichtsverfahren mit Breitenwirkung <strong>de</strong>n angefochtenen Verwaltungsakt nicht bestandskräftig wer<strong>de</strong>n<br />

zu lassen, möglichst zeitnah eine Teil-Einspruchsentscheidung erlassen wer<strong>de</strong>n, wenn und soweit <strong>de</strong>r<br />

Einspruch nicht durch die Beifügung eines Vorläufigkeitsvermerks gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3<br />

o<strong>de</strong>r 4 erledigt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

6.3 Es besteht keine über § 367 Abs. 2 Satz 2 („Verböserungshinweis“) hinausgehen<strong>de</strong> Verpflichtung, <strong>de</strong>m<br />

Einspruchsführer vor Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung rechtliches Gehör zu gewähren, damit<br />

dieser prüfen kann, ob er noch Einwendungen vorträgt. Die Finanzbehör<strong>de</strong> ist auch nicht verpflichtet,<br />

<strong>de</strong>m Einspruchsführer vor Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung eine Frist nach § 364b Abs. 1 Nr. 1<br />

zu setzen (BFH-Urteil vom 14.3.2012 – X R 50/09 – BStBl. II, S. 536).<br />

6.4 In <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung ist genau zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsakts Bestandskraft nicht eintreten soll, um die Reichweite <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung<br />

zu <strong>de</strong>finieren. Durch Angabe <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Besteuerungsgrundlage(n) wird hinreichend bestimmt,<br />

hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll; es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich und i. d. R. auch<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 231 von 235


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nicht möglich, <strong>de</strong>n Teil <strong>de</strong>r Steuer zu beziffern, <strong>de</strong>ssen Festsetzung nicht bestandskräftig wer<strong>de</strong>n soll<br />

(BFH-Urteile vom 30.9.2010 – III R 39/08 –, BStBl. 2011 II, S. 11, und vom 14.3.2012 – X R 50/09 –<br />

BStBl. II, S. 536). Die Bestimmung, hinsichtlich welcher Teile <strong>de</strong>s Verwaltungsakts Bestandskraft nicht<br />

eintreten soll, ist Teil <strong>de</strong>s Tenors <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung und we<strong>de</strong>r Nebenbestimmung noch<br />

Grundlagenbescheid. Sie kann daher nur durch Klage gegen die Teil-Einspruchsentscheidung angegriffen<br />

wer<strong>de</strong>n. Soweit anhängige Verfahren vor <strong>de</strong>m EuGH, <strong>de</strong>m BVerfG o<strong>de</strong>r einem obersten Bun<strong>de</strong>sgericht<br />

Anlass für eine Teil-Einspruchsentscheidung/Verfahrensruhe sind (vgl. Nr. 6.1 zweiter Absatz), sind<br />

diese nicht im Tenor, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung zu benennen.<br />

Ist <strong>de</strong>r Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung sachdienlich (vgl. Nrn. 6.1 und 6.2), ist das <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> eingeräumte Entschließungsermessen in einer Weise vorgeprägt, dass es keiner über die<br />

Darlegung <strong>de</strong>r Sachdienlichkeit hinausgehen<strong>de</strong>n Begründung bedarf, warum eine Teil-<br />

Einspruchsentscheidung erlassen wird (BFH-Urteile vom 30.9.2010 und vom 14.3.2012, jeweils a.a.O.).<br />

6.5 Ergeht vor Erlass <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung ein Än<strong>de</strong>rungsbescheid, wird dieser neue Bescheid<br />

Gegenstand <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens (§ 365 Abs. 3) und somit auch Gegenstand <strong>de</strong>r Teil-<br />

Einspruchsentscheidung. Bei <strong>de</strong>r Bestimmung, inwieweit Bestandskraft nicht eintreten soll, ist vom<br />

Inhalt <strong>de</strong>s neuen Bescheids auszugehen. Soll nach Ergehen <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung ein<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheid erlassen wer<strong>de</strong>n, ist zuvor zu prüfen, inwieweit <strong>de</strong>m Än<strong>de</strong>rungsbescheid die<br />

Bindungswirkung <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung entgegensteht.<br />

6.6 Die Teil-Einspruchsentscheidung hat nicht <strong>zur</strong> Folge, dass stets noch eine förmliche „End-<br />

Einspruchsentscheidung“ ergehen muss. Das Einspruchsverfahren kann beispielsweise auch dadurch<br />

abgeschlossen wer<strong>de</strong>n, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Einspruch hinsichtlich <strong>de</strong>r zunächst „offen“<br />

gebliebenen Frage abhilft, <strong>de</strong>r Steuerpflichtige seinen Einspruch <strong>zur</strong>ücknimmt o<strong>de</strong>r eine<br />

Allgemeinverfügung nach § 367 Abs. 2b ergeht. Wird die wirksam ergangene Teil-<br />

Einspruchsentscheidung bestandskräftig, kann im weiteren Verfahren über <strong>de</strong>n „noch offenen“ Teil <strong>de</strong>r<br />

angefochtenen Steuerfestsetzung nicht mit Erfolg geltend gemacht wer<strong>de</strong>n, die in <strong>de</strong>r Teil-<br />

Einspruchsentscheidung vertretene Rechtsauffassung entspreche nicht <strong>de</strong>m Gesetz. Dies ist auch in<br />

einem eventuellen Klageverfahren gegen eine „End-Einspruchsentscheidung“ zu beachten.<br />

7. Allgemeinverfügung<br />

7.1 Wegen <strong>de</strong>r Erledigung von Masseneinsprüchen und Massenanträgen durch eine Allgemeinverfügung vgl.<br />

§ 367 Abs. 2b sowie § 172 Abs. 3.<br />

7.2 Ergeht eine Allgemeinverfügung nach § 367 Abs. 2b, bleibt das Einspruchsverfahren im Übrigen<br />

anhängig. Gegenstand <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens ist <strong>de</strong>r angefochtene Verwaltungsakt und nicht ein Teil<br />

<strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen o<strong>de</strong>r ein einzelner Streitpunkt. Auch wenn sich die Allgemeinverfügung auf<br />

sämtliche vom Einspruchsführer vorgebrachte Einwendungen erstreckt, ist <strong>de</strong>shalb das<br />

Einspruchsverfahren im Übrigen fortzuführen. Dies gilt nicht, soweit bereits eine Teil-<br />

Einspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a) ergangen ist, die <strong>de</strong>n „noch offenbleiben<strong>de</strong>n“ Teil <strong>de</strong>s<br />

Einspruchs auf <strong>de</strong>n Umfang beschränkt hat, <strong>de</strong>r Gegenstand <strong>de</strong>r Allgemeinverfügung ist. Über die<br />

Rechtsfrage, die Gegenstand <strong>de</strong>r Allgemeinverfügung war, kann aber in einer eventuell notwendig<br />

wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Einspruchsentscheidung (§ 366, § 367 Abs. 1) nicht erneut entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Zu<br />

berücksichtigen ist dann, dass für eine Klage nach einer Zurückweisung <strong>de</strong>s Einspruchs durch<br />

Allgemeinverfügung und für eine Klage nach Erlass einer Einspruchsentscheidung durch die örtlich<br />

zuständige Finanzbehör<strong>de</strong> unterschiedliche Fristen gelten.<br />

7.3 Unzulässige Einsprüche wer<strong>de</strong>n von einer nach § 367 Abs. 2b ergehen<strong>de</strong>n Allgemeinverfügung<br />

grundsätzlich nicht erfasst, da <strong>de</strong>r Ausgang <strong>de</strong>s Verfahrens, das bei einem <strong>de</strong>r in § 367 Abs. 2b Satz 1<br />

angeführten Gerichte anhängig war, für diese Einsprüche i. d. R. nicht entscheidungserheblich ist. Wenn<br />

dagegen die Frage <strong>de</strong>r Zulässigkeit eines Einspruchs Gegenstand <strong>de</strong>s Verfahrens bei einem <strong>de</strong>r in § 367<br />

Abs. 2b Satz 1 angeführten Gerichte war, kann eine Allgemeinverfügung insoweit auch unzulässige<br />

Einsprüche erfassen. Ansonsten sind unzulässige Einsprüche möglichst zeitnah durch<br />

Einspruchsentscheidung zu verwerfen, falls sie vom Einspruchsführer nicht <strong>zur</strong>ückgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

8. Insolvenzverfahren<br />

Zur Verfahrensweise in Insolvenzfällen siehe zu § 251, Nrn. 5.3 ff. und Nr. 14.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 232 von 235


Anlage zum <strong>AEAO</strong> zu § 46<br />

ACHTUNG<br />

Eingangsstempel<br />

Beachten Sie unbedingt die Hinweise in Abschnitt V. <strong>de</strong>s Formulars!<br />

Zutreffen<strong>de</strong>s bitte ankreuzen bzw. leserlich<br />

ausfüllen!<br />

Finanzamt<br />

Raum für Bearbeitungsvermerke<br />

Abtretungsanzeige<br />

Verpfändungsanzeige<br />

I. Abtreten<strong>de</strong>(r)/Verpfän<strong>de</strong>r(in)<br />

Familienname bzw. Firma (bei Gesellschaften) Vorname Geburtsdatum<br />

Steuernummer<br />

Ehegatte: Familienname Vorname Geburtsdatum<br />

Anschrift(en)<br />

II.<br />

Abtretungsempfänger(in)/Pfandgläubiger(in)<br />

Name/Firma und Anschrift<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

III.<br />

Anzeige<br />

Folgen<strong>de</strong>r Erstattungs- bzw. Vergütungsanspruch ist abgetreten/verpfän<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n:<br />

1. Bezeichnung <strong>de</strong>s Anspruchs:<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr Kalen<strong>de</strong>rjahr<br />

<br />

für<br />

<br />

für<br />

Einkommensteue<br />

Umsatzsteuerfestse<br />

r-Veranlagung<br />

tzung<br />

Zeitraum Monat bzw.<br />

Quartal/Jahr<br />

für <br />

für<br />

Umsatzsteuervoran<br />

meldung<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr<br />

<br />

für<br />

<br />

2. Umfang <strong>de</strong>r Abtretung bzw. Verpfändung:<br />

€<br />

VOLL-Abtretung/Verpfändung voraussichtliche Höhe<br />

€<br />

TEIL-Abtretung/Verpfändung in Höhe von<br />

3. Grund <strong>de</strong>r Abtretung/Verpfändung:<br />

(kurze stichwortartige Kennzeichnung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Abtretung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n schuldrechtlichen<br />

Lebenssachverhaltes)<br />

4. a) Es han<strong>de</strong>lt sich um eine Sicherungsabtretung o<strong>de</strong>r Verpfändung als Sicherheit:<br />

Ja Nein<br />

b) Die Abtretung/Verpfändung erfolgte geschäftsmäßig:<br />

Ja Nein<br />

5. Der Abtretungsempfänger/Pfandgläubiger ist ein Unternehmen, <strong>de</strong>m das Betreiben von<br />

Bankgeschäften erlaubt ist:<br />

Ja Nein<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 233 von 235


IV.<br />

Überweisung/Verrechnung<br />

Der abgetretene/verpfän<strong>de</strong>te Betrag soll ausgezahlt wer<strong>de</strong>n durch:<br />

Überweisung auf Konto-Nr. Bankleitzahl<br />

Geldinstitut (Zweigstelle) und Ort<br />

Kontoinhaber(in), wenn abweichend von Abschnitt II.<br />

<br />

Verrechnung mit Steuerschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r Abtretungsempfängers(in)/<br />

Pfandgläubigers(in)<br />

beim Finanzamt<br />

Steuernummer<br />

Steuerart<br />

Zeitraum<br />

(für genauere Anweisungen bitte einen geson<strong>de</strong>rten Verrechnungsantrag beifügen!)<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

V. Wichtige Hinweise<br />

Unterschreiben Sie bitte kein Formular, das nicht ausgefüllt ist o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ssen Inhalt Sie nicht verstehen!<br />

Prüfen Sie bitte sorgfältig, ob sich eine Abtretung für Sie überhaupt lohnt! Denn das Finanzamt bemüht sich,<br />

Erstattungs- und Vergütungsansprüche schnell zu bearbeiten.<br />

Vergleichen Sie nach Erhalt <strong>de</strong>s Steuerbescheids <strong>de</strong>n Erstattungsbetrag mit <strong>de</strong>m Betrag, <strong>de</strong>n Sie gegebenenfalls im<br />

Wege <strong>de</strong>r Vorfinanzierung erhalten haben.<br />

Denken sie daran, dass die Abtretung aus unterschiedlichen Grün<strong>de</strong>n unwirksam sein kann, dass das Finanzamt<br />

dies aber nicht zu prüfen braucht! Der geschäftsmäßige Erwerb von Steuererstattungsansprüchen ist nur<br />

Kreditinstituten (Banken und Sparkassen) im Rahmen von Sicherungsabtretungen gestattet. Die Abtretung an<br />

an<strong>de</strong>re Unternehmen und Privatpersonen ist nur zulässig, wenn diese nicht geschäftsmäßig han<strong>de</strong>ln. Haben Sie<br />

z. B. Ihren Anspruch an eine Privatperson abgetreten, die <strong>de</strong>n Erwerb von Steuererstattungsansprüchen<br />

geschäftsmäßig betreibt, dann ist die Abtretung unwirksam. Hat aber das Finanzamt <strong>de</strong>n Erstattungsbetrag bereits<br />

an <strong>de</strong>n/die von Ihnen angegebenen neuen Gläubiger ausgezahlt, dann kann es nicht mehr in Anspruch genommen<br />

wer<strong>de</strong>n, das heißt: Sie haben selbst dann keinen Anspruch mehr gegen das Finanzamt auf <strong>de</strong>n Erstattungsanspruch,<br />

wenn die Abtretung nicht wirksam ist.<br />

Abtretungen/Verpfändungen können gem. § 46 Abs. 2 <strong>de</strong>r <strong>Abgabenordnung</strong> <strong>de</strong>m Finanzamt erst dann wirksam<br />

angezeigt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r abgetretene/verpfän<strong>de</strong>te Erstattungsanspruch entstan<strong>de</strong>n ist. Der Erstattungsanspruch<br />

entsteht nicht vor Ablauf <strong>de</strong>s Besteuerungszeitraums (bei <strong>de</strong>r Einkommensteuer/Lohnsteuer: grundsätzlich<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr; bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuer: Monat, Kalen<strong>de</strong>rvierteljahr bzw. Kalen<strong>de</strong>rjahr).<br />

Die Anzeige ist an das für die Besteuerung <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r Abtreten<strong>de</strong>n/Verpfän<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n zuständige Finanzamt zu richten.<br />

So ist z. B. für <strong>de</strong>n Erstattungsanspruch aus <strong>de</strong>r Einkommensteuer-Veranlagung das Finanzamt zuständig, in <strong>de</strong>ssen<br />

Bereich <strong>de</strong>r/die Abtreten<strong>de</strong>/Verpfän<strong>de</strong>n<strong>de</strong> seinen/ihren Wohnsitz hat.<br />

Bitte beachten Sie, dass neben <strong>de</strong>n beteiligten Personen bzw. Gesellschaften auch <strong>de</strong>r abgetretene/verpfän<strong>de</strong>te<br />

Erstattungsanspruch für die Finanzbehör<strong>de</strong> zweifelsfrei erkennbar sein muss. Die Angaben in Abschnitt III. <strong>de</strong>r<br />

Anzeige dienen dazu, die gewünschte Abtretung/Verpfändung schnell und problemlos ohne weitere Rückfragen<br />

erledigen zu können!<br />

Die Abtretungs-/Verpfändungsanzeige ist sowohl von <strong>de</strong>m/<strong>de</strong>r Abtreten<strong>de</strong>n/Verpfän<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n als auch von <strong>de</strong>m/<strong>de</strong>r<br />

Abtretungsempfänger(in)/Pfändungsgläubiger(in) zu unterschreiben. Dies gilt z. B. auch, wenn <strong>de</strong>r/die<br />

zeichnungsberechtigte Vertreter(in) einer abtreten<strong>de</strong>n juristischen Person (z. B. GmbH) o<strong>de</strong>r sonstigen Gesellschaft<br />

und <strong>de</strong>r/die Abtretungsempfänger(in)/Pfandgläubiger(in) personengleich sind (2 Unterschriften).<br />

VI. Unterschriften<br />

1. Abtreten<strong>de</strong>(r)/Verpfän<strong>de</strong>r(in)/lt. Abschnitt I. – Persönliche Unterschrift<br />

Ort, Datum<br />

(Wer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Einkommensteuer-Zusammenveranlagung die Ansprüche bei<strong>de</strong>r Ehegatten abgetreten,<br />

ist unbedingt erfor<strong>de</strong>rlich, dass bei<strong>de</strong> Ehegatten persönlich unterschreiben.)<br />

2. Abtretungsempfänger(in)/Pfandgläubiger(in) lt. Abschnitt II. – Unterschrift unbedingt erfor<strong>de</strong>rlich –<br />

Ort, Datum<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 234 von 235


Anlage zu Nr. 5 zu § 60<br />

Muster einer Erklärung <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgemeinschaften<br />

1. Der – Die ..................................................................................................................................................................<br />

(Bezeichnung <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgemeinschaft)<br />

mit <strong>de</strong>m Sitz in .........................................................................................................................................................<br />

ist eine anerkannte Or<strong>de</strong>nsgemeinschaft <strong>de</strong>r Katholischen Kirche.<br />

2. Der – Die ..................................................................................................................................................................<br />

verfolgt ausschließlich und unmittelbar kirchliche, gemeinnützige o<strong>de</strong>r mildtätige Zwecke, und<br />

zwar insbeson<strong>de</strong>re durch<br />

3. Überschüsse aus <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgemeinschaft wer<strong>de</strong>n nur für die satzungsmäßigen Zwecke<br />

verwen<strong>de</strong>t. Den Mitglie<strong>de</strong>rn stehen keine Anteile an <strong>de</strong>n Überschüssen zu. Ferner erhalten die Mitglie<strong>de</strong>r<br />

we<strong>de</strong>r während <strong>de</strong>r Zeit ihrer Zugehörigkeit zu <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgemeinschaft noch im Fall ihres Ausschei<strong>de</strong>ns<br />

noch bei Auflösung o<strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgemeinschaft irgendwelche Zuwendungen o<strong>de</strong>r<br />

Vermögensvorteile aus <strong>de</strong>ren Mitteln. Es darf keine Person durch Ausgaben, die <strong>de</strong>n Zwecken <strong>de</strong>r<br />

Or<strong>de</strong>nsgemeinschaft fremd sind, o<strong>de</strong>r durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt wer<strong>de</strong>n.<br />

4. Der – Die ..................................................................................................................................................................<br />

wird vertreten durch .................................................................................................................................................<br />

(Ort)<br />

(Datum)<br />

(Unterschrift <strong>de</strong>s Or<strong>de</strong>nsobern)<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 235 von 235

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